Das dritte Jahr in Hogwarts ist bereits zu einem Drittel gelaufen. Aurora hat dabei viele neue Sachen mitbekommen. Ihr Cousin Philipp ist mit den Verwandten anderer Klassenkameraden von ihr neu eingeschult worden. Etwas merkwürdig kommt Aurora die Erstklässlerin Lissy Wright vor. Doch weil es ja durch die drei neuen Fächer, die sie gewählt hat, auch mehr Arbeit gibt, hält sie sich nicht sonderlich mit ihr auf.
Der frühere Elite-Auror Balder hält den Unterricht in Verteidigung gegen die dunklen Künste ab. Aurora selbst fasziniert Muggelkunde und Pflege magischer Geschöpfe. Da sie von ihren Eltern die Erlaubnis bekommen hat, das Zaubererdorf Hogsmeade zu besuchen, verlebt sie mit ihren anderen Schulkameraden dort einen abwechslungsreichen Tag. Roy Fielding, ihr muggelstämmiger Klassenkamerad, wird dabei von Sabberhexen bedrängt, die in einer Gier nach einem jungen Fortpflanzungspartner hinter ihm her sind. Auch erleben sie eine Gruppe echter Zwerge und besuchen die Läden im Zaubererdorf.
Aurora spielt wieder Quidditch und siegt mit ihrer Mannschaft haushoch über die Hufflepuffs.
Alle sind froh, als die Weihnachtsferien anbrechen. Doch keiner ahnt, was danach passieren soll.
Etwas trübte den Gemeinschaftsgeist der Weihnacht, fand Aurora. Ihre Eltern, ihre Großeltern und ihre sonstigen Verwandten sangen nicht mehr so fröhlich wie die Jahre zuvor. Auch ihr war nicht nach Singen. Denn genau vor einem Jahr war es passiert, daß Leute des bösen Zauberers, den ehrbare Hexen und Zauberer nnicht beim Namen zu nennen wagten, ihren Onkel Dustin ermordet hatten. Sie hatte das damals mit ansehen müssen und war heilfroh, noch davongekommen zu sein. Doch was brachte das jetzt? Die Erinnerung an diesen schlimmen Tag hockte wie ein eiskaltes Ungeheuer auf den Gemütern der Hexen und Zauberer, die in der großen Wohnstube von Regan Dawn feierten. Regan, Auroras Großmutter väterlicherseits, hatte ihren unerreichten Weihnachtspudding gemacht und zwei ganze Gänse mit einer würzigen Kräutersoße zubereitet. Man aß zusammen, unterhielt sich und sang zwischendurch, wenn die Gastgeberin dazu aufforderte. Doch die Lockerheit der unzähligen Weihnachtsfeiern davor war nicht zu fühlen.
Aurora und ihr Cousin Philipp erzählten, was sie bisher in Hogwarts erlebt hatten. Aurora wurde gefragt, wie ihr Hogsmeade gefalle.
"Nun, es ist schon lustig da", sagte sie auf die Frage ihres Onkels Anthony. "Allerdings läuft da ein Volk rum, daß man doch manchmal meint, die würden da jeden reinlassen."
"Das stimmt auch", meinte Opa Samson, Der Vater von Auroras Mutter. Er war wohl an die achtzig Jahre alt, hatte kurzes, graublondes Haar und trug vor seinen blauen Augen eine silberne Brille gegen Kurzsichtigkeit. Seine Nase war leicht plattgedrückt, ein Überbleibsel seiner wilden Zeit als Quidditch-Treiber für die Canons und Nationalspieler Englands. "Ich habe das mal mitgekriegt, wie sich ein Zwerg aus Forins Schmiede mit einem Kobold geprügelt hat. Das war schon heftig, wie die mit großen Bierkrügen herumgeworfen haben. Gut, daß ich damals so treffliche Reflexe hatte."
"Wenn du auch in den Eberkopf reinmußtest", bemerkte Oma Florence, seine es nun schon sechzig Jahre mit ihm aushaltende Ehefrau. Sie hatte sich bisher mit Auroras anderer Oma Regan unterhalten und war nun durch die laute Stimme ihres Mannes aufmerksam geworden.
"Ach, Flo, war's in den drei Besen je anders?" Wollte Opa Samson wissen.
"Auf jeden Fall manierlicher", fauchte Oma Florence.
"Hmm, galt das auch für Sabberhexen?" Fragte Aurora, der einfiel, was bei ihrem Ausflug nach Hogsmeade passiert war.
"Ach, dieses Gekröse hängt da jetzt auch herum? Müßte man doch mal nachprüfen, ob's so gut is'", knurrte Opa Samson.
Aurora erzählte kurz von den Ereignissen in Hogsmeade. Ihre beiden Großmütter rümpften zwar die Nasen, wenn sie von Roy und seinen unheimlichen Verehrerinnen sprach, sagten aber kein Wort dazu.
"Ja, Forin ist immer noch ein Haudegen und Schluckspecht", wußte Arco Dawn, der Vater von Auroras Vater. "Wenn der ein Bier bestellt, muß man gleich das ganze Faß hinstellen. Aber dafür hat der auch genug Gold angehäuft."
"Ja, aber das Ding mit den Occamy-Eiern Anno 1936 war schon ziemlich heftig", schwelgte Opa Samson in einer lange zurückliegenden Erinnerung. Philipp fragte, was ein Occamy-Ei sei. Auroras Vater Hugo erklärte es ihm, daß ein Occamy ein schlangenartiges, jedoch am Körper gefiedertes Tier mit zwei Beinen sei, das Eier mit einer Schale aus weichem aber purem Silber lege und daher nicht selten von Zauberern heimgesucht würde. Einige davon überlebten die Angriffe der brütenden Occamys nicht. Andere schafften es, einige Eier bei Seite zu schaffen, um sie gewinnbringend an Kobolde oder Zwerge zu verkaufen.
"Was war denn da genau?" Wollte Aurora wissen.
"Ach, dieser Lehrbursche Forins, Rorin Windshoe, hat zwar vier Eier mitgehen lassen, aber sein Zwergengestank hat dem Occamy-Weibchen den Weg gezeigt. Da Zwerge weder apparieren noch wie Kobolde durch festes Gestein flitzen können, konnte dieses Biest ihm folgen, bis er mit der Asienfähre des Fliegenden Holländers von Port Shanti nach England zurückkehrte. Tja, und das Tier hat es doch geschafft, sich um das Schiff zu wickeln und mitgenommen zu werden. Es wollte Rorin gerade angreifen, als sein Meister mit einem fliegenden Fuhrwerk ankam und ihn mitnahm. Das Occamy-Weibchen ist jedoch bis nach Hogsmeade gelaufen, wo es sich gründlich ausgetobt hat, bis einige Zauberer es betäuben und nach Asien zurücktransportieren konnten. Allerdings ist Forin dadurch zu einem sehr bewunderten Helden unter den Zwergen geworden."
"Oh, das war aber bestimmt heftig", sagte Philipp.
"Das kannst du glauben, Philipp", lachte Opa Samson.
Nach dem die beiden Großväter sich noch in weiteren spannenden Geschichten aus früheren Zeiten verloren hatten, durften die Kinder ihre Weihnachtsgeschenke auspacken. Aurora bekam von ihren Großeltern mütterlicherseits einen Bildband über Maschinen der Muggel und ein rosarotes Sommerkleid. Von ihren Eltern bekam sie einen Sparbären, ein an und für sich flauschiges Stofftier, das jedoch Knuts, Sickel oder auch Galleonen fraß und nur wieder hergab, wenn seine Besitzerin ihn höflich darum bat. Sonst konnte das Geld keiner kriegen, weil dieser Bär nagelspitze Zähne besaß und laut grummelte, wenn jemand fremdes sich an ihm zu schaffen machen wollte.
Philipp bekam ein Taschenspickoskop, ein silbernes Ding, daß angeblich pfiff und leuchtete, wenn jemand in der Nähe war, dem man nicht trauen konnte. Dazu hatte er noch einen kompletten Satz Miniausgaben der englischen Quidditch-Nationalmannschaft mit Besen bekommen, die im Raum herumfliegen konnten und ein Zauberradio, das aussah wie ein silbernes Kästchen mit einem leuchtenden Auge. Mit einer kleinen Kurbel konnte man eines der drei Programme der englischen Zaubererwelt empfangen, den Nachrichtenfunk, den Sender für zeitgenössische Zaubererkultur und den für magische Schlager und Unterhaltung. Letzteren ließ Philipp lautstark durch das Haus dröhnen. Woody Wondermouth, der beliebteste Musikmoderator, hatte gerade ein fröhliches Weihnachtslied abgespielt. Es hörte sich für alle so an, als stehe der beliebte Radio-Zauberer im Raum. Allerdings sah ihn natürlich keiner.
"Philipp, nicht so laut!" Mahnte Tante June ihren Ältesten.
"Ach, Mum, das ist doch voll gut", protestierte Philipp, während Wondermouth gerade "Fliegt vor Freude himmelhoch" ansagte, den neusten Weihnachtsschlager, gesungen von Hecate Leviata, einer gerade erst so richtig durchgestarteten Musikhexe.
Philipp drehte die Lautstärke auf ein Viertel zurück, sodaß das flinke Geigen, Glöckchen- und Fanfarenspiel wie aus weiter Ferne kommend klang.
Nach dem Weihnachtsfest wünschten sich alle noch einen guten Übergang in ein hoffentlich friedlicheres neues Jahr. In Gedanken hofften alle, daß sie dieses kommende Jahr überleben und wieder zusammen feiern konnten. Gar nicht erst zu hoffen wagten sie, daß dem bösen Zauberer Voldemort irgendwas Einhalt gebot. Doch irgendwie mußte man jedes neue Jahr nehmen wie es kam.
Wieder im Hogwarts-Express zeigten sich die Drittklässler aus Ravenclaw ihre Weihnachtsgeschenke. Roy hatte ein Modell eines Passagierschiffes geschenkt bekommen, nämlich dem, auf dem seine Eltern mit ihm und seiner älteren Schwester Erica eine Rundreise auf dem roten Meer gemacht hatten.
"Meine Eltern sind froh, daß das mit Ägypten jetzt wieder ungefährlicher ist, seit dem die sich mit den Israelis vertragen haben", sagte Roy und erklärte Bruster an dem Modell, was er sich auf dem Schiff alles hatte ansehen dürfen, wie den Maschinenraum, die Funkstation und die Kommandobrücke. Aurora tauschte mit Petula Woodlane den neuesten Klatsch aus der Hexenwoche aus. Da hieß es, daß Lady Felicity von Rainbowlawn sich mit einem Zauberer aus Schweden verlobt hatte, wie Hecate Leviatas Neujahrsauftritt in Hogsmeade verlaufen war und welche Maßnahmen man gegen den dunklen Magier Voldemort treffen wollte.
"Diesmal hat er die anständigen Leute in Ruhe gelassen", stellte Aurora fest.
"Irgendwer hat geschrieben, daß er nicht in England war und seine Todesser wohl nicht wußten, wen sie angreifen sollten. Hoffentlich bleibt er für immer weg", sagte Petula.
"Ich fürchte, der ist schneller wieder da als wir denken", unkte Aurora Dawn.
"Dann hoffe ich, daß die seine Leute endlich kriegen", gab Petula zu verstehen.
"Genial, dieses Glitzerding, Tonya", hörte Aurora es einige Abteile weiter lautstark. "Was kann man mit dem so machen?"
"Ach, wenn du es auf eine Wand richtest, kannst du alle Wände von dem Raum zum leuchten bringen, in dem du drin bist", verkündete Tonya Rattler stolz.
"Ach ja, wo die Slytherins doch so gern im Dunklen rumlaufen", lästerte Petula Woodlane verächtlich.
"Dafür habe ich den Dunkelmacher", kam aus Tonyas Abteil eine Antwort. "Da geht nix mehr an Licht, Leute."
"Siehst du, Petula, das übliche Spiel", bemerkte Aurora Dawn.
"Diese Dunkelmacher sind schon fies", sagte Bruster. "Meine Mum hat mir das erzählt, daß vor einem Monat jemand damit am hellichten Tag eine Gasse verdüstert hat, um Leute umzubringen. Außerdem gibt's noch Wesen, die haben andauernd Dunkelheit und Kälte um sich herum. Dementoren heißen die." Brusters Stimme war leicht verunsichert."Ja, davon habe ich gehört", sagte Dina Murphy, die gerade ihr Kräuterkundebuch zuklappte. "Die saugen einem alles Licht, Wärme und Glück aus. Dieser Crouch will ja haben, daß die in Askaban wachen."
"Was Ministerin Bagnold wohl noch nicht erlaubt, weil die ja auch mit Ihr-wißt-schon-wem herumziehen", sagte Aurora DAwn, die die Nachrichten der letzten Tage auch gut kannte.
"Aber lange dauert das nicht mehr", sagte Petula Woodlane. "Wenn die nächste Sicherheitskonferenz ist, wird das wohl doch durchkommen."
"Ob das so gut ist?" Fragte Dina fröstelnd.
Der Unterricht in Hogwarts machte die Ferien schnell vergessen. Denn die Lehrerinnen und Lehrer luden ihren Schülern eine ganze Menge Hausaufgaben pro Woche auf. Besonders Professor Balder hatte es wohl sehr nötig, seinen Schülern bis zum Umfallen Fluchabwehr und Fallenbeseitigungszauber beizubringen. Professor Kesselbrand führte in seinem Unterricht Niffler vor, die gierig nach Edelmetallen aller Art suchten und zuweilen Uhren und Schmuck der Schüler zu fassen versuchten. Professor Bitterling schien das einzige Fach, das sie noch gab für das wichtigste der ganzen Schule zu halten. Jede Stunde war ein weiterer schwieriger Zaubertrank fällig. Jede Stunde waren es dieselben, die sie als einzige vollkommen richtig hinbekamen, Dina und Aurora. Roy Fielding wurde von ihr immer wieder angeflaumt, wie er sich das vorstelle, wie er den ZAG in Zaubertränken kriegen wollte, wenn er nicht einmal diesen Zaubertrank oder jenes Elixier hinbekam, und Bruster beäugte sie immer lauernd. Immerhin war es ja schulweit bekannt, daß sie ihn am liebsten von der Schule geworfen hätte.
Was Aurora etwas von den hammerharten Aufgaben im Unterricht ablenkte war die Frage, wieso Bruster Wiffle sich so häufig in die Bibliothek schlich, wo er wohl nicht lange blieb. Ging da was vor, von dem keiner was wissen sollte?
Einmal traf Aurora Eunice Armstrong, die wie sie in einer Muggelkundeklasse war. Diese fragte einmal leise:
"Könnte es sein, daß Bruster sich heimlich 'ne Freundin gesucht hat? Er ist immer so merkwürdig, wenn Goldbridge uns was zeigt oder erklärt, als wäre er nicht ganz bei der Sache."
"Das hat wohl was mit der Sache im letzten Jahr zu tun, Eunice. Der wäre ja fast rausgeworfen worden. Ich denke, der will Muggelkunde nur als Fach behalten, weil er meint, bessere Noten da zu kriegen, aber nicht zu viel dafür ranklotzen."
"Meinst du nicht echt, Aurora. Ich weiß doch, daß dich das auch umtreibt."
"Bruster ist nicht mein Cousin oder Bruder. Mich muß das nicht betreffen", sagte Aurora schnippisch. Eunice grinste überlegen und meinte:
"Ja, wenn sie meint, daß das nun jeder wissen darf, wird es schon rumgehen, wen Bruster sich ausgesucht hat."
"Welche Sie?" Fragte Aurora unwissend tun.
"Werden wir dann ja wissen", grinste Eunice und zog weiter.
"Könnte es sein, daß Bruster sich in diese Loren verguckt hat?" Fragte sich Aurora und schüttelte den Kopf. Das konnte unmöglich hinkommen. Loren war eine Slytherin, während Bruster einen Muggelvater hatte. Für Slytherins war doch so einer unter ihrer Würde. Doch was hatte sie selbst gerade gesagt? Bruster war nicht ihr Cousin oder Bruder. Sie mußte das also nicht wissen. Außerdem hatte sie im Moment völlig andere Sorgen. Denn in wenigen Tagen würde das Quidditch-Match Ravenclaw gegen Slytherin steigen. Hufflepuff, welches zwar normalerweise zuerst gegen die in Grün spielende Mannschaft rangemußt hätte, hatte bei Madame Hooch eine Abänderung des Spielplans erbeten. Slytherins wie Tonya Rattler hatten die aus Hufflepuff danach als Feiglinge und Drückeberger bezeichnet. Doch das ließ die Mannschaft des Hauses Hufflepuff kalt.
Als der Tag erwachte, an dem jenes entscheidende Spiel über die Bühne gehen sollte, wachte Aurora Dawn ziemlich früh auf. Sie hatte so gut geschlafen, daß sie sich stark und wach für zwei fühlte. Sicher, Tonya hatte bei der letzten Kräuterkundestunde gestichelt, Aurora solle ja aufpassen, den besten Besen der Schule zu kriegen, damit sie nicht bei der ersten scharfen Kurve abschmierte. Doch Aurora hatte es mittlerweile raus, Tonyas dummes Geschwätz von sich abtropfen zu lassen wie ein Regenschirm den Regen. Sicher, passieren konnte gerade bei diesem Spiel so viel, daß sie schon vorsichtig sein mußte. So frech und unaufhaltsam wie bei den Hufflepuffs würde sie bei den Slytherins nicht voranstürmen können. Eher war zu vermuten, daß man besonders sie vom guten Spiel abhalten wollte. Sie dachte jedoch nicht lange daran. Das war nicht gut, sich vor einem Spiel mit allem zu befassen, was passieren konnte. So las sie, um sich gut abzulenken, noch einige Seiten im Grünen Magier, einer Zeitschrift für magische Kräuterkunde. Ihre Oma Regan hatte ihr zu Weihnachten ein Drei-Jahre-Abonement für dieses Fachblatt geschenkt.
Beim Frühstück saßen die Mitglieder der Hausmannschaften aus Ravenclaw und Slytherin beisammen. Über dem Ravenclaw-Tisch wehte die blaue Fahne mit dem bronzenen Adler, während die Slytherins über ihrem Tisch das grüne Banner mit der Silberschlange entrollt hatten. Eine Viertelstunde lang durfte dieser Schmuck über den Tischen hängen. Dann geboten Professor Flitwick und Professor Bitterling, die Fahnen und Banner wieder einzuholen. Tonya Rattler saß mit ihrer älteren Schwester Delila zusammen, die eine ziemlich gelungene Verschmelzung zwischen Kleiderschrank und Mädchen zu sein schien. Tonya blickte zwischendurch zum Ravenclaw-Tisch hinüber, ob Aurora oder sonst wer von der Mannschaft sie sehen mochte und schnitt bösartige Grimassen.
"Das wird heute unser schwerstes Spiel, Leute", sagte Alessandro Boulder, der Kapitän der Ravenclaws noch einmal. "Die Slytherins wollen Tabellenführer werden, weil sie davon ausgehen, daß sie gegen Hufflepuff keine Probleme haben werden und damit den Pokal sicher haben. Wir müssen dagegen noch auf Gryffindor gefaßt sein, die die Blamage gegen Slytherin wettmachen müssen und gegen die Hufflepuffs bestimmt auch sehr stark auftrumpfen können. Also seid auf alles gefaßt!"
"Bei den Slytherins immer", grummelte Mortimer Swift, der heute ins Tor gehen würde. So ganz wohl war ihm dabei ja nicht, wenn er daran dachte, wie die Treiber Sharkey und Cleever ihn besonders eindecken würden.
Kurz vor zehn Uhr traten die beiden Mannschaften in ihren Spielerumhängen aus den Umkleiden. Aurora sah kurz zu den in Grün auflaufenden Slytherins, die abfällige Gesten gegen die in Blau spielenden Mädchen und Jungen machten. Doch Madame Hooch unterband das abfällige Getue rasch. Sie sprach mit dem Kapitän der Slytherins, der danach leicht erblaßte und seinen Mannschaftsmitgliedern was ausrichtete. Dann sollte er vortreten und Alessandro Boulder begrüßen, wie es der Brauch vor einem Spiel war.
"Heute geht es vielleicht schon um den Pokal", verkündete Lograft, der Stadionsprecher. "Denn hier treten die zwei bislang aussichtsreichsten Mannschaften der laufenden Saison aufeinander. Es geht um die beste Voraussetzung für den diesjährigen Quidditchpokal. Nachdem Hufflepuff um eine Verlegung ihres Spiels gegen Slytherin gebeten hatte und nun erst gegen die Gryffindors ranmuß, werden wir heute Ravenclaw gegen Slytherin erleben."
"Der Pokal gehört schon uns!" Johlten die Slytherins im Chor. Offenbar rechneten sie sich gute Chancen aus.
"Auf die Besen!" Kommandierte Madame Hooch. Alle vierzehn Spieler ließen ihre Besen in Aufstiegsstellung hochschnellen und saßen auf. Dann ließ die Schiedsrichterin erst den goldenen Schnatz frei, der wild davonschwirrte, schickte die beiden schwarzen Klatscher hinterdrein, die sofort über das Feld stiegen und im wilden Zickzack herumschossen. Sie zählte noch bis drei, dann warf sie den scharlachroten Quaffel in hohem Bogen nach oben und pfiff das Spiel an.
Aurora Dawn hatte sich nicht getäuscht. Denn sofort nach dem Anpfiff versuchten alle drei Jäger der Slytherins, sie mit brachialer Gewalt abzudrängen, um sie ja nicht an den Quaffel zu lassen. Der Stadionsprecher überschlug sich vor Aufregung, als er die unfairen Manöver schilderte, mit denen die Slytherins sich den Quaffel holten. Ihre beiden Treiber griffen Mortimer Swift im Torraum mit beiden Klatschern gleichzeitig an und zwangen ihn so dazu, zwei der drei Ringe ungedeckt zu lassen, sodaß die Jägerin Selda Bugger locker die ersten zehn Punkte für Slytherin machen konnte.
"Die Slytherins haben durch eine gelungene Mannschaftsstrategie bereits in den ersten zehn Sekunden zehn Punkte gemacht und sind bereits wieder vor Ravenclaws Torraum!" Rief Lograft aufgeregt, als wieder eine gelungene Klatscherattacke gegen Swift zwei der drei Ringe entblößte und ein anderer Jäger der Slytherins zum Tor warf. "Das Spiel ist gerade dreißig Sekunden alt und brachte Slytherin bereits zwanzig Punkte. Wenn das in dem Tempo so weitergeht ..." setzte der Stadionsprecher fort, als Aurora den Quaffel an sich vorbeiflitzen sah und ihm nachsetzte. Gerade soeben noch konnte sie das unheilvolle schwarze Ding vor sich auftauchen sehen, das ihr voll an den Kopf knallen sollte. Doch sie warf sich flach auf den Besen, trieb ihn voran und bekam den Quaffel noch vor Buggers. Diese versuchte, Aurora mit einem Seitwärtsschupser den roten Ball wieder abzujagen. Doch Madame Hooch erkannte dies als Foul und verhängte einen Freiwurf für Ravenclaw. Aurora führte aus und verwandelte zum zehn zu zwanzig. Die Slytherins buhten ungehalten, während die Gryffindors lachten und die Ravenclaws jubelten.
Als es nach zwei Minuten bereits zwanzig zu dreißig für Ravenclaw stand, vergaßen die Slytherins endgültig ihre guten Manieren und rempelten, schubsten, blockierten und droschen. Mortimer, der jedoch schnell gelernt hatte, daß die Klatscher, wenn sie zeitgleich anflogen, gut abzuschütteln waren, indem er in letzter Sekunde unter ihnen wegtauchte und dann sofort wieder auf Höhe der Torringe stieg, konnte weitere schnelle Tore der Slytherins vereiteln. Aurora Dawn wurde einmal von Samiel Sharkey mit dem Schläger an der linken Seite getroffen, was Boulder zum Anlaß nahm, eine Auszeit zu fordern. Aurora ließ sich in der Unterbrechung von Madame Pomfrey behandeln, die für dieses Spiel bereitstand, konnte nach der Unterbrechung wieder mitspielen und ihrem Kameraden Norman Wayne einen guten Paß zuspielen, der von Wayne nur durch den von Aurora aus rechten Torring der Slytherins verlängert werden mußte.
Die ruppige Art, wie Slytherin spielte, brachte diesen zwar fünf weitere Tore ein. Doch dafür gab es auch drei Strafwürfe, die von jedem der drei Ravenclaw-Jäger verwandelt wurden. Einer der Gryffindors rief nach oben:
"Krawallspieler! Aber euer Hüter ist total unbrauchbar!"
Aurora zählte die Rempler und Stöße schon nicht mehr, die sie fast vom Besen warfen. Ihr ging es nur um die Tore für Ravenclaw. Einmal rasten alle drei Jäger der Slytherins gleichzeitig auf den von Mortimer gehüteten Torraum zu. Die zehn Punkte waren für Slytherin scheinbar unvermeidbar. Aurora jedoch raste so schnell es der Schulbesen ihr erlaubte an den Jägern vorbei, wartete, bis einer von ihnen den Ball warf, schnappte ihn knapp vor einem freien Torring und führte in einer blitzschnellen Bewegungsabfolge eine wenige Sekundenbruchteile benötigende Wende und Höhenänderung aus, wobei sie sich zur selben Zeit um zwei Achsen drehte. Sie setzte sich vom Pulk der Slytherin-Jäger ab, die ihren Treibern zuriefen, Aurora mit den Klatschern zu beballern. Doch die Junghexe tanzte die beiden schwarzen Bälle gekonnt aus. Einer davon nahm den Hüter der Slytherins aufs Korn, der fast vom Besen flog, als er dem anfliegenden Ball auswich. Alle drei Ringe waren nun ungedeckt. Aurora Dawn zögerte nicht und schleuderte den Quaffel punktgenau durch die Mitte. Dann vollführte sie erneut die Doppelachsendrehung, änderte damit die Flugrichtung um 180 Grad und sank dabei um fünf Meter nach unten. Beide Klatscher jagten sie und kollidierten dabei miteinander. Als der Quaffel ins Feld zurückgeworfen wurde, griff sich Aurora den roten Ball durch ein weiteres Manöver, das sie vor den Weihnachtsferien und in den Trainingsstunden nach den Ferien ausgetüftelt hatte und flog sofort wieder zum Tor. Sharkey keuchte ihr hinterher, holte mit dem Schläger aus ...
Madame Hooch Pfiff sofort, bevor der wuchtige Hieb Aurora am Hinterkopf treffen konnte. Sharkey verriss den Schlag und traf das Ende von Auroras Besen. Der Schlag ließ das Reisigwerk zersplittern und den Besen nach hinten durchsacken. Aurora Dawn fühlte, wie sie die Gewalt über den Besen verlor und wie ein Stein abstürzte. Doch diesmal dauerte der freie Fall keine Sekunde. Da ergriff sie ein vereinter Fallbremszauber und ließ sie wie eine Daunenfeder sacht zu Boden gleiten.
"Den Besen können wir jetzt verheizen", knurrte Boulder, der den Pfiff von Madame Hooch nutzte, um eine Auszeit zu fordern. Aurora Dawn zitterte vor Angst und Anstrengung. Dieser Samiel Shaarkey hatte sie voll am Kopf treffen wollen. Dieser klapperdürre Kerl hatte sie echt umbringen wollen!
"Strafwurf für Ravenclaw wegen bösartigen Angriffs auf eine Jägerin", schrillte Madame Hooches Stimme.
"Kannst du noch, Aurora?" Fragte Alessandro besorgt. Aurora Dawn starrte mit Tränen in den Augen umher, suchte Sharkey, der überaus dümmlich grinsend bei seinen Mitspielern stand. Sie brachte für zehn Sekunden keinen Ton heraus, um nicht laut losheulen zu müssen. Dann verzog sich ihr Gesicht vor Trotz und Wut.
"Ja, ich will und kann noch!" Knurrte sie entschlossen. Alessandro erstarrte vor Überraschtheit. Dann fühlte er ein gewisses Unbehagen. Das war doch nicht normal, daß jemand erst total geknickt aussah und dann so entschlossen!
"Ein Ersatzbesen!" Rief er. Ken Dasher wetzte zum Gerätehaus und holte einen anderen Besen für Aurora Dawn. Dann ging das Spiel mit dem verhängten Strafwurf weiter, den Wayne verwandelte.
Auroras Wut peitschte sie zu sehr schnellen aber auch tollkühnen Flugmanövern an. Sie nahm keine Rücksicht mehr auf sich oder ihre Gegenspieler, wenn sie den Quaffel ergattern wollte. Das gelang ihr oft genug, daß die anfängliche Überlegenheit der Slytherins bald vergessen war. Denn Mortimer hatte sich auf das Brechstangenspiel der Slytherins eingestellt und blockierte schon den Weg der Jäger, bevor die Treiber ihn direkt angreifen konnten. Weil bei einem solchen Angriff die Jägerin Buggers von einem von Sharkey gedroschenen Klatscher voll am Bauch erwischt wurde und vom Besen fiel, konnte Aurora sich den roten Ball holen und mit dem nun in einem Lidschlag ablaufenden Doppelachsenmanöver unanfechtbar zum Gegenstoß losfliegen. Der Hüter der Slytherins wirkte schon sehr am Ende, als sie den Ball mit einem aus Wut und Entschlossenheit gespeisten Kraftakt aus dreißig Metern Entfernung durch den linken Ring feuerte. Nun führten die Ravenclaws mit 130 zu 90 Punkten. Wieder tauchte Sharkey hinter ihr auf und schwang den Schläger. Aurora rollte sich zur Seite weg, und Sharkey hieb durch leere Luft. Dabei bekam er nicht mit, wie ein Klatscher von rechts hinten anflog und ihn mit voller Wucht am Brustkorb traf. Aurora Dawn indes drehte sich wieder in die Normalfluglage und sauste zur Feldmitte zurück, um den Abschlag vom Tor zu erwarten. Die beiden verbliebenen Jäger der Slytherins stürmten auf sie ein. Doch Madame Hooch pfiff eine Auszeit. Diesmal war es Slytherins Kapitän Underwood, der die Unterbrechung gefordert hatte. Madame Pomfrey untersuchte Buggers und Sharkey. Beide konnten so nicht sofort kuriert werden, weil Buggers einige heftige innere Verletzungen abbekommen hatte und Sharkeys rechte Schulter mehrfach gebrochen war, was eine längere Behandlung erforderte. So wurden die beiden sofort in den Krankenflügel verfrachtet. Als das Spiel dann ohne einen Treiber und einen Jäger fortgesetzt wurde, spielten nur noch die Ravenclaws. Sieben der folgenden Tore gingen auf Aurora Dawns Konto. Als dann Karin Meridies den Schnatz fing, lagen die Ravenclaws mit 120 Punkten vor Slytherin, was dazu führte, daß sie nun 270 Punkte Vorsprung hatten und mit 400 zu 130 Punkten das Spiel gewannen.
"Damit hat Ravenclaw seinen Tabellenvorsprung weiter ausgebaut!" Rief Lograft überschwenglich. Ravenclaws, Gryffindors und Hufflepuffs jubelten. Die Slytherins buhten in einer Tour. Aurora wurde von ihren Mannschaftsmitgliedern umringt, wohl auch, weil die Slytherins sofort auf sie zustürmten, um sich für die Pleite zu revanchieren.
"Alle Spieler runter vom Feld!" Befahl Madame Hooch, als sich die Jäger und der verbliebene Treiber der Slytherins mit Mortimer, Alessandro und Ken zu prügeln begannen.
"Wer nicht in drei Sekunden vom Feld runter ist wird für die nächsten Spiele gesperrt!" Drohte Madame Hooch. Das wirkte schlagartig. Alle Spielerinnen und Spieler hetzten vom Feld herunter in die Umkleideräume.
"Das war's dann wohl für Slytherin", lachte Alessandro, der sich bei der Balgerei mit Underwood einige Blaue Flecken eingehandelt hatte. Aurora Dawn nickte entschieden.
"Die kriegen den Pokal nicht mehr. Wenn Gryffindor Hufflepuff so haushoch besiegt wie wir die besiegt haben können die Slytherins noch froh sein, nur Platz drei zu haben."
"Wollte dieser Typ dich wirklich am Kopf treffen?" Fragte Mortimer Aurora mit besorgtem Blick.
"Ja!" Knurrte Aurora. "Der wollte mir den Schläger voll über den Kopf ziehen. Wo gibt's denn sowas?!"
"Bei den Slytherins", knurrte Ken Dasher. "Denen ist das piepegal, ob sie jemanden umbringen oder nicht."
"Dafür hängt dieser Knochenmann jetzt im Krankenflügel. Schade, daß ich nicht sein Gerippe splittern gehört habe", gab Mortimer gehässig von sich.
"Pech für ihn", feixte Ken. Denn sein gezielter Klatscherschlag hatte Samiel Sharkey davon abgehalten, Aurora doch noch mit dem Schläger zu treffen.
"Am besten paßt du auf, daß die dir nicht noch irgendwo auflauern, Aurora", sagte Alessandro. "Ich fürchte, du hast dir heute ein paar echte Feinde gemacht."
"Ich habe gespielt, Alessandro. Ich habe fair und so gut ich das hinkriegte gespielt. Wenn die nicht verlieren können sollen sie's lassen", knurrte Aurora, die Alessandros Besorgnis eher zornig als ängstlich machte. Sicher, sie mußte jetzt davon ausgehen, daß ihre Jahrgangskameraden aus Slytherin sie noch stärker drangsalierten als sowieso schon. Aber gerade jetzt wollte sie sich nicht davon beeindrucken lassen.
Beim Mittagessen konnte sie sehen, wie Professor Bitterling sich sehr erregt mit Professor Flitwick unterhielt. Professor McGonagall sah ihnen dabei zu und schien zwischendurch eingreifen zu müssen, um die aufgewühlte Unterhaltung nicht in einen würdelosen Streit ausarten zu lassen.
Am Tisch der Slytherins saßen alle Drittklässler zusammen. Aurora konnte Abscheu und Enttäuschung in den Gesichtern sehen, besonders wenn sie merkten, daß sie angeschaut wurden. Tonya Rattler schien in einer ohnmächtigen Wut festzustecken. Wieder und wieder sah sie auf einen freien Stuhl an ihrem Tisch, wo Samiel Sharkey hätte sitzen sollen. Dann sah sie wieder auf Aurora Dawn. Ihre Blicke waren feindselig und drohend. Aurora fragte sich, was Tonya sich würde einfallen lassen, um ihr diesen Schlamassel heimzuzahlen. Als Professor Bitterling aufstand und kurz zum Tisch der Slytherins hinüberging kehrte für einige Momente totale Stille an allen vier Tischen ein. Jeder und jede schien die Ohren zu spitzen, um möglichst mitzukriegen, was die Leiterin des Hauses mit der Schlange im Wappen ihren Schützlingen sagte. Sie sprach zu Underwood, dem Quidditchkapitän. Dieser erblaßte, zuckte die Achseln und nickte dann widerwillig. Aurora hörte, wie Bitterling den Namen Samiel Sharkey erwähnte. Doch was genau sie mit ihm meinte verstand sie nicht, da die lehrerin mehr flüsterte als sprach. Als sie dann an den Lehrertisch zurückkehrte setzte das allgemeine Raunen und Murmeln wieder ein, daß üblicherweise von allen Tischen her klang, wenn nicht gerade Besteck auf Geschirr klapperte.
"Hat sie dem jetzt gesagt, daß Sharkey wohl noch ein paar Tage im Krankenflügel herumliegen darf oder was?" Fragte Aurora Dawn ihre Klassenkameraden.
"Das sah eher nach Strafpredigt aus", meinte Bruster Wiffle. Aurora nickte. Wer wußte besser als Bruster Wiffle, wie eine Strafpredigt von Professor Bitterling aussah und sich anhörte?
"Wollen wir den Herren nachher mal im Krankenflügel besuchen?" Fragte Roy Bruster. Die beiden Jungen grinsten. Doch Amalia schüttelte den Kopf.
"Ihr werdet euch gefälligst nicht auf das Niveau dieser Leute aus Slytherin herablassen!" Gebot sie streng und warf sich in erhabene Pose, sodaß ihr Schulsprecherinnenabzeichen deutlich zu sehen war.
"Natürlich nicht", sagte Bruster. Roy grinste verächtlich, nickte aber, als die Siebtklässlerin ihn warnend anblickte.
Am Nachmittag bekam Aurora auf allen Wegen eine Leibwache, obwohl sie das nicht wollte. Doch Alessandro hatte seinen Klassenkameradinnen und -kameraden eingeschärft, Aurora in den nächsten Tagen und Wochen nicht unbegleitet herumlaufen zu lassen. So hatte sie gleich drei ältere Mitschülerinnen hinter sich, wenn sie einen der Toilettenräume aufsuchte oder fand sich von älteren Jungen aus ihrem Haus beobachtet, wenn sie in die Bibliothek ging. Dabei traf sie wirklich einmal Tonya Rattler, die mit ihrer Schwester und einigen Jungen aus der dritten Klasse zusammenhing. Tonya trat boshaft grinsend vor und meinte:
"Bilde dir jetzt bloß nicht ein, du wärst was besonderes, Dawn! Du lebst ja nur noch, weil Samiel zu feige war, richtig draufzuhauen. Ich glaube auch nicht, daß deine Eltern das noch mitkriegen, was du heute gemacht hast. Der dunkle Lord wird die wohl bald allemachen."
"Ach, woher weißt du das so genau?" Fragte Aurora, als der erste Schreck über diese Bemerkung verflogen war.
"Was ich weiß weiß ich", fauchte Tonya Rattler. "Ich denke nicht, daß du beim nächsten Spiel noch mitspielen wirst. Du lebst nur noch in Tagen, blöde Gans!"
"Genau wie du, Tonya. Oder ist dein Körper noch nicht so weit ausgereift?" Versetzte Aurora sehr derb. Tonya Schnellte vor und wollte Aurora eine runterhauen, als Madame Pince dazwischenging.
"Hier wird sich nicht geprügelt wie zwischen gammeligen Zauberern in der Nokturngasse, klar! Zehn Punkte Abzug für Slytherin und fünf Punkte Abzug für Ravenclaw. Auseinander!"
Tonya trollte sich. Petula Woodlane, die neben Aurora stand sah etwas käsig aus.
"Ich würde das ernst nehmen, was die sagt", meinte Auroras Schulfreundin.
"Petula, du glaubst doch wohl nicht echt, daß die weiß, was Du-weißt-schon-wer vorhat oder daß die das dann herumposaunt, wenn sie was weiß. Wenn dieser böse Zauberer so trottelig wäre, wäre der nicht so gefährlich. Sicher habe ich Angst, weil er schon einmal versucht hat, meine Familie umzubringen. Aber Tonya hat doch keine Ahnung, was der so vorhat."
"Ja, aber die wird dich jetzt nicht mehr in Ruhe lassen", erwiderte Petula.
"Erzähl mir mal was neues", versetzte Aurora trotzig. "Die hat mich doch schon seit zwei Jahren nicht in Ruhe gelassen, seit der Sache wo ich Roy und Bruster beigestanden habe. Die redet nur. Wenn sie mir wirklich eine reinhaut oder einen Fluch aufbrennt, wird die nicht lange in Hogwarts bleiben."
"Hmm, das ist der doch dann egal", flüsterte Petula eingeschüchtert. Doch Aurora Dawn hatte sich entschlossen, sich nicht noch einmal von Tonya oder anderen Leuten aus Slytherin einschüchtern zu lassen. So steckte sie die Bemerkungen Tonyas in die Schublade zu erwartender Belästigungen und holte sich aus der Bibliothek die Bücher, die sie für den Muggelkundeunterricht brauchte.
Eine Woche vor dem Spiel Gryffindor gegen Hufflepuff konnten die Ravenclaws einen Aushang am schwarzen Brett ihres Gemeinschaftsraums vorfinden, auf dem stand, daß am zweiten Samstag im Februar der nächste Ausflug nach Hogsmeade stattfinden sollte. Das versprach wieder eine willkommene Ablenkung vom Schulalltag, der durch Lehrer wie Balder und Bitterling kein Zuckerschlecken war. Roy Fielding hatte sofort ein Buch aus der Bibliothek entliehen, daß sich mit wild lebenden Zauberwesen befaßte, um nicht noch einmal unangenehm mit irgendwelchen Zauberkreaturen zusammenzutreffen wie beim ersten Ausflug. Bruster Wiffle hüllte sich in Schweigen, ob er am Ausflug teilnehmen oder vielleicht doch lieber auf dem Schloßgelände bleiben wollte. Die Mädchen der dritten Klasse waren einhellig dafür, wieder zusammen ins Dorf zu gehen, und die Erst- und Zweitklässler ließen sich noch einmal beschreiben, was es in Hogsmeade so gab.
"Ich bin mal gespannt, was die jetzt alles haben", sagte Petula. Denn vor weihnachten hatten sie vor lauter Schularbeiten auf den üblichen Vorweihnachtsausflug ins Zaubererdorf verzichtet.
"Die holen die Frühlingsdekorationen raus und stellen die ersten Blumenkästen auf die Terrassen und Balkone", sagte Miriam. "Mum freut sich immer, wenn am Valentinstag die Rosenparade durchs Dorf zieht und jeder Liebende ein Banner mit dem Bild seiner Geliebten drauf zeigt. Aber diesmal kriegen wir das ja nicht mit."
"Warum erzählst du uns dann sowas?" Wollte Roy Fielding wissen.
"Weil Petula mich gefragt hat", erwiderte Miriam schnippisch. Das nahm Roy mit einem kurzen Grummeln hin und nahm sein Arithmantikbuch wieder auf, um noch einiges über irgendwelche natürlichen Gegebenheiten nachzulesen.
"Was tippt ihr eigentlich, wer nächste Woche gewinnt?" Fragte Aurora Dawn.
"Liverpool natürlich", erwiderte Roy Fielding. Das trug ihm von Bruster ein gehässiges Grinsen und von den Mädchen ein verächtliches Grummeln ein.
"Du Pappnase weißt doch, wen Aurora gemeint hat", knurrte Miriam. "Gryffindor oder Hufflepuff."
"So'ne Frage stellst du, Aurora? Nachdem die Hufflepuffs von euch so versenkt worden sind ist das mit Gryffindor doch ausgemacht."
"Ja klar, haben wir vor zwei Jahren ja auch erlebt, was da in der ersten Division gelaufen ist", gab Bruster einen Kommentar ab. "Das war ja auch eine ausgemachte Sache."
"Ach du meinst das eine Spiel, wo ...?" Setzte Roy an. Doch Dina räusperte sich laut und meinte, daß das ja völlig unwichtig sei, wo es hier um Quidditch ginge.
"So ähnlich haben die Wimbourner Wespen auch gedacht", erinnerte Aurora Roy an das, was sie mal erzählt hatte. Daraufhin sagte Roy:
"Also die Wahrscheinlichkeit, daß die Gryffindors sich das jetzt entgehen lassen, sich vor die Slytherins zu setzen, ist wohl sehr klein. Also bleibe ich bei Gryffindor."
"Nun, das werden wir dann ja sehen", sagte Aurora Dawn.
Doch Roy sollte recht behalten. Als eine Woche später die ersten fünf Minuten des Spiels gelaufen waren, lagen die Spieler aus Hufflepuff schon mit null zu fünfzig Punkten zurück, und die neue Gryffindor-Mannschaft machte keine Anstalten, dem Gegner ein einziges Tor zu gönnen. Die Hawkins-Zwillinge, die als Treiber spielten, hatten aus der Begegnung Ravenclaw gegen Slytherin gelernt und zwangen den gegnerischen Hüter, mindestens einen Ring pro Angriff preiszugeben oder blockierten durch quergeschlagene Klatscher das Vorrücken der Hufflepuff-Jäger. War das Spiel der Hufflepuffs gegen Ravenclaw schon ein Debakel, so übertraf das Endergebnis des Spiels gegen Gryffindor dieses Ungemach noch um ganze zweihundert Punkte, als Gryffindors Sucher den Schnatz fing. Damit rückten die Gryffindors auf den zweiten Tabellenplatz, während Hufflepuff aus den beiden bisherigen Begegnungen nur ganze zwanzig Punkte verbuchen konnte. Ravenclaw führte mit einem hauchdünnen Vorsprung von 690 zu 670 Punkten vor Gryffindor. Die Slytherins buhten. Denn für sie war mit nur 350 Punkten selbst bei einem haushohen Sieg über Hufflepuff der Pokal sehr schwer zu gewinnen.
"Ich habe es doch gesagt, die Gryffindors machen das klar. Hufflepuff ist ja 'ne echte Schießbude. Da holt sich jeder die nötigen Punkte ab", lästerte Roy über die haushohen Verlierer ab.
"Findest du das jetzt nicht etwas fies, Roy?" Fragte Aurora Dawn, die sich umsah, wie die Hufflepuffs das Ergebnis hinnahmen.
"Das ist die Wahrheit doch meistens, Aurora", sagte Roy eiskalt. "Sogesehen hätten die doch ruhig unten bleiben können und den Gryffindors das Feld überlassen können."
"Klar, damit die in einer Minute fünf Tore schießen", knurrte Aurora Dawn. Sie hatte nichts grundsätzliches gegen Gryffindor. Sie ärgerte sich nur über Roy, der Quidditch nie so recht schätzte aber meinte, sich groß drüber auslassen zu müssen.
"Die Sprout ist jedenfalls ziemlich weit unten, Leute", sagte Bruster, der die kleine runde Kräuterkundelehrerin ansah, die neben Professor McGonagall saß und ein rosa Taschentuch vor ihr Gesicht hielt. Offenbar zog ihre trübe Stimmung auch die Verwandlungslehrerin und Gryffindor-Hauslehrerin mit hinunter. Denn sie stand reglos neben ihrer Kollegin Sprout und wollte sich nicht so recht freuen, obwohl ihre Mannschaft auch ohne die Spitzenkünste eines James Potter glänzend gespielt hatte.
"Heißt es nicht irgendwo, es ist keine Schande, gegen einen übermächtigen Gegner zu verlieren?" Fragte Roy. "Dann ist es umgekehrt ja wohl kein Heldenstück, gegen einen total unterlegenen Gegner zu gewinnen."
"Bist du jetzt mal langsam still?" Schnaubte Miriam. "Immerhin haben die aus Hufflepuff sich technisch gut gezeigt."
"Habe ich nicht mal gesagt, daß ich mir von dir nicht das Maul verbieten lasse?" Blaffte Roy zurück. "Außerdem bringt es die bessere Technik nicht, wenn nichts zählbares dabei herumkommt. Alte Sportreporterweisheit. Sei doch lieber froh, daß wir die Tabelle anführen, obwohl Gryffindor so heftig viele Punkte eingefahren hat! Oder hast du bei den Hufflepuffs 'nen Verehrer?"
"Zum einen, Mr. Roy Fielding aus Liverpool haben wir alle in Hufflepuff Klassenkameraden, die wir im Zaubertrankunterricht zu sehen kriegen, wie auch in Muggelkunde oder Pflege magischer Geschöpfe. Zum zweiten geht es dich einen feuchten Schmutz an, ob ich einen Verehrer habe und wo", erboste Miriam, wartete zwei Sekunden und legte nach: "Wenn du meinst, dich in anderer Leute Beziehungskram reinhängen zu müssen, versuch doch, dich mit einer dieser Sabberhexen zu verabreden. Soviel ich weiß, sind die alle Dritteljahre in Stimmung."
Roy zuckte zusammen wie unter einem Schlag in den Magen. Ja, und ähnlich heftig mußte diese gehässige Anregung ja auch auf ihn wirken. Bruster meinte:
"Eh, Miriam, das war jetzt aber unfair. Beim Boxen hätten sie dich jetzt schon disqualifiziert und beim Fußball vom Platz gestellt."
"Hallo, Bruster, pass bloß auf, wie weit du dich aus dem Fenster lehnst!" Fauchte Miriam. Aurora legte ihr die Hand auf die Schultern und flüsterte:
"Miriam, er hat recht. Nur weil du immer gleich so hochgehst mußt du Roy nicht noch so ein Ding reinwürgen. Das zeigt nicht gerade große Stärke."
"Der hat mir nicht so zu kommen, Aurora", zischte Miriam Swann.
"Ja, aber du ihm auch nicht", erwiderte Aurora entschieden.
"Leute, die schau ist um. Die Hufflepuffs sind gerade abgerückt, und die Gryffindors werden von ihren Fans vom Platz getragen", kommentierte Bruster das Geschehen auf dem Spielfeld. Er stand auf und verließ die Tribüne. Aurora nahm Miriam locker beim Arm und zog sie mit sich aus der Zuschauerreihe. Roy, Dina und Petula folgten ihnen leise.
"Hol euch Du-weißt-schon-wer!" Gröhlten die Slytherins über die Gryffindors, während die ruhmreichen Spieler von ihren Anhängern zum Schloß hinaufgetragen wurden. Dumbledore, der dem Spiel zugeschaut hatte hielt sich kurz den Zauberstab an die Kehle und rief dann mächtig laut:
"Die damen und Herren aus Slytherin möchten sofort diese unflätigen Parolen einstellen. Mit derartigen Sachen wird unter dem Dach von Hogwarts kein Schindluder getrieben. Fünfzig Punkte Abzug für Slytherin! Die Vertrauensschüler möchten zusammen mit Professor Bitterling in zehn Minuten in meinem Büro antreten!"
Schlagartig verstummten die wüsten Beschimpfungen der Slytherins, die nun wie eine Kolonne stummer Soldaten zum Schloß hinaufmarschierten.
"Dumbledore kann viel ab, aber sowas macht auch ihn wütend", stellte Miriam grinsend fest. "Hoffentlich rutschen die Slytherins wegen dieser Gemeinheit noch weiter ab in der Hauspunktewertung. An und für sich hätte Dumbledore ihnen gleich hundert Punkte abziehen sollen."
"Du kennst doch Dumbledore, Miriam. Er geht davon aus, daß nicht alle Slytherins da mitgebrüllt haben und will denen nichts, die friedlich zugeschaut haben", sagte Aurora.
"Mal abgesehen davon, daß sie ihren Obergangster ruhig beim Namen nennen könnten, wenn die schon meinen, der tue ihnen nix", knurrte Roy. "Da kannst du mal sehen, welches feige Aas in diesem Haus zusammengekehrt wurde."
"Eh, Roy, das geht doch nicht, alle gleichermaßen runterzumachen", widersprach Bruster.
"Ach, dann kennst du Leute aus dem Saustall, die nicht großspurig, reinblütigkeitsfanatisch und hinterhältig sind? Interessant. Dabei habe ich bis heute gedacht, wir kennen dieselben Leute von da zu gut", versetzte Roy Fielding.
"Ich wollte dir nur sagen, daß ich Dumbledore verstehen kann, wenn er nicht gleich zweihundert Punkte abzieht, obwohl das an und für sich schon richtig wäre", sagte Bruster merkwürdig angespannt dreinschauend.
"Na ja, wie du meinst", beendete Roy das Thema.
Im Verlauf des Tages erfuhren die Ravenclaws, daß einige Siebtklässler und vier Drittklässler der Slytherins zu Strafarbeiten verdonnert worden waren. Zwar hatten deren Vertrauensschüler dichtgehalten, wer die gemeine Parole angefangen hatte, doch irgendwie mußte Dumbledore doch bessere Augen und Ohren haben als für sein Alter zu erwarten war. Zumindest war es eine gewisse Genugtuung für Aurora, Petula, Roy und Bruster, daß Tonya Rattler zu den Bestraften gehörte. Sie sollte die Bettpfannen im Krankenflügel scheuern, ohne Zauberkraft. Da einige Tage zuvor einige Schüler wegen Übelkeitsanfällen und anderen Leibesbeschwerden dort zugebracht hatten würde es für die sonst so hochnäsige Mitschülerin eine wahre Strafe sein.
"Dann soll sie mal schrubben, die blöde Gans", sagte Bruster nur dazu. "Dann lernt sie vielleicht, daß nicht alles rausgebrüllt werden soll, was ihr durch den blonden Hohlkopf schwirrt."
"Mag sein", sagte Aurora Dawn. Sie glaubte nicht so recht, daß Tonya Rattler durch Strafarbeiten zu einer umgänglicheren Hexe gemacht werden konnte.
Bruster und Roy zogen sich an einen kleinen Tisch im Gemeinschaftsraum zurück, wo sie irgendwas besprachen, wohl wieder Fußball. Sicher, Bruster durfte sich nicht mehr mit Roy darüber zanken, ob Liverpool oder Manchester die bessere Mannschaft war. Aber das Interesse an Fußball war ihm damit nicht ausgetrieben worden. Dina, die zwischendurch versuchte, Roys Aufmerksamkeit zu ergattern, zog nach zwanzig Sekunden bedröppelt ab. Aurora saß alleine über den Muggelkundeaufgaben, weil Petula und Miriam sich mit Leuten aus der vierten Klasse unterhielten, wohl über die nächsten Verwandlungsübungen. So hörte Aurora aus dem gedämpften Gemurmel im Gemeinschaftsraum die Stimme ihres Cousins Philipp heraus, der sich mit seiner Klassenkameradin Lissy Wright in der Wolle hatte. Wieder einmal.
"Mädchen, es steht mir langsam bis hier", knurrte Philipp und deutete auf seinen Hals. "Immer meinst du, auf mir oder Bianca oder wem anderem rumhacken zu dürfen, der oder die nicht die tollen Sachen im Unterricht bringt und schleimst dich bei den Lehrern ein, daß man auf der Spur von hier bis London glitschen könnte. Ich habe es gründlich satt, mir von dir andauernd anzuhören, was für'n Idiot ich deiner Meinung nach bin. Pack dir mal an die eigene Nase, Kronprinzesschen!"
"Philipp, du meinst, mir würde das tierischen Spaß machen, dir zu sagen, wo's bei dir oder Bianca oder Rita hakt. Aber das macht mir keinen Spaß", quäkte Elizabeth in ihrem amerikanischen Akzent. "Ich will bloß haben,daß wir alle gleich gut sind und keiner unten durchfällt."
"Oh, wie mitfühlend, Lissy", spottete Philipp. "Oder meinst du damit nicht doch, daß du nicht willst, daß du auf andere Rücksicht nehmn möchtest, die nicht diesen Supereinstieg in Hogwarts hingelegt haben wie du? Könnte es nicht eher sein, daß du meinst, zwei Klassen in einem Jahr packen zu müssen, wenn wir alle schön stramm mit dir mitmarschieren? Aber das vergiss mal, Mädel! So viele Streber laufen auch in Ravenclaw nicht rum. Und in dem Jahrgang bestimmt nur eine."
"Das ist dein Problem, Philipp. Du meinst, mich für deine Unfähigkeiten noch dumm anquatschen zu müssen", entgegnete Lissy Wright. "Offenbar ist es deinen Eltern ja egal, wie du hier zurechtkommst."
"Eh, meine Alten läßt du mal schön raus, klar!" Fauchte Philipp sehr bedrohlich. "Zumindest weiß ich, daß die dich nicht beauftragt haben, mir eine dumme Standpauke nach der anderen reinzuwürgen. Oder sollte ich dich fragen, ob deine Oma das toll findet, wie du hier mit deinen Klassenkameraden umspringst?"
"Die will zumindest nicht hören, daß ich im ersten Jahr schon wegen übermäßiger Nachlässigkeiten das Klassenziel verfehle. Wenn ihr euch so hängen lasst, können die uns hier doch nix richtig beibringen."
"Also habe ich recht", stellte Philipp belustigt fest. "Dir geht's nicht drum, ob wir armen unterbemittelten Mädels und Jungs nicht mitkommen, sondern daß du Angst hast, wegen uns nicht genug zu lernen zu kriegen. Dann beantrage doch bei Flitwick eine Einstufungsprüfung für die dritte Klasse, wenn du mit dem Jahr fertig bist! Aber verschone uns mit deinem ewigen Genörgel und Herumkritisieren!"
"Wem kein Verstand gegeben ist, der versteht auch nix", zischte Lissy Wright und warf einen verächtlichen Blick auf philipp.
"Eh, das nimmst du aber jetzt mal ganz schnell zurück, klar!" Knurrte Auroras Cousin und straffte sich zu seiner ganzen Körpergröße.
"Wenn's doch wahr ist", knurrte Lissy unbeeindruckt zurück. Dann sprang sie auf und deutete auf Philipp Priestley. "Daß deine Mutter so schlau sein soll wundert mich bei dir allemal. Aber die befaßt sich ja auch mit dem ganzen Muggelkrempel. Wird wohl also auch nicht so weit hersein mit ihrer Klugheit."
"Zieh um nach Slytherin und lass dich vom blutigen Baron fressen!" Fauchte Philipp. "Niemand von deiner Sorte quatscht so'n Dreck über meine Mum, klar?"
"Ach, wo du hier doch zu deutlich zeigst, daß du nicht allzu viel vom Lernen hältst? Ich sollte wirklich nachfragen, ob Ravenclaw wirklich noch den Ruf verdient, den es hat."
"Frag Professor Flitwick danach. Vielleicht weiß der ja eine Antwort, die dir gefällt", sagte Philipp und kehrte Elizabeth den Rücken zu.
"Das das keiner mitgekriegt hat", dachte Aurora Dawn, als Philipp trotzig den Gemeinschaftsraum verließ und zu den Jungenschlafräumen hinaufstieg. Doch an der Stille, die sich über den gesamten Gemeinschaftsraum legte erkannte sie, daß doch irgendwer was von dem verstanden hatte, was Elizabeth gesagt hatte. Zwar waren im Moment keine Vertrauensschüler hier, weil die alle zu einer Samstagnachmittagskonferenz mit den anderen Vertrauensschülern und den Lehrern zusammenkommen mußten, aber Erica Fielding, Roys drei Jahre ältere Schwester, sowie Alessandro Boulder starrten Lissy an, und es wirkte nicht anerkennend oder aufmunternd.
"Du fühlst dich also hier unpassend?" Fragte Erica Fielding Lissy. Diese sah sie trotzig an und nickte verhalten. Alessandro fragte dann:
"Dann stimmt das auch, daß du meiner Schwester vor zwei Tagen die Hölle heiß gemacht hast, weil sie bei Flitwick den Fernlenkzauber eins nicht hinbekam?"
"Das stimmt", erwiderte Lissy unbeeindruckt.
"Also meinst du, daß du jetzt schon alles kannst, was von den Erstklässlern verlangt wird?" wollte Erica wissen.
"Eben nicht, weil die Lehrer außer Bitterling und Balder ja auf alle warten, die es nicht im ersten Anlauf hinkriegen", knurrte Lissy.
"Also liegt es nur an denen, daß du hier nicht gut durchstarten kannst?" Grinste Alessandro überlegen.
"Es geht nicht um mich, sondern um die ganze Klasse. Wenn wir alle das Klassenziel nicht packen, weil so'n paar Durchhänger dabei sind ..."
"Eh, so redest du nicht von meiner Schwester", erzürnte sich Alessandro. "Die klotzt ran, macht Extraübungen und strampelt sich ab, um ihr erstes Jahr hier gut über die Bühne zu bringen. Die hat's nicht verdient, von jemandem wie dir so mies abgebürstet zu werden. Ich würde dir also sehr dringend raten, dein überhebliches Getue sehr schnell abzulegen und zu erkennen, daß du genauso nur eine Erstklässlerin bist wie Bianca oder die Swift-Schwestern oder Philipp Priestley. Für den Unsinn, den du vorhin losgelassen hast, hättest du von mir, Mädchen oder nicht, eine reingekriegt", schnaubte Alessandro. Erica schüttelte den Kopf und winkte dem Kapitän der Hausmannschaft, sich nicht so aufzuregen. Sie sagte nur:
"Also, wenn du dich hier nicht wohlfühlst, dann geh bitte zu Professor Dumbledore und setz bei dem noch mal den sprechenden Hut auf. Wenn der dir dann sagt, daß du in Slytherin oder Gryffindor einziehen sollst, dann kannst du ja deine Sachen packen und umziehen. Falls du aber Angst hast, der Hut könnte auch sagen, daß du besser die Schule wechseln sollst, dann halt bitte den Mund oder gewöhn dir einen etwas kultivierteren Umgangston an, solange du selbst nichts auf die Beine gestellt hast!"
"Seit wann muß ich mir von einer, die keine Vertrauensschülerin ist was sagen lassen?" Begehrte Lissy auf.
"So viel hat nicht gefehlt, und Dumbledore hätte mich ausgesucht. Aber ich habe keine Probleme, daß Priscilla es geworden ist. Aber ich kann dich beruhigen, daß sie dir einen ähnlichen Vorschlag gemacht hätte", erwiderte Erica völlig ruhig. Die übrigen Ravenclaws hatten sich stillschweigend so hingesetzt oder -gestellt, daß sie dem nun im ganzen Gemeinschaftsraum hörbaren Streit auch mit den Augen folgen konnten.
"Dieser Hut hat gesagt, ich soll hier rein. Ich dachte, hier wohnen die, die Wert auf's Lernen legen. Offenbar hat der Hut sich da geirrt", gab Lissy von sich.
"Ja, den Eindruck macht das manchmal", grinste Erica. Alle anderen Ravenclaws lachten. Dann sagte Roys Schwester noch: "Wie gesagt, geh zu Professor Flitwick oder gleich zu Dumbledore und frag, ob du anderswo untergebracht werden kannst, vielleicht doch eher bei den Slytherins. Die ärgern sich ja schon, weil jemand mit einem guten Stammbaum nicht gleich zu denen geschickt wurde."
"Dreckiges Sch..., Miststück!" Fauchte Lissy. Alle anderen Ravenclaws zuckten mit den Achseln und glotzten Lissy entgeistert an. Nur Erica Fielding blieb ruhig wie der Fels in der Brandung.
"Da haben wir's, daß deine Besonnenheit auch nicht gerade hoch entwickelt ist, wenn du eine unliebsame Wahrheit nicht verdauen kannst und jemanden gleich beschimpfst, der es doch nur gut mit dir meint, wie du es ja auch so gut mit deinen Klassenkameraden meinst", sagte sie kühl. Das reichte Lissy. Sie wandte sich ab und entschwand durch den Abzweig zum Mädchentrakt.
"Volltreffer!" Lobte Roy Fielding seine Schwester. "Ich glaube, daß hat sie jetzt kapiert."
"Glaubt es mir alle hier, daß die wohl noch tierisch mit ihrer Art auf die Nase fällt", sagte Erica. Dann setzte sie sich wieder hin und sprach weiter mit ihren Klassenkameraden über das, was sie vorher wohl schon besprochen hatten.
Als die Vertrauensschüler, sowie die Schulsprecherin Amalia Hopfkirch von der Samstagnachmittagskonferenz zurückkehrten ließ sich Priscilla erzählen, was im Gemeinschaftsraum passiert war. Sie winkte Philipp und die Swift-Drillinge zu sich und fragte sie einzeln aus. Dann wandte sie sich an Amalia und sprach gestenreich mit ihr. Amalia nickte einige Male, rümpfte die Nase oder zog die Schultern hoch. Dann schickte sie Priscilla in den Schlaftrakt für Mädchen, um mit Lissy zu sprechen.
"Na, da wollen wir doch mal sehen, was der Kronprinzessin nun blüht", feixte Roy leise hinter Aurora. Sie zuckte zusammen. Sie hatte wegen Amalia und Priscilla nicht darauf geachtet, daß Roy sich von hinten angeschlichen hatte.
"Mann, hast du mich jetzt erschreckt", schnaubte sie. "Aber du hast recht. Interessant wird's jetzt.
Amalia Hopfkirch unterhielt sich mit Schülern aus allen Klassen, bevor Priscilla zusammen mit Lissy Wright zurückkehrte. Amalia stand auf. Wie abgeschaltet versiegte jeder Laut im Gemeinschaftsraum. Amalia sah die überhebliche Erstklässlerin an wie ein Richter den Angeklagten, wenn er das Urteil verkündet:
"Elizabeth, ich fürchte, dein Betragen hier in Ravenclaw und auch im Unterricht gibt mir Anlaß zur Besorgnis", begann sie. "Es ist schon richtig, daß leistungsstärkere Schüler denen helfen sollten, die nicht so gut mitkommen. Aber das sollten sie dann bitte nicht auf dem Niveau eines altrömischen Grundbesitzers und seiner Küchensklaven tun. Du bist hier jetzt erst ein knappes Jahr und möchtest bestimmt alle sieben Jahre gut zu Ende bringen. Dann solltest du dir aber von jetzt an vornehmen, mit deinen Klassenkameraden konstruktiv umzugehen, also ermutigend und helfend und nicht überheblich und herabwürdigend." Lissy verzog das Gesicht, wagte jedoch nicht, irgendwas zu sagen. "Was ich nämlich von deinen Mitschülern gehört und teilweise auch selbst mitbekommen habe zeigt mir nicht gerade, daß du Ravenclaw-Qualitäten hast. Da der sprechende Hut dich aber in unser Haus geschickt hat, nicht nach Gryffindor oder gar Slytherin, so muß ich davon ausgehen, daß du in der Lage bist, vernünftige Ratschläge anzunehmen, weil du ja selbst davon ausgehst, wer dazu berechtigt ist welche zu erteilen müßte dies auch tun. Deshalb rate ich dir im guten, komm von deinem hohen Gipfel runter, auf dem du dich selbst hingesetzt hast! Keiner hier dankt es dir, wenn du ihn oder sie andauernd runterputzt oder ihn oder sie als Hindernis beim Lernen oder gar als Störfaktor in der Klasse ansiehst. Ich bin nicht für die Einschaltung übergeordneter Stellen, solange ich den Eindruck habe, etwas untereinander klären zu können. Doch ich weise dich darauf hin, daß ich mich doch sehr genau erkundigen werde, ob dein bisheriges Verhalten von irgendwem außerhalb von Hogwarts erwünscht ist oder nicht. Ich hoffe, ich habe mich deutlich ausgedrückt."
"Wenn du meinst, du müßtest meine Eltern anschreiben tu dir keinen Zwang an. Ich sage nur die Wahrheit", knurrte Lissy ungehalten.
"Wie du meinst", erwiderte Amalia. "Dann muß ich als Schulsprecherin und Vertrauensschülerin der Ravenclaws tatsächlich die erwähnten Erkundigungen einholen. Es ist ja mein letztes Jahr hier. Nachher schreiben die mir ins Zeugnis, ich hätte bei einer wichtigen sozialen Aufgabe versagt."
"Aha, also geht's um dich", knurrte Lissy und fing sich einen warnenden Blick ein. Ramona rief spöttisch:
"Die eigene Medizin schmeckt immer am bittersten, Lady Lissy!"
"Wer von euch das jetzt auch war, die Damen Swift, ich muß Ravenclaw dafür fünf Punkte abziehen", schnarrte Amalia sichtlich erzürnt. Dann sagte sie zu Lissy:"Ich habe es im Guten mit dir versucht. Vielleicht stellt sich ja heraus, daß du wirklich recht hast und ich meine Kompetenzen überschreite. Doch das möchte ich dann von einer entsprechend befugten Instanz erfahren. Du kannst dir das bis nächste Woche Samstag noch überlegen, wie du dich deinen Mitschülern gegenüber verhältst. Vergiss ja nicht, du bist hier eine Schülerin, noch dazu gerade erst in der ersten Klasse. Das stellt dich in der Hierarchie von Hogwarts nicht gerade weit oben hin."
"Noch was?" Fragte Lissy trotzig.
"Nein, ich habe schon genug kostbare Zeit damit verbraucht", sagte Amalia gleichermaßen herablassend dreinschauend. Dann zog sie sich zu Nathan und Priscilla an einen Tisch zurück.
"Die wird sich nicht bessern, nur weil Amalia ihr gut zuredet", kommentierte Roy. Aurora Dawn nickte. Sie glaubte auch nicht, daß Lissy sich ändern würde. Man mußte sie entweder so hinnehmen oder sie einfach links liegen lassen.
Das Wetter spielte gut mit, als am Samstag darauf die Schüler ab der dritten Klasse zu einem Ausflug nach Hogsmeade aufbrachen. Hausmeister Argus Filch stand, miesgelaunt wie immer, am großen Eingangsportal und kontrollierte die Schar der Schüler, ob auch niemand ohne gültige Besuchserlaubnis meinte, im Strom der Ausflügler hinauszuschlüpfen. Roy Fielding wirkte in seinem Hogwarts-Umhang wie einer von vielen Jungen. Doch er blickte leicht angespannt drein. Dina Murphy, mit der er zusammen durch das Tor hinausging, wirkte dagegen ruhig und entspannt. Aurora Dawn, die zusammen mit Miriam und Petula an Filch vorbeiging wußte, daß Dina ihrem Freund und sich Steinsalz besorgt hatte, um mögliche Belästigungen durch grüngesichtige Kreaturen zu vermeiden.
"Name!" Knurrte Filch Aurora Dawn an. Die sah ihn leicht irritiert an und sagte ihren Namen, obwohl sie dachte, Filch müßte doch langsam alle Schüler beim Namen kennen. Als er wohl auf einer Liste nachgeprüft hatte, daß eine Aurora Dawn nach Hogsmeade gehen durfte, winkte er sie mißmutig dreinschauend durch. Ebenso erging es Petula und Miriam.
"Der freut sich immer, wenn er prüfen kann, ob jemand nicht doch im Schloß bleiben muß", bemerkte Miriam, als sie durch das große Tor mit den geflügelten Ebern hindurch waren. Aurora dachte eher daran, daß sie nun wieder aus dem Schutzbereich von Hogwarts heraus waren, einen vollen Tag lang. Aber sie konnten ja nicht immer in der Schule bleiben, nur weil es da sicher war.
Der Himmel wölbte sich strahlend blau über allen. Einige grauweiße Wolken trieben träge dahin. Es war kalt aber trocken. Die Schüler verteilten sich, sobald sie durch das große Tor waren. Dina und Roy schlenderten gemächlich, während Bruster Wiffle es irgendwie eilig hatte und im leichten Trab nach Hogsmeade lief. Aurora und ihre Freundinnen hatten es nicht gar so eilig, überholten jedoch Dina und Roy, die wohl den Ausflug als solchen voll und ganz auskosten wollten.
"Was machen wir heute, Miriam?" Fragte Petula Woodlane.
"In Madame Puddifoots Teestube brauchen wir wohl nicht rein. Da hängen die ganzen Liebespärchen rum. Jetzt in die drei Besen? Besser erst anderswo hin", entgegnete Miriam. Dann fragte sie: "Interessiert euch die heulende Hütte? Das ist das verspukteste Gebäude in ganz England. Meine Mum hat mitbekommen, wie die gebaut wurde und wollte mal wissen, wer da wohnt. Aber sie kam nicht rein. Ein Bekannter von ihr hat in einer Vollmondnacht wildes Geheul da gehört. Dumbledore selbst soll rausgefunden haben, daß sich dort eine Bande wilder Gespenster eingenistet hat. Irgendwas ist wohl an der Hütte, was böse Geister anzieht."
"Warum hängt Peeves dann immer noch in Hogwarts herum?" Wollte Petula wissen. Darauf konnte Miriam jedoch keine Antwort geben.
"'ne Gespensterhütte? Haben wir nicht genug Geister in Hogwarts herumspuken? Außerdem hatten wir im letzten Jahr diese Geisterbraut da. Mein Bedarf an bösen Gespenstern ist erst einmal gedeckt", sagte Aurora. Petula nickte. Doch dann fiel Miriam noch etwas ein, was sie im Oktober nicht besucht hatten.
"Ich habe gehört, daß Forins Schmiede besichtigt werden kann. Die Zwerge machen da interessante Sachen, die auch im Laden meines Dads verkauft werden."
"Ist das nicht eher was für Jungs?" Wunderte sich Petula.
"Roin Glitterbeard arbeitet da als Gold- und Silberschmied. Vielleicht haben die ja im Moment was günstiges an Schmuck da", wußte Miriam eine passende Antwort. Petula nickte. Auch Aurora war einverstanden, sich die Zwergenschmiede anzusehen. Da diese am nördlichen Rand von Hogsmeade zu finden war, mußten sie von den üblichen Straßen abzweigen und halb um das Dorf herumlaufen, bis lautes metallisches Hämmern, starkes Zischen und rhythmisches Fauchen ihnen den Weg wies.
Der Eingang zu Forins Werkstatt war eine Eisenluke im Boden, in die zwei gekreuzte Hämmer, umfaßt von einer Zange eingraviert waren. Ein eiserner Ring war der Griff, an dem die Luke gehoben werden konnte. Gerade als Aurora und Petula gemeinsam an dem Ring ziehen wollten, sagte Miriam:
"So nicht! Wir müssen anklopfen. Forin hat's nicht so gern, wenn man ihm einfach die Tür überm Kopf aufreißt. Ich mach mal eben." Sie hockte sich hin, daß ihr Umhang sich auf dem Boden ausbreitete, nahm einen runden Stein, der neben der Luke in einer Kuhle lag und hieb damit dreimal auf den verschlossenen Eingang ein. Laut und hohl hallte jeder Schlag wider. Dann ließ Miriam den Stein wieder in seine Kuhle fallen und stellte sich wieder hin.
Der eiserne Ring drehte sich wie von unsichtbarer Hand bewegt dreimal nach rechts. Dann klappte die Luke ohne jedes Geräusch nach oben. Ein Zwerg mit roter Mütze streckte seinen Kopf raus und sagte mit hoher rauher Stimme:
"Gut'n Mooorgen!"
"Guten Morgen, Sir", sagte Miriam, während sich ihre Freundinnen über die Stimme des Zwerges amüsierten. "Wir möchten fragen, ob wir Ihre Schmiede besuchen dürfen."
"Häh! Was wollt ihr?" Fragte der Zwerg. Dann turnte er aus seinem Loch. Er trug einen blauen Kittel, der hier und da Brandlöcher aufwies und hatte seinen schwarzen Bart mit einer silbernen Sicherheitsnadel so hochgesteckt, daß er wie ein dicker Knoten unter dem Kinn anlag. Seine kohleschwarzen Augen wanderten hin und her, bis sie jede der drei Junghexen genau betrachtet hatten. Dann meinte er noch:" Muß den Meister fragen, ob Mädchen hier reinkommen dürfen." In weniger als einem Lidschlag war der Zwerg wieder durch die Luke und diese mit lautem Knall zugeschlagen. Rasch drehte sich der Eisenring dreimal links herum.
"Netter Empfang", meinte Aurora leicht verdattert.
"Zwerge haben's nicht sonderlich mit frei herumlaufenden Frauen und Mädchen. Die sitzen zu Hause und machen nur die Hausarbeit. Die haben nicht mal Sachen zum Anziehen, sagt Mum."
"Voll hinterm Mond, was?" Knurrte Petula. Miriam nickte heftig.
Nach einer Minute wurde die Luke wieder geöffnet und ein stämmiger Zwerg mit einem goldenen glockenförmigen Hut reckte sich heraus. Es war der Zwerg, der vor Halloween mit einigen Kumpels in den Drei Besen eingekehrt war. Nur hatte er seinen stattlichen Bart unter dem Kinn mit einer Goldspange zusammengebunden und ihn der Länge nach unter seinem kupferfarbenen Kittel verstaut.
"Hallo, Miriam! Dein Vater hat gestern erst bei uns was neues gekauft. Heute einen Ausflug für alle?" Fragte der Zwerg mit seiner leicht verkatert klingenden Stimme.
"Stimmt, Meister Forin", sagte Miriam. Dann fragte sie höflich, ob sie die Schmiede besuchen durften. Forin nickte schwerfällig. Dann ließ er alle drei durch die Luke einen schmalen Schacht hinabsteigen, der durch ringförmig verlaufende Eisensprossen gut zu durchqueren war. Auf dem Grund des Schachtes lag ein runder Raum mit zwölf davon abzweigenden Gängen. Forin führte seine Besucherinnen zunächst zu einem Raum, wo sie lange graue Überwürfe mit Kapuzen anziehen sollten.
"Wir machen viel mit Feuer. Wenn ihr Funken in die Haare oder auf eure Sachen kriegt, kriege ich Ärger mit eurem Meister", knurrte Forin, als Miriam und Petula Anstalten machten, die Überkleidung zurückzulegen. Leicht verstimmt zogen sie sich die schmutziggrauen Sachen über und versteckten ihre Haare unter den verräuchert stinkenden Kapuzen. Petula zischte Miriam zu:
"Deinetwegen müssen wir nachher alle ins Bad."
"'tschuldigung, Petula. Konnte ich wirklich nicht wissen", grummelte Miriam. Für Aurora war das wohl keine sonderliche Belastung. Sie interessierte es nun, wie die Zwerge hier unten arbeiteten.
Der Chef persönlich führte die drei Hexenmädchen nun durch seine Werkstätten, wo hunderte von Zwergen in blauen Kitteln und verschiedenfarbigen Mützen an Feuerstellen standen oder rot glühende Eisenstücke mit ohrenbetäubenden Schlägen auf verschieden großen Ambossen bearbeiteten, mit wuchtigen Zangen bogen oder zogen, an dicken Blasebälgen hantierten, die fauchend und zischend frische Luft in die hundert Feuer bliesen. Aurora Dawn bewunderte die Kraft und Geschicklichkeit der kleinwüchsigen Zauberwesen. Die Zwerge schufteten in der heißen, nach Brand und Ruß stinkenden Luft wie die Wilden. Einige von ihnen arbeiteten gemeinsam an einem Werkstück, von dem die Mädchen noch nicht die Endform erkennen konnten. Andere hieben und bogen an kleinsten Metallteilen herum. So trafen sie in einer entlegenen Nische den Zwerg Roin Glitterbeard, der drei Ambosse vor sich hatte und eine Werkbank für Feinarbeiten. Gerade hatte er einen goldenen Armreif fertig und zeigte ihn Miriam sehr stolz. Diese besah sich das gerade vollendete Schmuckstück und nickte.
"Wieviel würden Sie dafür haben wollen?" Fragte sie vorsichtig.
"Hmm, es enthält das Gold für fünf Galleonen", sprach der Goldschmiedezwerg gerade so laut, daß Aurora und die Anderen ihn verstehen konnten. "Üblicherweise nehme ich das doppelte des Gold- oder Silberanteils als Preis." Miriam legte den Armreif zurück. Zehn Galleonen für dieses Schmuckstück waren vielleicht doch etwas teuer. Außerdem meinte Forin noch, daß er zu entscheiden habe, wie teuer die bei ihm geschmiedeten Sachen seien, was Miriam so verstand, daß der Armreif wohl noch teurer ausfallen würde. Eine feine Silberkette konnte sie jedoch überzeugen, vier Galleonen dafür herzugeben. Auch Aurora und Petula kauften diese Ketten, die zwar jede für sich Einzelstücke waren aber doch gleichwertig gearbeitet waren. Danach bedankten sie sich bei Roin Glitterbeard und beendeten ihren kurzen Rundgang durch die Schmiede. Forin zeigte ihnen noch fertige Stücke, wie Messerklingen, Pfannen oder verschiedene Werkzeuge. Forin erzählte stolz, daß seine Leute in den Sommerferien Ausbesserungsarbeiten in Hogwarts ausführten, um das alte Schloß im besten Zustand erhalten zu können. Danach verabschiedete er die drei Junghexen an der Luke zur Erdoberfläche und bedankte sich leicht grummelig für den Besuch.
Die frische kalte Luft draußen war eine Wohltat für die drei Hexenmädchen, die ihre Haare ausschüttelten, um möglichst den Gestank von Qualm herauszubekommen. Aurora meinte dazu noch:
"Bis heute abend ist das wohl nicht mehr so schlimm. War jedenfalls mal was anderes."
"Also, ich gehe nachher auf jeden Fall in den Baderaum", stellte Petula klar. "Außerdem kann ich meine Sachen wohl gleich zum Waschen geben."
"Sei froh, daß wir nicht in die Abwasserkanäle runtergeklettert sind!" Grinste Miriam.
"Klar, wäre wohl noch eine Spur heftiger", knurrte Petula. Sie wollte noch was sagen, als eine Horde Viertklässler johlend von hinten herankam. Es waren alles Slytherins, wie Aurora sofort erkannte. Mit ihnen zusammen lief als einziges Mädchen und noch dazu eine Klasse darunter Tonya Rattler. Als sie Aurora Dawn und die beiden anderen sah grinste sie überlegen und eilte voran, um die drei vor ihren Hauskameraden zu erreichen.
"Eh, Dawn, so mutig unterwegs? Hast du keine Angst, er und seine Leute könnten dich hier finden und Krrrk?"
"Wer er?" Fragte Aurora unbeeindruckt.
"Der, dessen Name keiner nennt natürlich, Dawn. Frag doch nicht so blöd!" Fauchte Tonya verächtlich.
"Klar, dein Lieblingsspiel, Tonya. Du langweilst", versetzte Aurora Dawn gleichfalls verächtlich. Miriam meinte dazu nur:
"Glaub's mir, Rattler, daß dein großes Maul nicht groß genug ist, um dich nicht an deinen doofen Sprüchen zu verschlucken. Jeder macht sich Gedanken, ob's gefährlich ist oder nicht. Du hast ja selbst Bammel, man könnte dich hier einfach so auspusten. Also husch zurück ins sichere Nest, Blöde Gans!"
"Eh, wer redet denn mit dir, ey? Ich habe mit Miss Waisenkind 1980 geredet, blöde Schnäpfe!"
"Na, nicht gleich die gute Kinderstube vergessen", lachte Petula über Tonya. "Nachher sind deine Eltern dir böse, daß du sie so schnöde mißachtet hast."
"Was heißt denn eigentlich hier Waisenkind, Tonya. Hast du deinem Du-Weißt-schon-Wem etwa erzählt, der sollte meine Eltern umbringen", erwiderte Aurora sehr zornig. In ihr tobten die Gefühle. Sie hatte Angst um ihre Eltern und verachtete Tonya und ihr loses Mundwerk.
"Tja, das wäre doch genial, wenn ich das gemacht hätte, oder?" Feixte Tonya. Dann waren die anderen Slytherins auf derselben Höhe und hielten kurz an. Einer glotzte hämisch zu Aurora und Miriam hinüber, während ein anderer Tonya zuwinkte, weiterzugehen.
"Was du bisher so abläßt ist nicht gerade genial", sagte Miriam, die mit einer schnellen Handbewegung Aurora gebot, zu schweigen. "Warum sollte er es dann genial finden, was du sagst. Wenn du am Boden liegst tritt der dich genauso platt wie uns. Aber wozu erzähle ich dir sowas?"
"Stimmt, wozu soll ich mir diesen Blödsinn anhören? Kommt Leute, bevor hier was ekelhaftes passiert, was unsere zarten Gemüter erschüttert!" Lachte Tonya und lief weiter, wobei sie es nicht lassen konnte, Aurora böse Grimassen zu schneiden. Dann verschwanden die Slytherins aus der unmittelbaren Hörweite.
"Das dieses Biest es nicht lassen kann", knurrte Aurora. "Dabei sollte die blos aufpassen, daß ihr nicht was passiert."
"Sie denkt, wenn andere mehr Angst vor ihm haben als sie selbst wäre sie nicht alleine", sagte Miriam verächtlich. "Lassen wir uns von der nicht dumm anquatschen! Wollen wir weiter?"
"Wohin?" Fragte Petula zurück.
"zu den Läden", meinte Miriam. Ihre Freundinnen nickten einverstanden.
Nach einiger Zeit hatten sie alle wichtigen Läden besucht und im Honigtopf die merkwürdigsten Süßigkeiten eingekauft. Als die Turmuhr auf dem Gemeindehaus in der Dorfmitte Mittagszeit schlug zog es die drei Schulfreundinnen zu den drei Besen, wo sie was essen und trinken wollten. Unterwegs trafen sie Roy und Dina, die in einem Strom aus älteren Mitschülern auf der Hauptstraße dahinliefen.
"Hallo, ihr drei!" Rief Dina erfreut. Aurora winkte ihr zu und rief zurück:
"Hallihallo, ihr zwei! Woher wohin?"
"Wir kommen gerade aus dem Besenknecht und wollten uns bei Madame Rosmerta was warmes in den Bauch schlagen", sagte Roy.
"Wir waren gerade noch bei Dervish & Banges drin", sagte Petula Woodlane.
"Da war ich als erstes, um mir eins von diesen Langziehlinealen zu holen", sagte Roy und beklopfte ein längliches Paket, das zu einem Viertel aus seinem Umhang herauslugte.
Zwei Kobolde standen plötzlich vor den Schülern. Aurora meinte, genau gesehen zu haben, daß sie aus dem festen Boden herausgewachsen waren. Die beiden Zauberwesen beäugten die Schüler neugierig, teilweise hinterhältig. Dann eilten sie in ihrer für Menschen unverständlichen Sprache schnatternd dahin, Richtung Drei Besen.
"Ach, Kobolde", grummelte Roy. "Wie kamen die so plötzlich hier her?"
"Kobolde können durch feste Erde gehen wie ein Geist durch die Wand oder wir durch Luft oder Wasser. Damit können sie sehr rasch herumreisen", erklärte Miriam.
"Stimmt, stand ja in dem Buch "Menschenähnliche Zauberwesen drin, daß die mit den Kräften der Erde verbunden sind", sagte Roy nach einer Weile. Dann meinte er: "Wollen wir nachsehen, was Madame Rosmerta noch so für Gäste hat?"
"Dafür sind wir jetzt in der Gegend", sagte Miriam merkwürdig verstimmt klingend. Aurora fragte sich, was diese Antwort jetzt sollte. Die hätte doch einfach nur mit Ja oder Nein antworten können.
Im Schankraum der Drei Besen hing schwerer Dunst von Tabaksqualm, Bratfett und Brennholz. Petula strich sich verlegen durchs Haar und meinte leise, daß sie so den Dunst aus der Zwergenschmiede sicher loswürde.
Beinahe wären sie mit Roy zusammengeprallt, der im Rückwärtsgang zur Eingangstür zurücksprang. Aurora wollte schon fragen, was los sei, als sie an einem Tisch vier struppige Frauengestalten mit grüner Hautfarbe entdeckte, von denen eine Roy mit gelblichgrauen Zähnen angrinste und sich in eine sehr erhabene Pose warf.
"Du hast doch das Salz mit", zischte Aurora, die sich gut erinnerte, daß Dina und Roy Steinsalz mitgenommen hatten. Roy nickte und wollte gerade nach einem kleinen Beutel fischen, als unvermittelt ein heftiger Stoß durch den Boden ging, der alles und jeden erzittern ließ. Gläser auf den Tischen klirrten, wankten und kullerten herunter. Die Leuchter an der Decke gerieten gefärhlich ins Schwingen, und einige der Kerzen in den Wandhaltern flackerten bedrohlich. Der Erdstoß war so heftig, daß Aurora, Petula, Miriam, Dina und Roy wie alle anderen Gäste den Halt verloren und umfielen. Gleichzeitig dröhnte ein unheimlicher, tiefer Ton in allen Wänden und unterlegte die Schreckensrufe der Gäste, die dem plötzlichen Beben ausgesetzt waren mit einem dumpfen Seufzer aus der tiefsten Erde.
Aurora schlug der Länge nach hin und landete schmerzhaft mit dem Gesicht auf den dreckigen Bodendielen. Sie versuchte, sich wieder aufzurichten. Doch der wild bebende Boden hinderte sie daran, auch nur in die Hocke zu gehen, ohne gleich wieder von wildem Schwanken gepackt und umgeworfen zu werden. Sie wußte nicht, wielange die Erschütterungen dauerten. Doch als sie endlich aufhörten war es wie ein Aufschlag auf einen massiven Boden. Stille fiel über den Schankraum. Nur das leise Quietschen der wild schaukelnden Deckenleuchter klang kläglich zu den Gästen herunter.
"Erdbeben?" Fragte ein Zauberer im Schankraum mit amerikanischem Akzent. Aurora, die nun wieder auf ihre Füße kam sah sich verängstigt um. Von den stehenden Hexen und Zauberern waren mehr als die Hälfte wie sie selbst hingefallen, als die Erdschwankungen zu heftig wurden. Pfützen verschiedener Getränke hatten sich an manchen Tischen gebildet, und Madame Rosmerta selbst fegte mit ihrem Zauberstab Scherben zusammen oder erstickte kleine Feuer mit dem Brandlöschzauber. Aurora erkannte nun auch, daß die Bodendielen leicht gesplittert waren und kleine Risse den Boden durchzogen. Sie konnte noch einen kleinen Beutel sehen, der in einem dieser Risse feststeckte und aus dem feines weißes Salz herausrieselte und unter den Dielen verrann. Roy hatte sein Abwehrmittel gegen Sabberhexen verloren.
"Das war ein Erdbeben", stellte Madame Rosmerta atemlos vor Angst fest. "Hier gab es aber noch nie welche."
"Hast du vielleicht eins in deinen Überseekoffer gepackt, Myron?" Fragte ein Zauberer von mittlerem Alter einen, der rund und feist aussah und einen blau-roten Umhang mit weißen Sternchen drauf anhatte.
"Mag sein", sagte der, und Aurora erkannte ihn als den amerikanischen Gast hier wieder.
"Alle die stehen an die Tische!" Rief ein Zauberer an der Theke. Madame Rosmerta zitterte, obwohl das Erdbeben schon wieder vorbei war. Er strahlte eine große Entschlußkraft und Befehlsstärke aus, fand Aurora. Wie sie gehorchten auch alle anderen. Roy peilte schnell, wo der am weitesten von den Sabberhexen entfernte freie Platz lag und zog Dina, die wie Madame Rosmerta zitterte hinter sich her. Aurora eilte mit Miriam und Petula an denselben Ecktisch, wo noch acht freie Stühle standen. Die Tür flog auf, und eine große Anzahl weiterer Hogwarts-Schüler stürmte angstbleich in den Schankraum. Madame Rosmerta schlug die Hände vors Gesicht. Der Zauberer, der gerade allen befohlen hatte, sich freie Plätze zu suchen, trat erhaben und entschlossen von der Theke fort. Er trug einen sehr korrekt sitzenden Umhang und hatte sein Haar sehr sorgfältig gekämmt. Jetzt erkannte ihn Aurora Dawn auch. Es war Bartemius Crouch, Leiter der Strafverfolgungsabteilung von England. Er scheuchte die an die fünfzig Neuankömmlinge zu den Tischen, an die wie aus dem Nichts noch weitere Stühle gestellt wurden. Einer der Schüler war Bruster Wiffle, der suchte, zu wem er sich hinsetzen sollte. Neben ihm stand Loren Tormentus, die sich verstohlen umsah und dann an einen Tisch mit Hauskameraden aus Slytherin eilte, während Bruster zu Roy und den vier Klassenkameradinnen lief.
"Mann, ein Erdbeben!" Keuchte er. "Hat uns keine zehn Meter von hier erwischt. Ich dachte schon, das ganze Dorf fällt gleich um. Die Glocke von der Uhr hat wie wild gebimmelt und da war so'n fieser tiefer Ton überall in den Hauswänden."
"Ein Erdbeben", seufzte Miriam Swann. "Das hat es hier noch nie gegeben. Ob die in Hogwarts das auch gespürt haben?"
"Klar", sagte Roy. "Die werden wohl meinen, dieser Lord Unnennbar hätte hier 'ne Bombe einschlagen lassen."
"Da macht man keine Witze drüber, Roy!" Fauchte Miriam. "Das muß was natürliches sein. Was anderes kann es nicht sein."
"Weil nicht sein kann was nicht sein darf", feixte Bruster, den das Erdbeben offenbar nicht so heftig eingeschüchtert hatte wie die meisten anderen hier. Dann sah er noch mehr Schüler hereinquellen. Madame Rosmerta, die wohl mehr aus Notwendigkeit als aus Entschlossenheit weitere Tische und Stühle hereinschweben ließ, sah immer wieder zu Crouch, der sichtlich verärgert wirkte, als er alle Schüler an den Tischen verteilte. Zu den Sabberhexen wollte sich niemand setzen, und die Kobolde fauchten jeden an, der ihnen zu nahe kam. Sie schnatterten wie wild in ihrer Sprache. Crouch ging zu ihnen und wechselte einige Worte mit ihnen. Daß er der Koboldsprache mächtig war beeindruckte die Gäste hier mehr als seine Anweisungen. Die beiden Kobolde nickten verstimmt, standen auf und gingen aus der Dorfschenke hinaus, wo sie wie zornig mit den Füßen aufstampften, um dann wie vom Boden eingesaugt zu versinken. An den freien Tisch setzte Crouch nun zwölf Schüler hin. Das Schwatzen und Murmeln war inzwischen so laut, daß Aurora meinte, in einem vollbesetzten Quidditchstadion zu sitzen. Dann ertönte ein Schrei, erschreckt aber nicht in Todesangst.
"Da draußen kommt was aus dem Boden!"
"Wo?!" Rief Crouch. Wie abgeschaltet erstarb jeder menschliche Laut. Alle lauschten hinaus auf den freien Vorplatz.
"Da kommt so'n Turm aus dem Boden! Ein schwarzer Turm!" Rief jemand von draußen zurück. Dann fühlten sie das leise Zittern im Boden, schwächer als das Beben vorhin, aber unverkennbar.
"Alle bleiben hier!" Befahl Crouch und hastete mit wehendem Umhang zur Tür hinaus. Doch die, die den Ruf von draußen gehört hatten sprangen nun zu den mit leichtem Fettfilm beschlagenen Fenstern hinüber oder reckten ihre Hälse dorthin. Aurora Dawn und Roy Fielding waren neugierig genug, daß sie ohne Angst vor dem sachten Beben aufsprangen und zum nächsten Fenster hinüberhasteten, wo sie sich zwischen andere Neugierige quetschten, zu denen auch der amerikanische Zauberer im blau-roten Umhang gehörte.
"Hölle und Verdamnnis! Da wird ein richtig dunkler Turm aus dem Boden heraufgeschoben!" Knurrte er. Aurora sah zwischen den an die Fensterscheibe gepressten Köpfe der Schaulustigen, wie in einer halben Meile Entfernung, auf einem freien Platz im Süden von Hogsmeade entfernt, ein Gebilde aus nachtschwarzem Stein Meter für Meter aus dem Boden wuchs wie eine Mischung aus einem Grashalm und einem Schloßturm. Das Gebilde wuchs innerhalb von einer Minute so hoch an, daß es alle Gebäude und Bäume von Hogsmeade um das doppelte überragte. Aurora hatte genau gesehen, wie es unten immer breiter geworden war, wie auf immer größer werdenden Sockeln aufgepflanzt. Dann fanden ihre Augen die hohe Spitze des unheimlichen Bauwerks. Wie eine Königskrone stachen zwölf golden glänzende Zacken von der Spitze ab. Einige Meter darunter vermeinte Aurora sowas wie einen Ring um das Gebäude zu erkennen, das jedes Tageslicht restlos schluckte wie ein Stück fest gemauerte Mitternacht.
"Alles was uns gnädig ist stehe uns bei! Der Drachenturm!" Seufzte eine ältliche Hexe, die hinter Aurora stand und über ihre linke Schulter hinweg das Schauspiel draußen beobachtet hatte.
"Der Drachenturm?" Fragte Aurora, als sie sich der älteren Hexe zuwandte. "Was ist damit gemeint, bitte?"
"Kindchen, das ist ganz böse Magie, die in diesem Turm steckt. In den alten Büchern steht drin, daß er mal vor der Gründung von Hogsmeade der Sitz eines dunklen Meisters war, der sich selbst als direkter Enkel Slytherins bezeichnet hat. Wir dachten alle, den Turm gibt es nicht mehr, seit dieser Dunkelmagier besiegt wurde."
Aurora wollte die vor Angst schlotternde Hexe weiter befragen, als ein Chor unheimlicher Töne wie von riesigen Trompeten oder Jagdhörnern erklang. Alle erstarrten in unbestimmbarer Angst. Die Töne hallten von allen Gebäuden von Hogsmeade wider. Aurora sah mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, wie Bartemius Crouch strauchelte. Er kämpfte wohl gegen irgendwas an. Dann verschwand er, und für einen Sekundenbruchteil durchschnitt der scharfe Knall seiner Disapparation das bedrohliche Gedröhn und Gebrumm von draußen.
"Was ist los?" Fragte sich Aurora Dawn nun von der allgemeinen Angst voll erfaßt. Keiner sagte hier etwas. Alle lauschten den an- und abschwellenden Tönen einer finsteren Musik, von der niemand wußte, wer sie machte und wozu. Die Töne drangen nicht nur in die Ohren, sondern in jede einzelne Faser des Körpers ein, ließen den Bauch vibrieren und schwangen in den Knochen nach. Aurora meinte, die Luft vor ihren Augen flimmern zu sehen wie über einem von der heißen Sommersonne beschienenen Steinboden. Bohrende Kopfschmerzen überkamen sie mit jedem neuen Ton. Sie schaffte nicht einen Finger zu rühren, bis der Chor der tiefen Trompetentöne nach einer quälend langen Zeit endlich schwieg. Da meinte sie, eine Zentnerlast würde von ihr abfallen und der peinigende Druck in ihrem Kopf versiegte sofort.
"Zwölf Leben müssen sein gegeben.
Voll Qualen wird die Erde beben.
Dann wird der Turm sich neu erheben.
Zu dienen dem voll dunklem Streben." Sprach eine leicht quäkige Frauenstimme wie eine Ente, die die Menschliche Sprache gelernt hat. Aurora wandte sich um und erkannte die eine Sabberhexe, die Roy beim Hereinkommen zugegrinst hatte als Sprecherin.
"Was ist das für'n Spruch?" Flüsterte Roy Fielding beklommen.
"Offenbar was böses. Ein alter Fluch", wimmerte Aurora Dawn, der kleine Tränen in die Augen traten."Ein sehr sehr alter und sehr sehr böser Fluch, Mädchen!" Sprach die Sabberhexe, die gerade die unheimlichen Zeilen hergesagt hatte. Sie erhob sich von ihrem Platz, stieg mit leicht angewinkelten Beinen einen Meter nach oben und schwebte mit wallendem giftgrünen Rocksaum auf sie zu. Roy fischte in seine Umhangtasche, fand da aber dieselbe leere Luft vor, die sie alle umgab. Die Sabberhexe mit dem schwarzblauen Struwelhaar und den gelben Augen mit kalkweißen Pupillen zwinkerte Roy zu, schob sich dann aber in Aurora Dawns Richtung. Diese bereute es schon, überhaupt was gesagt zu haben. Keiner stellte sich der Kreatur in den Weg, wie Aurora und Roy gehofft hatten. Sie drehten sich nur so, daß sie sehen konnten, zu wem die Sabberhexe wollte. Sie schien eine Übermenge Spucke hinunterschlucken zu müssen, bevor sie bis auf wenige Zoll an Aurora und Roy heran war. Jetzt konnte Aurora einen Hauch von verwesendem Fleisch riechen, wie ihr Vater es ihr mal gezeigt hatte, wenn ein Greifvogel Beute gemacht und diese nicht ganz gefressen hatte. Ekel und Entsetzen ließen ihr einen kalten Schauer nach dem Anderen herunterlaufen wie eiskaltes Wasser. Sie dachte daran, daß diese Geschöpfe kleine Kinder fingen und fraßen, wenn man sie nicht davon abhielt.
"Das war der Fluch vom Drachenturm, Mädchen", quäkte die Sabberhexe und machte mit ihren Spinnenbeinfingern eine Geste aus dem Fenster hinaus. "Den gab's mal hier vor mehr als drei Leben. meine Muttermutter hat den noch selbst gesehen. Irgendein Zauberer, der die finsteren Kräfte benutzte, hat ihn errichtet und durch viele von ihm getötete Zauberer und Hexen mit ganz dunkler Kraft angefüllt. Das mußte er tun, weil er Herr aller Drachen werden wollte. Die hören nämlich nicht auf gewöhnliche Zauberer. Die müssen Tod und Angst in jedem Befehl mitschwingen hören."
"Drachen? Dieses Ding da draußen ist für Drachen da?" Wollte Aurora Dawn wissen, der die Neugier für einen Moment allen Ekel und Furcht verdrängte.
"Das ist eine Sache, die der Turm machen kann, Mädchen. Ihr wißt doch gar nichts von den Kräften der Schatten", lachte die Sabberhexe, und grünlicher Speichel troff ihr über die ausgetrocknet wirkenden Lippen. Roy verdrehte die Augen und versuchte, vor dem Geschöpf zurückzuweichen. Dieses schien sich aber im Moment nur für Aurora Dawn zu interessieren. Doch dieser war das nicht sonderlich angenehm.
"Gehen Sie von dem Kind weg!" Schnaubte der amerikanische Zauberer, der jetzt erst begriff, wie nahe die Sabberhexe Aurora Dawn gekommen war.
"Die wollte das doch wissen, wieso der Turm da draußen steht", quakte die Sabberhexe rauh und gehässig. "Die soll doch nicht so dumm bleiben wie die anderen von euch Bleichgesichtern."
"Verzieh dich, Grünfratze!" Bellte der Zauberer zurück. Die Sabberhexe funkelte ihn gelb-weiß an und zog sich zurück. Jetzt erst sah Aurora, daß der Zauberer seinen etwa fünf Zoll langen Zauberstab in der rechten Hand hielt.
"Danke schön!" Sagte Roy Fielding aus vollem Herzen. Aurora nickte heftig.
"Diese Kreaturen sind manchmal sehr gehässig und nutzen es aus, wenn jemand Angst hat. Die sind Raubtiere, auch wenn sie wohl mit magischen Menschen verwandt sind."
"Noch einmal Danke für Ihre Hilfe", sagte Aurora Dawn. Dann fragte sie, wer der Fremde denn sei. Er lächelte und stellte sich als Myron Corner, Zauberer aus Viento del Sol, Kalifornien vor. Er führte die zwei Schüler an den Tisch zurück, wo Dina, die beiden anderen Mädchen und Bruster Wiffle saßen und setzte sich zu ihnen, weil die Sabberhexe im grünen Gewand schon wieder Anstalten machte, auf Roy und Aurora zuzuschweben.
"Was wollte dieses Biest wieder von dir, Roy?" Fragte Dina und schaute die grüngesichtige Kreatur an. Mr. Corner räusperte sich warnend.
"Keine angriffslustigen Blicke oder Gesten, junge Miss! Das nehmen die schnell übel!" Begründete der amerikanische Zauberer seine Warnung. Dann berichteten Aurora und Roy, was sie gesehen und vor allem gehört hatten.
"Da hat dann einer einen alten Turm aus dem Boden geschoben und diese Gruselmusik gespielt, weil dieser Turm schwarzmagisch aufgeladen ist?" Fragte Bruster. Dann erbleichte er. "Mist, dann meinte diese Sabbertrulla, daß vorher zwölf Menschen umgebracht wurden, damit der hochkommen konnte? Oh, Scheiße!"
"Na, nicht gleich die gute Erziehung vergessen!" Grummelte Myron Corner. "Aber im Wesentlichen dürftest du verdammt noch mal recht haben."
"Haha, wer bitte vergisst hier seine gute Erziehung!" Begehrte Bruster Wiffle auf. Doch die Erkenntnis, daß wohl zwölf Leute einfach umgebracht worden waren, um diesen Turm da draußen hochzuziehen wog schwer.
"Wissen Sie vielleicht mehr über den Turm?" Wollte Roy Fielding wissen.
"So richtig nicht. 'ne Bekannte in Hogsmeade, die ich heute noch besuchen wollte, kennt sich mit diesem Zeug hier besser aus", sagte Mr. Corner.
"Ja, aber ich will diese Sabberhexe nicht noch mal fragen", zischte Aurora Dawn.
"Verständlich", sagte Bruster. Dann fragte er: "Wo ist eigentlich dieser Zauberer hin, der eben alle an die Tische gescheucht hat?"
"Der hat sich weggezaubert", sagte Roy. "Offenbar wollte der nicht hierbleiben."
"Entweder ist der ein Feigling oder weiß genau, was hier los ist", sagte Bruster rasch.
Madame Rosmerta eilte von Tisch zu Tisch und sprach mit den Gästen, sofern es Hexen und Zauberer waren. So kam sie auch an den Tisch von Mr. Corner und den Ravenclaw-Drittklässlern.
"Das habe ich nie geglaubt, daß es diesen Drachenturm wirklich gibt", keuchte sie. "In der Crhonik von Hogsmeade wird er als "Der böse Turm von Tigelinus Skails" erwähnt und daß der vor mehr als siebenhundert Jahren hier gestanden haben soll."
"Vor siebenhundert Jahren? Die Sabberhexe da drüben am Tisch sagte was von vor drei Leben", flüsterte Aurora Dawn.
"Die werden doch mehr als zweihundert Jahre alt. Kinderfressen hält jung", feixte Bruster und fing sich nicht nur von Roy einen sehr bösen Blick ein.
"Jedenfalls haben damals die Sternenklingenbrüder, die Hogwarts bewacht hielten, um den Enkeln von Slytherin den Zugang zu versperren, Tigelinus und den Turm niedergekämpft. Die Geschichtsschreiber gingen davon aus, daß der Turm zerstört war."
"Ist er aber nicht", knurrte Mr. Corner und griff in seinen Umhang. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, schimmerte eine tennisballgroße silberne Kugel darin. Er drehte sich dem Süden zu, rieb mit zwei Fingern an einer Stelle der Kugel und sah wie alle anderen, wie das runde Silberding dunkel anlief, ja einen federkieldünnen schwarzen Finger ausstülpte, der aus irgendwas nichtstofflichem zu bestehen schien und sich genau in südlicher Richtung verlängerte, bis er sich in die Wand bohrte. Dann ertönte aus der Kugel ein schrilles Wimmern. Corner zog das merkwürdige Ding sofort zurück, rieb wieder an ihm und steckte die sich wieder silbern färbende Kugel zurück in seinen Umhang.
"Die Grünfratze hatte recht. Im Süden ist die dunkle Magie aus mehreren Dutzend gewaltsam gestorbener konzentriert."
"Woher wissen Sie das jetzt?" Flüsterte Roy Fielding bang.
"Das Ding kann zeigen, wo starke Zauberkraft vorhanden ist", flüsterte Corner. Dann erfüllte wieder das tiefe, unheimliche, in alle Glieder fahrende Dröhnen wie von übergroßen Blechblasinstrumenten die drei Besen und lähmte Körper und Willenskraft.
Diesmal schien es, daß Aurora Dawn meinte, in einen Schraubstock geraten zu sein und immer heftiger geschüttelt zu werden, während vor ihr die Luft beinahe zu brennen schien. Nach einer schier endlosen Zeit verstummte der Chor der unheimlichen Töne wieder. Stille legte sich auf die drei Besen. Nur die vier Sabberhexen, die sich ihre wie äderige Baumblätter wirkenden Ohren zugehalten hatten, schienen dem widernatürlichen Getöse weniger ausgeliefert gewesen zu sein. Aurora dachte sich verächtlich, daß sie wohl auch dagegen gefeit waren. Denn wenn das da draußen wirklich etwas war, was durch mehrere Morde mit dunkler Magie angefüllt worden war, würden Wesen, die den dunklen Künsten nahestanden weniger Probleme damit haben.
"Verdammt, was soll das?" Fragte Roy Fielding, als er endlich aus seiner Erstarrung freikam.
"Mann, hörst du das nicht. Jedes dieser Hörner oder was immer es ist sendet einen Ruf aus, der Angst macht und so stark reinfährt, daß jeder, der ihn hört, meint, es würde ihn gleich zerbröseln."
"Wer soll denn gerufen werden?" Fragte Roy. Corner rümpfte die Nase, während Bruster und die Mädchen nur verständnislos die Köpfe schüttelten.
"Mann, du Pannemann. Wie hheißt der Turm da draußen?" Knurrte Bruster, der sich ärgerte, daß Roy wohl eine so dumme Frage gestellt hatte.
"Ey, du meinst, die da draußen wollen echte Drachen herrufen?" Fragte Roy laut. Alle im Schankraum zuckten zusammen. Dann wandten sie sich dem Drittklässler zu.
"Was sonst", knurrte Bruster zornig wie ein in die Enge gedrängter Hund.
"Dann ist dieser Zauberer von eben abgehauen, weil der das wußte", vermutete Roy Fielding.
"Wer, Crouch?" Fragte Aurora.
"Wenn der so heißt", erwiderte Roy.
"Ich glaube nicht, daß er ein Feigling ist, Bursche. Ich weiß, daß er alles tun würde, was die dunklen Künste zu Fall bringt", sagte Myron Corner.
"Wir müssen raus hier!" Rief einer der Schüler, ein Viertklässler aus Hufflepuff. "Wenn die wirklich Drachen herholen, werden wir hier drinnen doch leicht zerbrutzelt."
"Halt's Maul!" Stieß Loren Tormentus aus, die mit einigen Hauskameraden immer noch an dem einen Tisch saß. Doch die Panik drohte sich schon an. Corner erkannte das und stand ruhig auf. Er drehte sich allen zu, die gerade von ihren Plätzen aufsprangen und zur Tür stürzen wollten und riss seinen Zauberstab hoch.
"Iovis!" Rief er aus. Krachend schoss ein gleißender Blitz genau zwischen die Menge der Gäste und die Tür, wo er den Türgriff traf und Funken stiebend zerfloss. Ein merkwürdiger Dunsthauch strich für einige Augenblicke durch den Raum. Roy schnüffelte und meinte:
"Ein Starkstromblitz. Das war eine elektrische Entladung. Mein Dad hat mal einen Generator vorgeführt, bei dem irgendso'n Depp zwei Kabel zu nahe geführt hat. Das hat genau so geknallt, geblitzt und gestunken."
"Womit du jetzt dem netten Onkel aus Amerika verraten hast, wieso du gerade so blöde Fragen gestellt hast", sagte Bruster Wiffle verächtlich. Doch Corner schien das nicht mitbekommen zu haben. Er räusperte sich und sagte:
"Es besteht hier kein Anlaß, in wilde Panik zu geraten. Wenn ich richtig informiert bin wurde der Pub Drei Besen mit mehreren verharrenden Brandwehrzaubern ausgestattet, die große Brände von innen oder außen zurückdrängen. Wenn uns also wirklich Drachen angreifen sollten, werden sie mit ihrem Feueratem nichts ausrichten. Wenn Sie jetzt alle wie eine Stampede aufgescheuchter Gäule rausrennen kriegt sie jeder kleine Drache sofort zu fassen. Also bleiben Sie hier!"
"Wer sagt das?" Fuhr ein Fünftklässler aus Slytherin Corner an.
"Ich sage das, Junge. Darf ich mich vorstellen: Myron Corner, Abteilung für die Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe zu Washington D.C., vereinigte Staaten von Amerika."
"Ach, dann machen Sie hier auf Boss? Typisch Ami", stieß der Fünftklässler aus. Loren Tormentus sah den Kameraden an und zischte ihm was zu, was an Auroras Tisch keiner verstehen konnte.
"Dann sollen wir jetzt alle hier rumhängen, bis raus ist, ob wirklich Drachen kommen oder nicht?" Grummelte Roy. Aurora nickte schwerfällig.
Nachdem der vorwitzige Slytherin-Junge es noch einmal probierte, durch die Tür zu huschen, was Corner mit seinem Blitzschlag vereitelte, kam die Stunde Madame Rosmertas. Die Angst vor dem Erdbeben und das unheimliche Tröten von draußen waren wie weggeblasen. Sie kommandierte ihre Bediensteten, ging von Tisch zu Tisch, schenkte Getränke freihaus aus und ließ sogar was zu essen auffahren. Weil nach dem zweiten Chor der Hörner keine weitere unheimliche Sache passiert war, faßten die Gäste wieder etwas Mut und nahmen die kostenlosen Speisen und Getränke an.
"ich denke, Dumbledore und das Aurorencorps wissen schon längst, was da draußen passiert", sagte Miriam Swann. "Wir müssen nur warten, bis sie uns hier abholen."
"Ja, aber wenn ...", setzte Roy an, als irgendwer "Du-weißt-schon-Wer!" schrie. Sofort verging jedem Appetit und Sprache. Alle sprangen auf und eilten an die Fenster. Aurora Dawn fühlte ihre Beine zu Pudding werden, als sie zwischen Roy und Bruster eingekeilt an einem der südlichen Fenster stand und den Drachenturm ansah. Er stand immer noch als steingewordene Drohung aus finsterer Nacht da. Die zwölf goldenen Zacken an der Spitze blitzten im Sonnenlicht. Genau dort, wo die oberste von insgesamt sieben Umfassungen lag, stand, unnatürlich überlebensgroß gegen den Turm abgehoben, als sei er ein Riese von mehr als zwanzig Metern Größe, ein hagerer Mann in einem schwarzen, bis zu seinen Füßen herabfallenden Umhang, eingehüllt in einen dunstartigen, blutroten Lichtschein. Das wirklich unheimliche, ja abstoßende an diesem Mann war der Kopf mit einem aschfahlen Gesicht. Der Schädel wirkte wie der Kopf einer übergroßen Schlange auf dem Körper eines Mannes. Dem Gesicht fehlte eine hervorgehobene Nase. Stattdessen zogen sich über den fahlen Lippen zwei schlitzartige Nasenlöcher, über denen rotglühende Augen triumphierend strahlten. Die ganze Erscheinung strahlte auch aus der Entfernung einen unbändigen Hauch von Kälte, Bosheit und Tod aus. Ja, und sie wuchs noch weiter. Zwar stand sie wohl auf dem obersten Rundgang des Turmes. Doch schien sie mit jeder Sekunde näher an ihre Betrachter heranzurücken, immer größer und drohender wirkend.
"Du-weißt-schon-Wer!" nahm einer nach dem anderen den panischen Ruf auf und gab ihn weiter. Aurora Dawn zitterte. Stimmte das? War das auf dem Turm wirklich der unnennbare?
Corner konnte es nicht verhindern, wie einige Schüler die Schenke fluchtartig verließen. Draußen schrien andere Hexen und Zauberer, die wohl auch die Erscheinung auf dem Turm sahen.
"Zurück an die Tische! Er darf niemanden direkt ansehen!" Zischte Corner und packte Aurora Dawn und Roy Fielding brutal beim Kragen und schleifte sie an den Tisch zurück. Dann pflückte er Bruster aus der Menge der Schaulustigen und setzte ihn auf seinen Platz zurück.
"Todesser!" Brüllte wer von draußen und sprang in den Schankraum zurück, voll hinein in die Welle panisch zum Ausgang stürmender Gäste.
"Bleibt bloß sitzen. Was immer jetzt passiert, draußen seid ihr auf jeden Fall tot!" Zischte Corner. Er blickte Madame Rosmerta an, die nun wieder kreidebleich und am ganzen Körper zitternd mit einer Hand an die Theke geklammert dastand.
"Gibt es Wehrzauber gegen schwarze Magie?" Fragte Corner.
"Weiß nicht", jammerte Madame Rosmerta. "Muß ich nachsehen."
"Dann tun Sie das, gute Frau. Jede Sekunde früher ist besser als eine zu spät", fauchte Corner. Die Wirtin der drei Besen nickte und eilte zu einer Tür, die wohl in einen Keller hinabführte.
"Avada Kedavra!" Klang von draußen eine unheilverheißende Stimme. Aurora Dawn zuckte zusammen. Das waren die Worte, mit denen vor einem Jahr ein Todesser ihren Onkel Dustin totgeflucht hatte. Sie hörte ein schrilles Brausen und vermeinte, einen schweren Körper hinschlagen zu hören.
"Hogsmeade wird angegriffen", unkte Miriam und zwinkerte hilflos, um die aufsteigenden Tränen zu verdrücken. Doch es gelang ihr nicht.
"Er muß sich für sehr mächtig halten, daß er es jetzt wagt, Hogsmeade anzugreifen", sagte Loren Tormentus unvermittelt von Auroras linker Seite her. Sie hatte nicht mitbekommen, daß die Slytherin-Drittklässlerin an ihren Tisch gekommen war.
"Was machst denn du hier?" Fragte Roy Fielding stellvertretend für die anderen Ravenclaws.
"Wollte euch nur sagen, warum die da draußen rumwüten, bevor hier einer von denen reinkommt. Wenn der Drachenturm zurückkommt, kann der, der ihn beschworen hat, seine eigene Zauberkraft steigern und nicht nur Hexen und Zauberer mächtig verfluchen. Was ihr von ihm gesehen habt ist eine Distaumentatus-Illusion, die das natürliche Verhältnis von Entfernung und eigener Größe umkehrt. Allerdings kann er damit auch entfernte Personen einzeln ansehen. Also laßt euch von ihm nicht sehen!" Sprach's und huschte an ihren Tisch zurück.
"In welchem Film bin ich denn jetzt drin?" Fragte Roy Fielding. "Seit wann rückt 'ne Slytherin mit solchen Sachen freiwillig raus?"
"Mensch, Roy, sei froh, daß die uns den Tipp gegeben hat", knurrte Bruster.
"Ist das denn so gefährlich, wenn er uns ansieht?" Fragte Roy.
"Oh Mann! Frag doch nicht immer so'n Blödsinn!" Schnaubte Bruster. "Wenn der uns einzeln ansehen kann, dann kann er jeden einzelnen von uns verfluchen oder sonst wie behexen. Das sollte dir doch mal langsam klar geworden sein."
"Oh, 'tschuldigung, Brusi, daß meine Eltern mir das nicht beibringen konnten", gab Roy zurück. Dann erschrak er. "Kann er den Medusa-Blick?"
"Den was?" Fragte jetzt Bruster. Aurora, die mit diesem Begriff doch mehr anfangen konnte antwortete hastig:
"Er meint die Gorgone Medusa, eine der Urmütter der Gorgonen. Sie konnte Menschen durch ihren Blick zu Stein erstarren lassen. Deshalb nennen sich nur dunkle Hexen Medusa."
"Damit sind wir wohl jetzt Quitt, Mr. ManU", triumphierte Roy über Brusters verblüfftes Gesicht.
"Vielleicht kann er das ab heute", meinte Miriam Swann beklommen. "Wenn dieser Turm einem schwarzen Magier mehr Kraft gibt, dann kann er das bestimmt.
Draußen erklang wieder jener verbotene Ruf: "Avada Kedavra!" Aurora Dawn und Miriam Swann vergaßen jede Unterhaltung. Angst hielt sie fest umschlungen, durchdrang ihre Herzen wie eiskaltes Wasser. Wieder ertönte das unheilverheißende Sirren, und wieder.
"Die massakrieren alle Zauberer draußen", schrillte es in Auroras Kopf. Sie wagte nicht, sich umzudrehen. Sie wollte nicht aus den Fenstern sehen. Sie hörte nur das bösartige Lachen, das noch weit fort zu sein schien und doch schon viel zu nahe war, um überhört zu werden. Bei jedem Sirren, bei jedem ausgerufenen Avada Kedavra sah sie ihren Onkel Dustin vor sich. Sie stand im Kamin, fast schon in Sicherheit, als er unter einem gleißendgrünen Blitz einfach umfiel. Ja, da draußen fielen sie einfach um. Wer es immer war. Wer immer sie angriff, kannte keine Gnade.
"Avada ...!" Rief es irgendwo von draußen. Doch dann gab es einen dumpfen Knall wie von einer schweren Pulverladung. Der Fluch wurde nicht zu Endde gesprochen.
"Was war denn das jetzt?" Wollte Roy wissen, der nicht wußte, was die Flüche und das Sirren bedeuteten. Keiner gab ihm eine Antwort. Alle hockten stumm auf ihren Stühlen. Nur die vier Sabberhexen tuschelten leise miteinander. Dann flog die Tür auf, und ein Koloss aus glänzendem Eisen trat ein. Alle rechneten mit ihrem Tod, als das Geschöpf sich im Schankraum hochstreckte. Jetzt erkannte Aurora, daß es eine überlebensgroße Ritterrüstung mit verschnörkelten Zaubersymbolen war, die stampfend und klirrend in die Mitte des Raumes schritt und sich mit dem spiegelnden Visier der Tür zuwandte und von ihrer rechten Seite eine lange Metallstange nahm und sie auf die Tür richtete.
"Was wird das denn jetzt?" Fragte Roy, der als einziger mehr Neugier als unbändige Angst zu spüren schien. Die eine Sabberhexe, die ihm und Aurora vorher die Sache mit dem Turm erzählt hatte blickte ihn an und winkte ihm zu. Er schrak zurück. Doch dann, als er nur in kreidebleiche, vor Angst und Hoffnungslosigkeit starre Gesichter blickte, gab er sich einen Ruck und stand auf. Er ging, wohl darauf bedacht der Riesenrüstung mit der Metallstange nicht zu nahe zu kommen, zu den vier grüngesichtigen Frauengestalten hinüber. Seine rechte Hand tastete nach seinem Zauberstab. Was wollten die vier von ihm?
Aurora sah, wo Roy hinging. Doch die Angst hielt sie wie in einen Eisblock eingefroren auf ihrem Platz fest. Die Todesangst, gleich von einer Horde mordender Hexenmeister niedergeflucht zu werden, band sie an ihren Stuhl fest. Doch sie hörte, was die in Grün gekleidete Sabberhexe sagte.
"Unwissenheit macht viel Mut, Fieldinger Roy. Das ist wie bei ganz kleinen Kindern", wurde Roy begrüßt. Er erstarrte. "Du brauchst deinen Zauberstecken nicht, Roy. Ich habe keinen Hunger auf dich, und für was anderes ist im Moment keine rechte Zeit. Du willst wissen, was den anderen hier solche Angst macht? Gut, ich sag's dir. Da draußen machen ganz finstere Zauberer andere Leute tot. Aber dieser Zwerg da in seiner Angebereisenrüstung, der meint dagegen kämpfen zu können." Die anderen drei Sabberhexen lachten spöttisch. Corner fuhr herum und wollte Roy gerade zurückreißen, als eine der drei anderen, eine Sabberhexe mit dunkelbraunem Struwelhaar, ihre spinnenbeinartigen Finger in einer bestimmten Stellung auf ihn richtete und ihn wie angebacken erstarren ließ. Da erkannte Aurora Dawn, wie gefährlich diese Wesen waren, wenn sie wollten.
"Der, der sich Voldemort nennt, hat rausbekommen, wo der Drachenturm steht. Er hat zwölf unschuldige Zauberer und Hexen dort hin geschafft und mit einer dunkel angefüllten Klinge verwundet." Beim Klang des Namens Voldemort schraken alle Gäste zusammen. " Dann hat er in der Sprache der Beinlosen die Wörter gesungen, die dem Turm sagen, daß jemand da ist, der ihn braucht und ehrt. Die zwölf Opfer verbluteten, und der Turm trank ihr Blut, um wieder aufzufahren aus der tiefen Erde, wo er sich vor Feindesblick und Feindeshand versteckt hat", fuhr das Geschöpf mit den schwarzblauen Haaren fort. Corner stand immer noch wie am Boden festgenagelt da. Er konnte nicht einmal die Arme oder den Kopf bewegen. Sein Blick war wie eingefroren auf die ihm entgegengestreckten dürren Finger der braunhaarigen Sabberhexe geheftet.
"Woher weißt du das alles?" Wollte Roy wissen, der nun doch zu schlottern begann.
"Meiner Mutter Mutter hat das mitbekommen, wie diser Tigelinus den Turm aufgebaut hat. Sie und zwei ihrer Sorhags wären dabei fast umgebracht worden, weil dieser dunkle Meister nicht einmal unseresgleichen in die Nähe lassen wollte. Er hat den Zauber gesungen, der den Turm mit dunkler Kraft auffüllt, in der Sprache der Menschlinge und der der beinlosen Kriechtiere. Aber warum muß ich eigentlich so laut sprechen und meinen Hals verränken. Setz dich doch zu uns!"
"Nein Danke, jetzt weiß ich ja alles", bibberte Roy und sprang zurück. Doch seine grüngesichtige Gesprächspartnerin lachte ihn nur an, streckte ihm rasch die rechte Hand entgegen und bekam ihn gerade noch zu fassen, bevor er aus der Reichweite ihres astgleichen Armes entwischen konnte. Mit einer spielerischen Bewegung zog ihn die Sabberhexe auf einen freien Hocker und legte ihm die Klauenhand auf eine Schulter. Die andere Hand ergriff seinen rechten Arm und hielt ihn fest wie in einen Schraubstock eingespannt.
"Ich will nicht, daß du dumm stirbst, wie ein Schreikind in seinem Holzbett", zischte die Sabberhexe. Aurora Dawn sah, wie Ekel und Entsetzen Roys Gesicht zeichneten, weil das unheimliche Geschöpf sein Gesicht so nah an seines heranführte. Dann verstand sie nicht mehr, was Roy gesagt bekam. Sie sah nur ihren Schulkameraden, wie er auf dem Stuhl hockte und gehalten wurde. Einige Sekunden lang sah sie dem Schauspiel zu, als eine metallische Stimme rief: "Lass den Großen jetzt los, Waldschreck!" Aurora sah, wie sich der Helm der Riesenrüstung mit den Augenlöchern in den Raum hineingedreht hatte. Das Visier klappte hoch, und Aurora sah Kopf und Oberkörper von Forin Ironhead, dem Chef der Zwergenschmiede.
"Sorhag Uachomag!" Rief die Schwarzblauhaarige. Nun hob die dritte der vier grünhäutigen Gestalten ihre beiden Arme und richtete sie auf Forin, der blitzschnell hinter dem zuschlagenden Visier verschwand, bevor ein blutroter Feuerstoß zwischen den Händen der Sabberhexe hervorsprang und mit lautem Klong am Visier zersprühte.
"Bleib schön in deiner Unzaubereisengestalt, Forin, der Schmied! Da kann dir keiner was machen", lachte die Gestalt, die den Feuerstoß geschleudert hatte.
"Meine Fresse, die Mädels sind brandgefährlich", stellte Bruster fest, der wohl von der zauberstablosen Magie der Sabberhexen mehr als beeindruckt war.
Roy wurde immer noch von der einen Kreatur festgehalten. Doch Aurora meinte, er fühle sich nicht mehr so angewidert und verängstigt. Ja, er wurde immer entspannter. Was ging da vor?
"O nein, Roy wird mit dem Lied der Geborgenheit eingelullt", erkannte sie. Er mußte sich doch dagegen wehren. Denn er wußte doch, wie Sabberhexen fliehende Kinder beruhigten, um sie ganz einfach zu fangen, wenn sie mehr als eines zur gleichen Zeit jagten oder welche anlockten. Forin in der gigantischen Rüstung bekam das wohl auch mit und richtete die Lanze auf die vier grünen Gestalten. Ein goldener Lichtstrahl schoss heraus, der sich zu einer Art Schirm aufspannte und Roy voll traf, einhüllte und aufhob. Die grüngesichtige Gestalt hatte sofort losgelassen, als der goldene Lichtkegel sich entfaltet hatte. Roy wurde vom Licht umflutet aufgehoben und zu dem Tisch zurückgetragen, an dem er gesessen hatte. Wie im Traum so wirkte er, als er punktgenau neben Dina hingesetzt wurde. Sie holte rasch aus ihrem Umhang einen Beutel mit Salz und rieb ihm die Wangen und die Hände ein.
Das goldene Licht erlosch, und die Riesenrüstung drehte sich mit der Lanze zurück zur Tür. Keine Sekunde zu früh. Denn mit lautem Knall flog sie aus den Angeln, und vier vermummte Gestalten machten Anstalten, in den Schankraum zu springen. Doch mit einem scharfen Knall peitschte ein goldener Lichtblitz aus der Lanze und warf die vier Vermummten so leicht aus der Tür und weit zurück, als wären sie welkes Laub im Herbststurm. Dann füllte das Licht die ganze Tür aus.
"Goldfeuer, die Kraft aus dem ewigen Gold und der Sonne", staunte Miriam. Myron Corner, der gerade wieder aus der magischen Fessel freigekommen war, zog seinen Zauberstab, bereit, nicht noch einmal von irgendwem überrumpelt zu werden. Die vier Sabberhexen bildeten einen Kreis und begannen leise einen Ton zu summen, der irgendwie zwischen ihnen tanzte, wuchs und zu einem überirdischen Akord wurde.
"Mistzwergenlicht", fauchte jemand draußen. "Der dunkle Lord will diesen Pub jetzt haben. Angriff!"
Diesmal versuchten zehn vermummte Gestalten, durch die Tür und die Fenster zu brechen. Doch irgendwas prällte sie mit Wucht zurück. Dann fingen die Angreifer an, Zauberflüche zu schleudern. Von draußen ertönten dumpfe Schläge. Aurora riss sich aus ihrer Erstarrung und wagte einen Blick durch ein Fenster. Gerade warf eine weitere Riesenrüstung aus glitzerndem Metall fünf der Todesser mit dem goldenen Lichtschlag zurück und prällte gleichzeitig fünf ihr geltende Flüche auf die Angreifer zurück. Jetzt erkannte Aurora auch, daß mindestens zehn weitere Rüstungen um die drei Besen Aufstellung genommen hatten und mit den Goldlichtlanzen jeden Vorstoß zurückschlugen.
"Ergebt euch alle!" Schrillte eine Stimme kalt wie Eis und scharf wie eine Klinge durch das Dorf. "Ich, Lord Voldemort, habe endlich mein Erbe angetreten und werde nun alle hinwegfegen, die meinen, sich gegen mich stellen zu können."
"So klingt er also", dachte Aurora voller Entsetzen. Das war also die Stimme des Unnennbaren. Dann erscholl wieder jener düstere, dumpfe Chor aus riesigen Blechblasinstrumenten. Doch diesmal wirkte er nicht. Der sphärengleiche Singsang der Sabberhexen schwebte nun in den Raum hinein und füllte die Ohren aller Gäste hier aus. Die mörderische Wirkung der tiefen Töne blieb aus. Denn Aurora spürte keine Kopfschmerzen. Dann sah sie eine große Schar von Kobolden aus dem Boden vor den drei Besen wachsen. Doch diese wurden von Sekunde zu Sekunde durchscheinender, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Dann tauchten noch Leute aus dem Aurorencorps auf. Offenbar wurde hier und jetzt eine Schlacht gegen den dunklen Hexenmeister und seine Anhänger eingeläutet.
"Verdammtes Pack, ergebt euch!" Schrillte Voldemorts Stimme durch das Dorf. Dann lachte der böse Hexer.
"Das habt ihr jetzt davon!"
Ein vielstimmiges Brüllen erklang aus der Ferne, während die düsteren Töne noch einmal erklangen, Freund und Feind erstarren ließen und dann verebbten.
"Jetzt werden wir es wohl wissen, woher der Drachenturm seinen Namen hat", bemerkte Aurora Dawn ohne jede Hoffnung. Roy, der immer noch wie betäubt auf seinem Stuhl hockte, war der einzige, der nicht zu den Fenstern hinausblickte, wo gerade ein orangeroter Feuerschein aufflammte und mit lautem Getöse in ein Haus hineinfuhr. Miriam schrie entsetzt.
"Das ist das Haus der Russells!"
"Drachen!" Kamen angsterfüllte Schreie von nah und fern. "Drachen greifen an!"
"Dieser Irre will Hogsmeade niederbrennen", sagte Bruster. Miriam schrie unter Tränen:
"Halt doch den Mund!!"
"Heh, Aurora! Wie kriegen wir Roy wieder wach, wenn wir hier doch rausmüssen?" Wollte Bruster wissen.
"Das Lied der Geborgenheit wirkt in seiner Seele wie ein ständig nachgefüllter Giftvorrat. Nur die, die ihn so besungen hat oder sein Tod können das aufheben", wimmerte Aurora.
"Mist verdammt! Da muß doch irgendwas anderes gehen", sagte Bruster.
Die Schar der Todesser wurde immer größer. Offenbar wollte Voldemort hier und heute eine wichtige Schlacht um die Macht in der Zaubererwelt gewinnen. Aurora Dawn sprang zu einem der Fenster. Sie wollte nicht blind dahocken, ohne zu wissen, was draußen geschah. Doch schon den ersten Blick bereute sie. Sie sah vier grüne Ungeheuer, die mit wilden Flügelschlägen über die Dächer von Hogsmeade dahinbrausten und ab und an Flammenstöße ausspien. Dann erkannte sie noch ein schwarzes Ungetüm, das mit schnellen Schlägen seiner lederartigen Schwingen vom Osten her anflog, den mit spitzen Reißzähnen gespickten Rachen aufriss und einen gut drei Meter durchmessenden Feuerball mit voller Wucht in ein hohes Haus pustete. Doch der Flammenball zerplatzte, schleuderte einige lodernde Feuerzungen in alle Richtungen und zersprühte in einer Wolke aus Funken und Dampf. Das Haus blieb unversehrt. Sie verstand, daß die Häuser hier wohl gut gegen Drachenfeuer abgesichert waren. Obwohl der Flammenatem eines Drachen als die größte tierische Zerstörungskraft nach der Hornflüssigkeit eines Erumpenten galt konnte man diese Macht doch zurückschlagen. In Aurora keimte ein neuer Hoffnungsfunke. Doch als sie sah, wie zwei der grünen Drachen eine Schar flüchtender Mädchen und Jungen verfolgten, die wohl alle aus Hogwarts kamen, fürchtete sie schon, gleich das Schlimmste ihres Lebens zu sehen. Die Drachen griffen an, wollten wohl gerade Feuer speien, als ein orangeroter Feuerball genau vor den Kindern explodierte und ein hochgewachsener Mann in mitternachtsblauem Umhang mit hohem, spitzen Hut dastand, einen rot-goldenen Vogel auf der linken Schulter. Er riss einen Zauberstab hoch und schickte einen weißen Blitz genau in den Kopf eines der angreifenden Drachen. Der rot-goldene Vogel indes schwirrte wie von einem Katapult geschossen aufwärts, sauste genau auf den zweiten Drachen zu und griff ihn voll an, mit dem Schnabel voraus in die Augen. Beide Monster begannen laut loszuheulen und schlingerten aus ihrer sicheren Flugbahn. Der Vogel kehrte zu seinem Herrn, Professor Dumbledore, zurück, nachdem er dem zweiten Drachen beide Augen blutig gestochen hatte.
"Dumbledore ist da!" Rief eine Viertklässlerin aus Hufflepuff, die wie Aurora aus dem Fenster starrte. War das jetzt wirklich so klug, das rauszuposaunen? Fragte sich Aurora.
Eine düstere Wolke flog an. Sie kam genau vom Drachenturm her. Sie fiel über die draußen kämpfenden Todesser und die wandelnden Riesenrüstungen, in denen wohl weitere Zwerge saßen und die Dinger irgendwie bewegten. Das goldene Licht aus den Lanzen erstarb, und die Metallkonstruktionen schienen unter einer dicken Pechschicht begraben zu werden. Aurora fühlte förmlich, wie lähmende Kräfte von draußen hereinwirkten. Nur die Todesser schienen davon unbeeindruckt zu sein. Sie liefen mit Gejohle auf die Tür zu den drei Besen zu, als eine breite blaue Lichtfontäne durch die dunkle Wolke zuckte, die rot aufglühte und mit einem ohrenbetäubenden Knall in weißen Rauch aufging.
"Was!" Rief Voldemorts Stimme, deren Besitzer wohl noch eine knappe halbe Meile entfernt auf dem Turm hockte. Dumbledore trat näher. Sofort richteten sich mehrere Dutzend Zauberstäbe auf den Schulleiter von Hogwarts. Dieser lächelte seine Gegner nur an, hob wie feierlich den Zauberstab und ging weiter. Mehrere Flüche zerplatzten vor ihm auf einem silbrigen Schild. Dann machte Dumbledore eine schlenkernde Handbewegung mit dem Zauberstab, und wie von einer Sturmböe gepackt stürzten alle Todesser zu Boden, die nicht einen sicheren Halt finden mochten.
"Avada Kedavra!" Rief ein Todesser, der hinter Dumbledore stand. Da warf sich eine der Riesenrüstungen genau zwischen den Schulleiter und den Angreifer. Aurora sah den verhaßten grünen Blitz, hörte ihn sirren ... Mit einem glockenartigen Schlag zerbarst die Rüstung. Der Helm flog wie eine Kanonenkugel davon, während die einzelnen Teile glühendrot und ausgefranst zu Boden fielen. Einen zweiten Angriff ließ Dumbledore nicht zu. Mit einer von ihm nicht erwarteten Kehrtwende und einer für Aurora unbemerkten Zauberei schoss er den roten Schockzauber auf den Todesser, der keine Zeit mehr fand, sich dagegen zu schützen und betäubt zu Boden fiel. Dann verschwand Dumbledore einfach. Er war disappariert. Gleichzeitig griffen unsichtbare Kräfte nach den angreifenden Todessern und warfen sie mit mörderischer Gewalt gegen die Hauswände. Aurora konnte sehen, wie es wohl einige von ihnen zerschmetterte. Übelkeit stieg in ihr auf, wenn sie die schlimm zugerichteten Körper sah. Aber wer griff mit telekinetischen Zaubern an?
"Zum Henker mit euch allen, vermaledeite Kobolde!" Schrie Voldemort. Dann brausten fünf Drachen gleichzeitig heran und bliesen eine dahinfegende Wand aus Feuer über den Vorplatz. Die von den unsichtbaren Kräften gebeutelten Todesser, die nicht an den Mauern der Häuser zerschmettert worden waren rafften sich auf und riefen Zauber auf, mit denen sie wohl unsichtbare Wesen finden konnten. Zumindest glaubte Aurora Dawn dies, weil die aufglühenden Zauberlichter wie Lampen von links nach rechts geschwenkt wurden.
"Das geht nicht lange gut", sagte Miriam Swann ungewöhnlich gefaßt klingend. Sie stand nun neben Aurora Dawn.
"Die Häuser sind gegen das Drachenfeuer geschützt. Aber dahinten habe ich Leute gesehen, die von Drachen verfolgt werden. Wieso rennen die alle weg, wenn die Häuser geschützt sind?" Sprudelte es aus Aurora Dawn heraus.
"Das sind welche von der Schule, Aurora. Ich fürchte, wenn wir das überleben, werden wir einige Leute weniger in der Schule haben."
"Dieser Schweinehund!" Fauchte Aurora in einem aus der Angst hervorgequollenem Zornesanfall. "Was haben die da draußen dem getan? Was haben wir ihm getan?"
"Das weiß nur er", seufzte Miriam. Nun kam auch noch Bruster zu ihnen, sowie Loren Tormentus, deren Kameraden zitternd an ihrem Tisch saßen.
"Niemand weiß, was ihn so verdreht hat, daß er meint, alle foltern und umbringen zu wollen", sagte Loren. "Der hat sich den Drachenturm wieder rausgeholt und wird da jetzt solange drauf sitzen, bis alle, die nicht für ihn sind, abgemurkst oder eingeäschert wurden."
"Und das läßt dich so kalt?" Fragte Miriam barsch. Loren lächelte gequält.
"Mädchen, denkst du, nur ihr eierköpfigen Ravenclaws, dummbeuteligen Hufflepuffs oder weltverbesserischen Gryffindors hättet ein Recht, Angst vor dem zu haben? Mann, wenn der kann macht der uns mit einem Fingerschnippen alle."
"Okay, glaube ich dir", sagte Miriam abbittend dreinschauend, weil Lorens Erregung wohl nicht gespielt war.
"Diese Rosmerta ist noch im Keller. Was will die da bloß?" Wunderte sich Bruster.
"Wofür hat der dicke Onkel aus Amerika die runtergeschickt?" Fragte Loren Tormentus leicht gehässig.
"Sie sollte kucken, ob die drei Besen eine Abwehr gegen dunkle Zauber haben", erinnerte sich Bruster und verlor für zehn Sekunden die in diesem Raum allgemeine Angstblässe.
"Wunderbar erkannt", stichelte Loren.
"Macht diese Zwerge und Kobolde doch endlich fertig!" Schrillte die kalte Stimme Voldemorts. die noch lebenden Todesser rotteten sich zu einer Gruppe zusammen und sprachen gleichzeitig ihre Flüche. Doch ebenso gleichzeitig leuchteten die Goldlichtlanzen der Riesenritterrüstungen wieder auf und bauten einen sonnenfarbenen Schutzwall auf, an dem alle Flüche mit lautem Knall zersprangen. Als einer der vermummten Zauberer mit dem Todesfluch angriff, barst zwar die Schutzmauer, doch die aus ihr entladenen Blitze fegten die Todesser zu Boden. Einer der Zwerge ließ seine gigantische Wandelrüstung vortreten und die Lanze schwenken. Wie vorhin Roy wurde nun ein Todesser nach dem anderen in einem goldenen Lichtkegel gefaßt und hochgehoben, ja hochgeschleudert. Die Zwerge schienen wohl noch weniger Gnade zu kennen als die Todesser. Denn sie warfen die aufgegabelten Gegner hoch in die Luft. Wenn sie fielen, konnten sie sich tödlich verletzen. Doch sie fielen nicht wie Steine, sondern schwebten wie Luftballons davon.
"Da staunt ihr, was?" Meinte Loren. "Das Goldfeuer ist nicht nur ein Antizauber, sondern auch ein Bewegungsänderer. Wen es trifft, den kann es federleicht anheben und tragen, bis das Licht ihn freigibt. Steht dabei jemand nicht auf festem Boden, gleitet er ganz langsam zu Boden, weil der Zauber erst weggeht, wenn die feste Erde berührt wird."
"Woher wissen Mylady das?" Fragte Miriam ironisch.
"Man lernt seine Sachen eben gut, Swann", fauchte Loren. "Täte dir gerade gut, dich mehr mit unseren magischen Mitgeschöpfen auszukennen, wo dein alter Herr doch in dem Dervish-Laden schafft und hier in Hogsmeade alles mögliche Gekröse herumläuft."
"Das habe ich gehört, Slytherin-Brut", knurrte metallisch Forins Stimme. "Für deinesgleichen halten wir bestimmt nicht unsere Knochen hin."
"Klar, nur für eure Kundschaft. Haut heftig ins Kontor, wenn kein Hogsmeade mehr da ist und Zauberer nicht mehr zu euch in die Schmiede kommen", wußte Loren eine gehässige Antwort darauf. Forin unterließ es, darauf eine Antwort zu geben.
Der Kampf um die drei Besen tobte nun noch heftiger. Denn aus der Luft griffen die Drachen an. Aurora sah einmal einen der grünen Drachen genau auf sie zufliegen, doch dann glaubte sie, ihren Augen nicht mehr trauen zu können. Zwischen sich und dem anfliegenden Ungeheuer schoss eine schwach bläulich schimmernde Kuppelwand auf. Der Drache blies sein Feuer aus, das fauchen an der bläulichen Kuppel abglitt und zersprühte. Immer noch tönte der Ton der Sabberhexen durch den Schankraum. Der Drache prallte nun auf das blaue Kuppelgebilde, wurde von türkisfarbenen Blitzen umzuckt und glitt benommen herunter. Dann tauchte noch etwas auf, was Aurora an ihren Sinnen zweifeln ließ. Große, grauweiße Vögel, schossen wie Gewitterblitze aus dem Himmel herab und griffen die fliegenden Drachen an. Voldemorts Stimme ertönte erneut.
"Da hat irgendwer die alte Gegenkraft geweckt, ihr Stümper! Stürmt den Pub!"
"Was will der ausgerechnet hier?" Fragte Aurora nun erschrocken, als zwei Dutzend Todesser angelaufen kamen, unterstützt von aus der Luft angreifenden Drachen.
"Hier haben die Sternenklingenbrüder ihr magisches Zentrum errichtet. Wenn er die Kräfte des Turmes ganz ausschöpfen will, muß er dieses Zentrum zerstören, von allen magischen Wesen reinigen", wußte Loren. Woher wußte die das?
"Was waren die Sternenklingenbrüder?" Fragte Miriam.
"Ich weiß nur, daß die ein Orden mächtiger Zauberer waren, die meinten, das Gute auf der Welt verstärken zu müssen. Dabei wußten die vielleicht nicht, was das Gute überhaupt ist", sagte Loren schnippisch.
"Achtung!" Rief Aurora, als die Todesser in ihren dunklen Umhängen herangestürmt waren. Doch die blaue Kuppel warf sie einfach zurück, wenn sie versuchten, hindurchzuspringen.
"So stellen sich die Muggel einen Energieschirm vor", erkannte Bruster, was diese magische Lichtkuppel tat. "Maschinen schaffen ein Feld aus dichten Strahlen oder Kraftfeldern, das alles von außen kommende zurückdrängt."
"Ja, aber diese Kuppel hat einen Drachen zurückgeworfen. Sowas kommt doch nicht von irgendwo her", meinte Miriam. Sie sah sich um und sah Madame Rosmerta, die in der Mitte des Schankraumes stand, eine weiß flammende Fackel in einer Hand. Jetzt fiel Aurora Dawn auch auf, daß die Sabberhexen nicht mehr ihren Chorgesang fortführten. Die vier grüngesichtigen Gestalten hatten sich unter dem Tisch zusammengekauert und hielten sich ihre erdverdreckten Kleider vor die Augen. Offenbar blendete sie das Licht. Sicher, es wardreimal so hell wie das Fackellicht in Hogwarts. Doch wenn man nicht zu lange reinsah tat es nicht in den Augen weh.
"Der Schirm der Sternenklingenbrüder hält uns nun die bösen Mächte vom Hals", sagte Madame Rosmerta. Myron Corner, der bis dahin wie unter Hochspannung hinter der Tür gelauert hatte, steckte seinen Zauberstab fort und kam zu Aurora, Loren und Miriam.
"Eurem Freund konnte ich nicht helfen. Wir müssen abwarten, wie die Sache hier zu Ende geht. Sieht alles nach einer endgültigen Machtprobe aus", seufzte der amerikanische Zauberer.
"Kann er besiegt werden?" Fragte Aurora.
"Nur, wenn er nicht vorher alle Hoffnung aus den Leuten hier austreibt", sagte Corner.
"Was sind das für Vögel?" Fragte Aurora.
"Die Wolkenhüter. Es sind magische Vögel, so geheimnisvoll wie der Phönix oder so majestätisch wie der orientalische Felsenvogel. Doch sie leben in der Luft. Brauchen nie zu landen und sind schneller als die Luft den Ton trägt", sagte Corner. "Ich habe gehofft, daß man diese Tiere bändigen kann. Aber außer mächtigen Zauberern früherer Zeiten ist das keinem gelungen. Jeder einzelne kann es mit fünf Drachen gleichzeitig aufnehmen, weil ihr Gefider feuerfest ist und sie sowohl Gluthitze wie Eiseskälte aushalten", konnte Corner hinzufügen.
"Die räumen da draußen mächtig auf", sagte Bruster und deutete auf die nun dutzendfach herumschwirrenden Vögel, die wohl eine Spannweite von viersitzigen Sportflugzeugen hatten aber durch die Luft sausten wie moderne Düsenjäger. Ja, sie konnten sogar Feuer speien. Nein, es waren eher gleißende, blaue Blitze, die aus den silbernen Schnäbeln der grauweißen Zaubervögel schlugen. Ja, und sie brannten nicht. Da wo sie trafen bildete sich eine Eisschicht. Drachen, die mit den Blitzen in Berührung kamen, wichen laut jaulend aus und flohen.
"Er hat sich eingebildet, weniger Widerstand zu finden, dieser Wahnwitzige", schnaubte Loren. Aurora sah hinüber zum Drachenturm. Dort stand die Erscheinung des Unnennbaren immer noch übernatürlich vergrößert. Seine roten Augen, die vorhin noch triumphierend geglüht hatten, funkelten nun zornig. Aurora Dawn meinte, daß der böse Hexenmeister irgendwas mit seinem Zauberstab versuchte. Erneut quoll eine dunkle Wolke vom Turm her auf und raste auf das Dorf zu. Doch sofort schossen fünf Wolkenhüter aus der Höhe, spien ihre Eisblitze in die Wolke hinein, die zum Stehen kam und niedersank, bevor sie das Dorf erreichte.
"Die Magie dieser Vögel ist mächtiger als der Zauber des Turmes?" Wunderte sich Aurora. Was machte die Vögel so stark?
"Ergebt euch, ihr in den drei Besen. Eure hilflose Gegenwehr hält nicht lange. Ich habe schon zu viel Gnade mit euch geübt", schrillte Voldemorts Stimme.
"Kommt das auch von dem Turm, daß wir den aus der Entfernung hören können?" Fragte Bruster beeindruckt.
"Im Moment kommt alles von dem Turm. Wenn der Unnennbare ihn beherrschen will, darf er im Moment nicht von ihm herunter, solange die Magie seiner Feinde wirkt. Erst wenn das geschehen ist, kann er den Turm für sich selbst haben", sprach eine Stimme von hinten. Aurora wandte sich um und sah Madame Rosmerta, die mit der hellen Fackel in der Hand umherschritt.
"Ich weiß, die Frage haben wir in den letzten Minuten häufiger gestellt, aber woher wissen Sie das nun?" Wollte Aurora Dawn wissen.
"Ich habe im Keller den Raum für Notfälle gefunden und eine Texttafel gelesen, die mir verraten hat, was ich tun muß, um die Sternenklingenbruderschaft zu rufen, also ihre alte Magie. Das habe ich gemacht. Deshalb ist der Unnennbare jetzt so wütend. Er wollte diesen Ort stürmen, um ... Oh, Nein, er hat die Dementoren gerufen!" Die letzten Worte Madame Rosmertas waren ein Ausdruck unbändiger Angst. Aurora Dawn sah hinaus und meinte, es sei von einem Moment zum nächsten stockfinstere Nacht geworden. Ja, und es mußte auf einen Schlag noch viel kälter geworden sein. Denn an den Fenstern blühten Eisblumen.
"Ins Licht der Fackel!" Befahl Corner. "Ihr Licht wird das einzige Licht sein, daß diese Kreaturen nicht löschen können."
"Was machen diese Dementoren?" Fragte Bruster. Da sah er, wie draußen mehr als zwei Meter große Erscheinungen in langen Umhängen aufmarschierten. Sie schwebten und schienen nicht zu wissen, wie sie durch die Lichtkuppel kommen sollten. Corner zog Aurora und Bruster vom Fenster fort und drängte sie in den Lichthof der magischen Fackel, die fast ohne Flackern und Zischen brannte.
"Wenn die reinkommen ist es aus", unkte Loren, die sich zu Bruster in den großen hellen Lichtkreis gestellt hatte.
"Es wird kälter hier drin", stellte Miriam fest. Tatsächlich begann eine grimmige Kälte von außen her in ihre Körper einzusickern. Sie kroch langsam aber unaufhaltsam in alle Fasern des Körpers, füllte das Herz aus und trübte jeden fröhlichen Gedanken. Aurora fühlte sich elend, so hilflos wie nie zu vor. Sie erkannte, daß sie nie wieder glücklich sein würde. Daneben tauchten in ihrem Kopf Bilder auf, die sie nie zu sehen gewünscht hatte. Sie sah ihren Onkel Dustin, wie er starb. Hörte den tödlichen Fluch sirren, wieder und wieder. Sie fühlte, wie sie vom fliegenden Besen stürzte und hörte Tonya Rattlers hämische Bemerkungen zu ihren Eltern. Jetzt erkannte sie, daß dieses Klotzweib recht hatte. Sie war hilflos. Niemand würde ihr jetzt noch helfen.
Expecto Patronum!" Rief ein Mann, den Aurora irgendwoher kannte. Eine weitere Stimme, die einer Frau, rief diese merkwürdigen Worte. Dann war dieses elende Gefühl der totalen Hilflosigkeit und die immer wieder auf sie einstürmenden Bilder schlimmer Erlebnisse fort. Sie wandte sich um und sah zwei große Gebilde wie in Formen gegossenes Mondlicht, die um sie herumschwebten und dann mit großer Geschwindigkeit hinaus in die plötzlich hereingebrochene, unnatürliche Nacht davonbrausten. Dann erkannte Aurora, wer noch im Raum stand. Es waren Professor Balder und Professor Bitterling. Die beiden Lehrer hatten ihre Zauberstäbe ruhig nach vorne ausgerichtet. und beobachteten, wie die hell schimmernden Gebilde, die keine rechte Form zu besitzen schienen, in den Ring der unheimlichen Gestalten hineinstießen und sie vertrieben. Dann stach das helle Tageslicht ohne Vorwarnung in die tränenüberfluteten Augen Auroras. Die gruseligen Gestalten in den Umhängen waren nicht mehr da.
"Das war aber gerade soeben noch", meinte Professor Balder. "Was hätte ich drum gegeben, den Patronus voll hinzukriegen", schnaubte er fast unhörbar.
"Was? Wo sind die jetzt hin? Heh, kommt gefälligst wieder her!" Fluchte Voldemort.
"Ich fürchte, da kann er lange drauf warten", meinte Professor Bitterling. "Wieviele von denen hat Crouch schon umgestimmt?"
"An die sechzig", grummelte Balder. "Was immer die sich davon versprechen, mir ist das suspekt."
"Die Drachen ziehen ab!" Rief Loren, die als erste zum Fenster zurückgekehrt war.
"Sagen wir's so, sie fliehen, Ms. Tormentus", berichtigte Professor Bitterling ihre Schülerin.
Wieder erscholl das tiefe, todverheißende Tröten aus zwölf unheimlichen Quellen. Aurora, die den Drachenturm nun lange genug betrachtet hatte, dachte sich, daß es die goldenen Spitzen an der Turmspitze sein mußten, die diese unirdischen Töne machten. Doch sicher war sie sich dabei nicht.
Die Wolkenhüter jagten die Drachen nun in Scharen vom Dorf weg. Ihre Zahl war auf über einhundert angestiegen. Sie mochten den Drachen nun doppelt oder dreifach überlegen sein. Zumindest flohen die grünen und schwarzen Ungeheuer, nachdem sie gemerkt hatten, daß ihre Feuerstrahlen nichts ausrichteten und die blauen Eisblitze ihnen wohl doch irgendwie zusetzten. Abgesehen davon, daß die Wolkenhüter wohl messerscharfe Schnäbel besaßen, mit denen sie auf die schuppigen Untiere einhackten.
"Damit hat er nicht mehr gerechnet", triumphierte Professor Bitterling. "Die alte Magie der Sternenklinge hat den Pakt mit den Wolkenhütern erhalten. Die Schriften hatten doch recht."
"Ja, so ist es, Semiramis", stimmte Balder zu. Bald schon war das Gebrüll und Gefauche der Drachen und das kampflustige Geschrei der Wolkenhüter so weit fort, daß sich nun alle trauten, an die Fenster zu gehen. Ja, auch die Todesser waren fort. Allerdings hatten sie mehrere Dutzend Männer, Frauen und Kinder niedergemacht und fünf dieser wandelnden Riesenrüstungen in Scherben geflucht.
"Wo seid ihr verdammten Halunken!" Brüllte Voldemort, den Aurora nun wild gestikulieren sehen konnte.
"Dann waren es wirklich welche von den Umgestimmten", grinste Balder verächtlich. Er schob Aurora vorsichtig bei Seite und blickte zum Fenster hinaus. Dann zuckte er zusammen. Aurora wollte sehen, was geschah. Doch Professor Balder drängte sie zurück.
"Das solltest du dir nicht ansehen, Mädchen. Da träumst du dann nur noch von oder mußt es andauernd sehen, wenn diese Dementoren dich noch einmal heimsuchen."
"Was ist denn da draußen?" Fragte Aurora trotzig.
"Nichts was Sie sehen müssen, Ms. Dawn", sagte Professor Bitterling und zog Aurora und Loren vom Fenster weg und setzte sie an ihren Tisch. Sie sah Roy Fielding, wie er mit total geistesabwesendem Blick schlaff an seine Stuhllehne gedrückt dahing.
"Was ist ihm widerfahren?" Fragte sie sehr ernst klingend. Aurora und Bruster erzählten es ihr.
"Dieser Dummkopf. Na ja, wer nicht hören will, muß eben fühlen. Ich bezweifle, daß diese Kreatur ihn freiwillig aus ihrem Bann entläßt. Aber zunächst müssen wir die Krise überstehen, in die wir alle hineingeraten sind."
"Was passiert jetzt?" Fragte Aurora Dawn.
"Offenbar ist die Neugier doch die stärkste aller Triebfedern", lachte Balder. Seine Kollegin räusperte sich warnend. Dann sagte sie:
"Ich fürchte, Professor Dumbledore muß sich ihm heute endgültig stellen. Davon mag abhängen, wie unser aller Leben dann weitergeht."
"Sie meinen, Professor Dumbledore muß sich mit diesem hexer duellieren?" Fragte Loren Tormentus.
"Es läuft wohl alles darauf hinaus", gab Professor Bitterling Antwort.
"Eine bange Viertelstunde verstrich. Nichts rührte sich draußen. Immer noch stand der blaue Lichtdom über den drei Besen. Zwischendurch versuchten sie, Roy Fielding aus dem magischen Bann zu wecken. Doch kein gutes Zureden, kein Schütteln und Rütteln, auch kein Schockzauber und Wiederbeleben half.
"Wieso haben diese vier grünen Weiber eigentlich gesungen?" Wollte Bruster wissen. "Irgendwie klang das beruhigend, alles andere wegscheuchend."
"Manchmal sollten Sie sich solche Fragen unhörbar stellen, die Antwort dann finden und dann erst laut aussprechen", meinte Professor Bitterling erst. Doch dann sagte sie: "Diese Waldkreaturen kennen Töne und Zauber, die die Kräfte der Natur besänftigen oder auch die dunklen Mächte zurücktreiben. Dieser Singsang, von dem Sie erzählt haben, ist ein Schattenbann. Haben Sie darauf geachtet, wie lang Ihre Schatten waren, Mr. Wiffle?"
"Öhm, nein, Professor Bitterling", mußte Bruster eingestehen.
"Das mag für Sie vielleicht auch gut so sein, weil der Schock, auf einmal keinen sichtbaren Schatten mehr zu haben, sie leicht aus der Fassung bringen könnte", erwiderte Professor Bitterling kalt. "Diese Zwei- oder Dreitongesänge können alle Schattenwürfe austilgen, aber auch alle dunklen Kräfte, die das destruktive, das lebensverachtende beinhalten zurücktreiben. Im Grunde haben Ihnen die vier grünen Damen, wollen wir sie doch mit einem gewissen Respekt so nennen, damit das Leben gerettet, weil auch böse Gedanken von dieser Kraft niedergehalten werden.""Wieviele Leute sind da draußen gestorben?" Wollte Aurora Dawn wissen.
"Dazu werden Sie von mir wie auch anderen Kollegen keinen Kommentar hören", stellte Professor Bitterling eindeutig klar. Das reichte Aurora aus, um sich vorzustellen, daß der Angriff der Drachen und Todesser viele unschuldige Hexen und Zauberer umgebracht hatte.
Ein lauter Knall ließ die Fensterscheiben erzittern. Sofort waren alle auf den Beinen und wollten zu den Fenstern hinlaufen. Aurora blieb jedoch auf ihrem Platz. Sie hatte es nun satt, andauernd vom Fenster weggeholt zu werden. So konnte sie nur undeutliche Bilder sehen, wie es auf dem Turm heftig zu blitzen begann. Einige Sekunden später war der Knall bei den drei Besen.
"Es geht los!" Rief einer der älteren Schüler, die noch in den drei Besen saßen.
Aurora Dawn sah zum Turm hinüber, wo nun eine Fontäne aus grünen und roten Lichtern ausgestoßen wurde. Dann konnte sie zwei Zauberer auf der runden Umfassung, wohl einem breiten Rundgang sehen, die sich mit gezückten Zauberstäben belauerten: Dumbledore und Voldemort. Beide waren durch die Fernbildvergrößernde Illusionszauberei so deutlich zu erkennen, als würden sie genau vor den drei Besen stehen. Dumbledore umfloss dabei ein silberweißes Licht, während der dunkle Lord von diesem blutigrotem Licht umflossen wurde. Voldemort griff nun wieder mit einem grellen Blitz an. Dumbledore ließ zwischen ihn und sich eine magische Wand aus goldenem Licht hochschnellen, die den Fluch zurückprällte und in die Mauer des Turmes einschlagen ließ. Ein erneuter Angriff Voldemorts erfolgte. Es sah so aus, als wüchse aus dem zauberstab des dunklen Lords eine Schlange aus grünem Feuer, die an ihrem Hals mehrere Köpfe trug. Das gezauberte Untier stieß vor und hinein ins Leere. Dumbledore war disappariert und stand nun zehn Meter weiter zurück. Voldemort lachte. Doch diesmal konnte man seine Stimme nicht im ganzen Dorf hören. Dann krachte etwas aus Dumbledores Zauberstab, das die feurige Schlange umschnürte, und von oben bis unten einwickelte. Dann flog das glühende Gebilde wie eine Feuerwerksrakete nach oben und zersprang weit über dem Turm in einen Schauer aus farbigen Leuchtkugeln, die ihrerseits zu Vorhängen aus Funken zerrannen.
"Er hat dieses Lichtbiest besiegt! Wie ging das?" Wunderte sich der ältere Schüler. Aurora fragte sich, welche Magie solch ein Wesen beschwören konnte.
Die nächsten Runden waren schnelle Wechsel aus Flüchen und Gegenflüchen. Dumbledore hielt sich gut auf den Beinen. Dann klopfte er einmal mit seinem Zauberstab auf den Boden, worauf die Fackel in den drei Besen wild zu flackern begann und der blaue Strahlendom um den Pub auseinandergezogen wurde.
Voldemort schlug mit seinem Zauberstab an die schwarze Wand des Turmes und schien einen langen schmalen Streifen davon auf seinen Zauberstab zu fädeln. Dann explodierte dieser aufgewickelte Faden als pechschwarze Wolke gegen Dumbledore, der jedoch von einem Augenblick zum nächsten von der blauen Lichtkuppel umstanden wurde, die jedoch jetzt wesentlich kleiner aber leuchtstärker war. Die Wolke zerbarst mit Donnerschlag an der Lichtkuppel. Gleichzeitig schwang Dumbledore seinen Zauberstab, wie auch der dunkle Lord seinen Zauberstab einmal von links nach rechts schwenkte. Krachend prallten zwei rubinrote Zauber mit solcher Wucht aufeinander, daß beide Duellanten hochgeschleudert und über eine von der Dorfschenke aus nicht sichtbare Brüstung geworfen wurden. Voldemort schrie vor Schrekc auf, während er abstürzte, wobei sein Abbild schlagartig zusammenschrumpfte. Dumbledore jedoch trat an die Turmmauer heran und zirkelte mit seinem Zauberstab davor. Plötzlich stand Voldemort hinter ihm, den Zauberstab hochgerissen. Dumbledore ließ sich zur Seite fallen, als ein gleißender grüner Lichtblitz aus Voldemorts Stab schlug und in die Mauern des Turmes einschlug. Dieser zitterte wie unter dem Schlag einer tonnenschweren Keule. Das Beben war selbst in den drei Besen zu spüren.
"Der Unnennbare hat doch die ganze Magie dieses Höllenturms für sich", zischte Bruster. "Der wird Dumbledore fertigmachen. Im Moment spielt er nur mit ihm."
"Gibst du wohl das Schwarzmalen dran!" Zischte Miriam. Dann folgte wieder ein schneller Schlagabtausch. Voldemort schien sich auf dem Boden der Plattform wohl nicht mehr so wohl zu fühlen. Er tänzelte in schneller Folge vor Dumbledores Zauberstabbewegungen herum, versuchte wohl eigene Flüche anzubringen. Dann hieb der dunkle Lord auf die Turmmauer ein. Schlagartig hüllte eine undurchdringliche Wolke den Turm ein. Sie verdeckte, was die Duellanten taten. Offenbar hatte Voldemort eine Magie aufgerufen, die er für sich zu nutzen hoffte. Wieder und wieder bebte die Erde. Dann schlugen blaue Flammen aus der Wolke, und der Turm stand wieder frei. Über seiner Spitze zuckten weiße und blaue Blitze hernieder. Die Fackel Madame Rosmertas flackerte nun noch wilder. Dann fegte ein einziger blauer Blitz auf den Turm zu. Für einen winzigen Moment meinte Aurora, Dumbledore würde den Blitz mit seinem Zauberstab anziehen. Dann krachte das blaue Licht auf die Turmspitze mit den goldenen Zacken, von denen gleich zwei abbrachen und abstürzten. In diesem Moment schien ein hundert Meter großer Wolf zu heulen, so klagend und basslastig dröhnte das laute Geheul vom Turm her herüber. Das schwarzmagische Bauwerk wankte, ja zitterte und krümmte sich wie ein vom Wind angepusteter Grashalm. Voldemort, der für einen Moment als übergroßes Bildnis zu sehen war, stieß noch einmal zwei Worte aus, von denen Aurora meinte, sie zu gut zu kennen. Wieder raste ein gleißend grüner Blitz aus Voldemorts Zauberstab auf Dumbledore zu. Doch da flog ihm einer der Wolkenhüter in den Weg und bekam den tödlichen Fluch ab. Wild kreischend stürzte der Vogel ab und zerfloss dabei wie Nebel, bevor er aus dem Bereich der Distaumentatus-Illusion heraus war und zu weit fort, um als Lebewesen gesehen zu werden. Wieder zuckte ein Blitz auf den Turm zu und brach zwei weitere goldene Zacken ab. Voldemort wollte Dumbledore erneut verfluchen, als aus dem Boden eine pechschwarze Wolke Quoll und ihn einzuhüllen begann. Der dunkle Lord erschrak unbändig. Er schien überhaupt nicht damit gerechnet zu haben. Dann verschwand er. Der Drachenturm wippte und bog sich. Dumbledore fiel über die Brüstung. Doch einen Moment später stand er wieder auf der Plattform und tippte mit seinem Zauberstab die Wand an. Wieder dröhnten diese unheimlichen Töne vom Turm her. Doch diesmal klangen sie schmerzhaft, wehklagend und verzweifelt. Dann geschah, womit in diesem Moment keiner gerechnet hatte. Der Turm begann im Boden einzusinken wie ein Stein im Wasser. Der Boden zitterte immer heftiger.
"Er will sich wieder verstecken", meinte Professor Bitterling. Da sah Aurora Dumbledore, der einen weißen Steinblock aus seinem Umhang zog, ihn zweimal mit dem Zauberstab berührte und dann gegen die Mauer lehnte. Im nächsten Moment disapparierte der Schulleiter von Hogwarts. Keine Sekunde zu früh. Denn in einem grellen Lichtblitz barst der weiße Stein. Doch wo sein Staub auf den schwarzen Granit oder Marmor traf, brach das Gestein und zerfiel zu Staub. Keine fünf Sekunden später bröckelte der obere Bereich des Turmes. Rote und blaue Blitze, weiße Funken und giftgrüne Rauchfontänen schossen aus den aufreißenden Mauern, und die letzten Zacken auf der Turmspitze schienen die Begleitmusik für den Untergang zu spielen, weil ein anhaltender Dreiklang, der immer wimmernder wurde, zu all diesem Spektakel erklang. Auf den Turm, der wie von einer Flut ätzender Säuren begossen mehr und mehr zerfiel rasten Schwärme der Wolkenhüter zu. Sie riefen wohl was. Doch hier konnte es keiner hören. Man konnte nur die grauweißen Wolken sehen, die aus hunderten von diesen Vögeln bestanden. Denn die Entfernungsbildzauberei war wohl zerstört. Feuer und Rauch ausstoßend löste sich der Drachenturm von Tigelinus Skails mehr und mehr auf. Seine Spitze brach ab und stürzte in die Tiefe. Doch bevor sie am Boden aufschlagen konnte verschwand sie in einem orangeroten Feuerball. Damit war auch das Ende des Turmes besiegelt. In einem letzten Ausbruch von Feuer, Blitzen, Rauch und Staub barst er der Länge nach in zwölf Teile, die sogleich in Millionen Einzelteile zerfielen und als von Blitzen durchzuckte schwarze Staubwolke wie ein gigantischer Pilz aufragte, mindestens fünf Minuten lang. Dann zerfloss die Wolke wie rabenschwarzer Dunst, löste sich auf und war verschwunden. Aus einem Loch, wohl dem Fundament des Turmes, schoss eine breite Feuersäule empor, die glutflüssiges Gestein hinaufschleuderte, das als feuriger Regen um dem Turm herum niederging. Dumpfe Erdstöße begleiteten dieses Spektakel. Als die Feuersäule zusammensank, ebbten die Erdstöße ab, und allmählich schrumpfte die Feuersäule zu einem brodelnden See aus glutflüssigem Gestein. Es ruckelte noch einmal im Boden. Dann lag der glühende See ruhig und untätig da. Im selben Moment schossen die Wolkenhütervögel wie Pfeile über die drei Besen und Hogsmeade hinweg. Dreimal kreisten sie über dem Dorf und stießen ihre kampflustigen Schreie aus, die jetzt wie Triumphrufe klangen. Dann zischte es laut, und für einen Moment mußten alle die Augen schließen. Selbst durch die geschlossenen Lider drang genug Licht, um den Schankraum klar und deutlich zu sehen, fand Aurora. Dann ploppte es laut, und der Geruch verbrannter Tannenzweige erfüllte die Gaststube. Aurora öffnete ihre Augenund stellte fest, daß sie alle von feiner weißer Asche überzogen waren. Da wo die hell leuchtende Fackel gewesen war, war nur noch ein angerußter Fackelhalter zu sehen. Aus diesem stieg eine silberne Lichtwolke auf, die sich ausbreitete und zu einer menschlichen Gestalt formte, die weder männlich noch weiblich war. Aus dem schimmernden Mund der Erscheinung kamen Worte wie aus den Tiefen einer Höhle:
"Es ist vorbei. Der düstere Turm des bösen Ordens hat seine Vernichtung erfahren. So müssen wir nimmer hier verharren." Dann verschwand die Erscheinung. Ein lautes, einstimmiges Triumphgeschrei der Wolkenhütervögel erklang. Dann konnte Aurora wie die anderen an den Fenstern sehen, wie die gefiederten Zaubertiere davonrasten. Aurora meinte, eine himmelblaue Lichtkugel um jeden Vogel zu sehen. Sie hörte dumpfe Knälle, während die grauweißen Vögel über das Dorf und davonrasten. Es dauerte nur drei Sekunden, dann war von keinem mehr etwas zu hören oder zu sehen.
"Ich gehe davon aus, daß wir am besten alle sofort nach Hogwarts zurückkehren, um abzuzählen, ob welche von uns dieses Inferno überlebt haben oder nicht", sagte Professor Bitterling und klatschte in die Hände. "Alle Slytherins hier gehen durchs Dorf und sagen das allen, daß es sofort zurück zur Schule geht. Der Ausflug ist beendet!"
"Jawohl, Professor Bitterling!" Sagten die Slytherins im Schankraum und eilten aus den drei Besen. Auch die Hufflepuffs nickten der Hauslehrerin der Slytherins zu, ihren Befehl weiterzugeben.
"Also das ist ja schon heftig, was man so alles erlebt in Hogsmeade", sagte Myron Corner, der nun, wo die Bedrohung beseitigt war, seine amerikanische Lässigkeit wiedergefunden hatte. Aurora sah Dina, die besorgt auf Roy blickte. Dann sah sie zu dem Tisch hinüber, wo sich gerade vier grüngesichtige Frauengestalten erhoben und schelmisch herüberblickten. Die mit den schwarzblauen Haaren lachte verächtlich. Dann sagte sie:
"Im Moment gehört mir euer Freund. Ich könnte mir überlegen, ihn euch vorerst wiederzugeben. Aber das ängstliche Mädchen meinte ja, ihn mit diesem Salzzeug bestreuen zu müssen. Dummes Mädchen! Den kriegt ihr so nicht wach. Habe die Ehre!" Lachend schwebten die vier Sabberhexen zur Tür. Professor Bitterling stellte sich den vieren in den Weg.
"So nicht, die Damen!" Rief sie sehr energisch. "Sie werden den Bann, in dem der junge Mann ist sofort lösen. Darf ich Sie daran erinnern, daß Sie keine menschlichen Wesen sind?"
"Das erinnert dich doch nur daran, daß du ein Menschenweib bist", lachte die braunhaarige, die vorhin Corner mit einer Handbewegung am Boden angewurzelt hatte. Bitterling zog ihren Zauberstab so schnell, daß die Stabspitze beim Anheben knallte wie eine Peitschenschnur. Krachend traf der elektrische Blitz, den Corner vorhin angewendet hatte die Sabberhexe mit den braunen Haaren und brachte sie zum schreien.
"In fünf Sekunden hat deine Gevatterin mit dem schwarzen Haarschopf den Jungen aus dem Bann entlassen, oder ich wende härtere Schmerzzauber an!" Drohte Professor Bitterling, die geschickte Zauberstabbewegungen vollführte, um den magischen Fingerzeichen entgegenzuwirken, mit denen die anderen Sabberhexen sie festnageln wollten. Balder half ihr dabei.
"Die Zeit läuft, die Damen. Fünf! - Vier! - Drei! ..."
"Gut, in Ordnung, ich gebe ihn euch wieder", quäkte die Schwarzblauhaarige. "Aber dazu müßt ihr das Salz von ihm nehmen. Sonst kann ich nicht an ihn ran."
"Das geht wohl auch auf Entfernung", knurrte Professor Bitterling warnend.
"Ich habe ihn angefaßt dabei. Ich muß ihn wieder anfassen", sagte die grüngesichtige Kreatur mit den schwarzblauen Haaren, die Forin mal Waldschreck genannt hatte. Aurora zog ihren Zauberstab und ließ daraus einen dicken Wasserstrahl über Roys Wangen und hände laufen, bis alle Spuren des Salzüberzuges abgewaschen waren. Sofort schwebte die Kreatur im grünen Gewand auf Roy zu. Dina glotzte sie sehr mißtrauisch an, während sie Roy die linke Wange streichelte und wohl etwas zu ihm sagte. Schlagartig erwachte Roy aus der merkwürdigen Trance oder was es war.
"Bis auf bald, Fieldinger Roy", zischte ihm die Sabberhexe zu und flog rasch zurück, ehe Professor Bitterling auf unschöne Gedanken kam. Dina holte sogleich ihren Salzbeutel wieder hervor und behandelte Roy, der allzu dankbar die über seine Wangen streichenden Hände Dinas hinnahm.
"Okay, Leute! Zurück nach Hogwarts!" Mahnte Balder sie zur Eile.
Bewacht von den beiden Lehrern zogen die Schüler aus den drei Besen aus Hogsmeade hinaus und hinauf zum Schloß.
"Also wenn noch mal wer fragt, wozu dieses Erlaubnisformular gut sein soll, erzähle ihm diese Geschichte", tönte Bruster Wiffle.
Unangefochten erreichten sie Hogwarts und betraten die Eingangshalle, wo eine sehr besorgt dreinschauende Professor McGonagall zusammen mit Hausmeister Filch eine Liste abhakte. Sie wirkte nicht gerade erleichtert.
"Ich freue mich, Sie zumindest unversehrt zu treffen", sagte sie zu Aurora, Miriam und Petula. Sie gingen weiter, hinein in den Gang, der nach Ravenclaw führte.
"Ich hoffe, es ist keiner draufgegangen", sagte Roy Fielding. "Das wäre zu heftig."
Die Mädchen nahmen alle eine ausgiebige Dusche, denn Badewannen waren zu wenig frei, und die älteren Schüler beharrten auf ihre Vorrechte. Nachdem sich alle umgezogen hatten prüften sie im Gemeinschaftsraum, wer aus Hogsmeade zurückgekehrt war. Aufatmend stellten sie fest, daß zumindest die Ravenclaws vollzählig waren. Doch später in der großen Halle kam heraus, daß aus Hufflepuff, Gryffindor und sogar Slytherin Schüler ausgeblieben waren. Eine Stunde später kam heraus, daß sie wohl den Drachen zum Opfer gefallen waren. Dumbledore stellte sich vor die schweigende Schülerschar und verkündete:
"Liebe Schüler, heute gab es wieder einen der sonst so friedlichen und abwechslungsreichen Ausflüge nach Hogsmeade. Leider ist im Punkte Abwechslungsreichtum heute was schreckliches geschehen. Unser böswilliger Widersacher, Lord Voldemort, hat das alte Erbe einer längst vergangenen Epoche neu erweckt und damit eine Katastrophe ausgelöst." Selbst am Slytherin-Tisch hörten ihm alle andächtig zu. "Er hat sich mit Mächten eingelassen, die selbst er nicht zügeln konnte. Denn der Drachenturm des Tigelinus Skails, welcher vor über siebenhundert Jahren erschaffen wurde, um die grausamsten Zauberwesen auf Erden zu rufen, hat sein Eigenleben entwickelt, ja war selbst als lebendige Kreatur anzusehen, deren Zutrauen man sich erkämpfen mußte. Lord Voldemort ging davon aus, daß er die Macht habe, diese lebendige Existenz unter seinen Willen zwingen zu können. Die ersten Stunden gaben ihm ja auch recht. Doch als sich herausstellte, daß er selbst die Drachen nicht steuern konnte, die er über den Turm herbeirief, entzog sich ihm der Wille des dunklen Turmes. Als dann noch das Erbe der Erzfeinde Skails erweckt wurde, konnte der Turm nur noch das eigene Bestehen verteidigen. Es gelang mir in einem aufreibenden Zaubererduell, Voldemort vom Turm zu verjagen und diesen dann durch einen Saxofraccatenatus-Zauber zum endgültigen Einsturz zu bringen. Viele, die in Hogsmeade waren, werden es beobachtet haben, daß selbst im Taumel der Zerstörung sehr starke Zauberkräfte von diesem Artefakt des Wahnsinns ausgingen. Der Turm ist nun vergangen, und in seinem Fundament wird wohl für einige Tage ein See aus Lava existieren, bis das flüssige Gestein sich weit genug abgekühlt hat, um zu erstarren. Es ist heute eine lebensentscheidende Schlacht Geschlagen worden. Leider haben zwanzig von Uns diese Schlacht mit dem Leben bezahlt. Ein französischer Feldherr hat den Spruch geprägt, daß das traurigste nach einer verlorenen Schlacht eine gewonnene Schlacht sei. Dies war wohl der einzig weise Gedanke jenes Feldherren. Denn wir müssen daran denken, daß zerstörungsdrang und Machtgier auch uns verzehren, uns mit sich in den Abgrund der Vernichtung ziehen. Indem wir das wissen, und indem wir uns an die nicht mehr zurückgekehrten Mitschüler erinnern, egal ob an große Leistungen oder alltägliche Kleinigkeiten, halten wir sie in Ehren und respektieren unsere Grenzen, daß die Zauberei nicht des Menschen unendlicher Spielplatz ist und wir das was wir lernen vor allem nutzbringend einsetzen sollten." Jetzt grinsten doch einige Slytherins. "So werde ich nun die Liste der Namen laut vorlesen, die das Ende ihrer Schulzeit und den Beginn ihres eigenen Lebens nicht erreichen konnten. Adamson, Cordelia, Hufflepuff. ..." Jeder der zwanzig Namen auf der Trauerliste wurde mit Andacht und einer kurzen Schweigepause verlesen. Dann sagte der Schulleiter noch:
"Auch wenn es vielen von euch sicher schwerfallen dürfte, möchte ich im Namen des Dorfrates von Hogsmeade darum bitten, euren Eltern und Anverwandten nichts von dem Drachenturm zu erzählen. Die Verwandten der ums Leben gekommenen werde ich in eigener Person aufsuchen, um ihnen, wie es die wohl undankbarste Pflicht eines Schuldirektors sein kann, die volle Wahrheit zu erzählen, damit sie nicht auf dem Boden einer Lüge um ihre Söhne und Töchter trauern. Ich danke euch allen, daß ihr hier mit mir zusammensitzt und mit mir an die denkt, die heute nicht mehr unter uns sein können!" Kein Applaus, nur stummes Nicken aller Schüler bedachte die Ansprache des Schulleiters. Nach einer vollen Minute Schweigen setzte erst zaghaft, dann schüchtern, dann lebhaft das übliche Murmeln und Raunen an den Tischen wieder ein. Mortimer Swift sah seine drei Schwestern an, die heute noch nicht nach Hogsmeade durften. Würde er es ihnen empfehlen, da mal hinzugehen?
"Ob die nächste Woche das Quidditchspiel stattfinden lassen?" Fragte Alessandro Boulder zögerlich.
"Das müßt ihr mit den Vertrauensschülern und den anderen Quidditchkapitänen abklären", meinte Ken Dasher dazu. Aurora Dawn nickte nur. Hatte sie jetzt schon Lust auf Quidditch? Sicher, sie mußten nächste Woche nicht spielen, weil Hufflepuff gegen Slytherin spielen würde. Für die Slytherins wäre ein Aussetzen oder Abbruch der Quidditchsaison ärgerlich, da sie dadurch endgültig den Pokal verloren hätten. Aber was gingen sie die Slytherins an, wo die sie beim Spiel gegen Ravenclaw so drangsaliert hatten?
Die nächste Woche war von Schweigen und leisen Handlungen geprägt. Im Unterricht wurde gerade soviel besprochen, daß am Jahresende das Klassenziel erreicht werden konnte. Außer den ausgewiesenen Strebern und Wichtigtuern störte sich niemand daran, wenn Flitwick mal sagte, keine Hausaufgaben zu erteilen oder Professor McGonagall zustimmte, es zumindest für einige Stunden ruhiger angehen zu lassen oder Balder und Bitterling ihre sonstigen harten Unterrichtsstunden durch lange Gespräche über die Gefahren mächtiger Zauberei auflockerten, weil ja nun, wo die Drittklässler den Drachenturm gesehen hatten, die Frage aufkam, nach was der dunkle Lord demnächst greifen würde. Sie kamen darüber ein, daß der Unnennbare, wenn er sich den Drachenturm und dessen starke Zauberkräfte unterworfen hätte, Hogwarts ein leichtes Spiel für ihn geworden wäre. Miriam erzählte davon, was ihre Eltern über die Aufräumarbeiten und die Trauerfeiern für die gestorbenen Dorfbewohner berichteten. Roy wollte von Professor Balder wissen, ob diese eine Sabberhexe ihn jetzt in Ruhe lassen würde oder er am besten nicht mehr nach Hogsmeade ginge. Der ehemalige Auror meinte dazu:
"Wenn man bei diesen Kreaturen von etwas wie Liebe reden mag, dann hat sie dich sehr gern, Roy. Das sage ich nicht, weil ich dir Angst machen möchte. Das sage ich dir, weil ich es so mitbekommen habe. Wenn ihr nur nach Fortpflanzung mit dir der Sinn gestanden hätte, hätte sie dich bei der ersten passenden Gelegenheit mit diesem Bannzauber belegt oder dich körperlich von sich abhängig gemacht. Da sie dich aber hat laufen lassen, ohne das du sie angewidert hättest, muß sie wohl was tiefergehendes für dich empfinden. Ich schlage dir daher vor, deine Salzportionen vor Hogsmeade-Ausflügen gut anzuwenden. Ich gehe mal davon aus, dir liegt nichts an kleinen, grünen Babys." Alle im Klassenraum lachten. Balder räusperte sich, weil Roy sehr bleich geworden war. "Leute, ihr müßt alle noch lernen, einen Witz von einer ernstgemeinten Feststellung zu unterscheiden", polterte der Lehrer. Bruster Wiffle hob schüchtern die Hand:
"Körperlich abhängig machen, ist das so wie bei einem Incubus oder Succubus?"
"Weiß wer anderes hier im Raum, wen oder was euer Klassenkamerad genau meint?" Gab Balder die Frage weiter. Doch keiner und keine wußte was mit den Begriffen anzufangen. So stellte sich Balder hin und sagte:
"Also, Bruster, da du offenbar von diesen Wesen, die aus dem Dämonenreich verschiedener Glaubensrichtungen stammen gehört hast, was weißt du über diese Wesen?"
"Hmm, Ein Incubus ist ein männlicher Dämon, der nachts mit alleinstehenden Frauen geschlechtlich zusammenkommt, die das aber nicht mit wachen Sinnen erleben. Allerdings können sie, wie ihre weiblichen Gegenstücke, die Succubi, jemanden an sich binden und verdammen ihn, so will es der christliche Glaube, zur Hölle, weil sie arglose Menschen zur sogenannten Unzucht verführen. Jetzt habe ich von meiner Mum gehört, daß es ähnliche Wesen gibt, die zumindest für die weibliche Form hergehalten haben könnten. Die, so meine Mum, würden ihre Opfer wirklich an sich binden, je öfter sie mit ihnen zusammen sind. Deshalb habe ich das gefragt."
"Nun, in dem Fall, den du ansprichst ist es eher eine durch Magie und körperliche Vereinigung eingeleitete seelische Sklaverei, eine bedingungslose Hörigkeit des Opfers dem Succubus, beziehungsweise der mit diesen Dämoninnen gleichzusetzenden Kreatur gegenüber. Wenn Roy von dieser Sabberhexe zum Vater ihrer Kinder bestimmt worden wäre, hätte sie mit ihm einige Techniken angewendet, die ihn nach ihrem Körper an sich hätten gieren lassen, nicht zum Zweck der Hörigkeit, sondern weil er Duft, Geschmack, Haar- oder Hautkontakt mit ihr hätte haben wollen. Das unterscheidet eine rein körperliche von einer seelischen Abhängigkeit. Das ist zwar Stoff für das ZAG-Jahr, aber die Umstände erlauben mir diesen Vorgriff", sagte Balder.
"Ich gierig nach diesem grünen, nach Aas stinkendem Geschöpf? Wie krank muß ich werden, um das schön zu finden?" Fragte Roy sichtlich angeekelt.
"Wie gesagt, die hätte dir das sehr rasch sehr schön beigebracht. Es gab zu meiner Schulzeit einen Draufgänger, der wollte mit vierzehn schon wissen, was zwischen Männchen und Weibchen so alles passieren kann. Da das in Hogwarts aber nicht erlaubt ist und man das wohl innerhalb des Schulrates mitbekommen würde, hat dieser Bursche einen Hogsmeade-Ausflug dazu genutzt, nach willigen Damen Ausschau zu halten. Dabei lief er auch einer gerade auf dem Höhepunkt der alldritteljährlich auftretenden Hitze über den Weg. Sie bot sich ihm an. Er willigte ein, und danach mochte er für zwei Jahre keine hellhäutigen, nach Parfüms riechende Mädchen mehr sehen, bis das rauskam. Das war schwierig für die im St.-Mungos, den wieder von dieser zugänglichen Kreatur zu entwöhnen. Deshalb ist meine Kollegin Professor Bitterling ja auch so wütend geworden, als sie herausfand, was mit dir passiert ist, Roy. Ich denke, Professor Flitwick wird sich da noch einmal mit dir drüber unterhalten, wie nahe du diese schwarzhaarige Dame an dich heranlassen darfst. Wieso hat die dich eigentlich in ihren Bann nehmen können? Jetzt mal Pökel zu den Schnecken!"
"Die wollte mir erzählen, warum die Leute in Hogsmeade soviel Angst haben. Ich wollte nicht, daß die mich festhält. Doch die war mir zu schnell. Dann sprach sie auf mich ein, daß es einen lange zurückliegenden Kampf zwischen Lichtzauberern und Schattenzauberern gegeben hat und daß die Leute in Hogsmeade das erst nicht geglaubt haben. Ihre Großmutter hat das angeblich selbst mitbekommen. Das hat sie mir erst erzählt, bevor die mich mit so'nem unheimlich schönen Lied benebelt hat. Dann weiß ich nur noch, wie ich von dieser grünen Dame angefasst wurde und irgendein Wort gehört habe, das mich erschreckt hat. Ich weiß aber jetzt nicht, was für'n Wort das war", sagte Roy.
"Das Liverpool in die zweite Division absteigt", warf Bruster ein. Roy verzog das Gesicht, während die anderen nur bedauernd mit den Zungen schnaltzten.
"Also, Neugier tötet nicht nur die Katze, sondern auch unvorsichtige Hogwarts-Schüler", stellte Balder mit einem verschmitzten Grinsen fest. Diesmal lachten alle lauthals und mit unausgesprochener Erlaubnis des Lehrers.
Nach einer langen Konferenz der Quidditchkapitäne, der Vertrauensschüler aller Häuser und deren Hauslehrer war beschlossen worden, das Spiel Hufflepuff gegen Slytherin stattfinden zu lassen. Dies erwies sich für Hufflepuff als Sache für ein lachendes und ein weinendes Auge. Denn die Slytherins schossen innerhalb von zehn Minuten zwanzig Tore. Hufflepuff schaffte in der Zeit gerade drei Stück. Doch als Hufflepuffs Sucherin den Schnatz fing und das Spiel damit beendete, hatten die Hufflepuffs nur 20 Punkte Rückstand auf Slytherin und diese zwar einstweilen einen guten Tabellenplatz, aber jede Hoffnung auf den Pokal verspielt, da Ravenclaw und Gryffindor noch das letzte Spiel vor sich hatten, indem sie ausmachten, welches Haus dieses Jahr den Quidditchpokal bekommen würde. So ärgerten sich die Slytherins überdeutlich über die Hufflepuffs, aber auch über die Unfähigkeit des eigenen Suchers.
Mit dem März kam die warme Jahreszeit, und damit auch mehr Wärme in der Stimmung der Schüler. Die Sache mit dem Drachenturm war für die, die es nicht direkt mitbekommenhatten wie ein einziger großer Unfall gewesen, der schnell passierte und genauso schnell behoben wurde. Sicher, an den Tischen von Hogwarts standen zwanzig leere Stühle, auf die jeden Morgen, Mittag und Abend ein Zaubererhut gelegt wurde, um den eine schwarze Trauerschleife gebunden war. Doch der Unterricht hatte sie alle wieder fest im Griff. So freuten sich Aurora, Petula, Miriam und die anderen, als sie endlich in die Ferien fahren konnten. Roy blieb mit seiner Schwester Erica in Hogwarts, weil ihre Eltern gerade viel um die Ohren hatten. Miriam kehrte nach Hogsmeade zurück. Sie meinte beim Abschied:
"Dieser Turm kommt da zumindest nicht mehr hoch. Ich hoffe, die Leute da finden wieder zum üblichen Rhythmus."
"Diese Zwerge aus Forins Schmiede, die haben's alle überlebt. Das war wichtig, denke ich", sagte Aurora Dawn.
"Mach's gut, Miriam! Wir sehen uns dann wieder hier", sagte Aurora.
"Joh, bis nach den Ferien", sagte Miriam zuversichtlich. Dann stieg Aurora Dawn in den Hogwarts-Express ein, schloss die Tür und ging in das Abteil, daß Bruster und Mortimer schon für sie, Petula und Philipp Priestley reserviert hatten. Als die scharlachrote Dampflok schnaubend anzog winkte Aurora noch einmal aus dem Fenster. Miriam stand bei ihren Eltern, die zurückwinkten.
"Wenn man sich überlegt, wie schnell man doch draufgehen kann", sagte Bruster betrübt. "Da müßte man eigentlich jeden Tag so feiern, als käme danach keiner mehr."
"Es gibt Gemeinschaften, die machen das wirklich so. Da heißt es, jeder Tag ist ein Geschenk des himmlischen Schöpfers und müsse gebührend verlebt werden", sagte Petula. "Eigentlich eine kluge Lebensweise, wenn diese Leute nicht meinten, sie hätten keine Zukunft und könnten daher nichts großartiges planen."
"So heftig müssen wir's ja nicht treiben", meinte Aurora lächelnd. "Zumindest können wir jetzt erst einmal in die Ferien, wo wir, wenn wir den ganzen Wust von Hausaufgaben abgearbeitet kriegen, noch ein paar freie Tage rausholen können."
"Haha, Aurora", machte Bruster. "Wir haben in den Ferien Besuch von Mums Verwandtschaft. Das ist für Dad immer ein Strampeln wie im Laufrad und Springen durch Feuerreifen. Alles zauberer und Hexen, die keinen Dunst davon haben, wie ein Auto geht und wozu ein Automechaniker gut ist."
"Das hat uns Goldbridge ja auch noch nicht erzählt", warf Petula keck ein. Darüber mußten dann alle lachen.
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