UNANGENEHME DANKBARKEIT

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Das Hexenmädchen Aurora Dawn hat bald die Hälfte ihrer Schulzeit in Hogwarts vollendet. Im ersten Dritteljahr des vierten Schuljahres lernt sie die merkwürdige Leidenschaft des übergroßen Wildhüters Hagrid kennen, der sich ein sehr gewöhnungsbedürftiges Schoßtier zugelegt hat. Bei einem Zusammenstoß mit Fluffy, diesem noch jungen Ungetüm, stellen Aurora Dawn und ihr Klassenkamerad Bernhard Hawkins fest, daß irgendwas zwischen ihnen im Gange ist, von dem sie jedoch nicht wissen, was es ist und wieso es passiert. Bei einem Ausflug nach Hogsmeade unterhalten sich das Ravenclaw-Mädchen und der Gryffindor-Junge über ihr bisheriges Leben. Aurora fühlt, daß sie gut mit Bernhard auskommen kann, der Angst davor hat, zugeben zu müssen, daß ein Mädchen ihm gegen Hagrids kleines Monster geholfen hat.

Die Slytherin-Viertklässlerin Tonya Rattler läßt in der Bibliothek eine Bemerkung fallen, die Aurora aufwühlt. Möglicherweise war einer von Tonyas Onkel am Mord an Auroras Onkel Dustin vor zwei Jahren beteiligt. Doch das kann Aurora schwer beweisen.

Bruster Wiffle scheint etwas ganz wichtiges verbergen zu wollen. Aurora erfährt, daß er Zauber beherrscht, die jeden ungebetenen Verfolger daran hindern, ihm nachzulaufen.

Zu Weihnachten ist sie wieder bei ihren Eltern. Doch die dunkle Bedrohung des schwarzen Hexers Voldemort schwebt düsterer denn je über der Welt der Hexen und Zauberer

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Das alte Landhaus stand friedlich in der weiten weißen Winterlandschaft da. Sein Dach wurde von einem feinen Tuch aus Schnee bedeckt und aus den Schornsteinen kräuselte sich weißer Rauch in die klirrende Kälte. Eiszapfen hingen wie silberweiße Verzierungen von der Dachrinne herab. Hier draußen, weit fort von den Städten der nichtmagischen Menschen, kühlte es abends immer sehr rasch ab. Manchmal konnte das junge Hexenmädchen Aurora die Kinder der Bauern jauchzen und lachen hören, wenn sie mit ihren Holzschlitten die sanft auf- und absteigenden Hügel unsicher machten. Sie hatte ihre Eltern oft genug gefragt, ob sie nicht auch mit diesen Kindern spielen dürfe. Früher, so wo sie sechs Jahre alt war, hatte sie einmal mit Stan, einem neunjährigen Jungen des Maisbauern Mr. West im Schnee getobt, sich Schneeballschlachten und Schlittenrennen geliefert, bis sie einmal von Stans älteren Freunden derartig mit Schneebällen beworfen wurde, daß es passierte, daß die ihr zugedachten Schneebälle von ihr zurückprallten und auf ihre Schützen zurückgelenkt wurden, wobei sie wie immer mehr aufgeblasene Luftballons anschwollen, bis sie als kinderkopfgroße Eiskugeln Stans Bande beharkten. Daraufhin hatte ihr Vater ihr das Spielen mit den Muggelkindern verboten, die von Leuten aus dem Zaubereiministerium besucht wurden, um zu vergessen, was passiert war. Jetzt, wo Aurora selbst das vierte Jahr in Hogwarts zur Schule ging, wußte sie, ihre Zauberkräfte zu beherrschen. Doch sie wußte auch, daß sie wohl nie wieder mit anderen Kindern spielen durfte, die nicht ihre Gaben hatten. Doch irgendwie war ihr das auch nicht mehr so wichtig. Was die Jungen weit ab vom ehrwürdigen Dawn-Haus taten erschien ihr wie völliger Schwachsinn. Warum sollte sie Schlitten fahren, wo sie einen Rennbesen fliegen konnte? Was sollte sie mit den Spielen anfangen, die die Muggelkinder spielten? Das Gefühl, von den lustigen Spielen ausgeschlossen zu sein, kehrte nicht wie so oft zurück, wenn sie jetzt zu Hause das Fenster ihres Zimmers öffnete, um die kalte Winterluft hereinzulassen. Sie dachte an drei Dinge, die nichts mit Kinderspielen zu tun hatten:

Sie erinnerte sich, daß vor fast genau zwei Jahren ihr Onkel Dustin ermordet worden war. Sie hatte es sogar mit ansehen müssen, wie ein tödlicher Fluch ihn einfach niedergestreckt hatte. Sie hörte die in gemeiner Freude schrillende Stimme: "Der dunkle Lord wünscht ewige Weihnachten, Dustin Gerneschlau! Avada Kedavra!" Dann war ihr Onkel Dustin umgefallen, niedergeworfen von einem grellen Blitz aus grünem Licht.

Das zweite, woran sie dachte, waren ihre Freundinnen und Freunde aus Hogwarts. Petula Woodlane war gerade mit ihren Eltern und ihrer Schwester Priscilla im schottischen Hochland bei Verwandten, die in einem versteckten Haus in den Bergen wohnten. Miriam Swann, die aus dem Zaubererdorf Hogsmeade stammte, wollte über Weihnachten mit ihren Eltern zu Verwandten nach Blackpool. Aurora dachte daran, daß sie mit ihrer Mutter hier im Familienlandhaus bleiben würde und das Weihnachtsfest morgen mit den Verwandten feiern würde. Ihr Vater war gerade unterwegs in Frankreich, wo er sich mit Monsieur Champverd, einem Greifvogelexperten, über die Abrichtung von wilden Adlern und Falken unterhielt. Es hatte zwar ein Donnerwetter zwischen Auroras Mutter und ihm gegeben, weil er Weihnachten nicht zu Hause feiern wollte oder konnte, doch Hugo Dawn hatte sich durchgesetzt.

"Ich habe die Zaubereiministerin fast so weit, eine Adlerstaffel zur Bewachung größerer Ländereien zu beschließen. Prazap will mein Fernbeobachtungsauge nachbauen. Wenn ich jetzt nicht vorweisen kann, daß unsere Methode zuverlässig ist, entgehen uns wichtige Einnahmen, Regina", hatte er gesagt.

"Geld ist nicht alles. Und deine Forschungen können die drei Tage warten!" Hatte Mrs. Dawn noch entgegnet. Doch Mr. Dawn hatte nur geantwortet:

"Regina, ich habe Druck von der Abteilung für magische Geschöpfe, möglichst bald die Ergebnisse vorzuweisen. Wenn ich nicht rechtzeitig damit vorsprechen kann, verliere ich meine Anstellung und die Unterstützung. Prazap hat bereits Arbeitskräfte in den Manufakturen bereit, um die Fernbeobachtungsaugen zu bauen. Diese Leute warten ungern. Es geht nicht um Geld, sondern um unser aller Zukunft."

"Deine Eltern wollen auch kommen, Hugo. Willst du dir das wirklich antun?" Fragte Mrs. Dawn.

"Mum und Dad wissen bescheid, Regina. Ich muß das dieses Jahr noch zu Ende bringen. Unser aller Zukunft hängt davon ab. Wenn der Unnennbare und seine Bande noch mächtiger werden bedeutet jede Sekunde Vorwarnzeit mehr ein gerettetes Menschenleben. Noch weiß er nichts davon, was ich mache und je schneller der mit Ministerin Bagnold erörterte Plan greift desto mehr sind wir im Vorteil."

"Dann fahr hin und zieh dein Projekt durch, Hugo! Ich bedauere, daß du so unter Druck stehst und will dich nicht zu etwas drängen, nur weil es eine Tradition ist und obendrein unsere Familienverbundenheit bekräftigt", hatte Auroras Mutter darauf gesagt und damit nachgegeben.

Tja, und deshalb war ihr Vater nun seit einem Tag unterwegs. Er würde erst zum Jahresende zurückkommen.

Dann war da noch die Sache mit Bernhard Hawkins. Seitdem sie ihm gegen diesen dreiköpfigen Hund Fluffy geholfen hatte, war da irgendwas zwischen ihnen beiden, was schön aber auch fremdartig war. Vorher hatte sie sich nie sonderlich für Jungs interessiert, sie sogar manchmal für hirnlose Raufbolde und Dummschwätzer gehalten. Doch mit Bernhard war es nicht mehr so. Bei ihrem Hogsmeadeausflug hatten sie sich lange unterhalten und irgendwas angestoßen, von dem sie nicht wußte, wo es hinführen würde. Sie hatte sich jedoch nicht getraut, ihrer Mutter davon zu erzählen. Denn im Moment wollte sie selbst erst wissen, was sie davon halten sollte, ohne sich von Erwachsenen reinreden zu lassen.

Sie hatte Duchess, ihre Waldohreule zu ihm geschickt, als sie einen Tag vor Weihnachten eine halbe Stunde allein in ihrem Zimmer war, während ihre Mutter sich mit jemandem unterhalten hatte, dessen Kopf im Kamin der Dawns erschienen war. Es war nur eine kurze Weihnachtsbotschaft, nichts von Bedeutung. Dennoch hoffte sie, bald von ihm zu hören.

Aurora hörte das aus weiter Ferne herüberwehende Lachen und Jauchzen der Bauernkinder und ihrer Freunde oder Schulkameraden. Es klang für sie wie ein Gruß aus einer Welt, die sich immer mehr von ihr entfernte, wie sich die Galaxien im Kosmos voneinander entfernten. Sie fühlte sich jedoch nicht allein oder ausgeschlossen. Sie hatte eine Welt, in der sie lebte und wohl noch vieles schöne erfahren würde. Was waren da Schneeballschlachten und Schlittenfahrten, Sachen, die ihre Mutter eh nicht mochte, weil es typische Jungenspielereien waren, die ein heranwachsendes Mädchen möglichst nicht mitmachen sollte.

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Der große Weihnachtsbaum erstrahlte im Licht gelber, roter, oranger und goldener Kerzenflammen. Faustgroße, aus dem inneren heraus golden und silbern leuchtende Kugeln hingen an den Zweigen wie kleine Glöckchen, die alle zehn Sekunden ganz leise bimmelten. Der selbstleuchtende goldene Stern auf der Spitze der finnischen Nordmannstanne, die Auroras Eltern eine Woche zuvor gekauft hatten, überstrahlte wie eine kleine Sonne das festlich herausgeputzte Esszimmer. Drei große Tische waren so zusammengestellt, daß dreißig Mann an ihnen Platz finden konnten. Auroras Tante Ellen hatte sich mit ihrem achtjährigen Sohn Oscar zu ihrer Schwiegermutter Regan gesellt, die vor einer halben Stunde eingetroffen war. Fast alle nächsten Verwandten waren da, auch die Priestleys mit den drei Kindern. Es wurde gesungen, geredet, gegessen und sich an den vielfältigen Weihnachtsgeschenken gefreut. Aurora bekam von ihrer Großmutter Regan ein Buch über alte und neue Hexengilden, sowie eine Garnitur Bettwäsche. Von ihrer verwitweten Tante Ellen bekam sie ein silbernes Armband, das die Eigenschaft besaß, durch Vibrieren vor bösen Wesen zu warnen, ähnlich einem Spickoskop, nur geräuschlos und ohne Leuchterscheinungen. Aurora sah, daß ihre Tante selbst solch ein Armband trug. Leise wisperte sie Aurora zu:

"Es kann böse Wesen auf hundert Schritt entfernung wittern und reagiert immer stärker, je näher sie kommen. Trage es am besten immer, solange du nicht in Hogwarts bist!"

Von ihren Eltern bekam Aurora ein Alchemiegrundausrüstungspaket mit Glaskolben, Glasröhrchen, Löffeln, Mörsern und Stößeln, Zinntiegeln und verschiedenen Pulvern und Tinkturen. Ihr Cousin Philipp meinte zwar, daß sei doch eher Jungenspielzeug, doch Auroras Mutter sagte:

"In den Händen von Jungen ist das wohl Spielzeug. Aber bei kundigen Männern, Frauen und Mädchen ist das eine wichtige Ausrüstung. Ich gehe davon aus, daß Aurora es vernünftig gebrauchen kann."

"Ich werde damit wohl klarkommen, Mum", meinte Aurora. Irgendwie ärgerte sie sich, daß ihr Vater nicht da war, um ihr fröhliche Weihnachten zu wünschen. Was brachte da ein Alchemieset, wenn sie sich nicht bedanken konnte?

Doch irgendwie schaffte es Aurora, das Fest zu überstehen, ohne alle mit ihrer schlechten Laune anzustecken. Sie lachte mit, wenn was lustiges erzählt wurde, plauderte über Hogwarts und hörte sich an, wie es früher dort zugegangen war. Einige Geschichten kannte sie zwar schon, doch tat so, als wären sie ihr entfallen oder ganz neu. Sie wollte ihrer Mutter nicht den Eindruck vermitteln, daß es ihre Schuld sei, daß der Herr des Hauses selbst lieber irgendwo in Frankreich feiern wollte. Irgendwie hoffte sie jedoch, daß sie nächstes Weihnachten wieder mit ihm feiern konnte.

Als nach dem letzten Weihnachtslied die Gäste mit Flohpulver oder Besen abgereist waren, half Aurora ihrer Mutter beim Aufräumen. Zwar konnte Mrs. Dawn das meiste mit nützlichen Haushaltszaubern erledigen. Doch Aurora kam sich nicht nutzlos vor, als sie die Tischtücher zum Waschtrog brachte und noch einmal Luft machte. Tante Ellens Armband saß ihr am linken Handgelenk, merkwürdig warm und leicht, als sei es nicht aus fein verarbeiteten Silbergliedern, sondern aus Watte. Einerseits fühlte sie sich unwohl, weil sie daran dachte, daß dieses Armband irgendwann erzittern mochte und sie dann vielleicht vor einem bösen Wesen oder mehreren fliehen mußte. Andererseits gab ihr das auch eine gewisse Sicherheit, zumindest früh genug gewarnt zu werden.

In der Nacht traf Ducky mit einer Botschaft von Bernhard ein. Er hatte zurückgeschrieben, daß er hoffte, daß Aurora auch einen schönen Weihnachtstag verbringen mochte und ihr kurz erzählt, daß er mit seiner Familie am neunundzwanzigsten Dezember in die Winkelgasse gehen wollte, um dort Neujahrszaubereien zu kaufen, wie die neuesten Feuerwerkskörper eines gewissen Dr. Filibuster, die seit geraumer Zeit hoch angesagt waren. Aurora lächelte. Jungen interessierten sich wohl stark für alles was krachte, knallte, schwirrte und Feuer sprühte. Sie mußte darüber lächeln. Andererseits, warum schrieb er ihr, wann er wo zu finden war? Das hieß doch, er wollte, daß sie ihn traf, bestenfalls in der Winkelgasse. Warum nicht? Sie würde ihre Mutter bitten, sie dort hinzubringen, wenn sie nicht sogar alleine dort hinfloh-pulvern würde.

Einen Tag später traf noch Post von Petula Woodlane ein, die Aurora zu Weihnachten eine silberne Haarspange schickte, die sie bei festlichen Gelegenheiten benutzen könnte. Miriam hatte aus Hogsmeade einen sich selbst warmhaltenden Weihnachtspudding geschickt und ihr den neuesten Klatsch aus ihrem Heimatdorf auf dreißig Zentimeter Pergament beigefügt. Unter anderem sollte zu Neujahr die beliebte Musikhexe Hecate Leviata in Hogsmeade auftreten. Aurora überlegte, ob sie dort hingehen sollte. Doch als Miriam schrieb, daß die Eintrittskarten fünf Galleonen kosteten, vergaß sie es schnell wieder. Doch wegen Bernhard fragte sie wirklich ihre Mutter.

"Könnte es sein, daß du langsam Sachen ausprobierst, die du früher nicht kanntest, Aurora?" Fragte Mrs. Dawn lächelnd. Aurora lief rot an, was ihrer Mutter wohl als Ja völlig ausreichte.

"Ich habe mit dem Jungen ja nichts zu tun bekommen, als ich noch in Hogwarts gearbeitet habe. Aber soweit ich das von meinen früheren Kollegen mitbekommen habe ist er anständig, wenngleich etwas ungestüm. Aber das kommt bei Gryffindors ja recht häufig vor. Allerdings möchte ich dich nicht alleine in die Winkelgasse schicken. Ich weiß nicht, was er im Schilde führt. Seine Handlanger waren in den letzten Wochen zu ruhig. Ich hörte von einem aus Bagnolds Vorzimmer, daß man auf der Hut vor Spionen sein müsse und daß der Unnennbare Kontakte ins Ausland sucht", sagte Mrs. Dawn. "Deshalb komme ich besser mit dir."

"Wenn du meinst", meinte Aurora, der das irgendwie nicht so recht passen wollte, in Begleitung ihrer Mutter in die Winkelgasse zu gehen. Sicher, sie hatte es mitbekommen, daß die Handlanger des Unnennbaren dort Leute angepöbelt oder richtig angegriffen hatten. Doch das war Jahre her, und seitdem es verstärkte Aurorenpatrouillen in der verborgenen Zaubererstraße gab, hatte es keine weiteren Übergriffe auf unbescholtene Zauberer mehr gegeben. Das einzige, von dem sie noch gehört hatte, war die Festnahme einiger düsterer Gestalten, die aus der berüchtigten Nokturngasse gekommen waren. Doch danach war nichts mehr vorgefallen. So wähnte Aurora sich sicher, in der Winkelgasse keine Schwierigkeiten zu bekommen, ob sie nun alleine dort hinging oder zusammen mit ihrer Mutter. Vielleicht, so vermutete Aurora - und es ärgerte sie ein wenig - wollte ihre Mutter auch nur aufpassen, was sie mit Bernhard anstellte oder er mit ihr oder wie auch immer. Konnte es sein, daß ihre Mutter Sachen dachte, an die sie nicht im Traum gedacht hätte? Doch wenn sie Bernhard vor dem Ferienende sehen wollte mußte sie hinnehmen, daß ihre Mutter mitging. Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, mal alleine mit Bernhard zu sprechen, ohne ihre Mutter oder seine Familie dabei zu haben. Sie wollte doch nichts unanständiges machen, und er bestimmt auch nicht

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Am Morgen des neunundzwanzigsten Dezembers kam ein Brief von Hugo Dawn an. Auroras Mutter las ihn laut vor:

"Hallo, Regina und Aurora!

Es tut mir furchtbar leid, daß ich nicht bei euch war, um Weihnachten zu feiern. Aber dafür kann ich euch nun schreiben, daß ich hier mit Monsieur Champverd die letzten noch ausstehenden Versuche machen konnte. Ich werde auf jeden Fall am Silversterabend bei euch sein.

Gestern habe ich das französische Ministerehepaar Grandchapeau getroffen. Wir haben uns hier im Hôtel Des Étoilles ein Klavierkonzert angehört. Die Grandchapeaus hatten ihre liebe Not, ihre kleine Tochter ruhig zu halten. Belle, so heißt sie, hat erst rumgequängelt, weil es ihr langweilig wurde und versucht, zwischen den Zuhörern zu spielen. Doch irgendwann ist sie dann auf dem Schoß ihrer Mutter eingeschlafen. Schönes Mädchen, mit den dunkelblonden Zöpfen, wie ihre Mutter. Überhaupt sind hier gerade interessante Leute. Ich konnte mit Monsieur Faucon reden, der mit seiner Frau und seiner Tochter Catherine gerade hier Ferien macht. Von Professeur Faucon habt ihr beiden sicher schon gehört. Regina, ich denke, du hast schon gehört, daß sie nun die Stellvertreterin von Madame Maxime ist, seitdem die Frau meines Gastgebers als Lehrerin für Kräuterkunde und Verwandlung und stellvertretende Schulleiterin in den Ruhestand gegangen ist. Aurora, ich denke, in Hogwarts hast du es jedenfalls besser getroffen, nachdem, was ich so über Beauxbatons gehört habe.

An Silvester bin ich jedenfalls wieder bei euch. Ich liebe euch!"

"Das mußte er uns jetzt noch druntersetzen, damit wir wissen, daß er nicht wegen der französischen Zaubererprominenz auf unser Weihnachtsfest verzichtet hat", knurrte Mrs. Dawn. Dann besah sie Auroras Garderobe, ihren gefütterten lindgrünen Umhang, sowie die weißen Schnürstiefel, sowie die silberne Haarspange, die Petula ihr geschenkt hatte.

"Du siehst so aus, als wolltest du dich besonders gut präsentieren", meinte Mrs. Dawn lächelnd. "Glaubst du, daß der junge Master Hawkins viel Wert auf Äußerlichkeiten legt? - Natürlich tut er das. Fast alle Jungen sind so gestrickt."

"Mum", knurrte Aurora leicht ungehalten. Doch ihre Mutter hörte nicht darauf. Sie meinte noch, daß Aurora sich nicht zu viel auf einmal vornehmen solle. Sie hätte ja das ganze Leben Zeit.

"Echt, Mum. Willst du mir jetzt die Stimmung vermiesen?" knurrte Aurora.

"Ich will nur, daß du nicht meinst, irgendwas anzustellen, nur weil es aufregend ist, Kind. Oder sollte ich besser sagen, junge Dame?"

"Is' mir egal", erwiderte Aurora grummelnd.

"Stimmt, du hast recht, Aurora. Vielleicht bilde ich mir Dinge ein, die völlig lächerlich sind. Hauptsache ist, wir verbringen den Tag so gut es geht."

Sie stand auf, holte Flohpulver aus einem glitzernden Behälter unter dem Kamin und warf zwei Prisen ins sachte brennende Feuer. Sofort schossen smaragdgrüne Flammen tosend nach oben und füllten den Kaminraum aus. Aurora ging zuerst hinein und rief "Winkelgasse!" Mit lautem Wusch verschwand sie in einem immer schnelleren Wirbel aus dem Kamin. Ihre Mutter folgte ihr fünf Sekunden später.

In einer rasenden Fahrt durch das magische Netz aus Kaminen raste Aurora Dawn dahin, bis das Wirbeln nachließ und sie auf dem Rost eines Kamins landete, der in einem um diese frühe Zeit schon gut besuchten Schankraum eines Pubs lag. Sie kletterte aus dem Kamin heraus und klopfte sich Ruß und Asche aus Haar und Kleidung. Dann rauschte es im Kamin, und ihre Mutter landete in einem Wirbel aus Funken und Asche.

In seiner fleckigen Schürze kam der glatzköpfige Wirt des tropfenden Kessels herbei und begrüßte die Ankömmlinge. Dann fragte er, ob sie hier auf jemanden warten wollten. Aurora meinte, sie wollte zum Laden Freud & Leid, wo Bernhard bestimmt schon nach Feuerwerkskörpern suchte. Mrs. Dawn wollte jedoch, daß sie beide hier warteten. Aurora fügte sich und setzte sich mit ihrer Mutter an einen freien Tisch. Mrs. Dawn unterhielt sich mit einigen Hexen ihres Alters, die sie wohl schon in Hogwarts kennengelernt hatte, während Aurora sich zu langweilen begann.

Als die Tür zum Schankraum aufging und ein stämmiger Zauberer im fuchsroten Winterumhang hereinkam freute sich der alte Tom.

"Ah, perseus. Schön, dich noch einmal zu sehen, bevor du nach Wales fliegst!"

"Ausgerechnet vor Silvester muß dieser durchgeknallte Grünling bei Cardiff aufkreuzen. Ich hoffe, ich kann den erledigen, bevor ... Aber lassen wir das", sagte der Neuankömmling. Mrs. Dawn kannte ihn offenbar. Sie flüsterte Aurora zu, daß es sich um Perseus Forester handele, einem Experten für gefährliche Geschöpfe und Drachenjäger im Auftrag des Ministeriums. Sie winkte ihm zu. Er kam herüber und lächelte. Seine hellgrauen Augen strahlten Aurora an, während er ihr die warme rechte Hand reichte, die mit Brandnarben und Verhornungen übersät war.

"Du bist also Reginas Kronprinzessin. Habe schon gehört, daß du in Hogwarts gut in Kräuterkunde bist. Meine Nichte Eunice ist ja in deiner Klasse."

"Eunice Armstrong?" Fragte Aurora. Perseus Forester nickte. Da fiel Aurora die gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Schulkameradin auf, das seidigglatte schwarze Haar, das bei Perseus jedoch sehr kurz geschnitten war zum Beispiel.

"Yep", meinte Perseus. "Eunice ist die Tochter meiner Schwester Drusilla."

Sie unterhielten sich noch eine Weile über das, was Perseus machte, sofern es nicht geheim war. So erfuhr sie, daß in Wales ausgerechnet in der Nähe der Hauptstadt Cardiff ein besonders großer Grünling, ein Vertreter der dort beheimateten Drachenart, Appetit auf Nutztiere der Muggel bekommen habe, aber auch auf die Abgase aus deren Fabriken und Fahrzeugen wild geworden sei.

"Der muß krank sein, daß er diesen Giftdunst der Muggelwagen so anziehend findet", meinte Perseus. Aurora grübelte. Ihre Mutter meinte:

"Das Fumoattraktionssyndrom, Perseus. Ich las das vor einigen Jahren mal in einer Abhandlung über Drachen, die Teras Rex geschrieben hat. Demnach können Drachen wie berauscht nach Rauchquellen gieren. Sie müssen den sicher töten, weil das Syndrom als unheilbar gilt."

"Was Sie nicht sagen", meinte Perseus locker. "Das ist einfacher gesagt als getan."

"Ich wollte auch nicht in Ihre Arbeit reinreden", meinte Regina Dawn lächelnd.

Wieder ging die Tür auf, und die Hawkins-Familie trat ein. Aurora sah Bernhard, der in einem weißen Reiseumhang mit Kapuze steckte und eine leicht gerötete Nase hatte.

"Hups, hat es dich erwischt?" Fragte Aurora, als Bernhard und seine Familie auf normale Sprechweite herangekommen war.

"Geht schon", meinte Bernhard näselnd. "Nur 'ne blöde Erkältung, die unser Onkel Thobias uns allen zu Weihnachten geschenkt hat. Aber dir geht's soweit gut?"

"Klar", meinte Aurora amüsiert, während sich Mrs. Dawn und die Eltern von Becky und Bernhard begrüßten. Perseus Forester verabschiedete sich von Regina Dawn und ging an die Theke, um noch einmal was zu trinken, bevor er nach Wales abreiste.

Etwa eine Viertelstunde dauerte das mehr oder weniger wichtige Miteinanderreden der Dawns und der Hawkinses. Dann meinte Bernhard:

"Becky wollte zu Gladrags und dem Besenknecht, Tanzschuhe kaufen, weil wir zu Silvester zu 'nem Ball gehen, den Tantchen Rosalind in ihrem Gutshaus gibt. Wolltest du auch was einkaufen?"

"Ich will nur zu Qualität für Quidditch, um mir die neuen Besen anzugucken", meinte Aurora. "Ansonsten könnten wir ja zu Fortescues Eiscafé gehen, wenn der offen hat."

"Verstehe ich das so, daß du dich jetzt doch mal einladen lassen möchtest?" Fragte Bernhard grinsend und sah sich um, was Mrs. Dawn tat. Doch diese redete mit Mrs. Hawkins über Hogwarts. Aurora lächelte nur tiefgründig. Dann stand sie auf und sah in Richtung ihrer Mutter. Diese meinte dann:

"Ach, wollt ihr gleich los? Gut, dann los!"

Zusammen verließen sie den tropfenden Kessel wieder durch die Hintertür. Aurora fragte, wie Bernhard und seine Familie hergekommen waren. Er erzählte, daß sie mit ihren Besen in die Nähe von London geflogen seien und dann die Verkehrsmittel der Muggel ausprobiert hätten, was zwar interessant gewesen sei aber auch umständlich.

"Mit Flohpulver zu reisen ist nicht Beckys Ding", stichelte Bernhard und warf seiner Zwillingsschwester einen frechen Blick zu.

"Idiot!" Fauchte Becky Hawkins zurück. "Das Flohpulver ist ein Sauzeug. Wenn du das nicht gleich richtig hinkriegst, landest du voll im falschen Kamin."

"Jaja, wie es Onkel Thobias erzählt hat, wo er bei seiner Cousine ankommen wollte und im Weiberclub von White Hall gelandet ist. Tolle Sache das, weil da keine Männer reindürfen und er sich gegen viele Flüche wehren mußte, bevor er die Ausgangstür fand und verschwinden konnte."

"Ja, mach dich nur lustig, Bernhard", meinte seine Mutter. "Die White-Hall-Hexen sind da sehr streng. Immerhin haben die da Badehallen und finnische Saunen, und weil da keine Zauberer eingelassen werden laufen da viele Hexen völlig unbekleidet herum."

"Ui, das ist ein Grund, da mal reinzuschneien", meinte Bernhard frech, legte jedoch sofort nach: "Aber nur, wenn die Hexen unter dreißig Jahre alt sind. Nach Onkel Toby sind die meisten da ja schon über sechzig. Das ist dann schon ein Grund, da nicht reinzuschneien."

"Bernhard, benimm dich!" Maßregelte Mrs. Hawkins ihren Sohn. Auch Mr. Hawkins wies seinen Sohn zurecht und meinte, daß Damen anwesend seien. Becky und Aurora mußten darüber lachen.

So zogen die beiden Familien erst durch die Winkelgasse zu den verschiedenen Bekleidungsläden, bis Bernhard eine günstige Gelegenheit abpaßte, wo Mrs. Dawn und Mrs. Hawkins sich mit Becky in den Besenknecht hineinbegaben, um dort nach besonderen Klamotten zu suchen. Aurora schlug vor, mit Mr. Hawkins und Bernhard zum Quidditchladen zu gehen. Er stimmte zu. So betrachteten sie eine Stunde lang die Besen, bis Mr. Hawkins, der früher mal ein Treiber bei den Canons gewesen war, mit dem Verkäufer in ein intensives Fachgespräch über die neusten Klatscher vom Typ "Durchschlagender Donnerball" verstrickte. Darauf hatten Aurora und Bernhard gewartet und zogen sich ganz unauffällig aus dem Laden zurück. Sie gingen nicht zu Fortescues Eiscafé, obwohl es geöffnet hatte und unter einer wasserabweisenden Zeltplane frühlingswarme Luft hervorwehte. Sie gingen zu Marticas Schnellküche, wo es Sachen wie Würstchen mit raffinierten Senftunken, Toastbrot mit Räucherfleisch oder -fisch und Rührei mit Kräutergewürzen gab. Hier waren auch andere Jungen und Mädchen aus Hogwarts. Aurora vermeinte, daß Bernhard sich dieses Lokal gezielt ausgesucht hatte, weil hier mehr Jugendliche herumhingen, deren Eltern entweder gerade in den Geschäften unterwegs waren oder sie schlicht alleine herumstromern ließen. Zumindest waren hier keine Slytherins, stellte Aurora fest. Dafür trafen sie einen jungen Zauberer mit schwarzen Haaren, die sehr verstrubbelt aussahen. Neben ihm hockte ein kleiner dicklicher Mann mit grauer Haartracht und kurzer Nase.

"Ach neh, Black und Pettigrew. Lange nicht mehr gesehen", meinte Bernhard, als er einen halbwegs sauberen Tisch gefunden hatte. Aurora setzte sich und sah sich um. Irgendwie war es hier anders als im tropfenden Kessel oder dem Eiscafé. Die Besitzerin, Madame Martica Fishbone, schien es förmlich darauf angelegt zu haben, daß hier nur junges Volk hereinkam. Denn aus einem ölfaßartigen Ding mit blinkenden roten und grünen Lichtern in der Ecke tönte schnelle Musik, gerade leise genug, um normal miteinander reden zu können, wenn man am selben Tisch saß. An den Wänden tanzten bunt gekleidete Gestalten in Zauberergemälden, die hinter unbeschmutzbarem Glas vor dem fettigen Dunst aus der Küche sicher waren.

"Hoffentlich ist der Laden keine Räuberhöhle", meinte Aurora, als ein Junge, den sie als Steve Morton, einen Gryffindor-Sechstklässler erkannte, an das Ding mit den Lichtern herantrat und daran herumhantierte, bis ein wummernder Basslaut ertönte und ein marschähnliches Musikstück durch den Saal schmetterte, allerdings auf so komisch klingenden Instrumenten gespielt, daß es eher ein Scherz sein mußte. Aurora erkannte das Lied als "Heimkehr der besoffenen Kobolde", das ein Zwerg namens Boratin Grungetube auf die Zaubererwelt losgelassen hatte.

"Außer dem Mief hier drinnen ist nix zu beanstanden, wenn man mal von der Sabberhexe absieht, die hier vor zwei Monaten reingekommen ist und sich wen von den mit Hogwarts fertigen Jungs rausgefangen hat um mit ihm Hallihallo und so zu machen", meinte Bernhard. Aurora erbleichte. Sabberhexen kamen doch nie in die Großstadt. Die blieben lieber in freier Natur. Sie fragte Bernhard, ob er sie veralbern wolle. Dieser schüttelte den Kopf.

"Stand nicht im Propheten drin, ist aber tatsächlich gelaufen. Die kam wohl aus einem Waldstück im Norden von London und hatte mächtiges Bedürfnis nach ganz bestimmten Sachen, wenn du verstehst, was ich meine", sagte Bernhard. Aurora nickte und schlug die Augen nieder.

"Immerhin ist die hier aufgekreuzt und nicht bei den Muggeln. Jedenfalls hat 'n Cousin meines alten Herren die erwischt, allerdings erst, nachdem sie den Knaben zwischen hatte." Aurora errötete. Bernhard meinte, daß er das nicht anders ausdrücken könne. "Jedenfalls ist die schnell wie der Wind abgerauscht. Der Junge kam ins St.-Mungos, wo sie ihn zwei Wochen lang mit Abgewöhnungstränken wieder auf die Normalspur gebracht haben. Jedenfalls war das das bislang erste und einzige Mal, daß in dem Laden hier was abgedrehtes passiert ist."

"Nun, du hast das doch letztes Jahr mitgekriegt, wie das mit dem Drachenturm passiert ist. Da sind mir diese Grünfratzen auch ziemlich nahe gekommen", meinte Aurora.

"Na klar, und Fußballroy auch. Wird der kleinen Struwelmaid Dina nicht passen, daß die so fiese Konkurrenz hat", gab Bernhard gehässig zurück. Aurora überlegte schon, ob sie nicht sofort aufstehen und den Laden verlassen sollte, als Bernhard abbittend dreinschaute und meinte:

"'tschuldigung, Aurora. Ich wollte nicht auf deinen Kameraden rumhacken. Ist mir nur so blöd rausgerutscht."

"Wenn du's einsiehst", meinte Aurora.

Madame Martica kam herbei und nahm die Bestellungen auf. Bernhard spendierte Butterbier und Toasts mit kleinen Schnitzeln in scharfer Soße. Sie unterhielten sich über Weihnachten, was ihre Eltern gerade um die Ohren hatten und über ihre Weihnachtsgeschenke, als wie auf ein Stichwort Auroras silbernes Armband zu vibrieren begann, erst sacht, dann schlagartig wild, daß es ihr von den Fingern bis zur linken Schulter kribbelte wie eine Armee Ameisen. Sie erschrak und wurde kreidebleich. Bernhard erschrak über diese Regung und starrte Aurora mit besorgtem Blick an. Dann bemerkte er das Zittern an Auroras linkem Arm.

"Du hast einen Frühwarner gekriegt. Mist, dann ist wer hier, der ..."

Es gab einen lauten Knall, keine hundert Meter entfernt. Dann hörten sie Schreie und böses Gelächter vieler Zauberer, das von beiden Seiten der Winkelgasse herüberkam.

"Todesser!" Rief Aurora Dawn aus einem ihr unbekannten Antrieb. Madame Martica, eben noch behäbig in ihrer speckigen blauen Schürze, flog förmlich zu einem der beschlagenen Fenster, wischte es mit der Schürze frei und sah hinaus, gerade als ein blauer Blitz durch die Straße fegte.

"Verdammt, wir werden angegriffen!" Rief eine junge Hexe im Gastraum. Sirius Black sprang auf und rannte mit gezücktem Zauberstab hinaus ins Freie. Pettigrew trippelte verhalten hinter ihm her.

"Wer nicht schon draußen ist bleibt hier!" Befahl Madame Martica in einem von ihr kaum erwarteten Kommandoton. "Die wollen die Leute draußen zusammentreiben und niedermachen. Wußte doch, daß es nicht lange so ruhig bleibt."

"Du-weißt-schon-wer greift uns an!" Wimmerte eine Hexe voller Angst. Ihre Worte drückten die erwachende Angst aus, die alle ergriffen hatte und zu einer unbeherrschbaren Panik anzuwachsen begann.

"Mist! Hätten wir doch besser nicht herkommen sollen", knurrte ein anderer Zauberer. Wieder blitzte es draußen auf, während Madame Martica versuchte, die Tür zu verschließen. Doch da krachten zwei rote Blitze durch die Glastür und die Scheiben, die mit lautem Knall in Millionen Scherben zerplatzten. Dann stürmten sie herein, die maskierten Übeltäter in ihren schwarzen Kapuzenumhängen.

"Wo sind die Muggelbrütigen?" Blaffte ein breit gebauter Todesser unheilvoll. "Na los, zeigt euch ihr schmutzigen Schlammblüter! Dann lassen wir die anderen in Ruhe."

"Na los, ihr Bastarde!" Schrillte eine andere Stimme. Sofort meinte Aurora, um zwei Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen worden zu sein. "Der dunkle Lord wünscht ewige Weihnachten, Dustin Gerneschlau ...!" Klang genau diese Stimme nun in Auroras Bewußtsein. Dieser Todesser hatte ihren Onkel Dustin ermordet!

"Hier sind keine Muggelstämmigen!" Rief eine Stimme von draußen. Dann fegte ein orangeroter Blitz durch die geborstene Tür und warf den breit gebauten Todesser mit dem Gesicht nach unten auf die verkrusteten Dielen. Sein Kumpan, Onkel Dustins Mörder, wirbelte herum und bekam einen roten Schocker voll in den Bauch, der ihn umwarf. Der dritte Todesser riss seinen Zauberstab hoch und rief: "Avada Kedavra!" Aurora wußte, das war der tödliche Fluch. Gleißend grün sirrte ein Blitz aus dem zauberstab und jagte hinaus auf die Straße. Aurora war sich sicher, daß der Fluch ein Ziel treffen würde. Der Zauberer, der den mörderischen Fluch geschleudert hatte wartete nicht, ob er irgendwen erwischt hatte. Er wandt sich um und rief "Enervate!" Der mit der schrillen Stimme erwachte aus dem magischen Schockzustand. Gleichzeitig erhob sich der breit gebaute Todesser. Dabei rutschte seine Kapuze herunter. Aurora sah wildes, strohblondes Haar, bevor der Handlanger des Unnennbaren seine Kapuze wieder über den Kopf zog und mit wild durch die Maske funkelnden Augen umherblickte.

Aurora starrte von Entsetzen gelähmt auf die drei Todesser, die nun wieder in den Gastraum hineinblickten. Derjenige, der von dem orangeroten Blitz getroffen worden war, fühlte sich offenbar nicht wohl. Da sah Aurora, daß seine Arme und Beine immer kürzer wurden und wie seine Schultern immer schmaler wurden.

"Verdammt, dieser Bastard hat den Degenextrimitas-Fluch gewirkt", schrillte Onkel Dustins Mörder, während der betroffene Todesser auf immer kürzeren Beinen mit immer kürzeren Armen fuchtelnd einen mehr und mehr in Richtung Brustkorb absinkendem Kopf herumruckte.

"Na und, der ist hin!" Lachte der Todesser, der den tödlichen Fluch gewirkt hatte. Er richtete seinen Zauberstab auf den klobigen Kerl und sprach mehrere Gegenformeln. Dabei achtete keiner auf die Tür, durch die gerade drei Mann hereinkamen, nicht maskiert, nicht in Kapuzenumhängen. Sie gehörten zum Aurorenkorps.

"Stupor!" Rief einer der drei Neuankömmlinge. Doch die drei Todesser duckten sich weg und riefen "Protego!"

"Deckung!" Rief Aurora und stieß Bernhard unter den Tisch. Krachend prallten die Schockzauber als von unsichtbaren Schilden umgelenkte Querschläger gegen die Bretterwand von Marticas Schnellküche und zerbröselten einige der Bohlen.

"Raus hier!" Rief einer der Jungen im Gastraum. Er spurtete los, genau in einen Todesfluch hinein, der von einem der Maskierten losgelassen worden war. Der Auror, dem der Angriff eigentlich gelten sollte, stand für einen Sekundenbruchteil starr da. Doch dann versuchte er, den Missetäter zu schocken. Es gelang ihm, und der Zauberer, der eben schon einen Todesfluch gewirkt hatte, fiel betäubt zu boden. Die nun in heller Panik flüchtenden Gäste warfen die zwei noch stehenden Todesser wie Pappwände zur Seite und hetzten hinaus, die Auroren bei Seite drängend. Diesen Umstand nutzten die Todesser und disapparierten mit lautem Knall. Aurora Dawn fühlte jedoch immer noch das Zittern in ihrem Armband.

"Raus hier!" Rief einer der Auroren, der hinaussah. Das ließen sich die verbliebenen Insassen nicht zweimal sagen. Sie hetzten hinaus auf die Straße, gerade als ein blauer Feuerball herangefaucht kam und krachend in das Bretterhaus einschlug. Aurora fühlte die heftige Stoßwelle schlagartig erhitzter Luft, als eine metergroße Flammenwolke die Gaststätte innerhalb von Sekunden einhüllte und in prasselnden und krachenden Flammenzungen zersetzte.

Bernhard Hawkins und Aurora Dawn rannten dahin, ohne sich umzusehen. Sie hörten Flüche und Explosionen. Beißender Qualm lag in der Luft. Grauer Rauch waberte durch die Winkelgasse.

"Jetzt will er's wissen", keuchte Bernhard und sah von links nach rechts. Hinter ihnen kroch eine Feuerschlange von Haus zu Haus. Zauberer auf der Straße versuchten, den Brand zu löschen, was sehr schwer ging.

Sie kamen an einen Laden für magische Spielsachen vorbei, als das angsterfüllte Geschrei eines Babys Auroras Ohren traf. Ein Kinderwagen, einer jener protzigen Kinderwagen, die von selbst hinter der Mutter oder dem sonst mit dem Kind beschäftigten Verwandten herfahren konnte und mit einem Komfortklimazauber den Säugling im Winter warm und im Sommer kühl halten konnte, lag auf die rechte Seite geworfen vor der Tür.

"Das Baby ist da noch drin", fiel es Aurora ein. Ohne groß zu überlegen stürmte sie in den Verkaufsraum. Bernhard, perplex von dieser Regung seiner Begleiterin, schien am Boden angewachsen zu sein.

Im Laden lagen diverse selbstbewegliche Spielzeuge auf dem Boden. Eine Kasperlpuppe, die von selbst tanzen und singen konnte, zuckte auf dem Boden und wimmerte blechern klingende Töne, die wie ein in seine Einzeltöne zerhacktes Schlaflied klangen. Ein Stoffdrache, der als Kuschelkamerad für zweijährige Jungen angeboten wurde, schlenkerte unbeholfen mit dem plüschigen Schwanz, der nichts von einem echten Drachen an sich hatte. Es sah so aus, als würde dieser Kuscheldrache freudig wedeln, um die entfesselte Zerstörungswut draußen zu begrüßen. Doch Aurora achtete nicht auf das mechanische Wirrwar. Sie folgte ohne eigentlich zu wissen wieso den angstvollen Schreien des Babys, die aus einer Abteilung kamen, wo es rote, grüne, orangefarbene und goldene Kuscheldrachen gab. Eines der Regale war umgeworfen, und vier golden glitzernde Plüschdrachen robbten wie halbbetäubte Eidechsen am Boden entlang. Aurora sah einen dunklen Haarschopf zwischen den heruntergeworfenen Stofftieren. Dann erkannte sie noch einen Haarschopf und hörte das Babygeschrei aus einem Haufen zerbrochener Regaleinlagebretter. Sie sah Blut. Offenbar waren die beiden Menschen hier von dem umstürzenden Regal getroffen worden. Dann sah sie es.

Eingekreist von goldenen Kuscheldrachen, die ihre blauen Glitzeraugen mechanisch hin und herbewegten, lag ein winziges Bündel Menschenleben in einem blauen Strampelanzug. Ein weißes Warmwollekapuzenjäckchen lag zusammengeknüllt wie achtlos hingeworfen unter dem Säugling, der immer noch wimmerte und schrie. Sie ließ sich auf alle Viere niederfallen und krabbelte um die sich unbeholfen bewegenden Stoffdrachen herum, die alle irgendwie auf den schreienden Säugling zukrochen, als würden sie von ihm gerufen. Vielleicht war das auch so.

"Aurora, komm da raus. Wer immer das hier angerichtet hat ist bestimmt noch hier!" Rief Bernhard.

"Du bist Gryffindor?!" Rief Aurora nur zurück. Das brachte Bernhard dazu, hinter ihr herzulaufen und wie sie im Vierfüßlerstand auf das schreiende Baby zuzukrabbeln.

"Wo ist die Verkäuferin von dem Laden hier?" Fragte Bernhard.

"Weiß ich nicht", keuchte Aurora und griff einen der goldenen Kuscheldrachen. Sie fühlte, daß er warm war und sich anfühlte, wie Kaninchenfell. Sie warf das Stofftier zur seite und griff nach dem Baby.

"Pass auf, wie du's hältst", meinte Bernhard überbesorgt. Aurora knurrte:

"Ich habe 'ne kleine Cousine, die habe ich schon mal gebadet und gewickelt. Ich weiß, wie man ein Baby anfassen muß." Sie nahm den großen Kopf des Säuglings in eine Hand, und umfing den kleinen Körper mit der anderen Hand. Sie hob das Kind an und zog es in eine lockere Umarmung. Mit den graublauen Augen nach vorne blickend landete das kleine Menschenwesen an Auroras Brustkorb. Offenbar fühlte sich das Kind sichtlich besser und wimmerte nur noch.

"Sind wohl die Eltern von dem Kleinen", meinte sie zu Bernhard, der auf die Füße kam. Er sah sich um und entdeckte eine wohl fünfzig Jahre alte Hexe, die mit blutigem Kopf unter einem umgestürzten Regal mit Blechfeen lag, die wie wild herumzirpten und rasselten.

"Die ist tot", erkannte Aurora, als Bernhard ihr die Frau zeigte. Er sah noch einmal genau hin und entdeckte eine weißgraue Masse, die zwischen dem roten Blut hervorquoll. Er wankte, wurde total bleich und stierte mit glasigem Blick umher, bevor sein Bauch zuckte und er Madame Marticas Schnitzeltoast von sich spie.

"Wir müssen die Eltern hier herausbringen, bevor ...", sagte Aurora, die irgendwie keine Angst mehr hatte. Das in ihren Armen liegende Kind schien alle Aufmerksamkeit und Stärke von ihr zu fordern, derer sie fähig war. Da spürte sie ihr Frühwarnarmband wieder heftiger zittern. Es waren böse Wesen in der Nähe. Tja, und da brach auch schon eines in einem Kapuzenumhang herein, einen Zauberstab wie einen verkleinerten Speer vorausstoßend.

"Hey, Mädel! Sprich dein letztes Gutenachtgebet!" Lachte er. Dann schrillte es noch lauter: "Dich kenne ich doch. Du bist Gerneschlaus kleine süße Nichte Aurora. So früh schon Mutter geworden? War wohl richtig, wenn du noch was erleben wolltest. Und tschüs!"

Aurora stand da, ruhig, nur mit zitterndem linken Arm, den fremden Säugling geborgen haltend.

"Du Drachenpopel hast meinen Onkel ermordet", zischte sie in einem Anflug von Mut; dem Mut der Verzweiflung.

"Soll ich erst einen Bastard abblitzen oder erst dich, Dawn? Was ist dir lieber?"

"Du lebst auch nicht mehr lange", meinte Aurora. Sie sah den Mörder ihres Onkels an, mit einem Ausdruck gnadenlosen Hasses. Das schien dem Todesser zu imponieren. Denn er sah sie lange an und zögerte, den todbringenden Fluch zu sprechen.

Ein weiterer Todesser krachte in seiner ganzen Breite durch die Ladentür und lachte. Dann sah er Bernhard, der einen Zauberstab in der Hand hielt.

"Expelliarmus!" Rief Bernhard, auf den Mörder von Auroras Onkel Dustin deutend. Dieser hatte wohl nicht mehr damit gerechnet, daß noch jemand hier war und reagierte eine Sekunde zu spät. Als er gerade einen Gegenschlag führen wollte, fegte ein scharlachroter Blitz ihm den Zauberstab aus der Hand und warf ihn in ein Regal voller engelsgleicher Porzellanpuppen, die mit einer schrillen, kreissägengleichen Stimme aufschrien, bevor sie zerbarsten und bläulichen Dunst ausstießen.

"Dafür fährst du jetzt zur Hölle, Mistkäfer!" Fauchte der klobige Zauberer. Er richtete seinen Zauberstab auf Bernhard und setzte gerade an, den tödlichen Fluch zu rufen, als ihn von hinten ein roter Schockblitz in den Rücken traf. "Avada Keda..." von Avada Kedavra hatte er bereits gerufen, als er vorne überfiel. Aurora sah mit nun wieder schreckensbleichem Gesicht, wie aus dem Zauberstab des klobigen Hexenmeisters grüne Funken stoben und ins Gesicht des maskierten Dunkelmagiers schlugen. Ihrer wurden es mehr. Dann explodierte der Zauberstab in einer kurzen grünen Lichtentladung genau unter der Brust des Schwarzmagiers. Dieser zuckte und röchelte. aurora sah, wie unter ihm eine rote Lache entstand, die sich von Sekunde zu Sekunde ausbreitete.

"Mann, Rattler!" Rief der von Bernhard entwaffnete Todesser. Er sah, wie die Blutlache unter dem niedergestreckten Zauberer immer größer wurde und hörte das Röcheln und Gurgeln, das sich den Lungen des klobigen Todessers entrang. Dann sah er wieder zu Bernhard und Aurora, funkelte beide hasserfüllt an und richtete seinen Zauberstab, den er eben erst wieder aufgelesen hatte auf den Bretterstapel. "Incendio!" Rief er und disapparierte mit lautem Knall, während der Stapel lichterloh aufflammte.

"Schweinepriester!" Schimpfte Bernhard, der gerade noch so wegspringen konnte, bevor die aufzüngelnden Flammen ihn voll treffen konnten. Doch sein schöner Winterumhang qualmte bereits. Aurora, die keinen Zauberstab mit hatte, starrte auf Bernhard, der den Zauberstab, den er noch in der Hand hielt, auf sich selbst richtete und "Extingio!" Rief. Ein eisblauer Lichtkegel trat aus dem Zauberstab und fiel auf den nun stark qualmenden Umhang, der wie zu Eis erstarrt herabhing. Dann wirbelte Bernhard herum und wirkte noch einmal den Brandlöscher, um den angezündeten Holzstapel zu löschen. Doch die Flammen waren bereits so groß und zahlreich, daß er hart gegen sie ankämpfen mußte. Ein Mann mit zerzaustem grauen Haar stürmte in den Laden. Es war kein Todesser. Aurora erkannte ihn. Es war Alastor Moody.

"Extingio!" Rief Moody mit seiner knurrigen Stimme und schickte einen zweiten blauen Lichtkegel aus, der den von Bernhard bei der Feuerbekämpfung unterstützte. Es dauerte eine Minute, da war das angefachte Feuer restlos gelöscht.

"Hui! Moody!" Rief Bernhard. Er kannte ihn also auch, stellte Aurora fest.

"Kinder, was ist hier passiert?" Fragte Moody und sah sich um. Auroras Armband zitterte nicht mehr. Dann war kein böses Wesen mehr in der Nähe; keines, das noch lebte.

"Was ist hier passiert?" Wiederholte Moody eine Frage, während von draußen zwei weitere Zauberer und eine Hexe hereinkamen.

"Ich habe den Kleinen hier schreien gehört", sagte Aurora und hob den Säugling an, der wieder zu schreien angefangen hatte. Sie fühlte, wie es warm und nass zwischen ihren Armen in den Umhang einsickerte. Der Ekel, der sie schüttelte, verflog jedoch sofort, als sie sich erinnerte, daß da noch zwei Leute lagen, die vielleicht noch lebten. Dann fühlte sie das leichte Zittern im linken Arm wieder. Die Todesser kamen zurück. Doch das Zittern wurde nicht stärker. Sie sah sich um, wo der Ursprung der Alarmreaktion sein mochte. Zuerst dachte sie, einer der neu hereingekommenen Zauberer. Dabei geriet ihr von dem ausgeströmten blauen Dunst etwas in die Nase. Schlagartig begann sich alles zu drehen und dann von zunehmender Dunkelheit verschlungen zu werden. Dann meinte Aurora noch, in einem Meer aus lautem Rauschen zu versinken, bis Stille sie ergriff.

Als sie wieder bei Sinnen war lag sie auf einem gepolsterten Tisch, über sich eine Hexe in grünem Umhang, auf dessen Brustteil ein sich überkreuzender Zauberstab und ein Knochen aufgestickt war.

"Ah, die junge Heldin ist wieder bei Bewußtsein", sprach die Hexe mit warmer, leiser Stimme und tätschelte Auroras Gesicht.

"Wo bin ich?" Fragte sie zuerst. Die Hexe lächelte.

"Das ist in neunhundertneunundneunzig von tausend Fällen die erste Frage nach einem Ohnmachtsanfall", sagte sie warm lächelnd. "Du bist hier im St.-Mungo-Krankenhaus für magische Verletzungen und Krankheiten, junge Miss. Du hast eine Mischung aus Animiergas und Rauch eingeatmet und dadurch das Bewußtsein verloren, wie auch der kleine Junge, den du in den Armen gehalten hast. Du bist hingefallen und hast dir dabei den Hinterkopf aufgeschlagen. Zum Glück konnte Cosima Waterside noch hinaus und die Notheiler rufen. Die konnten den Laden entgasen und euch da rausholen. Animiergas in Verbindung mit Rauch aus verbrennendem Holz hat schon zum Tode geführt."

"Animiergas?" Fragte Aurora.

"Das ist das Zeug, was in hohle Zauberspielzeuge hineingebracht wird, um sie zu gewissen Regungen zu bringen. Kollegen von mir nennen es scherzhaft Flaschenseele, obwohl es mit einer echten Seele überhaupt nichts gemein hat. Feststeht nur, daß es in Verbindung mit verbrennendem Holz den menschlichen Organismus vergiftet und töten kann. Madame Waterside konnte unseren Notheilern sagen, was passiert war. Deshalb konnten wir dich und alle anderen, die davon eingeatmet hatten retten."

"Was ist mit den anderen?" Fragte Aurora.

"Sie leben alle. Die Mutter und die Tante von dem kleinen Jungen, den du im Arm hattest, dein Kamerad und Moodys Leute. In einem Tag dürft ihr alle nach Hause."

"Wo bin ich genau?" Fragte Aurora.

"In der Dewdrop-Abteilung für magische Zufallsvergiftungen. Ich bin Heilerin Irma Thornapple. Ich bin für dich und die beiden Frauen eingeteilt worden."

"Die im Laden. Eine war doch tot", meinte Aurora.

"Die Besitzerin? Bedauerlicherweise ja. Eine Explosion hat das Blechspielzeugregal mit voller Wucht auf ihren Kopf krachen lassen. Die Verbrecher, die euch das angetan haben, haben Erumpentflüssigkeit in einer kleinen Phiole in die Häuser geworfen, um die Bewohner entweder zu töten oder ins Freie zu treiben, um sie dort massakrieren zu können. Insgesamt sind vierzig Leute getötet worden."

"Meine Mum!" Rief Aurora und wollte vom Behandlungstisch springen. Doch ein Festhaltezauber ließ sie nicht entkommen.

"Deiner Mum geht es den Umständen entsprechend gut. Ihr ist nichts passiert. Sie machte sich nur Sorgen um dich. Als wir sie fanden, mußten wir ihr mehrere Dosen Beruhigungstrank verabreichen. Sie wartet vor der Abteilung, daß wir sie zu dir lassen."

Aurora atmete auf. Dann packte sie der nächste Schrecken. Was war mit Bernhards Familie?

"Die Eltern und die Schwester deines Kameraden waren in Gringotts, als die Hauptwucht hereinbrach. Die Kobolde haben sie und alle anderen vor den Verbrechern geschützt. Ihre Bannzauber sind doch noch immer stärker als die Gewalt des Unnennbaren. Kann auch sein, daß dies nur gelang, weil er, dessen Name nicht genannt werden darf, selbst nicht am Überfall beteiligt war. Insgesamt konnten vier Todesser identifiziert werden. Einer wird noch gesucht, zwei sind tot", sagte Heilerin Thornapple. Aurora dachte an den Mann mit der schrillen Stimme, der ihren Onkel ermordet hatte. Sie dachte an das Frühwarnarmband. Wo war es jetzt? Ihr linker Arm war völlig unbedeckt. Sie fragte leise danach.

"Wir haben alle Zaubergegenstände, die ihr mit euch geführt habt sichergestellt und aufbewahrt, bis die Behandlung abgeschlossen ist. Laut Dr. Foggerty können starke Artefakte eine magische Kur verfälschen. Dein Armband kannst du wieder mitnehmen, wenn du hier heraus darfst. Du hattest keinen Zauberstab mit, richtig?"

"Ja, ich hatte keinen Zauberstab mit. Ich weiß noch nicht einmal wo Bernhard seinen herhatte. Er hat mir vorher erzählt ..."

"Wo ist mein Zauberstab?" Brüllte eine wütende Frauenstimme von einem Zimmer nebenan.

"Sie hatten keinen dabei!" Rief eine andere Frauenstimme im Versuch, die wütende Frau zu beruhigen.

"Doch, ich hatte einen Zauberstab. Mein Zauberstab ist weg?! Wer hat mir den gestohlen?!"

"Beruhigen Sie sich, Mrs. Lestrange!" Rief die andere Frauenstimme. "Wenn Sie einen Zauberstab mit hatten, werden wir ihn finden."

"Dann hat Bernhard den von dieser Hexe", dachte Aurora und überlegte, wo sie den Namen Lestrange schon einmal gehört hatte.

"Mein Kamerad muß einen Zauberstab genommen haben, der ihm gerade in die Hände fiel", flüsterte Aurora. Sagen Sie der anderen Dame bitte, daß er aufgetaucht ist. Ich denke, der gehörte nicht Bernhard. Aber fragen sie den bitte zuerst!"

"Haben wir schon. Er hat ihn tatsächlich von einer der beiden Ohnmächtigen genommen. Ich regel das sofort", flüsterte Heilerin Thornapple und schlüpfte aus dem Behandlungszimmer. Aurora versuchte, sich wieder aufzusetzen. Doch es mißlang ihr erneut, vom Tisch herabzusteigen. Sie verfluchte diesen Fixierzauber.

Als Heilerin Thornapple zurückkehrte, war sie in Begleitung von Regina Dawn, die überglücklich aussah, als sie Aurora sah.

"Kind, was hast du bloß angestellt?" Begrüßte sie ihre Tochter zuerst. Dann sagte sie noch, daß sie sich freute, daß Aurora nun wieder gesund würde. Aurora erzählte ihr, was passiert war und daß sie den kleinen Jungen gerettet hatte. Mrs. Dawn nickte und lobte ihre Tochter.

"Das mit dem Zauberstab ist geklärt. Mrs. Lestrange wird keine Anzeige gegen den Jungen erstatten, weil er ja handeln mußte und sie ja ohnmächtig gewesen sei. Ihre Schwester Mrs. Malfoy bedankt sich bei dir, daß du ihren Sohn vor dieser Bande gerettet hast", sagte Heilerin Thornapple. Dann fügte sie flüsternd hinzu: "Sie sah dabei aber nicht gerade glücklich aus."

"Würde mich nicht wundern", flüsterte Mrs. Dawn zurück. "Die Malfoys lassen sich sehr ungern herab, einfachem Zaubererpöbel wie uns für irgendwas zu danken."

"Kein Kommentar", erwiderte Heilerin Thornapple im Flüsterton. Dann ließ sie Mutter und Tochter Dawn für einige Minuten alleine. Aurora erfuhr, daß sie zunächst einen vollen Tag hier bleiben sollte, aber auf Betreiben des Chefheilers und nachdem alle Spuren des Zufallsgiftgases beseitigt werden konnten schon in zwei Stunden heimkehren könne. Auch dem Baby gehe es wieder gut. Das beruhigte Aurora Dawn sichtlich. Wer wußte schon, was passiert wäre, wenn der Junge von diesen Todessern angegriffen worden wäre?

Nach etwa einer Stunde schritt eine in einem eleganten Kleid gehüllte, leicht untersetzte Frau mit sehr verkniffenem Gesichtsausdruck in das kleine Behandlungszimmer, wo Aurora, nun wieder frei von dem Fixierzauber, auf einem hochlehnigen Stuhl saß.

"Du bist das Dawn-Mädchen? Du hast meinen kleinen Draco gerettet?" Fragte sie mit einer leicht überheblich klingenden Stimme. Aurora nickte rasch, obwohl ihr die herablassende Anrede "Dawn-Mädchen" nicht schmeckte. Ihre Mutter stand dabei und sah der Hexe ins Gesicht.

"Ich hoffe, Sie haben sich gut erholt, Mrs. Malfoy", sagte Regina Dawn mit einer kühlen Betonung.

"Ja, habe ich", gab Mrs. Malfoy etwas ungehalten zurück. Dann fuhr sie fort: "Ich wollte mich bedanken, weil du meinen Sohn gefunden und vor dieser ... dieser vermaledeiten Truppe, gerettet hast. Mein Mann ist zur Zeit auf Geschäftsreise. Aber wenn er zurückkehrt werde ich ihn bitten, dir eine Entschädigung für den Aufwand zukommen zu lassen. Welche Verliesnummer habt ihr in Gringotts?"

Aurora verstand die Welt nicht. Diese Frau sprach von Dankbarkeit und vom Leben ihres Sohnes. Sicher, sie hatte gelächelt, als sie von ihrem Sohn sprach. Doch als sie meinte, Aurora was zukommen zu lassen, schien sie sehr angespannt zu sein, als müsse sie etwas tun, das ihr zu wider war, aber getan werden mußte. Mrs. Dawn meinte rasch:

"Meine Tochter hat ihren Sohn schreien gehört und geholfen, ohne sich darum zu sorgen, ob sie dafür eine Belohnung bekommt oder nicht. Wir erheben keinen Anspruch auf eine Bezahlung. Das der Junge wohlauf ist ist uns Belohnung genug."

"nein, das sehe ich nicht so", schnarrte Mrs. Malfoy, die sich wohl um einen Akt der Großzügigkeit betrogen fühlte. "Draco ist unser aller Stolz, der bisher einzige Sohn, den wir haben. Seine Rettung muß belohnt werden. Aber daß Sie Ihrer Tochter mißgönnen, für ihre Tat etwas entgegenzunehmen verwundert mich nicht, Mrs. Dawn. Sie bilden sich ja ein, wer Gold hat sei grundsätzlich schlecht."

"Oh, habe ich das mal behauptet oder durch irgendwas angedeutet?" Fragte Mrs. Dawn scheinheilig grinsend. Mrs. Malfoy nickte. "Hmm, dann müssen Sie etwas mißverstanden haben. Ich meinte, zuviel Gold verdirbt den Charakter. Aber natürlich kann niemand sagen, wieviel zuviel ist. Ich möchte nur klarstellen, daß es selbstverständliche Dinge gibt, die keine finanzielle Gegenleistung beanspruchen, ja es nicht dürfen. Mehr wollte ich nicht sagen."

"Ich bleibe dabei. Dracos Rettung ist mir was wert. Wenn du kein Gold haben darfst dann vielleicht einen Besen, ein neues Kleid, besondere Dinge für Hogwarts?"

"Nein Danke", erwiderte Aurora Dawn ruhig. Sie hatte den Eindruck, als wolle Mrs. Malfoy ihr eh nichts zahlen. Es ginge ihr nur darum, zu beweisen, daß nichts selbstverständlich sein dürfe. Mrs. Malfoy rümpfte die Nase und sagte nur noch einmal, daß sie sich bedankte. Dann verließ sie das Behandlungszimmer

"Das kennt sie nicht, daß jemand ihr Gold ablehnt", flüsterte Mrs. Dawn. "Aber glaube mir, Kind, daß dieses Gold schlecht ist. Ich mißgönne dir nicht, was schönes zu haben oder Gold für die nächsten Jahre zu haben. Aber jeder Zauberer und jede Hexe sollte den eigenen Stolz besitzen, nicht von jedem was anzunehmen. Glaube es mir: Du würdest unglücklich, wenn du dir von diesen Leuten Gold geben läßt."

"Warum?" Fragte Aurora.

"Die waren alle in Slytherin", stieß Mrs. Dawn hervor. "Hast du den Ausdruck des Hasses gesehen, als sie die Todesser erwähnte?"

"Ja, habe ich", bestätigte Aurora.

"Sie hasst nicht die Todesser an sich, sondern den Umstand, daß sie in deren Überfall reingeraten ist und ihr Kronprinz dabei fast getötet worden wäre."

"Hmm, echt, Mum?"

"echt, Kind", bestätigte Mrs. Dawn.

Als die Dawns zusammen mit den Hawkinses am Abend des 29. Dezembers durch eine magische Barriere das St.-Mungo-Krankenhaus verließen und unvermittelt vor der staubigen Schaufensterscheibe eines alten, brach liegenden Kaufhauses mit Namen Reinlich & Tunkunter standen, verabschiedete sich Aurora von Bernhard, der sich noch einmal bedankte, daß sie ihn daran erinnert hatte, ein Gryffindor zu sein. Dann reisten die beiden Familien wieder zurück in ihre Häuser.

__________

Am nächsten Morgen sprangen fingerlange rote Schlagzeilen von der Titelseite des Tagespropheten in Auroras Augen, als sie zu ihrer Mutter in die Küche kam.

TERROR IN DER WINKELGASSE

10 TODESSER VERWÜSTEN GESCHÄFTE UND TÖTEN 40MITZAUBERER

Aurora las den dazu gehörigen Artikel und erkannte, welches unverschämte Glück sie gehabt hatten. Der tropfende Kessel, Gringotts und Flourish & Blotts, die Buchhandlung, waren als einzige öffentliche Gebäude der Winkelgasse unangetastet geblieben. In anderen Läden und Wohnhäusern hatte es Explosionen und Brände gegeben, und die in Panik auf die Gasse gestürzten Leute waren leichte Ziele für die Todesser geworden, bis die Auroren vier der zehn Todesser außer Gefecht setzen konnten, darunter einen ehemaligen Trollexperten namens Astarot Rattler, der durch eine Explosion seines eigenen Zauberstabes an den Folgen einer schweren Lungenverletzung verstarb, nachdem er schon geschockt war. Aurora dachte an das, was Tonya vor Weihnachten in der Bibliothek getönt hatte, daß ein Onkel von ihr am Mord an den Hopfkirchs beteiligt gewesen sei. Es hatte also tatsächlich gestimmt. jetzt war dieser Schweinehund tot. Wie mochte die sonst so überhebliche Tonya das nun verdauen?

Nach dem dreiseitigen Artikel über den Überfall in der Winkelgasse fand Mrs. Dawn auf Seite fünf einen weiteren Artikel, der ihr schlagartig alle Farbe aus dem Gesicht trieb und sie am ganzen Körper zittern machte. Aurora fragte, was los sei und zog die Zeitung aus den wild zitternden Händen ihrer Mutter. Sie las von einem Anschlag französischer Kumpane dessen, dessen Name nicht genannt werden durfte auf ein beliebtes Gästehaus namens Hôtel des Étoilles. Dabei seien dreißig Gäste und Leute vom Personal getötet worden. Der Unnennbare selbst soll laut der wenigen überlebenden Zeugen den Angriff geleitet haben, angeblich, weil in diesem Haus viele Muggelstämmige zu logieren pflegten. Anders aber als der Artikel über die Winkelgasse nahm der Artikel über den Überfall in Frankreich nur eine halbe Seite in Anspruch. Doch für die Dawns war diese Nachricht schlimmer als die Angelegenheit in der Winkelgasse. Denn beide wußten, wer in diesem Hotel logiert hatte, weil er dort geschäftlich zu tun hatte.

"Sie werden uns wohl bald eine Eule schicken", meinte Mrs. Dawn, der die ersten Tränen in die Augen stiegen. "Sie werden schreiben, daß sie ihn gefunden haben ... und fragen, was mit ... ihm ... geschehen soll." Die letzten Worte kämpften sich wie dem Ertrinken nahe Wesen aus der Flut der nun hemmungslos fließenden Tränen. Aurora weinte auch. Erst ihr Onkel Dustin, und jetzt noch ihr Vater, und dieser Todesser mit der schrillen Stimme, der sie erkannt hatte, war entkommen. Er würde sie und ihre Mutter jagen, bis auch sie tot waren. Und nicht einmal das Armband, das sie bekommen hatte, würde sie davor beschützen können.

In Tränen und Erwartung der traurigen Nachricht verharrten Mutter und Tochter den ganzen vorletzten Tag des Jahres 1980 im Landhaus. Irgendwie schienen sie mit der ganzen Welt abgeschlossen zu haben. Da klingelte es an der Tür. Mrs. Dawn stand auf und kämpfte ihre Tränen nieder. Wer immer läutete, sollte keine am Boden zerstörte Witwe antreffen.

"Bleibe hier, kind! Es wird wohl wer aus Frankreich sein. Zumindest anständig, nicht nur einen Brief zu schicken", flüsterte sie und schluckte die letzten Tränen, die ihr in die Augen steigen wollten hinunter. Dann ging sie mit festem Schritt zur Tür und öffnete sie. Aurora hörte eine piepsige Stimme, die sie schon einmal gehört hatte.

"Mrs. Regina Dawn, Madame?" Fragte die Stimme.

"Ja, die bin ich", erwiderte Auroras Mutter.

"Dobby hat von seinen Meistern ein Geschenk für die junge Ms. Aurora Dawn mitgebracht. Dobbys Meister sagen noch einmal recht vielen Dank für die Rettung des jungen Meisters Draco. Hier, Madame!"

"Danke!" Sagte Mrs. Dawn, nun nicht traurig, sondern sehr kalt klingend. Es krachte kurz, dann klimperte etwas. Auroras Mutter kehrte zurück. In einer Hand trug sie einen großen Lederbeutel. Aurora sah sie an und fragte nur:

"Von den Malfoys?"

"Sie können es nicht lassen."

"Warum hast du es angenommen?" Fragte Aurora.

"Soll ich einem geknechteten Wesen wie diesem kleinen Kerl einreden, daß er mir diesen Beutel nicht geben durfte. Der sah mir so aus, als würden sie ihn umbringen, wenn er seinen Auftrag nicht erfüllt. Ich weiß schon, warum wir uns nie einen Hauselfen zulegen werden, Kind."

"Ist das Gold?" Fragte Aurora erregt.

"Die einzige Sprache, die außer Skrupellosigkeit und Brutalität von Slytherins gesprochen und verstanden wird", zischte Mrs. Dawn. Dann öffnete sie den Beutel und fand wirklich Goldmünzen darin. Sie zählte sie in einen sauberen Kessel und kam auf fünfhundert Galleonen, keine Sickel und keinen Knut.

"Ich sagte es dir schon, die haben es und meinen, alle müßten sie dafür achten und ehren. Ich habe dir dieses Gold jetzt in den Kessel gezählt, damit du entscheidest, was du damit machen sollst und ...

Wieder läutete die Türglocke. Mrs. Dawn gab Aurora den Auftrag, den Kessel solange in den Schrank zu stellen und eilte zur Tür. Als sie zurückkehrte, schien sie wie ausgewechselt. Sie lächelte befreit.

"Aurora, Dad lebt. Das war eine Botin vom St. Mungo-Krankenhaus. Sie haben Dad vor einer Stunde von Kollegen aus Frankreich überstellt bekommen, nachdem seine schwersten Verletzungen behandelt worden waren. Er wird jetzt in der Abteilung für Schockpatienten aufgepäppelt. Moody vom Aurorenkorps wartet schon darauf, ihn zu verhören, zusammen mit dem Leiter der Strafverfolgungsabteilung. In vier Stunden könnten wir ihn besuchen."

"Echt?" Fragte Aurora, die zwischen Hoffnung und Enttäuschung bangte.

"Echt, Kind. Ich habe mir die entsprechenden Papiere zeigen lassen."

Aurora und ihre Mutter beschlossen, daß Gold von den Malfoys nicht zu behalten. Sie reisten nach London, wo sie in das Atrium des Zaubereiministeriums gingen. Dort, so wußte Mrs. Dawn von ihrer Schwester June Priestley, konnte man entbehrliches Gold, Silber und Bronzegeld in einen Brunnen werfen. Das darin aufgefangene Gold und Silber, so war von Ministerin Bagnold arrangiert worden, würde direkt dem St.-Mungo-Hospital zukommen. So schüttete Aurora ihr wiederwillig erhaltenes Gold in den Brunnen, wo es glitzernd den Boden bedeckte. Die in St. Mungos würden sich freuen.

Dorthin eilten die Dawns keine Minute später und nahmen den bereits tot geglaubten Ehemann und Vater in die Arme. Sie erfuhren, daß er bis morgen noch beobachtet werden sollte und vor allem bewacht wurde, weil es durchaus sein konnte, daß der Unnnennbare alle Zeugen seines Angriffs im Ausland beseitigen wolle.

"Er hat seine treuen Kumpane mitgenommen, zusammen mit einigen französischen Mitläufern. Einen glaube ich erkannt zu haben. Aber ich würde das vor keinem Gericht der Welt aussagen. Ich denke, es war der ehrenwerte Mr. Malfoy, der als großzügiger Verfechter der zauberischen Tugenden aufzutreten pflegt. Aber in diesen Minuten starben um mich herum Leute. Wir konnten erst nicht disapparieren. Ich dachte schon, ich würde genauso sterben, wie mein Namensvetter, der Mann von Professeur Faucon. Die hat es einigen von denen heftigst gegeben, ohne den unverzeihlichen Todesfluch anwenden zu müssen. Außerdem hat sie ein magisches Lied gesungen, daß dem Unnennbaren nicht gepaßt hat. Zwar sind viele unschuldige Leute gestorben, aber er hat nicht alle kriegen können", erzählte Hugo Dawn halblaut seine Erlebnisse.

"Erhol dich, Hugo. Wir bleiben die Nacht im Zufluchtshotel, falls die Todesser uns auch noch angreifen wollen", sagte Regina Dawn.

"Nein, besser nicht, Regina. Am besten geht ihr nach Hogwarts. Wenn er euch wirklich jagt, dann ist die Zuflucht nicht mehr so sicher wie sonst."

"Ja, aber sie könnten dich angreifen", unkte Aurora.

"Hier nicht. Moody hat mit einigen Leuten draußen Posten bezogen. Alles was zu mir will, muß an denen vorbei. Ministerin Bagnold will sich nachher noch einmal mit mir unterhalten. - Schön, daß es euch noch gut geht."

"Das war doch kein Zufall", meinte Mrs. Dawn. "Die haben am Morgen in der Winkelgasse zugeschlagen und am Abend bei euch."

"Ich denke nicht, daß das eine mit dem Anderen direkt zu tun hat. Er weiß, daß die Winkelgasse scharf bewacht wird. Immerhin konnten diese Banditen nur mit Erumpentflüssigkeit, eine verdammt gefährliche Sache, überhaupt solche Zerstörungen anrichten."

"Woher weißt du ...?" Wunderte sich Aurora.

"Moody hat's mir erzählt, Kind", erwiderte Hugo Dawn. "Er denkt, ich bin hart genug im nehmen. Er hat mir auch erzählt, daß du den Malfoy-Jungen gerettet hast. Wie hat die vornehme Narcissa es hingenommen, daß ein Mädchen aus einer nicht ganz so reinblütigen Zaubererfamilie ihren Stammhalter gerettet hat?"

"Sie hat uns ihren Hauselfen mit fünfhundert Galleonen geschickt. Wir haben das verdammte Gold im Ministerium in den Brunnen der magischen Geschwister gekippt, ohne einen Knut davon zurückzubehalten", sagte Mrs. Dawn kalt. Denn nun, wo ihr Mann vermutet hatte, daß Mr. Malfoy am Angriff auf das französische Hotel beteiligt gewesen war, verachtete sie diese Familie noch mehr. Sie dachte sogar, daß es besser gewesen wäre, wenn ihre Tochter nicht den Abkömmling dieses Verbrechers und seiner hochnäsigen Frau gehört und gerettet hätte. Doch was konnte ein Baby für seine Eltern? Deshalb schwieg sie darüber.

"Gut gemacht, Mädchen", flüsterte Hugo Dawn. "An dem Gold klebt mindestens das Blut von Monsieur Faucon und zwei Kollegen, die ich da getroffen habe. Vielleicht können die hier mehr gutes damit tun als wir drei zusammen. Ich bin stolz auf dich, Aurora, daß du deiner Mutter in dieser Sache gefolgt bist. Wir sind niemals zu arm, als daß wir uns von Leuten wie den Malfoys Gold schenken lassen müssen."

"Ja, Daddy", stimmte Aurora ihrem Vater aus vollem Herzen zu.

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Die Stimmung auf Gleis 9 3/4 war so dunkel wie der Himmel über dem Bahnsteig. Keiner sagte etwas und wenn dann so leise, als gelte es, bloß nicht gehört zu werden. Aurora Dawn traf sich mit Petula, Priscilla und Dina vor einem Wagen und stieg mit ihnen ein. Selbst die Leute aus Slytherin wirkten sichtlich geknickt, ja schier verängstigt. Zwar glotzte der eine oder die andere zwischendurch hämisch zu Schülern hinüber, von denen Familienangehörige bei dem Überfall auf die Winkelgasse verletzt oder getötet worden waren. Doch irgendwie hatte dieser brutale Angriff auch den heimlichen Anhängern des Unnennbaren zugesetzt. Aurora dachte sich nur, daß diese Leute sich eher davor fürchteten, demnächst einen Gegenschlag der Auroren gegen erwiesene Anhänger des Unnennbaren in der Zeitung zu finden. Tja und einige hatten ja schon Familienangehörige verloren, welche gefaßt oder getötet worden waren.

Während der Fahrt unterhielt sich Aurora mit Petula, Priscilla, Dina und Mortimer Swift über das, was am 29. Dezember passiert war. Sie erzählte dabei auch, daß sie diesen Jungen, Draco Malfoy, zusammen mit Bernhard Hawkins gefunden und gerettet hatte.

"Ich habe es mitgekriegt", sagte Mortimer. "Der hat Bellatrix Lestrange den Zauberstab abgenommen, um sich gegen Rattler und wen anderen zu wehren. Ich habe gehört, die Lestranges seien Anhänger von Du-weißt-schon-wem."

"Ach ja?" Fragte Aurora leise. "Wie kommt's dann, daß die auch in den Angriff reingeraten ist?"

"Zufall wahrscheinlich. Die Typen haben ihre Erumpentsprengladung zu nahe bei diesem Spielzeugladen losgelassen. Das wird sie und diese Malfoy umgehauen haben, ohne daß die Todesser das wollten."

"Ui, dann könnten die Todesser, die das gemacht haben noch Ärger kriegen", meinte Petula leise. Aurora überlegte. Dann nickte sie. Petula hatte recht. Wenn diese Lestrange eine von seinen Leuten war, könnte sie sich bei ihm beschweren. Deshalb waren wohl einige Slytherins genau so niedergeschlagen wie die Mitschüler aus anderen Häusern.

Nach der Ankunft in Hogsmeade stieß Miriam Swann noch zu den Leuten, die aus den Ferien zurückkamen. Natürlich hatte sie auch die Nachrichten verfolgt, die aus London und aus Frankreich. Sie meinte zu Aurora, daß sie wohl doppelt Glück gehabt hätte, daß weder sie noch ihr Vater getötet worden sei. Aurora mußte dem zustimmen.

"Was für Viecher sind das denn?!" Klang Bernhards erschrockener Ruf herüber, als die Schüler über der ersten Klasse die unheimlichen Kutschen aufsuchten. Aurora war schon drauf und dran, zu ihm hinüberzulaufen und ihn zu beruhigen, daß er wohl nur die Thestrale meinte, jene Pferde, die für alle, die den Tod noch nie zuvor angesehen hatten unsichtbar waren. Tja, für Bernhard waren sie es nun auch nicht mehr. Doch Aurora mußte nicht hinübergehen. Sie sah Isis Waverly, eine Klassenkameradin Bernhards, die ihm wohl erklärte, was er sah. So stieg sie mit Petula, Miriam, Dina, Priscilla, Mortimer und Roy Fielding in eine Kutsche ein, um nach Hogwarts hinaufzufahren.

Nach dem immer noch in unheimlich schweigsamer Stimmung eingenommenen Abendessen sprach Professor Dumbledore noch einmal zu den versammelten Schülern und versicherte ihnen, daß dieser Übergriff sich nicht mehr wiederholen würde, da nun noch schärfere Kontrollen in der Winkelgasse vorgenommen würden. Er erzählte von getöteten Todessern und bemerkte dazu:

"Diese Zauberer haben zu spät und für sie nicht mehr nutzbar lernen müssen, daß die Hingabe an die dunklen Künste und die Verabscheuung menschlicher Verhaltensweisen am Ende nur in die Selbstvernichtung führt. Machtgewinn wirkt wie ein Rauschmittel, süß schmeckend und stärkend. Doch es zerstört auch den Geist dessen, der meint, immer mehr davon erhaschen zu müssen, und am Ende kann der Körper selbst sterben, wenn die Seele bereits vollends vom Gift der Machtgier und des Größenwahns zerfressen ist. Leider mußte ein so kluger Zauberer wie Astarot Rattler diese endgültige Lektion lernen, ohne seinen Irrweg noch verlassen zu können. Ich weiß, einige von euch haben schmerzliche Verluste erlitten. Ich weiß aber auch, daß es nicht hilft, nun an Rache zu denken. Rache wird aus Haß und Verzweiflung geboren und ist nie besser als die Tat, wegen der sie verübt werden soll. Angst und Gewalt dürfen sich nicht durch solche Taten beliebig fortsetzen. Die Toten werden nicht mehr lebendig, wenn ihretwegen weitere Zauberer und Hexen sterben müssen. Denkt also bitte daran, daß das Leben das wertvollste Gut ist, das ihr erhalten habt und ihr es nicht solchen dunklen Absichten opfern dürft. Der dunkle Lord hätte in dem Moment gesiegt, wenn jeder, der unter ihm zu leiden hatte, nur noch für die Rache lebt. So wünsche ich euch, daß ihr trotz der Schmerzen und Verluste, die ihr in den Ferien erlitten habt, euer Leben nicht an diesen Hexenmeister verliert."

Aurora sah kurz zum Slytherin-Tisch hinüber. Tonya Rattler, die neben ihrer Schwester Delila saß, starrte mit funkelnden Augen auf den Schulleiter. Delila selbst wirkte sichtlich erschüttert, weil bei Nennung des Namens Rattler nicht nur von Ravenclaw, Gryffindor und Hufflepuff Blicke zu ihr hinübergeworfen wurden, sondern auch vom Lehrertisch.

"Ja, Mädel! Kuck ruhig blöd!" Dachte Aurora. "Das pfeifen jetzt alle Spatzen von den Dächern, daß dein Onkel ein dreckiger Verbrecher war und den Tod verdient hat." Einen Moment lang glühte ein wildes Feuer aus Haß und Verachtung in Auroras Herzen. Dieser klobige Mörder, Astarot Rattler, hatte versucht, sie umzubringen, einfach mit dem Todesfluch tot zu hexen. Wäre der rote Schockzauber nicht in seinen Rücken gekracht, hätte er die verheerende Formel ausrufen können. So war sie auf etwas mehr als drei Viertel des Weges verhungert und hatte ihren Auslöser getötet. Nein, sie verachtete diesen Mann, den Dumbledore als Opfer seiner eigenen Verirrungen bedauerte. Sie haßte jeden, der versuchte, ihr was anzutun und auch die, die sich darüber freuten. Sie malte sich sogar aus, was sie mit Tonya anstellen würde, wenn die ihr noch einmal dumm kommen würde.

"Ich weiß, ruhig zu schlafen fällt nach derartigen Erlebnissen schwer. Doch muß ich in meiner Eigenschaft als Schulleiter darauf bestehen, daß ihr genug schlaft bekommt. Deshalb Marsch in die Häuser und möglichst bald zu Bett!" Beendete Dumbledore seine kurze Ansprache. Als hätte er damit einen Verschwindezauber aufgerufen lösten sich die Teller, Kelche und Terinen in Luft auf. Die Schüler erhoben sich leise. schoben sachte die Stühle an ihre Haustische und folgten stumm wie ein Trupp Schatten ihren Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschülern. Erst vor dem Ravenclaw-Gemeinschaftsraum fanden sie ihre Sprache wieder, als Bruce, der gemalte Türhüter, mal wieder nicht auf seinem Posten war.

"Mann, wenn der nicht gleich auftaucht muß ich mir was zuklemmen", knurrte Roy Fielding und tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen. Dina meinte nur:

"Mußt du sowas sagen? Das hat doch keinen zu interessieren."

"Wenn's stimmt", knurrte Roy.

"Wenn der Kerl wieder von dieser Medea-Hexe aus dem Bild gejagt worden ist, kriege ich raus, wo die hängt und rupf ihr Bild runter", stieß Alessandro Boulder aus.

"Wie kann dieser unzuverlässige Bauernlümmel als Türhüter weitermachen?" Tönte Lissy Wright.

"Ich dachte, du stehst auf Cowboys", feixte Mortimer Swift.

"Haha, Swift. So'n dummer Spruch mußte ja jetzt kommen", schnaubte Lissy und fragte Priscilla, wieso sie noch nicht den Reinitimaginus-Zauber gewirkt habe.

"Irgendwas läuft nicht wie früher", meinte Priscilla und versuchte erneut, den Zauber zu wirken, mit dem man gemalte Wesen in ihr Ursprungsbild zurückholen konnte. Doch die leuchtenden Linien, die bei jedem der fünf Zauberworte auf der Leinwand entstanden, erschienen nicht.

"Was immer passiert ist. Ich kann den Zauber nicht aufrufen", verkündete Priscilla.

"Das ist Unsinn. Der holt alle aus dem Stammbild geschlüpften Leute sofort wieder zurück", meinte Lissy verächtlich.

"Mädchen, ich weiß, wie der Zauber geht und habe ihn schon X-mal benutzt. Jetzt geht er aber nicht", schnaarrte Priscilla gefährlich.

"Wie kommen wir da jetzt rein?" Fragte Roy, dessen Drängen immer drängender wurde.

"Reducto oder ein Feuerstrahl müßten das Bild wegputzen", meinte ein Zweitklässler.

"Klar, damit jeder Hirnie nach Ravenclaw reinkann", stieß Bruster Wiffle aus.

"Einer muß Dumbledore holen oder Filch", stellte der Vertrauensschüler Geoffrey Forester klar. Roy wandte sich um und sagte, er würde das machen. Aurora bot an, ihn zu begleiten, ebenso Dina, Lissy und Bruster. So eilte ein Fünfertrupp zunächst zum Jungenklo auf dem zweiten Stock, wo Roy schnell hineinschlüpfte und eine Minute später sehr erleichtert wieder heraustrat.

"Deshalb wolltest du losgehen", grinste Bruster. Roy nickte. Dann ging es nach kurzer Unterhaltung, wen man jetzt wirklich rufen sollte, zum Büro von Professor Flitwick.

Der Hausvorsteher von Ravenclaw sprach wohl gerade mit zwei Hexen, die sich stritten. Offenbar war er dazu verdonnert, diesen Streit zu schlichten oder zu warten, wie er ausging. Doch als er die fünf Bewohner seines Hauses vor der Tür hörte, öffnete er rasch und winkte die fünf hinein.

"Ich weiß, weshalb Sie mich aufsuchen, die Damen und Herren. Ich ging davon aus, Sie würden Hausmeister Filch aufsuchen. Aber natürlich bin ich als Hausvorsteher genauso eine Ansprechperson für das Problem mit dem Türhüter", flüsterte er, sodaß seine übliche piepsige Stimme nicht zu hören war. Aurora sah die Wand an und erkannte zwei Hexen, eine in Blau und eine in Rot. Die in Rot kannte sie besser als ihr lieb war. Es war die Hexenlady Medea. Die Hexe in Blau war eine gemalte Version von Rowena Ravenclaw, der Gründerin ihres Hauses. Sie stritten sich.

"Es reicht mir mit diesem verlotterten Bauernburschen. Solange er sein Hornvieh nicht dazu bringt, meine Gärten in Ruhe zu lassen, verbleibt er in seiner jetzigen Daseinsform in meinem Garten, und dieses Rindvieh wird nur noch Körner vom Boden aufsammeln. Dixi!"

"Ihr wißt genau, Lady medea, daß die Harmonie der Bilder durch permanente Verwandlungen aus dem Lot geraten wird und noch dazu die Kinder meines Hauses keinen Einlaß finden, wenn Ihr eure drakonische Strafe nicht zurücknehmt", sprach Rowena Ravenclaw. Dann sah sie die fünf Schüler, die in Flitwicks Büro standen.

"Entweder kriegen wir einen neuen Türhüter, oder dieser Bruce soll sofort zurückkommen", tönte Roy Fielding und sah Lady Medea an, die ihm einen warnenden Blick zuwarf.

"Bursche, dieser Landknabe hat sich erdreistet, sein gehörntes Vieh in meinem Garten von wertvollen Zierpflanzen fressen zu lassen. Jetzt steht er als Kirschbaum in der Riege meiner Obstbäume, und sein gefräßiges Getier verbleibet in der Gestalt eines Huhnes von jetzt bis zum jüngsten Tage", erwiderte Lady Medea. "Außerdem solltest du dich einer respektvolleren Rede befleißigen, wenn du mit mir sprichst."

"Mit einem Bild?" Lachte Roy. Doch Auroras warnender Blick und ihr Kopfschütteln brachten ihn schlagartig zur Ruhe. Er erinnerte sich auch noch an das zweite Jahr, wo Aurora es sich mit dieser Lady da verscherzt hatte.

"Baut um den Garten doch 'nen Zaun drum herum", schlug Bruster vor. "Dann kommt keine Kuh mehr da rein, und Ruhe is'."

"Einen Zaun, um meinen Garten? Ich hege nicht die Absicht, meinen Garten wie den Hof eines Kerkers zu umlagern", empörte sich Lady Medea. Rowena Ravenclaw meinte nur:

"Es wird nur eine Woche dauern, dann werden sämtliche Gemälde in Hogwarts ins Ungleichgewicht geraten. Ihr wißt doch, Mylady, daß eine permanente Verwandlung eines gemalten Wesens die gesamte zusammenhängende Galerie erschüttert. Es besteht sogar die Gefahr, daß Ihr für alle Zeiten aus Hogwarts verbannt werdet. Also gebt Bruce und seinem Tier die wahrhaftigen Gestalten zurück, um sie tun zu lassen, was sie tun müssen!" Sagte die gemalte Gründerin von Ravenclaw.

"Nicht vor Ablauf dieser Woche", erwähnte Lady Medea. "Er wird lernen, zu gehorchen, und sein Rindvieh wird lernen, meinen Garten unversehrt zu lassen", knurrte Lady Medea.

"Dann soll die uns die Tür aufmachen", warf Lissy Wright verärgert ein. "Ich will noch was für morgen zurechtlegen, bevor ich schlafen will."

"Bin ich eine ordinäre Dienstmagd? Jungfer, was bildest du dir ein?" Schimpfte Lady Medea.

"Nun, es steht fest, daß Ravenclaw einen verlässlichen Türhüter braucht. Leider haben wir derzeitig mehrere Bilder zur Aufbesserung abnehmen müssen. Es bleiben nur Sir Cadogan und der betrunkene Zwerg, die mal als Türhüter gearbeitet haben", meinte Flitwick.

"Das ist mir gleich", erwiderte Lady Medea. "Meinetwegen kann auch eine von Kallergos' goldenen Mägden den Zugang zu Ravenclaw betreuen."

"Wer den Schaden anrichtet muß die Folgen tragen!" Erwiderte Rowena Ravenclaw. Doch selbst wollte sie nicht zur Türhüterin verdonnert werden.

"Wie gesagt, es ist mir gleich, wie die Ravenclaws in ihre Gemächer finden", sagte Lady Medea und verließ das Bild.

"Nun, ich kann nicht viel mehr gegen sie ausrichten. Sie zu verzaubern würde an der Lage nichts ändern, weil sie Bruce mit einem besonderen Verwandlungszauber belegt hat, der nur von ihr umgekehrt werden kann. Ich selber kann nicht als Türhüterin fungieren, da ich in diesem Schloß zu viele wichtige Arbeiten erledigen muß, um dauernd auf Einlaß begehrende Schüler zu warten. So bleiben nur der Ritter oder der Zwerg", meinte Rowena Ravenclaw leicht verstimmt. Flitwick nickte ihr zu und sagte, er würde Filch anweisen, das Bild des betrunkenen Zwerges vor den Ravenclaw-Eingang hängen zu lassen. Aurora und ihre Begleiter sollten den Mitschülern Bescheid geben, daß sie wohl in einer halben Stunde in ihren Gemeinschaftsraum könnten. Allerdings sei der Zwerg nur als vorübergehende Maßnahme zu sehen, da er auch nicht gerade der zuverlässigste einer sei, betonte Flitwick.

Aurora, Dina, Lissy, Roy und Bruster liefen rasch zum Eingang von Ravenclaw zurück und erzählten den dort unfreiwillig ausharrenden Mitschülern, was der Hausvorsteher beschlossen hatte. Die älteren Schüler zauberten bequeme Stühle und Bänke aus der leeren Luft herbei, und die Schachspieler unter den Wartenden versuchten sich in Blitzpartien, wobei Schachbretter und -figuren nur in ihren Köpfen vorhanden waren. Als ein heftig neben jeder Tonart klingendes Singen und ein wohlbekanntes Schnaufen vom Gang her erklang, ließen die Schüler die imaginären Schachpartien enden und die heraufbeschworenen Sitzmöbel verschwinden. Da kam der stets miesgelaunte, mit einem knautschigen Gesicht und einer ständig triefenden Nase geschlagene Hausmeister Argus Filch mit einem großen Bild auf einem Handwagen herangestapft. Keiner hatte Lust, sich mit diesem ewig grummeligen Schulbediensteten anzulegen. So wichen alle zur Seite und ließen Filch das verwaiste Bild von Bruce abnehmen und ein Bild mit einem dickbäuchigen, mondgesichtigen Zwerg mit knallroter Säufernase und einem leicht verfilzten, tiefschwarzen Bart, der über das fleckige Lederwams herabhing, vor dem Einstieg anbringen. Er meinte nur, daß der Zwerg wohl von den Schülern noch ein Passwort bräuche, weil der zu faul zum Ausdenken war und keuchte mürrisch dreinschauend von Dannen.

"Hallllooo, Leute!" Lallte der Zwerg und griff nach einem Gefäß an einer Eisenkette um seinem Hals, das wie eine Kreuzung aus Bierfässchen und Babyflasche aussah, kippte sich was immer da drinnen war in den stummelzähnigen Mund, schluckte hörbar und stieß noch hörbarer auf, wobei kleine Funken aus dem Mund sprühten, die so echt wirkten, daß die vordersten Schüler erschrocken zurückhüpften, weil sie dachten, das Bild würde gleich in Flammen aufgehen. "Ich s-solll 'ne Woche - Hicks - hier die Tür auf- und zumachen. Irgendwer soll mir so'n Passwortdings sagen, das ich mir merken kann. Also, was nehmen wir?"

Mortimer Swift grinste gehässig und rief:

"Wie wär's mit Ferengari?"

Der Zwerg ließ seine große Feldflasche fallen, sodaß das Zeug, was darin war herausschwappte und über den gemalten Höhlenboden rann.

"Wer wagt das? Das ist unverschämt", krakehlte der Zwerg und schwankte sehr bedrohlich. priscilla trat vor und meinte:

"Er meinte es bestimmt nicht ernst. Wir nehmen Darrin Proutfoot, den Namen vom König der nördlichen Diamantengrotten."

"Braves Mädel. Joh, nehm'nwa", meinte der Zwerg, sichtlich besänftigt und schwang mit dem Bild zur Seite. Endlich konnten die Ravenclaws in ihr Haus.

"Das ihr Jungs es immer gleich darauf anlegt, Leute ohne Grund zu beleidigen", knurrte Priscilla Mortimer an. "Woher kennst du denn dieses Unwort aus der Zwergensprache?"

"Von einem Kobold", meinte Mortimer grinsend. "Der hat mir das mal erzählt, falls ich mit einem Zwerg mal richtig Streit haben will und dabei ganz dreckig gekichert."

"Was heißt denn dieses Ferengari?" Wollte Aurora wissen, deren Neugier schier unverwüstlich war.

"Bartloser heißt das", antwortete Priscilla kalt. "Das ist die tödlichste Beleidigung, die du einem männlichen Zwerg an den Kopf werfen kannst. Das ist noch schlimmer als Schlammblut für muggelstämmige Zauberer." Letzteres sagte sie mit sehr verkniffenem Gesicht und erröteten Ohren.

"Hui, dann hätte der Suffkopp mich ja wohl glatt abgemurkst, wenn der nicht gemalt wäre", stellte Mortimer fest und grinste dabei überlegen.

"Ein echter Zwerg hätte das bestimmt", versetzte Priscilla kühl und ging ohne Abschiedswort zu ihren Klassenkameradinnen hinüber, die vor einem Zettel am schwarzen Brett standen.

"Hat da wer was ausgehangen?" Fragte Roy überflüssigerweise. Aurora nickte und ging hinüber und las, was es so interessantes gab. Auf dem Zettel stand, daß auf Absprache der Vertrauensschüler der Alttagszauberkunstclub wieder ins Leben gerufen worden sei, der für Schüler ab der dritten Klasse aller Häuser offenstand und ohne Jahresendbenotungsdruck besucht werden konnte. Für Jungen sei eine Gruppe Handwerks- und Bearbeitungszaubereien vorgesehen, für Mädchen falls gewünscht eine Gruppe für Haushaltszauber und Zurechtmachung wie der Blitzumkleidezauber Celeritransvestitus oder der Luftspiegelungszauber Ipsimago. Roy fragte, warum hier eine so geschlechtertrennende Aufteilung gemacht würde. Priscilla meinte dazu:

"Wir hatten den Club vor fünf Jahren mal. Das war ein Chaos, weil alle alles mögliche auf einmal lernen wollten. Flitwick hat dann gemeint, daß wir den Club dann besser spezifizieren sollten. Ich habe mich mit Jessica Woods aus Gryffindor, Tulipa Crane aus Hufflepuff und Rax Montague aus Slytherin darauf verständigt, daß wir je drei Stunden die Woche den Club leiten und uns jede Woche abwechseln, weil wir ja als Vertrauensschüler ja noch andere Sachen um die Ohren haben. Die Jungs haben sich da auf einen Zwei-Wochen-Wechsel geeinigt, weil Clark Goodwin aus Gryffindor ja Schulsprecher ist und Toby Jefferson aus Hufflepuff ja erst im sechsten Jahr ist und damit weder im ZAG- noch UTZ-Stress. Also wer Lust hat: Ich habe die Liste für die Mädchen, Geoffrey nimmt die Namen der Jungen entgegen. Wer mitmacht verpflichtet sich für drei Stunden die Woche bis zum Ende des Schuljahres."

Aurora trug sich sofort ein, wie auch Dina Murphy, die zwar von Priscilla etwas verwundert angeblickt wurde, aber dann doch mit einem aufmunternden Lächeln bedacht wurde. Petula wollte da nicht zurückstehen, genauso wenig wie Miriam. Tatsächlich trugen sich auch alle Jungen aus der vierten Klasse ein, denn wer da was tolles lernte konnte gut vor anderen auftrumpfen, und deshalb wollte keiner sich nachher ärgern, nicht in diesen Zauberkunstclub eingetreten zu sein.

Als dann alle interessierten Schülerinnen und Schüler sich bei den entsprechenden Vertrauensschülern eingetragen hatten, ging es in die Schlafsäle und in die Betten.

__________

Aurora merkte in den ersten Tagen nach Ferienende, daß Tonya sichtlich anders gestimmt war als vorher. Sicher, sie war noch gehässig und ließ keine Gelegenheit aus, vor allem die Muggelstämmigen Mitschüler zu verspotten. Doch wenn Aurora sie ansah und darauf lauerte, daß Tonya auch ihr wieder unfeine Sachen an den Kopf warf, wandte sich Tonya ab und tat so, als sei Aurora nicht mehr so interessant.

"Die weiß, daß du das mitgekriegt hast, wie ihr Onkel den Löffel abgegeben hat", flüsterte ihr Petula mal zu, als sie von Kräuterkunde ins Schloß zurückkehrten.

In Muggelkunde durften die Schüler alte Vakuumröhren auseinanderbauen und untersuchen, wo da der elektrische Strom floß. Roy gab seinerseits mehrere Sätze Transistoren, Dioden, Kondensatoren und Widerstände herum, über die er auf Goldbridges Anweisung hin erzählte, wie die die modernen Muggelgeräte verändert hatten, daß Uhren, Radios und Rechengeräte von einst klobigen Apparaturen zu kleinen, immer handlicher werdenden Instrumenten schrumpften. Auf die Frage, wie klein die Muggel ein Radio oder einen Vielrechner, einen Computer mal bauen würden, meinte Roy:

"Also wenn die Ingenieure und Techniker rauskriegen, wie man Maschinen baut, die klitzekleine Bauteile herstellen können, dann könnte so'n klobiges Röhrenradio wie es Professor Goldbridge am Anfang gezeigt hat in zehn Jahren in eine Armbanduhr passen. Vielleicht haben wir in zehn Jahren auch tragbare Telefone, die ohne Verbindungskabel auskommen, wenn es klappt, sehr empfindliche Funkwellenempfänger und winzige aber starke Sender zu bauen. Gearbeitet wird auf jeden Fall dran, sagt mein Vater."

"Ich dachte der baut Antriebsmaschinen", meinte Bruster.

"Tut er auch. Aber auch die werden bald immer kleiner, und Steuerelektronik haben die großen Motoren heute auch schon, um die Kraft und den Treibstoffverbrauch so gut wie möglich auszunutzen."

"Ja, aber wird das mit der Energie, also der Elektrokraftübertragung dann auch weniger?" Wollte Loren Tormentus wissen. Alle sahen sie an, die einzige Slytherin in der Muggelkundeklasse.

"Klar. Wenn die Bauteile kleiner werden, brauchen die weniger Strom, dann können die Batterien, also die Stromspeicher auch kleiner gemacht werden, und für die Geräte, die immer noch fest aufgebaut werden heißt es, daß die weniger Strom aus einem Kraftwerk brauchen, was deren Bedarf also auch senkt", sagte Roy ruhig.

"Hmm, wäre sehr praktisch, damit die Feueröfen dieser Kraftwerke weniger beheizt werden und die Luft etwas sauberer wird", wandte Loren ein.

"Oder wir steigen ganz auf Atomkraft um", wandte Roy ein. Bruster meinte:

"Bloß nicht. Schon schlimm genug, was in Harrisburg passiert ist. Das müssen wir nicht auch noch überall kriegen. Die Franzosen sind ja schon so bescheuert und bauen an der Loire 'ne ganze Latte AKWs hin."

"Hömm-ömm". machte Goldbridge. Stille trat ein. Dann fragte er sehr ernst: "Was ist Atomkraft und was ist daran so diskussionswürdig?"

Roy und Bruster erzählten nun von den Kräften, die durch die Zertrümmerung der kleinsten Grundbestandteile der festen Stoffe frei wurden. Loren fragte dazu, wieso diese Bestandteile Atome heißen, da das Wort doch "Unteilbar" bedeute. Bruster erklärte, daß die Muggel das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch noch fest geglaubt hätten, bis verschiedene Forscher herausbekommen hätten, daß die Grundbestandteile der nicht mehr weiter zerlegbaren Stoffe doch noch in kleinere Teile zerlegt werden konnten, was im letzten großen Krieg der Muggelwelt mehrere Hunderttausend Menschen umgebracht hatte. Loren meinte dazu nur:

"Wenn diese Kraftwerke so gefährlich sind, dann gehören sie verboten."

"Ms. Tormentus, wir dürfen den Menschen der nichtmagischen Welt nicht vorschreiben, was sie zu tun haben, wenn wir nicht bereit sind, alle Verantwortung für sie auf unsere Schultern zu laden. Aber dieses Bestreben hat früher zu verheerenden Konflikten zwischen Nichtmagiern und Magiern geführt, sodaß die Geheimhaltung der Zauberei als essentielles Gut unserer Gesellschaft verankert wurde und damit jede Verantwortung für die nichtmagische Welt zurückgewiesen wird", erklärte Professor Goldbridge erhaben. Loren sagte nur:

"Solange die nicht in unser Leben reinfuhrwerken, Professor. Wenn wir jetzt hören, daß diese Atomkraftdinger gefährlicher sind als die Öl- oder Kohleöfen, dann ist es wohl doch erlaubt, zu fragen, wie lange wir uns das gefallen lassen dürfen."

"Hmm, dazu ist mir jeder Kommentar verwehrt", meinte Goldbridge. Bruster wandte ein:

"Also meine Mum, die ja 'ne echte Hexe ist, meint auch immer, das mit der Geheimhaltung wäre dann gelaufen, wenn die Muggel was machen, was nicht nur die sondern auch uns heftig in Schwierigkeiten bringt. Gibt es da nicht doch irgendwelche Pläne, was passiert, wenn vielleicht was heftiges passiert?"

"Wie erwähnt steht es mir nicht zu, politische Kommentare zur Umgangsweise des Ministeriums mit der Muggelwelt abzugeben", sagte Goldbridge. Aurora fragte, wieso er nichts sagen wolle oder dürfe. Goldbridge meinte, er sei gehalten, den Unterricht neutral abzuhalten. Er dürfe die Lebensweisen und Geräte der Muggel nur vorstellen und besprechen, aber nicht von sich aus darüber bestimmen, was gut oder schlecht sei. Er verwies darauf, daß jede Bemerkung zur Nützlichkeit oder Schädlichkeit eines Muggelartefaktes gemäß einer Unterrichtsrichtlinie von 1945 eine politische Wertung darstelle und jeder Schüler unbeeinflußt von der Meinung des Lehrers mit der nichtmagischen Welt vertraut gemacht werden solle. Für Loren und Bruster hieß das, daß es also schon Gespräche darüber gebe, was die Muggel so machten und ob die Zaubererwelt ihnen das so einfach durchgehen lassen sollte oder nicht. Wieder verweigerte Goldbridge einen Kommentar dazu.

"Wenn Sie hier alle bis zu den UTZ-Klassen das Studium der nichtmagischen Welt als Unterrichtsfach behalten, werden wir in den UTZ-Klassen über die Auswirkungen technischer Errungenschaften auf die Lebenswelt der nichtmagischen Menschheit sprechen und dann auch entsprechende Gesetzestexte diskutieren. Aber wie gesagt steht es mir als Lehrer nicht zu, wertende Kommentare abzugeben, die über die reine Veranschaulichung hinausgehen."

Nach der Stunde gingen Bruster und Loren über die Atomkraftwerke Diskutierend in die Pause, während Roy mit Mortimer und den übrigen Mädchen aus der Klasse über die Verkleinerungsmöglichkeiten für Muggelmaschinen sprach. Eunice Armstrong meinte dazu:

"Dann könnte also irgendwann jemand ein kleines Gerät in einer Rock- oder Umhangstasche verstauen, das wie ein Telefon, ein Radio, ein Fernseher und ein Telegraphiergerät arbeitet?"

"Hmm, Muggel nennen das Zukunftsdichtung. Aber mein Dad meint, weil es gerade im Militär so wichtig ist, Sachen immer kleiner, leichter und besser zu bauen, kriegten wir Zivilisten wohl bald auch kleinere Geräte für alles mögliche. Er hat mitbekommen, daß es in den Staaten schon passiert, daß Schulen für Erwachsene und Militärbasen ihre Computer über Telefonleitungen miteinander zu verbinden anfangen. Er meint, wenn das gut läuft, könnte sich das auch für den Alltag empfehlen. Dann könnten wir in vielleicht zehn oder zwanzig Jahren von Zuhause aus mit einem Computer, der nicht größer als ein halber Putzeimer ist oder vielleicht sogar klein und herumtragbar mit jedem anderen Computer in der Welt direkte Verbindung aufnehmen und die in denen gespeicherten Bilder, Texte und sonstigen Sachen austauschen. Er meinte auch, die würden daran arbeiten, Kabel zu bauen, die nicht Strom sondern Lichtbündelimpulse weiterleiteten und damit mehrere Telefongespräche auf einmal zu übermitteln. Dann haben wir wohl noch eine Menge Satelliten, die in den nächsten Jahren in die Erdumlaufbahn geschossen werden, wenn die Amis ihren Raumpendler mal in die Gänge kriegen, könnten wir in drei Jahren schon Funksatelliten im Wochentakt hochbringen und kaputte oder ausgediente Satelliten wieder einsammeln und runterholen. Na ja, aber ich denke, das ist euch vielleicht im Moment zu viel "Muggelkram"." Er lächelte verlegen, weil er nicht wußte, ob er jetzt was falsches oder einfach nur zu viel gesagt hatte. Eunice meinte:

"Also ich bin ja längst nicht in allem einer Meinung mit der Tormentus, die meinte, sich von deinem Kameraden Einzelinterviews in der Pause holen zu müssen, Roy. Aber sie hat in einem Punkt recht: Wir wären schön blöd, wenn wir nicht aufpassen, was die Leute in der Welt deiner Eltern so anstellen. Wundere mich eh, daß Muggelkunde kein Pflichtfach ist. Die hätten lieber diesen Wahrsagenkrempel streichen sollen und das als Pflichtfach festlegen sollen."

"Geh zu Dumbledore oder eurer quadratbebrillten Hausvorsteherin!" Meinte Roy. "Ich bin für den Stundenplan nicht zuständig."

"Ist mir klar", knurrte Eunice.

Nach der Pause gingen die Schüler aus verschiedenen Häusern wieder ihrer üblichen Wege. Aurora dachte daran, was Eunice gesagt hatte. Loren hatte sich Bruster einfach gegriffen und ihn in eine Diskussion über diese Atomkraftwerke verwickelt und sich damit von den anderen abgesetzt. Es stimmte auch, daß es wichtig war, zu wissen, was in der Muggelwelt passierte, gerade nach dem, was Roy und Bruster über diese schrecklichen Atombomben über Japan erzählt hatten, an deren Asche heute noch Leute sterben mußten, wie an einem großflächigen Fluch.

Beim Mittagessen fragte Roy Bruster, warum Loren so auf dieser Atomsache rumgeritten sei, weil sie meinte, Bruster hätte mehr Ahnung davon als Roy, wo Brusters Vater doch nur an Autos rumbastelte und Roys Daddy richtige große Motoren in Gang hielt.

"Das war nur, weil wir gemerkt haben, daß unsere Eltern da dieselbe Meinung haben, Roy. Mehr war da nicht", knurrte Bruster, der sich auf den Arm genommen fühlte.

"Okay, Brusi, wenn die ersten Plutoniumautos rauskommen muß dein Dad sich ja auch mit sowas auskennen. Vielleicht sattelt mein alter Herr ja auch noch auf Atomkraftschiffe um. Aber im Moment zahlt die Kriegsmarine weniger als der Laden, für den Dad gerade arbeitet."

"Ja klar, Roy. Atom-U-Boot macht Wangen rot, oder was?" Versetzte Bruster gehässig und sang dann "Die Marine läßt dich die sieben Meere sehen."

Priscilla unterband den aufgekommenen Zwist der beiden Jungen mit einer kurzen Bemerkung, daß sie das melden würde, wenn die beiden sich wieder über unsinniges Zeug käbbelten. Das reichte zumindest Bruster, der immer noch auf Bewährung in Hogwarts war und Roy, der sich nicht vorhalten lassen wollte, sich über dummes Zeug zu streiten.

Am Mittwoch nachmittag fand die erste Stunde des neuen Zauberkunstclubs statt. Eine hochgewachsene Slytherin-Schülerin mit einem apparten, an alten Adel erinnernden Gesicht mit tiefgrünen Augen und dunkelbraunem Lockenschopf, die das grün-silberne Vertrauensschülerabzeichen ihres Hauses trug, begrüßte die fünfzig Mädchen, zu denen neben allen Ravenclaw-Viertklässlerinnen auch Eunice Armstrong, Becky Hawkins und Isis Waverly aus Gryffindor wie auch Cynthia und Melinda aus Hufflepuff und Loren und Tonya aus Slytherin gehörten. Der Raum, in dem der Club tagte war ein großer Saal, in den mehrere Tische gestellt worden waren. Die Slytherin-Vertrauensschülerin stellte sich an ein hohes Pult und gebot mit einem Rundblick Schweigen. Aurora erkannte, daß dem Mädchen ein unbändiger Wille innewohnte.

"So, Leute! Nachdem ich sehe, daß alle hier sind, die auf meiner Liste draufstehen möchte ich nur kurz ansagen, wie es hier losgeht", sprach die Slytherin mit einer angenehm tiefen Stimme. Tonya warf einen gehässigen Blick auf ein Mädchen aus der fünften Klasse, einer Muggelstämmigen aus Hufflepuff. "Tonya, beherrsch dich!" Maßregelte die Vertrauensschülerin ihre jüngere Hauskameradin. Tonya erstarrte wie eingefroren. Offenbar hatte diese Siebtklässlerin etwas an sich, was dieser klobigen Nervensäge einen Heidenrespekt abverlangte, dachte Aurora nicht ohne innere Genugtuung. "Für die, die mich nur am Slytherin-Haustisch gesehen haben, ich bin Rax Montague, Vertrauensschülerin von Slytherin und werde im Sommer meine UTZs machen. Bis dahin müßt ihr alle vier Wochen mit mir klarkommen, was heißt, wenn ich was vorgebe, dann macht ihr das. Wenn ich mich mit einzelnen von euch beschäftige, haben die anderen sich leise zu verhalten, damit keiner gestört wird. Die zwei Regeln haltet ihr ein, auch die Damen aus Gryffindor, die meinen, über allem hier erhaben zu sein." Irgendwie, so schien es Aurora Dawn, schien der Geist von Professor Bitterling und der von Professor McGonagall in den Körper dieser Rax Montague geschlüpft zu sein. Denn sie vermochte, alle mit einem ernsten Blick ruhig zu halten. "Denn eines merkt euch bitte alle: Ich mache das mit euch nur, weil ich mich dafür interessiere, nützliche Zauberstücke zu lernen und hoffe, daß ihr euch auch dafür interessiert. Ansonsten hätte ich mit meiner Zeit bestimmt besseres anzufangen.

So, und jetzt zu den heutigen Aufgaben, Reparier- und Flickzauber, damit die aus der dritten Klasse gut bei uns reinkommen!"

Sie ging herum und sah zu, wie die Mädchen zerbrochene Vasen, Schüsseln und Gläser nahtlos zusammensetzten. Bei Aurora blieb sie eine volle Minute.

"Deine Mum war immer gut in Haushaltszaubern. Als ich vor vier Jahren mit anderen Mädchen Trockenquidditch mit blauem Übungsball geprobt habe ist die große Porzellanvase in der Eingangshalle zerbrochen. Deine Mum hat nur einmal den Zauberstab geschwungen, und die Vase stand wie neu da, innerhalb einer Sekunde. Das Talent hast du wohl geerbt."

"Ich konnte meiner Mutter und meinen Großeltern viel abgucken", sagte Aurora, die nicht recht wußte, was sie mit einem Kompliment von einer Slytherin anfangen sollte, wo die meisten von denen doch mehr oder weniger direkt mit Anhängern des Unnennbaren zusammenhingen. Rax - komischer Name für'n Mädchen - schien das zu spüren. Sie meinte:

"Du kaufst einer Slytherin wohl nichts ab, egal wie gut es rüberkommt, wie?"

"Kein Kommentar", meinte Aurora kühl. Rax Montague lächelte kalt und meinte dann noch, daß jeder meine, sich auf etwas festlegen zu müssen und sie das gewohnt sei. Dann ging sie zu Dina, die anstatt einer Reparatur eine Totalpulverisation einer zerbrochenen Teetasse hinlegte, daß der Porzellanstaub wie eine Wolke Schnee durch den Raum wehte.

"Du bist die Dina Murphy. Ich hab natürlich schon von dir gehört. Ich dachte, du könntest mittlerweile die Ausrichtung deiner Zauberkräfte steuern. Was hast du gesagt, als du zaubern wolltest?"

"Reparto", hörte Aurora Dina wimmern. Rax schüttelte den Kopf.

"Re-pa-ro, Dina. Sprich das ohne Zauberstab nach!"

"Re-pa-ro", konnte Aurora eher an den Lippenbewegungen als am Klang erkennen.

"Gut. Weil parto das kommt in einigen Zaubern vor und heißt entweder ablösen oder austreiben. Manche Hebammen können den Facilipartio-Zauber, um eine Geburt zu erleichtern. Wenn du eine ohnehin schon zersprungene Porzellantasse mit einem nach Ablösen klingenden Zauberspruch belegst, kommt sowas wie eben dabei heraus. Probier das bitte noch einmal!"

Sie hatte wirklich "bitte" gesagt, wunderte sich Aurora. Dina probierte es an einer anderen zerbrochenen Teetasse und bekam es hin, die Tasse zusammenwachsen zu lassen. Nach drei weiteren Ansetzen war die Tasse tatsächlich wie neu und ohne Bruchlinien. Dann ging Rax weiter.

Bei den Muggelstämmigen hielt sie sich etwas länger auf und sprach leise mit ihnen über ihre Erfahrungen oder Schwierigkeiten. Dann irgendwann hatte sie die Runde geschafft und klatschte in die Hände, wie Professor Bitterling, wenn sie das Schwatzen vor der Stunde abstellen wollte.

"Also, wir haben es alle raus, wie Porzellan oder Glas mit einfachsten Zauberkomponenten repariert werden kann. Das habt ihr alle soweit hinbekommen, wie ich es beobachten konnte. Dann kommen wir jetzt zum Flicken zerrissener Stoffe. Die können zwar auch mit dem Reparo-Zauber zusammengefügt werden. Allerdings gilt das nicht, wenn die Stoffstücke noch zusammenhängen und nur Mottenlöcher oder Laufmaschen darin sind. Da verhält sich die bezauberte Materie dann anders. Die aus der vierten Klasse haben das wohl erst vor Weihnachten im Unterricht gehabt. Jungs tun sich mit sowas gerne schwer, weil ihnen das ästhetische Empfinden fehlt. Ich hoffe, ihr habt das alle. Also, ich spreche die Formel vor und zeige euch, wie die Zauberstabbewegung geht. Dann probieren wir das alle ohne Zauberstab. Dann gibt es entsprechende Stücke Stoff, und ihr könnt dann üben."

Nachdem sie erneut eine ganze Runde geschafft und die Ergebnisse bewertet hatte, zeigte sie einen nützlichen Abtrennzauber und Annähzauber, wobei aus ihrem Zauberstab ein haardünner Faden spross und sich schlangengleich zwischen die zusammenzufügenden Stücke Stoff knotete und sie fest zusammenfügte. Das machten die Mädchen sehr oft hintereinander, bis eine kleine Uhr, die Rax auf ihrem Pult stehen hatte, mit silberhellem Glockenklang das Ende der Stunde verkündete.

"Gut, Mädchen! Das habt ihr heute wunderbar hinbekommen. Übermorgen wieder hier! Nach Möglichkeit Pünktlich!"

Als Aurora Dawn mit ihren Klassenkameradinnen weit genug von den anderen Teilnehmerinnen entfernt war meinte sie:

"Das die keine Schulsprecherin geworden ist wundert mich jetzt. Die hat den Stil von der Bitterling voll drauf."

"Kannst du von ausgehen", meinte Petula.

"Die Montagues sind eine alteingesessene Familie von größtenteils reinblütigen Zauberern", meinte Miriam. "Allerdings hat es da merkwürdige Fälle gegeben, wo nicht so klar war, von wem Hexen aus der Linie Kinder bekommen haben. Die waren zwar alle schön reinblütig verheiratet. Aber irgendwo in der Chronik "Sonderbares aus der Zaubererwelt" steht drin, daß die ihren Männern zwischendurch Kinder vorstellten, die diesen nur zum Teil ähnelten. Könnte sein, daß die Hexen sich nicht nur von Reinblütern auffüllen lassen wollten."

"Soso, Miriam", meinte Petula. "Dann müßte diese Familie ja bei den Reinblütigkeitsknilchen verschrien sein."

"Tja, eben das ist ja das merkwürdige. Die Hexen hatten da irgendwie mehr Rechte als die Zauberer. Bei denen wurde nämlich ziemlich genau drauf gekuckt, mit wem die zusammenwaren", sagte Miriam. "außerdem heißt es, daß eine von den Hexen mal ziemlich mächtig in England war, bis sie von einer ausländischen Rivalin plattgemacht wurde. Mehr weiß ich aber nicht. Stammbäume von Slytherins sind nicht so das, womit ich mir das Hirn vollstopfen will."

Beim Abendessen sprachen die Viertklässler über ihre erste Stunde im Freizeitclub Zauberkunst. Die Jungen hatten mit Metallverformungszaubern, Lotungszaubern und Nageleinschlagszaubern herumgewerkelt, nachdem sie auch eine Runde Reparaturzauber geprobt hatten. Ihr Übungsleiter war aber lockerer drauf und hatte sogar Experimente zugelassen, wo Roy und Bruster schon mit herumlaufenden Blechdosen herumgespielt hatten und Magnete mit hundertfacher Wirkung gezaubert hatten. Aurora erzählte, was Rax Montague so für einen Eindruck gemacht hatte. Roy fragte dann, ob die Hexen häufig Hundenamen hätten. Bruster meinte:

"Nicht Rex, du liverpooler Pappnase. Rax, R-a-x. Kommt von Sycorax, so'n exotischer Hexenname", sagte Bruster.

"Ja, genau so hieß diese Hexenlady, die sich nach sechzehnhundert-sonstwas von dieser Ausländerin hat umbrinngen lassen", erkannte Miriam.

"Exactamundo", meinte Bruster. "Nach der ist eure Schleiferin von heute benannt, weil die aus demselben Stall kommt. Wußtet ihr das etwa nicht?"

"Gegenfrage, du Manchesteraner Traumtänzer: Woher weißt'n du das?"

"Man liest sich schlau, wenn man in der Nähe von Leuten leben muß, die einen bei der ersten Gelegenheit das Licht ausblasen würden", sagte Bruster schnell. Aurora dachte jedoch, daß das nicht Brusters wahrer Grund war, daß er mehr wußte als Miriam Swann, die sich gut mit alten Zaubererfamilien auskannte.

"Tja, kannst du recht haben", erwiderte Roy. "Was ist denn deines Wissens nach da abgelaufen?" Forschte Roy nach und ersparte Aurora, ihrerseits nachzuhaken.

"Also wenn ich das richtig mitgekriegt habe gab oder gibt es eine Hexengilde, wo die Hexen meinen, sich die ganze Welt unterwerfen zu können. Eine Führerin dieser Gilde war eine Lady Sycorax, die auch als Mutter der Schatten erwähnt wurde. So 1618 kam eine Hexe aus Frankreich herüber, die wohl Bammel hatte, sich gegen eine da ziemlich heftig dreinhauende dunkle Lady zu wehren oder mit der irgendwie verwandt war und ihr daher nix tun wollte. Die hat erst so getan, als würde sie sich gut einordnen, bis sie dann im selben Jahr rausgekriegt hat, wo Sycorax ihr Hauptquartier hatte und die komplett allein alle gemacht hat. Seitdem war die die Chefin der Bande und hat wohl bis 1700 in England die Fäden in der Hand gehalten. Die Montagues gehen mit dieser Hexe genauso um, wie ihr mit diesem Voldemort. Wenn ich das korrekt behalten habe wird die von denen nur "Die Französin" genannt. Wie sie wirklich hieß, weiß ich auch nicht."

"Anthelia vom Bitterwald", kam es von Miriam. "Ich kaufe es dir nicht ab, Bruster, daß du einen so wichtigen Namen nicht nachgelesen oder erwähnt bekommen hast, nur weil du dich jetzt weiter aus dem Fenster gelehnt hast als du von deiner Herkunft her wolltest."

"Schöner Name", meinte Aurora. Roy nickte.

"Klingt irgendwie besser, Lady Anthelia."

"Erwähn diesen Namen bloß nicht, wenn Rax Montague dabei ist", zischte Bruster, der sich nicht mehr darum scherte, warum er was wissen konnte oder nicht.

"'tschuldigung, Bruster. Abgesehen davon, daß das jetzt echt komisch ist, wieviel du von Zaubereigeschichte weißt, wo du bei Schnarchgespenst Binns genauso dahindöst wie jeder andere normale Schüler, ist diese Anthelia wohl schon tot. Oder spukt die ... Hups. Hat die nicht mit dieser Baronesse zusammengehangen, die vorletztes Jahr ... Ich habe nix gesagt. Nachher spukt die echt noch rum." Roy war regelrecht erbleicht. Ja, er konnte sich genau wie die anderen an Clytemnestra, die Braut des blutigen Barons erinnern, selbst wenn er sie selbst nicht so heftig miterlebt hatte wie Aurora und Petula.

"Die dunklen Künste machen Sachen möglich, die deinen Verstand übersteigen, Roy", meinte Miriam. "Andererseits ist Anthelia bestimmt schon seit Jahrhunderten nicht mehr aufgetaucht und wird es wohl auch nicht mehr."

"So eine fehlte noch, wo der Unnennbare gerade so heftig dreinhaut", sagte Roy verhalten. Alle nickten.

"Also, es ist schon heftig, woher diese manchesteraner Matschbirne so gut mit alten Hexenbanden bescheid weiß. Kennst du vielleicht eine von denen, Brusi?" Meinte Roy noch.

"Könnte sein oder nicht. Frage ich jede Hexe, in welchem Club die Mitglied ist?" Erwiderte Bruster schnippisch. "Fragst du Dina, wann sie ihr übliches Monatsproblem hat?"

"Hallo, Bruster, so nicht!" Maßregelte Priscilla Bruster, während die graue Dame, die gerade am Ravenclaw-Tisch Platznahm die Nase rümpfte und silbern anlief.

"Nur ein Beispiel, Priscilla, um dem Liverpooler Lurch zu zeigen, daß ich sowas nicht wissen kann und deshalb natürlich weder ja noch nein sagen kann", erwiderte Bruster ganz cool.

"Könnt ihr euch mal wieder auf ein für's Abendessen brauchbares Niveau einigen?" Fragte Petula.

"Ja, Mummy!" Gaben Roy und Bruster in seltenem Gleichklang zurück.

Der Rest des Abends verlief mit üblichem Geplenkel über den Unterricht, Quidditch, Fußball und was in Hogwarts noch so wichtig war.

_________

Die Wochen zogen ins Land. Neben der Schule, dem Duellier- und dem Zauberkunstclub war Quidditch das wichtigste für Aurora. Außerdem dachte sie immer wieder über Tonya Rattler nach, die nach der Sache mit ihrem Onkel Astarot keine rechte Lust mehr hatte, Aurora dumm anzuquatschen.

Einen Tag vor dem Spiel Ravenclaw gegen Slytherin brachte der Tagesprophet einen Artikel über sieben Todesser, die alle in grausam verstümmeltem Zustand an wichtigen Plätzen der Zaubererwelt gefunden wurden. Einer war in seine einzelnen Körperteile zerhackt in einem großen Weinfass in der Winkelgasse aufgefunden worden. Ein anderer war mit den Füßen nach unten an einem Baum hängend und von schweren Wunden übersät in der Nähe von Hogsmeade gefunden worden. Der schlimmste Fund war der noch lebendige Kopf eines Todessers namens Pane, der vor dem Zaubereiministerium in einem Weidenkorb abgestellt worden war. pane hatte unter ihm irgendwie zugefügten Qualen berichtet, daß der dunkle Lord eine höchst grausame Strafaktion gegen die Bundesgenossen durchgezogen hatte, die vor der Jahreswende den Überfall auf die Winkelgasse begangen hatten. Pane sei der Anführer gewesen. Aurora stach es in die Augen, als sie las, daß Anhand von Haaren Panes nachgewiesen werden konnte, daß er sowohl am Überfall auf die Dawn-Familie vor zwei Jahren beteiligt gewesen war, als auch an jenem 29. Dezember des vor wenigen Wochen verstrichenen Jahres in "Tiffanys Spielzeug & Freude" dabei war, als Moody Astarot Rattler daran hindern konnte, Aurora Dawn und den jungen Draco Malfoy zu töten. Aurora entsann sich, was sie selbst über Bellatrix Lestrange und die Malfoys dachte, als sie überlegte, daß der Unnennbare das nicht ungestraft lassen mochte. Jetzt war es also wirklich passiert. Es hatte damit geendet, daß der irgendwie am Leben gehaltene Kopf Panes unter lauten Schmerzensschreien zusammengeschrumpft war und als runder Babykopf schreiend und brabbelnd davongetragen werden mußte. Die vom Tagespropheten hatten versucht, herauszukriegen, was weiter passiert war. Doch es wurde nichts weiteres darüber an die Öffentlichkeit gelassen.

"Jetzt wissen wir zumindest, daß er seine Freunde genauso brutal abfertigt wie seine Feinde", meinte Roy Fielding.

"Ist ja klar, Roy. Er will der Boss bleiben. Wenn jemand aus seiner Bande ihm auf der Nase herumtanzen darf, ist er es nicht mehr lange", sagte Bruster.

Am Nachmittag desselben Tages war eine weitere Stunde Zauberkunstclub. Vor der Klasse zog Eunice Tonya mit dem Artikel vom Morgen auf.

"Tja, Tonya. Deine Familie hat sich wohl doch mit dem falschen eingelassen. Der murkst euch noch fieser ab als uns. Da will ich besser auf seiner Feindliste stehen als sein Wasserträger sein."

"Halt's Maul, Armstrong. Noch so'n Spruch und ich lasse deine schwarze Mähne abfackeln", zischte Tonya. Aurora sah sie an und meinte:

"Ich bin zumindest froh, daß die Kerle, die uns in der Winkelgasse massakrieren wollten ihre gerechte Strafe bekommen haben. Du kannst nicht leugnen, daß dein sauberer Onkel Astarot ein Schweinehund erster Klasse war, Tonya."

"Ach, das Fräulein Dawn muckt jetzt auch auf!" Zeterte Tonya. "Das Angebot an die Armstrong gilt auch für dich, neunmalkluge Gans. Lasst mich alle mit eurem Blödsinn in Ruhe! Sonst mache ich euch alle fertig."

"Ui, jetzt müssen wir auch noch vor der Angst haben", meinte Eunice Armstrong gehässig. "Als wenn der unnennbare nicht schon schlimm genug wäre."

Tonya hob den Zauberstab an. Da kam Rax Montague, die heute nach vier Wochen wieder eine Clubstunde beaufsichtigte und hatte ihren Zauberstab schon in der Hand.

"Tonya, weg damit!" Sagte sie nur. Tonya erbleichte. Dann ließ sie ihren Zauberstab schnell in ihren Umhang zurückgleiten. "Das Mädchen hat recht. Wer sich mit einem Emporkömmling einläßt, riskiert, von dem noch heftiger drangsaliert zu werden als von einem zur Macht erzogenen. Jetzt geht rein!"

Aurora entging nicht, wie in Lorens Gesicht ein gehässiges Lächeln aufblitzte, aber rasch verflog, als Tonya wie ein geschlagener Hund in den Übungsraum trottete.

Nach der Zauberkunststunde verteilte Rax Montague Punkte für die Schüler, natürlich etwas mehr für Slytherin. Aber Dina bekam stattliche zehn Punkte ab, weil sie die drangenommenen Zauber ohne Holpern schaffte.

"Morgen fliegst du voll vom Besen, Dawn. Ich freu mich schon drauf", zischte Tonya Aurora zu. Diese grinste. Tonya war wieder normal. Mit dieser Gehässigkeit konnte sie mittlerweile umgehen.

___________

"Die Spieler sind alle in der Luft, und die erste gefährliche Situation für Ravenclaw durch Packers, dem neuen Star der Slytherins .... und Dawn hat den Quaffel!" Rief Lograft, der Stadionsprecher, der dieses Schuljahr die letzte Saison kommentieren durfte. "Dawn weiter im Quaffelbesitz tanzt wieder ihre berühmten Doppelachser, kann gerade so noch unter einem Klatscher von Crusher durch, ist im Torraum!! Gehalten! Slyhterin konnte ... Toooor! Glänzend ausgetrickst von Aurora Dawn, die sich in den letzten Spielen ja schon zur Superjägerin gemausert hat!" Aurora hatte den Abschlag vom Tor postwendend zurückgeprellt und den roten Ball durch den rechten Ring gepfeffert. Der nächste Abschlag vom Tor brachte Slytherin in Quaffelbesitz. Das schnelle Gegentor schien unvermeidbar, wenn Boulder und Dasher nicht wie in Gedanken abgesprochen beide Klatscher so geschlagen hätten, das Damian Packers den sicheren Angriff in eine halsbrecherische Ausweichbewegung ändern mußte. So entglitt ihm der Quaffel, der einem Jäger Ravenclaws zuflog. Aurora ließ ihren Kameraden vorbeifliegen und sah, wie er das zweite Tor für Ravenclaw machte. Sie lauerte auf den Abschlag und fing den Quaffel, weil Alessandro Boulder den auf sie abgefeuerten Klatscher nach Billardmanier mit dem zweiten Klatscher abdrängte. Aurora kam vor das Tor, als Cyrus Torne, auch ein neuer Jäger der Slytherins, sie von hinten zu packen versuchte. Aurora verlor fast den Halt auf dem Besen, warf den Quaffel aufs Geratewohl zum Tor hinüber und versuchte, den sie foulenden Gegenspieler abzuschütteln. Im Torschrei der Ravenclaws erstickte der Pfiff Madame Hooches fast. Erst als sie Torne ins Ohr brüllte, den Besen Auroras loszulassen, hörte er auf, daran zu reißen. Das Foul brockte Slytherin einen Strafwurf ein, den Ronin McDougall zum drei zu null für Ravenclaw verwandelte.

"Und das Holzhacken der Slytherins geht leider weiter, liebe Zuschauer. Anders kann ich das nicht nennen", beschrieb Lograft die Prügelei, die sich über dem Feld abspielte. Aurora Dawn, nun auf hinterhältige Angriffe gefaßt, hielt sich weise aus direkten Zweikämpfen heraus und brillierte durch Zufallsangriffe oder Konter. Den Slytherins gelangen zwar durch ihr ruppiges Spiel vier Tore, eines, weil Mortimer Swift von einem Gegenspieler fast gerammt wurde. Doch die aus den Fouls erwachsenen Strafwürfe brachten Aurora und ihre Jägerkollegen immer im Tor unter, sodaß es nach etwa zwanzig Minuten bereits elf zu vier Toren für Ravenclaw stand. Als dann noch Karin Meridies in der zweiundzwanzigsten Spielminute den Schnatz fing, zeitgleich mit Auroras achtem Tor, brach wilder Jubel in den Rängen Gryffindors und Ravenclaws aus. Ravenclaw hatte mit 270 zu 40 Punkten einen sehr komfortablen Vorsprung vor den Slytherins und auch vor den Gryffindors herausgespielt. Würden die Gryffindors gegen Hufflepuff nicht haushoch siegen, konnte das für Ravenclaw den frühzeitigen Pokalgewinn bedeuten. Entsprechend besorgt und diensteifrig wurden die Helden von Ravenclaw von ihren älteren Mitschülern zum Schloß eskortiert, wobei es galt, mögliche Fluchattacken von Slytherins zu erkennen und zu vereiteln. Doch offenbar schien außer Tonya und Samiel keiner rechte Lust zu haben, sich an Aurora oder Mortimer zu vergreifen. Als sie es trotz der Eskorte versuchten, fingen sie sich drei Flüche auf einen Streich ein und landeten im Krankenflügel, wo Madame Pomfrey die durch die Mischung entstandenen Schäden auseinandersortieren und kurieren mußte.

In wolkenhoher Stimmung feierten die Ravenclaws die für sie so verheißungsvolle Vorentscheidung in ihrem Gemeinschaftsraum. Bruce, der Türhüter, der nach der Woche als Medeas unfreiwillige Gartenattraktion wieder seinen Dienst angetreten hatte, feierte insofern mit, daß er mit dem Zwerg, der vorübergehend seinen Job übernommen hatte, um die Wette trank, was darin endete, daß man in Ravenclaw eine Stallwache zurücklassen mußte, die ihren Kameraden den Eingang öffnen sollte, als es ans Abendessen ging. Denn Bruce war sternhagelvoll, und selbst die von Adora, einer Gehilfin Medeas aus Maggy herausgemolkene Milch, die durch einen Eindickungszauber zu Buttermilch gemacht worden war, konnte den heftig unter den Pferdefuß von Teufel Alkohol geratenen Bruce nicht so rasch in die Senkrechte bringen. Auf Roys Frage, was eine Magd Medeas mit Bruce zu schaffen habe sagte Adora:

"Erstmal bin ich nur eine Magd, wenn ich dieses braun-weiße Tier hier leerwringen muß. Zweitens hat ihre Ladyschaft mir befohlen, sicherzustellen, daß es keinen Ärger mit dem Eingang gibt, seitdem Dumbledore ihr androhte, ihr Bild der Schule zu verweisen. Aber sie richtet euch gerne aus, daß dieser Dienst an euch nur solange dient, solange ihr sie und uns respektiert und ehrt. Ihre Ladyschaft ist das so gewöhnt."

"Wo hat die ihre Lady denn her? Hat sie die beim Kartenspiel gewonnen?" Fragte Roy, der sich von älteren Mitschülern dazu hatte beschwatzen lassen, Meet zu trinken und gerade so noch oben und Unten unterscheiden konnte.

"Lady Medea hat ihren Titel anständig erworben, durch Ruhm und Leistung, nicht durch sowas wie Geburt oder Heirat, wie es die Unfähigen mit ihren Titeln anstellen."

"Unfähige? Wen meinse damit?!" Gröhlte Roy und unterdrückte ein Aufstoßen.

"Die die nichts mit Magie anfangen können natürlich", sagte Adora.

Aurora Dawn, die zur Stallwache gehört hatte und nun selbst zum Abendessen hinuntergehen wollte, öffnete das Portrait und zog Roy keck in den Gemeinschaftsraum hinüber.

"Komm, Roy. Dina kommt wohl gleich noch. Setz dich besser auf eine Couch! Wieviel von dem Honigwein hast du getrunken?"

"Nicht zu viel, Au- Hüicks Aurorara! wollte doch nur wissen, wieso die Medora Lady heißt!"

"Vorhin hieß sie noch Medea", lachte Aurora und bugsierte den nun langsam in hohen Seegang geratenden Kameraden zu einer freien Couch, wo sie ihn sogar zwischen weiche Kissen bettete.

"Eh, die Liverpooler Tröte hält nix aus", lachte Bruster, der zwar auch nicht mehr lotrecht einherschritt, aber wohl doch noch genug Stehvermögen besaß, um ohne kameradschaftliche Unterstützung einen Sessel zu finden.

"Eh, was wills'n du, B-bbrusi? Ist doch noch alles klar bei mir."

"Yep!" Erwiderte Bruster.

Mortimer kam zusammen mit Dina herein. Diese eilte auf Roy zu und sprach mit nicht ganz so fröhlicher Miene auf ihn ein, während Aurora, Petula und Miriam zum Essen gingen.

Als die Mädchen mit dem Rest der ersten Stallwache zurückkamen und die dritte Schicht der Eingangssicherer in die große Halle hinunterging, schlief Roy mit seinem Kopf an Dinas Schulter.

"Gut das morgen Sonntag ist", meinte Petula. "Der wird morgen einen Kopf wie eine dreiwällige Ritterburg haben deren Türme ihm die Schädeldecke durchbohren. Zumindest hat mein Dad das mal so genannt, als er auf einer Betriebsfeier auch so heftig zugelangt hat. mann, war Mum da sauer. Da wäre Wein sofort zu Essig geworden, nur durch ihr Hinsehen."

"Mein Vater hat mit Onkel Dustin ... Hmm, öhm, ja gut, mit dem hat der auch mal ein Wettrinken veranstaltet. Da war's meine Oma Regan, die die beiden heftig zusammengestaucht hat, Männer die schon dreißig Jahre alt waren", erzählte Aurora, die erst dachte, nicht über ihren toten Onkel Dustin sowas sagen zu sollen und es dann doch tat. Miriam meinte noch:

"Meine Tante Laura hat mal eine Kürbisbowle gemacht, da war ich gerade vier Jahre alt. Ich fand das doof, nichts davon trinken zu dürfen. Da habe ich mir, als die Erwachsenen sich unterhalten haben, die Fruchtstücke rausgesucht und die gegessen. Mum sagt ja immer, Obst ist gesund. Huiiii! Was danach passiert ist weiß ich bis heute nicht mehr. Ich weiß nur, daß Madame Dewdrop mich am nächsten Abend im Bett zugedekct hat und ich meinte, irgendwer würde mir von drinnen den Kopf zerhauen."

"Bowle und Früchte?! Kommt immer gut", meinte Bruster. "Hat mein Daddy auch mal gebracht, weil er meinte, Bowle sei was für Weiber - ähm, Frauen. Mum hat's drauf angelegt und ihn dann, als er unter den Tisch gerutscht ist, mit Tante Norma eine Trage heraufbeschworen, auf der sie Dad dann ins Schlafzimmer bugsiert hat. Aber ich bin noch senkrecht genug."

"Die in der magischen Heilkunde haben vor einigen Jahren ein umfassendes Gegengift erfunden, daß aus ganz tödlichen Giften und Universalheilstoffen wie Bezoar und Einhornhorn, sowie Phoenixtränen zusammengebraut fast alle rein natürlichen Giftstoffe unwirksam macht", entsann sich Aurora Dawn, einen Artikel aus dem Tagespropheten vorgelesen bekommen zu haben.

"Davon hat Madame Dewdrop erzählt. Die hat zusammen mit einer australierin namens Herbregis und einer Madame Eauvive aus Frankreich dieses Antidot erfunden", sagte Miriam. "Die Australische Giftküche ist ja heftig, was es allein an giftigen Tieren da gibt. Da möchte ich nicht im Freien schlafen."

"Och, Miriam! Du mußt nur da pennen, wo die Krokodile schlafen. Da trauen sich die Schlangen dann nicht hin", meinte Bruster.

"Willst du schon wieder Streit", stieß Miriam zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor und trat näher an Bruster.

"Mit dir nicht. Steht mir heute nicht der Sinn nach", meinte Bruster.

"Aber Roy hat's erwischt", meinte Miriam. "Die kriegen noch Ärger, die ihm den Meet aufgeschwatzt haben."

"Nur kein Neid, weil die keinen Schnepfeneierlikör rausgerückt haben", meinte Petula. "Priscilla hat die nämlich schon auf dem Kieker."

"Nur wegen Honigwein? Da kriegen die bestimmt keinen Abriss", meinte Bruster und versuchte, sich hochzustemmen. Dabei merkte er, daß sein Gleichgewichtssinn doch etwas nachgelassen hatte.

"Ja, glaubst du denn, die lassen junges Volk wie uns hier den Verstand versaufen?" Fragte Petula.

"Wer sich besäuft hat vorher schon keinen Verstand mehr gehabt, Petula", warf Miriam ein. Aurora meinte nur, daß sie besser nicht so überheblich reden solle, weil es ihr bestimmt mal ähnlich ergehen könne.

Tatsächlich bekamen die Jungs, die Roy und Bruster zum Meettrinken angeheizt hatten am Abend noch Ärger mit Professor Flitwick und einen Punktabzug in Höhe von 100 Punkten auf den Heimweg, was ihnen sicherlich noch mehr Kopfschmerzen machen würde als der Alkohol.

Dina war am nächsten Morgen besorgt, weil Roy nicht aus dem Bett gefunden hatte. Miriam ließ die gemalte Celestine Clover zu den Jungen in den Schlafsaal, wo Mortimer ein Bild eines Quidditch-Veteranen hängen hatte. Als Celestine zurückkehrte verkündete sie, daß Roy wohl nicht aufstehen könne, weil er Angst habe, sein Kopf könnte ihm vom Hals herabbrechen, so schwer sei er. Dina ging darauf hin zum Krankenflügel und fragte Madame Pomfrey, ob sie Roy helfen könne. Tatsächlich ging die Schulkrankenschwester in den Schlaftrakt der Jungen von Ravenclaw und untersuchte Roy. Sie gab ihm einen Zaubertrank, der die Auswirkung des Katers milderte, aber nicht ganz aufhob. Sie meinte, sie sei nicht dafür da, Leute, die sich nicht beherrschen könnten, andauernd wieder hinzubiegen. Zumindest konnte Roy beim Frühstück, Mittag- und Abendessen dabei sein.

Eine weitere Woche ging ins Land, bis Aurora einen Brief bekam, ob sie Lust habe sich am vierzehnten Februar mit Bernhard zu treffen. Sie antwortete, daß sie schon Lust habe allerdings nicht so recht wüßte, ob das jetzt wirklich schon so heftig sein würde. Denn seit der Rückkehr aus den Ferien hatte sie mit Bernhard nur zu wenigen Zeiten gesprochen. Doch vielleicht war das was neues, aufregendes.

So freute sie sich auf den Valentinstag, den sie früher nie so recht beachtet hatte, selbst dann nicht, wenn ihr Vater ihrer Mutter kleine Geschenke machte. Sollte sie für Berhnahrd was besorgen? Sie entschloss sich, von den Schokofröschen einen Karton zu besorgen.

Als der vierzehnte Februar erwacht war, kribbelte es Aurora im ganzen Körper, vor allem im Bauch. Was war mit ihr los? So heftig konnte das doch nicht sein, sich mit einem Jungen zum Valentinsspaziergang zu verabreden! Dennoch fühlte sie sich so, als habe sie ein Dutzend dieser Brausetabletten aus dem Honigtopf eingenommen, leicht und kribbelig.

Roy, der mit Dina wohl auch etwas verabredet hatte, wirkte gleichfalls hibbelig. petula und Miriam, die wohl keine Verabredungen hatten, wußten von Aurora nur, daß sie sich wohl am Nachmittag treffen würde. Doch für sie selbst war dieser Tag einer von vielen. In einigen Tagen würde Gryffindor gegen Hufflepuff spielen, und eine Woche vor den Osterferien würde Hufflepuff noch gegen die Slytherins antreten. Sonst war nichts besonderes.

Aurora konnte das Ende des Unterrichts kaum abwarten. Endlich konnte sie in den Gemeinschaftsraum gehen und ihr kleines Valentinsgeschenk für Bernhard Hawkins holen.

Im westlichen Park auf dem Schulgelände traf sie Bernhard, der mit einem großen Blumenstrauß wartete, sich umsehend, ob jemand ihn beobachtete, der oder die nicht mitkriegen sollte, daß er sich mit Aurora Dawn traf. Er ging mit ihr spazieren, unterhielt sich mit ihr über das zweite Dritteljahr, erzählte auch was davon, daß seine Eltern ihn heftig runtergeputzt hatten, weil er ihr geholfen hatte, diesen "Malfoy-Bastard" zu retten, wo doch allgemein bekannt sei, daß die Malfoys schwarzes Blut in den Adern hätten und dieses Pack besser gestern als morgen aussterben sollte. Aurora lachte darüber zwar, erkannte aber, daß sie ja ähnlich gefühlt hatte, als sie von dem Überfall auf das Hôtel Des Étoilles gehört hatte. Angeblich sollte der Vater des kleinen Draco ja bei diesem brutalen Überfall mitgemacht haben. Zumindest hatte ihr Vater das so erzählt.

Von Draco Malfoy kamen sie auf sich, was sie gerade so machten oder sich wünschten. Aurora erzählte Bernhard, daß sie nach dem Besäufnis von Roy und Bruster mehr über Heiltränke wissen wollte und wohl auch über magische Ersthilfe was nachlesen wollte. Bernhard erzählte ihr, wie er sich über die nun auch für ihn sichtbaren Thestrale erschrocken habe. Dann gingen beide dazu über, sich gegenseitig Komplimente zu machen, bei den Händen zu nehmen und durch den Park zu schlendern. Irgendwann hörte Aurora Bruster Wiffle lachen. Sie sah sich um, konnte ihn aber nicht sehen. Doch so wie er gelacht hatte, war er gerade sehr fröhlich.

"Hat der sich wen angelacht?" Wollte Bernhard wissen und grinste verschmitzt.

"Wissen wir nicht. Der ist seit einem Jahr so geheimnisvoll. Kann möglich sein. Aber wenn ich sowas rumerzählen würde, würde der mich auslachen", sagte Aurora Dawn.

Sie wechselten wieder das Thema und besprachen, daß sie beim nächsten Hogsmeade-Ausflug zu Madame Puddyfoot gehen könnten. Aurora meinte, daß dieser Laden eher für Mädchen oder jahrelange Paare gedacht sei und daß Bernhard sich seiner Sache wohl sehr sicher sei. Letzteres sagte sie mit einem scherzhaften Ausdruck auf dem Gesicht, sodaß Bernhard lachen mußte. Aurora stellte fest, daß er wohl etwas schüchterner war als sie, was ihr einen gewissen Mut eingab, ihn gezielter zu fragen, ob er sich freue, mit ihr zusammen zu sein. Er lief rot an, nickte nur und ließ einige Sekunden verstreichen, bis er sagte:

"Ich finde es schön, mit dir zusammen zu sein. Ich habe nicht gedacht, daß mich das echt so federleicht macht. Ich dachte damals, wo wir uns das erste Mal in Hogwarts gesehen haben, du wärest darauf versessen, nur zu lernen, weil deine Mutter ja hier war. Aber das ist ja nicht so."

"Ja, und ich habe erst gedacht, du wärest so ein Kraftprotz, der nur zeigen will, wie gut oder stark er ist und dann doch nie ohne seine Schwester rumläuft. Es ist schön, daß wir heute zusammen sind. Es ist spannend und auch schön, daß ich mich gerade so leicht fühlen kann, trotz der ganzen Sachen hier oder in der restlichen Zaubererwelt."

"Eh, genial. Das habe ich auch gerade gedacht", sagte Bernhard.

Wieder hörten sie Bruster lachen. Aurora versuchte, in die Richtung zu gehen, wo Bruster zu hören war. Doch sehen konnte sie ihn immer noch nicht.

"Der wird im südlichen Park sein, da wo die Springbrunnen sind. Wundere mich nur, daß den noch keiner drauf angespitzt hat, ob er wen hat. Sowas läuft in Hogwarts doch schneller herum als ein Hamster im Laufrad", sagte Bernhard, als Aurora ihn fragte, ob sie in die Richtung gehen könnten, wo Bruster war. Dabei liefen sie Rax Montague über den Weg, die mit einem Jungen aus der siebten Klasse zusammenstand, innig umarmt. Aurora wunderte sich. Der Junge kam aus Hufflepuff und war, soviel sie von Roy und Bruster mitbekommen hatte, ein Muggelstämmiger. Stimmte das Bild von den reinblütigkeitsbezogenen Slytherins doch nicht? Leise zogen sich Aurora und Bernhard zurück, während der Hufflepuff-Junge ungeniert seine Hand über Rax' Körper gleiten ließ und ihr wohl mit schönen Worten die Stimmung erhellte.

"Dann ist die wirklich eine von denen", meinte Bernhard flüsternd als sie etliche Dutzend Meter von den beiden älteren Schülern entfernt waren. Aurora fragte, von welchen denen er es hatte.

"Du hast wohl schon mal von der Sororitas Silenciosa gehört. Die schweigsamen Schwestern, wie sie auf Englisch heißen, sind eine Hexengilde, die schon seit vielen Jahrhunderten existiert. Die Hexen trachten danach, mit friedlichen Mitteln die Vorrrangstellung der Hexen zu erreichen. Es soll aber bei denen auch eine Gruppe geben, die so geheim ist, daß man nur darüber denkt, daß es sie gibt. Diese Nachtfraktion soll das Ziel, daß die Hexen die herrschende Klasse der ganzen Welt sind, auch mit den dunklen Künsten zu erreichen versuchen. Damit lägen sie natürlich quer mit Du-weißt-schon-wem. Ich habe nur mal gehört, daß die schweigsamen Schwestern keine Probleme damit haben, Muggel oder Muggelstämmige zu heiraten oder Kinder von denen zu kriegen, weil sie nicht wollen, daß durch ständige Blutzusammenführung schlummernde Schäden auftreten. Wenn also 'ne Slytherin so ungeniert mit einem Muggelstämmigen rumschmust könnte die eine Tochter einer Hexe sein, die in diesem Verein drin ist."

"Das könnte hinkommen, Bernhard. Ich habe davon gehört, daß es so um 1618 eine Lady Sycorax gegeben hat, die von einer Hexe namens Anthelia umgebracht worden ist, weil die die Macht übernehmen wollte."

"Sprich den Namen besser auch nicht zu laut aus, Aurora! Sicher ist die schon tot. Aber es soll noch Leute geben, die Angst davor haben, daß sie deren Familien verflucht hat und der Fluch wirkt, wenn man sich an sie erinnert. Die soll für ihre Tante Großbritannien beherrscht haben. Allerdings ist die Tante so um 1640 verschwunden oder hat sich selbst umbringen lassen. Nichts genaues weiß ich nicht."

"Höchst interessant", sagte Aurora, bevor ihr wieder einfiel, daß sie wegen was anderem zusammen waren.

Der Nachmittag verlief lange und fröhlich. Bernhard und Aurora umarmten sich sogar mehrmals, um zu fühlen, wie sie einander fanden. Doch auf einen Kuß, den Bernhard sich heimlich erschleichen wollte, ließ es Aurora nicht ankommen. Dafür sei es ihr noch zu früh, sagte sie nur. Bernhard sah zwar etwas enttäuscht drein, akzeptierte Auroras Verweigerung aber erst einmal.

Als beide sich wieder ins Schloß begaben, trafen sie Rax Montague, die Aurora und Bernhard genau ansah.

"Ich gehe davon aus, ihr hattet einen schönen Nachmittag", meinte sie ruhig. Aurora nickte. "Schön, ich auch", sagte sie nur. Doch irgendwie klang es so, als habe sie gerade verlangt, Aurora und Bernhard dürften darüber nicht mit anderen reden.

Beim Abendessen nahm Roy Aurora die Frage an Bruster ab, wieso er so gelacht habe. Bruster meinte nur, er habe sich im Park einige interessante Witze erzählen lassen und gab prompt einige zum besten. Als er jedoch von einer Sabberhexe erzählte, die bei einem Heiler antrat, weil sie von einem Muggel schwanger geworden sei, warf Roy ein, daß das bestimmt kein Witz sei, zumindest nicht für ihn. Bruster lachte darüber nur, genau wie am Nachmittag. Aurora blickte sich um. Konnte es sein, daß Bruster sich auch mit einem Mädchen getroffen hatte? Wenn ja mußte das doch rauszukriegen sein, wenn sie sich umsah. Doch die Mädchen an den anderen Tischen waren viel zu beschäftigt, ihren Klassenkameradinnen von ihren Treffen zu erzählen. So ging Aurora Dawn auch dazu über, mit Petula und Miriam zu tuscheln. Miriam fragte einmal flüsternd:

"Und, brennt das Feuer oder ist es nur ein Stück Kohle?"

"Im Moment ist es wohl eher was interessantes für mich, Miriam. Sowas wie Liebe oder Verliebtsein kenne ich ja noch nicht, genausowenig wie du."

"Woher willst du nicht wissen, daß ich nicht schon was mit einem Jungen angefangen habe?" Fragte Miriam. "Immerhin laufen in Hogsmeade auch ältere Jungen rum, mit denen ich mich bestimmt unterhalten kann, über die Blumen und die Bienen, und die Vögel und die Bäume."

"In Ordnung, Miriam. Ich war vielleicht etwas zu überdreht."

"Na ja, Aurora. Dann wissen wir zumindest jetzt, daß du mit dem Valentinstag was anfangen konntest. Was daraus wird, wird sich ja dann noch zeigen."

"Denke ich auch", sagte Aurora.

__________

Tatsächlich traf sich Aurora in den nächsten Tagen und Wochen häufiger mit Bernhard, wenn es draußen nicht gerade regnete. Doch als das Spiel Gryffindor gegen Hufflepuff heranrückte, war er nur auf Quidditch fixiert. Als dieses Spiel dann knapp für Gryffindor verlorenging, weil Hufflepuff bei einem Rückstand von 13 toren den Schnatz gefangen hatte, mußte Aurora ihn trösten, weil er sich schon fragte, ob er beim Spiel irgendwas falsch gemacht hatte.

Der Zauberkunstclub entwickelte sich sehr gut. Die Mädchen mochten es am liebsten, wenn Petulas Schwester die Übungen beaufsichtigte, weil sie auch verspielte Zaubereien als Fortschritt ansah, insbesondere, wenn Dina Murphy, die jetzt erst mit ihrem Zauberstab richtig gut klarkam, selbst unsinnige Tricks in Vollendung hinbekam. Als Priscilla ihnen den Celeritransvestitus-Zauber vorführte, der es möglich machte, innerhalb von Sekunden die Kleidung zu wechseln, kam es zu einer komischen Vorstellung.

Aurora versuchte, den neuen Zauber erst vorsichtig zu wirken, Bevor sie die Kleidung an ihrem Leib gegen einen blauen Ravenclaw-Umhang zu tauschen versuchte, der in ihrem Koffer lag. Bei Priscilla war das so fließend abgelaufen, daß alle gedacht hatten, sie habe ihre Kleidung verwandelt. Dies, so hatte Priscilla auch erklärt, treffe zum Teil zu. Es würde eine Magie aufgerufen, die ähnlich wie ein Fluch, der Intercorpores-Permuto heiße, die Form zweier Körper miteinander vertausche. Doch als Eunice ausprobierte, sich innerhalb von Sekunden umzukleiden, stand sie unvermittelt splitterfasernackt im Übungsraum. Ihr Hogwartsumhang war gänzlich verschwunden, ebenso ihr Unterzeug.

"Jetzt ist wohl jeder hier klar, weshalb wir diese Übungen nach Geschlechtern getrennt machen", sagte Priscilla über das schadenfrohe Lachen der anderen hinweg. Eunice, die vom Hals bis unters Haar knallrot angelaufen war, obwohl sie hier nur unter Mädchen war, wußte nicht, ob sie nicht besser mitlachen sollte. Priscilla beschwor einen neuen Hogwartsumhang herauf und gab ihn Eunice, die ihn anzog. priscilla zauberte dann ein wenig an dem Umhang herum, bis er richtig saß. Das Problem war jetzt nur, daß Eunice keine Unterwäsche trug und daher den Umhang möglichst fest verschlossen halten mußte, um keine privaten Stellen zu entblößen. Jedenfalls hatte es Aurora auch erst dann mit dem Zauber heraus, als sie zwischenzeitlich in einem vergrößerten Strampelanzug gelandet war, von dem sie nicht wußte, wie sie den hinbekommen hatte.

"Also, wir halten noch einmal fest, daß der Celeritransvestitus-Zauber teilweise Verwandlungs- anderenteils Versetzungselemente enthält. Eunice hat den Entkleidungsvorgang hinbekommen, den Fluß für die Umkleidung aber zunächst nicht herausbekommen. Doch jetzt geht es wohl. Ihr müßt alle darauf achten, euch nicht ablenken zu lassen. Gerade die den Zauber noch selten probiert haben, können in ähnlich peinliche Situationen geraten wie Eunice oder Aurora. Woran hast du gedacht, als du den rosa Strampelanzug angezogen hast?"

"Hmm, mir ging gerade durch den Kopf, ob meine Mutter mich früher auch durch Zauberei umgezogen hat, wo ich noch klein war", meinte Aurora.

"Aha, da haben wir es. Die mentale Komponente, also das woran ihr beim Zaubern denkt, ist neben der Anfangs- und der Endbewegung des Zauberstabes die wichtigste. Die Zauberwörter sind drittrangig, weil eine geübte Hexe oder ein Zauberer diesen Zauber ganz ohne Worte in einer Sekunde vollbringen kann. Im Grunde bildet die verbale Komponente, also die Zauberformel, eine Art Halteseil, an dem ihr euch am Anfang langhangeln müßt, bevor der Fluß von Gedanken und Bewegung so reibungslos abläuft, daß jedes Wort eine Verzögerung ist. Ähnliches hat euch Professor McGonagall sicher auch über Verwandlung erzählt. Wer die ineinanderfließenden Komponenten verinnerlicht hat, braucht da keine Worte mehr. Den Strampelanzug hat Aurora sich aus ihrer Vorstellung und aus vorhandener Kleidung zusammengezaubert, also keinen Kleidertausch, sondern eine unfreiwillige Kleiderumwandlung. Ich denke, in meinen Übungsstunden testen wir den Zauber immer wieder. Ich persönlich finde, es war eine schöne Erfindung für Hexen, diesen Schnellumkleidezauber zu können." Wie um zu bestätigen, wie wichtig ihr das war drehte sich Priscilla rasch um und trug auf einmal eine weiße Ballrobe mit goldenen Schulterstücken. Dann drehte sie sich erneut um ihre Achse und war wieder schulmäßig korrekt gekleidet. Die jüngeren Mädchen wußten, daß sie an diese Meisterhaftigkeit noch nicht einmal im Ansatz herankamen, weil sie wenn überhaupt eine halbe Minute brauchten, um die Kleidung durch Zauberei zu wechseln.

"Wer hat den Zauber denn erfunden?" Fragte Aurora Dawn.

"Hmm, lass mich nicht lügen, Aurora. Aber wenn ich mich an die Übungen damit erinnere geht der Umkleidezauber auf eine Teresa de la Tierra Florida im zeehnten Jahrhundert zurück. Sie gehörte damals zu jenen Zaubererfamilien, die eine ähnlich hohe Rangstellung einnehmen wie der Adel bei den Muggeln. Irgendwann ist sie nach Frankreich übergesiedelt und hat sich mit einem gewissen Norbert Lesauvage verheiratet, der der Sohn eines der Gründer von Beauxbatons war, nach Hogwarts die bekannteste Zaubererschule Europas. Ihre Familie muß jedoch so mächtig gewesen sein, daß sie den Mädchennamen als Ehenamen behalten konnte. Nur irgendwann ist aus de la Tierra Florida nur noch der französische Kurzname Latierre geworden. Näheres könnt ihr im Almanach der archaischen Abstammungen nachlesen, der für jeden in der Bibliothek ausliegt und denen, die mit unserem Professor Binns noch nicht alle Lust auf Zaubereigeschichte verloren haben eine geniale Möglichkeit bietet, die eigene Familiengeschichte zu erforschen. Den Almanach gibt es in dreißig Bänden, wenn ihr wirklich mal was darin nachlesen wollt."

"Im zehnten Jahrhundert trugen die Hexen wohl auch noch eine ganze Menge Über- und Unterröcke", meinte Loren. Dann lächelte sie verschmitzt. "Dann war dieser Zauber wohl eher zum Ausziehen gedacht, wie?"

"Öhm, Loren, will ich nicht ganz ausschließen. Die besagte Familie stand im Ruf, sehr gerne viele Nachkommen zu haben. Bekanntlich ist übermäßige Bekleidung für diesen Zweck etwas hinderlich." Sie schlug verlegen die Augen nieder. Dann meinte sie noch: "Aber wer wirklich an Familiengründung denkt wird schnell lernen, daß es Zauber gibt, die zwar schnell gehen aber doch den Spaß an der Sache verderben, eben weil sie zu schnell gehen. Zumindest hat meine Mutter das gesagt, und da ich hier noch wen sehe, die aus meiner Familie abstammt, muß ich davon ausgehen, daß sie es wohl wissen muß." Alle lachten, auch Petula.

Nach der Zauberkunstübungsstunde sagte Priscilla allen noch, daß sie mit der Gruppe sehr zufrieden war und sie bei Tulipa Crane in der nächsten Woche Frisierzauber ausprobieren würden. Wenn Rax wieder drankam, sollte es wohl an die ersten Kochübungen gehen, ein Ei in einer Sekunde verschieden hart kochen zu lassen und so.

"Diese Rax Montague ist eher für Haushaltssachen zu haben", meinte Miriam. "Aber deine Schwester sollte Lehrerin werden, Petula. Bei der lernt man nicht nur was, sondern hat noch Spaß dabei." petula zwinkerte ihrer Schwester auf der anderen Seite des Ravenclaw-Tisches zu. Diese nickte und lächelte.

"Dann lerne ich in diesem Jahr vielleicht diesen Mansiordinifacta-Zauber, den meine Oma Regan ganz toll kann", meinte Aurora.

"Das wird aber ein bißchen happig", meinte Miriam. "Meine Mutter, die den auch gut kann, hat sich einmal aus dem Rhythmus bringen lassen. Danach sah unser Haus aus wie eine Baustelle, und es hat vier funktionierende Aufräumzauber gedauert, bis alle Zimmer endlich vorzeigbar waren. Also wenn du den Zauber kannst, bist du wirklich gut."

"Ach, dann lasse ich den besser aus", meinte Dina. "Wenn ich da wieder den Stab anders schwinge explodiert nachher noch das Haus oder ich lasse es komplett verschwinden oder sonstwas."

"Ich denke, wenn diese Rax Montague dir sagt, du sollst den lernen, wirst du dich nicht darauf rausreden können", meinte Miriam, die Dinas Tolpatschigkeit bei praktischen Zaubereien mit einem gewissen Bedauern betrachtete.

"Was glaubt ihr, wo wir's von den Slytherins haben. Kriegen die morgen von Hufflepuff die Hütte dicht?" Fragte Aurora. Roy, der sich freute, endlich etwas sagen zu können, nachdem die Mädchen sich nur über ihre Übungszaubereien unterhalten hatten:

"Die Hufflepuffs spielen morgen in Grün. Dann gewinnen die das Spiel."

"Haha, wie witzig", warf Bruster ein. "Du glaubst es echt nicht, daß die Hufflepuffs nicht doch den schnellen Schnatzfang hinkriegen und die Slytherins wieder aus dem Wettbewerb kegeln?"

"Im Moment nicht", sagte Roy entschlossen.

__________

Tatsächlich zeigten die Spieler in Grün am nächsten Tag eine Glanzvorstellung in der Kunst, den Gegner möglichst schon im eigenen Torraum aus den Angeln zu heben. Lograft kam gar nicht mehr mit den Torrufen nach, bis Slytherin das dreizehnte Tor ohne Gegentor erzielt hatte. Doch dann passierte tatsächlich, was Bruster angedacht hatte. Slytherins Sucher sah eine Sekunde zu spät den goldenen Ball mit den Flügeln. Als er losfegte, den Schnatz zu fangen, war der Sucher aus Hufflepuff bereits dran, packte zu und ließ sich mit dem kleinen Ball nach hinten abfallen.

"Tja, auf ein neues", lachte Roy Fielding. "Die Schüssel dürfen wir wieder mit den Gryffindors ausspielen. Kuck dir die Rattler an, wie blaß die ist!"

"Wundert mich kein Stück, weil der Sucher von Hufflepuff auch fast von Tonyas Onkel umgebracht worden wäre, als der durch die Winkelgasse gezogen ist. Könnte mir vorstellen, daß die immer wieder daran gedacht hat, den von hier aus herunterzufluchen. Aber Dumbledore sitzt blöderweise zu gut, als daß sowas unbemerkt bleibt", spottete Aurora Dawn. Dann gingen sie aufs Spielfeld und gratulierten der siegreichen Mannschaft.

"Danke für den Pokal!" Sagte Mortimer zu Dorothy Flannigan, einer Jägerin aus dem Hufflepuff-Team. Diese lächelte.

"Den kriegt Gryffindor. Denkst du, ich lasse mir Klatscher um die Ohren hauen, damit ihr den holt, wo ich den meinem Süßen Wilbur schon versprochen habe?"

"Man soll nichts versprechen, wenn man es nicht halten kann", erwiderte Mortimer überlegen lächelnd. Dann zog er sich mit seinen Mannschaftskameraden vom Spielfeld zurück, um den Hufflepuff-Anhängern die Ehre zu gönnen, ihre Helden zurückzueskortieren.

Aurora unterhielt sich am Tag darauf mit Bernhard über das Spiel und daß es nun wieder an ihnen beiden lag, wohin der Pokal gehen würde.

"Professor McGonagall sagt, der steht bei ihr im Büro besser als sonstwo. Ich würde mich hüten, so blöd zu spielen, daß sie nachher noch sauer auf mich ist."

"Ich denke, Professor Flitwick möchte den gerne einmal aus der Nähe besehen", sagte Aurora Dawn. "Wenn es geht, darf er sich freuen."

"Und wenn nicht?" Fragte Bernhard belustigt.

"Du meinst, wenn er den Pokal nicht überblicken kann und sich daher nicht freut?"

"Ich meine, wenn ihr den Pott nicht holt, was völlig klar ist."

"Ihr hattet den jetzt dreimal hintereinander. Lass doch mal andere damit herumlaufen!"

"Nur weil wir beide uns jetzt gut vertragen ziehe ich mir doch keinen Ärger mit McGonagall zu", lachte Bernhard. "Der Pott gehört uns und bleibt auch bei uns. Basta!"

"Ach komm, wenn du schon so abfällig davon sprichst, kannst du gerne jeden anderen Suppentopf haben oder auch einen kleinen Blumentopf, damit eure Lehrerin zufrieden ist", erwiderte Aurora.

"Nix gibt's. Der Quidditchpokal wird auch im nächsten Schuljahr Gryffindor heißen und nicht Ravenclaw."

"Tja, mit Hufflepuff und Slytherin wird's ja leider nichts", sagte Aurora mit gespieltem Bedauern.

"Slytherin?! Komm! Das ist kein Spaß. Auf dem Pokal hat ein anständiger Name zu stehen und nicht der Schriftzug von Leuten, die sich so benehmen wie ihr Wappentier."

"Denkst du, euer Wappentier ist besser, ein stets das Maul aufreißendes Untier, daß immer Hunger hat?" Konterte Aurora.

"Klar, euer Brathahn im Wappen ist wesentlich edler als unser goldener Löwe. Aber den Hahn schlachten wir nach Ostern, nachdem er die Eier gelegt hat. Das wird ein Hähnchengrillfest."

"Oder wir versaufen das Fell eures Löwen", erwiderte Aurora, der das Geplänkel sichtlichen Spaß bereitete.

"Der frißt euren Gummigeier genauso wie den Giftwurm der Slytherins und den Maulwurf der Hufflepuffs. Wie du sagtest, der hat immer hunger und ein großes Maul. Da paßt euer Geflügel quer durch."

"Nur daß Löwen nicht fliegen können. Deshalb gehört der Pokal denen, die gut fliegen können und einen Flieger im Wappen haben. Nach Ostern treffen wir uns auf dem Feld und klären das da."

"Na klar, mit deiner Doppelachsentanzerei, mit der du die Schlangenanbeter ausgetwistet hast? Denk nicht, Becky und ich würden uns zurückhalten."

"Von deiner Schwester denke ich das eh nicht", sagte Aurora lächelnd.

"von mir besser auch nicht, Aurora", knurrte Bernhard, der offenbar hier keinen Spaß mehr verstehen wollte.

Nach dem Geplänkel um das nächste Spiel sprachen sie noch einmal über die Sache mit Fluffy und das was in der Winkelgasse und danach passiert war. Sie waren sich einig darüber, daß die Leute, die den Überfall gemacht hatten, gegen die Anweisungen des dunklen Lords verstoßen hatten. Wenn Bellatrix Lestrange wirklich zu seinen Anhängern gehörte und sich bei ihm beschwert hatte, konnte der wohl so sauer geworden sein, daß er alle, die gegen seine Anweisung verstoßen hatten, so grausam umbrachte, wie er es getan hatte.

__________

Einige Tage später trafen Aurora und Petula Mr. Filch, der sichtlich niedergeschlagen dreinschaute und eine graue, klapperdürre, tote Katze über seinen Armen trug. Sie fragten ihn vorsichtig, was er habe.

"Sie ist tot, meine Süße. Zwanzig Jahre alt ist sie nur geworden. Die Langlebigkeitstropfen reichten nicht."

"Das tut uns Leid", log Aurora. Denn Mrs. Norris, wie die klapperdürre Katze hieß, war keinem Schüler wirklich ans Herz gewachsen. So freuten sie sich, als Filch weit genug weg war, daß der Hausmeister demnächst ohne seine kleine Spionin auskommen mußte.

Doch sie hatten sich zu früh gefreut. Einen Tag vor den Osterferien kam Filch mit einem kleinen Fellknäuel in den Händen daher und sprach auf es ein. Aurora erfuhr von Eunice, die es mitbekommen hatte, daß Filch bei Dumbledore sein Leid geklagt hatte. Dieser hatte, weil Filch wohl sehr an seiner Katze gehangen hatte, nachgeforscht, wo die Familie herstammte, aus der Mrs. Norris gekommen war und ein winziges Kätzchen gefunden, das gerade zwei Wochen alt war. Mit Langlebigkeitstropfen und wohl etwas, das den Grips schärfte, würde Filch sich in den nächsten Monaten ein neues treues Tier heranziehen, das den Schülern nachschnüffelte und ihn holte, wenn es was zu bestrafen gab. Daß er dieses kleine, niedliche Kätzchen auch Mrs. Norris nannte, setzte dem ganzen auch noch die Krone auf.

So redeten die Schüler am nächsten Morgen, als sie bereits im Hogwarts-Express saßen, von nichts anderem als von der neuen Mrs. Norris. Aurora wollte aber zu gerne wissen, mit wem Bruster den Valentinstag verbracht hatte. Doch Bruster verriet es nicht. Selbst als Roy stichelte, Bruster wolle ja nur nicht zugeben, daß er keine Freundin abkriegen würde, blieb Bruster ruhig und sagte:

"Wer sagt, daß man am Valentin mit einem Mädchen rumlaufen muß. Andererseits hast du es nötig, Roy. Du bist doch nur mit Dina zusammen, weil sie sonst keiner angequatscht hätte."

"Eh, sag das nochmal!" Geriet Roy in Wut. Bruster grinste.

"Siehst du, so gehen dumme Sticheleien sofort nach hinten los, Roy."

"Das ist aber nicht nett, was du gesagt hast", zischte Dina Bruster zu. "Nur weil du meinst, ein Supergeheimnis um etwas zu machen mußt du nicht andere dumm anpöbeln."

"Dina, zum einen behauptet ihr andauernd, ich würde um irgendwas ein Geheimnis machen, nicht ich. Zum anderen wollte ich deinem Auserwählten nur zeigen, wie schnell jemand seine eigene gequirlte Kacke um die Ohren gehauen kriegen kann."

"Das Roy und du es nicht lernt, euch anständiger auszudrücken", gab Petula genervt von sich. Roy und Bruster grinsten. Immer wenn sie beide gemaßregelt wurden, war jeder Streit zwischen ihnen wie weggeblasen. Aurora fragte sich, ob Streitereien es wert waren, wenn eine Bemerkung ausreichte, sie zu beenden. Dann brauchte man sie erst gar nicht anzufangen. Doch was wußte sie von den Streitereien zwischen Jungen. Sie wußte dafür, daß Bruster offenbar wirklich ein Geheimnis hatte, das er jedoch immer noch gut zu hüten verstand, trotz der Dorfatmosphäre in Hogwarts, wo jeder von jedem irgendwann alles zu wissen schaffte. Aber sie freute sich auch, daß Bruster es schaffte, ohne groß angeben zu müssen interessant zu sein. Sicher, mit Bernhard war sie seit der Sache mit Fluffy recht gut zusammengekommen. Aber Bernhard war was für den Bauch. Brusters Geheimnis war was für den Kopf. Beides gefiel ihr. Mit beidem würde sie nach den Osterferien noch viel Spaß haben.

Als der Zug auf dem geheimen Bahnsteig in London anhielt, war es Aurora etwas mulmig zu Mute. Schon einmal hatten die Todesser des Unnennbaren sie hier überfallen. Doch das Zaubereiministerium hatte wieder viele Sicherheitszauberer aufgeboten, die den Bahnsteig beschützten.

Mr. Dawn hatte eine Überraschung für seine Tochter. Er hatte es geschafft, Zimmer im Gasthaus von Hidden Groves in Australien zu ergattern. Dort sollte es einen umfangreichen Tier- und Pflanzenpark geben, den man nicht an einem Tag völlig erkunden konnte. Die Anreise sollte mit dem Pazifikpendler des fliegenden Holländers stattfinden, weil das interkontinentale Floh-Netz noch nicht so gut ausgebaut war, daß eine direkte Flohpulverreise nach Australien geklappt hätte. Außerdem, so sagte Mr. Dawn scherzhaft, würden seine beiden Frauen ja soviel Gepäck mitnehmen, daß man damit leicht im Kamin stecken bleiben konnte. So freute sich Aurora Dawn auf eine interessante Ferienreise, die sie hoffentlich weit genug von den Todessern fortbrachte.

ENDE

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