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Was bisher geschah | Vorige Story
Julius' Andrews zweites Schuljahr in Beauxbatons beginnt mit einer Überraschung. Denn neben der deutschen Junghexe Waltraud Eschenwurz, die für ein Jahr die Akademie besuchen möchte, kommt auch seine frühere Hogwarts-Schulfreundin Gloria Porter nach Beauxbatons.
Weil die Lehrer die fortgeschrittenen Gaben fördern wollen, halsen sie ihm Zusatzaufgaben auf. Diese und die Geheimnisse, die er zu hüten hat, drohen, die im letzten Jahr so harmonische Beziehung zu Claire Dusoleil zu zerstören. Julius geht mit der Knieselin Goldschweif eine magische Bindung ein, so daß er sie nun wie eine Menschenfrau sprechen hören und verstehen kann.
Weil Claire es leid ist, daß Julius ihre Konkurrentinnen nicht ernst genug zurückweist verlangt sie von ihm, sich ihr unbekleidet zu zeigen, was in der französischen Zaubererwelt einem indirekten Heiratsantrag gleichkommt. Zunächst stutzt Julius, will eigentlich nicht so früh so feste Verhältnisse schaffen. Doch als Claire sich umwenden und ihn verlassen will erkennt er, daß er sie schon immer geliebt haben muß und folgt ihrem Wunsch. Daraufhin zieht auch sie sich aus, so daß beide sich unverhüllt ansehen können. Danach wirken sie beide einen Zauber, der nur bei geschlechtlich unberührten Magiern gelingt, die sich von ganzem Herzen lieben. Der Zauber wirkt tatsächlich. Dadurch sind sie nun über Haarsträhnen des jeweils anderen miteinander verbunden, ordentlich verlobt.
Julius träumt immer wieder von einer fremdartigen Stadt und einer unbekannten Frau, die ihn dort trifft und ihm was wichtiges sagen will, das er jedoch nicht versteht. Als er dann mitte Oktober das Bild des Wahrsagers Gregorian findet, der andauernd von der endzeitmäßigen Wiederkehr eines Dämonenfürsten namens Iaxatahn faselt, geschieht etwas merkwürdiges. Das Bild Gregorians wird zu einem pompösen Stadttor mit darauf postierten Wachen. Keine gemalte Person kann in dieses Bild vordringen. Julius fällt aus dunklen Nischen seines Unterbewußtseins ein Losungswort ein, das er benutzen kann. Professeur Faucon händigt ihm das einst für ihn angefertigte Intrakulum aus, mit dem er in die gemalte Welt und zu dem Tor hinüberwechseln kann. Dort ruft er das ihm als richtig erscheinende Losungswort und wird durch das Tor geführt. Damit setzt er jedoch eine Folge von Ereignissen in Gang, die aus grauer Vorzeit überliefert sind. Er wird von einem der Torwächter durch das gemalte Bild jener Stadt aus seinen Träumen geführt, dann in ein völlig leeres Bild gebracht und dort sich selbst überlassen. Julius verläßt, nachdem er herausgefunden hat, daß er wohl im nahen Osten sein muß, das Bild und betritt damit eine uralte, geheime Festung, die von der Magierbruderschaft des blauen Morgensterns behütet wird. Diese bemächtigen sich Julius und verhören ihn. Danach erfährt er, daß alle ihm bisher passierten Dinge als Zeichen des dauerhaften Siegelträgers Darxandrias, der letzten gutmütigen Herrscherin des sagenumwobenen alten Reiches zu deuten sind und das er somit deren Erbe annehmen kann. Claires Großmutter Aurélie Odin ist auch bei den sonst sehr frauenfeindlich eingestellten Brüdern. Er wird in eine Halle geführt, wo er einen letzten Test bestehen soll. Als er es schafft zu einer Truhe vorzudringen und den ungefährlichsten Gegenstand daraus zu bergen, eine steinerne Kugel mit silbernen Verzierungen, erscheint ihm jene Frau aus seinen Träumen, Darxandria und bestätigt, daß er ihr Erbe und Siegelträger sei. Doch diese Offenbarung macht den Morgensternbrüdern unter Yassin Iben Sina solche Angst, daß sie Julius in ihrer Obhut behalten und die Verbindung zwischen ihm und Claire trennen wollen. Madame Odin rettet Julius zusammen mit ihrem einzigen Verbündeten, dem Iraner Mehdi Isfahani und erläutert Julius, was es mit der alten Prophezeiung, dernach er in diese Lage gekommen ist, auf sich hat. Auch Claire wird nun informiert und ist erwartungsgemäß nicht gerade begeistert.
Julius hofft, jetzt Ruhe vor den ihn immer noch jagenden Magiern von der Morgensternbruderschaft zu haben. Doch er irrt sich gewaltig. Sie entführen Madame Odin und belegen sie mit dem Blutrachefluch, der alle gleichgeschlechtlichen Verwandten von ihr, darunter auch Claire, innerhalb einer Stunde töten soll. Da sie nur in der geheimen Festung sein kann, bricht Julius gegen den Widerstand Madame Maximes erneut dorthin auf. Er weiß, daß sein weiteres Leben dadurch völlig verändert werden kann. Doch das was ihn erwartet, übersteigt seine kühnsten Vorstellungen. Er erfährt, daß etwas von Darxandrias Wissen in ihm schlummert, mit dessen Hilfe er zeitweilig im körperlosen Zustand durch die alte Festung reist, gegen Golems und Geschöpfe aus Rauch und Feuer bestehen muß und erst mit Hilfe von Madame Odins mächtigem Schutzamulett die Oberhand gewinnen kann. Er findet Madame Odin. Doch Yassin iben Sina will sie beide nicht entkommen lassen und greift mit dem Todesfluch an, im gleichen Moment, wo Julius die Zauberformel spricht, die die Kräfte des sternförmigen Amuletts freisetzen. Dabei passiert es, daß Madame Odin, die sich schützend über ihn wirft, zu einer Gestalt aus Licht wird. Ein zweiter Todesfluch zerrt Claire Dusoleil aus ihrem Körper zu Julius, der sich nun in der überirdischen Daseinsform der mächtigen Magierin Ashtaria wiederfindet, so daß die beide ihrer Körper beraubten Aurélie und Claire mit ihm von ihr getragen werden. Er ist erschüttert, als er erfährt, daß Claire durch ihren Versuch, ihm zu helfen, ihren Körper unwiderbringlich verloren hat. Sie beschwört Julius, nicht um sie zu trauern, wenn er wieder zurückkehrt und ein neues Glück zu suchen. Dann verbindet sich ihre körperlose Seele mit der ihrer Großmutter und verläßt den astralen Körper Ashtarias. Julius soll, will er weiterleben, um seine körperliche Rückkehr kämpfen, seine Wiedergeburt erzwingen. Beinahe mißlingt es ihm, Ashtaria zu verlassen. Doch als er es schafft, gratuliert sie ihm, weil er um die Fortsetzung seines Lebens gekämpft hat und damit genug Lebensmut und Zuversicht gezeigt hat. Dann verschwindet Ashtaria, und ein weiteres Wesen aus reinem Licht erscheint und stellt sich als Ammayamiria vor, die Zweiseelentochter von Claire und Aurélie. Sie bittet Julius und ihre Verwandten darum, nicht um ihre früheren Körper zu trauern und besteht darauf, daß sie wieder Spaß am Leben haben sollen. In einer Anrührenden Abschiedsfeier wird Claires entseelter Körper auf dem Friedhof von Millemerveilles beerdigt. Ab nun heißt es für Julius, ohne Claire weiterzuleben. In den nächsten Wochen lernt er Mildrids zwergische Großmutter väterlicherseits und ein echtes Vampirehepaar kennen. Er hat gegen Amamayamirias Wunsch nicht sofort wen neues gesucht, sondern stürzt sich in die Schularbeiten und Sonderaufgaben. Quidditch ist die einzige wirkliche Abwechslung, die er sich gönnt. Er freut sich jedoch auf Weihnachten, da sollen zwei wichtige Feste stattfinden und er wird zum ersten mal alle im Château Tournesol schwanger gewordenen Hexen auf einen Haufen versammelt sehen.
Corinne Duisenberg wirbelte auf ihrem Besen herum. Der kleine, freche Golbasto hatte ihr gerade "Quaffel mit Armen und Beinen" zugerufen, weil sie sich einfach hatte herumrollen lassen, um zwei Klatschern auszuweichen. Dann sah sie endlich, was sie schon seit einer geschlagenen Stunde suchte und trieb ihren Besen zur höchstgeschwindigkeit an. Collis merkte zwar, daß seine direkte Gegenspielerin den goldenen Schnatz ins Visier genommen hatte, kam aber nicht schnell genug hinterher, weil ihn unvermittelt alle Jäger und die beiden Treiber aus Corinnes Mannschaft umzingelten.
"ihr gemeinen Mistkerle. Laßt mich da gefälligst durch!" Rief er. Doch da hatte Corinne den geflügelten Flitzeball schon in der linken hand und reckte sie hoch.
"Aus!! Corinne Duisenberg holt für ihre Mannschaft den Schnatz und wirft das ganze Spiel komplett um!" Rief Brassu etwas verstimmt. "Ihr Fang beschert den Blauen insgesamt 340 Punkte. Violett kann mit 280 Punkten zumindest was hermachen."
"Hui, da war die aber gut auf Draht", sagte Waltraud Eschenwurz, die links von Julius saß und sich mit Maurice Dujardin unterhielt, dem Sucher der Mannschaft des gelben Saales.
"Gut zu wissen, daß die so drauf sind, wenn die Sucherin von denen den Schnatz gesehen hat", sagte Dujardin. Julius, der rechts von Hercules Moulin flankiert wurde meinte:
"Die haben von uns gelernt, Hercules."
"Da kannst du drauf wetten, Julius", erwiderte Hercules Moulin vergnügt. "Seitdem die kleine, runde Duisenberg deren Kapitänin ist sind die immer besser geworden. Gut, daß wir die im allerersten Spiel hatten und Agnes uns die Schnatzfangpunkte gesichert hat."
"Tja, und in zwei Wochen dürfen wir Golbastos violette Truppe richtig versenken", meinte Julius.
"Na, sollen wir mal lieber aufpassen, daß die nicht gelernt haben und uns die Punkte vermasseln, die wir nötig haben, um den Pokal zu kriegen", sagte Hercules leicht betrübt. Er wußte, daß die Violetten sich mit derartig knappen Niederlagen nicht so leicht abfanden und ein Spiel später sehr viel heftiger einstiegen. Doch eines wunderte den Klassenkameraden von Julius, daß die Blauen auf einmal richtig sportlich spielen konnten. Offenbar hatte das Spiel- und Flugverbot für die Rossignol-Zwillinge, Lesauvage und die anderen Rüpel aus dem blauen Saal doch was bewirkt.
"Wenn wir nicht aufpassen wird der Pokal noch blau", unkte Julius.
"Wenn Brochet die Roten in den nächsten Spielen auch andauernd um die hundertfünfzig Punkte bringt sollten wir uns auf die Blauen einstellen. Nennt man das nicht Fernduell?" Erwiderte Hercules.
"Genau, Hercules", bestätigte Julius. "Pech nur, daß wir das jetzt nicht mehr im direkten Spiel klarmachen können, obwohl wir ja doch ziemlich heftig abgestaubt haben."
"Dieses Einschnürmanöver entspricht nicht den gültigen Regeln!" Zeterte Brassu mit immer noch magisch verstärkter Stimme. "Die Punkte müssen anders verteilt werden."
"Maul halten!" Brüllten welche aus dem blauen Saal dem Stadionsprecher zu, der seine Verehrung für die Mannschaft seines Saales nicht mehr verhehlen konnte. Madame Maxime, die mit den Saalvorstehern Pallas und Paralax zusammen in der obersten Loge gesessen hatte, beugte sich zu Ferdinand Brassu hinunter und flüsterte ihm was zu. Daraufhin stand dieser auf, machte eine abbittende Geste, verbeugte sich vor der Schulleiterin und verließ seinen Platz mit bleichem Gesicht.
"Ups, hat unsere große Dame ihm mal eben zweihundert Strafpunkte auf die Schultern geknallt?" Fragte Hercules schadenfroh. Julius nickte sehr behutsam. Er konnte sich vorstellen, daß der Stadionsprecher wegen seiner unerlaubten Parteinahme arg gemaßregelt worden war.
"Gratulieren wir den Blauen", sagte Waltraud und zog Julius ohne Ankündigung von seinem Platz hoch. Dieser wußte erst nicht, was das sollte. Doch offenbar legte die Deutsche Austauschschülerin wert darauf, fair zu gratulieren, egal wem. Da sie die Blauen im letzten Jahr nicht erlebt hatte, empfand sie es wohl sehr in Ordnung, einer so disziplinierten Mannschaft zu gratulieren. Julius folgte ihr wie an einer unsichtbaren Kette gezogen hinunter aufs Spielfeld, wo gerade einige der großen Jungen aus dem blauen Saal ihre Sucherin wie einen Quaffel hoch und herumwarfen. Patrice Duisenberg, Corinnes eine Klasse tiefer lernende Tante, winkte Julius, der auf einen der Jäger aus dem blauen Saal zuhielt, der jedoch gerade von drei Mädchen regelrecht eingeknäuelt wurde.
"Wolltest du Corinne gratulieren, Julius? Ist aber nett von dir", sagte Patrice. Waltraud wandte sich derweil an den Hüter der blauen Mannschaft, der ebenfalls von zwei Mädchen seines Saales umschwirrt wurde.
"Wenn die Burschen die mal runterlassen vielleicht, Patrice", erwiderte Julius auf die Frage seiner Pflegehelferkameradin.
"Das haben sie ihr angekündigt, wenn sie uns die 150 Punkte holt", sagte Patrice. Da entglitt Corinne, die wild aufschrie ihren Werfern. Julius sprang reflexartig hoch und hatte die kleine, kugelrunde Hexe unvermittelt auf der Schulter sitzen. Sie klammerte sich mit den Beinen um seinen Bauch fest und drückte ihn beinahe auf die Knie, so schwer war sie doch.
"Ui, die Nummer sollte ich aber noch üben", keuchte er, während er seine Beine so gut es ging durchdrückte, um aufrecht stehen zu bleiben.
"Na, ich bin doch nicht schwer", erwiderte Corinne, bevor sie merkte, wer sie da so filmreif aufgefangen hatte. "Ich wiege doch nur 140 Pfund."
"Verteilt auf einhundertvierzig Zentimeter", erwiderte Julius etwas taktlos und versuchte, die ihm regelrecht zugeflogene Junghexe ohne großes Getue wieder abzusetzen. Diese klammerte sich aber so stark fest, daß ihm fast die Luft wegblieb und ihr runder Unterkörper ihm schmerzhaft ins Genick drückte.
"Nix gibt's. Ich bin froh, daß die mich jetzt nicht mehr herumwerfen können. Außerdem bist du viel stärker als du gerade tust, Julius. Sonst wären wir beide ja schon hingefallen, als ich bei dir gelandet bin", sagte Corinne frei heraus.
"EY, Goldtänzer, lass unsere Heldin nicht fallen. Die brauchen wir noch gegen die roten Raufbolde!" Lachte ein Junge aus den Reihen derer, die gerade eben noch mit Corinne herumgealbert hatten.
"Ich gebe sie der gerne ab, Serge!" Rief Julius dem Jungen zu, dessen Zwillingsbruder Marc gerade mit anderen Klassenkameraden herumstand und Julius und Corinne mit sehr amüsiertem Gesicht zusah.
"Ey, woher wußtest'n du, wer ich bin?" Fragte Serge Rossignol. Julius deutete auf den Umhang des Jungen, an dem eine Schließe mit einem kleinen S zu sehen war.
"Hat mir eure Großmutter erzählt, daß ihr Extraschließen tragen müßt, weil sonst keiner hintersteigt, wer wer ist", erwiderte Julius, der sich komischerweise nicht sonderlich angestrengt fühlte, obwohl er mal eben siebzig Kilo Hexenfleisch auf den Schultern trug.
"Monsieur, es ist jetzt genug", sagte Madame Maxime, die gerade von der Tribüne herabgestiegen war. "Setzen Sie Mademoiselle Duisenberg unverzüglich ab!"
Julius versuchte es. Doch Corinne schien es als eine besondere Ehre zu empfinden, sich auf seinen Schultern zu halten und wollte nicht lockerlassen. Sie wußte zu gut, daß Julius keinem weh tun wollte, auch und vor allem keinem Mädchen. Diese Tugend war nun wortwörtlich eine schwere Bürde.
"Die Mademoiselle möchte offenbar meine Kondition prüfen", erwiderte Julius, als er nach einem kurzen Schlingern beinahe hingefallen wäre, Corinne aber immer noch an ihm festgeklammert hing.
"Mademoiselle Corinne Duisenberg, lassen Sie sofort von Monsieur Andrews ab und stellen sich gefälligst auf ihre eigenen Beine!" Befahl Madame Maxime. Corinne ruckelte ein wenig. "Oder wollen Sie allen Ernstes von den weiteren Partien Ihrer Mannschaft ausgeschlossen werden?" Legte Madame Maxime nach. Keine Sekunde später stand Corinne auf ihren eigenen Beinen. Julius streckte sich durch und machte Entspannungsübungen, um den arg belasteten Rücken wieder zu lockern.
"Mach's gut!" Sagte Corinne noch und verzog sich rasch, während Madame Maxime die Jungen des blauen Saales durch einen sehr tadelnden Blick die Lust an weiteren Scherzen vergellte, zumindest für die nächsten zwei Minuten.
"Ich wollte eurer Mannschaft eigentlich nur gratulieren", sagte Julius zu Patrice. Diese grinste.
"Das war die beste Art das zu machen", sagte sie und eilte ihrer Nichte nach.
Julius beglückwünschte die restlichen Spieler der Blauen noch kurz und lief dann ebenfalls in den weißen Palast. Im Gemeinschaftsraum der Grünen wurde er mit Lachen und Applaus empfangen. Robert und Hercules rannten auf ihn zu und hieben ihm ihre Hände auf die Schultern, was Julius eher wie sanftes Streicheln empfand.
"Das hat noch keiner gebracht, 'ne Kapitänin aus 'nem anderen Saal huckepack zu nehmen", sagte Robert belustigt. Julius wußte jedoch nicht, was daran so witzig oder überragend sein sollte. Er wollte sie an und für sich nur auffangen, weil sie so unkontrolliert herunterfiel.
"Mach dich drauf gefaßt, daß die Blauen jetzt denken, du wolltest die kleine, runde Duisenberg jetzt immer um dich herum haben!" Grinste Hercules.
"Ich habe die nur aufgefangen, und sie wollte nicht mehr herumgeworfen werden", sagte Julius verdrossen. "Das war nichts, worauf ich mir was einbilden kann oder worauf sich andere was einbilden müssen."
"Die Kleine wiegt hundertfünfzig Pfund, fünfundsiebzig Kilos!" Warf Robert sehr beeindruckt ein. "So schwer bin ich ja noch nicht mal."
"Das muß am Schwermacher liegen", sagte Julius, dem einfiel, woher seine überragende Kondition kommen mußte. Nicht nur daß sein Körper bereits dem eines sechzehnjährigen Jungen gleichkam, sondern auch daß er mit dem von Barbara van Heldern geschenkten Schwermacherkristall in den letzten Monaten mehr als üblich trainierte, um besonders die beiden Latierre-Schwestern auf Abstand zu halten. Sicher, im letzten Jahr zu Walpurgis hatte er Claire auch auf den Schultern getragen, und die mochte zu der Zeit mindestens sechzig Kilo gewogen haben ... Dieser Gedanke ließ ihn für einen Moment in einer der schönsten Erinnerungen baden, die er an die Zeit mit Claire verband. Doch sofort kam die kalte Dusche der Erkenntnis, daß diese Zeiten endgültig vorbei waren. Auch das Erscheinen von Ammayamiria half ihm nicht darüber hinweg, daß er mit Claire keinen Walpurgisflug mehr machen konnte wie so vieles andere auch nicht. Robert fühlte, wie sein Klassenkamerad wieder in eine Lasst-mich-mal-Allein-Stimmung abglitt, die er seit Claires Beerdigung häufig genug empfand. Er zog Hercules, der seinen Klassenkameraden noch eine witzige Bemerkung über Corinne mitgeben wollte am Arm und aus Julius' Reichweite. Dann war diese kalte Gefühlsdusche auch schon wieder vorbei. Sicher konnte er mit Claire keinen Walpurgisnachtflug mehr machen. Aber sie wollte nicht, daß er sich daran aufhängte oder sich immer wieder Selbstvorwürfe machte. doch andererseits wollte er nicht einfach so tun, als sei Claire nur mal eben auf einer dicht bevölkerten Straße an ihm vorbeigegangen und hätte ihm ein fröhliches Hallo zugerufen und sei dann einfach weitergegangen. Wenn ihn diese einsamen Stunden erreichten, warf er sich besonders stark in die Schularbeiten, lernte sogar schon vor, um dann draußen einiges auszuprobieren, was er nicht unbedingt vor Mitschülern zeigen wollte. Da einige aus seinem Saal im Laufe der Wochen mitbekommen hatten, wo er dazu hinging, mußte er sich immer wieder andere Orte aussuchen und vor allem darauf achten, ob ihm niemand hinterherlief. Doch zunächst ging er in die Bibliothek, wo er sich in der Kräuterkundesektion fünf dicke Wälzer besorgte, aus denen er bis zum Mittagessen über die natürlichen Feinde verschiedener Zauberpflanzen und über besonders wirkstoffreiche Pilze nachlas, wie den Zenturianer, der nur alle 100 Jahre zwischen den Felsen der australischen Wüste hervorlugte, zwei Tage stehenblieb und dann mit einem lauten Knall explodierte und eine bläulich-weiße Sporenwolke in alle Winde blies. Bekam man diesen Pilz zu sehen und schnitt ihn mit einem Messer aus purem Gold ab, konnte man durch vorsichtiges Anbohren des unter Hochdruck stehenden Fruchtkörpers eine Flüssigkeit gewinnen, die, nachdem sie von den in ihr schwimmenden Sporen gereinigt worden war, einen wichtigen Zusatz für einen Körperwiderstandstrank hergab, der jemanden zwölfmal so belastbar machte wie normal war.
"Kann ja mal Aurora fragen, ob sie mal so'n Pilz gefunden hat", dachte Julius, der sich alle wichtigen Sachen zu dem Pilz notierte.
Nach dem Mittagessen saß er mit Waltraud in der Bibliothek und las über fortgeschrittene Zauberkunst nach und diskutierte leise mit ihr, was sie beide davon schon anwenden könnten oder nicht. Einmal kam ihnen Bernadette Lavalette dabei quer und meinte:
"Wollt ihr beide die ZAGS gleich überspringen und euch für die UTZs bewerben? Na ja, das habe ich dir ja beim Abschiedsfest für Claire geraten."
"Nichts für ungut, Mademoiselle Lavalette", setzte Waltraud an. "Aber wer wann wie viel lernt und weiß betrifft Sie nicht und stellt deshalb auch keinen Grund für irgendwelche Sticheleien dar."
"Mädels, lasst das bitte", seufzte Julius beiden zugewandt. Dann sagte er zu Bernadette: "Dümmer werde ich bestimmt nicht, wenn ich jetzt schon mal lese, was die in zwei Jahren unbedingt von mir wissen wollen. Mehr ist das nicht. Oder ist dir langweilig, Bernadette?"
"Ganz bestimmt nicht", knurrte Bernadette. "Ich kann mit der Zeit die ich habe genug anfangen."
"Nun, dann ist mir erst recht schleierhaft, was du jetzt von uns willst", erwiderte Waltraud unverzüglich. "Oder will die angehende Jahrgangsbeste kucken, wie gut die Konkurrenz aufgestellt ist?"
"Ey, dich müssen die hier nicht behalten, Eschenwurz. Die können dich ganz schnell wieder in deine Greifenpest-Schule zurückschicken", fauchte Bernadette. Waltraud grinste überlegen.
"Können die schon, aber nur, wenn ich hier bei allem durchrassel, und wenn das so wäre würdest du dich ja nicht so reinhängen, Bernadette."
"Voll logisch", fügte Julius dem hinzu. Bernadette knurrte nur und zog sich ohne weiteres Wort zurück.
"Lasst mich demnächst bitte aus eurem Privatkrieg raus!" Flüsterte Julius Waltraud zu und machte anstalten, sich mit den gerade ausgeliehenen Büchern davonzumachen. Doch Waltraud sah das wohl voraus und hielt ihn sacht aber unübersehbar am Arm fest und flüsterte zurück:
"Wir beide sind Hauskameraden und haben alles Recht der Welt, uns zusammen über anstehende Schulsachen zu unterhalten. Die hat sich reingedrängt, weil sie offenbar klarhaben wollte, ob wir nicht schon zu gut für die sind. Die billige Drohung, mich zurückzuschicken zeigt das, daß die nicht weiß, was sie dagegen machen soll, daß du und ich im Moment genauso viel oder gar noch mehr für die Schule machen. Vielleicht ist die auch nur in Not, weil sie keinen Freund hat, bei dem sie sich ankuscheln kann."
"Das geht mich erst recht nix an, Waltraud. Nachdem sie ihren letzten ja vergrault hat, soll die sehen, wie sie über die Runden kommt."
"'tschuldigung, ihr zwei, könnt ihr mir noch einmal erklären, was bei dem Aufrufezauber so danebengehen kann?" Fragte Céline Dornier, die zusammen mit Robert an den Tisch herangetreten war. Natürlich erklärten sich die beiden im Moment führenden Schüler der vierten Klasse bereit, den beiden Kameraden zu helfen und zogen sich mit ihnen in den kleinen Leseraum zurück. Julius erklärte gerade, was laut einigen Zauberkunsttheoretikern die wichtigsten Sachen beim Aufrufezauber waren, als sein Pflegehelferarmband vibrierte. Er räusperte sich und stellte die Sprechverbindung her. Das räumliche Abbild Patrices erschien in der Luft, und ihre Stimme kam aus dem Armband:
"Stören wir dich gerade bei was wichtigem, Julius?"
"Ich unterhalte mich gerade mit meinen Klassenkameraden über die Sachen vom Aufrufezauber, den wir diese Woche als erledigt abhaken wollen", sagte Julius in Richtung Armband. "Wer ist eigentlich wir?" Fragte er noch.
"Corinne und ich wollten fragen, ob du mal eben zum Westpark kommen kannst. Offenbar möchte sie noch mal wegen der Sache von heute Morgen mit dir sprechen."
"Ach, das ist doch schon längst um die nächste Ecke", warf Julius ein, während Robert schadenfroh grinste und Céline argwöhnisch das körperlose Abbild Patrices anstarrte. Waltraud blieb jedoch ganz gelassen.
"Finde ich nicht", sagte Patrice. "Am besten klären wir das heute noch, bevor die aus unserem Saal meinen, Corinne wolle dich morgen auf den Besen holen."
"Ja, das sähe denen ähnlich. Abgesehen davon wäre denen doch schnurzpiepegal, was Corinne oder ich dazu sagen. Aber wenn du möchtest, komme ich gerne zu euch raus und höre mir an, was Corinne mir sagen möchte", erwiderte Julius. Patrice wirkte so, als fände sie seine Reaktion irgendwie einfältig. Laut sagte sie jedoch nur:
"Ja, komm bitte. In fünf Minuten im Park. Kannst ja meinetwegen wen mitnehmen, damit nicht der Eindruck entsteht, wir wollten was heimliches mit dir anstellen."
"Ups, so ernst habe ich das Mädel bisher nie erlebt", sagte Julius, als Patrices Abbild erloschen war.
"Offenbar hat die Jungs von den Blauen das nicht mehr losgelassen, daß du die Sucherin von denen so locker auf den Schultern getragen hast", sagte Waltraud. Céline knurrte dazu nur:
"Er hat sie nur auffangen wollen, Waltraud. Das haben die alle sehen können. Nur deren kleine Mademoiselle hat sich dann nicht, wie es anständig gewesen wäre, von ihm wieder absetzen lassen, sondern sich noch an ihn geklammert wie an einen Besen im Sturm. Wenn du nix dagegen hast komme ich mit dir, Julius."
"Kein Problem", sagte Julius. Damit war klar, daß auch Robert und auch Waltraud mitkommen wollten. Sie mußten ja nicht unbedingt auf seinen Füßen stehen.
Fünf Minuten später traf Julius die Duisenbergs im Park. Céline, Waltraud und Robert hielten sich zwei Meter hinter ihm, als Corinne auf ihn zuschritt. Ihre Tante blieb ebenfalls auf Abstand.
"Ich wollte mich für das von heute Morgen entschuldigen, Julius. Es war albern von mir, mich an dir festzuklammern", sagte Corinne mit rosarotem Gesicht.
"Du hast gesagt, du wolltest nicht mehr herumgeworfen werden", sagte Julius ruhig. "Ich wundere mich nur, daß ich nicht echt hingefallen bin. Aber deine Tante sagte was davon, daß eure Jungs meinen könnten, du wolltest mich auf den Besen holen."
"Bestimmt nicht morgen", erwiderte Corinne leicht belustigt. "Höchstens in zwei Jahren, wenn wir uns bis dahin aufeinander einlassen sollten. Aber das von heute Morgen war kein Antrag oder sowas, sondern eben nur albern."
"Corinne, ich habe keine Probleme mit dir, auch wenn ich dich nicht so gut kenne wie Leute aus deinem Saal und deine Tante Patrice. Wahrscheinlich bilden sich die Leute bei euch nur ein, sie müßten mich jetzt, wo Claire nicht mehr da ist neu verbandeln und du hättest es ausprobiert, ob du nicht gut zu mir passen könntest oder sowas." Sie nickte verhalten. Tatsächlich hatte einer der Rossignols sowas gesagt, daß sie am falschen Ende von Julius aufgesprungen wäre, wenn sie sehen wollte, ob sie beide gut zusammenpassten. Doch das sagte sie nicht laut. Sie sah ihn an und fühlte, wie er sich ihr gegenüber sofort verschloss. Normalerweise konnte sie jedes Gefühl eines Mitschülers spüren. Doch weil Julius was lernte, um sich gegen andere abzuschließen, war er für sie wie eine lebende Puppe ohne Seele und Verstand. Einerseits war ihr das unheimlich. Andererseits machte es sie neugierig, was in dem Jungen vorging und sie es nicht einfach so mitbekam. Wäre zumindest interessant, den Jungen etwas genauer kennenzulernen. Aber durch ihren Auftritt am Morgen hatte sie es sich wohl mit ihm verscherzt. So sagte sie ruhig und eher wie eine Erwachsene als ein Mädchen klingend:
"Julius, ich weiß, daß du gerade viel durchmachst, auch wenn du mir das natürlich nicht zeigen möchtest. Ich weiß auch, daß dir andre schon dumm kommen, weil du aus diesen oder jenen Gründen Sachen machst, die andere sich nicht antun wollen. Darum möchte ich dir noch mal sagen, daß mir das leid tut, was ich heute morgen gemacht habe."
"Ich bin froh, daß ich dich aufgefangen habe und wir beide nicht hingefallen sind. Wußte gar nicht, daß ich schon hundert Pfund auf dem Rücken tragen kann. Ich sehe das auch nicht so, daß du versucht hättest, dich an mich heranzumachen. Dazu hättest du bestimmt nicht das Spiel von heute Morgen gebraucht, sondern schon an anderer Stelle was versucht. Wie gesagt habe ich keine Probleme mit dir, solange du das nicht willst, daß ich probleme mit dir kriege. Was die anderen sagen geht mir im Moment sowieso am Allerwertesten vorbei."
"Mir aber nicht", versetzte Corinne ungehalten. "Daß ich nicht gerade gertenschlank bin und trotzdem sehr gelenkig bleibe läßt die aus meinem Saal schon manchen Unsinn reden. Wenn ich unsere Mannschaft nicht so gut aus dem Mist gerissen hätte, in den Adrian die letztes Jahr reingesetzt hat, würden die mich nicht einmal mit dem Hintern ansehen. Insofern wollte ich das nur klären, bevor jemand meint, in meinem Auftrag rumerzählen zu müssen, ich wollte was ernstes von dir. Du hast auch recht, daß ich, wenn das so wäre, jederzeit was anderes hätte machen können, um dich für mich zu interessieren ... ohne gleich Zaubersachen zu machen."
"Och, hat jemand von deinen Chaotenbrüdern und -schwestern gemeint, du würdest mir im Zweifelsfall was unterjubeln, um mich auf dich einzustimmen?" Fragte Julius jetzt leicht gehässig. Corinne nickte und erwiderte:
"Weil sich keiner von denen vorstellen könnte, daß ich ohne sowas einen Freund kriegen könnte, geschweige einen Verlobten oder Ehemann. Aber die meisten von denen sind ja selbst nicht in der Lage, sich wen brauchbares anzulachen. Aber mehr mußt du dazu nicht wissen."
"Hast recht. Ich nehme deine Entschuldigung an und bleibe also ganz ruhig, wenn mich irgendwer fragt, ob wir beide nun miteinander gehen. Für sowas bin ich im Moment eh nicht zu haben."
"Das weiß ich", fauchte Corinne gereizt. Dann beruhigte sie sich wieder und sah Julius lächelnd an. Dieser hielt seinen Geist immer noch gut verschlossen. Sie sagte noch: "Demnächst springe ich einem der Roten auf die Schultern, wenn wir gegen die gewinnen." Darüber mußte sie jedoch lachen. Julius sah sie amüsiert an und setzte dem einen drauf als er sagte:
"Dann sollte das am besten Laertis Brochet sein. Aber ich fürchte, der kann dich nicht so lange auf den Schultern halten."
"Immerhin bin ich da heil rausgekommen", sagte Corinne. Dann sah sie Céline an, deren grüne Augen fast aus den Höhlen quollen und winkte sie, Robert und Waltraud heran. Sie sagte ruhig: "Also, wer euch auch immer verkaufen will, ich wollte euren Kameraden schon für mich sicherstellen irrt sich. Ich wollte nur diese blöde Herumwerferei abstellen. Collis hat nämlich kurz vor dem Schnatzfang getönt, ich sei ja ein Quaffel mit Armen und Beinen. Womöglich ist mir dieser blöde Spruch aufgestoßen, und als mich Serge, Marc und die Mistrals und andere dann echt wie einen Quaffel herumgeworfen haben war ich froh, als sie mich fallen ließen und ich doch nicht hart gelandet bin. Noch einmal vielen Dank für's Auffangen, Julius!" Julius nahm den Dank entgegen und verließ mit Waltraud, Céline und Robert den Park.
"Das erste Mal, daß ich von 'ner Blauen höre, daß die sich für ihren Blödsinn entschuldigt", sagte Robert. Céline wandte ein, daß Madame Maxime wohl ein Machtwort gesprochen habe. Julius schüttelte den Kopf und sagte dazu:
"Der ging das Geschwätz ihrrer eigenen Leute auf die Nerven. Könnte sein, daß die Mädels aus ihrer Klasse schon die Brautmode aussuchen wollten, wenn Corinne mich für sich begeistert hat und mit mir die Hexenwerbung durchzieht."
"an und für sich kindisch, sich so zu ereifern", warf Waltraud ein. "Wenn Corinne oder ein anderes Mädchen was mit dir anfangen will, dann geht das nur euch beide was an, Julius. Außerdem ist es schon fies, jemandem eine neue Freundin anhängen zu wollen, der seine Verlobte gerade erst vor einem Monat verloren hat."
"Ja, aber du kennst die Mädchen hier nicht so wie ich", sagte Céline gereizt. "Julius ist in vielen Sachen gut, um nicht zu sagen supergut. kann mir vorstellen, daß von den Blauen welche meinen, ihn jetzt für sich einfangen zu können. Die Roten lauern bestimmt auch schon, und einige der Violetten könnten sich bestimmt vorstellen, ihn als Freund herumzeigen zu können. Womöglich sind die dann neidisch, die sowas wie das heute morgen sehen. Corinne hat sich echt fies angestellt. Aber daß sie sich dafür entschuldigt ist für 'ne Blaue schon selten."
"Die Duisenbergs sind nicht wie der rest von denen", warf Julius ein. "Oder wäre Patrice sonst bei den Pflegehelfern, noch dazu die einzige von den Blauen?"
"Natürlich", erwiderte Céline. Robert sagte dazu:
"Klar, daß dieses Pack meint, daß Corinne oder ihre Tante sich auf Julius einschießen, wenn sie die Gelegenheit dazu kriegen. Könnte nur sein, daß die Rossignols ihre Kapitänin jetzt heftig dummschwätzen, weil die beiden ja nicht mehr mitspielen dürfen."
"Gerade dann werden die hoffentlich nicht riskieren, daß Corinne aus der Mannschaft fliegt und die einen völlig ungeeigneten Sucher bringen müssen", warf Julius ein. Doch Robert und Céline lachten darüber nur.
"Hast du es immer noch nicht kapiert, daß die nicht nach deiner Logik ticken, Julius. Denen ist das total egal, ob das für sie oder andere böse Folgen hat oder nicht, wenn sie sich ihren Spaß auf anderer Leute Kosten machen können."
"Leute, wie gesagt ist das echt kindisch, wenn sich irgendwer so über anderer Leute Beziehungen oder Nichtbeziehungen aufregt", wiederholte Waltraud das, was sie eben schon einmal gesagt hatte. Robert fühlte sich dadurch wohl auf den nicht vorhandenen Schlips getreten und raunzte zurück:
"So, wie wäre das dann vernünftig, Mademoiselle Eschenwurz?"
"Vernünftig wäre es, die eigenen Angelegenheiten zu überblicken und sich neutral zu verhalten, was irgendwelche Gerüchte und Vermutungen angeht. Wenn wer mit wem geht kann er das gerne zur Kenntnis nehmen. Aber sowas gehört denen, die miteinander gehen und sonst keinem, von den direkten Angehörigen mal abgesehen."
"Oh, so redet eher eine, die schon zehn Jahre aus der Schule raus ist", feixte Robert. "Könnte es sein, daß du schon mehr als zwanzig bist und durch einen Verjüngungszauber dazu gezwungen wurdest, noch einmal in die Schule zu gehen?"
"Welcher Verjüngungszauber könnte das bewirken, daß ich nur zehn Jahre jünger aussehe aber nicht auch geistig um zehn Jahre verjüngt werde?" Nahm Waltraud den Ball seelenruhig auf und warf ihn Robert zurück.
"Öhm, mit sowas kenne ich mich nicht aus. - Julius?"
"Vergiss es!" Erwiderte Julius sofort. "Der einzige Verjüngungszauber der den Geist nicht verändert ist Infanticorpore. Alles andere geht nur mit Verwandlungen, und die müssen nicht ewig vorhalten. Abgesehen davon, daß Waltraud ja recht hat."
"Na klar, du meinst ja auch, über allem zu stehen", knurrte Robert. Céline stubste ihn in die Seite und sagte sehr energisch:
"Vielleicht ist das für euch beide albern, Waltraud und Julius. Vielleicht war das auch für Claire albern. Aber man sollte schon wissen, wer da mit wem zusammen ist und wie das möglich ist. Das gehört für mich zum Schulalltag irgendwie dazu. Genau deshalb hat Corinne ja jetzt auch mit Julius gesprochen, weil es für sie auch wichtig ist, wie andere über sie reden."
"Ich sehe ein, daß ich vielleicht mehr auf Sachen wie Vernunft oder Überblick setze und nicht für jedes Getuschel zu haben bin", sagte Waltraud. "Und ob du mich für eine altkluge Jungfer hältst oder nicht, ist mir auch nicht so wichtig, Robert. Immerhin gibt es andere Sachen, die ich immer bedenken muß: Kameradschaftliches Verhalten allen anderen gegenüber, Fleiß und Übersicht. Ich weiß, das kommt längst nicht bei jedem an, hilft aber gut dabei, mit dem Leben klarzukommen."
"Wie du meinst", knurrte Robert. Céline sagte ruhig:
"Im Grunde hast du ja recht, Waltraud, daß wir mit unseren eigenen Partnerschaften genug haben, um uns nicht zu langweilen. Und wer im Moment keinen Freund oder keine Freundin hat kann sich halt darauf konzentrieren, was anderes zu machen, wie Julius das gerade macht."
"Genau", bestätigte Julius Andrews.
"Ja, aber ich fürchte, Julius, deine Lernerei kannst du nicht mehr lange so weitertreiben wie gerade eben, nachdem Corinne sich von dir hat huckepack nehmen lassen", sagte Robert. Julius fragte ihn herausfordernd, wie er das meine. Sein Schulfreund erwiderte: "Wenn das die Blauen doch rumtratschen, du hättest was mit Corinne oder sie was mit dir könnten die anderen Mädels, die sich bisher so anständig zurückhalten sich auf die Zehen getreten fühlen und anfangen, dich darauf hinzuweisen, wie einsam und verlassen du gerade bist und du vielleicht doch mehr als nur die Anerkennung der alten Maman Beaux haben könntest, wenn du es nur willst."
"Sowas ist doch Mädchenkram", sagte Julius zu Robert und rang sich dabei ein Lächeln ab. So ganz unrecht hatte Robert nicht. Aber er wollte das bloß nicht zugeben, daß er vielleicht die längste Zeit in Ruhe gelassen würde. Céline sagte zu Robert:
"Du hast echt Ideen, Robert, als wenn du selbst gerade allein unterwegs wär'st. Ich denke, Julius wird für's erste wohl Ruhe haben wollen, um mit sich selbst klarzukommen."
"Außerdem ist Beauxbatons nicht dafür bekannt, daß hier jedem Jungen ein Mädchen zugeführt wird oder umgekehrt", warf Waltraud ein. "Die Gräfin hat mich vor meiner Abreise hier hin sogar noch einmal angeschrieben und mich davor gewarnt, mich hier auf irgendwelche Anbandeleien einzulassen, weil "ihre Kollegin Maxime" das nicht möge."
"Dann frage ich mich ernsthaft, warum Robert und ich noch nicht von der Schule geflogen sind", schnarrte Céline etwas ungehalten. Robert grinste. Dann sagte er schelmisch:
"Das hat die dir deshalb geschrieben, weil Célines große Schwester im letzten Jahr 'nen Quaffel unter'n Rock geschossen bekommen hat. Womöglich wußte eure Gräfin davon und wollte sicherstellen, daß dir hier sowas nicht passiert."
"Wenn hier wer Quaffel irgendwo hinschießt bin ich das", grinste Waltraud und brachte Roberts Unterkiefer zum runterklappen. Julius nahm den von ihr gespielten Ball an und antwortete:
"Oh, dann sollte ich anfangen, bestimmte Methoden zu verinnerlichen, damit du mich nicht aus Versehen noch dick machst, Waltraud." Darauf sah Waltraud ihn erst verdutzt und dann höchst amüsiert an. Robert glubschte von ihr zu Julius und dann zu Céline, die ihm was zuflüsterte und dann sagte:
"Mußte das jetzt echt sein, die Sache mit Connie aufzuwärmen und noch dazu wo ich dabeistehe. Hauptsache die Blauen veranstalten nicht schon eine Verlobungsfete für Julius und Corinne."
"Soll mir egal sein", sagte Julius. "Ich weiß, daß ich mit Corinne nichts laufen habe und die weiß es auch. Damit hat sich's."
Die beiden Mädchen und die zwei Jungen kehrten in die Bibliothek zurück, wo Julius und Waltraud mit Céline und Robert da weitermachten, wo sie von Patrice unterbrochen worden waren.
Julius hatte schon befürchtet, daß die Aktion mit Corinne doch weitere Kreise ziehen würde. Doch die Blauen verhielten sich ziemlich ruhig. Nur einmal sprach Jacques Lumière Julius an und fragte ihn, wo er gelernt habe, so schwere Mädels so gekonnt zu stemmen. Julius sagte nur, daß er von Jacques' Schwester Barbara immer wieder mit dem Schwermacher drangsaliert worden war und er nun, wo die beiden Cousinen Millies in Beauxbatons wären ranklotzen würde, um nicht all zu blöd gegenüber den beiden auszusehen. Jacques erbleichte und meinte:
"Haben die sich jetzt auf dich eingeschossen, weil du wieder zu haben bist?"
"Jacques, ich glaube, die sind nicht hinter mir her. Ich will halt nur gegen die Superkondition von denen anstinken können, weiter nichts."
"Ich glaube, ich schreibe Barbara, die soll mir auch So'n Schwermacherding schicken, damit ich mich ranhalten kann."
"Besser nicht, weil manche Raubtiere jagen dann noch lieber, wenn die Beute richtig schnell vor ihnen wegläuft."
"Haha, Julius. Denkst du, ich will auch nur eine von den beiden haben? Die sind mir zu dreist und zu ruppig und haben nur was für diesen blöden Baller-Baller-Sport übrig, den du auch machst und wollen ..."
"Ziehst du wieder über meine Cousinen her?" Fragte millie, die gerade in dem Moment aus einem Seitengang des Palastes kam.
"Er hat mich nur gefragt, woher ich so viel Kraft habe, daß ich seine Saalkameradin nicht habe runterfallen lassen, Millie."
"Schon dreist, das vor allen Augen zu bringen und keinen einzigen Strafpunkt dafür abzukriegen", knurrte Millie. Offenbar war sie neidisch, weil sie im letzten Schuljahr Julius' bei einer Gratulation einen innigen Kuß auf den Mund gegeben und dafür einen mittelschweren Sack Strafpunkte aufgeladen bekommen hatte.
"Wenn die anders auf den draufgehüpft wäre hätte die bestimmt welche gekriegt", feixte Jacques bösartig.
"Noch so'n Spruch, und ich binde dir Arme und Beine zusammen und lasse dich von meinen Cousinen durchkitzeln, wenn denen nichts besseres einfällt", erwiderte Millie ziemlich bedrohlich. Jacques stellte unverzüglich das Grinsen ein und trollte sich ohne Abschiedswort.
"Wundere mich nur, daß du nicht zu denen gehörst, die meinten, Corinne und ich ..." Sagte Julius zu Mildrid. Diese sah ihn schalkhaft an und antwortete:
"Patrice ist zwar ganz brauchbar, aber die anderen Blauen sind nix wert, Julius. Außerdem hätte sich Corinne dann anders an dir festgeklammert als wie sie's gemacht hat." Julius wagte erst nicht, sie zu fragen, wie, weil er davon ausging, daß sie ihm das praktisch vorgeführt hätte. Millie sah aber nicht so aus, als lauere sie auf eine Gelegenheit, Julius an sich zu drücken. Sie lächelte nur und wünschte ihm noch einen schönen Tag.
Virginie ließ die Mannschaft ihres Saales so heftig trainieren, daß Giscard Moureau wegen eines viel zu schnellen Wendemanövers vom Besen rutschte. Julius stürzte sich mit seinem Ganymed hinterher und bekam den Mitspieler kurz vor dem lehmigen Grund noch zu fassen und landete.
"Uff, das war aber jetzt sehr knapp", sagte Giscard erschrocken, während Virginie den reiterlosen Besen einfing und auf dem Feld landete.
"Nichts für ungut, Giscard. Aber wenn du diese Wende machen willst, solltest du beide Hände am Besen haben", schulmeisterte ihn Virginie. Giscard Moureau nickte mechanisch und nahm das Training wieder auf.
"Also, Julius, wenn du diese Nummer richtig übst darfst du nächstes Jahr suchen", meinte Agnes Collier anerkennend. "Vielleicht schickt dich Virginie schon gegen Golbasto los."
"Och, dann kann ich dem nicht mehr den Quaffel in die Flugbahn pfeffern", erwiderte Julius. Virginie sagte dazu nur:
"Diesmal wird er besser aufpassen, besonders weil die Blauen ihn so gekonnt abgeriegelt haben. Ich denke, wir sollten auf schnellen Schnatzfang spielen."
"Ich suche den immer so schnell es geht", grummelte Agnes. "Nicht immer fliegt der gleich nach dem Anpfiff sichtbar herum."
"'tschuldigung, Agnes. So meinte ich das nicht. Ich meine, du solltest ihn sofort fangen, wenn du ihn siehst, nicht wie beim letzten Mal, wo's gegen die Leute von Collis ging."
"Geht klar", bestätigte Agnes.
"Heute findet eine kleine Vorentscheidung um den diesjährigen Quidditch-Schulpokal statt, sehr verehrte Zuschauer", begann Ferdinand Brassu, als die Mannschaften der Grünen und Violetten aufs Spielfeld kamen. Es fiel ein wenig Regen. Doch die Mannschaften störte es nicht sonderlich. Professeur Faucon und Madame Maxime saßen genau neben dem Stadionsprecher, der gerade die Mannschaften vorstellte, wobei er die aus seinem eigenen Saal sehr enthusiastisch und die aus dem grünen Saal eher mißbilligend präsentierte. Zum Schluß sagte er noch: "Die Spieler des violetten Saales, angeführt von unserem kleinen, großen Kapitän Golbasto Collis haben ganz sicher aus der vorangegangenen Begegnung gelernt und werden frühzeitig jeden Angriff auf tore oder Schnatz vereiteln. Auch gehen die Grünen wohl davon aus, daß die Mannschaft der Violetten durch die letzte Partie noch geschwächt und demoralisiert ist. Dann werden sie heute eine derbe Überraschung erleben." Alle Anhänger der Violetten jubelten vorfreudig. Die Grünen sangen dagegen an:
"Ja, die Mannschaft Violett,
fände den Pokal ganz nett.
Doch der Pokal bleibt grün.
Drum wird euch jetzt was blüh'n."
"Und los!" Rief Professeur Dedalus, der Fluglehrer und Quidditch-Schiedsrichter, als er den scharlachroten Quaffel nach oben warf. Alle vierzehn Spieler sausten erst nach oben und rangelten gleich um den Quaffel. Julius wurde von zwei Jägern gleichzeitig abgedeckt, um ja nicht die überragenden Fähigkeiten des Ganymed 10 auszuspielen. Doch dafür waren Waltraud und Virginie frei und tricksten den einsamen Jäger der Violetten locker aus. In einer Minute stand es bereits zwanzig zu null für die Grünen.
"Klammert euch nicht an Andrews fest!" Knurrte Golbasto Collis, der mal eben von seiner Flughöhe herunterkam, um die Jäger umnzudirigieren. Julius tanzte gerade einen seiner Bewacher aus, machte Waltraud ein Zeichen und bekam den Quaffel von ihr. Wie vom Katapult geschossen preschte er los, tauchte unter beiden Klatschern durch zum Torraum und tat so, als wolle er einwerfen. Doch der Hüter warf sich genau in die Ecke, in die Julius abzuwerfen schien. In wirklichkeit passte dieser zu Virginie zurück, die wieder auf Waltraud umlegte, die gerade von einem der frei gewordenen Jäger umzirkelt wurde. Dann stürmten zwei Jäger auf Julius los, der vor dem Torraum blieb. Dieser hatte jedoch genau das mit Virginie und Waltraud abgesprochen und zog sich zurück. Die beiden Jäger folgten ihm und gaben damit den Torraum frei.
"Ihr Idioten!" Rief Brassu ungeniert. Doch da waren Waltraud und Virginie schon am Torraum und spielten den Quaffel so zwischen sich und dann nach vorne, daß der Hüter der Violetten nicht mehr drankam.
"Dreißig zu null, ver....!" Quängelte Brassu. Da brach er mitten im Wort ab. Die Anhänger der Grünen lachten. Die Anhänger der Blauen sangen Spottlieder auf die Violetten, und die Roten sangen ein Lied, daß nur die Roten den Pokal kriegen konnten. Dann sprach eine der Montferres die Kommentare weiter. Julius konnte nicht sehen, wer, da er gerade den Quaffel hatte und sich mal eben zwischen seinen beiden Bewachern herausschlängeln mußte und dann im hohen Tempo vor das Tor flog, direkt auf den Hüter zu, der schon auf Gegenkurs war, um ihm den Quaffel notfalls direkt aus den Händen zu pflücken.
Julius warf sich einmal herum, dann wieder, unterquerte den Hüter und boxte den roten Ball zum 40 : 0 durch den rechten Ring.
Nun ließen die Jäger die Doppeldeckung von Julius, weil die eh nicht viel brachte und besannen sich darauf, Tore schießen zu wollen. So konnten sie Monique Lachaise in den nächsten zehn Minuten dreimal überwinden, die zwar immer sicherer spielte, aber doch noch nicht an Barbara van Helderns Kunst heranreichte. Da die Grünen aber immer wieder schnelle Tore schossen stand es nach nur zwanzig Minuten schon 90 : 30 für die Grünen. So konnte es weitergehen. Sabine oder Sandra Montferre kommentierte schnell aber sachlich. Auch als Agnes Julius einen Wink machte, der gerade den Quaffel führte. Dieser nickte und peilte nach Golbasto, der gerade hinter einem golden glitzernden Ding herjagte. Julius wollte ihm den Ball schon in die Flugbahn werfen, als ein Klatscher von Hercules geschlagen den kleinen Golbasto zu einem halsbrecherischen Ausweichmanöver zwang, bei dem dieser fast vom Besen geflogen wäre. Die vier Sekunden, die ihm dabei verlorengingen reichten Agnes, um den Schnatz zu holen. Julius hielt den Quaffel fest und stieß in dem Moment nach unten, als Dedalus die Begegnung abpfiff.
Der Saal Grün gewinnt mit zweihundertvierzig Punkten zu dreißig die vorentscheidende Partie gegen die Mannschaft des violetten Saales und holt sich damit weitere wichtige Punkte im Kampf um den diesjährigen Pokal."
"Grün ist der Pokal! Grün ist der Pokal! Grün ist, grün ist, grün ist der Pokal!" Sangen die Anhänger der Grünen. Julius gab Dedalus den Quaffel. Der Lehrer fragte mit argwöhnischer Miene:
"Wolltest du den wieder dem gegnerischen Sucher vor den Besen werfen, Jungchen? Sowas mag ich nicht mehr sehen, klar?"
"Wieso, ich wollte dann, wenn alles wegen des Schnatzes beschäftigt ist noch ein Tor schießen. Hat nur nicht mehr geklappt, schade", erwiderte Julius.
"Du gemeiner Kerl hast mir fast den Kopf mit deinem Klatscher abgehauen und uns den Fang vermasselt", zeterte Collis, der vor dem ihn um einen Kopf überragenden Hercules Moulin stand. Dieser sagte:
"Dafür kriege ich hier was zu essen, daß ich so spiele, daß meine Mannschaft gewinnt, Mann!"
"Ey, auch noch frech werden, wie? Soll ich dir dafür zwanzig Strafpunkte anhängen?"
"Wenn du die hundert verdaust, die Unsere Saalvorsteherin dir im Gegenzug um die Ohren haut, weil du deine Stellung mißbrauchst?" Erwiderte Hercules überlegen. Golbasto stampfte mit dem rechten Fuß auf und zog sich zurück, um sich von den mittlerweile herunterkommenden Fans trösten zu lassen. Arron, einer der Jäger der Violetten, ging auf Virginie zu und gratulierte ihr. Argon, der andere Jäger, kam auf Julius zu und sagte:
"Ihr habt da echt mit gerechnet, daß wir wegen dir nicht richtig offensiv spielen können, weil wir dich besser abblocken wollten. Virginie ist eben doch gut."
"Das macht eine echte Mannschaft aus, Argon", sagte Julius kühl. "Die besteht nicht nur aus einem Starspieler. Die Mannschaften, die so spielen verlieren nämlich meistens, wie Argentinien gegen Deutschland 1990."
"Häh? Die haben doch nie gegeneinander gespielt", wunderte sich Argon. "Bei der vorletzten Weltmeisterschaft in Rumänien ist Argentinien gegen Italien baden gegangen, und Deutschland ist schon im ersten Spiel gegen Schottland ausgeschieden."
"Er meint Fußball, Argon", sagte Waltraud, die sich neben Julius aufgebaut hatte. "Da haben die Deutschen im Endspiel um die Weltmeisterschaft durch einen Strafstoß das Spiel gewonnen, aber vorher schon sehr häufig auf das Tor geschossen, weil der argentinische Spitzenspieler von der Abwehr sehr gut ausgehebelt wurde."
"Was? Fußball? Da gibt's Weltmeisterschaften bei?" Fragte Argon. Julius wunderte sich nicht, daß Waltraud Fußball kannte. Immerhin hatte sie schon von muggelstämmigen Mitschülern erzählt, und die mochten dem schwarz-weißen Rund noch verbunden sein.
"Herzlichen Glückwunsch, Julius", gratulierte Céline Dornier wieder als eine der ersten Mädchen dem Hauskameraden. Dann kamen Belisama, Mildrid und Sandrine gemeinsam und beglückwünschten Julius. Sandrine sagte:
"Glaube nicht, ihr hättet bei eurem Spiel gegen unsere Mannschaft so gute Chancen, wo Arnica schon den Zehner zum üben hat! Aber ich freue mich, daß ihr den eingebildeten Leuten aus dem violetten Saal so viele Punkte abgejagt habt."
Belisama sagte: "Julius, mit dem Besen bist du allemal besser dran als letztes Jahr noch. Vielleicht holt ihr euch den Pokal noch einmal."
"Der kommt dieses Jahr zu Fixie ins Büro, Süße", sagte Millie. "Im letzten Spiel wirst du es erleben."
"Tja, wenn euer Sucher mal was fängt", feixte Belisama an Millies Adresse. Diese erwiderte:
"Das nächste Spiel wird er ihn kriegen. Aber auch so holen wir genug Punkte rein."
"Wie gegen uns?" Stichelte Sandrine. Millie knurrte nur, daß das wohl der letzte Fehler von Brochet war und er jetzt jeden Schnatz fangen würde. Doch Sandrine grinste nur verschlagen, wie man es von einer aus dem gelben Saal nicht erwarten mochte.
"Bine ist noch oben bei Maxime, Faucon und Paralax. Offenbar will unsere Schulleiterin, daß sie alle Spile ohne rote Beteiligung kommentiert, weil Brassu heute zu parteiisch gewesen sei", sagte Sandra Montferre, als sie bei Julius ankam und die drei jüngeren Mädchen einfach bei Seite schupste. Millie, die sich das nicht gefallen ließ, drückte dagegen. Doch Sandra blieb stehen wie ein Fels in der Brandung.
"Mädel, nicht so grob!" Lachte Sandra. Dann umschlang sie Julius mit ihren Armen und hob ihn für eine Sekunde hoch. "Schön gespielt habt ihr. Für uns ist das auch gut, wenn Golbastos Leute keine zusätzlichen Punkte kriegen. Aber so abgefertigt zu werden ist schon heftig."
"Sage deiner Schwester bitte vielen Dank für den Glückwunsch und ich hoffe, es wird dann noch spannend, wenn wir gegen euch spielen müssen", erwiderte Julius, bevor Sandra ihn wieder auf die Füße kommen ließ.
"Ja, mach ich", entgegnete sie und verließ kerzengerade einherschreitend das Feld.
"Das ist nicht wahr, schupst die mich einfach weg wie ein lästiges Kind", knurrte Mildrid. "Und mit so einer bin ich um mehrere Ecken verwandt."
"Geschieht dir recht, Leichtfuß Latierre", erwiderte Laurentine schadenfroh, als sie nun auf den Platz trat. Dann umarmte auch sie Julius und hauchte ihm zu: "Langsam gefällt mir das Spiel doch irgendwie. Ich verstehe jetzt, was Claire daran fand." Julius schluckte zunächst. Doch dann verstand er, daß Laurentine ihn nicht traurig machen wollte, sondern ihm Mut machen wollte, weiter gut zu spielen. Deshalb bedankte er sich bei ihr und antwortete weiterhin:
"Ich weiß, daß Claire sich immer Sorgen gemacht hat, mir könnte was passieren, besonders bei dem Spiel gegen die Blauen letztes Schuljahr."
"Ich weiß, sie hat es mir im Schlafsaal immer wieder erzählt, bevor das Spiel ablief. Sie wollte aber nicht als überbesorgte Freundin rüberkommen, weil sie wußte, daß du schon auf dich aufpassen würdest. Céline hat da mal behauptet, dir könne eh nichts passieren, wenn stimme, was sie so mitbekommen hätte. Aber was das war hat sie nicht erzählen wollen."
"Was auch immer sie meinte, wir haben es ja geschafft", sagte Julius.
"Ey, hat wer 'nen Würfelbecher mit, um dem Goldtänzer 'ne neue Begleitung zuzulosen?" Fragte einer der Blauen, der heruntergekommen war, um den Violetten noch einige Gemeinheiten mit auf den Weg zu geben. Immerhin standen um Julius nun sieben Mädchen herum. Céline und Laurentine stürmten auf den Spötterich los, während Belisama rot wurde, Sandrine bitterböse Blicke an die Adresse des Lästermauls schickte und Mildrid feist zurückrief:
"Meinen festen Begleiter lasse ich mir nur am dreißigsten Februar auswürfeln. Dann hätte ich auch die Gewissheit, daß ich den nicht wieder verliere."
"Sollen Bine und ich dir eine Aussuchen, Vespasian? Callisto aus unserer Jahrgangsstufe hätte gerne einen echten Spaßvogel für ihren Käfig." Der Blaue erkannte, daß ihm sein Spott gerade zum Bumerang geworden war und eilte davon.
"Ihr wolltet den doch nicht mit diesem Kleiderschrank verbandeln", flüsterte Julius. Sandra hielt ihn bei der Schulter und flüsterte zurück:
"Na, nicht so böse über Callisto reden. Die ist nicht so umgänglich wie Bine oder ich. Aber stimmen tut's schon, daß die gerne wen hätte und alles umschwärmt, was in ihrem Alter ist. Gut, daß du das in die Zeitung gesetzt hast, was dir im Sommer passiert ist. Sonst hätte dich Mademoiselle Kleiderschrank schon längst angequatscht, wie's mit euch beiden wäre. Außerdem ist die trotz ihrer Breite immer noch sehr hübsch anzusehen, wie du selbst ja letztes Jahr flüchtig mitbekommen konntest. Aber ich denke, bis Walpurgis bist du wieder gut aufgehoben."
"Denkst du das nur, oder woher hast du das?" Fragte Julius.
"Weil das so ist, Julius. Du wirst bestimmt nach Ostern mehrere Einladungen kriegen, sofern du bis dahin keine neue Freundin hast. Eine Einladung davon mußt du annehmen, wenn du nicht den ganzen Abend im Palast rumhängen willst, aus Angst vor dem Unmut so vieler abgewiesener Hexen."
Julius grübelte nach, was Sandra damit bezweckte. Wollte sie ihm sagen, daß er langsam wieder daran gehen sollte, sich mit einem Mädchen zu treffen, möglichst bald eine neue Freundin zu finden? Oder wollte sie ihn nur darauf bringen, daß er sich nicht in der Bibliothek verstecken konnte, falls mehrere Junghexen es auf ihn abgesehen hatten. Auch das mit dem Auswürfeln gab ihm zu denken. Sicher, die Blauen machten das wohl so, wenn sie Freunde oder Freundinnen suchten. Aber er wollte nicht würfeln. Unvermittelt stand er im Geiste wieder auf jener Blumenwiese, Sandra Montferre als große Blume vor sich sehend. Warum hatte Claires Geist ihm dieses Mädchen hingestellt? Mochte es sein, daß sie ernsthaft interessiert an ihm war oder weil sie sein Typ war? Ja, sie sah irgendwie reizvoll aus mit ihren langen, roten Haaren und den grasgrünen Augen, stämmig, biegsam und willensstark. Wäre Julius wirklich sechzehn Jahre alt, würde er ernsthaft daran denken, sie zu umwerben, fiel ihm ein. Doch so sah er nur wie sechzehn aus und war für Sandra und ihre Schwester wohl nur als interessanter Freizeitkurskamerad und Quidditchgegner zu gebrauchen.
"Heh, träum nicht!" Rief ihn Waltraud in die Gegenwart zurück und deutete auf Professeur Faucon, die geradewegs auf das Spielfeld eilte. Sofort verzogen sich alle Mädchen, die nicht aus dem grünen Saal waren aus Julius' Reichweite.
"Schön gespielt, Monsieur Andrews", sagte Professeur Faucon lächelnd und wandte sich dann Virginie zu.
"Komm, wir gehen besser in den Palast zurück, bevor Bébé und Céline diesen Schwachkopf da noch niederfluchen und du den in den Krankenflügel schaffen mußt", sagte Waltraud, hakte sich bei Julius unter und führte ihn einfach vom Feld. Er ließ es sich gefallen. Auch als Millie und Belisama ihnen aus der Ferne zusahen ließ er sich einfach von ihr weiterführen.
Mildrid sah Belisama an und flüsterte ihr zu:
"Ob er mit ihr zusammen ist, Belisama?"
"Die will nur ältere Jungs, Mildrid. Er ist für sie ein Klassenkamerad. Aber so ganz sicher bin ich mir jetzt auch nicht", grummelte Belisama.
"Die hängen immer in der Bib zusammen, oft im kleinen Leseraum. Findest du, er ist schon wieder so weit, will aber nicht mit einer von uns zusammensein, weil er meint, er würde Claire verraten?"
"Ich weiß, daß du ihn schon immer umgarnt hast, Mildrid. Deshalb sage ich dir mal was", schnaubte Belisama: "Ob der schon so weit ist, ob der glaubt, er würde Claire verraten oder nicht, ist ganz allein seine Sache."
"Das glaubst du selbst nicht, Süße", schnarrte Mildrid. "Immerhin hast du ihn genauso umschwirrt wie ich, bevor Claire mit ihm den Verlobungszauber gemacht hat. Also komm mir jetzt nicht mit dieser Antwort!"
"Millie, ich denke nicht, daß er dein Typ ist. Der ist viel zu vorsichtig, was den Umgang mit anderen Leuten angeht. Du dagegen meinst gleich mit jedem frei reden zu können wie eine Blaue."
"Pass bloß auf, daß ich dir deine Haare nicht gleich giftgrün umfärbe!" Fauchte Millie. "Damit du es weißt, nur der Fairness halber: Der Junge muß noch rauskriegen, was er will, ohne zu fragen, was er darf oder nicht darf. Ich denke, wenn er das weiß, könnten er und ich richtig viel Spaß zusammen haben."
"Ja, aber das Leben läuft nicht nur im Bett ab", feuerte Belisama eine Gehässigkeit auf Millie ab.
"Ich habe auch eine wunderschöne Hängematte. Abgesehen davon, daß meine Maman auf dem Küchentisch empfangen wurde. Oma Line hat sowas mal gesagt, daß sie das Beste war, daß sie jemals beim Frühstück in den Bauch bekommen habe."
"Ihr seid echt alle verdorben", spie Belisama Millie entgegen und wurde rot vor Scham. Millie nutzte dies aus und legte nach:
"Oh, habe ich die Dame in eine peinliche Lage versetzt? Denke drüber nach, wenn Julius rausfindet, daß er in der Bib nicht mehr so glücklich wird wie mit Claire oder meiner Tante Béatrice!"
"Was soll deine Tante Béatrice mit ihm zu tun haben?" Fragte Belisama verunsichert. Millie grinste sehr überlegen und sagte:
"Nun, sie hat damit angefangen, ihm zu zeigen, was er versäumt, wenn er nur liest und liest und lernt und lernt, ohne das zu lernen, was echt wichtig ist. Insofern solltest du froh sein, wenn er zumindest rauskriegt, daß Claire keiner von uns böse ist, wenn sie sich um ihn kümmert. Oma Line hat auch nicht zu lange gewartet, bevor sie meinen jetzigen Opa geheiratet hat."
"Deine Tante hat ihm ...? sie hat mit ihm ...? Niemals! Du lügst!" Sprudelte es aus Belisama heraus. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und ihr Gesicht war rot wie eine reife Tomate.
"Das habe ich mit keinem Wort erwähnt, Belisama. Ich sagte nur, sie hat angefangen, ihm zu zeigen, was er versäumt. Tja, ihr sogenannten anständigen jungen Damen habt zuweilen eine Phantasie!" Sie schnalzte übertrieben mißbilligend mit der Zunge und sagte dann: "Ich will mit dir keinen Krach, Belisama. Drum folgender Vorschlag: Wir helfen Julius dabei, sich wieder einzukriegen und sich wieder für uns oder andere Mädels zu interessieren. Für wen er sich dann entscheidet ist dann seine Sache und für die, die sich umsonst Hoffnungen gemacht hat erledigt."
"Das schlägst du echt vor?" Wunderte sich Belisama. Sie überlegte, wo daran der Haken sein mochte. Einerseits hatte Millie keinen Hehl daraus gemacht, daß sie Claire Dusoleil den Freund aus England gerne ausgespannt hätte, wenn er ihr angedeutet hätte, daß es klappen würde. Andererseits sollte die doch wissen, daß ihre Art zu leben und zu reden für den gut erzogenen und auf seine Bildung schwörenden Julius eher abstoßend als einladend wirkte. Sie hingegen suchte keinen Mann nur für körperliche Liebe oder irgendwelche albernen Schulmädchenträumereien, sondern einen echten Partner, der ihren Geist genauso würdigen würde wie ihren Körper, ja keine Probleme damit haben würde, sich von ihr in der Zaubereigesellschaft führen zu lassen, ohne gleich Probleme mit seinem Mannesstolz zu haben. Sie erkannte, daß Julius wenn überhaupt nur ihr, oder, wenn Gérard so blöd war, mit ihr schlußzumachen, Sandrine den Vorzug vor Mildrid geben würde. Sicher, als Corinne Duisenberg wie eine kleine, runde Königin auf seiner Schulter gethront hatte, hatte sie einen leichten Stich im Herzen gefühlt, weil sie fürchtete, er könne von einer derartigen Dreistigkeit beeindruckt werden. Aber Corinne hatte nur mit ihm gespielt, und er hatte das wohl gemerkt. Genauso merkte er bestimmt, daß Millie nur mit ihm spielen wollte. Deshalb sagte sie ruhig:
"Wenn Julius allen Ernstes vor Walpurgis eine von uns oder eine andre als Freundin aussucht oder sich auf eine von uns einläßt möge die jeweils andere das hinnehmen, sofern nicht mit unfairen Mitteln wie Liebestränken oder Flüchen gearbeitet wird."
"Als wenn eine Latierre es jemals nötig gehabt hätte, ihren Partner durch Liebestränke zu finden", knurrte Millie etwas beleidigt. Dann grinste sie und sagte: "In Ordnung, Belisama. Wir sehen zu, ob er vor Walpurgis neuen Anschluß sucht und findet."
"Und sage nie wieder "Süße" zu mir!" Knurrte Belisama. "Sonst erzähle ich allen, daß du auf Mädchen stehst."
"Das ginge voll nach hinten los, Belisama, weil ich dann prompt erzähle, wie wir beide es getrieben haben und wie leidenschaftlich du mich an dich herangelassen hast. Also vergiss es, Süße!"
Belisama Lagrange funkelte Millie mit ihren Bergquellklaren Augen an, als wolle sie sie mit ihrem Blick zu Asche verbrennen. Dann schnaubte sie nur:
"Damit ist klar, daß du bei Julius nicht landen wirst. Aber der Vorschlag ist akzeptiert. Aber wie gesagt, keine zwingt ihn zu irgendwas! Wir wollen ihm nur helfen, sich selbst klarzuwerden, was er sucht", betonte Belisama noch einmal. Millie nickte. Innerlich war sie sich aber sicher, daß Julius keine Leseratte haben wollte, wenn er selbst eine war. Er brauchte eine Partnerin, die ihm zeigte, wie schön echtes Leben war, nicht nur zu lesen, sondern auch mit allen Sinnen zu empfinden. Dafür, dies dachte Mildrid, kam nur eine Hexe in Frage, die ihre Gefühle unbeschwert auslebte und keine, die immer erst nachdachte, was nun anständig war oder nicht.
Julius Andrews indes bekam von diesem Zwiegespräch und den Gedanken der beiden Pflegehelferkameradinnen nichts mit. Waltraud führte ihn in den Palast von Beauxbatons zurück, wo sie in den grünen Saal zurückkehrten. Er dachte daran, noch an diesem Tag einen Brief an Kevin Malone in Hogwarts zu schreiben. Dessen letzter Brief war kurz gewesen. Da hatte nur gestanden, daß Kevin ihm sein Beileid zum Tod von Claire aussprach und sich noch einmal für die Sachen entschuldigte, die er ihr bei Julius' Geburtstagsfeier an den Kopf geworfen hatte. Mehr stand da nicht. Er schrieb nun an Kevin, daß er nun das zweite Quidditchspiel seit Claires Tod hinter sich gebracht hatte und in seiner Freizeit die fortgeschrittenen Zauber ausprobierte, die in der vierten Klasse noch nicht drankamen und daß er sich mit Gloria häufig über Hogwarts und was da im letzten Jahr gelaufen war unterhalte. Zum schluß schrieb er noch:
"... Ob ich Weihnachten in paris bin ist nicht sicher. Ich habe zwei Einladungen. Eine geht in ein Schloß, wo die Familie Eauvive meine Mutter und mich kennenlernen möchte, weil, wie ich dir mal geschrieben habe, einige Vorfahren von Mum und mir aus dieser Familie stammen. Dann will uns die Oma einer Mitschülerin ihre neuen Kinder vorstellen. Schon heftig. halte dich gut und lasse dich von den Slytherins nicht dumm anquatschen!"
Er schickte den Brief mit Francis nach Hogwarts. Als er gerade aus der saaleigenen Eulerei in den grünen Saal zurückkehren wollte, segelte eine eilige Eule durch eines der scheibenlosen Fenster und steuerte genau auf Julius zu. Sie hielt ihm einen Briefumschlag am linken Bein hin.
"Ach, du bist das", sagte Julius auf englisch und nahm den Briefumschlag. Es war Pina Watermelons Eule. Als er ihr wegen Claire geschrieben hatte, hatte er erst nach vier Wochen eine Antwort zurückbekommen. Sie hatte geschrieben, daß es sehr traurig sei, daß Claire nicht mehr lebe und sie hoffe, es würde ihm bald besser gehen. Was schickte sie ihm jetzt? Er öffnete den Brief und las:
Hallo, Julius,
ich weiß, mein letzter Brief war etwas einfach gestrickt, und ich wollte nichts schreiben, was dir wehtun könnte. Deshalb habe ich jetzt erst einen richtigen Brief geschrieben, um dir neuen Mut zu machen.
Es ist sehr schade, daß Claire nicht mehr bei dir ist. Wahrscheinlich fühlst du dich jetzt in Beauxbatons sehr einsam, obwohl du da noch einige Freunde hast und Gloria gerade auch bei euch ist. ich habe mir immer vorgestellt, daß ihr beiden, Claire und du, irgendwann heiratet und wir vielleicht alle dabei zusehen dürfen. Sicherlich habe ich mich mit Claire einigemale in der Wolle gehabt, weil sie meinte, dich schon sicher zu haben und diese Tanzveranstaltungen ihr da rechtgegeben hätten. Ich war und bin immer der Meinung, daß du das genau wissen solltest, mit wem du zusammensein willst und dich nicht von irgendwem festlegen lassen willst. Gloria hat mir das mit dem Corpores-Dedicata-zauber geschrieben, der nur wirkt, wenn die beiden, die ihn bringen sich echt lieben. Da er bei Claire und dir ja gewirkt hat, habe ich eingesehen, daß ich mich wohl wie eine eifersüchtige Schnäpfe aufgeführt habe. Um so trauriger ist es, daß Claire nun nicht mehr bei dir ist. Ich möchte dir, obwohl das bei dir jetzt vielleicht fies ankommt, vorschlagen, daß du jetzt nicht anfängst, dich in einen stillen Raum zurückzuziehen, sondern dich für die, die dich mögen und mit dir zusammen sein wollen offenhältst. Ich weiß, klingt altklug oder Vereinnahmend. Aber was wirklich besseres kann ich dir nicht vorschlagen. Falls du Sachen hast, die du nicht mit deinen neuen Mitschülern bereden willst, auch Sachen aus der Muggelwelt, dann kannst du mir ruhig schreiben und mich fragen, was du wissen willst. Andererseits ist ja auch bald Weihnachten. Onkel Ryan hat seine Nichten und Neffen, ja auch Olivia und mich, zu sich eingeladen. Wird etwas gewöhnungsbedürftig sein, nicht übers Zaubern reden zu dürfen. Aber ich werde sehr gerne mit Melanie und Mike ein paar Tage verbringen, um mal von den ganzen schlimmen Sachen hier wegzukommen, die Du-weißt-schon-wer anrichtet. Aber das Ministerium ist ja nicht besser. Jetzt haben die Stan Shunpike eingesperrt, den Schaffner vom fahrenden Ritter. das ist ein Dreideckerbus, der gestrandete Hexen und Zauberer aufnimmt und dahin fährt, wo sie hinwollen. Das ist für Leute, die nicht apparieren oder fliegen können oder wollen. Angeblich habe der für Du-weißt-schon-Wer gearbeitet. - Aber ich komme vom Thema ab. Was ich dir sagen wollte, Julius: Ich bin vom neunzehnten Dezember bis zum siebenundzwanzigsten mit Mum und Dad bei Onkel Ryan und Tante Claudia. Ich denke mal, ihr habt noch die Telefonnummer von ihnen. Ruf mich da ruhig an, wenn du bei deiner Mutter in Paris bist! Falls du von Hexen und Zauberern eingeladen wurdest, bei ihnen die Weihnachtsferien zu verbringen, schreibe mir das ruhig. Vielleicht bleibst du auch in dieser Beauxbatons-Schule, wie Gloria. Sie wollte unbedingt wissen, ob das mit den singenden Bergnymphen und den untaubaren Eisskulpturen stimmt, von denen ihre Tante Geraldine erzählt hat. Aber das hat sie dir wohl schon gesagt.
Auch wenn das mit Claire so aussah, als dürftest du keine anderen Freundinnen um dich rum haben - tut mir leid, daß ich das so empfunden habe - bin ich auf jeden Fall noch da, wenn du wen brauchst, die dir zuhört oder liest, was dich gerade umtreibt.
Mit freundlichen Grüßen
Pina Watermelon
Julius hielt den Brief in der leicht zitternden Hand. Pina hatte geschrieben, daß sie gerne wieder mehr von ihm hören wolle. Hieß das, daß sie ihm zeigen wollte, daß sie ihn mehr mochte als einen guten Freund? Oder wollte sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen, daß sie nach Claires Tod gepiesackt hatte? Vielleicht brauchte sie aber auch jemanden, mit dem sie über ihre Muggelverwandtschaft reden konnte. Gloria konnte sich nur schwer was darunter vorstellen, und die anderen erfuhren das nicht von ihr. Er selbst hatte nur durch einen Zufall rausbekommen, daß Pinas Mutter eine Muggelstämmige war, deren etwas jüngerer Bruder ein völlig magieloser Mensch geblieben war und es in der Chemie sehr weit gebracht hatte. Aber Claire hatte es ihm auf der Blumenwiese innerhalb der gemeinsamen Gedankenwelt in Ashtarias Schoß gezeigt, daß er mit Pina zusammengekommen wäre, ja sogar ein Kind mit ihr gehabt hätte, wenn er Claire nicht kennengelernt hätte. Das mochte eine pure Vermutung gewesen sein, konnte aber auch aus seinen tiefsten Gedanken herausgestiegen sein wie ein Sandkorn vom Grund des Ozeans, das von Strömungen sacht zur Oberfläche gespült wird, immer schon da, aber bis dahin völlig unbemerkbar. Vielleicht sollte er Claires beziehungsweise Ammayamirias Vermächtnis so verstehen, daß er sich Pina anvertraute, wenn sie auch sehr weit von ihm entfernt war. Vielleicht war das besser, als sich darauf zu verlassen, daß ihn die Mädchen hier in ruhe ließen, bis ihm einfiel, mit dem Finger auf eine zu zeigen und "Die da nehme ich" zu sagen. Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn fort. Er wollte noch einen Tag verstreichen lassen, bevor er antwortete. Pinas Eule saß bereits auf einer Schlafstange. Sie sollte also eine Antwort mitnehmen.
Es verging eine ganze Woche, bevor Julius Pina schrieb, daß er sich freue, daß sie an ihn denke und mit ihm sprechen wolle. Er sei wohl bis zum Weihnachtstag in Paris und dann bei anderen Zauberern wie den Eauvives und Latierres. Da Pina die Latierres höchstens aus Glorias Beschreibungen kennen mochte schrieb er nur, daß das eine sehr große Familie sei und die Leute da keine Probleme hatten, zu sagen was sie dachten und zu tun, was sie gerade für richtig hielten. Er versicherte ihr, daß er die telefonnummer der Sterlings wohl noch im Telefonregister zu Hause finden konnte. Er schlug vor, daß er erst mit Dr. Sterling und seiner Frau redete und dann herausbekam, wer alles da war. Denn er konnte sich vorstellen, daß Dr. Sterling heftige Probleme kriegen könnte, wenn er hörte, daß seine Nichte, eine Hexe, mit dem Sohn eines ehemaligen Kollegen in einer Klasse in Hogwarts gewesen war, also dieser Sohn auch ein echter Zauberer sein mußte. Aber vielleicht war Dr. Sterling wegen seiner Schwester Hortensia und der gemeinsamen Patentante, Lady Genevra von Hidewoods, umgänglicher was Hexen und Zauberer anging. Das sei, so schrieb er, zumindest etwas, worauf er sich freuen würde, weil das für ihn was ganz spannendes sei. Dann bedankte er sich noch für das Angebot und schrieb, daß es wohl in Claires sinne sei, wenn er mit seinen Freunden und Freundinnen weiterhin gut auskam. Diesen Brief schickte er los und ging dann wieder in die Bibliothek, seinem derzeitigen zweiten Wohnzimmer.
Dieses kalte Wasser von oben ist widerlich. Meine Jungen werden immer schwerer und machen mich immer hungriger und müder. Jetzt muß ich wieder in dieses kalte Wasser von oben reinlaufen, um was zu finden. Dieses nasse Zeug macht alle Gerüche anders. Ich kriege keine richtige Spur von einer Ratte oder einer Maus, obwohl die jetzt bestimmt nicht in ihren Löchern bleiben können, wo das Wasser reinläuft.
Warum kommt Julius nicht mehr zu mir? Ich merke doch, daß er einsam ist. Er macht nur so viel, um das nicht zu spüren. Aber das ist doch ganz falsch. Ich will nicht, daß er sich einsam fühlt. Ich will haben, daß es ihm gut geht, daß er glücklich ist und bei jemandem, die auf ihn aufpasst und mit ihm die Stimmung auslebt. Claire ist nicht mehr da. aber die war ja doch irgendwie seine Schwester. Er will nicht, daß ich ihm jemanden suche. Aber warum hat er mir dann von Aries dieses Getränk geben lassen, daß er mich endlich sprechen hören kann? Oh, wie das in mir ruckelt. Vier neue Junge wollen bald rauskommen. Julius sagt, wenn sie wieder aus dem, was sie Ferien nennen zurückkommen, kommen auch meine Jungen. Dann werde ich auch wieder leichter sein und kann besser laufen und springen. Dann finde ich ihm ein Weibchen, das stark und klug genug ist, ob er das will oder nicht. Ich bin für ihn da, und er soll endlich wieder glücklich und interessiert sein.
Ich höre gerade Julius' Stimme. Er spricht mit dem Weibchen, das Gloria heißt. Ja, die ginge auch. Aber sie ist nicht so stark wie die wurfgleichen Schwestern oder das Weibchen namens Millie. Vielleicht würde er auch mit ihren etwas jüngeren Wurfgleichen Verwandten was anfangen. Das ist aber schwierig, weil die Menschen nicht mehr als ein Weibchen gleichzeitig haben dürfen, sagt Julius. Das ist doch unsinnig! Wie sollen denn da richtig gute Nachkommen herauskommen, wenn nur ein Paar zusammenbleibt? Vielleicht darf er es, wenn die anderen das nicht mitbekommen, vor allem nicht die große Anführerin aus dem Steinbau. Sie mag es nicht, wenn die ihr überlassenen Jungen ihre Stimmung ausleben. Das habe ich ja mitbekommen, als das Weibchen Constance ihr Junges gekriegt hat. Immerhin ist Julius jetzt gerade wieder bei ihr und sieht sich das ganz junge Weibchen an. In vier Sonnen werden sie wieder fortfahren, und nur wenige werden hierbleiben. Weihnachten nennen die das. Dann gibt es in dem Steinbau große Bäume und ganz kaltes, festes Wasser und diese widerlichen Singweibchen, die sie extra von ganz hohen Revieren herholen. Ich mag die nicht, wenn die ihre Stimmen benutzen. Das piept immer so laut, weil da die Kraft drin ist. Wieso können die Zweifußläufer in dem Steinbau das nicht hören?
Es wird wieder Nacht. Von oben fällt kein Wasser mehr runter. Aber kalt wird es. Das macht mich noch hungriger, und die Jungen, die in mir drin sind frieren sonst, wenn ich nicht genug esse. Also los!
"Wann hast du das letzte Mal ein Baby gewickelt?" Fragte Constance Dornier beeindruckt, weil Julius ohne Anflug von Ekel oder Widerwillen Cytheras volle Windeln genommen, den Inhalt im Müllschlucker für organischen Abfall entsorgt und das saugfähige Stoffgebilde dann in einem großen Waschkessel voller Lauge versenkt hatte.
"Als Été und Lunette gerade anderthalb Monate oder so alt waren", sagte Julius. Millie, die ihm ebenfalls erstaunt und beeindruckt zugesehen hatte sagte dazu:
"Muß ich mich wohl auch dran gewöhnen, wenn Maman uns das neue Geschwisterchen vorstellt. Wieviel Liebe und wie viel Routine muß jemand für den Job aufbringen?"
"Hängt davon ab, wie wichtig dir das ist, gut mit Kindern im Säuglingsalter klarzukommen und ob du zu dem Kind eine gewisse Beziehung hast", sagte Madame Rossignol. Dann fragte sie Connie:
"Willst du sie wirklich bis nach Weihnachten stillen, Constance? Vielleicht können wir schon mit einfachen Breien anfangen, damit sie auch andere Nährstoffe zu sich nehmen kann."
"Meine Mutter hat mir gesagt, solange ich keine Probleme damit kriege und Cythera satt wird sollte ich ihr die Brust geben, Madame. Natürlich sollte ich spätestens damit aufhören, wenn sie zahnt. Oh, davor graut mir jetzt schon."
"Da können wir was tun, damit ihr das nicht so weh tut und ihr beiden gut schlafen könnt", sagte Schwester Florence. Millie hielt Cythera derweil, während Constance die kleine Badewanne mit warmem Wasser füllte.
"Wenn ich mir vorstelle, daß ich was in der Hand halte, was meine Schwester auch schon in der Hand hatte", philosophierte sie.
"Wenn ich ihr das in fünfzehn Jahren sage: "Ey, ich hatte dich schon am Har gestreichelt, wo du noch gar nicht geboren warst" wird sie mich wohl blöd angucken", erwiderte Julius.
"Immerhin bin ich jetzt wesentlich schlanker als im letzten Jahr noch", sagte Constance. "Die Kleine hat mir jedes überschüssige Körperfett wieder rausgezogen."
"So, dann badet sie mal. Millie, du wickelst sie, damit ich sehen kann, ob du das jetzt auch richtig hinbekommst!" Kommandierte die Schulkrankenschwester.
"Und du willst echt hierbleiben, Constance?" Fragte Julius noch einmal. Constance nickte.
"Céline und Laurentine bleiben doch auch hier. Außerdem komme ich dann um all die superklugen Mütter und Möchtegernammen herum, die uns sonst heimsuchen und die Kleine mit "Dididi" und "Dududu" vollquatschen."
"Oh, daß lass deine Mutter aber nicht hören!" Raunte Julius. Constance grinste darüber nur:
"Du wirst es erleben, wenn ich das richtig verstanden habe, was Millie und du beim Reinkommen noch gesagt habt", sagte Constance. Julius nickte. Er hatte den Brief von Patricia Latierre noch in seinem Umhang, den er zwei Tage zuvor bekommen hatte. Es war eine verbindliche Einladung, er möge mit seiner Mutter und den Brickstons bitte am sechsundzwanzigsten Dezember zu ihr ins Château Tournesol reisen, wo zum einen die Ankunft von Esperance und Félicité Latierre nachträglich gefeiert wurde und zum anderen alle Familien, die im Sommer im Château durch die Hinterlassenschaft des liebestollen Orion, des Wilden auf Nachwuchs warten durften zusammenkommen sollten. Julius hatte patricia sarkastisch geantwortet, daß seine Mutter Minderwertigkeitskomplexe kriegen würde, wenn sie diesem Club der guten Hoffnung einen Besuch abstattete. Patricia hatte darauf ganz schlagfertig geantwortet, daß ihre Schwester Béatrice ja auch kein Kind kriege und Julius' Mutter somit nicht alleine sei. Das hatte Julius wieder an Béatrice Latierre denken lassen, und in der gleich darauf folgenden Nacht die Ereignisse von damals im Traum wiederholen lassen, nur daß er er selbst blieb und Béatrice in ihrer natürlichen Gestalt liebte, was so leidenschaftlich war, daß er noch stunden später sein Herz wie einen Gummihammer gegen seinen Brustkasten wummern fühlen konnte. Offenbar, so mußte er feststellen, verlangte sein Körper wieder nach seinen Rechten, nachdem der Corpores-Dedicata-Zauber durch das Abenteuer in der Festung der Morgenstern-Brüder erloschen war. Er wunderte sich, daß er nicht schon früher nach Claires Beerdigung derartige Träume gehabt hatte und warum er dann ausgerechnet Béatrice ... natürlich weil sie die wirklich erste war und Patricias Bemerkung ihm dieses Erlebnis wieder in Erinnerung gerufen hatte.
"So, Cythera ist wieder ordentlich verpackt", sagte Millie und präsentierte das fröhlich glucksende Bündel Menschenleben im rosaroten Strampelanzug und legte es Constance in die Arme.
"Dafür, daß du das auch erst selten gemacht hast bist du gut darin", sagte Constance.
"Belisama soll das dann auch üben, wenn sie schon hierbleibt", sagte die schuleigene Heilerin kategorisch. Außer Belisama würden noch Patrice Duisenberg, Sixtus Darodi und Josephine Marat als sogenannte Stallwache über die Ferien in Beauxbatons bleiben. Julius hatte es gewagt, sich freiwillig zu melden. Doch Schwester Florence hatte den Kopf geschüttelt und sehr unumstößlich gesagt:
"Soviel ich weiß, haben Sie über die Weihnachtstage gesellschaftlich sehr wichtige Verpflichtungen, Monsieur Andrews. Ich sehe es nicht ein, Sie persönlich zum Schloß Florissant zu bringen und dann wieder abzuholen. Deshalb dürfen Sie dieses Jahr nicht hierbleiben." Julius hatte nicht einmal daran denken wollen, dem zu widersprechen. Offenbar galt diese Einladung als so wichtig, als würde die englische Königin oder der französische Präsident ihn einladen und es ginge dabei um das Schicksal des ganzen Landes. Zumindest empfand er es so.
"Noch einmal vielen Dank, daß ihr beiden mir bei Cythera geholfen habt", sagte Connie Dornier mit ehrlich gemeintem Lächeln und nickte der Heilerin zu, die das Lächeln erwiderte.
"Einerseits weißt du ja, daß deine Schwangerschaft und Cytheras Geburt alles andere als im Sinne der Schule waren, Constance. Andererseits ergibt sich für uns alle die Möglichkeit, zu zeigen, daß körperliches Vergnügen leicht zu großer Verantwortung führen kann, ja selbst schon verantwortungsvoll angegangen werden muß. Immerhin haben sich von den Pflegehelfern immer welche gemeldet, die dir bei Cythera Florence, Camille Hippolyte Martha helfen möchten", sagte Florence Rossignol, die Heilerin von Beauxbatons.
"Ich habe es dir angesehen, daß du richtig aufgetaut bist, als du die Kleine in den Armen hattest, Julius", sagte Millie zu ihm, als sie den Krankenflügel auf dem für alle Schüler üblichen Weg verließen. Er antwortete verlegen:
"Ich wollte nur Connie und Cythera helfen und nicht so dastehen, als sei mir das widerwärtig oder eine reine Zeitverschwendung. Außerdem bin ich nicht tiefgefroren, daß ich auftauen könnte."
"Ich meine auch nur, daß du mal eine Stunde lang nicht daran gedacht hast, welche Zaubersachen du in den nächsten Tagen noch lernen und anwenden kannst, Julius."
"Vielleicht erfinde ich ja mal einen Wickelzauber, der dem Schnellankleidezauber ähnelt", sagte Julius dazu nur. Mildrid grinste.
"Dann wärest du nicht der erste, der das probiert. Viele Hexenmütter wollten schon was zaubern, um ihre Kinder schneller aus den vollen Windeln raus in frische Windeln reinzukriegen, vom Analgopartio-Zauber ganz zu schweigen, der eine schmerzlose Geburt ermöglicht. Tja, aber bis heute ging das alles nicht, weiß ich von Tante Trice."
"In der Muggelwelt geht das", erwiderte Julius überlegen grinsend. "Da können Kinder vom Arzt aus dem Mutterleib geholt werden, ohne daß der Mutter das weh tut oder die Mütter kriegen Schmerzlinderungsmittel, um die Geburt durchzuhalten."
"Darüber darfst du dich mit meiner Tante Trice oder mit der Frau, deren Namen hier nicht mehr erwähnt werden darf unterhalten. Die sind ja beide auch bei Oma Lines Fest mit dabei", sagte Millie unbeeindruckt. "Aber ich fürchte, letztere würde dich mitleidig ansehen, weil die Muggelfrauen nix aushalten können oder sich darum drücken, alles mit allen Auswirkungen mitzumachen, was sie anfangen."
"Die wurde damals nicht gefragt, ob sie das durchhalten kann oder will", erwiderte Julius. Natürlich mußte er das Millie nicht sagen, wo sie den Vortrag über Zwerge und ihren Umgang mit weiblichen Artgenossen gehalten hatte. Sie nickte deshalb nur und verabschiedete sich von Julius.
Die Schüler der vierten Klasse stöhnten nicht schlecht, als sie von ihren Lehrern noch "kleine Hausaufgaben" für die Weihnachtsferien aufgehalst bekamen.
"Erläutern Sie mir auf mindestens zwanzig Zentimetern Pergament, worin der Unterschied zwischen direkt gewirkter oder auf Objekte gelegter Flüche und ihrer schädigenden Wirkung auf lebende Wesen besteht!" War Professeur Faucons "Weihnachtsgeschenk" an ihre Schüler. Dafür gab sie in Verwandlung keine Aufgaben auf, obwohl sie schon einmal angedroht hatte, einen Aufsatz über die Unterschiede bei der Tier-zu-Tier-Verwandlung in Berücksichtigung von Tierart, -gattung oder -klasse schreiben zu lassen, wobei sie besonders Gaston, André und Irene genau beäugte, weil die es immer noch nicht heraushatten, eine Spinne in eine Maus zu verwandeln, wenngleich sie locker einen Kanarienvogel in einen Sperling verwandeln konnten, wenngleich der graue Vogel dann nicht wie ein üblicher Hausspatz tschilpte, sondern melodisch tirilierte wie ein Meistersänger unter den Kanarienvögeln.
"Schreiben Sie mir bitte bis zum Ferienende die drei Culagin'schen Grundregeln der Bewegungszauberei auf und erläutern Sie an einer Beispieltabelle im Bezug auf ein ein Kilogramm schweres Versuchsobjekt, wie sich die drei Regeln einzeln und vereint auswirken!" Für Julius war das ein Heimspiel, weil er diese Regeln schon in der Jahresendprüfung des letzten Jahres erläutert hatte. Außerdem konnte er zur rechnerischen Unterfütterung seinen Computer benutzen, sofern er nicht die ganze Zeit in der Zaubererwelt herumlief. Laurentine machte ein enttäuschtes Gesicht. Offenbar wäre sie auch gerne an einen Computer gegangen, um die Beispieltabelle zusammenzustellen.
"So, bis zum Ferienende erwarte ich von jeder und jedem von Ihnen eine Liste der magischen Potenz verschiedener Mineralien und Metalle in Zaubertränken. Von denen, die sich auf meiner Liste für zusätzliche Aufgaben eingetragen haben und Monsieur Andrews möchte ich zusätzlich noch eine Liste der tödlichsten Giftstoffe in Tier- und Pflanzenwelt und ihr natürliches Vorkommen und die Art ihrer Gewinnung haben. Ich weiß, daß entspricht bereits dem ZAG-Standard, aber Mesdemoiselles Eschenwurz und Lavalette, Sie baten mich ja darum, Sie stärker zu fordern, und von Monsieur Andrews weiß ich, daß er derlei Recherchen bereits in meiner Arbeitsgruppe Alchemie angestellt hat, um einige Tränke leichter hinzubekommen." Julius errötete leicht. Hatte Professeur Fixus es doch nicht vergessen, daß er nachgeforscht hatte, ob ein stärkeres Gift einen Schmerzlinderungstrank nicht noch stärker machte und welches dann geeignet sei.
"Nach den Ferien werde ich Ihnen den Hippogreif, Aquillequus athenensis vorführen. Bitte schreiben Sie mir bis zum Ferienende einen kurzen, aber alle relevanten Details aufführenden Aufsatz über Ursprung, heutige Verbreitung und Haltungsbedingungen und Charaktereigenschaften dieses Tierwesens!" Ließ sich Armadillus nicht lumpen, auch noch etwas zur Freude an den Weihnachtsferien beizutragen. Julius erinnerte sich an seinen ersten Schultag in Hogwarts, wo er nachmittags bei Professor McGonagall im Sprechzimmer gesessen hatte und nicht wußte, ob sie ihn nicht doch rauswerfen würden, weil er zu gut gezaubert hatte und Dumbledore was von einem Unfall zwischen einem Hippogreifen und dem Ekel Draco Malfoy erzählt hatte. Vielleicht wollte Armadillus sicherstellen, daß seine Schüler wußten, mit was sie es zu tun bekamen, bevor er ihnen das entsprechende Tierwesen vorstellte. Vielleicht gehörte es aber zu den üblichen Gepflogenheiten in Beauxbatons, daß man die Ferien zu solchen Vorabstudien benutzte. Zumindest konnte das für alle Klassen ab der vierten so sein. Na, dann kam noch was auf Julius und seine Klassenkameraden zu.
Professeur Trifolio bemerkte zwar, er hätte auch gerne noch was für die Ferien aufgegeben, habe aber von den anderen Lehrern erfahren, was sie den Schülern der vierten Klasse des grünen und des weißen Saales aufgegeben hatten und räumte ein, daß seine Ideen für eine Hausaufgabe eh nur in einem Zauberpflanzengarten zu verwirklichen seien. Das ließ in Julius' Magen für einen Moment einen vier Kilo schweren Schneeball auftauchen. Zumindest fühlte er sich so, als habe er einen solchen im Bauch, weil er daran dachte, daß Claire so eine Aufgabe bei und von ihrer Mutter mit Links erledigen konnte. Doch sie war nicht mehr da!
Der Abreisetag verstrich wie im letzten Jahr auch schon. Jene, die über Weihnachten im Palast von Beauxbatons bleiben wollten verabschiedeten die, die zu ihren Verwandten in die Ferien abreisen wollten. Das Laurentine freiwillig in Beauxbatons blieb, wo sie letztes Jahr noch dazu gezwungen worden war, erstaunte Julius zwar immer noch, doch sie hatte ihm ja erzählt, daß sie sich dem Krach mit ihren Eltern nicht noch einmal aussetzen wollte, die meinten, sie besser gestern als morgen von dieser angeblichen Unsinnsschule herunterzunehmen. Kurz vor dem Abendessen kam Virginie Delamontagne mit einer Nachricht von Professeur Faucon zu Julius.
"Sie bittet dich, zu ihr zu gehen", sagte sie. Julius nickte. Was mochte vorgefallen sein?
Per Wandschlüpfsystem begab er sich in die Nähe des Sprechzimmers von Professeur Blanche Faucon, Fachlehrerin für Transfiguration und Protektion wider die destruktiven Formen der Magie. Er klopfte an und wurde hereingebeten.
"Hallo, Monsieur Andrews! Setzen Sie sich bitte!" Begrüßte die Saalvorsteherin der grünen ihn. Er gehorchte.
"Habe ich irgendwas angestellt?" Fragte Julius verlegen.
"Interessant, daß jeder den ich zu mir zitiere davon ausgeht, etwas angestellt zu haben", erwiderte sie lächelnd. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: "Sie haben sich nichts zu Schulden kommen lassen, Monsieur Andrews. Es geht darum, daß Ihre amtliche, für magische Belange zuständige Fürsorgerin, Madame Catherine Brickston, mich erst heute auf dem Weg der Eulenpost darüber in Kenntnis setzte, daß sie gezwungen sei, alle zaubererweltlichen Aktivitäten einstweilen zurückzustellen, da sich ganz überraschend ihre Schwiegereltern aus Birmingham, England, bei ihr und ihrer Familie eingefunden haben. Sie war gerade noch im Stande, den Kamin Rue de Liberation 13 zu sperren, um Kontaktfeuer oder Passagen zu vermeiden. Daher wird Madame Belle Grandchapeau Sie am Ausgangskreis abholen. Da sie den Weg ja kennt und über ihren Vater ein in der nichtmagischen Welt gebräuchlichesFahrzeug erbitten konnte, möchten Sie, Monsieur Andrews, sich ihr bitte anvertrauen."
"kann die meine Mutter nicht abholen und mit ihr hinkommen?" Fragte Julius.
"Ihre Mutter wird erst im Laufe des Abends zurückkehren, da sie für Madame Nathalie Grandchapeau eine kurze Dienstreise nach Aix-en-Provence gemacht hat, um dem dort eingerichteten Muggelkontaktbüro einen Computerarbeitsplatz einzurichten und den Mitarbeitern dort die Handhabung dieser Gerätschaften zu erleutern."
"Aix, das hätte mir auch gefallen, da mal hinzufahren", sagte Julius. Immerhin mochte er durch Millemerveilles, das ja in der Nähe von Marseille in der Provence lag, sowohl die Lebensart und auch die Speisen dort.
"Das besprechen Sie bitte mit Ihrer Mutter, wenn sie wieder da ist!" Sagte Professeur Faucon kühl. Julius nickte und sagte brav:
"In Ordnung, Professeur Faucon, ich erwarte dann Mademoiselle ... öhm, Madame Grandchapeau am Ausgangskreis von Paris."
"Gut, dann wünsche ich Ihnen erholsame Weihnachtstage und einen unbeschwerten Übergang in das neue Jahr."
"Sehen Wir uns nachher nicht mehr kurz vor der Abreise?" Fragte Julius.
"Nein, ich werde wie die anderen Kollegen bereitstehen, die in meinem Heimatort wohnenden Schülerinnen und Schüler zurückzubringen."
Julius erwiderte nun den Weihnachtsgruß und verließ das Sprechzimmer. Belle würde ihn also abholen. Seit dem Sommer hatte er sie nicht mehr gesehen, genauso wenig wie Barbara van Heldern. Das Adrian Colbert sich wie Bruno hatte breitschlagen lassen, den Nachnamen seiner Frau anzunehmen verwunderte ihn manchmal. Doch die Familienstandsgesetze und -traditionen geboten, daß der Mann den Familiennamen der ältesten Tochter, sofern sie keine Brüder hatte, annahm, wenn er selbst noch Geschwister hatte. Da Adrian wohl eine sieben Jahre jüngere Schwester hatte ging das also.
"Und, hat sie dir noch was aufgeladen?" Fragte Hercules Moulin.
"Nur, daß Catherine mich nicht abholen kann und meine Mutter gerade in Aix ist."
"Wo?" Fragte Hercules verblüfft.
"Ach du große Tüte Schnecken, er meint Aix-en-Provence, eine Stadt in der ...", setzte Robert an.
"... Provence wohl", knurrte Hercules. "Habe ich bis heute nix von gehört. Dann wird man ja wohl mal fragen dürfen."
"Wäre auch kein Problem gewesen", sagte Julius ruhig.
"'n bißchen was von deinem Heimatland solltest du aber schon wissen", raunzte Robert. "Nachher verfliegst du dich noch, wenn du von Paris nach St. Tropez willst und dann in Rom landest."
"Ha ha ha!" Versetzte Hercules. Céline kam heran und sah die beiden Jungen sich über irgendwas zanken. Sie blickte Robert an, der gerade sagte:
"Kauf dir 'nen Atlas oder lass dir einen schenken. Ist ja bald Weihnachten!"
"Oh, Mist! Wußte doch, daß da irgendwas im Busch ist. Jetzt muß ich noch dämliche Geschenke für noch dämlichere Verwandte besorgen", spulte sich Hercules auf. Doch sein Listiges Lächeln verriet, daß er nur schauspielte.
"Na klar, wo die Weihnachten erst vor einer Woche auf den fünfundzwanzigsten Dezember festgelegt haben", ging Julius darauf ein.
"Worum ging das eben?" Fragte Céline die Jungen.
"Och, der Hercules weiß nix von Aix-En-Provence, wo Julius' Mutter gerade sein soll."
"Da wohnt Tante Samantha, die ältere Schwester meiner Mutter. Die wollte doch Cytheras Patin werden. Aber weil meine Nichte ja die Namen aller Mütter der Geburtshelfer hat, haben sich Madame Latierre und Madame Dusoleil darauf geeinigt. Tante Sam ist darüber nicht sonderlich begeistert. Ist deine Maman bei ihr?"
"Huch, wüßte ich jetzt nicht", sagte Julius. "Die soll im Muggelkontaktbüro ein paar Computer hinstellen und denen, die da arbeiten zeigen, wie die gehen. Mehr nicht."
"Ja, dann könnte deine Mutter meinen Cousin Simon da treffen. Der arbeitet da seit zwei Jahren."
"Alle wissen, was für'n Kaff gemeint ist, nur ich nicht", grummelte Hercules.
"Tja, wenn du noch mit Bernie zusammen wärest", setzte Robert an und fing sich einen Tritt vor's Schienbein. Céline zog Julius mit sich fort.
"Wenn die unbedingt noch Strafpunkte haben wollen müssen wir da nicht beistehen", sagte sie. "Aber du hast nicht erzählt, daß deine Mutter nach Aix ist. Dann hätte ich meiner Tante 'ne Eule geschickt, sie möchte Simon bitten, sie zu sich einzuladen. Hätte Reisekosten gespart."
"Lebt deine Tante alleine?" Fragte Julius und wußte in dem Moment, wo Céline noch bleicher wurde als eh schon, daß er diese Frage wohl besser nicht gestellt hätte.
"Mein Onkel Roland ist vor fünfzehn Jahren ermordet worden, im Sternenhaus. Davon hast du ja gehört."
"Zu gut", sagte Julius ebenfalls erschüttert. Denn das Sternenhausmassaker war die schlimmste Untat, die Voldemort auf französischem Boden verübt hatte. professeur Faucons Mann war ebenfalls dabei umgekommen und beinahe auch sie und Catherine.
"Deshalb freut sie sich auch, wenn sie Gäste über Weihnachten hat. Meine Eltern werden da wohl auch dieses Jahr hinfahren. Connie bleibt ja auch hier in Beauxbatons", sagte Céline.
"Und du wolltest echt nicht nach Hause?" Fragte er sie.
"Ich bleibe wegen Bébé hier. Waltraud ist ja auch da. Die hätte zwar auch nach Hause gekonnt, von Straßburg aus, aber sie will ja das Weihnachtsfest hier mitmachen."
"Wie Gloria", sagte Julius. Céline nickte.
"Könnt ihr vielleicht aufpassen, ob Goldschweif in der Zeit, wo Ferien sind ihre Junge kriegt?"
"Ich dachte erst im Januar", erwiderte Céline. Dann nickte sie und erklärte sich einverstanden, ihm das sofort zu schreiben, wenn sie es erführe.
Nach dem Abendessen, bei dem Hercules und Robert kein Wort miteinander wechselten und meinten, Julius solle für sie übersetzen, was dieser jedoch als zu albern ablehnte, fand die übliche Prozedur des Verabschiedens und Abreisens statt. Julius wünschte Gloria und Waltraud ein abwechsslungsreiches Weihnachtsfest, Céline und Laurentine friedliche Festtage und seinen Pflegehelferkameraden, die nicht mit ihm nach Paris reisten erholsame Feiertage.
"Wir sprechen mal miteinander", sagte Belisama. Sandrine nickte beipflichtend. Als er dann eher wie zufällig neben Mildrid im Ausgangskreis Stand, sagte sie:
"Wir sehen uns ja spätestens am sechsundzwanzigsten bei Oma Line", säuselte sie. "Aber du kannst ja mal zu uns ins Honigwabenhaus kommen."
"Honigwabenhaus?" Fragte Julius, bevor ihm einfiel, daß ihn das doch nicht interessieren mußte.
"So heißt das Haus meiner Eltern, weil es ... Aber das kannst du ja sehen, falls du die Erlaubnis hast, die Tage vor Weihnachten deine Schulkameraden in der Rue de Camouflage zu besuchen", sagte sie. Dann winkte sie ihren Cousinen Callie und Pennie und ihrer Tante patricia.
Als die von Professeur Paximus aufgerufene Reisesphäre sie sicher nach Paris getragen hatte, traten sofort mehrere Dutzend Verwandte der Heimkehrer in den Kreis und begrüßten die Schülerinnen und Schüler.
"Ach, Martine ist schon da", sagte Millie, als ihre Schwester zusammen mit ihrem Vater herankam.
"Hallo, Julius", grüßte Martine Julius zuerst, weil ihr Vater Millie umarmte. "Ich habe Belle gesehen. Sie soll dich nach Hause bringen."
"Ist Adrian nicht bei ihr?" Fragte Julius.
"Den hat sein Schwiegervater zusammen mit dem Leiter des Drachenkontrollbüros nach Washington geschickt, wo sich die Leiter dieses Ressords aus London, Moskau und Washington treffen."
"Was mit Drachen?" Fragte Julius. "Stand nix von in der Zeitung."
"Ist auch nichts öffentliches", sagte Belle Grandchapeau, die gerade in den Kreis eintrat. Sie trug ihr grünes Kleid, mit dem sie einmal die Andrews' besucht hatte. "Mademoiselle Latierre, Sie wissen doch, daß längst nicht alles, was im Ministerium herumgereicht wird an die Öffentlichkeit soll." Martine errötete an den Ohren. Dann wandte sie sich ihrer jüngeren Schwester zu.
"Guten Abend, Monsieur Andrews, ich hoffe, Sie wurden rechtzeitig darüber informiert, daß ich von meiner Mutter gebeten wurde, Sie in Vertretung für Ihre amtliche Fürsorgerin abzuholen, da diese aus unerwarteten familiären Gründen unabkömmlich ist", sagte Belle routiniert wie eine Beamtin. Doch ihre gepflegten, leicht rosa angemalten Lippen umspielte ein warmes Lächeln. Julius erwiderte genauso amtlich klingend:
"Madame Grandchapeau, Professeur Faucon war im Stande, mir Ihr Erscheinen in Vertretung von Madame Brickston zur Rechten Zeit mitzuteilen und mich darum zu bitten, mich von Ihnen in die Rue de Liberation befördern zu lassen. mein Gepäck befindet sich dort. Ich werde es holen."
"Sie wissen, daß Ihnen für die Dauer der Ferien jede Art von Zauberei untersagt ist, Monsieur. Ich werde Ihr Gepäck herholen." Ohne ein Wort zu sagen holte sie die Tasche und den Koffer mit Julius' Namenszug darauf per Aufrufezauber heran, als für zwei Sekunden Freie Bahn war. Julius nahm beide Gepäckstücke und folgte der Hexe mit der dunkelblonden Dauerwelle und den tiefgrünen Augen, mit der ihn mehr verband als gerade sichtbar war. sie liefen die Straße entlang, durch das Geschichtsmuseum und hinaus vor die gläserne Eingangstür. Dort stand ein kirschroter VW Käfer.
"Ui, so'n Wagen habe ich aber schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen", staunte Julius, als Belle die Fronthaube öffnete und sowohl den großen Koffer als auch die Reisetasche mühelos im Kofferraum versenkte. Sie blickte sich noch einmal um, ob jemand das gesehen hatte und schloß die Haube.
"Das ist mein amtliches Automobil, dessen Führung ich im letzten Monat erlernt habe. Bitte Steigen Sie nun ein, Monsieur!"
Julius setzte sich auf den Beifahrersitz, während Belle sich auf den Fahrersitz schwang und die Tür zuzog. Als der Motor ansprang und Julius das charakteristische Rasseln heraushörte sah er sich für einen Moment als knapp Fünfjährigen, als er mit seinem Freund Lester und dessen älterem Bruder von deren Eltern abgeholt worden war. Sein Vater hatte damals etwas mitleidsvoll gekuckt, als sie mit einem baugleichen Fahrzeug vorgefahren kamen. Doch Lesters Vater hatte gesagt, daß ja jeder mit genug Geld einen Mercedes oder Bentley haben könne, wohingegen ein klassischer Käfer nicht mehr so leicht zu kriegen war.
"So, genug der Förmlichkeiten, Julius. Wie geht's dir?"
"Als wenn mir was fehlt, aber ich trotzdem so tu, noch in einem Stück zu sein", sagte er aufrichtig. "Das mit Claire war ein Schock. Aber die Familie Dusoleil hat mich gut aufgefangen. Und wie geht's dir?"
"Ich würde gerne sagen, den anderen Umständen entsprechend, wie Barbara van Heldern oder Jeanne. Aber gestern ist wieder ein Monat umgegangen, wo ich hoffte, auch ein Kind empfangen zu haben."
"Ach, deshalb hatte ich gestern diese dumpfen Bauchschmerzen", wagte Julius eine Frechheit. An und für sich konnte man da bei der jungen Hexe, die immer auf Förmlichkeiten achtete heftig auflaufen. Doch sie lachte nur.
"Das würdest du nicht lange aushalten, ohne dich krank zu melden, Julius, geschweige denn, wenn ich wirklich in anderen Umständen wäre und diese sympathetische Verbindung zwischen uns noch bestehen würde. Aber du hast schon was wirklich schlimmes erlebt, denke ich."
"Ich habe deinen Brief noch, den du eine Woche später geschrieben hast. Schade, daß du nicht kommen konntest. Jeanne hätte sich bestimmt auch gefreut."
"Womöglich", sagte Belle. Dann wechselte sie das Thema und sagte:
"Das mit der Drachenhüterkonferenz hätte deine frühere Pflegehelferkollegin nicht mitten im Ausgangskreis anschneiden sollen. Wenn das nämlich an die Öffentlichkeit gekommen wäre, hätte es eine Panik gegeben."
"Was war denn, oder ist das echt streng geheim?" Fragte Julius nun doch neugierig.
"Streng geheim nicht, aber geheim genug, daß es außerhalb des Ministeriums keiner wissen darf. Das diese zu direkte Person Martine Latierre das aufgeschnappt hat ist unverzeihlich. Ich fürchte, ich muß das meinen Eltern mitteilen, daß es da Lücken in der Abschirmung gibt."
"Belle, das kommt schon mal vor. Abgesehen davon hat Martine ja nur erzählt, daß eine Konferenz stattfindet. Die kann doch aus allen möglichen Sachen angesetzt worden sein. Mal abgesehen davon würde erst recht gefragt, was da verheimlicht werden sollte. Glaube es mir, da kenne ich mich mittlerweile besser aus als mir lieb ist."
"Natürlich tust du das", knurrte Belle. Dann wurde sie wieder freundlich und sagte: "Nun, zeitweilig sah es so aus, als habe der, dessen Name nicht genannt werden darf ein Mittel in die Hand bekommen, Drachen zu seinem Dienst zu rufen. Doch dieses sei ihm von einem, der sich auf ein sehr gewagtes Experiment eingelassen habe, wieder abgenommen worden." Julius erbleichte bei dem Gedanken, was für eine heftige Waffe das sein mochte.
"Siehst du, sogar dir macht das angst, daß sowas existieren soll. Immerhin hat dieser Massenmörder mehrere Siedlungen in Russland mit von ihm unterworfenen Drachen bestürmt. Es steht sogar im Raum, daß er mit diesem Mittel auch einen erloschenen Vulkan wiederbelebt haben soll. Aber darüber werden sich die Leute in den Abteilungen unterhalten."
"Ein Mittel, mit dem Man Feuerwesen und Feuerquellen beeinflussen kann?" Fragte Julius.
"So sieht es aus. Wenn sowas wirklich existiert, dann darf darüber erst einmal keiner außerhalb der zuständigen Abteilungen was wissen. Selbst die Liga gegen die dunklen Künste stimmt zu, diese Sache nicht zu veröffentlichen."
"Die werden auch wissen warum, wenn das so mächtig ist", sagte Julius.
"Ich weiß, daß du die Occlumentie erlernt hast. Deshalb gehe ich davon aus, daß du dieses Wissen nicht unfreiwillig preisgibst. Aber bitte erzähl auch keinem davon. Ich erzähle dir das nur, weil du nicht den Eindruck haben sollst, wir im Ministerium würden wieder Heimlichkeiten haben, obwohl die ganze Zaubererwelt davon betroffen sein könnte. Immerhin hat der Größenwahnsinnige dieses Etwas nicht mehr, soweit sind wir beruhigt."
"Wenn Voldemort dieses Mittel finden konnte, könnten andere es finden. Das ist der Grund für die Geheimhaltung, damit nicht alle Welt danach sucht", sagte Julius laut.
"Auch deshalb", bestätigte Belle.
"Da vorne links rein, Belle", sagte Julius.
"Kenne ich doch den Weg", erwiderte sie und bog in die richtige Straße ab. Als sie vor der Tür hielt sagte sie zu Julius: "Mentiloquier deiner Fürsorgerin, du seist da und sie möge ihre Schwiegereltern für eine Minute ablenken, damit ich dein Gepäck aus dem Kofferraum entnehmen kann."
Julius konzentrierte sich auf die fünf Stufen des Mentiloquismus, handelte eine nach der anderen in seinem Geist ab und schickte die von Belle gewünschte Nachricht an Catherine. Dann wartete er. Als Catherine ihm unhörbar antwortete: "In Ordnung, holt deine Sachen raus!" Nickte er Belle zu, sie könnten aussteigen.
Tatsächlich dauerte es keine zwanzig Sekunden nach dem Aussteigen, bis Belle Grandchapeau die zwei Gepäckstücke aus dem Kofferraum entnommen und Julius an die Hand gegeben hatte. Dann sagte sie:
"So, ich fahre jetzt wieder zurück. War schön, dich kurz gesprochen zu haben, auch wenn wir nicht nur fröhliche Sachen besprochen haben." Sie küßte Julius landesüblich auf die Wangen und bestieg wieder ihren Wagen.
Julius schaffte seine Sachen vor die Haustür und suchte nach dem Schlüssel. Doch da ging die Tür schon auf, und Babette grinste ihn an.
"Maman ist mit Oma Jennifer in der Küche, weil ihr die große Schüssel runtergefallen ist. Ich soll dich reinlassen, wenn du vor der Tür stehst", sagte sie lausbubenhaft grinsend. Julius trat ein und rief:
"Catherine, bin jetzt im Haus. Ich komme gleich zu euch, wenn ich meine Sachen untergestellt habe!"
"Ist gut, Julius!" Rief Catherine zurück.
"Und, wie geht's deiner Maman?" Fragte Julius Babette, die ihm auf dem Weg nach oben nicht von der Seite wich.
"Sie frißt wie zwei Scheunendrescher und wird oben und unten immer runder. Sie weiß sogar schon, was es wird. Aber das will sie mir erst Weihnachten erzählen", sagte Babette.
"Und, freust du dich oder ärgerst du dich, daß du ein Geschwisterchen kriegst?" Fragte Julius.
"Kann ich nicht sagen, muß ja erst wissen, was sie gerade ausbrütet. Mir wäre 'ne Shwester lieber, weil papa und Opa James unbedingt 'nen Jungen haben wollen und ich nicht weiß, ob die mich dann noch wollen."
"Wenn die'n Jungen haben freuen die sich bestimmt, daß sie schon eine Prinzessin haben, wenn der anfängt, Papas Auto haben zu wollen", sagte Julius grinsend. Wie würde er reagieren, wenn seine Mutter ankäme und ihm sagte: "Julius, hör bitte zu, ich bekomme ein Baby."
"Ja, und Denise sagt große Schwestern sind manchmal ziemlich blöd und ... Oh, wollte ich nicht sagen", meinte Babette und sah ihn abbittend an.
"Babette, dafür, daß Claire nicht mehr da ist kannst du doch nichts und mußt dich auch nicht schämen, über sie zu sprechen. Außerdem weiß ich ja, daß es ihr jetzt ganz gut geht."
"Ja, stimmt. Denise sagt, sie hätte sie gesehen, als ihre Maman nach Hause gekommen ist. Sie wäre jetzt ein Engel, aber ohne Flügel."
"Ja, aber den können wohl nur die sehen, die Claire sehr gern gehabt hat", entgegnete Julius.
"Genau das hat ihre Maman mir auch gesagt, als Denise mir das erzählt hat. Aber du hast ja den Apfelkern bei uns eingebuddelt. Vielleicht kommt sie ja mal dahin, wenn da ein Baum draus wird."
"Hat sie dann nicht nötig, Babette, weil der Baum mit ihrer Liebe erfüllt ist. Wenn ich ihn sehe und anfasse, ist sie sofort bei mir und allen, die einen Apfelkern eingebuddelt haben."
"Toll, dann ist sie ja nicht echt weg", sagte Babette nun sehr erleichtert, daß Julius ihr nicht böse war.
"Leute, die einen sehr geliebt haben und geliebt wurden gehen nie ganz fort, Babette. Daran denke ich auch, wenn ich an meinen Vater denke."
"Der ist auch tot", seufzte Babette. "Aber wenn der nicht ganz weggeht, ist der ja bei dir und deiner Maman, auch wenn er dich nicht zaubern lernen ..."
"Psst, Babette", zischte Julius. Doch sie grinste feist und sagte:
"Oma Jennifer und Opa James können kein Französisch. Deshalb sollen wir ja alle jetzt Englisch reden. Mann, das nervt. Besonders wo Mayette morgen mit Pat vorbeikommen will."
"Woher weißt du, daß die kein Französisch können?" Fragte Julius und schloß die Wohnungstür auf.
"Weil ich's ausprobiert habe. Oma Jennifer kann nur so'ne Sprache, die Lateinisch heißt und was die alten Römer gesprochen haben. Dabei war die in 'ner Schule für Mädchen, die viel lernen sollen."
"Wie hast du denn das getestet?" Fragte Julius.
"In dem ich Oma gefragt habe, ob sie ihren übergroßen fetten Arsch unbedingt auf meinen Platz drücken muß. Die hat mich nur angestrahlt und gefragt, ob ich irgendwas von ihr wolle und ich soll doch bitte Englisch mit ihr reden, weil sie kein Französisch könnte. Die hat nicht geblinzelt oder böse gekuckt oder sowas."
"Oh, und das hat deine Maman dir durchgehen lassen?" Wunderte sich Julius.
"Hat sie nicht. Die hat mich kurz danach zu sich gewinkt und dann gefragt, was das gesollt hat und mich dann ins Zimmer geschickt, wo ich aus dem Schulbuch eine Geschichte abschreiben mußte. War 'ne ziemlich lange."
"Dein Papa hat das nicht mitgekriegt?" Fragte Julius.
"Nöh, war mit Opa James am Computer und hat ihm gezeigt, was er damit alles machen kann", grummelte Babette. Offenbar gefiel es ihr nicht, daß die englischen Großeltern zu Besuch waren. Den Grund dafür lieferte sie gleich nach. "Jetzt müssen Mayette und Pat durch die Autostadt kommen und können nicht durchs Feuer zu uns kommen, und ich darf bis Silvester keinen mehr anschreiben, weil Maman die Eulen zu Oma Blanche geschickt hat."
"Meine nicht", grinste Julius und wies auf seinen Eulenkäfig, wo Francis gerade döste.
"Ey, darf ich den Francis mal ausleihen?" Fragte Babette.
"Ich fürchte, daß wird deine Mutter in der gegenwärtigen Situation nicht dulden können, junge Mademoiselle", mischte sich eine Frauenstimme vom Flur her ein. Julius sah sich um und erkannte die in ihrem wasserblauen Umhang gekleidete Viviane Eauvive. Babette sah das Bild an und meinte:
"Dann hätte die dich alte Schreckschraube ja auch abhängen müssen, bäh!" Sie streckte Viviane die Zunge heraus.
"Nana, das gehört sich nicht für eine junge Dame. Auch wenn ich nicht in deiner Welt direkt präsent bin erwarte ich doch eine ganze Menge mehr Respekt als du gerade gezeigt hast."
"Nöh!" Blaffte Babette und schlüpfte schnell ins Wohnzimmer.
"Tja, die kommt bestimmt nicht in den grünen Saal", flüsterte Julius amüsiert. Viviane nickte wild und ungehalten.
"Ist zu befürchten, daß sie Petronellus' oder Orions Saal zugewiesen wird", schnaubte Viviane. Dann sagte sie noch:
"Ich möchte dir von Mademoiselle Dawn ausrichten, so bald du zu Hause bist möchtest du dieses Fernsprechgerät benutzen und eine Zahlenfolge darin eindrücken, die dich mit ihrer neuen Anschrift verbinde."
"Sie ist umgezogen?" Fragte Julius.
"Nicht in ein anderes Haus. Sie meinte, es sei eine neue Telefonnummer eingerichtet worden, eine für sie und eine für ihre Tante June, die im selben Hause wohnt."
"Ich muß erst runter zu Catherine und mich anständig zurückmelden. Wenn ich nachher oben bin möchte ich bitte diese Telefonnummer ausprobieren", sagte Julius und stellte seine Sachen in sein Zimmer.
"Ey, ihr habt ja auch 'nen Kamin! Geht der wie unserer?!" Rief Babette aus dem Wohnzimmer.
"Was?" Julius eilte ins Wohnzimmer, wo ihm der blitzsaubere, niegelnagelneue Marmorkamin sofort ins Auge sprang. "Ich habe kein Flohpulver dabei. Sonst würde ich das mal testen", sagte er. Er konnte sich denken, daß sie ihm und seiner Mutter nicht einfach so einen Kamin ins Wohnzimmer gebaut hatten.
"Wahrscheinlich hat Maman den auch ausgemacht, wie den unten."
"Wohl ehr zugemacht", berichtigte Julius. Ob er wollte oder nicht empfand er die einfache Plauderei mit Babette höchst erfrischend und aufmunternd."Nöh, zugemacht hat sie'n nicht. Feuer machen geht damit noch. Aber das andere geht nicht mehr."
"Julius, bringst du mir Babette heute noch einmal zurück nach unten?" Kam eine mentiloquierte Frage Catherines bei ihm an.
"Neh, die habe ich gerade durch den roten Kamin nach Château Tournesol geschickt, den ihr Mum und mir spendiert habt", erlaubte sich Julius eine Frechheit.
"Das wohl dann doch nicht. Es sei denn, der Flohregulierungsrat hätte Heiligabend auf den heutigen Tag vorverlegt", kam eine amüsierte Antwort. Dann erfolgte noch ein "Frechdachs!" Dann war Julius mit seinen Gedanken alleine.
"Babette, deine Mutter will dich wiederhaben. Sie müßte deinen englischen Großeltern sonst was erzählen, daß sie die alten Kinder abgibt, sobald sie neue im Bauch hat."
"Sag das mal nicht zu Laut. Wenn ich elf bin soll ich eh zu euch nach Beaux. Ob die mich dann noch wiederhaben wollen?"
"Meine Mum wollte mich wiederhaben", sagte Julius tröstend.
"Ja, aber die kriegt kein Kind."
"Das hat echt nix damit zu tun, Babette. Also komm jetzt bitte. Der Kamin ist wohl noch nicht angeschlossen."
"Ach, Männo!" Quängelte Babette.
"Stimme ich dir zu", bemerkte Julius dazu und schob das Hexenmädchen zur Tür hinaus. Er schloß sorgfältig ab und folgte ihr.
"Hallo, Julius, schön, daß du schon da bist", sagte Catherine zu ihm und winkte ihn und ihre Tochter hinein. Er sah sie an. Sie war tatsächlich etwas runder als er sie von Claires Beerdigungsfeier in Erinnerung hatte.
"Wie geht's dir, Catherine?"
"Uns beiden geht's gut", sagte Catherine. "Madame Matine meint, wenn ich gut weiteresse wird das Kind neun Pfund schwer zur Welt kommen." Sie umarmte ihn so fest, daß sie ihr ungeborenes Kind gerade noch vor dem Erdrückt-werden bewahrte.
"Mein Mann und sein Vater spielen Computer, und meine Schwiegermutter Jennifer räumt noch den Rest von dem Malheur mit der großen Salatschüssel weg, in der noch etwas Soße war. Sie wollte nicht, daß ich das mache."
"Soso", grinste Julius und sagte laut:
"Bonsoir les tout!"
"Bongzwaah!" Antwortete eine leicht angenervte Frauenstimme aus der Küche. Joe rief aus seinem Zimmer:
"Du kannst mit denen englisch reden, das sind meine Eltern. Hat die Kleine das nicht gesagt?"!
"Daß es deine Eltern sind, hat sie gesagt!" Rief Julius auf Englisch zurück.
"Wir sprechen jetzt im Moment alle Englisch, damit meine Schwiegereltern ... Danke, Jennifer!" Die zu der Stimme aus der Küche gehörende Frau trat gerade in den Flur. Sie war mittelgroß, untersetzt und trug ein leicht genervtes Gesicht zur Schau und eine blaßblaue Schürze umgebunden, unter der Julius Etwas feines wie Seide hervorlugen sehen konnte.
"Mußtest du denn ausgerechnet die Schüssel fallen lassen, als ich sehen wollte, wer da mit dem Massenauto ankommt?" Fragte die Frau, deren blondes Haar schon eine Spur Silber enthielt und deren Augen denen Joes ähnelten.
"Guten Abend, Madam", grüßte Julius nun englisch.
"Ah, du bist mit dem Proletariervehikel angekommen?" Fragte sie und sah ihn an. Da fiel ihr auf, daß er einen blaßblauen Umhang trug. Doch Weil er seinen spitzen Hut schon oben gelassen hatte wußte er die Antwort:
"Schulumhänge. Sind da wo ich lerne die Uniformen für die Klassen über der dritten. Wegen Babette habe ich vergessen, den auszuziehen. Bin darunter aber statthaft bekleidet,Madam."
"Behalten Sie ihn ruhig an, Junger Mann. Sie wirken damit erhaben, obwohl es ... Wie alt sind Sie bitte?"
"Vierzehn Jahre und nächste Woche genau fünf Monate alt", erwiderte Julius.
"Das erstaunt mich", sagte die Frau.
"Jennifer, hast du die Sache mit der Schüssel bereinigt?!" Rief ein Julius noch fremder Mann aus dem Arbeitszimmer herüber.
"Natürlich habe ich die Katastrophe bereinigt!" Rief Jennifer Brickston zurück.
"ich wollte nur mal guten Abend wünschen und dann hoch und ins Bett. War eine Lange Anreise", sagte Julius. Dann stellte ihn Catherine ordentlich vor. Jennifer Brickston trug eine ziemlich gezierte Miene zur Schau, als sie ihn fragte, ob er dieselbe Lehranstalt besuchte, in der Catherines Mutter unterrichte.
"So verhält es sich, Mrs. Brickston", erwiderte Julius übertrieben vornehm klingend. James Brickston war der krasse Unterschied zu seiner Frau. Zwar war er auch untersetzt, aber ein hochgewachsener Mann mit dunklem Haar. Das Gesicht verriet, daß er Joes Erzeuger und damit Babettes Opa sein mußte. Im Gegensatz zu seiner Frau trug er schlichte graue Jeans und einen Rollkragenpullover.
"Ui, sind so schnieke Umhänge bei euch Schuluniformen?" Fragte James und griff vorsichtig an den fließenden Stoff von Julius' Umhang.
"Ja, stimmt", sagte er nun etwas aufgelockerter. Er konnte schon seit jeher von Straßenjunge auf gut Bürgerlich umschalten, je nachdem, wen er vor sich hatte. Zwar hatten Hogwarts und erst recht Beauxbatons diese Kunst bei ihm arg zurückgedrängt, aber irgendwie ging es noch.
"James Brickston, Joes alter Herr und Babettes Opapa", sagte James jovial. Julius fühlte, daß dieser Mann mit dem mittelenglischen Dialekt nicht in den Höhen schwebte, in denen seine Frau wohl gerne herumgondelte. Ja, er sah gerade zu einen vergoldeten Topf, auf den jemand einen passenden, aber schlichten Eisendeckel geknallt hatte.
"James, wie oft habe ich dich gebeten, dich etwas kultivierter auszudrücken. Nachher verdirbst du diesen jungen Mann noch."
"Dann bekäme er wohl sicher mordsmäßigen Krach mit meiner Klassenlehrerin", warf Julius nun eher wie der Junge der er war sprechend ein. Jennifer Brickston rümpfte die Nase.
"Na, siehst du, Jennifer, der Bursche redet doch genauso wie ich wenn man ihn läßt", lachte Mr. Brickston.
"Catherine, Kind, steh dir doch nicht die Beine in den Bauch. Nachher ereilt dich noch eine Erschöpfung", Sprach Jennifer Brickston überfürsorglich auf ihre Schwiegertochter ein.
Ne parlez-vous pas français?" Fragte Julius, der sich wunderte, wie eine Frau, die förmlich das Schild "Höhere Tochter" an der Brust trug kein Wort Französisch können sollte. Aber Babettes Test war ja durchschlagend verlaufend.
"Wie bitte?!" Fragte die Frau beschämt.
"Er wollte nur wissen, ob du wirklich kein Französisch kannst", sagte Catherine ruhig. "In Paris ohne Französischkenntnisse zurechtzukommen setzt ja doch sehr viel Mut voraus, den er wohl bewundert."
"Die könnten schon Englisch, wenn man ihnen mehr Geld geben würde. Die verweigern es nur, weil sie sich was auf ihre Sprache einbilden", sagte Jennifer.
"Das sagen die meisten Franzosen auch über die Engländer", wußte Julius den passenden Kommentar dazu. "Die sagen, weil Englisch die Weltsprache Nummer eins sei, wären die meisten Engländer zu faul, noch eine Sprache dazuzulernen." Und nur für Catherines Bewußtsein fügte er hinzu: "Das sollte deine Mutter bloß nicht hören, sonst gibt's einen Riesenknall."
"Faulheit ist ja wohl das dümmste, was man einem Bewohner Großbritanniens zu unterstellen trachten mag", sagte Jennifer. Doch James meinte:
"Recht hat der Bursche aber, Jennifer. Wenn wir Joe und Catherine nicht hätten würden wir in Paris voll verhungern. Also spiel dich nicht so auf, weil die ihre Sprache so toll finden wie wir unsere."
"Toll ist das richtige Wort", schnaubte Jennifer Brickston. Julius befand, hier nicht mehr gebraucht zu werden. Er rief Joe noch zu, daß er sich hinlegen wolle. Catherine hielt ihn zurück.
"Du möchtest mir bestimmt nicht erzählen, du hättest heute gut zu Abend gegessen, Julius. ich wurde von deiner Mutter gebeten, dir genug zu Essen zu machen, damit du nicht mit leerem Bauch ins Bett gehst."
"Willst du Krach mit deiner Mutter?" Mentiloquierte er, um nicht unhöflicherweise die landesübliche Sprache zu benutzen. "Natürlich habe ich gut gegessen und bin pappsatt."
"Nein, ich will keinen Krach mit meiner Mutter, aber ich muß drauf bestehen, daß du noch was ist, damit die nicht denken, du wärest gerade erst seit zehn Minuten von der Schule weg", kam die Antwort. Dann zog sie Julius mit sich in die gerade geputzte Küche.
"Catherine, ich habe den Boden gerade gewischt, Kind."
"Danke, aber er kann ruhig von einem Teller am Tisch essen. Er muß nicht vom Boden essen", konterte Catherine. Dann hielt sie von irgendwo unter ihrem Umstandsrock den Zauberstab in der Hand und murmelte "Ventervacuus!" Julius meinte, sein Bauch ziehe sich zusammen und eine verstopfte Rohrleitung rumore darin. Dann entspannte sich sein Bauch wieder. Aber jetzt fühlte er sich völlig leer und hungrig.
"Soll ich das mal bei dir machen? Du siehst so prall voll aus", gedankensprach er zu Catherine.
"Geht nur bei nichtlebenden Inhalten. Sonst wäre das auch ein glatter Mord an Ungeborenen, und der würde dich lebenslänglich nach Tourresulatant befördern, Freundchen", kam die laut unter seiner Schädeldecke dröhnende Antwort.
"Ui, was hast du denn alles da?" Fragte Julius laut und setzte sich, während Catherine ihm eine Suppentasse hinstellte, in die sie eine würzige Chinagemüsesuppe einfüllte.
"Das ist nur der erste von drei Gängen. Morgen mache ich was fünfgängiges", sagte Catherine laut und für alle in der Wohnung verständlich.
Weil der Bauchleerungszauber Catherines Julius total hungrig gemacht hatte verputzte er auch die Fleischklößchen in süß-sauerer Soße und drei Bananen in Honigteigmantel. Dann war er satt genug, um von Catherine entlassen zu werden, die ihm beim Essen Gesellschaft leistete und genauso viel wie er aß.
"Du hattest aber schon was gegessen", sagte Julius zu Catherine. Diese nickte und meinte, daß sie nun einmal für zwei essen müsse und gewartet habe, daß der erste Schwung nötiger Nahrung etwas verdaut war, um den zweiten Schwung aufzunehmen.
"Und morgen wandert das alles kehrtmarsch in die Keramik", wagte Julius eine weitere Frechheit.
"Schön, daß meine Mutter dich immer noch nicht ganz umgestrickt hat. Aber Rede so, wenn sie dabei ist, und sie wird dich nicht mehr nach Hause lassen, bis du nicht einmal mehr so denkst, wie du sprichst", flüsterte sie. Offenbar war das nicht zu gefährlich.
"Babette behauptet, du wolltest ihr nur dann eine Schwester zum Spielen schenken, wenn sie braver ist als Joe, der gerne einen Jungen von dir haben will", sagte Julius keck.
"Der Zug ist schon um die nächste Ecke, Julius. Das Kind hat sich entschieden, was es sein wollte. Da kann ich jetzt nichts mehr dran ändern", sagte Catherine. Jennifer Brickston trat ein und sah, daß nicht nur Julius reichlich gegessen hatte.
"Kind, auch wenn ich es verstehen kann, wie viel Hunger es macht, ein Kind unter dem Herzen zu tragen, möchte ich dich doch bitten, dich zu mäßigen, um nicht vor Übergewicht zusammenzubrechen."
"Jennifer, wenn ich ein Kind trage, kann ich schlecht eins sein. Wieviel ich esse geht nur mich und mein Baby was an, das ja eher davon betroffen ist als du."
"Langsam solltest du es erkennen, daß ich es sehr gut mit dir meine, Kind", empörte sich Mrs. Brickston.
"Catherine hat recht, Jennifer. Du kannst keine Frau, die ein Baby kriegt selbst als Kind anreden. Das kommt ziemlich überheblich rüber", mischte sich nun auch Mr. Brickston ein. Julius sah Catherine an und flüsterte:
"Deshalb wollte ich hoch, um nicht noch in so'n Zank reinzurasseln."
"Erst einmal trinkst du von der Zitronenlimonade!" Bestimmte Catherine. Julius meinte schon, ihre Mutter Blanche Faucon zu sehen, die gerade mit Catherine selbst schwanger war. So gehorchte er. Er wollte Catherine nicht unnötig aufregen. Dafür war ihre Schwiegermutter ja angereist.
Das Telefon klingelte. Jennifer Brickston eilte wohl hin. Catherine kam gerade noch vom Stuhl hoch, als sie schon "Brickston" in den Hörer sprach.
"Kann nur deine Mutter sein", seufzte Catherine.
"Ja, der Junge Mann ist gerade bei uns. Sehr kultiviert, wenn er will und nicht mit der saloppen Rede meines ... Natürlich, Jennifer Brickston, die Mutter des Hausherrn ... Selbstverständlich dürfen Sie Ihren Herrn Sohn sprechen, Madam. - Master Julius, kommen Sie mal bitte ans Telefon!"
"Du großer Drachenmist, wenn die so weitermacht darf deine Mutter mich morgen früh hier wieder abholen!" Schnaubte Julius auf Französisch und eilte hinaus.
"Joh, Mum", meldete er sich.
"Julius, schön, daß bei dir alles geklappt hat. Habe vor lauter Stress hier vergessen, daß Joes Eltern gekommen sind. Bin ja schon seit gestern in Aix", sagte seine Mutter leicht betreten klingend.
"Bist du unterwegs nach Hause?" Fragte Julius.
"Fürchte nein. Hier hat jemand ausprobiert, ob man Passwortgesicherte Dateien mit einem sogenannten Alohomora entsperren kann. Dabei ist die gesamte Festplatte gelöscht und physikalisch unbrauchbar gemacht worden. Jetzt möchte ich bis morgen warten, daß sie eine neue Platte einbauen. Ich hoffe, die zentrale Prozessoreinheit ist nicht beschädigt worden. Dann kann ich die ganzen Daten neu aufspielen und konfigurieren. Sei bitte nicht traurig deswegen."
"Leicht enttäuscht höchstens. Aber Job ist Job, hat Paps ja immer gesagt, wenn es irgendwo klemmte und er die Kiste aus dem Dreck ziehen mußte. Dann wird deine feierliche Heimkehr um vierundzwanzig Stunden nach hinten verschoben?"
"So sieht's aus. Sage Catherine und Joe bitte, ich wäre ihnen verbunden, wenn du bei Ihnen noch Frühstück, Mittag- und Abendessen bekommen könntest. Oder besser, hol mir einen der beiden bitte ans Telefon, damit ich das selbst weitergeben kann!"
"Geht klar, Mum. Wo schläfst du denn überhaupt?"
"Ein junger Mitarbeiter namens Monsieur Gaspard hat seine Mutter gebeten, mich solange bei sich zu Hause übernachten zu lassen. Die kennt übrigens auch Professeur Faucon."
"Hat der Nette Herr Simon das mit dem Computer angestellt?" Fragte Julius.
"Öhm, ja, woher kennst du den mit Vornamen?"
"Dann richte ihm bitte aus, der Klassenkamerad seiner Cousine Céline Dornier ließe schön grüßen und ich wünsche ihm und seiner Mutter fröhliche Weihnachtstage", erwiderte Julius nun grinsend.
"Oh, natürlich", sagte Martha Andrews. "Ich rufe nachher noch Madame Grandchapeau an und teile ihr das Unglück mit und daß ich noch einen Tag länger vor Ort bleiben muß. Hat ihre Tochter dich nach Hause gefahren?"
"Ja, hat sie. Sie läßt dich schön grüßen", sagte Julius rasch. Dann rief er Catherine.
"Was soll denn Catherine noch am Telefon!" Schnarrte Mrs. Brickston.
"Herr, gib, daß diese Frau auch noch mal 'nen Quaffel untern Rock kriegt, damit die mit sich selbst beschäftigt ist", dachte Julius. Catherine kam schwerfällig an und fragte, was sei.
"Mum kommt morgen erst zurück. Hier bitte!" Er reichte ihr den Hörer und ging hinaus.
"Meine Mutter wollte mit Catherine sprechen, weil die hier für die Verpflegung zuständig ist. Meine Mutter kann vor morgen Abend nicht zurückkommen, weil irgendso'n Witzbold die Stromversorgung an dem Rechner manipuliert hat und deshalb die Festplatte über den Jordan gegangen ist, mit allen Daten drauf."
"Au Backe!" Bemerkte Joe dazu. "Haben die denn zumindest noch die Mutter-Datenträger?"
"Wenn sie die nicht hätte wäre Mum schon wieder zurückgefahren und hätte die Leute da vor 'nem unbrauchbaren Rechner hängen lassen!" Rief Julius.
"Kommt davon, wenn man totalen Anfängern in einem Tag die Arbeit mit Netzwerkcomputern beibringen will", sagte Joe mitfühlend.
"Ich dachte, Ihre Schulbildung hätte Ihnen ein gewisses Maß an gepflegter Ausdrucksweise vermittelt", klinkte sich Jennifer Brickston ungefragt ein. Julius hatte aber die passende Antwort parat:
"Ja, auf Französisch, Mrs. Brickston. Englisch rede ich so wie früher, wo ich weiß, daß man das auch versteht, egal, wo man herkommt."
"Hast recht, Junge, was bringt es, sich superfein auszudrücken, wenn man damit nur Zeit verplempert", sagte Mr. Brickston.
"Mum, Dad, es reicht!" Rief Joe äußerst gereizt. Julius stellte sich vor, daß Babettes Vater sogar tomatenrot angelaufen war. Babette selber schien in ihrem Zimmer zu sitzen. Zumindest Hörte Julius von da Musik.
"Kein Problem, Martha. Nein, ich kann genug für uns alle sieben machen. ... Bei dem Hunger, den ich habe muß das Baby schon als vollwertig gesehen werden", sagte Catherine gerade und lachte dann. "Nur eins, Martha, nur eins. Bin ich auch froh drum. ... Vielleicht später noch einmal, wenn das aktuelle Baby feste Nahrung zu sich nehmen kann und ... Natürlich ist das nicht nur meine Entscheidung. ... Ja, mach ich. ... Ja, mach ich." Catherine verabschiedete sich und legte den Hörer auf. In dem Moment läutete es an der Tür.
"Hallo, wer erdreistet sich zu so später Stunde?" Schnaubte Jennifer Brickston und ging an die Sprechanlage. Doch Catherine war ungewöhnlich gelenkig für die foranschreitende Schwangerschaft und daß sie neben einem Kind noch ein dreigängiges Essen im Bauch hatte.
"Maman, entre!" Sagte sie ins Mikrofon der Sprechanlage.
"Jetzt gibt das Spaß", dachte Julius und eilte ungefragt zu Babettes Zimmer, während Joe aus dem Arbeitszimmer lugte.
"Wer kommt, Julius?"
"Deine Lieblingsschwiegermutter", flötete Julius hinterlistig und klopfte an Babettes Tür. Sie rief: "Herein!" Julius machte auf und sah Babette am Schreibtisch über einem Stück Papier.
"Deine Oma Blanche ist auch gekommen. Jetzt wird das lustig, wenn die eine nicht englisch und die andere nicht französisch reden kann."
"Eh, komm rein und mach zu!" Forderte Babette. Die Vorstellung, noch von ihrer Oma Blanche behelligt zu werden gefiel dem neuneinhalbjährigen Hexenmädchen nicht.
"Bonsoir!" Hörte Julius Madame Faucon im Flur ggrüßen. Jetzt wünschte er sich eine Durchblickbrille wie von Florymont Dusoleil oder besser das magische Kunstauge von Mad-Eye Moody. Aber ein Schlüsselloch reichte auch schon.
"Öhm, sage deiner Mutter bitte, wir kümmern uns schon um dich. Sie muß nicht extra herkommen", sagte Jennifer Brickston. Babette lauschte an der Tür. Catherine übersetzte es.
"Catherine, können Josephs Eltern immer noch kein Französisch?" Hörten sie Madame Faucon fragen. Joe zog sich zurück in sein Arbeitszimmer, wo er sich mit seinem Vater aus der Schußlinie wähnte. Catherine übersetzte. Jennifer Brickston wiederholte das von eben und bat Catherine darum, ihrer Mutter so zu übersetzen, daß sie für eine so komplexe Sprache keine Zeit hätten. Babette kicherte leise, weil sie unter Komplexen was anderes verstand. Julius vermutete das und zischte ihr zu:
"Die übersetzt jetzt, daß Französisch ihr einen Komplex nach dem anderen einjagt." Darauf mußte Babette laut lachen, weshalb Julius ihr kurz den Mund zuhielt.
"Nun, für eine Tochter aus gehobener Gesellschaftsschicht wähnte ich Französisch eigentlich als erste und wichtigste Fremdsprache."
"Meine Mutter bedauert, daß deine Zeit das nicht zuließ und James durch seinen Schichtdienst ja auch keine Zeit für regelmäßige Kurse finde", log Catherine. Es folgten drei bange Schweigesekunden. Dann übersetzte Catherine wortwörtlich.
"Häh?" Fragte Babette. Julius konnte es sich denken. Madame Faucon wollte ihre Vorrangstellung hier ausspielen und der eingebildeten Nudel aus Birmingham die eigene Schwachheit klarmachen.
"Oh, ich habe Latein gelernt. Das ist logischer und wesentlich unkomplizierter der Rechtschreibung wegen", sagte Mrs. Brickston stolz.
"Das hätte sie besser lassen soll'n", grummelte Julius zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Er dachte schon, daß Madame Faucon nun lateinisch sprechen würde, doch sie sagte:
"Nur mit dem kleinen Unterschied, daß Latein keine lebende Sprache mehr ist, sich aber viele sprachen aus dem Lateinischen entwickelt haben, unter anderem Französisch."
"So, mal sehen, ob die das so übersetzt", zischte Julius Babette zu. Tatsächlich übersetzte Catherine es.
"Das soll mir egal sein, Catherine. James und ich sind auf jeden Fall jetzt da. Wenn deine Mutter uns besuchen möchte, kein Problem ..."
"Das freut mich, daß meine Tochter in guten Händen ist. Allerdings frage ich mich, ob sie mit dem ganzen Haushalt nicht überfordert ist. Daher wollte ich fragen, ob Babette nicht über die Feiertage zu mir kommen möchte?"
"Nein, nein, will ich nicht", fauchte Babette und sprang von der Tür weg, als habe diese ihr einen Stromschlag versetzt.
"Wäre nicht so verkehrt, wenn das Mädchen dich etwas zur Ruhe kommen ließe", sagte Jennifer Brickston mit einer unleugbaren Befriedigung. Offenbar war Babette ihr doch gut auf die Nerven gegangen. Doch Catherine sagte zu ihrer Mutter:
"Maman, die Latierres haben sich für die nächsten Tage bei ihr angekündigt. Patricia möchte gerne Babettes Zimmer sehen und mit ihr Paris besichtigen. Außerdem fällt sie mir nicht zur Last. Sie soll ruhig sehen, wie meine Schwangerschaft verläuft und welche Umstellungen es dabei gibt. Ich weiß, du meinst es gut mit mir und Babette, aber ich möchte haben, daß sie Weihnachten mit uns verbringt. Falls du es einrichten möchtest, kannst du ja vorbeikommen."
"Du bist dir sicher, daß Babette nichts anstellen wird, was peinliche Fragen nach sich ziehen könnte?" Fragte Madame Faucon.
"Im Zweifelsfall lasse ich sie von Julius beaufsichtigen."
"Ach, ist seine Mutter schon zurück?"
"Öhm, nein, Maman, die kommt erst morgen abend. Gab wohl Probleme mit der Computertechnik."
"Oh, dann ist er jetzt allein da oben."
"Alarmstufe Rot!" Flüsterte Julius. Babette verkroch sich unter dem Schreibtisch. So viel Angst mochte sie vor ihrer Oma Blanche haben. Julius befand, daß er das Mädchen nicht in die peinliche Lage versetzen sollte ...
"Der Junge ist bei Babette. Wollte uns nicht im Weg rumstehen", sagte Catherine. Boing!
"Dann möchte er doch herauskommen", sagte Madame Faucon. Julius wartete, bis er gerufen wurde und ging hinaus. Babette blieb im Zimmer.
"Babette, möchtest du deiner Oma Blanche nicht einen guten Abend wünschen?" Fragte die Lehrerin, bevor sie Julius im Umhang sah. Sie starrte ihn kurz an. Er deutete auf den Umhang und sagte:
"Oh, Professeur Faucon, hab nicht gewußt, daß sie auch nach Paris kommen. Catherine sagte mir das mit meiner Mutter und ich solle erst einmal Abendessen. Deshalb habe ich den Umhang noch an. Ich habe denen erzählt, daß das die übliche Schuluniform sei. Die verstehen es."
"Was ist mit deiner Mutter?" Fragte Madame Faucon und starrte auf Babettes Zimmer. Doch Babette kam nicht heraus.
"Irgendein Schlauer Mitarbeiter hat versucht, gesicherte Informationen durch einen Code namens "Alohomora" aufzumachen und dabei den Festplattenspeicher komplett unbrauchbar gemacht. Deshalb kommt sie erst morgen."
"Verstehe. Babette!!"
"Die Kleine mag ihre französische Oma wohl nicht", meinte Jennifer Brickston. Julius sagte schnell:
"Bei der muß sie sich noch besser benehmen als hier schon."
"Na ja, Ihrer Ausdrucksweise nach zu urteilen erzielt diese Dame an ihrer Lehranstalt wohl auch keine großen Fortschritte."
"Pardon, Madame, Quesque vous avez dit?" Fragte Professeur Faucon irritiert wirkend, als habe sie den Satz nicht verstanden. Julius übersetzte es wörtlich, obwohl das völlig überflüssig war.
"Teile dieser Dame bitte so respektvoll wie möglich mit, daß wir euch lehren, respektvoll mit anderen Menschen umzugehen, euch aber auch die Erkenntnis vermitteln, in welcher Weise ihr dies ausdrückt!" Julius übersetzte wortwörtlich.
"Ich fürchte, Bursche, jetzt lügst du. Du hast Catherines Mutter bestimmt nicht übersetzt, was ich gesagt habe und das was sie gesagt hat zu deinen Gunsten ausgelegt."
"Entschuldigung, Jennifer, das stimmt nicht", mischte sich Catherine ein. "Der Junge hat wortwörtlich übersetzt, was du gesagt hast und die Antwort widergegeben, die meine Mutter darauf gegeben hat."
"Nun, offenbar stimmt es doch, daß man in einem Land, in dem die Menschen sehr verborht im Bezug auf ihre Sprache sind lernen muß, sie zu verstehen, um nicht veralbert zu werden."
"Mich braucht hier wohl keiner mehr", sagte Julius ehrlich entrüstet. Er wandte sich Madame Faucon zu und sagte:
"Ich möchte jetzt schlafen gehen. Falls sie hierbleiben, sehe ich sie morgen ja wieder. Gute Nacht!""
"Du hast recht, Julius. Wenn Josephs Mutter ihre mutwillige Unkenntnis einer Sprache zum Anlaß nimmt, denen zu mißtrauen, die für sie übersetzen können, verstehe ich es, wenn du dich dem entziehen willst. Gute Nacht, mon Cher."
"So, wenn der Übersetzer nichts taugt, kann er gehen und tut dies auch. Nacht zusammen!" Rief Julius und wollte schon hinaus.
"Morgen früh um acht kommst du bitte zum Frühstück herunter, Julius", sagte Catherine. Julius bestätigte es und verließ die Wohnung. Zwar würde er jetzt nichts mehr von dem Geplenkel in der Wohnung mitkriegen, und ob Babette von Madame Faucon mitgenommen wurde oder nicht. Wäre vielleicht lustig gewesen, wie sie das hätte anstellen wollen, vor zwei Muggeln den Kamin zu benutzen. Aber bestimmt war ihr klar, daß sie besser den Rückzug antreten sollte.
Julius ging in die leere Wohnung, schloß von innen ab und atmete tief durch. Er war wieder allein in dieser Wohnung, ohne seine Mutter, die in der Provence festsaß, ohne Catherine, die genug um die Ohren und zu tragen hatte und ohne seine Freundin Claire, die er nur einmal in diese Wohnung geführt und ihr alles gezeigt hatte. Doch das war eine Weihe für diese Wohnung gewesen, erkannte er nun. Dann dachte er wieder an den neuen Kamin. Sie wollten ihn am Heiligen Abend anschließen. Wer hatte das veranlaßt und wozu war es gut, wenn Julius, der einzige Zauberer in dieser Wohnung ohnehin die meiste Zeit nicht da war. Er ging ins Arbeitszimmer und fragte den Anrufbeantworter ab. Außer einer Nachricht seiner Mutter, das sie ihn später noch mal anrufen würde war nichts darauf. Dann fiel ihm ein, daß er ja Aurora Dawn anrufen wollte. In Sydney war es schon spät morgens. So trat er zu Viviane Eauvive und fragte sie leise. Sie gab ihm die Telefonnummer und ermahnte ihn, nicht mehr so lange zu sprechen. Er zog sich ins Arbeitszimmer zurück und wählte die Nummer.
"DAwn hier", meldete sich Aurora Dawns Stimme.
"Hallo, Aurora, hier Julius. Deine Nachricht ist bei mir angekommen. Wie geht es euch?"
"Schön, daß du anrufst. Ja, uns geht es gut hier, im vergleich dazu, was auf den britischen Inseln gerade läuft. Tante June sagt schon, wenn das so weiter geht greift es auch auf das europäishe Festland über."
"Ich hörte sowas", sagte Julius. "Aber im Moment ist es hier schön friedlich. Hoffentlich ist das nicht die Ruhe vor dem Sturm."
"Ich denke, der Sturm würde sich mit einem gewissen Donnergrollen ankündigen. Aber wie geht es dir. Vermißt du Claire?"
"Ja, tu ich. Allerdings fand ich es sehr schön, wie die Dusoleils mich aufgefangen haben. Wahrscheinlich gehe ich über Weihnachten noch mal nach Millemerveilles."
"Tu das auf jeden Fall. Camille und Florymont brauchen dich genauso wie du sie, weil etwas von Claires Leben in deinen Erinnerungen ist", sagte Aurora Dawn. "Wie kommst du mit dieser Trauer klar?"
"Ich habe mir vorgenommen, viel zu arbeiten, um möglichst gut beschäftigt zu sein."
"Das ist für's erste gut, Julius. Aber auf Dauer bringt es das nicht. Du mußt dich wieder für wen neues öffnen. Versperre dich nicht hinter Schuldgefühlen oder dem Eindruck, du könntest Claire verraten! Ich weiß ja von dir, meinem Portrait bei dir und dem eigenen Hinsehen, daß es genug Hexen gibt, die darauf warten, daß du auf sie zugehst. Kann sein, daß jetzt einige noch denken, sie würden Claires Stelle besetzen und dich deswegen nicht anzusprechen wagen. Aber ich finde, du hast es nicht verdient, durch dich oder sonst wen zu verkümmern."
Julius sprach noch ein weilchen mit Aurora, auch über die Jungen und Mädchen in Beauxbatons und wie Céline und Laurentine mit dem Verlust von Claire umgingen. Sie riet ihm noch einmal, nicht in sich selbst eingesperrt zu bleiben. Frühestens zum Valentinstag, allerspätestens zur Walpurgisnacht, möge er versuchen, sich auf eine neue Beziehung einzulassen. Aurora sagte:
"Ich habe einen Freund gehabt, der irgendwann sagte, er ginge nach Amerika, vier Monate bevor er abreiste. Danach habe ich auch nur gearbeitet, geschuftet und gelernt. Wenn ich als Heilerin nicht so viel um die Ohren hätte würde ich in Einsamkeit ertrinken, Julius. Es macht mir heute noch zu schaffen, daß das mit Bill Huxley nichts geworden ist. Aber das sage ihm bitte nicht, weil ich nicht möchte, daß er meinetwegen Schuldkomplexe hat!"
"Das ist traurig, daß mein Vater das verdorben hat", sagte Julius.
"Nun, er hat mir ja selbst gesagt, daß er sich das mit mir als Hexe nicht hätte vorstellen können. Aber das ist nun einmal vorbei, und ich bin froh, daß trotz der unangenehmen Ursachen Onkel Tony und Tante June mit Arcadia bei mir eingezogen sind. Vielleicht möchtest du ja noch einmal zu mir kommen. Frag doch mal Camille und ihre Familie, ob sie mit dir mitkommen wollen! Ich hätte auf jeden Fall Platz."
"Dürfte Meine Mutter dann auch mit?" Fragte Julius.
"Hmm, stimmt, die kannst du ja nicht einfach zurücklassen", sagte Aurora. "Vielleicht findet sich ja ein Weg, sie dann auch mitzunehmen." In Julius' Augen glitzerten Tränen der Rührung. Er sagte schnell:
"Ich bin leider etwas müde. Ich möchte jetzt gerne schlafen."
"Schön, daß du dich sofort gemeldet hast. Grüß mir Catherine. Eine Schwangerschaft ist ja wohl das intensivste Erlebnis, daß eine Frau haben kann."
"Wenn ich ihr das sage, könnte ihr einfallen, die ganzen damit verbundenen Gefühle auf mich zu übertragen. Das wäre mir dann doch zu riskant."
"Haben mir schon viele Männer gesagt", lachte Aurora Dawn. "Aber alle bewunderten ihre Freundinnen und Frauen, die trotzdem Kinder von ihnen bekamen. Gute Nacht, Julius! Schlaf schön!"
"Dir noch einen schönen Tag! Grüße deine Familie!"
Er legte auf, stahl sich aus dem Arbeitszimmer und machte sich endlich bettfertig. Von unten hörte er noch einen Wortwechsel zwischen Madame Faucon und Mrs. Brickston. Offenbar waren die beiden Omas nun voll in Fahrt, ohne das Mrs. Brickston Madame Faucon verstand. Aber das ging ihn nichts an. Er legte sich hin und schlief ein.
Er lag in etwas, das wie eine große Muschel aus Silber aussah, an deren Seiten zwei breite, aber kurze Flügel wie aus hauchdünnem Glas angebracht waren, die sachte auf und abschwangen. Das merkwürdige Fluggerät zog gerade über einer Landschaft aus weißen und Grauen Hügeln, langgestreckten Kämmen und sich sachte drehenden Wirbeln dahin. Er war nicht alleine. Neben ihm lag jene exotische Frau, die er schon häufig in seinen Träumen gesehen hatte, jene Frau mit der goldbraunen Hautfarbe, dem hochwangigen Gesicht und den mondlichtfarbenen Augen und dem silberblonden Haar. Das sonnengelbe Gewand, in dem er sie schon mehrmals gesehen hatte, lag zusammen mit seinem Schlafanzug in der runden Vertiefung an der in Flugrichtung weisenden Seite der Flügelmuschel. Er und sie waren völlig nackt. Mit einer Mischung aus Begierde und Erstaunen betrachtete er die Frau, von der er nun wußte, wer sie war. Er dachte daran, daß diese Frau es bestimmt nicht mochte, so angeglotzt zu werden, wo sie doch die mächtigste Herrscherin des alten Reiches war. So wandte er seinen Blick ab.
"Mißfällt mein Körper dir, oder habe ich dir verboten, ihn anzusehen?" Fragte die Frau mit ihrer Stimme, die wie das Läuten einer kleinen, aber weit tragenden Glocke klang.
"Ich weiß nicht, was ich hier soll", sagte Julius. "Das letzte Mal, wo ich euch begegnet bin, war ich in dieser Stadt und verstand kein Wort. Dann war ich in der Festung, wo ich euch in mir gehört habe. Danach sind meine Verlobte und ihre Großmutter zu Ammayamiria geworden. Außerdem habe ich gelernt, nicht so auf fremde Leute zu starren, Majestät."
"Darxandria ist mein Name und so wie ich jetzt bin bin ich dir gleichgestellt, auch wenn wir in meiner Wolkenbarke liegen, um zu reden", sagte Darxandria und lehnte sich an Julius. Die geflügelte Muschel neigte sich in seine Richtung, so daß sie noch stärker an ihn gedrückt wurde.
"Worüber möchtet ihr Reden?" Fragte Julius argwöhnisch.
"Über die Waffe Yanxothars, die Klinge des Meisters des Feuers der unendlichen Höhen und von Stein verdeckten Tiefen", sagte Darxandria. "Denn wahrlich ist jenes Ding, daß dieser von der Macht der Finsternis getriebene Mann für geraume Zeit besaß jenes Schwert des größten aller Feuermeister, die ich zu meiner Lebzeit je gekannt habe. Wie ich einst hat er seine Klinge, in die er alle Macht einband, über die er zu gebieten gelernt hatte, mit seiner Seele belebt, auf daß nur er die Waffe führen kann. Wie mein Kopfschmuck, dem wir unser Zusammentreffen verdanken, wurde auch diese Klinge von Diener Iaxathans erobert und versteckt. Nur wer Yanxothars Seele im direkten Ringen niederkämpfen kann, ohne sie erlöschen zu lassen, vermag das Schwert und die ihm innewohnende Gewalt über alle Feuer und Feuerwesen zu benutzen und zu mißbrauchen. Also war es wohl dieses, was dich dazu bestimmte, endlich dein Erbe anzutreten", sagte Darxandria. Julius grummelte, weil bei dieser Sache Claire ihr körperliches Leben verloren hatte. "Sie gab sich für dich hin, wie ihrer Mutter Mutter, damit du weiterleben kannst. Durch Ashtarias reine Güte und Lebenskraft ist sie nun stärker und kundiger als sie es zu Lebzeiten hätte werden können und kann auch in deine Welt eintreten, wenn du sie brauchst."
"Aber was soll ich jetzt mit diesem Wissen über dieses Schwert? Wie sieht das eigentlich aus, und was kann es?" Knurrte Julius. Unvermittelt sank die geflügelte Muschel in die Tiefe und stürzte auf eine Gruppe himmelblauer Drachen zu, denen Voran ein besonders großes Exemplar flog, auf dem in einer Mischung aus Sattel und Thron ein Mann mit rotem Har saß, der die gleiche goldbraune Hautfarbe hatte und in einer Rüstung aus rotgoldenem Metall steckte, die aussah wie gefrorene und aneinander geschmiedete Feuerzungen. In der rechten Hand hielt der Drachenreiter ein imposantes Schwert, dessen Klinge fast zwei Meter lang war und überwiegend aus rotgoldenen Flammen bestand, die im Gegensatz zu der Rüstung quicklebendig flackerten.
"Wir sehen einen Teil der großen Schlacht zwischen Yanxothar und den Kriegern Iaxathans, welche sich anschickten, die südliche Ebene des Landes zu erstürmen", sagte Darxandria. Da Sah Julius ähnliche Fluggeräte, wie das, in dem sie gerade völlig nackt zusammenlagen. Die Drachen brüllten los und preschten vor. Yanxothar fauchte etwas. Er hielt seinen Streitdrachen jedoch zurück, um den Angriff überblicken zu können. Doch bevor Julius den Zusammenprall der offensichtlich feindlichen Luftflotten sehen konnte, hob sich die geflügelte Muschel mit schwirrenden Schwingen und durchbrach erneut die Wolkendecke, während meilen unter ihnen Gebrüll und Getöse losbrach.
"Mehr mußt du nicht sehen", sagte Darxandria.
"Er kann mit diesem Flammenschwert ganze Drachenhorden steuern?" Fragte Julius.
"Diese und alle nicht lebenden Feuerquellen wie die Berge, aus denen das Feuer der Tiefen hervorbricht oder alle Feuer, die durch Blitze des Himmels entfacht oder von Menschen durch die Kraft oder durch Gerätschaften und leicht entzündliche Stoffe entzündet werden können. Die Schlacht in der südlichen Ebene drohte verloren zu gehen, weil die Feinde mit dunklem Atem, einem aus der Kraft der Finsternis gewonnenen Mittel, sowie Sonnenkeulen die Heerschar der Drachen beinahe auslöschten. Yanxothar gebot einer Gruppe von Feuerbergen, die seit vielen Hundert Sonnenkreisen schliefen, zu erwachen und mit gewaltigen Flammen und Glutwolken die Feinde niederzuwerfen. Die Beben, die dabei die Ländereien erschütterten, waren bis in unsere hohen Städte zu spüren."
"Oha, dann könnte jemand einen Feuerberg irgendwo losbrechen lassen?" Fragte Julius beklommen.
"Dieses oder an jedem Ort einen neuen Feuerberg emporwachsen und seinen glühenden Auswurf über ahnungslose Menschen verstreuen lassen. Es ist wohl euer Glück, daß dieser von Dunkelheit besessene Mann Yanxothars Klinge nicht mehr besitzt. Doch es mag sein, daß sie wiederkehrt und wiederum in falsche Hände fällt", erwiederte Darxandria.
"Und wegen Voldemort ist Claire nicht mehr da", knurrte Julius. Voldemort hatte das mit der Galerie des Grauens angezettelt, weswegen er die Haube Darxandrias und das Intrakulum benutzt hatte. Voldemort hatte dieses Feuerschwert erbeutet und offenbar den Seelenkampf bestanden, um es auch zu mißbrauchen. Daher kam das mit den Drachen und dem Vulkanausbruch in Amerika. Weil Voldemort dieses Schwert angefaßt hatte, war Gregorians Bild angesprungen, das Stadttor zu zeigen, durch das er dann gegangen war und in der Festung der Morgensternbrüder landete. voldemort war Schuld an Claires körperlichem Tod, daß sie nicht mehr bei ihm war. Nur weil dieser Mistkerl ein neues Vernichtungswerkzeug haben wollte ... Aber damit hatte er bestimmt mehrere Leute getötet. Also sollte er sich nicht darüber aufregen, daß Claire körperlich gestorben war. Denn sie war nicht die einzige.
"Jetzt kehre in dein Wachleben zurück, Träger meines Siegels. Was du wissen solltest, weißt du nun", sagte Darxandria und streichelte Julius zärtlich über die schon gut behaarte Brust. Ein warmer Schauer durchflutete ihn und trug ihn federleicht davon. Ohne Übergang fand er sich wieder in seinem Schlafanzug in seinem Bett wieder. Er atmete tief durch. Er war hellwach. Dieser Traum, besser, dieses traumartige Erlebnis, hatte ihn so mit neuer Kraft aufgeladen, daß er sich wie eine Autobatterie fühlte, die so sehr geladen war, daß bereits kleine Funken zwischen ihren Polen übersprangen. Er sah auf seine Uhr. Es war jetzt sechs Uhr.
"Hui, diese Lady aus Atlantis hat mich ja richtig vollgepumpt", dachte er. "Wieso waren wir beide eigentlich völlig nackt?" Er dachte daran, daß dieses Frauenzimmer makellos schön war. Die Haut von ihr war weich wie Seide und die Ausprägungen ihrer Weiblichkeit hätten jedem Modell Minderwertigkeitskomplexe einjagen können. Doch ihre Ausstrahlung war nicht wie die von Hallitti, willig und vereinahmend, sondern über alle Anstandsregeln erhaben, ohne sie zu verletzen: Sie war eine Königin, nein, eine Göttermutter. Wie alt mochte sie in ihrem körperlichen Leben geworden sein?
"Hoffentlich verliebe ich mich nicht zu sehr in die, sonst träume ich echt noch davon, nur noch mit der Liebe zu machen", dachte Julius. Zwar war zwischen ihm und Darxandria nichts dergleichen vorgegangen. Doch wenn sie nackt in seinen Träumen herumlief, dann wohl, weil er sie wollte und sie und sich daher nackt sah. Oder steuerte sie seine Träume, wenn ihr danach war, ihm was zu sagen, wie jetzt mit dem Schwert, dessen lodernde Klinge er immer noch vor sich sah? Das würde er in den nächsten Nächten ausprobieren. Er würde mit dem Vorsatz ins Bett gehen, von Darxandria zu träumen. Mal sehen, ob er sie wiedertraf.
Von unten hörte er noch nichts. Sollte er jetzt aufstehen? So wach wie er war konnte er jetzt nicht mehr schlafen. Also stand er leise auf. Allerdings würde es unten zu hören sein, wenn er im Badezimmer Wasser laufen ließ. doch was sollte es. Das war seine Wohnung, solange seine Mutter nicht da war. Da konnte er auch mitten in der Nacht baden oder duschen. Baden, das war die Idee! In Beauxbatons hatten nur die Saalsprecher ein wirklich großes Badezimmer. Für alle anderen gab es nur Duschen. So nutzte er den heimischen Komfort und ließ sich eine Wanne mit heißem Wasser volllaufen. Bevor er in die Wanne stieg suchte er sich einen Radiosender für flotte Musik auf seiner Stereoanlage und spielte ihn leise genug ab, daß er ihn noch hörte, wenn die Badezimmertür geschlossen war. Denn die Dunstschwaden aus der Wanne sollten nicht durch die ganze Wohnung ziehen wie Nebel in den Tropen. Da seine Weltzeituhr total wasserdicht und unzerbrechlich war konnte er sich in aller Ruhe in der Wanne langmachen und das warme Wasser seinen Körper umspielen lassen. Komischerweise dachte er dabei an ein Kind im Mutterleib. Das wurde auch von warmem Wasser umschlossen. Allerdings brauchte er Luft zum atmen. Mochte es sein, daß der Mensch das Vollbad erfunden hatte, um diesen unbewußten, geborgenen Zustand nachzuempfinden? Er wußte es nicht. ER genoss einfach dieses entspannende Gefühl. Doch irgendwie schlaffte ihn die Wärme des Wassers auch ab. Nach ungefähr einer Stunde, in der er über alles mögliche und unmögliche der letzten Monate nachgedacht hatte, befand er, daß er jetzt doch aus der Wanne steigen sollte. Er zog den metallenen Stöpsel und versuchte, sich so still wie möglich zu verhalten, um den kleinen Strudel zu sehen, den das ablaufende Wasser bildete. Dabei dachte er daran, wie er im letzten Jahr auch zur Weihnachtszeit den Dusoleils die Coriolis-Kraft erklärt hatte, die bewirkte, warum sich Luft- und Wasserwirbel auf der Nordhalbkugel der Erde in die eine und auf der Südhalbkugel in die andere Richtung drehten. Schließlich war der Wasserspiegel bis zu seinen Hüften abgesunken, und er fühlte sich etwas kalt. Schnell stieg er aus der Wanne und merkte, daß er doch leicht erschöpft war. Er trocknete sich ab und vollführte einige Kniebeugen und streckte seine Arme hoch und zur Seite, um die Gliedmaßen wieder anzuregen. Dann zog er sein Unterzeug an, das vom lange im Badezimmer ausströmenden Dunst etwas klamm geworden war. Doch ihn störte es nicht. Er machte sich tagesfertig und lauschte hinunter.
"Ah, bist du jetzt aus der Wanne raus?" Kam eine direkt in ihm erklingende Frage von Catherine Brickston. Er stutzte. Hatte sie ihn irgendwie überwacht? Er mentiloquierte zurück:
"Woher weißt du, daß ich jetzt erst aus der Wanne bin?"
"Weil das Gluckern vom Abfluß bis zu uns runter zu hören ist. Macht aber nichts", erhielt er Catherines Antwort.
"Ich bin jetzt soweit fertig. Ich komm um acht runter", schickte er eine neue Botschaft.
"Kannst jetzt schon zu uns runterkommen. Bin froh, daß Jennifer noch schläft. Dann können wir ein wenig in meiner Muttersprache reden, ohne daß sie sich veralbert fühlt."
"Okay, bin gleich unten", mentiloquierte Julius. Er würgte den belanglosen Wortschwall des zum Aufmuntern verdonnerten Moderators mit einem Druck auf die Ein-Aus-Taste seiner Anlage ab und ging leise in die untere Wohnung. Catherine fing ihn an der Tür ab und führte ihn in die Küche, wo - o Wunder! - Babette schon fix und fertig angezogen auf einem Stuhl saß und mit Papier und Buntstiften hantierte. Catherine sah etwas blaß aus. Offenbar hatte sie die Morgenübelkeit erwischt, vermutete Julius. Er sah sie mit einer Mischung aus verhaltener Schadenfreude und Bedauern an. Si erwiderte seinen Blick und sagte auf Französisch:
"Wenn du jetzt was sagst wie "Schade um das Abendessen" oder sowas irrst du dich. Mir ist zwar ziemlich flau, aber Madame Matine hat mir einen Trank gegeben, der die morgentliche Übelkeit abschwächt. Ich habe also nichts von dem Essen auf dem verkehrten Wege von mir gegeben."
"Connie hat im vierten Monat gesagt, sie fühle sich mehr als hundert Kilo schwer", sagte Julius.
"Connie wollte ihr Kind da noch nicht haben, stimmt's. Wenn man sich darauf freut und es wirklich will erträgt sich vieles wesentlich leichter, Julius."
"Mußt du für die Untersuchungen nach Millemerveilles, oder kommt sie her?" Fragte Julius.
"Sie hat sich mit Béatrice Latierre und Lutetia Arno zusammengetan und betreut uns alle, wobei sie dann eher für mich zuständig ist, Lutetia für Hippolyte und Béatrice für Barbara, Josianne und Raphaelle."
"Oh, die Arme. Da hat sie aber was um die Ohren, eine Ältere Schwester, die Schwägerin und eine angeheiratete Cousine oder sowas."
"Insbesondere weil Barbara Latierre und Raphaelle Montferre Zwillinge erwarten", erwiderte Catherine lächelnd.
"Maman, warum haben Martha und Julius einen Kamin, wenn der nicht geht?" Fragte Babette.
"Der geht dann, wenn die Damen und Herren vom Flohregulierungsrat ihn ans Netz anschließen. Die kriegen das zu Weihnachten, ma Chere", sagte Catherine ruhig. Julius fragte sich, ob Joes Eltern nicht wach wurden, wenn in der Küche gesprochen wurde.
"Wer kam denn auf die Idee, wir dürften auch einen Kamin haben? So viel ich weiß dürfen Muggelkamine nicht ans Netz angeschlossen werden, auch wenn ein Zauberer in der betreffenden Familie wohnt."
"Aus dem gleichen Grund, warum ich ja auch einen funktionsfähigen Kamin habe, Julius. Dieses Haus ist von den zuständigen Abteilungen als Hexenhaus zertifiziert. Daß bei euch oben nicht sofort ein Kamin eingerichtet wurde liegt daran, daß erst einmal davon ausgegangen wurde, daß deine Mutter einen für ihre Welt üblichen Beruf findet und du ja nicht so häufig zu Hause bist. Jetzt haben aber sowohl Nathalie Grandchapeau, als auch Eleonore Delamontagne und Antoinette Eauvive befunden, daß deine Mutter rechtlich gesehen in unserer Welt lebt und daß sich die Kaminerlaubnis auch auf eure Wohnung erstreckt. Deshalb haben sie den Kamin oben eingebaut und sogar die teilweise und vollständige Sperrung hinbekommen, daß deine Mutter den Kamin teilweise oder gänzlich passierbar oder unpassierbar machen kann. Aber das wird dir Monsieur Flaubert zeigen, wenn er Weihnachten herkommt, und den Anschluß überprüft."
"Flaubert? Ist das der Vater von Deborah Flaubert?" Fragte Julius.
"Genau der. Der ist im Flohnetzregulierungsrat", bestätigte Catherine Julius' Vermutung.
"Dann kann Madame Delamontagne direkt bei Martha hin und muß nicht immer hier durch?" Fragte Babette mit einem Gefühl der Erleichterung.
"Als wenn sie so häufig hier durchgekommen wäre, Babette", erwiderte Catherine lächelnd.
"Ist Madame Delamontagne auch Mitglied in eurem Club der guten Hoffnung?" Fragte Julius leicht grinsend.
"Hera wollte sie ursprünglich dazuholen. Aber sie mag nicht in der Gesellschaft der Latierres an vorgeburtlichen Übungen teilnehmen. Da ist sie sehr eigensinnig. Aber "Club der guten Hoffnung" klingt schön. Könnte ich glatt als Namen für unsere Gruppe vorschlagen", erwiderte Catherine.
"Wenn die anderen sich nicht dumm angemacht fühlen", erwiderte Julius. Doch Catherine lachte darüber nur.
"bis du die wirklich dumm anmachst, wie du dich ausdrückst, muß einiges mehr passieren. Aber dann wird es auch gleich eng."
"Öhm, will ich besser nicht wissen", sagte Julius. Dann fragte er, wie das mit Madame Faucon gestern noch ausgegangen sei.
"Ich hatte irgendwann keine Lust mehr, zwischen den beiden fürsorglichen Müttern zu übersetzen, Julius. Maman wollte Babette mitnehmen. doch ich sagte ihr, daß wir im Sommer schon wenig von den Ferien mit Babette hatten und sie die Weihnachtstage besser bei uns ist. Außerdem will ich, daß sie mitbekommt, wie ihr Geschwisterchen und ich uns weiterentwickeln, damit sie nicht den Eindruck hat, dabei ausgeschlossen zu sein."
"Warum redest du von mir und nicht mit mir, maman?" Fragte Babette etwas vergrätzt.
"Es ging erst einmal um Oma Blanche, meine Tochter", sagte ihre Mutter etwas ungehalten. "Sie hat sich dann mit Jennifer zu streiten angefangen, erst wegen dir, Julius, weil Jennifer erst dachte, du seist kultiviert und dann feststellen mußte, daß du durchaus wie ihr Mann reden und ganz normale Jungenfrechheiten äußern kannst. Maman sagte ihr über mich, daß es nicht Jennifers Sache sei, die Erziehung eines nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Jungen zu bewerten und daß du, Julius, in ihrer Schule überwiegend positiv auffielest, im gegensatz zu jenen, die ihrer Herkunft wegen meinten, gegen bestehende Umgangsregeln verstoßen zu können. Dann hatten sie's von Mamans Aufmachung und Frisur, daß sie vollkommen unzeitgemäß sei und welche Botschaft ihre Schüler davon erhalten würden. Spätestens da ist mir die Lust am Übersetzen abhandengekommen. Ich habe meine Schwangerschaft vorgeschoben, um mich dem entziehen zu können. Da mußte dann Joe herhalten. ich bekam wohl mit, daß er nicht wortwörtlich übersetzte. Dennoch haben sich die beiden noch eine Viertelstunde lang in der Wolle gehabt, wobei Maman die ruhigere der beiden war. Ich hörte noch was, daß Maman sagte, es sei bedauerlich, daß Jennifer kein Französisch könne, was die Verständigung wesentlich vereinfachen würde. Joe übersetzte es so, daß seine Mutter hier Gast im Hause sei und Maman dies letzthin respektieren müsse. Dann bin ich eingeschlafen."
"Ob deine Mutter das so hinnimt?" Mentiloquierte Julius.
"Wird sie müssen, wenn Joe und Babette weiterhin glauben sollen, sie könne kein Englisch", kam die Antwort, die in Julius' Kopf klang wie aus einem unter seiner Schädeldecke angebrachten Breitbandlautsprecher.
"Aber schön, daß ich nicht noch mal zu Oma Blanche muß. Die hätte mich ja eh wieder zu der dicken Delamontagne hingesteckt, und die hat auch'n Baby im Bauch", sagte Babette.
"Soviel ich weiß hast du bei Madame Delamontagne gut zu essen gehabt, durftest spielen und sogar mit ihr zusammen fliegen und durftest sogar mit Gabrielle Delacour spielen. Also sprich gefälligst nicht so abfällig von ihr, Babette!" maßregelte Catherine ihre Tochter.
"Jaja, Maman."
"Pass auf, daß ich dich nicht doch direkt bei Eleonore abliefere", drohte Catherine. Babette wurde sofort still. Julius fragte dann noch, ob Madame Faucon nach Hause gegangen sei oder noch hier in der Wohnung sei.
"Wenn sie hier wäre, wüßtest du es", sagte Catherine lächelnd. Julius nickte.
"In der Stadt, wo ich gebor'n, lebte einst ein Mann, der fuhr zur See." Klang es unvermittelt durch die Wohnung, das Lied vom gelben U-Boot, dem Klassiker der Stadionmelodien.
"Oh, jetzt wird's lustig", kicherte Babette.
"Das allmorgentliche Kulturscharmützel", knurrte Catherine und trat an die Kaffeemaschine, um die morgentliche Kanne schwarzen Wachmachergebräus durchlaufen zu lassen.
"James, ich habe es dir gesagt, daß du diesen vermaledeiten CD-Wecker mit einer anständigen Musik ansetzen sollst, dreißig Jahre und mehr geht das schon so mit dir", nölte Jennifer Brickston.
"Ohne die fabelhaften Vier komme ich morgens nicht in die Gänge, Schatz. Aber morgen kann ich ja was von Madonna einlegen."
"Dieses Flittchen?! Das verbiete ich dir!" Keifte Jennifer.
"Die ist anständige Mummy, wie du auch, Jennifer", hörte Julius noch James' Bemerkung.
"Na klar, die Mummy von Jesus Crhistus, weshalb wir ja überhaupt Weihnachten haben", kommentierte Julius es nur für Catherine und Babette. Catherine grummelte nur:
"Er meint die freizügig auftretende amerikanische Sängerin, die einen Mann engagieren mußte, ihr mit achtunddreißig Jahren unverbindlich zu einem eigenen Kind zu verhelfen."
"Echt, die hat einen Mann dafür bezahlt ... Ich dachte, es gäbe Samenbanken", erwiderte Julius lausbübisch grinsend. Natürlich wußte er, wen Catherine meinte, aber das war nie so seine Sängerin gewesen, wo er Leute wie Krachmeister B. und andere Rapper gehört hatte. Das Lesters Bruder auf diese Künstlerin abgefahren war wußte er jedoch noch.
"Reden wir bitte nicht über diesen Unfug", sagte Catherine verstimmt.
"Die kleine Nachtmusik ist zum einschlafen da, Jennifer, sonst würde sie ja Tagmusik heißen", protestierte James Brickston gegen einen Musikwunsch seiner Frau.
"Ich kann ja morgen alle wecken", raunte Julius.
"Wehe dir", sagte Catherine sehr ernst. "Schlimm genug, wie die beiden sich hier ungeniert um solche Belanglosigkeiten zanken. Da mußt du dich und uns nicht noch mit hineindrängen."
"Ich hätte das Musikerbild aus Beaux mit rüberholen sollen", sagte Julius. "Dann wären wir jeden Morgen mit schmetternder Fanfare geweckt worden." Er dachte erst wehmütig dann erfreut daran, daß Claire ihm dieses Bild gemalt und bezaubert hatte.
"Ja, und James hätte gefragt, wer bei euch oben Trompete spielt", erwiderte Catherine.
"Mach diesen Unrat sofort aus, James Brickston!" Keifte seine Mrs. Brickston, als der Kehrreim des Beatles-Klassikers laut durch die Wohnung dröhnte. Julius sang unvermittelt mit.
"Bist du wohl still!" Schoss ihm Catherines Gedankenstimme durch den Kopf. Er fürchtete schon, sie sei so laut, daß Babette sie in seinem Kopf drhönen hören konnte. Doch Julius sang weiter. "Ich hänge dir gleich den Sprechbann an!" Drohte Catherine. Julius hörte auf. Selbst wenn es Catherine schwerfallen würde, das zu erklären, warum Julius nichts sagen konnte wußte er, daß sie ihrer Mutter Blut in den Adern hatte und tat, was sie androhte und bestimt jetzt, wo sie in anderen Umständen war noch leichter zur Weißglut gereizt werden konnte.
"Hat Maman dir zutelepathiert, dir was anzuhängen?" Fragte Babette schadenfroh, weil Julius Catherine ansah wie das Kaninchen die Schlange.
"Dasselbe was ich dir anhängen könnte, Mademoiselle", sagte Catherine. Schlagartig verschwand das schadenfrohe Grinsen aus Babettes Gesicht.
"Du möchtest auch Tee haben?" Fragte Catherine Julius nach einer kurzen Weile. Er nickte. Wenn er schon die Gelegenheit bekam, warum nicht?
"Kein Problem", sagte Catherine.
"Soll ich dir was rübertragen?" Bot Julius seine Hilfe an, wenn er schon mal da war.
"Wenn du möchtest. Nimm bitte das Frühstücksgeschirr aus dem Schrank und bring es ins Esszimmer!"
Julius trug schnell alle benötigten Teller, Untertassen, Tassen, Messer und Löffelchen hinüber. Dann fiel ihm ein, daß er ja noch etwas von dem Honig hatte, den Sandrine ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Zwar hatte er ihn einmal beim Frühstück in Beauxbatons herumgehen lassen, aber der Rauminhaltsvergrößerungszauber und der Conservatempus, mit dem das Fäßchen belegt war ließen das süße Gold darin nicht so schnell versiegen oder vergehen.
"Jamm, ist das der, den du von Sandrine gekriegt hast?" Fragte Babette Julius, wobei sie Französisch sprach. Julius nickte.
"Was meinst du, Kleines?" Fragte Jennifer Brickston, die gerade in die Küche gehen wollte um zu sehen, was sie Catherine an Arbeit abnehmen konnte.
"Sie meint, daß ich den Honig in dem Fäßchen erst vor kurzem geschenkt bekommen habe, von einer Schulkameradin, die eine gute Imkermeisterin kennt."
"Achso", sagte Jennifer.
"Bring den mir bitte in die Küche, damit ich was davon in eine kleine Schale umfüllen kann!" Bat Catherine. Julius gehorchte.
Beim Frühstück unterhielt sich Julius mit James Brickston über die Beatles, damals und heute und erfuhr, daß Joes Vater vier Jahre lang in Liverpool Busfahrer war und jetzt in Birmingham Bus fuhr. Julius ging davon aus, daß es nun legitim sei, zu fragen, wie James Brickston seine jetzige Ehefrau kennengelernt hatte. Diese errötete zwar ein wenig, aber nickte ihrem Mann zu.
"Tja, die habe ich im Kino kennengelernt. Wir haben uns den Film zusammen angesehen, danach noch drüber geredet und uns dann mehrmals heimlich getroffen, weil ihre Eltern nicht wollten, daß ihre Tochter einen einfachen Stadtburschen kennt. Öhm, ja, und als Joe dann bei unserer Hochzeit dabei war, mußten ihre Eltern zumindest zugeben, daß ich bestimmt ein guter Daddy werden könnte."
Jennifer errötete nun noch mehr, ebenso Joe. Julius konnte sich ein gewisses Grinsen nicht verkneifen.
"Nun, Dad, den letzten Teil hättest du doch weglassen können", meinte Joe geknickt, während Babette ihren Opa und ihren Vater fragend anguckte, bis es wohl bei ihr im Kopf klick machte und sie ebenfalls grinste.
"Nun, es war schon ein wenig mühsam, meinen Eltern, die nur um mein Wohl und meine Ehre besorgt waren, diese ... Angelegenheit so beizubringen, daß alle Beteiligten damit leben konnten", sagte Jennifer Brickston ungewohnt schüchtern. Jetzt konnte Julius zumindest verstehen, was sie an der Sängerin Madonna und ihrer Art, an ein Kind zu kommen auszusetzen hatte. Weil Julius dieses für Joes Mutter wohl peinliche Thema nicht unnötig ausreizen wollte fragte er, ob sie jetzt das erste Mal in Paris seien.
"Ja, das erste Mal", sagte Jennifer Brickston. Dann zog sie ohne großen Übergang über Catherines Mutter her, wohl formuliert aber abfällig denkend. Catherine hörte es sich an, bis sie sagte:
"Sie hat mich anständig großgezogen, auch nachdem mein Vater gestorben ist hat sie mich trotz ihrer Verpflichtungen der Schule Gegenüber gut aufs Leben vorbereitet. Daß sie einen Hang zu deiner Auffassung nach altmodischen Frisuren hat heißt nicht, daß sie weniger wert ist als du, Jennifer. Auch als die Eltern von Julius Probleme miteinander bekamen, weil sein Vater einen anderen Bildungsweg wollte als seine Mutter und es darum Streit gab hat sie sofort gesagt, sie würde ihn mühelos in ihrer Schule unterbringen und darauf aufpassen, daß er sich dort wohlfühle und nicht nur lerne."
"Ich verstehe, daß du auf deine Mutter nichts kommen lassen möchtest, Kind. Aber du wirst doch wohl zugeben, daß diese Frau sich mehr auf sich einbildet als sie ist", sagte Jennifer kalt. Joe erbleichte. James fragte ihn, was sei.
"Mir ist gerade eingefallen, daß ich das neue Datensammelprogramm für die Firma noch einmal komplett überarbeiten muß, damit die nicht das Saharaklima als mitteleuropäisches Wetter an die Medien verkaufen", seufzte er. Julius dachte sich zwar, daß Joe wohl einfiel, daß seine Mutter keinen Dunst davon hatte, was seine Schwiegermutter war und konnte.
"Oh, hat das nicht Zeit bis nach Weihnachten?" Fragte James.
"Leider nicht, weil sie das Programm am dreiundzwanzigsten schon in ihr Netzwerk einfügen wollen", sagte Joe.
"Apropos einbilden", setzte Julius trotz Catherines warnendem Blick an, "Haben Sie eigentlich was wichtiges gelernt, womit Sie geld verdienen oder sind Sie nur Filia Patris, Mrs. Brickston?" Jennifer Brickston runzelte erst die Stirn, Dann flog ihr die Zornesröte ins Gesicht.
"Was bildest du dir denn ein, Bursche?! Du hast selbst nichts auf die Beine gestellt und wagst es, über mich derartig zu reden?!" Keifte sie.
Catherine räusperte sich und hielt sich den gerundeten Unterleib. "Weck es nicht auf, Jennifer", zischte sie.
"Was heißt'n das, Filia Patris?" Fragte Babette, die den Ausdruck nicht kannte.
"Vaters Tochter, Babette", seufzte Joe. Doch dann sah er Julius an und sagte ruhig:
"Meine Mutter hat, wie du mitbekommen konntest, keine Gelegenheit gehabt, sich für einen einträglichen Beruf zu qualifizieren, da sie mit mir zu tun hatte. Keiner kann was für seine oder ihre Herkunft und sollte daher auch nicht dumm angemacht werden, wenn er oder sie alle damit verbundenen Vorteile ausnutzt. Außerdem mußt du Blanche nicht verteidigen. Die kann das alleine."
"Mein Vater war auch nicht arm, und meine Mutter hatte auch wohlhabende Verwandte, die ihr das Studium gesponsert haben", sagte Julius unbeeindruckt. "Aber ich habe was gegen Leute, die über andere Leute herziehen, obwohl sie keinen Dunst davon haben, wie hart die ackern mußten, um das Bißchen zu kriegen, was sie haben. In meiner englischen Schule läuft auch so'n Typ rum, der sich heftig was auf seinen Vater einbildet. Und wo ist dieser Vater jetzt? Im Bau! Weil rauskam, daß der in einer Verbrecherbande mitgemacht hat! Oder für sprachlich kultiviertere Tischgenossen: Ein Schüler der früher von mir besuchten Lehranstalt in Großbritannien äußerte ständig eine auf seine begüterte Herkunft und die Kontakte seines Ernährers basierende Arroganz, die unerträglich war. Dann erwies es sich, daß sein achso wichtiger und gern gesehener Vater Mitglied einer kriminellen Organisation war, und er wurde zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.""
Jennifer Brickston starrte Julius an, der unbeeindruckt, ja selbst sichtlich verärgert zurückstarrte. Catherine griff nicht ein. Offenbar wollte sie sogar, daß Julius zeigte, wie gut er sich behaupten konnte. So erklärte sich auch, daß sie in die nun eingetretene Stille hineinsprach:
"Du siehst, Jennifer, Julius wird dazu angeleitet, nicht die Herkunft und das familiäre Vermögen, sondern die eigenen Leistungen zu respektieren, bei sich und allen anderen. Er bildet sich nichts darauf ein, wo er herkommt und auch nicht auf das, was er bisher auf die Beine gestellt hat. Er ist meiner Mutter sehr dankbar, daß sie ihm geholfen hat, sich in der neuen Schule zu integrieren und wollte dir lediglich zu verstehen geben, daß sie mehr Respekt verdient hat als du ihr in Abwesenheit gerade erwisen hast. Julius, Joe hat auch recht, daß du meine Mutter nicht verteidigen mußt. Aber ich denke, sie würde es dir zumindest hoch anrechnen, daß du nicht abfällig über sie sprichst, wo sie dich ja nicht selten sehr streng anfaßt, um dich auf dem hohen Niveau zu halten, daß die Schule fordert."
"Also ich mach das mit dem Programm", sagte Joe und stand einfach auf. Seine Mutter räusperte sich und funkelte ihn an. Er sagte jedoch:
"Iss ruhig weiter, Mum. Stör dich nicht an mir. Ich weiß, früher sollten alle schön sitzen bleiben, bis alle fertig waren. Aber wir nehmen das hier nicht so ernst." Dann ging er einfach.
"Ich verlange von dir, Bürschchen, daß du dich auf der Stelle bei mir für deine Unverschämtheit entschuldigst", fauchte Jennifer Brickston mit fast aus den Höhlen tretenden Augen.
"Ich sehe dazu keinen Anlaß", erwiderte Julius kühl. Babette hielt die vom Honig golden gesprenkelten Hände vor ihr Gesicht. Julius hörte sie leise kichern. Offenbar fand sie das lustig, daß ihrer Muggeloma mal jemand die Meinung sagte und das nicht zurücknahm.
"Du nimmst das sofort zurück!" Fauchte Jennifer. Ihr Mann sah Julius verschmitzt grinsend an. Offenbar gefiel ihm das auch, daß Julius nicht aufsteckte.
"Ich bin mir keiner Sache bewußt, was ich zurücknehmen müßte, Madame. Ich stellte Ihnen lediglich eine Frage, ob Sie einen Grund haben, sich anderen Damen gesellschaftlich überlegen zu fühlen. Eine Frage zu stellen ist keine Beleidigung und auch keine Dummheit, habe ich gelernt. Sie hätten nur sagen müssen, daß es mich nicht beträfe, welche gesellschaftliche Stellung sie bekleiden. Damit haben Sie ja auch recht, da mich Ihr Werdegang nicht betrifft. Allerdings halte ich meine Ansicht aufrecht, daß Menschen, die nur durch elterliches Vermögen sorgenfrei leben können kein Recht haben, sich über die aufzuregen oder sie verächtlich zu machen, die mit Kopf und / oder Händen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das ist meine Meinung, und mit vierzehn Jahren habe ich genug erlebt, um mir eine bilden zu dürfen. mal ganz abgesehen davon, daß Sie überhaupt nicht wissen, was ich bisher auf die Beine gestellt habe und welche Rückschläge ich schon habe einstecken müssen. Dixi!"
Catherine sah mit einer Mischung aus Wut und Verachtung zu ihrer Schwiegermutter hinüber. Jennifer Brickston sah Julius an und sagte:
"Nur um meinen Enkel nicht zu gefährden werde ich die Sache vergessen, Bursche. Aber sieh zu, daß du mir nach heute Abend aus dem Weg bleibst!"
"Sie können froh sein, daß ich keine Frau schlage", sagte Julius. "Sonst müßte ich jetzt fragen, was mir dann passiert, wenn ich Ihnen doch über den Weg laufe."
Jennifer erhob sich und verließ den Raum. Sie hörten noch, wie sie wohl in das Gästezimmer ging.
"'tschuldigung, Catherine, wenn ich dich unnötig aufgeregt habe. Wollte ich nicht."
"Sei ganz ruhig, Julius", hörte er Catherines Stimme in seinem Kopf. Für alle hörbar sagte sie: "James, wahrscheinlich wird Jennifer jetzt erst einmal nicht aus dem Zimmer kommen. Sie wollte mit mir in die Stadt, einkaufen. Ich werde sie nicht dazu drängen, mit mir zu kommen. Fährst du mich?"
"Catherine, wenn dir unterwegs was passiert weiß ich doch nicht, was ich machen muß", sagte James kreidebleich.
"Mir wird so schnell nichts passieren, James. Das Kind liegt sicher, und meine Hebamme sagt, ich könne beruhigt einige körperliche Anstrengungen außerhalb der Gymnastik machen. Aber falls es dich beruhigt kann Julius uns begleiten. er hat bei meiner Hebamme einen Erstehilfekurs absolviert, auch was Schwangerenbetreuung angeht."
"Öhm, echt?" Fragte James Brickston. Julius nickte. Also wurde es beschlossen, daß Julius mit zum einkaufen fuhr, obwohl er auch gerne die Hausaufgaben gemacht hätte. Andererseits wollte er zumindest bei Catherine gutes Wetter machen, damit sie nicht doch noch böse auf ihn war.
Sie holten den Einkaufskorb, einige Tüten und eine Tragetasche. Babette richtete ihrem Vater aus, daß Julius mit Opa James und ihrer Mutter zum Einkaufen fuhr.
Als sie voll bepackt wieder zurückkehrten empfing sie Joe schon an der Haustür.
"Das hättest du mir vorher sagen können, daß Barbara zusammen mit ihren fertigen und noch werdenden Kindern kommen wollte. Ich dachte, nur Patricia und Mayette kämen her."
"Hui, dann reicht das was wir gekauft haben eben nur für heute", sagte Catherine ruhig, während sie James Brickston und Julius mit den Einkäufen in die Wohnung schickte.
"Mann, ich merk's das ich für sowas zu alt werde", stöhnte James Brickston, während Julius lässig mit den großen Taschen und dem prall vollen Einkaufskorb hantierte, als wären sie völlig leer.
"Immerhin verdienst du dir dein Mittagessen", schnaufte Jennifer Brickston, als sie Julius mit den Sachen sah.
"Ach, meine Holde, hast du dich doch aus deinem Schmollzimmer getraut?" Feixte James Brickston. Seine Frau bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. Dann erschrak sie, als die hoch gewachsene und von der anstehenden Zwillingsmutterschaft gerundete Barbara Latierre vor ihr auftauchte und Julius begrüßte.
"Hättest besser hierbleiben sollen", sagte sie auf Französisch. "Ich wollte dich schon per Melo anrufen, aber Joe sagte was, du würdest Catherine beim Einkaufen helfen."
"Was will diese Frau von dir, Julius?" Fragte Jennifer.
"Zu den zweien, die gerade drin sind und denen die hier irgendwo rumlaufen noch zwei", gab Julius schadenfroh zurück. Barbara Latierre sah ihn an. Er mentiloquierte schnell:
"Die Dame hat Krach mit mir. Deshalb habe ich ihr gesagt, Sie wollten ihr Ihre Kinder dalassen, auch die, die noch kommen."
"Nix da, Julius. Die beiden Mädchen und die in mir rumliegenden Jungs nehme ich wieder mit nach Hause. Die Muggelfrau käme eh nicht damit klar", klang Barbaras Gedankenstimme in Julius' Kopf.
Rums! Irgendwas war im Wohnzimmer umgefallen.
"Nein, diese Biester", knurrte Jennifer und zog sich schnell ins Gästezimmer zurück und schloß die Tür zu.
"Moin, zusammen! Was hat denn da so gerumst?!" Rief Julius fröhlich.
"Ey, Julius, da bist du ja auch!" Rief Mildrid aus dem Wohnzimmer.
"Schon alles wieder im Lot, Leute!" Rief Hippolyte Latierre. "Babs' Mädchen haben nur das große Sofa umgeworfen."
"Nur?" Fragte Joe erschrocken und stürzte ins Wohnzimmer, wobei er fast Martine umrannte, die herauskam, um Julius zu begrüßen. Millie folgte ihr wie ihr fleischgewordener Schatten.
"Hallo, Julius. Schön, daß ich dich hier auch treffe", sagte Martine und begrüßte Julius auf Landesart. James lachte darüber. Da hing ihm Barbara Latierre um den Hals und gab ihm die üblichen Wangenküsse.
"Babette sagte nur was von Mayette und Patricia", sagte Julius, dem es etwas mulmig und merkwürdig wohl zugleich war, daß Martine ihn immer noch in den starken Armen hielt und ihr rotblondes Haar sein Gesicht streichelte. Millie pirschte sich von hinten an ihre große Schwester heran und kniff ihr mal eben in den verlängerten Rücken.
"Die ist ja doch eifersüchtig", schnurrte Martine belustigt.
"Willst du den jetzt aufheben und mitnehmen?" Knurrte Millie und hieb Martine klatschend aufs Hinterteil. Sie wandte den Kopf um und schnarrte nur:
"Machst du das noch mal trete ich aus oder lasse dir alle Haare ausfallen, Mildrid!"
"Vielleicht doch besser, wenn ich jetzt die anderen begrüße, bevor deine Mutter meint, du würdest dich an wehrlosen Knaben vergreifen", sagte Julius leise. Doch Martine lachte nur:
"Wehrlos? Du nicht!" Rief sie. Dann hob sie ihn einfach hoch und trug ihn ins Wohnzimmer, vorbei an ihrer perplexen Schwester. Julius dachte, daß sie das jetzt machte, um Millie zu ärgern und daß Millie offenbar auf sowas ansprang, was wiederum hieß, daß sie wirklich eifersüchtig war. Ohne großes Federlesen legte sie Julius in die sich öffnenden Arme ihrer Mutter, die ihn übergangslos an sich drückte und sicher hielt.
"Gestern konnten wir uns ja nicht richtig begrüßen, weil die junge Madame Grandchapeau so schnell zu dir hingelaufen ist. War ein wenig unhöflich von ihr, dich sofort wegzuholen. Wie geht's dir?" Fragte sie ihn und küßte ihn auf die Wangen.
"Mal abgesehen davon, daß meine Mutter sich mit computerunkundigen Leuten in Aix herumschlagen muß und ich heute schon Krach mit Catherines Schwiegermutter hatte geht es mir sehr gut, da ich gerade in den Armen einer großen, starken Frau liege, die gerade dem großen Wunder neuen Lebens entgegenhofft."
"Huch, seit wann übst du dich in Spontanpoesie", sagte Martines und Millies Mutter. Julius versuchte, die Umarmung zu lockern, um ihr ungeborenes Kind nicht einzuquetschen.
"Du brauchst keine Angst zu haben, Julius. Du tust Miriam nichts. Sie hat noch genug Platz", sagte sie.
"Miriam? Woher wissen Sie, daß es kein Marius wird?" Fragte Julius.
"Meine Schwiegermutter hat es vorgestern herausgefunden. Aber nicht mit Einblickspiegel oder dergleichen. Aber frage mich bitte nicht nach der Methode, falls du heute noch was essen möchtest."
"Maman, willst du den jetzt die ganze Zeit festhalten?" Knurrte Millie. Ihre Mutter lächelte und sagte:
"Deine Oma hat gesagt, ich soll Miriam gut warm halten. Das mache ich gerade. Oder willst du mir auch auf den Hintern hauen wie deiner großen Schwester?"
"Wenn er das mag, an dir zu kleben", sagte Millie und zog sich zurück.
"Magst du es nicht, umarmt zu werden?" Fragte Hippolyte Latierre. Julius sagte nur, das er das schon möge, aber es vielleicht gerade besser sei, wenn er wieder frei laufen könne. Madame Latierre knuddelte ihn noch einmal und löste sich von ihm.
"Irgendwas hast du an dir", grummelte Millie als sie Julius begrüßte. Sie schnupperte demonstrativ an ihm. Doch außer dem Rest von Badezusatz und Deoroller fand sie nichts an ihm, was ihre Schwester und ihre Mutter so anhänglich machen konnte. Um zu zeigen, daß sie nicht wie die beiden war, gab sie ihn direkt nach der Begrüßung wieder frei.
"Was ist denn hier gelaufen?" Fragte Julius und blickte auf das Ledersofa, das etwas verschoben dastand. Die Kissen lagen im Moment nicht wie sonst, sondern schnell auf die Sitzfläche hingeworfen.
"Callie und Pennie haben sich beide mit Schwung auf das Ding werfen wollen und es dabei umgeschmissen", sagte Millie grinsend. "Aber sie haben es schnell wieder hingestellt."
"Und was hat Joe dazu gesagt?" Wollte Julius wissen.
"Was soll ich dazu sagen. Die Mutter ist in der Nähe, und wenn es kaputtgegangen wäre hätte ich gleich die Rechnung dafür hervorgeholt", sagte Joe. "Nur gut, daß Mum das nicht mitgekriegt hat. Der sind im Moment zu viele schwangere Frauen in Sichtweite."
"Babs hätte Ihnen gerne ein neues Sofa hingestellt, wenn es kaputtgegangen wäre", sagte Hippolyte ruhig. Joe erwiderte dazu:
"Klar, wer Marmorklos hat kann auch Geld scheißen."
"Nanana, nicht vor den Kindern solche Wörter, Monsieur Brickston", sagte Millies Mutter.
"Ihr könntet dran verderben", feixte Julius Millie und Martine zugewandt.
"Als wenn Millie das nötig hätte", gab Martine den ihr passenden Kommentar dazu ab.
"Deine Mutter ist in Aix, habe ich gehört?" Fragte Millie.
"Woher weißt du das denn. Das habe ich außer meinen Leuten vom grünen Saal keinem erzählt", wunderte sich Julius.
"Ich habe ihr das erzählt", sagte Hippolyte und trat neben Julius. Ihre noch jüngste Tochter wich leicht verstimmt einen Meter zurück, während Martine ruhig schräg links von ihm stehenblieb. "Camille wollte morgen zu uns, damit wir Patinnen der jungen Mutter unsere Weihnachtsgeschenke für Cythera geben, bevor sie zu ihrer Tante Samantha reist. Margo Dornier erzählte mir, daß sie eigentlich gleich nach der Rückkehr von Connie hinreisen wollten, aber zur Zeit einen Übernachtungsgast hätten, Martha Andrews. Deshalb und weil Connie doch in Beauxbatons geblieben sei, würden sie erst morgen hinreisen."
"Meine Mutter wollte eigentlich gestern schon wieder herkommen. Aber jemand vom dortigen Büro hat den Computer kaputtgemacht", seufzte Julius.
"Davon weiß ich nichts. Wann kommt sie denn jetzt zurück?" Wollte Hippolyte Latierre wissen.
"Heute Abend irgendwann. Computersachen können dauern", sagte Julius aus bester Erfahrung.
"Apropos, Julius. Du hast doch so'n Computerding, oder?" Fragte Millie.
"Joh, habe ich, oben", sagte Julius lässig.
"Darf ich mir den mal ansehen?" Fragte Mildrid Latierre bittend dreinschauend.
"Hmm, kannst du", sagte Julius.
"Ich komm mit", sagte Martine. Millie verzog zwar kurz das Gesicht, machte aber sonst keine Anstalten, als wenn ihr das absolut nicht passte, daß die große Schwester dabei war.
"Schade, daß Albericus nicht hier ist. Aber der zeigt seiner Mutter, Béatrice und Madame Matine die Umgebung von Paris. Den hätte das auch interessiert", sagte Hippolyte.
"Okay, Mädels, wenn ihr echt wollt, zeige ich euch den Computer", sagte Julius.
Callie und Pennie liefen ihnen nach. Joe meinte, Julius solle ja aufpassen, daß die nichts kaputtmachten oben.
"Ich komme mit", sagte Barbara Latierre.
"Öhm, wir müssen eine Etage hoch", sagte Julius.
"Na und", erwiderte Barbara gelassen. "Im Treppensteigen bin ich dir im neunten Monat noch überlegen, Junge. Fang jetzt nicht die Behütsamkeitstour an wie Béatrice! Sonst ziehen ich dir die Haube über und lasse dich einen Tag mit mir mitlaufen."
"Eh, das ist ein Angebot, Julius. So'n Gefühl kriegst du als Mann eh nicht mehr", sagte Millie.
"Ich hab's mit Constance einmal für eine Stunde ausprobiert", sagte Julius. "war schon anstrengend. Gut da´ß ich nicht ackern mußte."
Hippolyte blieb unten und ging Catherine in der Küche zur Hand, während Joe mit seinem Vater, Babette, Patricia und Mayette im Wohnzimmer blieb.
Julius erstaunte es, daß Barbara Latierre locker und leicht die Treppen hinaufstieg, ohne zu schnaufen oder zu stolpern.
"So, dann zeig uns mal das Wundergerät, das ganze Büchereien in einen Kasten einlagern und innerhalb einer Sekunde durchlesen kann!" Trieb Martine Julius an.
"Du machst Muggelkunde, Mildrid?"
"Ja", sagte Millie und betrachtete die Einrichtung in Julius' Zimmer. Als der Rechner hochfuhr erklärte Julius noch einmal die grundsätzlichen Dinge wie den Unterschied zwischen Hard- und Software und das der Rechner der Kasten unter dem Tisch war, an dem alles hing, wie der Monitor, der Drucker, die Lautsprecher und die Tastatur mit der Maus. Dann führte er den Mädchen ein paar einfache Programme wie Texteingabe und Bildschirmschoner vor, ließ digitalisierte Musik über die Lautsprecher abspielen und wählte sich über das Modem ins Internet ein und zeigte einige Seiten dort, die mit Mode für junge Mädchen zu tun hatten und einige bunte Bilder enthielten.
"Mit dem ding kannst du auch rechnen?" Fragte Martine. Julius führte es vor, wie man mathematische Aufgaben ausführen lassen konnte. Mildrid fragte, ob man damit auch Arithmantikaufgaben lösen konnte.
"Da gibt es kein Programm für, und wenn ich sowas schreiben wollte müßte ich erstens alle arithmantischen Gesetze, Methoden und Bewerrtungen kennen, zweitens das ganze in die einheitliche Mathematik des Computers umrechnen und drittens das Programm so schreiben, daß alle möglichen Fehler erkannt und abgefangen werden können. Das würde Monate dauern. Abgesehen davon daß ich was das Programmieren angeht etwas aus der Übung bin."
"Wäre ja auch ein wenig gemein, wenn Julius die Aufgaben für Laplace von einem Gerät ohne Gefühle machen lassen würde", sagte Martine. "Das Wesen der Arithmantik ist ja nicht nur das Zusammenspiel von Zahlen, die für was stehen, sondern die gefühlsmäßige Auswertung auf Grund der erzielten Ergebnisse."
"Ja, aber das mit den Gesetzmäßigkeiten für Bewegungszauber ginge doch?" Fragte Millie.
"ach, habt ihr das auch bei Bellart aufbekommen?" Fragte Julius.
"Standard", bemerkte Martine. "In der Vierten gibt die die selben Hausaufgaben aus, bei den Blauen eben eine Woche später als bei den anderen, weil die nie das geforderte Tempo einhalten."
"Kann man mit einem solchen Apparat auch festhalten, wieviel Milch eine bestimmte Kuh im Verlauf des Jahres gibt?" Fragte Barbara. Julius nickte und suchte im Internet nach einer Seite für landwirtschaftliche Anwendungen und las die Beschreibung einer vollautomatisierten versorgung für Milchkühe, wo genau festgelegt wurde, wie viel Futter eine zu bestimmende Kuh bekam, wann das Personal die Schläuche der Melkmaschine anzuschließen hatte und wie viel Milch die Kuh X im Vergleich zur Kuh Y gab. Daneben konnte das Programm auch die Buchhaltung machen, wie viel Zusatzfutter bestellt werden mußte, Abnehmer von Milch und Fleisch und Energiekosten für Heizung und Belüftung der Ställe.
"Oha, das was wir also gerade betrachten kann dazu führen, daß der Betreiber des Hofes seine Kühe gar nicht mehr selbst aufsuchen muß. Noch dazu werden die Tiere wohl in bestimmten Kabinen, diesen Boxen, untergebracht, um diese künstliche Fütterung und das Melken ohne überflüssigen Handgriff abwickeln zu können. Ich hörte mal, die seien sogar so weit, daß sie die Kühe nicht mehr mit den Zuchtbullen zusammenlassen, sondern denen ihre Saat wegnehmen und Kühe damit befruchten, die hunderte von Kilometern weit weg sind. Irgendwo hört doch da die Ehrfurcht vor dem lebenden Geschöpf auf", sagte Barbara und bat Julius darum, den Internetseitenbetrachter auszuschalten.
"Das ist, weil in der Welt immer mehr Menschen leben und Milch und Fleisch haben möchten. Da wollen einige eben so viele Tiere für so wenig Geld wie möglich heranzüchten", sagte Julius nicht sonderlich begeistert klingend. Früher war er immer für alles neue zu haben, was menschliche Arbeit ersetzte. Doch zum einen kannte er es, daß viele Leute wegen immer leistungsfähigerer Computerarbeitsplätze und Netzwerksysteme ihre Arbeit verloren. Zum Anderen mußte er Barbara rechtgeben. Doch ihm fiel ein, daß sie ja Demies Milch immer mit einer magischen Melkmaschine abgezapft hatte, und das sagte er ihr auch.
"Das ist aber auch das einzige, was ich mit einem Apparat machen muß. Sicher ginge es auch so, daß ich eine große Wanne unter Demie stelle und mit entsprechenden Zug- und Druckzaubern melke. doch im wesentlichen wissen Demie und ihre Artgenossinnen, wer sich an ihnen zu schaffen macht und wozu, und wenn sie stierig werden bekommen sie die Gelegenheit, den Zeitpunkt der Begattung selbst zu wählen und nicht ungefragt mit dem Samen irgendeines weit entfernten Bullen befruchtet zu werden. Wenn du in den Osterferien Zeit und Lust hast, kannst du gerne zu mir auf den Latierre-Hof kommen. ich denke, ich lasse Demie dann wieder zu Ares."
"Das ist einer der drei Zuchtbullen, die Maman hat", sagte Callie, die bis dahin interessiert zugesehen und zugehört hatte. Mildrid meinte:
"Wenn Julius sich sowas ansehen will, Maman. Vielleicht steht ihm der Sinn nach was anderem."
"Wonach meinst du?" Fragte Julius herausfordernd.
"In der letzten Zeit bist du ja eher am Lesen, wenn Bine und San dich nicht in der Verwandlungs- oder Zauberkunst-AG zum Ausprobieren von dem anleiten, was du gelernt hast."
"Immerhin bin ich auch im Zauberwesen-Kurs und bei den Tierwesen", sagte Julius.
"Dann wäre es doch genau was, was ihr eurem Lehrer als freiwillige Bonusarbeit für den Kurs abliefern könntet", warf Martine ein. Julius dachte daran, daß er dann ja mit Mildrid auf den Hof von Barbara Latierre reisen müßte, wo immer der lag. Aber vielleicht war es mal was anderes, eine andere Sorte Ferien auf dem Bauernhof", dachte er. Aber im Moment wollte er sich nicht festlegen, nicht wo Millie dabei war.
"Also diese Computergeräte machen in der Muggelwelt vieles einfacher, aber auch ohne Seele", sagte Martine. "Und weil sie heute da immer häufiger vorkommen und so vieles machen können sind sie nun so wichtig geworden. Brauchen die denn mehr Elektrostrom als andere Geräte?"
"Die früheren, die so groß wie das zimmer hier waren und Glasröhren mit Stromanschlüssen drin hatten fraßen eine Menge Strom und waren noch dazu lausig langsam. Aber dadurch, daß die wichtigen Bauteile immer kleiner und schneller umschaltbar wurden ist der Stromverbrauch heute vernachlässigbar klein. Die Festplatte, der Monitor und die Kühlung brauchen wohl den meisten Strom", sagte Julius. Dann ließ er den Rechner herunterfahren. Als die Anzeige auf dem Bildschirm stand, er könne den Computer jetzt ausschalten fragte Millie ihn, ob er das nicht selber wissen könne, wann die Maschine ausgesetzt werden mußte.
"Nicht immer. Denn diese Programme, die die Aufbewahrung und den Zugriff von Daten verwalten und die anderen Programme arbeiten lassen, müssen ja alle erst beendet werden. Erst wenn das letzte Programm beendet ist, bekomme ich die Meldung, den Rechner auszuschalten. Vorher würde ich quasi in den ordentlichen Beendigungsvorgang eingreifen. Das wäre genau so als wenn du vor dem Flug mit der Reisesphäre betäubt würdest und irgendwo aufwachen würdest. Du würdest erst nachsehen müssen, wo du bist und ob du alles hast, was du brauchst, bevor du wieder nach Beauxbatons zurückkehren kannst, wo du noch das suchst, was du vielleicht dagelassen hast. So ähnlich liefe das dann im Computer ab. Dann bekäme ich eine Meldung, daß er nicht ordnungsgemäß heruntergefahren wurde, also alle nötigen Programme richtig beendet wurden."
"Alles in allem, Julius, möchte ich dir ehrlich sagen, daß du froh sein kannst, in unserer Welt leben zu können", sagte Barbara Latierre sehr ernst. "Es gibt zwar da keine Computer oder diese Fernbildauffangkästen. Aber die Leute da reden noch mehr miteinander als sich nur auf irgendwelche Maschinen zu verlassen, und die Magie nimmt uns auch viel übermäßige Körperarbeit ab."
"Hmm, da möchte ich jetzt nichts zu sagen, weil ich es im Moment sehr wichtig finde, in beiden Welten klarzukommen", sagte Julius dazu nur.
"Das kriegst du schon raus, wo du besser klarkommst", sagte Martine. "Immerhin haben sie euch jetzt einen Kamin hingestellt, der wohl nicht nur zum schön aussehen und Feuermachen gedacht sein soll. Zwar kann deine Mutter den so nicht benutzen, aber andere, die weit weg sind und mit ihr sprechen wollen könnten ihn als Endstelle benutzen."
"Zeigst du uns den mal, bevor wir wieder runtergehen?" Fragte Mildrid. Julius nickte und führte seine Besucher kurz ins Wohnzimmer.
"Ja, da käme selbst Oma Line durch", bemerkte Mildrid leicht gehässig. Ihre Tante knuffte sie und meinte:
"Nach zwölf Kindern siehst du bestimmt nicht schlanker aus, Mademoiselle. Ich muß ja schon aufpassen, daß ich nach denen, die unterwegs sind nicht zu viel wiege. Für manche Arbeiten ist ein etwas schlankerer Körper doch besser geeignet."
"Wann hängen sie ihn ans Netz, Julius?" Fragte Martine.
"Öhm, Heiligabend, habe ich gehört."
"Dann kannst du ja nach Oma Lines Begrüßungsfest für Esperance und Felicité direkt zu euch nach Hause."
"Hmm, Meine Mutter wurde auch eingeladen, und die kann und darf ich nicht durch den Kamin mitnehmen", sagte Julius leicht ungehalten.
"Ich denke, die kann Albericus mit diesem Automobilwagen hinfahren. Oder ich muß Demie oder Ostara mit einem Tarnungszauber belegen, was nicht so einfach ist, weil die sehr schwer sind und einen guten Schuß Zauberkraft in Haut, Fleisch und Blut haben."
"Sage das Oma Line, daß sie das durchplanen kann!" Warf Mildrid ein.
"Als wenn ich das nötig hätte", lachte ihre Tante Barbara. "Die weiß doch, daß Martha eine Muggelfrau ist. Es sei denn, Madame Eauvive, die Martine und dich für die Pflegehelferschaft empfohlen hat, erklärt Martha zu einer Squib. Dann dürfte sie zumindest auf einem Besen mitgenommen werden."
"Abgesehen davon daß Squibs einen winzigen Anteil nach außen wirkender Zauberkraft haben müssen", begann Julius, wurde aber von Martine unterbrochen.
"Das ist doch gar nicht nötig, Tante Babs. Gemäß der Transportgesetze und der Geheimhaltungsübereinkunft dürfen Muggel nicht von Hexen und Zauberern transportiert werden oder auf magischen Fluggeräten mitgenommen werden. Sie kann aber auf Demie mitfliegen, weil die ein Tierwesen ist, von denen nichts in den Gesetzen steht, in in der nichtmagischen Welt bekannten Fahrzeugen transportiert werden oder durch berührungslos wirkende magische Portale mitgenommen werden, wie die Reisesphäre. Insofern ist die Sache doch ganz einfach."
"Verstehe, was du meinst. Aber das fällt unter Familiengeheimnisse", sagte Barbara Latierre. Julius ahnte, daß Martine eine Art Teleportal meinte, durch das man übergangslos zwischen zwei weit entfernten Orten wechseln konnte. Das konnte noch interessant werden.
"Diese Musikscheiben hier können wirklich alles, was auf ihnen ist immer wieder fehlerfrei vorspielen?" Fragte Mildrid, die die CD-Sammlung entdeckt hatte und wohl von Leuten wie Marc Armand wußte, wozu sie gut war.
"Ja, können die", sagte Julius und legte eine CD mit Instrumentaltiteln ein, die er zehn Minuten laufen ließ. Dann bekam er die Gedankenbotschaft, er möge mit den anderen Latierres zum Essen runterkommen. Er sah auf die Uhr und stellte fest, daß sie tatsächlich zwei Stunden mit dem Computer und der CD zugebracht hatten.
Jennifer Brickston war es nicht geheuer, mit so vielen fremden Leuten an einem Tisch zu sitzen. Sie hielt sich deshalb auch gut zurück. Nur James versuchte, mehr über die Latierres herauszubekommen, zumal Hippolyte etwas Englisch sprechen konnte. Als er aber hörte, daß mayette Hippolytes zweitjüngste Schwester sei, sah er Jennifer an, die ungläubig zurückstarrte. Beide schätzten ein, wie groß der Altersunterschied zwischen Hippolyte und Mayette war. Hätten sie gewußt, daß die jüngsten Schwestern neun Jahre jünger als Mayette waren, wäre das Erstaunen noch größer gewesen. Doch Catherine wiegelte ab und sagte, daß Hippolytes Mutter eben sehr jung Mutter geworden sei. Zumindest glaubten die Brikcstons diese Version.
Den Nachmittag verbrachten die Kinder mit Spielen in der Wohnung, während die Frauen sich mit ihren drei Hebammen trafen, die Albericus gegen zwei Uhr mitgebracht hatte. Jennifer Brickston behielt ihre Einigelungstaktik bei. Das empfand Julius als sehr entgegenkommend. Martine, die im Auftrag ihrer Mutter auf die Rasselbande aus ihrer Verwandtschaft aufpasste, mußte nur einmal einschreiten, weil Callie und Pennie James Brickston hochhoben und mit Schwung hochwarfen.
"Ui, was geben sie denen zu essen und zu trinken?" Fragte er perplex. Martine mußte warten, bis Julius übersetzt hatte. Dieser übersetzte dann die Antwort:
"Die sind vom Land, Mr. Brickston. Die kriegen jeden Morgen frisch gemolkene Milch, ungespritztes Obst und Gemüse und können immer mit anpacken, wenn was anliegt, umzusetzen oder von A nach B zu tragen."
"Ich wiege hundertsiebzig Pfund, in europäischen Maßstäben so um die fünfundachtzig Kilogramm", sagte James Brickston.
"Wenn die beiden zusammen anpacken schaffen sie das locker", sagte Julius lässig.
Abends sammelten die werdenden Mütter ihre bereits mehrere Jahre älteren Kinder wieder ein und verließen das Haus. Draußen stand ein VW-Bus, in den sie alle hineinkletterten.
"Also bei der Familie brauchst du keine Sorgen zu haben, daß es langweilig wird", sagte Mr. Brickston. "Allerdings sind mir zu viele Mädchen dabei. Konnten die beiden Damen keine Jungen ausbrüten?"
"bisher nicht. Aber Barbara ist, soweit ich erfahren durfte, mit zwei Jungen schwanger. Insofern kommen da noch ein paar Burschen in die Familie rein", sagte Catherine gelöst.
Nach dem Abendessen, an dem Jennifer Brickston wieder teilnahm, ohne Julius eines Wortes und eines Blickes zu würdigen, ging der Gast der Brickstons in seine angestammte Wohnung hoch und überließ sich eine Minute lang der Stille dort. Doch dann warf er sich in die Erledigung seiner Hausaufgaben, bis seine Mutter um kurz vor elf Uhr unten ankam, Catherine kurz begrüßte und sich wohl bedankte, daß sie Julius einen Tag versorgt hatte. Dann kam sie hoch und betrat ihre Wohnung. Julius freute sich sichtlich, sie endlich wiederzusehen. Als sie sich gegenseitig begrüßt hatten verbrachten sie noch zwei Stunden im Wohnzimmer. Martha Andrews erzählte Julius, daß sie sich gerade mit Hilfe des Anwalts Riverside um den Nachlass von Richard Andrews kümmerte. Onkel Claude hatte das Haus Winston-Churchill-Straße 13 umgehend verkaufen wollen. Doch weil er nicht der eingeschriebene Haupterbe war, hatte Martha zusammen mit Riverside für ihn, Julius, der wegen eines nicht vorhandenen Testamentes automatisch neben seiner Mutter der Haupterbe war, geklärt, daß der ganze bewegliche Nachlass an die interessierten Verwandten aufgeteilt wurde und Martha die alten Platten ihres Mannes abgestaubt hatte. Das Haus gehörte zur Hälfte wieder ihr und zur anderen Hälfte Julius.
"Sei froh, daß du diesen Aasgeiern nicht gegenübertreten mußtest, Julius. Onkel Claude und Tante Alison waren nicht Begeistert, daß ich es wagte, deinen Erbteil einzufordern. Falls du meinst, irgendwann wieder in das Haus in London einzuziehen, werde ich sehen, daß jemand es bis dahin in Stand hält und ..."
"Ist da noch irgendwas drin, was ich unbedingt haben können wolte?" Fragte Julius schroff. Seine Mutter verzog das Gesicht.
"Immerhin bist du in diesem Haus aufgewachsen. Ich ging davon aus, es hätte deshalb einen gewissen idiellen Wert für dich."
"Seitdem ich in der Zaubererwelt lerne und Paps das mit allen dir bekannten Mitteln abzuwehren versucht hat habe ich nichts mehr von dem Haus. Alles was mir darin wichtig war ist jetzt hier in der Wohnung oder unten im Keller, wie die Spielzeugkiste oder die alten Musikcasetten. Also wenn jemand das Haus haben möchte, dann darf Riverside es verkaufen", sagte Julius. Seine Mutter nickte. Sie hätte mit dieser Antwort rechnen müssen. Dann sagte sie:
"Dann rufe ich Riverside morgen an, damit er den Schätzer hinbestellt. Vielleicht sollten wir dabei sein, bevor Onkel Claude und Tante Alison befinden, es sei weniger wert und könnten es uns aus purer Freundlichkeit abkaufen wollen."
"Dann lass den Schätzer nach Neujahr ins Haus", sagte Julius. "Wenn ich jetzt mit dir nach London reise kämen wir beide nicht darum herum, zu Paps angeblichem Grab hinzugehen, und mit dem Grab verbinde ich nichts. Das Grab, mit dem ich was verbinde, liegt in Millemerveilles."
"Verstehe, Julius", sagte seine Mutter betrübt aber zustimmend. Dann sprachen sie noch über die letzten Monate in Beauxbatons, wie Julius mit der Trauer um Claire umgegangen war und was er mit Millies Oma väterlicherseits und dem Vampirehepaar Sangazon erlebt hatte.
"Diese Zwergin würde ich gerne kennenlernen. Aber so viel ich weiß, sind wir morgen eh schon verplant, weil Camille und Hippolyte Latierre mit den Dorniers sprechen möchten und die Weihnachtsgeschenke für die junge Mutter abgeben wollen und ich dabei sein soll, weil Cythera ja auch meinen Vornamen trägt."
"Stimmt, Mum", sagte Julius. "Die Latierres holen uns morgen früh nach dem Frühstück ab und bringen uns hin und nach dem Mittag wohl wieder zurück. Aber Connie ist nicht zu Hause."
"Das habe ich erfahren. In Ordnung", erwiderte Martha Andrews. "Dann können wir jetzt wohl beide eine große Mütze Schlaf gebrauchen."
Obwohl Julius es probierte, schaffte er es nicht, von Darxandria zu träumen. Zumindest konnte er sich an keinen Traum erinnern, als er um sieben Uhr aufwachte. Von unten dröhnte gerade ein weiteres Erfolgslied der Beatles nach oben: "Sie liebt dich, yeah, yeah, yeah!"
"Fragt sich nur, wer genau", grummelte Julius, bevor der beschwingte Gesang der vier Jungs aus Liverpool von Jennifer Brickstons Gekeife übertönt und schließlich von wem auch immer abgewürgt wurde.
"Jetzt müßte ich mal Krachmeister B. abspielen. Dann fällt die feine Dame da unten ganz vom Glauben ab", knurrte Julius. Vielleicht hätte er doch die Madonna-CD behalten sollen, die Lester ihm vor sieben Jahren gegeben hatte. Andererseits stimmte es schon, daß es nicht sein Ding war, ob es Joes Eltern peinlich war oder nicht, sich vor Publikum jeden Morgen diesen unnötigen Krach zum Aufstehen zu leisten. Vielleicht brauchte man ab einem bestimmten Alter eine gewisse Menge Adrenalin, ohne sich dafür in echte Gefahren begeben zu müssen, vermutete Julius verächtlich grinsend. Dann beschloß er, seinen Tag anzugehen.
Nach dem Frühstück zogen sich Martha und Julius für den Ausflug zu den Dorniers an. Julius überlegte, ob er besser in einem Anzug hingehen sollte, allein um Jennifer und James Brickston nicht zu weiteren Vermutungen anzuregen. Dann zog er doch den tannengrünen Umhang an, den er sich im Sommer gekauft hatte.
Um Neun Uhr ging die Haustürklingel der Andrews'. Julius ging an die Sprechanlage und meldete sich.
""Hallo, Julius, seid ihr fertig?" Fragte Madame Hippolyte Latierre.
"Ja, sind wir", antwortete Julius. "Am besten kommen wir gleich runter."
"Wir haben noch ein bißchen Zeit. Dürfen wir zu euch hochkommen?" Fragte Martines und Millies Mutter.
"Ist Ihnen das nicht zu anstrengend?" Fragte Julius.
"Jetzt fang du nicht auch noch an! Ich bin erst im vierten Monat. Ich habe mit Martine im Körper noch Quidditch ... Aber das weißt du eh. Kannst du uns die Tür aufmachen?"
Julius drückte zur Antwort den Türsummer. Dann sagte er seiner Mutter, die Latierres kämen hoch und öffnete die Wohnungstür.
Zuerst sah er Hippolyte Latierre, dann Martine, dann Mildrid und schließlich noch Madame Camille Dusoleil. Doch dann hüpfte eine winzige Frau barfuß die Treppen hoch wie ein Känguruh und überholte die drei. hinter ihr folgte noch Monsieur Albericus Latierre. Dann fiel die Tür zu.
"Ich wußte nicht, daß Sie auch dabei sind, Madame Dusoleil", sagte Julius etwas betreten, dann erfreut blickend.
"Wir fahren zusammen dahin, Julius. Außerdem wollte ich mir eure Wohnung schon immer einmal ansehen", sagte sie und schloß ihn fest in die Arme.
"Danke für deinen Antwortbrief, Julius. Wir sollten uns wieder regelmäßig schreiben", hauchte sie ihm zu und schob ihn in die Wohnung.
"Interessante Einrichtung", meinte die kleine Frau, Lutetia Arno, die für die Jahreszeit sehr luftig angezogen war und wie vor anderthalb Monaten barfuß ging. Sie betrachtete die Deckenlampe und dann die Geräte im Wohnzimmer.
"Wie Geht's den anderen?" Fragte Julius Madame Dusoleil, die ihn offenbar nicht mehr loslassen wollte, sehr zum Unwillen von Martine und Mildrid.
"Florymont ist gerade bei Bruno im Haus ein paar weitere Einrichtungen einbauen, und Jeanne ist bei Barbara - Barbara van Heldern. Du kennst ja jetzt doch noch eine mehr."
"Wie geht's der denn. Sie wird auch Mutter, hörte ich von Belle."
"Das stimmt. Deshalb wollten Jeanne und sie ein wenig plaudern, wie sich das fühlt und wie ihr alltag so läuft. Und du? Wie kommst du jetzt zurecht?"
"Ich habe zu viel Zeit", sagte Julius. "An und für sich könnte ich die ganze Bibliothek durchlesen. Aber ich beschränke mich doch nur auf das, was ich für die Zusatzaufgaben und die Freizeitkurse machen soll."
"Du weißt, was Ammayamiria dir mit auf den Weg gegeben hat?" Mentiloquierte Camille Dusoleil. Julius dachte erst, sie mit den Ohren gehört zu haben und sah sich rasch um. Doch weil Monsieur Latierre mit seinen Töchtern über den Fernseher und die Stereoanlage diskutierte und Hippolyte Latierre sich mit Martha Andrews und Lutetia Arno über den Unterschied von Hexen- und Muggelfrauenbekleidung unterhielt, erkannte er, daß sie ihm das wohl direkt aus ihrem in seinen Kopf übermittelt hatte. Er sah sie an und mentiloquierte zurück:
"Das geht nicht von heute auf Morgen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, wie das bei Ihnen und Ihrer Familie ankommt." Seine Botschaft hallte ziemlich laut in ihm nach.
"Deshalb solltest du dir die Zeit freihalten, um es in Ruhe angehen zu lassen. Außerdem wissen Florymont, Jeanne und ich, daß Ammayamiria will, also Claire will, daß du bald wieder wen findest. Du kannst ja jetzt nicht dein ganzes Leben darauf ausrichten, immer nur daran zu denken, wie es Claire oder uns gefällt, ob du eine neue Beziehung anfängst oder nicht. Außerdem hat Claire sich ja dafür mit Maman hingegeben, damit du weiterleben kannst. Oder willst du ernsthaft eine Einverständniserklärung von Florymont, Jeanne und mir haben, vielleicht sogar eine schriftliche Anweisung, dir möglichst bald wen neues zu suchen?" Dröhnte ihre Gedankenstimme in seinem Kopf. Es tat etwas weh. Offenbar war die Verbindung zwischen ihr und ihm so gut, daß sie ihn auch vom Mond aus noch eine Nachricht schicken konnte, meinte er. Er dachte die Antwort:
"Das wäre mir peinlich, wenn Sie mir sowas ausstellen würden."
"Na, dann sieh zu, daß Antoinette das nicht macht und wir das unterschreiben!" ertönte ihre Antwort in seinem Kopf. Wie kam das, daß die Verbindung um so viel stärker geworden war? Das mußte die geringe Entfernung sein. Julius dachte einen Moment daran, daß er wohl nur seinen an ihren Kopf legen mußte, um eine Gedankenverschmelzung à la Vulkanier zu schaffen."Ey, Camille, was flirtest du mit dem jungen Mann?" Fragte Hippolyte keck und blickte Madame Dusoleil und Julius herausfordernd an.
"Familienangelegenheiten, Hippolyte", sagte Camille Dusoleil. "Immerhin gehört er immer noch zu unserer Familie dazu."
"Und dieser Kasten mit dem stumpfgrauen Fenster vorne drin kann Bilder von ganz weit fort auffangen und Stimmen aus großer Entfernung hörbar machen?" Fragte Monsieur Latierre, auf den Fernseher deutend.
"Ich zeige ihnen das mal gerne", sagte Julius und entfernte sich von Madame Dusoleil. Er schaltete den Fernsehapparat ein und führte den interessierten Besuchern das Gerät vor. Nach zehn Minuten meinte Lutetia Arno:
"Das flimmert mir zu sehr, und die Stimmen und Geräusche klingen so seelenlos, auch wenn das echte Menschen sein sollen, die wir da sehen."
"Das macht deine bessere Sicht und dein Gehör, Oma", sagte Mildrid. "Ihr reinrassigen Zwerge könnt höhere und tiefere Töne hören als wir und sechzig Einzelbilder in einer Sekunde unterscheiden."
"Du willst mir doch nicht einen Vortrag drüber halten, was ich machen kann oder nicht, Mildrid Ursuline?" Erwiderte Lutetia Arno ungehalten.
"Ich wollte dir nur sagen, daß dieses Ding für Muggelaugen und -ohren ausgelegt ist", sagte Millie leicht verdrossen.
"Die arbeiten aber immer an neuen Geräten, die mit höheren Bildgebungsfrequenzen und besseren Lautsprechern arbeiten", sagte Julius ruhig.
"Ma, es ist nicht nötig, dich jetzt über diesen Fernbildkasten zu zanken, schon gar nicht mit Millie. Ohne die hättest du nicht nach Beaux gekonnt", sagte Monsieur Latierre ruhig.
"Stimmt. Dann hätten sie nur diesen Koldorin auf die Mädchen und Jungen losgelassen, als sogenannte verlässliche Wissensquelle", erwiderte Madame Arno.
"Dafür hast du es dir mit Madame Maxime verscherzt", grinste Monsieur Latierre. Martha Andrews, die die Geschichte von Julius schon gehört hatte wandte sich an Camille Dusoleil und sprach mit ihr über die Einladung am Weihnachtstag.
"Antoinette möchte, daß ihr beide erst zu uns nach Millemerveilles kommt. Sie würde vorher prüfen, ob sie was finde, um dich, Martha, mit uns zum Château reisen zu lassen", sagte Camille Dusoleil. Wenn ihr übernachtet, kann euch Madame Latierre mit einer ihrer Paradekühe abholen."
"Und dann wieder über das Château Florissant zurück nach paris bringen?" Fragte Martha Andrews.
"Oder zu uns nach Millemerveilles", sagte Camille.
"ich weiß nicht, ob das so gut ist, nach dem ..."
"Deshalb ja, weil es nicht besser würde, wenn ihr gar nicht mehr kämt", zischte Jeannes, Claires und Denises Mutter. Julius wollte noch weiterlauschen, doch Martine trat zu ihm und zog ihn sacht mit sich.
"Lass deine Mutter mit Tante Camille alleine reden! Es zieht dich nur runter, wenn sie über dich reden, wo du dabeistehst", sagte sie ruhig.
"Das hat es schon, Martine. So richtig doll freue ich mich nicht drauf, da Neujahr zu feiern", flüsterte Julius. Martine bugsierte ihn zu seinem Zimmer. Millie starrte ihrer Schwester nach. Als sie folgen wollte, scheuchte Martine sie mit einer energischen Handbewegung zurück.
"Julius fühlt sich bedrängt, wenn wir beide um ihn rumhängen. Lass mich mal mit ihm alleine!"
"Was soll das werden?" Schnaubte Millie angriffslustig.
"Nur ein Gespräch zwischen ehemaligen Pflegehelferkollegen, Millie."
"Wer's glaubt", knurrte Millie und zog sich ins Wohnzimmer zurück.
"Freches kleines Mädchen", grinste Martine, bevor sie Julius in sein Zimmer schob und die Tür schloß.
"Jetzt frage ich dich, was soll das werden, Martine?" Sprach Julius. Martine setzte sich auf den Schreibtischstuhl, während Julius sich auf sein Bett setzte.
"Das wird dir im Moment zu viel, oder?" Fragte Martine. Julius fragte zurück, was sie meine. "Die ganzen Gefühle, die Erinnerungen und der Trubel um meine Mutter und meine Tanten. Dann kommt dann noch diese verbindliche Einladung hinzu, die die Chefin des Eauvive-Clans an deine Mutter und dich verschickt haben dürfte. Ich hörte von Millie, du wärest gerne über Weihnachten in Beauxbatons geblieben, um dem ganzen zu entgehen. Sie meinte auch, es könnte wegen deiner früheren Schulkameradin Gloria Porter sein, die da auch bleibt. Aber ich denke, du willst bloß nichts mit den Sachen zu tun haben, die dich an alles vor einem Jahr erinnern. Stimmt das?"
"Da du mich das fragst wird es dich wohl interessieren", grummelte Julius. Dann sagte er ruhig: "Neujahr in Millemerveilles, wenn ich mich daran erinnere, was allein in diesem Jahr alles schiefgelaufen ist, ist mir nicht so ganz nach feiern", sagte er. "Meinetwegen könnte dieses Jahr komplett aus der Zeit getilgt werden. Dann wäre alles wie vor einem Jahr."
"Ja, klar, und ich müßte noch ackern, um die zwei Ohne-Gleichen- und fünf Erwartungen-übertroffen-UTZs zu schaffen, die ich dieses Jahr bekommen habe. Hmm, andererseits könnte es mit Edmond dann möglicherweise ... Nein, das ist gut, wie es gelaufen ist, bevor es dann passiert wäre, wo es heftig weh tut. Julius, wenn alles wunderbar klappen würde und wir nur schöne Tage erlebten, könnten wir die schönen Tage ja gar nicht mehr als solche sehen. Klingt jetzt altklug, ich weiß. Andererseits haben wir alle ja die Möglichkeit, unser Leben immer besser zu machen. Oder machst du dir etwa Vorwürfe, am Tod von Claire schuld zu sein?"
Julius schluckte. Darauf war er nicht gefaßt, diese direkte Frage von Martine zu hören. Dann sagte er:
"Ich weiß, daß ich nicht daran schuld bin, das Claire nicht mehr da ist. Aber ich überlege immer wieder, ob ich das irgendwie hätte verhindern können. Natürlich komme ich zu keinem Ergebnis. Bringt ja auch nichts, wenn man nicht gerade in die Zeit zurückreisen und das ganze korrigieren kann, was dann wieder anderswo schlimmere Probleme erzeugt."
"Ja, aber durch reines Lernen kriegst du das nicht aus dir raus, dieses blöde Gefühl der Hilflosigkeit. Das wird sich nämlich irgendwann rächen, wenn du feststellst, daß du dir entweder alle vergrault hast, denen du was bedeutest oder vor lauter besorgten Leuten um dich herum nicht mehr frei atmen kannst. Ich sehe das gerade an Maman. Oma Lutetia sagt ihr dieses, Tante Trice jenes und Oma Line grinst zu beidem und meint, sie würde schon rauskriegen, wie sie die Schwangerschaft zu einem schönen Abenteuer machen könnte. Dann ist Papa besorgt, obwohl er das nicht zeigt und Millie fragt sich, was sie von unserer neuen Schwester Miriam halten soll. Die ist noch nicht auf der Welt, und alle machen sich schon den Kopf, was sie mal machen und sein wird. Du bist auf der Welt und kannst frei herumlaufen, Julius. Es gibt bestimmt viele Leute, die interessiert, was du denkst und fühlst, ich ja auch, wie du merkst. Also versuch einfach, die Sachen, die gelaufen sind als unumkehrbar hinzunehmen und dich auf neue, schönere Sachen einzulassen."
Julius überlegte, ob er sich eine Retourkutsche für die direkte Frage von eben leisten konnte und riskierte es. "Willst du mir sagen, daß du es gerne hättest, daß ich mit deiner Schwester zusammenkomme?"
"Das mußte ich jetzt wohl erwarten", erwiderte Martine lächelnd. "Im Moment scheint Millie sich sehr zurückzuhalten. Sie schreibt zumindest, daß sie nicht weiß, ob das mit dir wieder so wird wie vor der Verlobung mit Claire. Außerdem ist sie ja nicht alleine da. Aber um deine Frage zu beantworten, Julius: Wenn ich darauf hinarbeiten wollte, daß Millie und du unbedingt zusammenkommt, würde ich nicht mit dir hier zusammensitzen, sondern hätte was angeleiert, daß du für meine Schwester empfänglich wärest."
"Das hätte ich aber schon gemerkt, wenn du mir einen Liebestrank mit Millies nötigen Essenzen untergejubelt hättest", sagte Julius.
"In dem Moment wäre dir das völlig egal gewesen, weil du das einfach so richtig finden würdest. Aber ich bin nicht dafür zuständig, meiner Schwester einen Liebhaber anzuhängen. Das soll die gefälligst selber rauskriegen. Außerdem, zu deiner Beruhigung, damit du nachher nicht vor lauter Angst, wir könnten dich verkuppeln wollen wie dein Kniesel keinen Schluck von was auch immer trinkst: Die Latierre-Hexen hatten es nicht nötig und werden es wohl auch nicht nötig haben, Liebestränke zu verabreichen, wenn sie einen bestimmten Mann oder Jungen haben wollten. Ich weiß, einige Lästermäuler in Beaux lassen herumgehen, ich hätte mir Edmond auf diese Weise gesichert. Aber der fand es schön, mit einem seinem Naturell entgegengesetzten Mädchen befreundet zu sein und noch einiges mehr. Deshalb ärgert mich das ja, daß er mich mit leerem Besen rumfliegen ließ und mich vor allen Klassenkameradinnen lächerlich gemacht hat. Also, solltest du mit Mildrid was anfangen und das geht so weit wie bei Mir und Edmond, wage es dann ja nicht, dich vor ihr zu verstecken, wenn sie auf dem Besen unterwegs ist und dich ruft! Dann binde ich dich im Wald an einen Baum und sorge dafür, daß die erste läufige Sabberhexe der gegend dich kriegt und mit dir und ihren weiblichen Verwandten die Waldhochzeit feiert."
"Was meinst du mit "soweit wie bei mir und Edmond"?" Konterte Julius sichtlich erschrocken, weil die Vorstellung, von jenen grünhäutigen Kreaturen abgeleckt und zur Paarung mit ihnen gezwungen zu werden doch ein gewisses Unbehagen bereitete.
"Sagen wir's so: V. I. negativ", flüsterte ihre Stimme nun direkt in seinem Kopf. Sie wirkte dabei keinesfalls peinlich berührt oder unter Druck. "Seit zwei Jahren schon."
"Öhm, das mußtest du mir jetzt nicht verraten", mentiloquierte Julius, der sich ja gut auf Martines Stimme eingehört hatte, um sie sich das sagen vorstellen zu können.
"In dem Fall doch, damit du weißt, wie weh mir Eddie getan hat, als er sich feige versteckt hat, als ich ihn auf den Besen holen wollte. Also noch einmal: Wenn das mit Millie und dir doch was geben sollte, und sie will, daß das so bleibt, dann bleibt das auch so! Verstanden?"
"Dann sollte ich mir besser eine andere aussuchen, um nicht mit so'ner grünhäutigen Braut verkuppelt zu werden", seufzte Julius. Martine lächelte überlegen. Dann meinte sie:
"Aber ich gehe stark davon aus, daß du nicht wie Eddie bist und das Mädchen hängen läßt, dem du dich versprochen hast. Sonst hätte Claire wohl kaum den Corpores-Dedicata-Zauber mit dir hinbekommen." Boing! Das schlug heftiger ein als die Drohung mit den Sabberhexen, fand Julius. Aber recht hatte sie schon. Er hielt sich nicht für jemanden, der einmal was versprach und dann, wenn das Versprechen eingelöst werden mußte die Beine in die Hand nahm und das Weite suchte. Er wagte es jedoch zu fragen:
"Weißt du denn, wo Eddie im Moment ist?"
"Er hat sich nach Südamerika abgesetzt. Angeblich ist er jetzt in Peru oder Bolivien. Aber wo genau kann selbst meine weit verbreitete Familie nicht herausfinden. Ich lasse ihn auch in Ruhe. Von einem Wortbrüchigen will ich keine Kinder haben, und das habe ich mir doch noch vorgenommen."
"Jetzt, wo du an deiner Mutter und deinen Tanten sehen kannst, wie heftig das ist?" Fragte Julius.
"Ich habe meine kleinsten Tanten mit zur Welt geholt. Ach, neh, das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt, daß Tante Trice und ich Oma Line geholfen haben, Esperance und Felicité auf die Welt zu bringen. Es ist doch immer noch ein erhebendes Gefühl, wem neues auf die Welt zu helfen. Nur daß ich zu jeder der kleinen Krähbündel Tante sagen soll fällt mir im Traum nicht ein."
So redeten sie über die Geburt der beiden jüngsten Tanten Martines und Millies. Julius erfuhr, das ihre Oma fast keine heftigen Schmerzen verspürt und ihre Kinder in anderthalb Stunden geboren hatte und daß ihre Tochter Béatrice darüber staunte, wie kräftig die inneren Geschlechtsorgane ihrer Mutter noch waren.
"Oma Line behauptet, du hättest sie so stark gemacht, daß sie sich in zwei Jahren wohl noch einmal was kleines in den Schoß legen lassen könnte, wenn Esperance und Felicité laufen können", sagte Martine, die sichtlich begeistert von der Entbindung sprach. "Zumindest teilen sich die drei den gleichen Tag im Jahr als Geburtstag, den fünften September."
"Daraus höre ich jetzt, daß es für dich wirklich was anderes war als bei Constance und Cythera", stellte Julius fest.
"Wenn du zusiehst, wie deine eigene Großmutter zwei neue Tanten für dich zur Welt bringt ist das schon was anderes als die Niederkunft von Constance, die ja erst so verbittert war. Gut, Das ZAG-Jahr abzubrechen und im nächsten Jahr neu anfangen zu müssen wäre mir auch übel aufgestoßen. Aber wer nicht aufpasst oder vorsorgt ... Knaus-Ogino ergo sum. Wie du es bei Cytheras Geburt so schön gesagt hast.""
Es klopfte an die Tür. Julius sah Martine an, ob ihr das gelegen kam. Sie nickte. Er rief herein. Lutetia Arno trat ein.
"Na, plant ihr schon meinen nächsten Einsatz?" Fragte die Zwergin. Martine lachte. Julius konterte:
"Wir haben beschlossen, daß Béatrice Latierre unser Kind holt, weil die größere Hände hat."
"Bei der geringen Erfahrung bringen die ihr wenig", sagte Madame Arno. "Immerhin habe ich zweihundert Kinder auf die Welt geholt, acht davon aus mir selbst. Mit der Erfahrung kann Béatrice kaum Schritt halten."
"Ich habe ihm gesagt, daß ich erst mal sehen will, wie er vor mir auf dem Besen sitzt, bevor ich ihn zu mir nehme, Oma Tetie", reizte Martine den Witz aus. Julius jedoch schwand der Spaß. Was trieb Martine dazu, mit ihm unter vier Augen über sein Leben, ihre Schwester und dann über anderes zu reden und jetzt noch solch eine Bemerkung zu machen.
"Martine, bist du blöd!" schnarrte Mildrid sichtlich erzürnt. Sie hielt sich außerhalb des Zimmers auf. Martine rief hinaus:
"Wenn du mich schon angiften mußt sei zumindest so aufrichtig und sage mir das ins Gesicht, Mademoiselle Mildrid."
Millie trat ein, warf die Tür zu, und meinte zu Julius:
"Ich will ja nicht behaupten, daß meine Schwester nicht zu dir paßt, Julius. Aber wenn die dich echt auf den Besen holt, machst du nur noch was sie will, glaube es mir."
"Hallo, Kinder, ich habe nur einen Witz gemacht", sagte Madame Arno, als es wieder an die Tür klopfte.
"Der / die Nächste bitte!" Rief Julius. Seine Mutter öffnete die Tür und blickte leicht irritiert ins Zimmer. Die beiden Schwestern sahen sich gerade angriffslustig an, und die winzige Frau sah beide mit einem mädchenhaften War-doch-nicht-so-gemeint-Lächeln an.
"Wer hat denn die Tür so zugeworfen? Hippolytes Kind ist aufgewacht und hat ihr einen heftigen Stoß versetzt."
"Das zweite Mal! Schön, wie stark die Kleine jetzt schon ist", frohlockte Lutetia Arno. Dann sagte sie noch: "Mädchen, offenbar könnt ihr das euch gut vorstellen, daß die eine oder die Andere von ihm mindestens ein Kind kriegt. Das wußte ich nicht, sonst hätte ich nicht so dahergeredet. Also seid bitte wieder lieb zueinander."
"Besser, ich suche mir bald eine aus, die keine Schwester in der Familie Latierre hat", dachte Julius. Doch irgendwie fragte er sich schon, was er aussandte, daß Martine wie Mildrid sich über den ausgelöschten Fluch Orions hinaus vorstellen konnte, er könne mit ihr gut zusammenleben und der Vater ihrer Kinder sein. Er war doch erst vierzehn! Er wolte noch keine Kinder in die Welt setzen. Doch der Gedanke, Martine sei ja älter als er, wog nicht mehr so schwer wie im Sommer noch.
"Öhm, ich denke, Julius hat sehr viel Zeit und genug Auswahl", sagte Martha Andrews, die meinte, die Situation beruhigen zu können. Doch zwei rehbraune Augenpaare blickten sie strafend an.
"Meine Töchter, wir wollen los!" Rief Monsieur Latierre.
"Ja, Papa!" Rief Lutetia Arno zurück und eilte wieselflink unter Martha Andrews linkem Arm hindurch ins Wohnzimmer.
"Ups, ist die schnell zu Fuß", staunte Julius Mutter. Dann sagte sie noch:
"Ich weiß nicht, ob Julius euch irgendwas gesagt hat, was ihr als Antrag auffassen könnt. Ich hoffe, er weiß, was er wie sagen muß."
"Ich habe Ihren Sohn als sehr lebenslustig und gescheit kennengelernt und mit ihm gut zusammengearbeitet, als ich noch in Beauxbatons war. Ich denke, wir werden auch weiterhin gut zurechtkommen", sagte Martine.
"Oma Lutetia hat mich auf dem falschen Fuß erwischt", sagte Millie. "Natürlich weiß ich, daß Julius im Moment erst wieder zu seinem eigenen Leben zurückfinden möchte, bevor er sich zu irgendwas festem entschließt."
"Ich geh schon mal vor, dann komme ich mir nicht so vor, als spreche man über mich, als wenn ich noch ganz klein wäre", sagte Julius und stand auf. Wortlos gingen die Schwestern und seine Mutter hinter ihm her. Martha schloß die Tür und folgte ihnen.
Unten vor der Tür stand der veilchenblaue VW-Bus, den Monsieur Latierre gestern schon gefahren hatte. Mühelos stiegen alle ein. Julius setzte sich nach vorne zu Madame Arno, die neben ihm wie ein kleines Mädchen wirkte.
"Wie können Sie diese große Kiste fahren?" Fragte Julius Monsieur Latierre.
"Zum größten Teil nur, in der ich ihr den Weg sage und nur auf das Beschleunigungspedal trete, um die Geschwindigkeit auszusuchen. Den Rest macht das Gefährt selbst", sagte Monsieur Latierre und startete den Motor.
Julius meinte, in einem Autoscooter zu sitzen, so rasant und halsbrecherisch brauste der VW-Bus durch die von Autos überquellende Statdt, Tatsächlich drehte der Fahrer nicht am lenkrad, sondern trat lediglich auf das Gaspedal, das wegen seiner kurzen Beine etwas höher angesetzt war.
"Da sind wir auch schon", sagte er, als Julius Lutetia Arno durch die Schlingerbewegungen fast auf seinem Schoß liegen hatte.
Durch das Geschichtsmuseum ging es in die Rue de Camouflage, zum himbeerfarbenen Haus der Dorniers. Dort empfing sie Monsieur Agilius Dornier und führte sie alle herein, wo seine Frau Margot im Salon wartete. Nach der Begrüßung gab es ein Kleines Mittagessen, außer für die werdende Mutter, die von den belegten Broten und der Tomatensuppe vier Portionen verdrückte und zu alle dem noch ein halbes Glas Gewürzgurken im Alleingang leerte.
Als dann die drei anwesenden Namensgeberinnen Cytheras über die Erfahrungen mit eigenen Kindern sprachen, sprach Monsieur Dornier Julius auf den Ganymed an. Monsieur Latierre und seine Tochter Millie klinkten sich noch in das Gespräch ein. Martine hörte zu, bis sie über die Quidditchsaison und den Kamin der Andrews' sprachen. Denn Monsieur Flaubert vom Flohregulierungsrat hatte mit Agilius Dornier schon darüber gesprochen, einen "längst überfälligen" Anschluß eines Kamins in der Rue de Liberation vorzunehmen.
Zwischendurch traf noch Schwester Florence Rossignol ein und unterhielt sich mit Martha Andrews über den unterschied in der Geburtshilfe der Muggel und Zauberer und beschrieb noch einmal, daß Julius sich bei Cytheras Geburt sehr vorbildlich verhalten habe und sie hoffe, daß er seinen alten Spaß am Leben wiederfinden werde. . Dann wünschte sie allen noch einmal schöne und erholsame Weihnachtstage und kehrte durch den Kamin nach Beauxbatons zurück.
Nach einem reichhaltigen Abendessen verabschiedete sich Camille Dusoleil von Martha und Julius und verschwand ebenfalls durch den Kamin. Monsieur Latierre fuhr die Andrews' mit seinem Bus innerhalb einer Minute wieder vor die Haustür der Brickstons und sagte:
"Tja, wir sehen uns dann am sechsundzwanzigsten Dezember wider, wenn wir bei Ursuline sind. Bis dahin noch viel Spaß und fröhliche Weihnachten!"
Als Monsieur Latierre mit seinem Bus davongefahren war, blickte Martha Julius fragend an:
"Was wollte Martine nun wirklich von dir?"
"Mich darauf hinweisen, ihre Schwester Millie nicht sitzen zu lassen, sollte mich der Teufel reiten, der einen Heiratsantrag zu machen. Dann hatten wir's von der Geburt der Zwillinge, weil sie dabei war und wohl von ihrer Oma die Erlaubnis hatte, mir das zu erzählen."
"Gehen wir erst einmal rein", sagte Martha Andrews und Schloß die Tür auf. Leise stiegen sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Martha fragte erst den Anrufbeantworter ab. Julius hörte Dr. Sterlings blechern verzerrt widergegebene Stimme, der leicht erregt sagte:
"Martha, Julius, meine Schwester Hortensia ist heute schon bei uns angekommen. Sie bleibt mit meinen Nichten Pina und Olivia bis Neujahr bei uns. Die beiden haben uns erzählt, daß du, Julius, in dieselbe Schule gegangen wärst wie Pina. Falls das stimmt, ist das ein echter Hammer. Ich hoffe, meine Schwester hat mich nicht veralbert. Bitte ruft mich an, um das mit Claudia und mir zu besprechen, weil ich das dringende Bedürfnis habe, noch jemanden zu sprechen, dem sowas verrücktes passiert ist!" Dann folgte noch die Telefonnummer.
"Jetzt ist es zu spät für einen Anruf", sagte Martha. Doch Julius wies darauf hin, daß es in England eine Stunde früher sei, also erst neun Uhr. So telefonierten sie noch eine Viertelstunde mit Dr. Sterling, Mrs. Watermelon, Pina und Olivia. Julius hörte sich an, was aus dem Mädchen geworden war, das bei einem Hogsmeade-Ausflug mit einer tückisch verfluchten Halskette in berührung gekommen war.
"Könnte sein, daß Katie nicht das Ziel war", sagte Julius. "Vielleicht versucht jemand zu kucken, ob er verfluchte Gegenstände in Hogwarts reinschmuggeln kann oder will jemanden bestimmten angreifen."
"Da kommen ja dann nur zwei in Frage", sagte Pina bedrückt klingend, "Harry Potter oder Professor Dumbledore."
"Gefällt mir nicht, aber könnte stimmen", seufzte Julius. "Passt aber alle gut auf und faßt nichts an, was ihr nicht kennt! Nachher ist noch was mit dem Decompositus-Fluch belegt, der alle Lebewesen bei Berührung zu Staub zerfallen läßt."
"Ach du großer Haufen Dr.., öhm, Dreck", erwiderte Pina eingeschüchtert.
"Wie ist denn der neue Zaubertranklehrer? Über den Verteidigungslehrer muß ich ja nichts neues wissen, den Sausack kenne ich ja schon besser als mir lieb ist."
"Slughorn ist super. Der bringt uns echt was bei. Die Hollingsworth-Mädchen sagen sogar, Henry Hardbrick hätte bei dem ein neues Lieblingsfach gefunden. Allerdings ist Verteidigung gegen die dunklen Künste dagegen eben wie vorher Zaubertränke. Snape will uns alle fertigmachen und zeigen, daß er und nur er der Meister des Faches ist und wir alle an und für sich kein Recht haben, bei dem was zu lernen. Nachdem was Gloria und du über Professeur Faucon schreibt wäre ich lieber bei euch, auch wenn diese Professeur Fixus sehr unheimlich und streng sein soll und die Schulregeln heftig hart."
"Dann mußt du Französisch können, um im Unterricht mitzukommen, Pina", erwiderte Julius.
"Was meinst du, was ich seit den Sommerferien mache", sagte Pina und wechselte unangekündigt zur französischen Sprache über. "Ich lerne Französisch und möchte einmal so gut sprechen wie du und Gloria." Dann kehrte sie zu der ihr vertrauteren Sprache zurück und erzählte, daß sie sich das Sprachlernbuch besorgt habe, nachdem sie bei Julius' Geburtstagsfeier war. Julius fragte dann, ob Pina nicht auch mal einen Brief auf Französisch schreiben wolle.
"Wenn ich das, was ich sagen will auch schreiben kann gerne, Julius. Aber das Buch ist ja spitzenmäßig. Olivia lernt auch daraus, wie Gilda und Holly. Vielleicht haben wir es bis nächsten Sommer durch und können die erweiterte Ausgabe für Fach- und Situationsbezogene Wörter und Sätze benutzen."
"Na dann, viel Spaß damit!" Wünschte Julius. Dann verabschiedete er sich und legte auf.
"Tja, wenn dein Vater das noch mitbekommen hätte, daß Ryan Sterling eine Hexe zur Schwester hat", seufzte Martha Andrews. "Vielleicht wäre so vieles wesentlich einfacher gewesen, wenn er das uns hätte sagen dürfen, bevor du nach Hogwars gingst."
"Da hättet ihr es ihm aber nicht geglaubt", sagte Julius.
"Ja, aber zumindest hätten wir dann, als Professor McGonagall zu uns kam wesentlich leichter verstanden, was Hogwarts bedeutet und daß du dort nicht vor die Hunde gehst", erwiderte seine Mutter. Dann holte sie einmal Luft. Dann noch einmal, als wolle sie gleich irgendwo untertauchen oder bereite sich auf einen heftigen Schlag vor. Dann sagte sie ruhig und überlegt: "Julius, was das von heute Morgen angeht, so fürchte ich, schätzt du die Situation falsch ein. Ich denke, die beiden Latierre-Schwestern konkurrieren um dich, nicht aus schwesterlicher Streitlust, sondern weil Mildrid dich immer noch nicht aufgegeben hat und Martine offenbar findet, du seist ihr weder zu jung noch zu klein. Es sieht so aus, als wenn sie nur die große Schwester herauskehren wolle, die aufpassen muß, daß ihrer kleinen Schwester nichts böses passiert. Aber ich habe es heute morgen in ihrem Gesicht gesehen, daß sie durchaus mehr für dich persönlich empfindet als daß du für ihre Schwester Millie interessant bist."
"Mum, ich bin nicht mehr so unbedarft, wie du vielleicht noch denkst", entgegnete Julius. "Martine sieht in mir wohl gerade wen interessantes, weil ihre Schwester sich wohl immer noch für mich interessiert. Kann sein, daß wegen meiner körperlichen Alterung um zwei Jahre der Eindruck bei ihr ankommt, ich sei kein kleiner Junge mehr. Aber spätestens wenn ich mit ihr über wichtige Sachen reden müßte könnte sie das doch wieder finden. Außerdem gibt es bestimmt schon wen neues in Martines Leben."
"Julius, glaube es mir bitte und sei nicht eingeschnappt, weil ich trotzdem finde, daß du das noch nicht einschätzen kannst, daß ich als junges Mädchen von Jungs geträumt habe, die mir dann doch unangenehm aufstießen und ich auch schon mehrere Klassenkameradinnen erlebt habe, die entweder nach einer gescheiterten Beziehung lieber als Nonne hätten weiterleben wollen oder den erstbesten, der ihnen über den Weg lief zu umarmen und sich ihm hinzugeben, egal ob sie den vorher mochte, nicht mochte oder uninteressant fand. Martine hat es sehr deutlich ausgedrückt, daß sie mit dir gut zusammengearbeitet hat. Das hat sie nicht einfach nur so gesagt, um mir Honig um den Bart zu schmieren. Diese Reise in Ursulines Schloß hat mir, obwohl ich einen Tag nicht alles so deutlich habe mitkriegen können gezeigt, daß diese Familie sich insgesamt sehr für dich interessiert, weil du jedem und jeder was zu bieten hast, wie Besenfliegen, Schach, Zauberkunstkenntnisse, Kenntnisse aus der sogenannten Muggelwelt und wohl früher ein gut ausbalanciertes Verhältnis von Kopf und Herz. Wahrscheinlich möchten die noch unverheirateten Damen der Latierre-Familie ergründen, wieviel Herz dein Kopf zulassen kann. Das mit Claire hat ihnen erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht, das sage ich so, wie ich es sehe. Aber das heißt nicht, daß du jetzt nicht mehr interessant für sie bist, sondern nur, daß sie dir Zeit lassen müssen, dich wieder auf ein Leben einzulassen, wo dein Verstand freiwillig Pause macht, wenn es was zu genießen gibt. Wie gesagt, sie lassen dir Zeit. Wie viel, das weiß ich nicht. Solltest du jetzt befinden, du möchtest dich mit keiner von beiden einlassen, dann würde ich dir vorschlagen, halt Ausschau, wer dich interessiert, nicht als gute Schülerin oder Schachpartnerin, sondern als jemand, die dir Spaß am Leben aber auch über das rein denkerische hinausreichende Aufgaben stellt, dich dazu bewegt, das Leben an sich zu ergreifen, nicht nur Bücher zu lesen. Das sage ausgerechnet ich dir, weil ich weiß, wie schwierig das ist, alles mit dem Verstand zu bewältigen. Ich fürchte, dieser Verbrecher Laroche und was mit deinem Vater passiert ist haben mir gezeigt, daß ich in einer Illusion gelebt habe, alles logisch und vernünftig angehen und bewältigen zu können. Kann sein, daß ich nicht mehr lernen kann, mein Leben anders zu führen. Aber du kannst es, Julius."
"Also wenn du von den unverheirateten Damen Latierre sprichst müßte ja auch Béatrice dazugehören, Mum", sagte Julius lausbübisch grinsend. Dann blickte er seine Mutter sehr konzentriert und entschlossen an. "Aber jetzt mal im Ernst, Mum: Millie hat sich seit Claires Tod von mir zurückgehalten. Daß die immer noch was von mir wollen könnte habe ich erst heute wieder mitbekommen, als Martine eben die große Schwester rausgekehrt hat. Martine ist nicht in Beauxbatons und fängt im neuen Jahr bei der personenverkehrsabteilung an. Die hat dann weder Zeit noch Möglichkeit, sich mit mir zu befassen. Was Millie angeht ... ist sie nicht die einzige, die sich für mich interessiert. Im Moment lege ich keinen Wert auf eine neue Beziehung, daß ich irgendeinem Mädchen Hoffnungen machen möchte. Vielleicht gibt sich das im nächsten Jahr irgendwann."
"Gut, du mußt lernen und deine Erfahrungen als für dich verbindliche Grundlage nutzen, Julius. Das heißt, du wirst es herausfinden, was wer im Bezug auf dich empfindet oder erwartet und was du erwartest und im Gegenzug zu geben bereit bist", sagte seine Mutter. Dann meinte sie noch: "Dazu gehört aber auch, daß wir beide uns weiterhin gut mit Camille und ihrer Familie verstehen. Die haben dich und auch mich so liebevoll aufgenommen, daß es einer tödlichen Beleidigung gleichkommt, das jetzt einfach wegzuwerfen. Deshalb habe ich für uns beide zugestimmt, daß wir nach dem nachgeholten Babybegrüßungsfest bei Ursuline nach Millemerveilles fahren und dort wie letztes Jahr ins neue Jahr hineinfeiern. Ich bin mir sicher, daß ist allemal besser als hier herumzusitzen und zu grübeln, wie düster das vergangene Jahr war, für dich, für mich, für die Dusoleils und für deine Mitschüler aus Beauxbatons und Hogwarts."
"Wieso Hogwarts?" Fragte Julius. Seine Mutter sah ihn an und erwiderte entschlossen:
"Dieser Wahnsinnige und sein Terror, diese irregeleitete Hexe, die deine ehemaligen Schulkameraden drangsaliert hat und daß dieser unsympathische Kerl Snape jetzt eines der wichtigsten Fächer unterrichtet, wo einige glauben, er täte das nur, weil er zeigen wolle, wie gut er sich damit auskenne. Pina hat es dir doch wohl gerade auch erzählt, was Hortensia mir erzählt hat, daß dieser Kerl zwar unterrichte, aber nach der Devise: Ich bin der Herr und Meister, und ihr seid alle doch nur Kleingeister. - So, am besten legen wir uns hin und schlafen morgen mal richtig aus. Dann können wir beide uns das Paris der Muggel zur Weihnachtszeit ansehen, falls du magst."
"Wenn ich mir den Kopfblasenzauber anbringen darf", warf Julius ein. Seine Mutter lächelte nur und wünschte ihm eine gute Nacht.
"Julius, ich bin wach, kannst aufhören wenn du möchtest!" Rief seine Mutter aus dem Schlafzimmer herüber. Doch sie klang nicht genervt, sondern nur munter. Er wollte nicht aufhören und spielte das Lied alle ihm bekannten Strophen durch, während eine Etage tiefer der allmorgentliche Streit um die richtige Weckmusik ablief, sinn- und nutzlos wie die Tage zuvor auch schon. Offenbar konnten sie unten das laute Flötenspiel hören. Denn Catherine mentiloquierte einmal:
"Ich weiß, das Lied hat eine unterdrückte Stimmung hochgespült, Julius. Aber es wird wieder. Und dann kannst du das Lied von der Freude an jedem neuen Morgen spielen, mit dem Hecate Leviata das Konzert beendet hat, das wir beide besucht haben."
Julius antwortete nicht darauf. Erst als er das Musikinstrument wieder fortpackte und darauf wartete, daß seine Mutter aus dem Badezimmer kam schickte er eine Botschaft zurück:
"Wußte nicht mehr, daß ich das Lied so gut im Kopf hatte, Catherine."
Offenbar war der allmorgentliche Streit nicht so wirkungslos verpufft wie sonst, sondern hielt vor. So kam es, daß Catherine unvermittelt mit Babette vor der Wohnungstür stand und hereinkam.
"So, Jennifer soll das jetzt mit ihrem Sohn alleine klären, was für Rechte sie hier hat. Mir wird das zu stressig, besonders jetzt mit dem Baby", sagte sie.
"Ist das jetzt, weil ich Musik gemacht habe?" Fragte Julius.
"Nicht direkt, weil ich dir das bestimmt mitgeteilt hätte. Jennifer fängt nur langsam an, sich als die heimgekehrte Königin zu verhalten, deren Sohn, der Kronprinz, ihr doch bitte die alten Befugnisse zurückgeben soll. James hat sich mit seinen Beatles unter die Kopfhörer zurückgezogen, weil er offenbar müde ist, mit seiner Frau zu streiten. Was für eine Ehe ist das, wo um Unsinniges jedesmal gestritten wird und bei grundsätzlichen Sachen die nötige Aussprache verweigert wird?"
"Und jetzt bittest du, die Gemahlin des Prinzen, uns um politisches Asyl?" Fragte Julius. Martha räusperte sich tadelnd. Doch Catherine lächelte nur und sagte:
"Soll Joe ihr ruhig auftischen, wie wir an das Haus gekommen sind. Mir ist das jetzt sowas von egal. Ich habe im Moment zu viel im Bauch als mir noch unwillkommenen Streit einzuverleiben. Wenn joe da unten was entscheidendes zu verkünden hat, wird er entweder zu uns hochkommen oder anrufen."
"Ich habe deine Schwiegereltern ja nur flüchtig kennengelernt, Catherine", sagte Martha Andrews. "Aber wäre es nicht günstiger gewesen, ihnen von Anfang an reinen Wein einzuschenken?"
"In welcher Hinsicht, Martha?" Wollte Catherine wissen.
"In jeder, Catherine", kam die Antwort. Babette fragte Julius, ob sie zusammen was spielen oder Musik machen könnten. Julius bat sie, noch einen Moment zu warten, weil er Catherines Antwort noch hören wollte.
"Tja, die Geheimhaltung sieht vor, daß nur direkte Verwandte oder die unmittelbaren Erziehungsberechtigten eines muggelstämmigen Kindes mit magischer Begabung davon wissen dürfen."
"Ja, und wenn Joe jetzt erzählt, daß Babette und du Hexen seid?" Fragte Julius vorsichtig.
"Das kann er nicht, weil sie ihn auf einen Eidestein haben schwören lassen, es keinem der es nicht anderswoher weiß zu verraten."
Der Morgen verging damit, daß Catherine und Martha in der Küche das Mittagessen vorbereiteten. Sollte Joe sich nicht mit seinen Eltern einigen würde er eben hungern müssen. Julius und Babette spielten das Olympia-Spiel auf dem Computer. Er gewann fünf Gold- und zwei Silbermedallien. Dann kam ein Telefonanruf von unten, daß die Brickstons wieder abreisen würden.
"Catherine, ich bringe meine Eltern nach Orly. In drei Stunden geht ein Flug nach Heathrow und von da aus ein Inlandsflug nach Birmingham. Ich bin es jetzt auch leid", klang Joes Stimme aus dem Lautsprecher, den Catherine in voller Absicht eingeschaltet hatte."Kommt beide noch einmal runter, um euch anständig zu verabschieden. Martha und Julius können, wenn sie wollen auch kommen. In einer halben Stunde fahren wir los."
"Gut, mon Cher, wir kommen runter", sagte Catherine.
Julius empfand es als nicht sonderlich tragisch, daß Jennifer Brickston ihm nicht die Hand zum Abschied reichte. Dafür zerdrückte James Brickston ihm fast die Hand und meinte:
"Wenn du weiter so wächst wirst du in zwei Jahren an jedem Finger ein schönes Mädel zappeln haben, Julius. Mach die Schule fertig, aber lass dich nicht von der Schule fertigmachen!"
"Man sieht sich vielleicht mal in Birmingham. Ich weiß ja nie, wo ich alles rumkomme", sagte Julius, dem James' Bemerkung eine leichte Verlegenheit bereitete. Er stellte sich das gerade bildlich vor, wie Millie, Gloria, Pina, Belisama und Waltraud an der rechten Hand und Martine und Béatrice Latierre, Fleur Delacour, und die Montferre-Zwillinge gerade mausgroß an der linken Hand hingen und sich mit winzigen Armen um seine Finger klammerten, um nicht von ihm weggeschleudert zu werden. Dann verließen die Brickstons das Haus. Er hörte noch Jennifer sagen:
"Ich hoffe, Kind, daß du unseren Enkelsohn gesund zur Welt bringst. Schreibe uns, wenn er da ist!"
"Ja, mach ich", sagte Catherine.
"So, dann wollen wir essen", sagte Catherine und stieg wieder die Treppe hoch.
Joe kehrte vier stunden Später zurück.
"Belagerung aufgehoben!" Sagte er nur und küßte seine Frau. Mum hat dich mehr geschafft als das Baby, oder?"
"Sagen wir es so, daß sie schon unter normalen Umständen sehr gewöhnungsbedürftig ist", erwiderte Catherine.
"Dann haben wir zumindest Weihnachten zur freien Verfügung", sagte Joe. Martha Andrews lud sie ein, bei ihnen oben zu feiern, weil ja genug platz war. Auch sollte ja da der neue Kamin eingeweiht werden.
"Stimmt, unseren kann ich ja jetzt auch wieder aufmachen", sagte Catherine erfreut lächelnd.
"Schön, dann können Mayette und Denise ja doch noch einmal zu mir kommen, bevor Weihnachten ist", freute sich Babette. Joe grummelte, daß das im Vergleich zu seinen Eltern das kleinere Übel sei.
Der wieder freigemachte Flohnetzzugang ermöglichte es, daß Camille Dusoleil zusammen mit einem Angestellten der grünen Gasse einen schlanken Weihnachtsbaum für die Andrews' vorbeibrachte, den Martha mit dem Schmuck behängte, den sie aus dem Haus in London herübergeholt hatte. Madame Dusoleil sagte zu Julius, seine Mutter und er würden wieder im Waldlandschaftszimmer schlafen, da sie es geschafft hatte, daß Aurora Dawn und ihre komplette Familie herüberkamen und sie diese auf Jeannes Zimmer und das Wiesenlandschaftszimmer verteilen wollte. Claires Zimmer blieb immer noch verschlossen. Das Aurora Dawn nach Millemerveilles kommen würde freute Julius sehr.
Am Morgen des 24. Dezembers ging die Türklingel der Andrews'. Julius war hellauf begeistert. Endlich würden sie ihren eigenen Flohnetzanschluß kriegen. Ein Mann in einem blau-weiß-roten Umhang mit einem taubenblauen Zylinder trat in die Wohnung ein, der vom Gesicht und vor allen den Augen her Deborah Flaubert sehr ähnlich sah.
"Schönen guten Morgen, zusammen", begrüßte der Zauberer im dreifarbigen Umhang die Andrews'. "Florian Flaubert, der Name. - Ja, ich weiß, mein Vater war ein Scherzbold, als er mir einen Vornamen aussuchte, der dieselben zwei Anfangsbuchstaben wie mein Nachname hat", sagte er sehr freundlich. Julius mußte wirklich grinsen. Seine Mutter lächelte nur. Der Besucher holte einen dicken Umschlag aus seinem Umhang und entnahm diesem zwei Pergamentbögen.
"Normalerweise bekommen Zauberer und Hexen, die den Anschluß eines oder mehrerer Kamine beantragen lediglich einen bejahenden oder verneinenden Bescheid und im ersten Fall gleich die Rechnung für die Anschlußgebühr und einen kleinen Vorrat Flohpulver. Da jetzt aber in diesem Haus zwei unabhängig voneinander nutzbare Kamine angeschlossen werden, so sieht es die Richtlinie 56 der 1873 international vereinbarten Errichtungs- und Nutzungsbestimmungen nationaler und internationaler Flohnetzverbindungen vor, muß ein Mitglied des Regulierungsrates bei der Vollendung und Prüfung des Anschlusses anwesend sein. Bitte lesen Sie sich die mit uns getroffenen Nutzungsbedingungen Durch und geben sie mir ein unterschriebenes Exemplar zurück, Madame Andrews!" Julius wollte lesen, was die Nutzungsbedingungen waren und erbat sich eines der Exemplare. Er las, daß der Kamin gemäß einer von Madame Nathalie Grandchapeau, Madame Antoinette Eauvive und Madame Eleonore Delamontagne am 12. November mit einer Vollmacht seiner Mutter beim Zuweisungs- und Registrierungsbüro des Flohnetz-Regulierungsrates zu Paris eingereichten Bitte um Ausnahmegenehmigung positiv beschieden war und der Kamin unter dem Namen "Pont des Mondes" am 24. Dezember 1996 eingerichtet werde. Die am Standort des Kamins wohnhafte nichtmagische Madame Martha Andrews sollte zwei bezauberte Steine erhalten, die den Kamin teilweise oder gänzlich unpassierbar machten. Darüber hinaus dürfe der Kamin von dieser nur passiv benutzt werden, also nicht von ihr als Kontaktfeuerstelle oder Ausgangs- oder Zielpunkt für eine Flohnetzpassage. Dem noch minderjährigen Zauberer Julius Andrews sei es gestattet, den Kamin im vollen Umfang der Nutzungsmöglichkeiten zu benutzen, unterliege aber dabei der Erlaubnis seiner Mutter, die sie durch provisorische Sperrung des Kamins zurücknehmen könne. Die für jeden Neuanschluß fällige Gebühr trage das Ministerium für Zauberei in Paris, da der Kamin vor allem als Verbindungsstelle zu Martha Andrews' Arbeitsplatz genutzt werde. Ansonsten sei die Gebühr für die Nutzung im Preis des verbrauchten Flohpulvers enthalten. Dann stand da noch was, daß Martha Andrews für sich und Julius schriftlich bestätige, den Kamin nie zum Nachteil der Zaubererwelt zu benutzen und ihn im Falle von nichtmagischen Besuchern ihrer Wohnung vollständig zu sperren habe, um ungewollte Verstöße gegen die Geheimhaltungsvorschriften zu vermeiden und sie im Falle eines Mißbrauchs des Anschlusses des Kamins zu kriminellen Zwecken wie Aufnahme oder Fluchthilfe gesuchter Verbrecher, Transport gestohlenen Eigentums oder unerlaubter magischer Erzeugnisse oder von den internationalen Handelsabkommen als unverkäuflich ausgewiesener Güter mit der sofortigen und dauerhaften Stillegung des Anschlusses zu rechnen habe. Seine Mutter fragte ihn, was denn unverkäufliche Güter seien.
"Alle Arten von Dracheneiern oder Jungdrachen zum Beispiel", sagte Julius. "Die komplette Liste habe ich nicht im Kopf."
"Auch die Eier der Acromantula fallen darunter. Aber vernünftige Leute würden sich solche Kreaturen nicht ins Haus holen", sagte Florian Flaubert. Martha Andrews unterschrieb an den vorgesehenen Stellen und gab das Exemplar an den Flohnetzüberwacher zurück.
"Gut, in genau einer Minute wird die Verbindung vollendet sein. Vorübergehend mußte der Kamin "rue de Liberation" vom Netz getrennt werden, um ihn unabhängig von diesem Kamin betreiben zu können. In einer Minute sind beide Kamine ordentlich angeschlossen."
Der Zauberer blickte auf eine goldene Taschenuhr und zählte im Geist die Sekunden ab, ebenso wie Julius. Dann sagte er: "Dann werde ich den Anschluß nun prüfen." Er zog einen kleinen Beutel aus seinem Umhang, entnahm ihm Flohpulver und Beschwor ein Feuer in den Kamin hinein. Dann warf er das Pulver in die Flammen, worauf diese laut grollend zu einer smaragdgrünen Feuerwand aufloderten. "Ja, die Reaktion deutete auf einen zugänglichen Anschluß hin", sagte Monsieur Flaubert, kniete sich hin und steckte seinen Kopf in die Flammen: "Test!" Rief er. Augenblicklich verschwand sein Kopf in einem Wirbel grüner Flammen. Fünf Sekunden später hörte Julius wie aus einem tiefen Brunnenschacht die Stimme eines anderen Zauberers und Monsieur Flauberts.
"Du siehst mich, ich dich auch!" Sagte der fremde Zauberer. "Der Pont-Des-Mondes-Kamin?"
"Genau der, ich komme in fünf Minuten zu euch hin, wenn ich den Herrschaften die Sperrsteine erklärt habe."
"Alles Klar, Florian", kam die Bestätigung. Dann wirbelte es in den Flammen, und Florian Flauberts Kopf saß wieder da, wo er hingehörte.
"So, da dieses funktioniert, ist auch die vollständige Passage gemäß der vereinbarten Nutzungsbedingungen möglich. Um den Kamin nun unpassierbar oder unkontaktierbar zu machen habe ich hier zwei kleine Steine, die ich gerne noch auf ihren Körper abstimmen möchte, Madame Andrews. Sie können leider den Diebstahlschutz-Zauber nicht anwenden. Aber ich kann die Steine derartig bezaubern, daß nur Sie sie federleicht anheben können", sagte Florian Flaubert und gab Julius' Mutter zwei rote Steine, die wie kleine Tortenstücke geformt waren. Er hielt seinen Zauberstab an Marthas Hände und murmelte etwas, was die Steine und Hände in einem schwachen bläulich-roten Licht aufglühen ließ. Julius Mutter verzog ein wenig das Gesicht. Doch sie hielt still. Dann sagte Monsieur Flaubert, daß nun nur sie die Steine noch anheben und einsetzen könne. Er bat darum, daß sie die Steine auf den Tisch legte. Sie tat es. Julius sollte nun ausprobieren, sie wegzunehmen. Doch so sehr er an den kleinen Steinen zog, er konnte sie nicht vom Tisch lösen, so schwer schienen sie zu sein. Doch der Tisch knickte nicht unter ihnen ein.
"Soweit auch gut", sagte Monsieur Flaubert und bückte sich. er öffnete eine kleine, runde Klappe am Sockel, wo ein fast vollständiger Kreis aus tortenstückähnlichen Steinen angeordnet war.
"Wenn sie einen Stein in die Aussparung drücken, wird der Kamin nur unpassierbar, Madame. Drücken sie beide Steine hinein, wird er auch unkontaktierbar. Normalerweise überlassen wir es den Zauberern und Hexen, die den Kamin betreiben, einen teilweisen oder vollständigen Sperrzauber zu wirken. Doch in Ihrem Falle mußten wir ihn auf zwei Steine legen. Probieren sie es einmal aus, Madame!" Martha Andrews legte erst einen Stein in eine Aussparung. Dann noch den zweiten. Sofort ging das Feuer aus. Sie schaffte es mit etwas Geschicklichkeit, die beiden Steine wieder fortzunehmen und die Klappe zu schließen, erneut zu öffnen und die Steine wieder einzusetzen und herauszunehmen.
"Wenn ich den Aufrufezauber mache, was dann?" Fragte Julius.
"Nun, zu Ihnen kommen werden die Steine schon, aber Ihnen dann sofort aus den Händen fallen wie tonnenschwere Gewichte, allerdings ohne ihnen die Füße zu zerquetschen oder durch den Boden zu fallen. Die Magie wirkt nur bei physischem Kontakt mit einer Hand oder Haltevorrichtung", sagte Monsieur Flaubert. Dann bat er darum, die Steine gut zu verwahren, ließ sich auch für den Erhalt der Sperrsteine eine Quittung geben, überließ Julius' Mutter ein kleines Tongefäß mit Flohpulver und wünschte den Andrews' viel Freude und Erfolg mit dem neuen Anschluß. Dann wünschte er noch fröhliche Weihnachten. Julius gab ihm noch einen schönen Gruß für seine Tochter Deborah mit. Dann benutzte der Zauberer die neue Verbindung und floh-pulverte sich in das Büro zurück, in das er eben kurz seinen Kopf gesteckt hatte.
"Du weißt was wir damals alles ausprobiert haben, als wir die Internetverbindung bekamen?" Fragte Julius seine Mutter. Diese nickte.
"du hast mit deinem Vater die Internetseiten, elektronische Post und die weltweiten Nachrichtengruppen ausprobiert. Fünf Jahre ist das schon her", sagte seine Mutter.
"Dann wollen wir doch mal sehen. Hast du irgendwo Feuerholz, weil ich nicht einfach den Feuerzauber machen darf. Martha ging in die Küche und holte einige Holzscheite, die sie aufstapelte. "Die haben sie mir beim Einbauen des Kamins mitgeliefert", sagte sie.
Julius entzündete die Scheite mit zwei Streichhölzern und einem Blatt Papier. Dann warf er aus dem Gefäß eine Prise Flohpulver in die aufzüngelnden flammen. Sofort wurde das Feuer smaragdgrün.
"Willst du durchgehen oder irgendwem deinen Kopf schicken?" Fragte Martha Andrews etwas unbehagt. Daß ihr Sohn jetzt einfach davonrauschen oder seinen Kopf weit vom Körper fortschicken konnte war ihr nicht ganz geheuer.
"Ich kuck mal, wie lange ich von hier zu Catherine runterbrauche und versuch dann von ihr aus mit dir zu kontaktfeuern", sagte Julius. Seine Mutter nickte schwerfällig. Hätte sie jetzt schon die Sperrsteine einsetzen sollen? Julius stieg in die Feuerwand und rief: "Rue de Liberation!" Wusch! In einem Wirbel aus Flammen verschwand er.
Es war nicht die übliche Wirbelei, die er zu gut kannte. Denn schon nach zwei Sekunden fühlte er einen Aufprall und fing sich ab.
"Zwei Sekunden", sagte er, als er aus dem Kamin im Partyraum der Brickstons kletterte. Catherine und Babette standen davor und sahen ihn an.
"Wie heißt der bei euch oben jetzt?" Fragte Babette. Julius schmunzelte.
"Wirst du gleich hören. Ich teste nämlich jetzt mal die Kontaktfeuerverbindung." Er bat Catherine darum, ein Feuer in den Kamin zu beschwören, warf eine Prise Flohpulver hinein und steckte seinen Kopf in die grünen Flammen. "Pont des Mondes!" Rief er aus und fühlte, wie sein Kopf viermal um die eigene Achse rotierte. Dann blickte er in das Wohnzimmer hinein, in dem er eben noch war. Seine Mutter fröstelte. Julius sagte ruhig: "Mum, kein Problem. Ich fühle meinen Körper noch. Ist nicht das erste Mal, daß ich das mache. Aber es klappt tatsächlich. Ich komme jetzt wieder hoch und schicke Francis mit einer Botschaft für die Dusoleils durch."
"Du brauchst nicht den Kopf zurückzuziehen, Julius. Steige einfach ganz in den Kamin!" Rief Catherine und Half JuliusHoch. Unvermittelt fühlte er, wie sein Körper wirbelte und dann wieder anständig mit seinem Kopf verbunden war.
"Ist schon gruselig", sagte Martha Andrews. "Am besten machst du das mit dem Kopf nur, wenn ich nicht dabei bin."
"Ich denke, das kennst du noch nicht lang genug. Ist wie Telefonieren für Leute, die das vorher nie gekannt haben", sagte Julius ruhig. Dann holte er seine Eule Francis, schrieb auf einen Kleinen Zettel "Unser Kamin ist jetzt angeschlossen. Der Name lautet "Pont des Mondes". bis Morgen! Martha und Julius Andrews" Dann warf er noch einmal eine Prise Flohpulver in den Kamin und setzte Francis hinein, dem das nicht sonderlich gefiel. "Jardin du Soleil!" Rief er in die Flammen, wobei er darauf achtete, daß sein Kopf nicht hineingeriet. Mit lautem Fauchen und einem angewiderten Schuhuen verschwand Francis in den grünen Flammen.
Mit lautem Plopp erschien Madame Faucons Kopf zusammen mit dem Catherines im Kamin. Martha Andrews erbleichte. Julius grinste nur. Dann setzte er eine respektvolle Miene auf und begrüßte die Lehrerin.
"Ich bat Catherine, mich umgehend zu informieren, wenn euer Kamin benutzbar sei", sagte Madame Faucons Kopf. Catherines Kopf bewegte sich vor und zurück. Dann sagte er:
"Das geht also auch. Überhaupt ein passender Name, Pont des Mondes, Brücke der Welten. Dann bis heute abend, Martha und Julius!"
"Ich muß zuerst, Catherine", sagte Madame Faucons Kopf und verschwand mit leisem Plopp. Eine Sekunde später verschwand Catherines Kopf.
"Wetten, daß Babette gleich auch noch mal kommt?" Wandte sich Julius an seine Mutter. Doch nicht Babette kam, sondern Jeanne Dusoleil.
"Maman hat es mir sofort mentiloquiert wie euer Kamin heißt und deine Eule zu Madame Delamontagne geschickt", sagte Jeanne, als sie sich den Ruß vom sonnengelben Alltagsumhang geklopft hatte.
"Ich fürchte, ich muß die beiden Sperren jetzt schon einbauen, damit ich nicht gleich hundert Köpfe oder Besucher hier habe", sagte Martha Andrews. Jeanne und Julius lachten. Jeanne meinte dann:
"Ich fürchte, Madame Andrews, damit würden Sie sich einige Leute verärgern, die vielleicht heute gerne noch einmal mit Ihnen sprechen wollen."
"Hat Madame Matine nichts dagegen, wenn du durch das Netz wirbelst?" Fragte Julius.
"Ich kann dir gerne vor die Füße brechen, um zu bestätigen, wie unangenehm das für mich ist. Aber ich kann noch gut durch die Kamine. Viviane Aurélie macht das nichts aus, solange sie noch genug Wasser um sich herum hat."
"Wollte es nur wissen. Nicht daß wir gleich noch von ihr besucht werden oder einen Heuler kriegen", sagte Julius.
"Haben dich die Pflegehelfer schon angezittert?" Fragte Jeanne lächelnd.
"Bis jetzt noch nicht. Ist ja auch noch einige Zeit hin bis Mittag und ..." Plopp! Ein Kopf erschien im Kamin, der von Gloria Porter.
"Fröhliche Weihnachten, Mrs. Andrews und Julius! - Öhm, Jeanne, du bist auch da?" Sagte ihr Kopf mit den hellblonden Locken. "Kommen deine Eltern etwa auch noch?"
"Nein, werden sie wohl nicht. Denn die Andrews' reisen morgen ja zu ihnen, Gloria. Wie geht's mit der guten alten Maman Beauxbatons voran?"
"Öhm, ich merke auf jeden Fall, daß ich hier was lerne, Jeanne. Zumindest verstehe ich jetzt, warum du und die anderen von der trimagischen Delegation manchmal so gelangweilt auf Hogwarts gekuckt habt. Pina hat mit dir telefoniert, Julius? Die hat mir sofort eine Eule geschickt, daß ihr Onkel wohl aus allen Wolken geplumpst ist, weil seine Schwester ihm das gesteckt hat."
"Tja, obwohl die Geheimhaltungsverordnung das eigentlich verbietet", sagte Julius.
"wenn Pinas Mutter ihm das erzählt, wo er ihr Bruder ist. Vielleicht hat Lady Genevra auch was gedreht, daß sie ihr dafür nichts können", sagte Gloria. Dann meinte sie noch: "Auf jeden Fall schön, daß du jetzt auch einen anständigen Kontakt zur Zaubererwelt hast."
"Ja, ich hoffe nur, wir kriegen keine ungebetenen Besucher", sagte Martha.
"Nicht in Ihrem Haus, Mrs. Andrews. So viel ich weiß ist das im Sanctuafugium-Zauber geborgen und wehrt alle ab, die Ihnen böses wollen."
Martha Andrews bekam wieder Farbe ins Gesicht. Natürlich half dieser Zauber ja gegen jede Form ungebetener Gäste.
"Belisama ist bei euch als Stallwache?" Fragte Jeanne. "Grüß sie mal schön!"
"Danke, Jeanne!" Rief eine glockenhelle Mädchenstimme wie aus einem tiefen Brunnen oder einem langen, schmalen Tunnel. "Madame Rossignol sagte, wir sollten erst warten, ob der Kamin geht, bevor wir Pflegehelfer mit Julius reden möchten. Ich komm dann gleich über das Armband, Julius!"
"Geht Klar, Belisama!" Rief Julius laut in Richtung Kamin.
"In Ordnung, ich mach dann mal Schluß, bevor mir irgendwer auf den Kopf tritt, der vielleicht noch zu dir will, Julius. Fröhliche Weihnachten und einen schönen Übergang. Wenn meine Eltern und / oder Oma Jane von sich hören lassen, grüße sie bitte von mir mit!""
"Mach ich, Gloria", sagte Julius. Es ploppte, und Glorias Kopf war fort.
"Darf ich dir was zu Trinken oder eine Kleinigkeit zu Essen anbieten, Jeanne?" Fragte Martha Andrews.
"Im Moment habe ich Hunger auf Schinkenbrot mit Honig drauf. Haben Sie sowas?"
"Natürlich", sagte Julius und eilte in die Küche. Als er mit Brot, Schinken und seinem Honigfäßchen zu Gange war zitterte sein Pflegehelferarmband, wie zu erwarten war. Erst sprach Schwester Florence mit ihm. Er entschuldigte sich, daß er in der Küche war und seine Mutter im Wohnzimmer. Aber sie hätten gerade Besuch von Jeanne, die Schinkenbrot mit Honig haben wolle. Die Heilerin lachte.
"Nicht so extrem wie Erdbeerpudding mit Senfsoße, was mir mal eingefallen ist."
"Oha! Ich glaube ich werde besser nicht schwanger", sagte Julius.
"Bei deiner Experimentierlaune will ich das mal besser nicht so kategorisch ausschließen", sagte die Schulkrankenschwester merkwürdig humorvoll. "Zumindest könntest du per Exosensohaube bei einer der gerade in deinem Umfeld wandelnden Damen in anderen Umständen mitverfolgen, wie es sich anfühlt." Julius nickte und machte die vier Schnitten Baguettestücke mit Schinken und Honig fertig. Dann trug er, Madame Rossignols räumliches Abbild neben sich hergleitend, den großen Teller zu Jeanne.
"Oh, L'ordoux-Honig", sagte Jeanne und grüßte Schwester Florence. Diese lächelte sie an und fragte sie nach ihrem sonstigen Befinden. Sie antwortete locker, daß sie im Moment wohl noch gut bedient sei, wenn sie an Barbara van Heldern denke, die wohl arge Kreislaufprobleme und Ess-und-Brech-Attacken habe.
"Die hätte bei euch in Millemerveilles bleiben sollen", sagte die Heilerin. "Hera kann das bestimmt besser einstellen."
"Gustav meinte, seine Großtante Jacqueline würde das hinkriegen. Die freue sich eh darauf, daß Barbara ihren Urgroßneffen in Brüssel zur Welt bringen wolle."
"Na, dann guten Appetit!" Sagte Madame Rossignol zu Jeanne. Diese bedankte sich. Dann wurde die magische Bild-Sprech-Verbindung beendet. Eine Minute später erschien Belisamas Abbild, dann Mildrids Abbild und dann reih Um.
"Club der guten Hoffnung hast du die Gruppe genannt, die sich im Sommer in freudige Erwartung versetzt hat?" Fragte Jeanne, als sie ihren Mund halbwegs leer hatte und sich den Honig von den Lippen leckte. Wieder ploppte es im Kamin, und Madame Matines Kopf tauchte darin auf.
"Aha, sie ist noch bei euch. Fröhliche Weihnachten, Madame Andrews und Julius!"
Nachdem nun alle Pflegehelfer, sowie Madame Delamontagne und Madame Dusoleil ihnen fröhliche Weihnachten gewünscht hatten und Jeanne genug Schinkenbrot mit Honig verdrückt hatte kehrte die werdende Mutter zurück nach Millemerveilles. Dann tauchte noch Madame Eauvives Kopf im Kamin auf:
"Martha, ich erfuhr, daß Sie reiten gelernt haben. Trauen Sie sich zu, auf einem Thestralpferd zu reiten? Das sind normalgroße geflügelte Pferde, die allerdings nicht von jedem gesehen werden können. Ich werde Ihnen dann behilflich sein."
"Julius hat mir mal von diesen Tieren erzählt. Das sind die, die nur jemand sehen kann, der einen anderen Menschen sterben sehen mußte", sagte Martha. Madame Eauvives Kopf nickte.
"Exakt", sagte die Leiterin der Delurdes-Klinik.
"Dann kann ich wohl selbst aufsteigen. Ich habe schließlich ansehen müssen, wie mein Großvater starb", sagte Martha Andrews beklommen.
"Nun, das erleichtert immerhin die Angelegenheit. Julius, du fliegst mit Jeanne und den Dusoleils auf diesem persischen Flugteppich zu uns. Ich hole euch morgen Mittag aus Millemerveilles ab. Madame Delamontagne wird euch mit der Reisesphäre hinbringen."
"Geht in Ordnung", sagte Martha Andrews. Julius nickte.
Die Porters riefen noch an. Diesmal waren sie bei ihren Verwandten in New Orleans. Da davon ausgegangen wurde, daß Mr. Plinius Porter sein Mobiltelefon mitnehmen würde oder Jane Porter den Zweiwegspiegel benutzte hatten sie auch Brittany Forester eingeladen. Mit dieser sprach Julius eine geraume Weile, bis Mr. Porter meinte, seine Batterie könnte bald nachlassen. Zumindest wünschten sie Julius und seiner Mutter noch schöne Weihnachtstage.
"Eigentlich hätte ich mal bei denen reinrauschen können, über die Grenze und dann Wusch bei denen Rein", sagte Julius zu seiner Mutter. "Aber ich wollte dich Weihnachten nicht hängen lassen." Er küßte seine Mutter.
Die Brickstons kamen gegen fünf Uhr nachmittags herauf. Gegen sechs Uhr fand die Bescherung statt. Joe und Julius holten die über die letzten Tage eingetroffenen Päckchen und Pakete herunter und verteilten sie auf dem Gabentisch unter dem Weihnachtsbaum. Ein Paket fing die Blicke aller ein. In großen, runden Leuchtbuchstaben stand darauf: "Für Catherine, Joe und Babette von der Quelle der Liebe und des Lebens."
"Darf ich das aufmachen, Maman?" Fragte Babette, während Julius vorsichtig seine kleinen Päckchen öffnete und neben ein paar neuen Büchern zum Thema Zauberkunst und Kräuterkunde auch einen Atlas über die Oberflächen aller großen Planeten und ihrer bekannten Monde vorfand, sowie eine Nachtsichtbrille, mit der man auch bei dichtestem Nebel eine klare Sicht behielt, ein Geschenk von Monsieur Dusoleil. Madame Dusoleil hatte ihm ein Säckchen Blumenerde und zwei winzige Samenkörner geschickt und einen kleinen Zettel dabeigelegt: Die Saat eines neuen Jahres in Hoffnung für ein neues, abwechslungsreiches Leben voller blühender Blumen am Rande beschwerlicher Wege." Brittany Forester hatte ihm ein Buch über die Geschichte des Quodpot geschickt. Seine Mutter bekam Bücher über die französische Dichtkunst und ein umfassendes Buch über Johann-Sebastian Bach mit vier CDs, auf denen seine wichtigsten Kompositionen enthalten waren.
"Ja, Babette, du darfst es auspacken", erlaubte Catherine ihrer Tochter, das mysteriöse Paket zu öffnen. Joe fragte sich, ob Catherine heimlich alle Babysachen, die sie bekommen hatte in dieses Paket gesteckt hatte. Vorsichtig öffnete Babette das Paket und fand zuerst einen Zettel. Sie hob ihn hoch, und unvermittelt leuchteten die Buchstaben "Hallo, Maman und Papa, Hallo, große Schwester. Ich werde zwar erst am zwölften Mai richtig zu euch kommen, höre euch aber schon seit einigen Tagen um mich herum. Bitte bewahrt das, was die, die mich von Maman zu euch hinüberhelfen möchte zusammengestellt hat gut auf, denn wenn ich ankomme wird mir wohl sehr kalt sein. Achso, hätte ich ja vergessen, ich bin ein kleines Mädchen. Wie ich heiße weiß ich noch nicht. Aber ich weiß, daß ihr das bestimmt bis ich richtig zu euch komme wißt."
"Jau, doch eine kleine Schwester!" Johlte Babette und holte die übrigen Sachen aus dem Paket, drei rosarote Strampelanzüge, vier Schnuller, zwei traumhaft weiche Windeln, die so bezaubert waren, daß sie einen vollen Tag nicht gewechselt werden mußten, sowie Deckchen und Kissen für ein kleines Bett oder eine Wiege, eine Spieluhr in Form einer plüschigen grün-gelb-blau-rot gestreiften Katze und zwei rosarote Lätzchen mit pausbäckigen, trommelbäuchigen Bären darauf.
"Hat Madame Matine das alles besorgt?" Fragte Martha Andrews, als sie die Babysachen sah, zu denen auch winzige Strümpfe, eine Pudelmütze und ein wolkenweiches Winterjäckchen gehörten betrachtete.
"Sie hat mir erzählt, wenn ich das meiner Familie Weihnachten erzählen möchte, würden wir auch das passende Erstausstattungspaket dazu kriegen. Pech nur, daß ich jetzt alle von Jennifer und James gebrachten Babysachen von Blau nach Rosa umfärben muß, beziehungsweise statt der Einheitsfarben farbige Muster auf die Deckchen und Strampelanzüge machen muß."
"Also der Arzt, bei dem du warst konnte das Geschlecht noch nicht bestimmen", sagte Joe. Doch er wußte ja, wie gründlich man einer werdenden Hexenmutter in den Unterleib schauen konnte.
"Manche Eltern wollen es nicht wissen, was es für ein Kind wird, bis es zur Welt gekommen ist", sagte Martha. "Es soll sogar Frauen geben, die die Vorgeburtsmedizin und -untersuchungsmethoden als Eingriff in ihre Privatsphäre sehen."
"Nun, das sind wohl nicht auch die, die meinen, sobald sie ein Kind tragen und es nicht haben wollen sofort zum nächsten Arzt zu rennen, um es sich entfernen zu lassen wie ein bösartiges Geschwür", warf Catherine leicht ungehalten ein. Julius sagte dazu rasch:
"Jede Welt hat ihre Vor- und Nachteile, Catherine."
"Julius, wir könnten in der Zaubererwelt heute Kinder ohne Eltern erschaffen, in Kesseln oder Flaschen. Aber das wurde verboten, weil wir damit das zerstören, was uns zu lebenden und fühlenden Wesen macht, die Sorge und die Gabe, neues Leben hervorzubringen", sagte Catherine. Joe meinte dazu nur:
"Catherine, ob unser Baby ein Junge oder ein Mädchen wird ist letztendlich unwichtig. Wichtig ist, daß wir alle mit ihm gut zusammenleben und es sich bei uns wohlfühlt, auch wenn sie wohl auch eine Hexe werden könnte."
"Werden könnte, Joe? Du gibst die Hoffnung nicht auf, wie? Aber Wenn Babette eine Hexe ist, wird unsere zweite Tochter mit über neunundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit auch eine. Der Tradition nach dürfte ich dem Kind den Namen geben, weil es eine Tochter ist. Aber Joe, wir haben uns ja bei Babette auch geeinigt. Wenn wir wissen, wie sie heißt, bevor sie richtig ankommt ist es in Ordnung."
"Dann sucht euch mal einen schönen Namen aus!" meinte Julius. Catherine und Joe lächelten nur. Joe meinte, er wolle seine Eltern anrufen und ihnen erzählen, es würde wieder ein Mädchen. Doch Catherine bat ihn darum, besser noch zwei Monate zu warten. Sonst könnten sie doch mißtrauisch werden.
"Du kannst ja erzählen, daß du sie im Traum hast lachen hören können", sagte Joe.
"Stimmt, deine Mutter interessiert sich ja für Esoterik, für diese Trickser und Schwindler, die meinen, übernatürliche Sachen anstellen oder wahrnehmen zu können", sagte Catherine etwas abfällig. Dann meinte sie beschwichtigend: "Ich werde dieses Interesse deiner Mutter aber nicht lächerlich machen, indem ich ihr eine solche Geschichte erzähle."
Sie einigten sich darauf, bis zum Februar den Namen für das neue Hexenmädchen zu finden. Dann klang der Weihnachtsabend mit dem Abendessen und Gesang aus.
Der Weihnachtstag begann leise und nebelig. Die ohnehin über der Stadt liegende Dunstglocke hatte sich mit feuchter, kalter Luft aus dem Norden vermischt und war zu einem gelblich-grauen Schleier geworden, der die Millionenstadt Paris wie ein angegilbtes Tuch überzog. Julius Andrews blickte aus seinem Fenster, die Rue de Liberation entlang. Zwar waren um diese Zeit schon Autos unterwegs. Doch der über der Stadt liegende Nebel filterte das Getute der Hupen und das Brummen der Motoren so stark, daß er dachte, weit von den unter ihm entlanggleitenden Autos entfernt zu sein. In wenigen Stunden, so wußte er, würde er noch weiter von diesen Sachen aus der technischen, Magie verneinenden Welt entfernt sein und erst in sie zurückkehren, wenn das neue Jahr begonnen hatte. Manchmal wunderte er sich über seine träumerischen, ja philosophischen Gedankengänge. War das denn normal für einen Vierzehnjährigen? Doch war es denn normal für einen Vierzehnjährigen, den Eigenen Vater als Wickelkind in den Armen einer Amme zu sehen, auf fliegenden Besen oder geflügelten Kühen zu reiten oder im aus reinem Licht bestehenden Leib einer göttinnengleichen Erscheinung zu schweben, seine eigene Verlobte zu Grabe zu tragen und sie doch als neues Wesen aus warmem, rotgoldenem Licht wiederzusehen? Die Frage konnte eindeutig mit nein beantwortet werden, erkannte er.
"Julius, was soll ich anziehen?" Fragte Martha Andrews, als ihr Sohn seine Reisetasche durchsah, was er mitnehmen oder hierlassen wollte. Das kleine Holzhäuschen mit den Zauberschachmenschen ließ er ebenso darin wie seinen Festumhang aus weinrotem Stoff und die neuen Tanzschuhe, mit denen er eigentlich den vierten goldenen Tanzschuh zusammen mit Claire ertanzen wollte. Letztes Jahr war Claire in Beauxbatons gewesen, nicht in Millemerveilles. Das würde es doch leichter machen, mit ihrer Familie zu feiern.
"Frag mich doch sowas nicht, Mum. Ich kenne mich nicht damit aus."
"Weil ich nicht weiß, wie diese Phantompferde sind, Julius. An und für sich müßte ich eine Arbeitshose anziehen, wie ein Cowboy. Aber sowas habe ich nicht!" Rief seine Mutter. Julius öffnete den Schrank und fand dort schön an einer Stange aufgereihte Haltebügel mit Jeanshosen, die er nur anzog, wenn er in der Muggelwelt herumlief.
"Nimm eine von meinen Hosen, Mum! Vielleicht haben die im Schloß Florissant ein Umkleidezimmer, wo du dein Festkleid anziehen kannst!" Rief Julius zurück.
"Hoffentlich passen mir deine Sachen", meinte Martha Andrews und kam herein. Julius gab ihr die größten Hosen zum anprobieren. Als sie nach zehn Minuten mit einer graublauen Jeans und einem gleichfarbigen Wintermantel bekleidet war meinte sie: "Hoffentlich ist Madame Eauvive nicht entrüstet, daß ich Männersachen anziehe", sagte sie mädchenhaft grinsend.
"Unter unseren Klamotten sind wir immer noch nackt, Mum. Ist eine alte Weisheit, die schon die Neandertaler kannten."
"Uga-aga!" Machte seine Mutter und mußte über diesen kindlichen Unsinn grinsen.
Madame Delamontagne fauchte gegen zehn durch die neue Kaminverbindung. Sie trug einen wallenden, schneeweißen Umhang aus dichter Wolle, der die auch bei ihr immer ausgeprägteren Rundungen bevorstehender Mutterschaft gut verhüllte. Sie sah auf Julius in seinem tannengrünen Umhang und dann auf Martha in der improvisierten Reiterkluft.
"So wollen Sie doch nicht bei dem Fest mitmachen?" Fragte sie tadelnd. Doch Martha Sagte, daß sie lediglich für die Reise dahin so angezogen sei. "Nun, Antoinette wird Ihnen dann sicherlich die Gelegenheit geben, sich dem Anlaß würdig zu kleiden. Du möchtest in diesem Gebrauchsumhang hin, Julius?"
"Auch nur für die Reise", sagte Julius.
"Vielleicht beläßt Antoinette dich auch in diesem Umhang", sagte Madame Delamontagne. "Nimm deinen Besen und dein Schachspiel mit! Virginie möchte mit dir in den Tagen vor Neujahr eins gegen eins spielen, und ich möchte wissen, wie weit mein körperlicher Zustand meinen Verstand beeinträchtigt oder nicht. Diese Person Ursuline Latierre hat ja behauptet, in freudiger Erwartung erringe sie die größten Erfolge im Schach."
"Stimmt doch auch", sagte Julius keck. Immerhin hatte erst er und dann die auch ohne Schwangerschaft füllige Dorfrätin im letzten Turnier gegen die leidenschaftliche Mutterhexe verloren.
"Nun, wir sollten aufbrechen", sagte Madame Delamontagne.
Zunächst verabreichte sie Martha den Muggelabwehrbannhemmtrank, der sie gegen den in Millemerveilles vorherrschenden Vertreibungszauber schützte. Dann verabschiedeten sie sich von den Brickstons und verließen das Haus.
Als sie mit der Reisesphäre in Millemerveilles ankamen empfing sie eine kühle, aber nicht frostige Luft und strahlender Sonnenschein. Außerhalb des Ankunftskreises warteten bereits die Dusoleils und Odins, Cassiopeia, Emil und Argon. Melanie fehlte jedoch genauso wie Denise bei den Dusoleils. Cassiopeia blickte Martha Andrews kalt wie ein Eisberg an. Dann sah sie Julius an. Doch als sie was sagen wollte eilte Camille Dusoleil vor und umarmte ihn.
"Danke, Eleonore, daß du die beiden herübergeholt hast", sagte sie ruhig.
"War eine selbstverständlichkeit, Camille. Ich wünsche euch viel Vergnügen", sagte die Dorfrätin, umarmte Julius kurz und disapparierte mit lautem Knall.
"Wegen dieses Burschen müssen wir alle bei dieser Antoinette erscheinen", knurrte Cassiopeia Odin.
"Hör ja nicht auf sie, Julius", sprach Camille laut. "Um nichts in der Welt würde Cassiopeia darauf verzichten, bei dieser Zusammenkunft dabei zu sein. Immerhin trifft sich ja da die ganze bekannte Eauvive-Sippe, einige davon aus Südamerika und dem Orient."
"Na, dann kommen wir mit dem Teppich ja gut hin", sagte Julius belustigt. Camille Dusoleil grinste.
"Emils Frau will auf dem eigenen Besen fliegen. Ihr behagte es nicht, als Maman sie mitbrachte." Julius dachte, sie würde jetzt traurig dreinschauen. Doch sie lächelte. Ammayamirias Wunsch, nicht traurig über den körperlichen Tod ihrer beiden Seelenmütter zu sein hielt vor. Das wärmte ihn von innen her, wenn die Frau, die gleichzeitig Mutter und Tochter verloren hatte so ruhig und amüsiert über etwas aus der Erinnerung an ihre Mutter sprach.
"Was soll dieser Aufzug, Madame? Sind Sie nun eine Dame oder ein Landstreicher?" Empörte sich Cassiopeia über Marthas Aufzug. Diese sah sie entschlossen an und sagte:
"Vor allem bin ich eine praktisch denkende Frau, die nicht im edlen Kleid auf ein ihr unbekanntes Reittier klettern will."
"Den Besen kannst du bei uns lassen, Julius", sagte Camille und winkte ihrem Mann. Dieser nahm Julius Ganymed 10 und disapparierte, um eine Minute später mit lautem Knall wieder aufzutauchen.
"Wir müssen zum Zentralteich", sagte Camille und hakte sich bei Julius unter. Ihr Mann bot Martha Andrews den Arm an, und sie hakte sich ebenfalls unter. Camille erzählte Julius, daß Denise und Melanie bei Madame Pierre blieben, da nur Leute über vierzehn zum Fest geladen wurden, so die Tradition.
Am Zentralteich wartete Jeanne bereits mit Bruno und ihrem Großvater Tiberius. Sie begrüßte Martha und Julius Andrews. Tiberius Odin fragte Julius, wie es ihm in der Schule so erginge und ob er mit den Zaubertränken immer noch gut zurechtkomme. Er nickte.
Eine Viertelstunde später erschienen zwei Punkte über dem Horizont und näherten sich schnell. Doch außer Julius, seine Mutter und Tiberius Odin schien keiner sie zu sehen. Dann erkannte Julius zwei langgestreckte Körper zwischen lederartigen Flügeln, die wie abgemagerte Pferde mit pechschwarzem Fell aussahen. Als sie näherkamen erstarrte er. Die fliegenden Pferde sahen wahrhaft gruselig aus, fast wie Skelette von Pferden, über die gerade noch das Fell gespannt war mit beinahe echsenhaften Köpfen mit totenbleichen runden Augen. Ein Schauer glitt ihm den Rücken hinunter, wenn er sich vorstellte, daß nur die Leute diese Tiere sahen, die einen Menschen hatten sterben sehen müssen. Weil er in Hallittis Höhle zwei der unbekannten Hexen in einer Wolke dunkler Flammen hatte verglühen sehen gehörte er zu dieser unfreiwilligen Gruppe von Leuten. Seine Mutter erbleichte sichtlich, als sie die beiden Flugwesen ansah. Daß sie beide gesattelt waren und auf einem von ihnen Madame Antoinette Eauvive saß beruhigte sie offenbar nicht sonderlich. Ähnlich wie Martha trug Madame Eauvive lange Hosen und darüber eine eng anliegende weiße Wolljacke mit Kapuze. Cassiopeia sah sie wie einen Geist an. Julius dachte, daß es ihr auch so erscheinen mußte, eine Frau in Hosen und weißem Mantel breitbeinig durch die luft segeln zu sehen, wenn sie den Thestral nicht sehen konnte. Die beiden geflügelten Pferdewesen landeten mit klappernden Hufen auf dem Zentralplatz auf Höhe der nach norden blickenden Skulptur einer Wasserfrau. Da rollte Jeanne den bunten Teppich aus, den sie von ihrer Oma Aurélie geerbt hatte.
Madame Eauvive glitt aus dem Sattel ihres Thestrals. Cassiopeia Odin sah sie an und setzte wohl an, sich über diesen Auftritt zu empören. Doch die Direktrice der Delourdes-Klinik und zur Zeit ranghöchste Hexe des Eauvive-Clans sah sie sehr entschlossen an und sagte:
"ich weiß, was du meinst, Cassiopeia. Eine Dame sollte keine Hosen tragen. Aber ein Damensattel ist für diese Tiere etwas unpraktisch, und wie ich sehe hat Martha auch das Reiten im Herrensattel erlernt. Sie brauchen keine Angst zu haben, Martha. Diese Tierwesen mögen zwar für die, die sie sehen können unheimlich wirken, sind aber, wenn sie gut angelernt wurden, sehr friedliche und vor allem zuverlässige Reit- und Zugtiere. Um möglichst viel Zeit für die letzten Vorbereitungen zu haben bitte ich nun alle Damen und Herren, sich für den Abflug bereitzumachen!" Rief sie.
"Ich werde auf eigenem Besen reisen", bekräftigte Madame Odin. Julius wollte seiner Mutter beim Aufsteigen helfen. Doch sie lehnte dankend ab und saß ohne fremde Hilfe auf dem zweiten Pferdewesen auf, das einen merkwürdigen Ton von sich gab, der eher wie das Brüllen eines Kamels klang als wie das Wiehern eines Pferdes.
"Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, Martha!" Sprach Madame Eauvive noch einmal auf die Frau aus der Muggelwelt ein. Julius eilte zu den Dusoleils, die sich auf dem großen Flugteppich verteilten. Dann rief Madame Eauvive zum Aufbruch und rief ihrem Thestral und dem Marthas zu, daß sie zum Château Florissant fliegen sollten.
Jeanne rief ein fremdländisch klingendes Wort, und der Teppich erhob sich erst sachte wie eine aufsteigende Dunstwolke und dann sehr schnell, weil Jeanne dasselbe Kommando etwas schneller sprach.
In immer schnellerem Flug ging es im sachten Steigungswinkel nach oben und immer rascher über Millemerveilles hinweg. Julius bewunderte seine Mutter, die trotz des etwas wackeligen Fluges des Pferdes kerzengerade darauf saß wie eine stolze Amazone.
"Wie lange ist das her, daß deine Mutter auf gewöhnlichen Pferden geritten ist?" Fragte Monsieur Dusoleil Julius.
"Sie hat es so mit zwölf gelernt und drei Jahre lang gemacht", sagte Julius. "Reiten ist ja in der Muggelwelt ein beliebter Sport bei jungen Mädchen."
"Die hält sich besser auf dem Knochenhaufen als Madame Antoinette", meinte Argon bewundernd. "So gut kann ich mich nicht auf einem Besen halten."
"Da ist ja auch Windschlüpfrigkeit wichtig", meinte Jeanne, die ihrem Teppich gerade noch ein Kommando zugerufen hatte. Nun folgte er von sich aus den beiden voranfliegenden Pferden. Cassiopeia Odin auf ihrem Familienbesen hatte Mühe, zu folgen, so sehr ruckelte der lange Besen im Fahrtwind.
"Habe ich das eben richtig mitbekommen, daß der Teppich auf die Geschwindigkeit der Kommandos reagiert?" Fragte Julius.
"Genau, Julius. Bei Wende- und Richtungsänderungsbefehlen ist auch die Lautstärke entscheidend", sagte Jeanne.
Die beiden Reiterinnen vorne weg sprachen zwischendurch miteinander. Auf dem Teppich unterhielten sie sich über die bisherigen Weihnachtsferien. Julius fühlte sich so sicher wie auf einer Federkernmatratze. Jeanne hatte ihr Erbstück offenbar sehr gut im Griff, denn der Teppich schlingerte kein bißchen. Als dann die beiden Thestrale in einen sanften Sinkflug gingen, folgte der Teppich ohne weiteres Kommando von Jeanne.
"Der kann erfassen, wohin etwas fliegt, dem er folgen soll?" Fragte Julius erstaunt.
"Monsieur Isfahani hat mir die letzten nötigen Nachhilfestunden gegeben, Julius. Der Teppich kann darauf angesetzt werden, vor ihm fliegenden Objekten oder Wesen zu folgen, auch wenn sie für Menschenaugen unsichtbar sind. Nur das Landen muß ich ihm befehlen", sagte Jeanne. So sprach Julius leise mit ihr über Mehdi Isfahani. Denn Jeanne kannte ja die ganze, wahre Geschichte, wie es zu Claires körperlichem Tod gekommen war. Daß sie ihm nicht böse war wunderte ihn zwar. Aber auch hier wirkte Ammayamirias Wille, daß sie alle weiterhin gut miteinander auskamen.
Als sie vor dem erhabenen Château Florissant landeten, wimmelte es von Männern und Frauen, die gerade auf Besen, den großen geflügelten Eseln oder ähnlichen Flugteppichen wie Jeanne ihn besaß angereist waren. Daneben sah Julius noch etwas, das wie eine silbrig-blaue Wurst von fünfzig Metern Länge aussah und an einer zerbrechlich wirkenden Ankerkette befestigt über dem westlichen Turm schwebte.
"Ein zeppelin?" Wunderte sich Martha Andrews über dieses Objekt, als sie und Julius zusammentrafen.
"Davon haben mir Glorias Cousinen und Brittany Forester erzählt, daß damit die Schüler von Thorntails transportiert werden", sagte Julius, den etwas so vertrautes wie lange nicht mehr benutztes faszinierte.
"Nun, es handelt sich hierbei nicht um eines jener Luftschiffe, die nach ihrem Erbauer, dem deutschen Grafen Zeppelin, benannt sind, Martha. Ihnen fehlen nämlich die stützenden Träger zwischen den Auftriebszellen, und sie besitzen keinen mechanischen Antrieb. Aber sie können schneller als der wildeste Wirbelsturm am Himmel entlangfliegen und verschmelzen durch einen Tarnungszauber optisch mit dem über ihnen befindlichen Himmel und den Wolken", sagte Madame Eauvive, die die beiden Ehrengäste nicht mehr aus ihrer Hörweite entwischen ließ.
"Wo kommt diese Himmelswurst, öhm, das Luftschiff denn her?" Fragte Julius.
"Der dürfte unserem südamerikanisch-mexikanischen Zweig gehören. Ich hörte, das Carlos Artesano von den Nordamerikanern ein solches Transportmittel erwerben wollte. Offenbar hatte er damit erfolg. Früher mußten sie mit dem fliegenden Holländer anreisen oder das Flohnetz benutzen, was durch die Sicherheitsbestimmungen und die Preiserhöhungen der letzten beiden Jahre sehr unkomfortabel geworden ist. - Aber wie ich sehe sind wohl alle geladenen Gäste vollzählig eingetroffen. Sie und du bleiben bitte in meiner Nähe!"
Julius sah sich um und bestaunte die Hexen und Zauberer in teils schlichten, teils aufwändigen Kostümen. Martha Andrews fragte, ob sie sich noch umziehen könne. Madame Eauvive gestattete es ihr und Julius. Im Schloß selbst erkannte Julius, daß tatsächlich einige Muggel unter den Gästen sein mußten, Ehemänner und -frauen echter Sprösslinge aus der Stammsippe der Eauvive. Das merkte er daran, daß sie sofort eine Gruppe für sich bildeten, wie eine Schafherde, die sich vor einem anrollenden Gewittersturm zusammendrängt. Als Martha und Julius Andrews ihre Reisegarderobe gegen erhabene Festbekleidung getauscht hatten und Julius seine Tasche im Umkleidesaal in einen Schrank legte ging es in den Festsaal. Julius meinte, in einer viermal so großen Ausgabe der großen Halle von Hogwarts zu sein. Dutzende großer Tische reihten sich an den Wänden entlang. Über den Tischen, auf halber Höhe des gut und gern zwölf Meter hohen Saales, schwebten tausende von armlangen Kerzen und ließen die Decke in einem Meer goldener Flammen erstrahlen, daß nicht der kleinste Schatten auf Tische oder Boden geworfen wurde. Wuchtige Bilderrahmen hielten an die drei mal vier Meter große Gemälde umfaßt. Julius sah eine gigantische Version Viviane Eauvives, die hier in einem vergoldeten, himmelblauen Kleid abgebildet war und eine goldene Tiara auf dem Kopf trug. In der Mitte des Saales erhob sich ein Patriarch von Weihnachtsbaum, der jenen in den Hauptstädten der westlichen Welt locker überlegen war mit seinen strahlenden Kerzen und glitzernden Kugeln, die in allen Farben schillerten und so groß wie Kinderköpfe waren. Madame Eauvive dirigierte mit leisen Kommandos und Handbewegungen die Gäste, sich an aufgestellte Tische mit weißen Leinendecken zu setzen. Die Gruppe der Muggel trieb sie sehr energisch auseinander und scheuchte die einzelnen zu ihren Familienangehörigen zurück.
"Wie oft, so frage ich mich, muß ich bedauerlicherweise dazu aufrufen, daß wir alle hier Teile einer großen Familie sind und nicht in kleinere Gruppen zerfallen wollen?" Fragte die Gastgeberin auf Französisch, daß hier wohl alle verstanden. Ihr Ehemann, offenbar angeheiratet, trug einen limonengrünen Samtumhang und besaß kurzgeschnittenes, schwarzes Haar und einen kleinen Schnurrbart. Er begrüßte die Anwesenden mit einer einzigen, schwungvollen Geste. Seine Frau hatte hier das Sagen, so wußten es alle.
"Ich freue mich, nach zwei Jahren euch alle, die ihr aus allen Winkeln unserer guten alten Mutter Erde gekommen seid, Ozeane und Wüsten überquertet und durch böige Luftmassen reistet, in unserem erhabenen Stammschloß Château Eauvive wieder zu begrüßen", begann Madame Eauvive. Alle schwiegen und lauschten den lange im Saal nachhallenden Worten. "Wieder einmal, liebe Brüder, Schwestern, Kinder und Kindeskinder meiner alteherwürdigen Familie Eauvive, finden wir uns am Weihnachtstage zusammen, um neue Mitglieder in unserer großen Gemeinschaft willkommen zu heißen. An und für sich, so habe ich gehofft, wollte ich euch allen heute drei neue Mitglieder unserer Familie vorstellen. Jedoch fügte es sich, daß ein grausames Schicksal eines davon lange vor der Zeit aus dem Leben abberief. Der einzige Trost, den ich dabei empfinde ist, daß die Tochter unserer Familie nicht alleine in das unbekannte Land nach dem der Lebenden gehen ging. Denn jenes grausame Schicksal forderte auch das Leben unserer Mitschwester und Tochter Aurélie Odin. Drum bitte ich nun euch alle, bevor ich den freudigen Anlaß unserer Zusammenkunft in der gebotenen Weise erwähne, mit mir eine Minute lang zu schweigen, um an unsere dahingegangenen Mitschwestern Aurélie Odin und Claire Dusoleil zu erinnern."
Julius versank in diesem tatsächlich vollkommenen Schweigen, daß den Saal erfüllte. Er ließ sich in Erinnerungen treiben, an die schönen Tage mit Claire, aber auch die Schwierigkeiten, die er im vergangenen Sommer mit ihr durchzustehen hatte, das wohlige Gefühl des auf sie beide einwirkenden Corpores-Dedicata-Zaubers und zum Schluß ihr lächelndes Gesicht im roten Sarg, wissend, daß sie der Liebe ihres Herzens hatte helfen können und dafür mit einem unverwüstlichen, sorgenfreien Dasein belohnt wurde. Als Madame Eauvive nickte und ihren Mund wieder öffnete, war es, als lande er Federweich nach einem turbulenten Flug.
"Nun, beinahe wäre der Anlaß, der uns hier und Heute zusammenführte, durch jenes heimtückische Ereignis nichtig geworden, denn es wäre beinahe auch ein weiteres neues Mitglied unserer großen Gemeinschaft von uns gegangen, weit vor der Zeit. Doch ich bin froh, euch heute ihn und seine Mutter, die ebenfalls aus dem Schoße unserer weit zurückreichenden Ahnenlinie stammt, vorzustellen und in unserer großen Gemeinschaft willkommen zu heißen. Seid uns sehr herzlich willkommen, Martha und Julius Andrews! Ich freue mich, euch hier und heute im großen Festsaal des Stammsitzes unserer und eurer Familie zu begrüßen. Julius, mit überaus großem Wohlwollen habe ich in den letzten drei Jahren zur Kenntnis genommen, daß du die große Gabe der Magie in dir zu neuer, prachtvoller Blüte gebracht hast und die Lehren, damit umzugehen, sowohl in Hogwarts auf der Insel Britannien, so wie nun in der Akademie von Beauxbatons sehr fleißig und umsichtig verinnerlicht hast und auf dem besten Weg bist, zu einem angesehenen Zauberer zu reifen. Martha, obwohl du leider nicht die alten Gaben unserer Familie fühlen und gebrauchen kannst, so gilt dir unser aller Dank, daß du uns mit deinem Sohn Julius einen weiteren Träger unserer Gaben geschenkt hast, der durch die Zusammenführung unserer Linie von deiner Seite und der deines leider verstorbenen Mannes her das alte Erbe noch besser zur Entfaltung bringen kann. Ich weiß auch, daß du sehr weise und umsichtig bist und die Aufgaben, die du übernommen hast, so gewissenhaft wie möglich ausführst, wodurch du unsere Ahnen genauso ehrst wie jeder, dem die Gabe der Magie in die Wiege gelegt wurde. Sei also auch du willkommen in unserer großen und weit verbreiteten Familie! Steht nun bitte auf, und tretet zu mir hin!"
Julius, der mit seiner Mutter bei den Dusoleils und Odins gesessen hatte erhob sich. Seine Mutter, die in ihrem langen, veilchenblauen Festkleid einer Edelfrau glich, stand leicht verhalten auf. Argon Odin wisperte zu Julius:
"Wenn sie mit dir fertig ist mußt du meine Mutter duzen." Julius erwiderte darauf nichts. Er ging langsam mit seiner Mutter nach vorne, während eine Gruppe Musiker, die auf einer kleinen Empore aufgereiht war eine langsame Melodie wie eine Overtüre anstimmte. Unwillkürlich passten Martha und Julius ihren Schrittrhythmus dem Takt der Musik an und verfielen so in ein zeremonielles Schreiten. Martha blickte scheu zu den über ihr schwebenden Kerzen hinauf. Julius war schon versucht, ihr zuzumentiloquieren, daß die sicher nicht runterfallen würden. Der in jeder wirksame Schwebezauber hielt vor, bis sie ganz heruntergebrannt waren, wußte er aus dem Zauberkunstunterricht, wo sie es mit permanenten Materialeigenschaftszaubern zu tun hatten. sie schritten bedächtig auf den so hoch wie ein dreistöckiges Haus aufragenden Weihnachtsbaum zu, wo Antoinette Eauvive auf einem hölzernen Podest stand. Dieses stiegen sie hinauf. Als sie oben anlangten stoppte die Musik und hallte mehrere Sekunden lang nach. Als sie neben Madame Eauvive standen erzitterte das Podest und begann, langsam wie auf einer unsichtbaren Hebebühne nach oben zu steigen.
"Hallo, das ist mir doch jetzt etwas unheimlich", flüsterte Martha. Doch Antoinette sah sie beruhigend an, während Julius mit einer Mischung aus Aufregung und Interesse sah, wie sie sich sprichwörtlich über alle anderen erhoben und knapp einen Meter unter den schwebenden Kerzen anhielten.
"Martha!" Rief Antoinette Eauvive und ließ den Namen restlos verhallen. "Sei mir und allen, die vereint sind im Blute Eauvives willkommen, Schwester und Tochter!" Julius Mutter wäre wohl gerne ausgewichen, konnte Julius sehen, aber das Podest war zu schmal und hing im Moment knapp fünf Meter über dem Boden, was bei einem Sturz nicht besonders gesundheitsfördernd verlaufen wäre. Doch da hatte Antoinette sie schon in ihre weichen Arme geschlossen und drückte sie an sich wie einen nach langer Abwesenheit zurückgekehrten geliebten Menschen. Dann drückte sie ihr auf jede Wange einen langen Kuß. Martha hing einen Moment in der Umarmung, während Antoinette Eauvive ihr was zuflüsterte. Dann erwiderte sie die Wangenküsse. Von unten um sie herum klang erst verhaltener, dann donnernder Applaus und Jubel. Zehn Sekunden lang hielten die beiden Frauen einander umarmt. Dann gab Antoinette Martha frei und nickte ihr wohlwollend lächelnd zu. Etwas betreten aber auch beeindruckt stand Julius' Mutter da. Dann rief Antoinette Eauvive: "Julius!" Auch seinen Namen ließ sie erst im großen Saal verhallen. "Sei mir und allen, die vereint sind im Blute Eauvives willkommen, Bruder und Sohn!" Julius wußte ja, was jetzt kam. Doch anders als seine Mutter überkam ihn der Drang, sich mit allen Fasern seines Seins in diese Zeremonie hineinzuwerfen. Er lehnte sich vor und fiel in die Arme der Gastgeberin, schloß seine Arme um ihren üppigen, aber nicht übergewichtigen Körper und zog sich fast selbst an sie heran. Wie vorher seiner Mutter gab Madame Eauvive ihm je einen langen Kuß auf die rechte und die linke Wange. Dann hauchte sie ihm zu: "Von nun an nennst du mich und alle, die zu uns gehören beim Vornamen wie deine eigenen Geschwister. Küsse mich nun deinerseits!" Julius befolgte die geflüsterte Anweisung und fühlte sich in der Umarmung der älteren Hexe immer wohler, nicht wie in den Armen einer Geliebten wie Claire oder eines jungen Mädchens wie Martine oder Sabine Montferre, doch dafür wie der Enkel, den seine geliebte Großmutter endlich wieder in die Arme schließt um ihm zu zeigen, daß er immer noch ihr Liebling war und sich vor nichts fürchten mußte. Er gehörte nun zu einer großen, weit verbreiteten Gemeinschaft. Was das für ihn bedeuten sollte wolte er im Moment nicht überlegen. Erst als Antoinette ihre Arme löste, gab er sie auch frei. Sie strahlte ihn an. Dann wandte sie sich leise an beide, so daß ihre Stimme nicht im Saal widerhallte. "Von jetzt an nennt ihr beide mich und jeden unserer hier versammelten Familienmitglieder beim Vornamen und verwendet die persönliche Anrede, wenn ihr unter Unseresgleichen seid. Nur in der Öffentlichkeit möchtet ihr mich und andere Würdenträger oder Amtspersonen mit förmlicher Anrede und Nachnamen ansprechen! Mein Mann und ich werden euch beide jetzt von Tisch zu Tisch führen, er rechts herum und ich links herum. Jeder und jedem unterwegs werden wir euch persönlich allen vorstellen. Die Tische sind so aufgestellt, daß wir uns unterwegs nicht über den Weg laufen müssen. Wenn wir einen vollen Kreis geschafft haben, könnt ihr zu Camille, Florymont und ihren direkten Angehörigen zurückkehren. Das wird dir, Martha vielleicht etwas befremdlich vorkommen, wenn du die hier anwesenden Männer und Frauen kurz umarmen mußt. Aber es ist nichts anstößiges oder verächtlich machendes dabei. Küssen müßt ihr keinen mehr. Aber es steht euch frei, es zu tun, falls euch danach ist."
"Ist es nur eine reine Vorstellungsrunde?" Sprach Martha Andrews die Frage aus, die Julius gerade stellen wollte.
"Für jeden und jede werden immer so eine halbe bis eine ganze Minute beansprucht", sagte Antoinette ruhig. Julius warf einen Blick über die immer noch fünf Meter tief unter ihnen sitzenden Leute, zählte die ungefähre Menge Tische und zählte schnell zwei Tische durch. Mit der Anzahl der Tische malgenommen kam er auf ungefähr fünfhundertzwanzig Personen von fünfzehn bis hundert.
"Der Tag wird lang, Mum", seufzte Julius. Denn es war klar, daß sie nun mehr als acht Stunden unterwegs sein würden. Deshalb hatte es Antoinette Eauvive so eilig, von Millemerveilles wegzukommen. Er sah auf seine Weltzeituhr. Sie zeigte genau zwölf Uhr Mittags
"Öhm, wie sieht es mit Essen aus?" Wagte Julius eine Frage.
"Es werden kleine Happen auf jedem Tisch erscheinen. Wo ihr Hunger habt, könnt ihr euch bedinen. Es ist ja auch nicht so, daß ihr mit jedem nur eine Minute sprechen dürft. Es geht auch, daß ihr euch an einem Tisch niederlassen könnt, wenn ihr mit den dort versammelten länger sprechen möchtet. Allerdings dürft ihr nur in meiner oder Alberts Begleitung zum nächsten Tisch gehen. Wenn ihr Erleichterung von einem natürlichen Drang sucht weisen wir euch die nächstgelegene Tür zu einem dafür vorgesehenen Raum. Soviel zum Ablauf des Tages, der gerade begonnen hat." Als das Podest wieder sank rief Madame Antoinette Eauvive noch: "Liebe Brüder, Schwestern, Kinder und Kindeskinder unserer großen Familie. Nun werden mein Gatte und ich mit unseren beiden heute willkommengeheißenen Mitgliedern von Tisch zu Tisch wandeln, damit jeder und jede von euch die Gelegenheit hat, unsere neue Schwester und Tochter und unseren neuen Bruder und Sohn kennenzulernen. Wer Hunger hat, mag sich an den Speisen gütlich tun, die in dem Moment aufgetragen werden, wenn wir in eure Mitte zurückkehren. Wen ein gewisses Drängen rührt, findet in den zwölf dafür vorgesehenen Räumen die erhoffte Erleichterung." Dann landete das Podest wieder, und mit leisem Plopp materialisierten sich große Tabletts mit belegten Broten, Früchten, kleinen Kuchen, die wohl nicht nur aus süßen Zutaten gebacken waren und noch dieses und jenes, was man bedenkenlos in die Hand nehmen konnte, zumal ebenso große Kästen mit Servietten erschienen. Dann begann der lange Marsch um die Tische. Julius winkte seiner Mutter kurz zu und sah sie aufmunternd an, weil sie sich hier wohl nicht sonderlich wohlfühlte. Dann hakte sich Antoinette bei ihm unter und ging mit ihm nach hinten, wo sie ihren langen Begrüßungs- und Vorstellungsrundgang begannen.
"Läuft das immer so ab, wenn neue Familienmitglieder begrüßt werden, Madame Eauvive?" Fragte Julius.
"Seit unserer gemeinsamen ureltern Viviane und Adalbertus Eauvive", sagte Antoinette Eauvive. Dann fügte sie hinzu: "Wie gesagt, bitte sprich mich nun mit Vornamen an. Ich weiß, meine gesellschaftliche Stellung verlangt Respekt, und daß du ihn mir erweisen willst ist sehr löblich. Aber hier erweist du mir den nötigen Respekt dann, wenn du mich wie deine große Schwester siehst und ansprichst."
"Dann wäre meine Mutter aber steinalt, wenn sie meine große Schwester wäre", dachte Julius etwas weniger respektvoll. Doch er nickte und ging mit Antoinette zum ersten Tisch, der am weitesten im Saal stand.
Julius begrüßte alle ihm vorgestellten Hexen, Zauberer und Muggel höflich. Manchmal unterhielt er sich mit einer Familie, die sich dafür interessierte, wie er erst in Hogwarts und dann in Beauxbatons gelandet war oder wieso das nicht schon sehr früh bekannt wurde, daß er zur Eauvive-Familie gehörte. Antoinette half ihm aus, in dem sie erwähnte, daß sie sich erst denen von sich aus offenbarten, die bis zum vierzehnten Lebensjahr nichts davon wußten, das sie Eauvive-Abkömmlinge seien. Das sei so ähnlich wie die Benachrichtigung der Jungen und Mädchen, die eine Zaubereischule besuchen könnten.
"Warum ausgerechnet vierzehn Jahre?" Fragte Julius auf dem Weg zwischen zwei Tischen.
"Nun, dies steht nicht in den Bulletins de Beauxbatons, weil Viviane das gerne als Familienangelegenheit sieht. Aber sie bekam ihr erstes Kind mit vierzehn Jahren. Damals galt eine Frau schon als Frau, wenn sie in den allmonatlichen Fruchtbarkeitszyklus eintrat. Sie wurde mit dreizehn Jahren verheiratet, mit Adalbertus Eauvive, der zwanzig Jahre älter als sie war. Das wirst du jedoch in aller Ruhe nachlesen können, weil deine Mutter und du von mir, wenn wir uns alle kennengelernt haben die umfassende Familienchronik bekommst, eine gebundene Ausgabe des Stammbaumes, den du im Stammgemälde Vivianes ansehen durftest."
Es mochten schon anderthalb Stunden um sein, um Julius glühten die Wangen von aufgedrückten Küssen und wogen die Arme immer schwerer von den andauernden Umarmungen. Als sie auf einen Tisch mit farbenfroh gekleideten Leuten zusteuerten, winkte ihm schon eine fünfköpfige Familie aus tiefbraun getönten, kraushaarigen Personen, die ein auf drei dünnen Silberbeinen steppendes Exemplar des Sternenbanners vor sich aufgestellt hatten. Die Familie bestand aus einem Ehepaar, zwei jungen Frauen und einem etwa sechzehn Jahre alten Jungen. Antoinette schaute etwas ungehalten drein. Doch dann strahlte sie die Familienangehörigen an.
"Die kennen dich von einer Zeitung namens "Stimme des Westwinds" und "Kristallherold" her, sagte sie. "Sie verstehen Englisch, Französisch und Spanisch."
"Hi, Julius!" Rief der Junge hemmungslos. "Habe nicht gewußt, daß du auch zu dem Clan hier gehörst." Er klopfte Julius kurz auf die Schultern. "Ich bin Steve, Steve Cotton, Thorntails Klasse Sechs, Greenskale."
"Hi, Steve. Schön dich kennenzulernen", erwiderte Julius locker, bevor ihn die Mutter des Jungen fest in ihre Arme schloß und landesüblich küßte. "Mein Jüngster hat sich mal wieder vorgedrängelt, dieser Flegel", sagte sie mit einer schönen, tiefen Stimme in Julius' wohlbekanntem New-Orleans-Dialekt. "Ich bin Marilyn Cotton, also Marilyn. Schön, dich mal in Natura zu sehen. Wie geht es dir?"
"Öhm, für einen, der gerade seit zwei Stunden auf Wanderschaft ist gut", sagte Julius. Dann erhob sich der Mann und drückte Julius die Hand.
"Sean Cotton, also Sean. Freut mich auch, dich kennenzulernen. Hast ja den guten alten Pole ziemlich kalt abgeduscht. Aber dafür hat es dir ja auch sehr heftig zugesetzt, nicht wahr."
"Mom, dürfen wir den auch begrüßen?" Fragte eine der jungen Hexen und stand auf. Ihre Mutter ließ von Julius ab.
"Hi, ich bin Sharon", hauchte sie dem neuen Familienmitglied zu, während sie ihn an sich drückte. "Ich bin mit Brittany Forester in der Quodpot-Mannschaft. Brit hat mir erzählt, daß du das Spiel ziemlich gut gelernt hast. Du kennst auch die Redlief-Schwestern und deren Cousine, richtig?"
"Yep", machte Julius. Sharon sah aus wie eine lebensgroße Puppe aus Schokolade mit walnußbraunem Kraushaar und silbern glitzernden Augen und wirkte sportlich in ihrem hautengen, grasgrün glitzerndem Kostüm. Ihre ein Jahr ältere Schwester Ginger dagegen hatte sich ein rubinrotes Kleid angezogen und trat etwas zurückhaltender auf, als Sharon von Julius abließ.
"Meine Schwester ist wie meine Mutter, sie umarmt alles, was ihr imponiert", sagte Ginger. Dann machte Julius erst die Reihe um den Tisch und ließ sich dann von den Cottons zu einem kurzen Gespräch einladen. Antoinette Eauvive hielt sich dabei im Hintergrund. Julius erfuhr, daß die Cottons auch im Weißrosenweg wohnten, daß Ginger gerade in der Ausbildungsabteilung des nordamerikanischen Zaubereiministeriums aufgenommen worden war und Sharon nach den UTZs zu den Bugbears wollte. Sie erzählte Julius, daß sie und Brittany sich gerne darum käbbelten, daß Brittany bei den Windriders und sie bei den Bugbears spielen würden. So verging eine Viertelstunde, bis Julius weitergehen konnte. Auf der Höhe der Dusoleils traf er noch ein Paar aus Erwachsenen. Beide hatten sie dunkelbraunes Haar und runde, Wasserblaue Augen. Sie sahen sich so ähnlich, daß sie nur Bruder und Schwester sein konnten. Die Frau, womöglich eine Hexe, weil sie Viviane Eauvive sehr ähnelte, winkte Julius heran und umarmte ihn. "Hallo, Julius. Ich bin Almadora. Almadora Fuentes Celestes. Das hier ist mein Bruder Vergilio. Leider kann er immer noch kein Französisch. Aber Englisch versteht er", sagte die Hexe mit warmem Lächeln. Julius vermeinte, den Namen Almadora Fuentes Celestes schon einmal im Zusammenhang mit den Eauvives gehört zu haben. Der Akzent, den sie sprach verriet es ihm. Er fragte, ob sie in Spanien wohne. Sie bestätigte das. Dann fragte sie ihn, ob er etwas Zeit habe. Er nickte und setzte sich zu ihr an den Tisch. Sie fragte ihn zu seinen Erlebnissen mit Hallitti und erwähnte, daß es noch nicht all zu lange her war, daß sie, die sie in der Liga gegen die dunklen Künste arbeitete, mit Hallittis Schwester Itoluhila zu tun gehabt habe. Julius fragte bestürzt, ob diese Kreatur jetzt hinter ihm her sei und erfuhr, daß seit erwähntem Zusammenstoß nichts mehr von ihr zu hören war. Aber das, so Almadora, täusche. Sie sagte nur, daß Itoluhila sich im Vergleich zu ihrer Schwester sehr vorsichtig und unauffällig verhielt und dadurch der Gefangenschaft des langen Schlafes entronnen sei. Dann fragte sie Julius über Goldschweif aus. Er wunderte sich nicht, daß sie das wußte. Denn - das hatte er ja mittlerweile erfahren -, jedes anerkannte Familienmitglied, sofern magisch begabt, bekam ein Bild Vivianes.
Als auch hier eine Viertelstunde vergangen war begrüßte Julius die weiteren Festgäste an den Tischen, bis er zu den Dusoleils und Odins kam. Cassiopeia stürmte vor, nicht aus Freude, wie Julius sofort erfuhr, als sie ihn in eine flüchtige Umarmung schloß:
"Nur, damit wir es hinter uns bringen. Ich bin Cassiopeia. Sei es, daß du mich nun mit meinem Vornamen anreden kannst", schnarrte sie. Julius sagte nur:
"Auch wenn wir beide keine Freunde werden müssen wir auch keine Feinde werden, Madame, öhm, Cassiopeia.
"Sowas mußt du wohl sagen", fauchte Cassiopeia. Ihr Mann Emil begrüßte Julius nun offiziell und bot ihm den Vornamen an. Dann kam Jeannes Mutter und umarmte ihn.
"So, ab heute sagst du bitte Camille zu mir. Wenn ich dich schon nicht als Schwiegersohn haben darf, dann wenigstens als geliebten Anverwandten", hauchte sie ihm zu und küßte ihn leidenschaftlich auf die Wangen. Florymont bot Julius auch das Du an, wie es sich hier gehörte. Jeanne und Argon kannten ihn ja schon und beließen es nur bei einer kurzen, sichtbaren Umarmung. Tiberius Odin drückte ihm die Hand und versprach ihm, ihm sofort zu helfen, wenn er mit Professeur Fixus' Unterricht nicht mehr klarkäme. Dann ging er weiter.
Mit vollem Bauch und schweren Armen und Beinen erreichte er nach mehr als achteinhalb Stunden das Ende der Begrüßungsrunde. Seine Mutter war noch nicht da. Er sah sich um und entdeckte sie bei den Geschwistern Fuentes Celestes, die sich angeregt mit ihr unterhielten.
"Uff, dann hat sie die halbe runde ja noch vor sich", sagte Julius zu Antoinette, die ihren Mann suchte und bei Tiberius Odin fand.
"Sie ist schon fertig, Julius. Sie wollte wohl noch einmal zu Almadora und Vergilio. Sie spricht Spanisch wie ich weiß."
"Stimmt", sagte Julius. "Hat dir Viviane das auch erzählt?"
"Ja, weil sie mit deiner Mutter zwischendurch Spanisch spricht, wenn keiner sonst in ihrer Wohnung ist. Sie meint, es sei eine angenehme Übung."
"Das hat mir Viviane aber nicht erzählt", sagte Julius grinsend.
"Nun, jetzt können sich die Leute hier gegenseitig besuchen. Ich denke bis ein Uhr lasse ich das Fest noch gehen. Möchtet ihr dann mit den Dusoleils abreisen oder morgen von mir zurückgebracht werden?"
"Öhm, wir haben eine Einladung für morgen ganz in der Nähe", sagte Julius.
"Natürlich, Ursuline will dir zeigen, wem du am achtundzwanzigsten Juli das Leben gerettet hast. Sie meint ja, du wärest jetzt zu einem Stück ihr Sohn, zumal deine Mutter ja auch einen vollen Tag von ihr mitgetragen wurde. Also muß ich dem wohl irgendwie zustimmen. Ich erfuhr, mit allen von ihr direkt oder in zweitem Glied abstammenden Mädchen kämst du gut zurecht. wie empfinden die das, daß ihre Mutter oder Großmutter dich quasi als Verwandten ansieht?"
"Im Moment reden wir nicht so heftig über Madame Ursuline, weil Martines und Mildrids Mutter, sowie Madame Barbara Latierre selbst gerade schwanger sind", sagte Julius.
"Wir wissen auch wodurch", knurrte Antoinette und zog ihn unangekündigt in Richtung hinterer Ausgang. "Ich möchte alles von dir selbst hören, wie Béatrice und du diesen Einfall umgesetzt habt, durch körpervertauschten Geschlechtsverkehr den Fluch dieses frivolen Orion wortwörtlich auszutreiben!" Mentiloquierte sie ihm und führte ihn in ihr Behandlungszimmer, wo sie seine Mutter schon behandelt hatte. Dort erzählte Julius ihr alles, wie er auf den Einfall gekommen war, wie der Fluch Orions ausgelöscht werden konnte. Aber er wollte nicht inns Detail gehen, wie es sich für ihn angefühlt hatte, als er für eine Stunde Béatrices Körper angenommen hatte.
"Du möchtest nicht darüber sprechen, wie du es empfunden hast, weil du meinst, es seien Mademoiselle Béatrices ganz private Empfindungen. Aber das stimmt so nicht, Julius. Du warst trotz der Vielsaft-Wandlung immer noch ein junger Mann und hast wie ein Mann gefühlt, auch wenn du alles im Körper einer Frau verspürt hast. Denn der Fluch wäre ja nicht getilgt worden, wenn du auch seelisch wie sie empfunden hättest."
"Trotzdem möchte ich das nicht erzählen, weil ich es ihr, ihrer Mutter und ihrer Schwester Hippolyte versprochen habe", sagte Julius kategorisch. Antoinette rümpfte die Nase und sah ihn an. Sofort wandte er Occlumentie an. Doch sie suchte nicht den direkten Blickkontakt mit ihm, sondern sagte nur:
"Sollte es dich ein drittes mal vollständig in den Körper einer Frau verschlagen bist du dann definitiv nicht mehr V. I. positiv, Julius. Nur damit du über deine Lage etwas mehr weißt. Mag nämlich sein, daß du dadurch, daß du mit Béatrice den Geschlechtsakt vollzogen hast dein Verständnis für Dinge wie Attraktivität und Gelüste verändert wurde. Hinzukommt der abrupt beendete Corpores-Dedicata-Zauber. Sharon Cotton merkt es, daß sie eine Bewegung machen muß, um dich für sie empfänglich zu machen. Möglicherweise strahlst du auch Signale aus, die junge oder bedürftige Frauen für dich empfänglich machen. Ich hörte, du versuchst nun doppelt so viel zu lernen wie vorher. An und für sich löblich, wenn es nicht darauf basieren würde, daß du dich deinen Gefühlen widersetzen willst und sie dich nicht überwältigen lassen willst. Um es vereinfacht zu sagen: Du spielst wohl mit deinen Gefühlen gerade Verstecken oder Fangen. Auf die Dauer werden sie dich finden, und je weniger du dann gelernt hast, mit ihnen zu leben, desto heftiger werden sie dich dann kontrollieren. Ich gebe dir also einen guten Rat, von dem ich weiß, daß ihn dir auch Madame Rossignol oder deine Ersthilfelehrerin Hera Matine geben würde: Sieh zu, daß du deine Gefühle wieder an dich ranläßt und lerne, wie sie was mit dir anstellen, bevor du in eine Situation gerätst, wo es sehr unangenehm wird, wenn sie dich überwältigen!"
"Ist das jetzt eine Heileranweisung oder der Rat einer erfahrenen Hexe aus meiner großen Familie?" Fragte Julius trotzig.
"Ich habe dir damals gesagt, junger Mann, daß wenn die Aversion gegen rothaarige Frauen bei dir unkontrollierbar zu werden droht, würde mir schon was einfallen, sie zu therapieren. Ähnliches könnte ich mir vorstellen, wenn du eines Tages nicht mehr vor deinen Gefühlen weglaufen oder dich hinter aufgetürmtem Wissen verstecken kannst. Insofern ist es eine prophylaktische Heileranweisung, wenn du damit besser leben kannst." Julius nickte. Womöglich stimmte es. Denn jetzt hatten es ihm schon drei unterschiedliche Menschen erzählt, auf deren Meinung er durchaus was geben mußte.
Um nicht für unnötiges Gerede zu sorgen brachte Antoinette ihren neu aufgenommenen Sohn der Familie zurück in den Festsaal, wo die Musiker mittlerweile zum Tanz spielten. Antoinette nutzte die Gelegenheit und tanzte einmal mit Julius. Dann kam Camille Dusoleil, dann Jeanne und dann noch Almadora Fuentes Celestes, die ein für Julius fast unaushaltbares Temperament zeigte, als ein Tango gespielt wurde.
"Ui, wie trainierst du das, Almadora?" Fragte Julius.
"Seit ich ein fünfjähriges Mädchen war tanze ich Flamenco, seit dem zehnten Lebensjahr turne ich und in der Schule habe ich auch Quidditch gespielt", sagte Almadora. Julius' Mutter keuchte, weil sie nach dem Tanz mit Vergilio ebenfalls erschöpft war.
Nach der Tango-Übung mit Almadora war es für ihn ein leichtes, mit Sharon Cotton einen Foxtrott zu tanzen. Dabei sagte sie ihm sehr entschlossen:
"Im nächsten Sommer kommst du noch einmal nach NO. Dann haben Brit und ich Thorny hinter uns und einige Tage mehr Zeit. Wenn wir dann die Redlief-Mädchen und einige andere dazuholen können wir richtiges Quodpot spielen. Du hast ja die wichtigsten Spiele gesehen. Wär das was?" Julius überlegte. Früher hätte er das zurückgewiesen, weil er im Sommer so gut verplant war mit seinem Geburtstag, dem von Claire, sowie dem Schachturnier und dem Sommerball. Doch Claire würde keinen Geburtstag mehr feiern und auch nicht mehr mit ihm tanzen. Das Schachturnier konnte er wohl sausen lassen, weil er nur im Halbfinale gewesen war. Blieb nur sein Geburtstag, und den konnte er doch auch anderswo feiern. So sagte er nur, daß er sehen wollte, was im Sommer so anstand, bevor er sich festlegen wollte. Das reichte Sharon schon, um sie zum lächeln zu bringen. Julius sagte ihr:
"Könnte es sein, daß ihr Schauspielerinnen aus der Muggelwelt kennt, weil deine Mutter Marilyn heißt, du Sharon und deine Schwester Ginger, waren oder sind alles berühmte Schauspielerinnen."
"Das hat mich auch schon einer gefragt, der meinte, er kenne eine Sharon Stone. Ich fragte ihn, ob er sie persönlich kenne. Er sagte nein, nur vom Kino oder dem Fernsehen her. Das bei uns in der Familie ist nur Zufall, weil meinen Eltern die Namen Sharon und Ginger irgendwie gefallen haben. Besser als Nancy. Dann wäre ich nämlich eine von zwanzig Stück in Thorny."
"So selten ist der Name?" Fragte Julius.
"Offenbar", sagte Sharon und bedankte sich für den flotten Tanz.
Rechtschaffen Müde bezogen die Andrews ein gemeinsames Gästezimmer. Antoinette Eauvive hatte von Ursuline Latierre eine Gedankenbotschaft empfangen, sie würde "ihre zeitweiligen Kinder" gerne am nächsten tag mit Demie abholen. Sichtlich fertig legten sich beide in die großen weichen Himmelbetten und schliefen ein.
Die meisten Gäste waren in der Nacht noch abgereist. Darunter auch die Dusoleils. Antoinette schenkte ihren beiden offiziell eingeführten Familienmitgliedern je ein grasgrünes Buch, auf dem in sonnengelben Buchstaben "L'histoire de la famille D'eauvive" stand.
Als Martha und Julius Andrews nach einem reichhaltigen Frühstück auf den Platz vor dem Schloß auf die geflügelte Kuh Demie warteten sagte Antoinette noch:
"Martha, was immer in nächster Zeit passiert. du weißt, daß du bei uns nun sichere Hilfe bekommen wirst. Aber natürlich weißt du auch, daß deine Fähigkeiten auch gerne gesehen sind, um anderen zu helfen. Julius, vergiss bitte nicht, was ich dir gestern empfohlen habe! Ich möchte gerne hören, daß du nicht nur mit Verstand, sondern auch mit dem Herzen lebst. Außerdem möchte ich dir noch sagen, daß egal, was du nach Beauxbatons anfangen möchtest, genug Türen offenstehen werden. Solltest du wirklich Heiler werden wollen wirst du meine Unterschrift unter deinem Ausbildungsvertrag in dem Moment zu sehen kriegen, wo ich weiß, daß du auch die entsprechenden Fächer bestehen wirst. Ah, da kommt dieses Ungetüm auch schon."
die geflügelte Riesenkuh Demeter flog in niedriger Höhe auf das Schloß zu, bremste kurz vor der Landewiese und setzte auf. Auf ihrem Rücken ruhte die kutschenförmige Transportkabine. Auf dem Bock trhronte Ursuline Latierre in einem sonnengelben Wollumhang mit fünf goldenen Schließen.
"Na, Antoinette, hast du meine Lieben bearbeitet, mit mir und meinen Kindern nichts mehr anzufangen, oder darf ich sie mitnehmen?" Rief sie von ihrer hohen Warte herunter. Demie schnaubte laut.
"Ich habe es nur eingerichtet, daß es dir schwerer fallen wird, sie zu verderben", sagte Antoinette Eauvive.
"Das hört sich gut an. Schwerer ist immer noch besser als unmöglich", erwiderte Ursuline Latierre.
"Ich dachte, ihre Tochter Barbara fliegt Demie", wunderte sich Julius.
"Dann komm erst mal zu mir rauf. Martha, möchten Sie in die Kabine oder auch zu mir auf den Bock?"
"Ich nehme die Kabine, auch wenn ich einmal fast da drinnen ... Na ja, ist ja nun vorbei", sagte Martha Andrews. Die Kabinentür ging auf und die Treppe klappte herunter. Julius konnte noch die Schwestern Barbara und Béatrice erkennen. Dann faltete sich auch die Treppe vom Kutschbock her auseinander und berührte den Boden. Julius ging erst zur Kabine hinauf, um seine Reisetasche dort abzustellen. Dabei sah er Barbara Latierre, die sichtlich verärgert zu Béatrice hinüberglotzte. Da er keine Lust hatte, sich den Zank zweier Schwestern anzutun, von denen die eine schwanger und die andere die Hebamme war, stieg er wieder hinunter und turnte die Treppe zum Bock hinauf. Kaum saß er links von Madame Latierre und hatte sich mit zwei hauchdünnen Ketten angebunden, falteten sich die Treppen wieder zusammen.
"Wie verabredet, Antoinette. Ich liefere sie bei Camille in Millemerveilles ab, wenn heute Abend schluß ist!" Rief sie nach unten.
"Ich werde es mitbekommen, wenn nicht", sagte Antoinette Eauvive. Ursuline lachte darüber nur.
"Sitzt du richtig, Julius. Jetzt geht es los!" Sagte die große, füllige Latierre-Matriarchin und befahl Demie nach Hause zu fliegen. Das tonnenschwere Zaubertier trabte an, einige Dutzend Meter voran, um dann mit einem mächtigen Satz vom Boden wegzuschießen wie eine abgefeuerte Rakete oder ein von seinem Trägerschiff startendes Kampfflugzeug. Julius fühlte seine Eingeweide in seine Wirbelsäule drücken, die durch den mit Polsterungszauber belegten Kutschbock weniger litt als er befürchtet hatte. Der Boden fiel förmlich weg, schneller als normal war.
"Jetzt glaube ich es, daß die in einer Sekunde dreißig Meter hochschießen kann", seufzte Julius. Dann besann er sich, daß er sowas doch mal erleben wollte, wie mit einer Rakete unter dem Sitz loszudüsen.
"Das habe ich solange vermißt. Béatrice hat mir damals, wo wir zu Brunos Hochzeit flogen gesagt, ich würde durch den Hinterausgang gebären, wenn ich das zweimal machen würde, wo Esperance und Felicité noch unterwegs waren. Aber wie du mittlerweile weißt hatte sie da unrecht."
"Glaube ich ihr aber doch, wenn das immer so heftig ist."
"Ach unsinn, es kommt auf den Winkel an, Julius. Wenn sie mehr nach vorne als nach oben geht geht es. Aber jetzt spielt Trice dieses Mutterbemutterungsspiel mit ihrer größeren Schwester, und die läßt sich das gefallen", sagte Ursuline.
"Das habe ich gehört, Maman", kam Béatrices Stimme aus der Kabine.
"Wirst du wohl ruhe geben da drinnen? Oder soll Demie sich erschrecken und uns auf halbem Weg in die Loire kippen?!" Rief Ursuline Latierre. Demie bockte einmal, fing sich aber, weil ihre Lenkerin sehr energisch an den Führketten zog. "Braves, dickes Mädchen! Du fliegst ganz ruhig weiter!" Sprach sie sehr tief klingend und entschlossen. Dann mentiloquierte sie Julius: "Trice hat Babs angedroht, ihren Vorder- und Hinterausgang zuzunähen, wenn sie nicht brav in der Kabine oder besser gleich im Schloß bleibt."
"Und Barbara hat das geschluckt?" Fragte Julius auf gedanklichem Weg. Auch bei Ursuline klappte diese Art der Verständigung sehr gut. Aber das hatte sie ihm ja schon angekündigt.
"Trice hat drei Schulfreunde in Beaux vergrault. Der, den sie auf den Besen holen wollte, ist einen Tag vorher unerlaubt ausgerückt. Wer mit ihr klarkommen will muß hart im nehmen oder austeilen sein", seufzte ihre Stimme in seinem Kopf. Dann klang belustigt nach: "Das hast du ja selbst erlebt, welches Temperamentsbündel das Mädchen ist."
"Das reicht nicht, um sie gut genug zu kennen", schickte Julius zurück.
"Stimmt, sorum wie ihr euch kennengelernt habt natürlich nicht", kam eine schlagfertige Antwort. Julius errötete leicht. Ursuline tätschelte seinen rechten Arm und mentiloquierte:
"Rot werden darfst du auch nicht, wenn dir jemand was entsprechendes mentiloquiert. Oder steht das nicht in den Mentiloquismus-Manieren, daß keine körperliche Regung auf eine empfangene Botschaft gezeigt werden darf?"
"Seite zwanzig, zu vermeidende Dinge beim Mentiloquismus", erwiderte Julius.
"Außerdem mußt du nicht verlegen sein, wenn du dich mit einer meiner unverheirateten Töchter amüsierst, sofern sie das auch will. Ich bin froh, wenn sie ihren Spaß haben und anderen Spaß bereiten", mentiloquierte Ursuline.
"Lästert ihr jetzt über uns?" Drang eine andere Gedankenstimme in Julius Kopf ein. Es war die von Béatrice.
"Deine Mutter meinte nur, daß du nicht willst, daß deine Schwester Barbara ihre Kinder kriegt und das verhindern wolltest", erlaubte sich Julius eine Frechheit um zu sehen, wie weit er bei der jungen Heilerin gehen konnte.
"Dann hat sie dir in ihrer offenen Art auch gesteckt, wie ich das anstellen wollte. Dann hätte die eben nichts mehr essen können und mich anflehen müssen, ihr die beiden herauszuholen."
"Ist aber gegen die Heilerkonventionen, einen gesunden Körper mutwillig zu verletzen oder seine Funktionen zu stören", schickte Julius zurück.
"Wenn die durch Orion zum Mutterglück getriebenen Damen zusammengekommen sind können wir beide uns gerne drüber unterhalten, was meine Geschwister und anderen Verwandten so anstellen, wenn man ihnen nicht sehr deutliche Strafen androht", mentiloquierte Béatrice. Dann hörte er sie mit körperlicher Stimme zu seiner Mutter sagen:
"Und wie finden Sie Ihre große Familie, Martha? Hat Madame Antoinette Eauvive sie davor gewarnt, sich mit uns verdorbenem Pack einzulassen?"
"Ich halte Sie nicht für verdorben, sondern nur für sehr zwanglos", sagte Martha Andrews. Durch die Wand der Kabine klang es wie aus einer großen Kiste heraus.
"Zwanglos? Dieses junge Ding hier meint, besser zu wissen, wie weit ich im vierten Monat noch belastet werden darf, wo ich mit Callie und Pennie in meinem Schoß sehr häufig mit Demie und anderen ausgeflogen bin. Da war Trice gerade mal zehn Jahre alt."
"Babs, auch wenn Callie und Pennie einwandfrei zur Welt kamen heißt das nicht, daß das immer gut geht. Außerdem, lieb Schwesterlein, bist du jetzt zwölf Jahre älter als damals."
"Ich glaube, ich suche mir eine Hebamme, die mehr Respekt vor ihren Kundinnen hat", knurrte Barbara.
"Dann hättest du gleich bei Antoinette bleiben oder Hipps Schwiegermutter fragen sollen, ob sie deine Kinderbackstube in Gang hält, bis die beiden Wonneproppen durch sind", erwiderte Béatrice. Julius grinste. Sollte man nicht behaupten, er könnte im Französischen nicht neue Wörter lernen.
"Öhm, Ihre internen Angelegenheiten sollten sie besser ohne mich oder andere Außenstehende besprechen, meine Damen", warf Martha ein. Julius fragte sich, ob das jetzt geschickt war, zwei streitenden Schwestern ins Wort zu fallen.
"Maman sagt, Sie sind nicht außenstehend", sagte Béatrice sehr überzeugt. Ursuline grinste über ihr großes, rundes Mondgesicht. Julius versuchte, von der Landschaft unter sich was zu erkennen. Doch sie flogen zu hoch und zu schnell.
"Nun, wenn Sie meinen, mich in private Dinge einbeziehen zu müssen werde ich mich still verhalten", gab Martha klein Bei. Julius fragte sich, ob Béatrice seine Mutter komisch angeguckt hatte.
"Das ist wohl vorerst Demies letzter Flug. Babs will sie, wenn sie wieder stierig wird mit Ares zusammenlassen. Mal sehen, ob sie diesmal seinen Thronfolger auf die Wiese wirft", sagte Ursuline Latiere. "mal sehen, ob sie noch richtig fix unterwegs ist."
"maman, lass das bitte. Demie kriegt sich nicht mehr ein, wenn du sie derartig jagst!" Rief Barbara aus der Kabine. Doch Ursuline stieß bereits laute Wu-wu-wu-Laute aus und schlackerte mit den Ketten. Demie schlug nun immer schneller mit den Flügeln. Der fahrtwind wurde immer schärfer, obwohl der Windabweisezauber über dem Bock das schlimmste abhielt.
"Aha, schnelles Mädchen! Noch schneller!" Rief Ursuline Latierre. Demie sprang förmlich vorwärts und fing an zu keuchen. Offenbar hatte sie jetzt die maximale Sprintgeschwindigkeit drauf. Dann sah Julius das Sonnenblumenschloß wie einen flüchtigen Schemen unter sich dahinsausen.
"Das kommt davon, wenn man mit größenwahnsinniger Geschwindigkeit fliegt!" Rief er, dem das Adrenalin eine Mischung aus Freude und Angst wie bei einer Achterbahnfahrt bereitete. Doch Demie klappte die Flügel weit aus und warf sich von sich aus in eine solch ausladende Rechtskurve, daß Julius fast auf Madame Latierre zu liegen kam.
"Demie!" Kam aus der Kabine eine unheimlich tiefe, hohle Stimme. Das war Barbara Latierre, wußte Julius. Doch Demie fing sich bereits wieder und flog nun auf dem Gegenkurs und im puren Gleitflug. Offenbar hatte sie noch genug geschwindigkeit drauf, um nicht durchzusacken.
"Das ist ein Prachtmädel, nicht wahr", frohlockte Ursuline leise. "Die hat es gemerkt, daß sie zu weit war und hat sofort umgedreht. Das kann kein Besen und auch nicht der bunte Flickenteppich der seligen Aurélie Odin. - Den hat meine angeheiratete Großnichte Jeanne jetzt, richtig?"
"Sie hat uns gestern damit zum Château Florissaaaaa!" Ohne Vorwarnung stürzte sich Demie in die Tiefe, hatte ihre Flügel sehr nahe am Körper angezogen. Sie keuchte immer noch von der Hetzerei, blieb aber in einer stabilen Fluglage. Julius bewunderte dieses Geschöpf. Es war nicht nur groß, stark und ausdauernd, sondern auch gewand und unbestreitbar intelligent, wohl wie ein Kniesel, den jemand zur besseren Verwendbarkeit in eine geflügelte Riesenkuh verwandelt hatte. Wie auf einer hunderte Meter bergabsausenden, unsichtbaren Achterbahn, in einem beinahe senkrechten Neigungswinkel, zielte Demie genau auf einen leicht verschneiten Flecken vor einem fünfeckigen Bau. Als Julius meinte, das Tierwesen würde mit seinen Hörnern voran aufschlagen, wippte Demie einmal nach hinten, schwang dabei die weiten Flügel, setzte mit einem Ruck auf und stand still. Ursuline und Julius warf es noch einmal in die Halteketten. Dann war Ruhe.
"Hättest du mich fliegen lassen wäre das nicht passiert!" Schnarrte Barbara Latierre wohl in Richtung ihrer Schwester. "Wenn die mir jetzt rausfallen bist du das auch schuld, Tricie."
"Dann leg dich mal hinn, damit ich nachprüfen kann, ob bei dir was durcheinandergeraten ist!" Befahl Béatrice. martha klopfte von innen leise an die Tür.
"Maman, lass noch keine Treppe runter, bevor ich Babsie nicht ordentlich überprüft habe!" Rief Béatrice.
"Ich sag's ja, Mutterbemutterung", grinste Ursuline. Aus dem Schloß kamen derweil die übrigen geladenen Gäste, allen voran Hippolyte Latierre, gefolgt von ihren beiden Töchtern. Ihr Mann sprang wie ein Känguruh, um mitzukommen. Julius faszinierte es, wie gelenkig der kleine Zauberer war.
"Wieso kommt ihr nicht runter?" Fragte Millie nach oben. "Geht die Treppe nicht mehr?"
"Wir haben gerade den Planeten leicht angebohrt und müssen jetzt sehen ob vom Extragepäck was verrutscht ist!" Rief Julius nach unten. Béatrice Latierre lachte. Offenbar war diese junge Heilerin doch hart im Nehmen.
"Mmmmuuuuhhh!!" Brüllte Demie trotz der Trense im Maul.
"Ja, ist schon richtig, Mädchen. Ich habe dich gejagt, du mußtest ziemlich unsanft runter, und jetzt hängen wir immer noch hier oben", sagte Ursuline. Julius fingerte an seinen Halteketten und meinte:
"Wenn mich wer auffängt kann ich locker da runterspringen."
"Das läßt du schön bleiben", sagte Ursuline und fing ihn wie beiläufig mit ihrem dicken, weichen Arm ein und zog ihn an sich.
"Deine beiden Enkelsöhne liegen noch richtig, Maman. Hast Glück gehabt. wir können runter."
"Warum konnten wir nicht schon vom Bock runter?" Fragte Julius als sie unten standen.
"Weil wir nicht wußten, wie lange das dauert und ich Demie sicher halten mußte."
Kabine frei?" Fragte Ferdinand Latierre, Ursulines Mann. Alle nickten. Martha gab Julius seine und ihre Reisetasche und sah ihn leicht verdattert an. Ihr war diese Achterbahnfahrt trotz der Innerttralisatus-Bezauberung wohl gut an die Substanz gegangen.
"Jetzt weiß ich nicht, ob diese verrückte Landung oder die beiden sich angiftenden Schwestern schlimmer waren. Ich fühle mich irgendwie völlig verkehrt", sagte sie.
"Dann sollte Trice Sie auch noch untersuchen", sagte Ursuline ruhig. "Wäre echt schade, wenn Sie nachher nichts runterbringen, nur weil eine abenteuerlustige Oma ihr Reittier zu wild angetrieben hat."
Martha ging es jedoch nicht zu schlecht. Zwar nahm sie das Angebot wahr, sich untersuchen zu lassen, doch Béatrice fand nichts bei ihr, was sie von der weiteren Feier ausgeschlossen hätte.
Im Schloß begrüßten sich alle. Auch die Brickstons waren herübergekommen. Ursuline Latierre hatte befunden, daß sie ja alle irgendwie zusammengehörten, weil ein gemeinsames Schicksal sie verband. Der Club der guten Hoffnung, wie Julius die Hexen nannte, die durch Orions Fluch in freudiger Erwartung waren, war vollständig angetreten. Julius begrüßte die Montferres und stellte fest, daß Madame Montferre jetzt noch üppiger aussah als ohnehin schon. Sabine, die sah, wo er hinsah meinte:
"Mit dem Vorrat kann Maman vier durchbringen."
Es gab ein reichliches Mittagessen, während dem Martha und Julius erzählten, was im Château Florissant abgelaufen war. Denn keiner hatte ihnen gesagt, daß es geheim sei, wie der große Festsaal aussah. Sie verschwiegen nur die Sachen, von denen sie wußten, daß sie in der Eauvive-Familie bleiben sollten. Julius war froh, zwischen den Jungen von Otto und Josianne Latierre zu sitzen. Dennoch fühlte er, daß ihn nicht nur Millie sondern auch Martine beobachtete. Sollte seine Mutter echt recht haben, und Millies Schwester rechnete sich was aus bei ihm? Irgendwie, so dachte er, waren beide ihm wohl nicht egal. Denn auf Claires merkwürdiger Blumenwiese hatte er beide gesehen, auch Béatrice.
Am Nachmittag kam dann die Hauptattraktion. Ursuline Latierre holte die in rosarote Strampelanzüge gehüllten Töchter herein und präsentierte:
"Liebe Gäste, das sind Esperance und Felicité, die neuen Sternchen am großen Himmel der Latierre-Sippe! Viele draußen im Lande und auch einige von euch haben es gewagt, Ferdinand und mich für verrückt zu halten, daß wir uns noch einmal auf das Abenteuer neue Kinder eingelassen haben. Aber ich sage es allen, vor allem denen, die jetzt gerade selbst bald Mutter werden dürfen, daß ich das in keiner Sekunde bereut habe, sie in mir heranwachsen zu fühlen, wie sie anfingen, ihre noch kleine Welt zu erkunden und dann, als sie fanden, ich alleine sei nicht die ganze Welt, ihren ordentlichen Weg nahmen, um sich uns allen zu zeigen. Sicher gibt es einige, vor allem die, die ein Kind zu kriegen nur über die Belastung und die Schmerzen bestimmen, die sagen, sie würden sich das nicht antun und wenn eine Hexe schon Großmutter sei müßte sie nicht noch einmal Mutter werden. Aber wie gesagt war es trotz der Anstrengungen und der Sorgen, es könnte ja doch was schiefgehen jeden Moment wert." Die Hexen, die ihr gerade wohl oder übel nacheiferten sahen die nun zwölffache Mutter und Großmutter mit einer Mischung aus widerspruch und Zustimmung an. Dann deutete sie auf Julius. "Beinahe hätte ich dieses doppelte Glück in meinen Armen nicht genießen dürfen, weil ein heimtückischer Angriff grausamer Kreaturen mich derartig erschöpfte, daß mein Körper drauf und dran war, Esperance und Felicité unfertig nach draußen zu werfen. Nur die selbstaufopfernde Tat eines jungen Burschen brachte mich wieder in die richtige Lage und gab mir die Kraft, meine beiden Wonneproppen solange zu tragen, bis sie von sich aus beschlossen, daß es nun Zeit sei, in die ganz große Welt hinauszukrabbeln. Darum möchte ich dir, Julius Andrews, weil du mir geholfen hast, eine besondere Ehre zuweisen. Komm mal bitte zu mir!"
"Öhm, ich weiß nicht, was Sie jetzt machen möchten, Madame", druckste Julius herum.
"Das kriegst du nur raus, wenn du zu mir kommst", sagte Ursuline Latierre. Julius stand auf und ging hinüber. Seine Mutter sah ihm befremdet nach. Als er bei Ursuline Latierre ankam lächelte sie ihn an. Dann stand sie auf, ganz langsam, als hebe sie ein schweres Gewicht mit ihren Schultern. Sie lächelte immer noch. Dann trat sie zur Seite. Sie legte ihm vorsichtig die beiden Kinder in die Arme und legte sie behutsam mit den Gesichtern an seinen Brustkorb.
"Spüre ihre Herzen schlagen und lasse sie dein Herz schlagen hören", sagte Ursuline feierlich. "In euch dreien strömt eine gemeinsame Lebenskraft die eure Herzen antreibt." Julius beruhigte sich. Wenn das alles war, was die erfahrene Großmutter und junge Mutter mit ihm anstellen wollte ließ er es sich gefallen. "Setz dich bitte dorthin, wo ich eben noch gesessen habe." Julius wandte sich um und ließ sich vorsichtig auf den halbhohen Stuhl mit dem warmen, sonnengelben Federkissen nieder. Ursuline drückte ihn sanft zurück, das er auch gegen das weiche Kissen in der Lehne sank, die beiden Mädchen immer noch in den Armen. Er sah seine Mutter an, die irgendwie nicht wußte, was diese Zeremonie - denn sowas war es ganz sicher - bedeuten sollte. Er sah die Latierres an, die irgendwie interessiert auf ihn blickten. Dann sah er Catherine Brickston, die mit ihrem Mann zusammensaß, der wie seine Mutter nicht wußte, was das jetzt sollte und sie genau beobachtete, was Ursuline Latierre tat.
"Mir sehen im Moment zu viele Leute zu", mentiloquierte sie Julius und zog ihren Zauberstab, den sie sehr schnell hinter sich streckte, aus dem Handgelenk parallel zum Boden von links nach rechts pendeln ließ und "Creato Paraventum!" rief. Da wo der Zauberstab entlanggeschwungen war sprühte ein silberner Dampf aus dem Boden, der sich innerhalb eines Lidschlages zu einem himmelblauen Wandschirm mit weißen Federwolkenmustern und einer fröhlich strahlenden goldgelben Sonnenscheibe verdichtete.
"Öhm", setzte Julius an. Doch Ursuline legte die Finger ihrer freien Hand auf die Lippen und mentiloquierte ihm:
"Es wird dir nichts widerfahren, was dir Angst oder Schmerzen bereiten wird. Ich werde dir auch keine Gewalt antun. Bleib nur schön sitzen und halte meine kleinen Sternchen schön an dich gedrückt, ohne sie zu ersticken."
"Warum haben Sie den Wandschirm aufgebaut?" Fragte er in Gedanken zurück.
"Damit ich die fünf Sekunden unbeobachtet bin, die ich brauche. Keine Angst, Julius. Ich habe nichts böses mit dir vor."
"Maman, was soll der Wandschirm!" Rief Hippolyte Latierre. Durch den so dünnen Wandschirm klang es merkwürdigerweise wie durch meterdicken Beton. Die rotblonde Matriarchin ließ sich nicht beirren. Julius wollte bereits die beiden Babys fortlegen. Doch nirgendwo war ein Platz, sie hinzulegen. Er wollte aufspringen. Doch da hatte sich Ursuline Latierre mit einer für ihre Leibesfülle ungeahnten Geschwindigkeit auf die Knie fallen lassen und seine Füße ergriffen. Die Geräusche hinter dem Wandschirm wurden immer leiser, obwohl Julius meinte, es würden mehr, zu einem Tuscheln, Fragen, Rufen. Er konnte nicht aufstehen, weil Ursuline seine Füße mit festem Griff umklammerte und ihm mit leichten Stubsern des Zauberstabes innerhalb einer Sekunde Schuhe und Strümpfe auszog. Sie schnupperte und ließ dann einen rosafarbenen Strahl Seifenschaum aus dem Stab quellen, mit dem sie seine Füße wie mit warmem Wasser und einem vibrierenden Schrubber sauberputzte. Dann ging sie in die Hocke, hob ihren himmelblauen Rock, zupfte an etwas über ihrer Hüfte und ließ einen Unterrock fallen, der einfach davonflatterte. Julius starrte für einen Moment auf die Blöße der Hexe, unfähig, ein Wort zu sagen oder sich zu bewegen. Schnell schaute er zu ihr hoch. Sie sah ihn voll konzentriert aber keineswegs böswillig an. Ja, sie lächelte warm. Julius schwante, was sie jetzt vorhatte. Sie wollte ihn mit sich in direkte berührung bringen. Wollte er das? Er versuchte, sie anzumentiloquieren. Doch sie kam ihm zuvor:
"Das ist nichts ekelhaftes oder widerwärtiges. Julius. Ich revanchiere mich nur für die beiden Mädchen. Halte sie schön in den Armen und bleibe sitzen."
"Ich weiß nicht, ob ich das will", sagte Julius laut. Doch seine Stimme wurde von dem Wandschirm verschluckt. Das war doch kein gewöhnlicher Wandschirm mehr!
"Wissen wir das immer, was wir wollen, bevor wir es haben und uns fragen, warum wir das nicht vorher schon haben wollten?" Fragte Ursuline Latierre. Dann näherte sie sich Julius' nackten, sauberen Füßen. "Keine Sorge, wir machen uns nicht gegenseitig schmutzig", sagte sie leise, wobei sie lächelte, wie eine Großmutter, die ihrem Enkel einen Splitter aus dem Finger ziehen will und weiß, daß ihm das kurz wehtun könnte. Julius war blockiert. Die Babys lagen in seinen Armen, und er konnte sie nicht einfach weglegen. Irgendwas hinderte ihn daran. Er fühlte die winzigen Herzen durch die beiden kleinen Brustkörbe schlagen und wußte, sie hörten auch sein Herz. Dann passierte das, was er geahnt hatte. Ursuline Latierre saß nun rittlings auf seinen zusammenstehenden Füßen. Ihr blauer Oberrock berührte seine Beine. Er war leicht nach oben umgeschlagen. Wieviel mochte diese Hexe wiegen? Konnte er sie einfach wegstoßen? Da schwang sie ihren Zauberstab nach hinten, und mit lautem Knall verschwand der Wandschirm. Mit einem Schlag drangen laute Rufe und Vorwürfe der Anwesenden durch, die abrupt versiegten, als jeder sehen konnte, wie Ursuline Latierre auf Julius Füßen hockte. Für alle sah es so aus, als habe er seine Füße von sich aus in ihren Schoß gestellt. Keiner sagte ein Wort, keiner machte Anstalten, einzugreifen. Catherine, der Julius kurz in die Augen blickte und zudachte: "Ich weiß nicht was das wird", wollte gerade aufstehen. Doch irgendwas hielt sie auf dem Stuhl fest wie angeleimt. Sie funkelte Ursuline an, die nun mit entblößtem Unterleib auf den nackten Füßen ihres Schutzbefohlenen thronte wie eine Glucke auf ihren Eiern oder ... eine Königin zu den Füßen ihres Königs, dem sie ihren Beistand versicherte und gleichzeitig ihre Macht zeigte. Sie deutete mit ihrem Zauberstab auf ihren Unterkörper und sang: "Vita Mea! Vita Tua! Vita mea! Vita Tua!" Julius fühlte die Wärme des auf seinen Füßen ruhenden Leibes. Diese Wärme strömte in seine Beine hinein, breitete sich aus und floss durch seinen Unterleib hinauf zum Bauch, wo sie sachte kribbelte, wobei sie weiter nach oben stieg und in seinem Brustkorb wohlig pulsierte. Julius fühlte dieses Pulsieren nun immer stärker durch seinen Körper gehen, über seine Arme in die Körper der Babys einströmen, die einen höchst zufriedenen Gesichtsausdruck bekamen, als träumten sie gerade etwas schönes oder wären satt und unbeschwert. "Vita mea! Vita tua!" Sang Ursuline weiter. Julius fühlte diese Worte in sich nachhallen, den Strom der Wärme, der aus dem Unterleib der Hexe in seine Füße floss verstärkend. In seinem Kopf machte sich ein Gefühl absoluter Geborgenheit breit. Dieses weibliche Wesen zu seinen Füßen tat ihm nichts böses. Es gab ihm Wärme und Leben ein. Dann, als Ursuline zum zwölften Mal die Worte "Vita mea! Vita tua!" gesungen hatte ließ das den ganzen Körper durchpulsende Wärmegefühl nach, und Julius fühlte nur noch die Wärme des auf seinen Füßen ruhenden Leibes. Er sah Ursuline an, die wohl etwas erschöpft aussah, aber sehr glücklich. Sie strahlte ihn an. Dann beschwor sie noch einmal den Sichtschutz herauf. Als der Wandschirm stand erhob sie sich keuchend, ließ ihren Oberrock über ihren entblößten Leib fallen und machte eine schnelle Drehung um sich selbst. Der abgestreifte Unterrock war verschwunden. Besser, er saß wieder da, wo er hingehörte.
"Darf ich gleich wissen, ob wir sowas wie Corpores ..." Setzte Julius an. Doch die Matriarchin der Latierres legte ihre Finger an die Lippen. Sie hätte ihm doch den Sprechbann aufhalsen oder den physikalischen Schweigezauber anhängen können. Aber das tat sie nicht. Sie machte nur zwei Zauberstabbewegungen, und er hatte wieder Schuhe und Strümpfe an den Füßen. Er mußte es bewundern, wie locker und gekonnt sie solche nützlichen Zauber ohne ein lautes Wort ausüben konnte. Dann sagte sie ihm:
"Erst lasse ich meinen schnuckeligen Wandschirm wieder verschwinden, dann darfst du mir meine beiden Kinder wiedergeben, mit denen du vorher schon verbunden warst und jetzt noch etwas mehr verbunden bist. Dann gehen wir beide zu deiner Mutter und deiner Fürsorgerin und ich erzähle euch davon, was das jetzt sollte", sagte sie so unbekümmert, als habe sie lediglich Julius ein Geschenk gemacht, das ihm die anderen nicht gegönnt hatten. Tatsächlich ließ sie den Wandschirm verschwinden. Dann hob sie vorsichtig die beiden Mädchen aus seinen Armen. Sie wirkte etwas erschöpft, als habe sie hart gearbeitet.
"Bleiben Sie sitzen, Catherine und Martha, ich komme freiwillig zu Ihnen, wenn sie ruhig bleiben!" Rief Ursuline Latierre. Sie hängte sich die beiden Kinder in kleinen Tragetüchern über den Rücken und ging voran. Julius folgte ihr. In ihm war etwas, als habe ihn jemand mit noch mehr Blut aufgefüllt oder mit einer Lösung, die ihn belebte aber seine Adern ausdehnte.
"So, die böse Hexe stellt sich dem Tribunal", sagte Ursuline zu Catherine und Martha. Dann eilten noch Hippolyte und Béatrice heran.
"Maman, diesen Zauber hat seit fünfhundert Jahren keine mehr vollzogen. Aber bei deiner Vorbereitung hat er wohl gewirkt", sagte Béatrice leicht erregt. Hippolyte sah ihre Mutter an, schwieg jedoch.
"Dann setzt euch auch hin!" Befahl Ursuline. Offenbar ging es ihr jetzt wieder etwas besser.
"Ich habe von der Mythologie der Kelten gehört, daß es bei Kriegsgöttern und Königen sitte war, ihre Füße in oder unter den Schoß einer Jungfrau oder Königin zu legen", sagte Martha Andrews, die meinte, begriffen zu haben. Catherine runzelte die Stirn und sagte:
"Dann berichten Sie mal, was Sie sich dabei gedacht haben! Wehe Sie haben mit dem Jungen etwas angestellt, daß ihm auf kurz oder lang schadet! Dann kann ihre Tochter Hippolyte gleich noch ihre beiden Schwestern weiterversorgen, weil sie ..."
"Nicht nach Tourresulatant kommen werden, Madame Brickston", unterbrach Ursuline den Redefluß Catherines einfach so. "Martha, Sie hatten recht, daß dieser Zauber der Urheber alter Legenden wurde, die besagten, daß Götter oder Könige die im Kampf oder auf der Jagd verbrauchten Kräfte dadurch zurückgewannen, daß sie ihre Füße in den Schoß einer Jungfrau, beziehungsweise ihrer Gemahlin betteten. Dahinter stekcken zwei Dinge: Der Mann sitzt zwar erhöht, die Frau zu seinen Füßen. Aber sie hat gleichermaßen Macht über ihn, weil sie mit ihrem Körper etwas von ihm birgt und damit am Ort hält. Was ich jetzt gemacht habe ist eines der größten Lebensbejahungsrituale der Zaubereigeschichte. Ja, ich habe Ihren Sohn ohne sein Wissen in die entsprechende Stellung gebracht, ihm Schuhe und Strümpfe ausgezogen und dann meinen freien Unterleib darauf gelegt. Dadurch schuf ich eine Verbindung, durch die ich von meiner eigenen lebensspendenden Kraft etwas auf ihn übertrug. Du hast auch recht, Béatrice, das durch meine Kinder in seinen Armen der Fluß dieser Kraft begünstigt wurde. Sie stellten eine sehr treffliche Verbindung zwischen ihm und mir her, weil ein Teil seiner eigenen Lebenskraft ja schon in ihnen strömt wie in mir auch."
"Wozu soll das gut sein?" Fragte Martha Andrews argwöhnisch. Ursuline blieb ruhig und sagte ohne groß die Stimme zu erheben:
"Es war mein Gegengeschenk für seine Hilfe. Wie ich sagte verdanke ich meine beiden jüngsten Kinder seiner selbstaufopfernden Tat. Jetzt habe ich den Kreis geschlossen. In ihm pulsiert jetzt ein teil meiner lebenserhaltenden Kraft."
"Heißt das, sie haben ihn mit Ihrer Lebensenergie aufgeladen?" Fragte Martha immer noch argwöhnisch.
"So kann es wohl beschrieben werden."
"Sie meinen, er ist jetzt durch Ihr leben geschützt?" Fragte Catherine. "Das heißt, er kann nicht sterben, solange Sie leben?"
"Das hat bis jetzt nur eine geschafft, in dem sie ihr Leben gab, um ihren Sohn vor dem sicheren Tod zu schützen, Catherine." Dann sah Ursuline Julius an und sprach weiter: "Julius, du wirst normal weiter wachsen, altern und irgendwann wohl auch sterben. Jedoch werden alle natürlichen Gewalten es schwerer haben, dich zu töten. Du bist dadurch nicht unsterblich, aber deine Selbsterneuerungskräfte des Körpers sind stärker geworden, weil ein Teil meiner mütterlichen Lebenskraft nun in dir strömt."
"Wollen Sie damit sagen, Sie haben sich postnatal zu seiner Mutter gemacht, mich sozusagen aus seinem Leben verdrängt?" Fragte Martha jetzt sichtlich verärgert. Doch Ursuline sah sie mit ihren rehbraunen Augen an und sprach beruhigend weiter:
"Nein, Martha, das habe ich nicht und würde mich auch nie erdreisten, sowas zu tun. Sie sind und bleiben seine leibliche Mutter, die ihn in Liebe empfangen, in freudiger Erwartung getragen, unter Schmerzen geboren und mit Liebe und Fürsorge ernährt und erzogen hat. Sie werden immer seine Mutter bleiben, körperlich und seelisch. Jedoch habe ich ihm etwas von meiner innewohnenden Kraft übertragen als eine Art Patenschaftsgeschenk. Er hatte das Recht, dieses zu empfangen, und ich hatte die Kraft, es ihm zu geben, weil ich bereits mehr als vier Kinder geboren habe. Also hätten weder Barbara, noch Hippolyte, und auch nicht du, Béatrice, ihm dieses Geschenk an meiner Stelle machen können." Sie sah ihre beiden erwachsenen Töchter an, die nickten. Offenbar kannten sie das Ritual.
"Heißt das jetzt, ich bin mit Ihnen wie beim Corpores-Dedicata-Zauber verkuppelt?" Fragte Julius nun etwas verunsichert.
"Keineswegs, Julius. Dann hätten wir beide uns vollständig entkleiden müssen und Haar voneinander an den Finger des jeweils anderen binden müssen. Außerdem hätte der Zauber nur gewirkt, wenn wir beide noch unberührt gewesen wären und wir beide uns innig geliebt hätten. Er hätte nicht gewirkt, weil ich meinen Mann sehr liebe und du noch keine neue Liebe gefunden hast", sagte sie. "Du bist frei, deine Entscheidung ganz allein zu treffen, mit welcher Frau du einmal zusammenleben wirst. Mein Geschenk bewirkt, daß du gegen natürliche Unbilden besser gefeit bist. Krankheiten werden es schwer haben, dich zu überwältigen, Gifte müssen in höherer Dosis verabreicht werden, um dir was zu tun, und Verletzungen heilen rascher. Unsterblichkeit durch reine Zauberstabführung ist nicht möglich. Ich habe zwar gerade gesagt, daß sich die böse Hexe dem Tribunal stellt. Aber du wirst erkennen, daß ich nicht böse zu dir war und dir auch nichts böses tun wolte. Ich mag dich nämlich, Julius, nicht nur weil du meine ungeborenen Kinder gerettet hast, als die Dementoren kamen, sondern weil mir dein Wesen und deine Begabungen und vor allem, wie du damit umgehst imponieren."
"Falls sich herausstellt, daß dieser Zauber doch schädliche Auswirkungen hat ..." Kehrte Catherine noch einmal ihren Fürsorgestatus heraus.
"Wird es nicht, Catherine. Es ist anders als bei dem Zauber Orions. Der wollte nur Wollust und Triebhaftigkeit anfachen. Ich will haben, daß ihr Schutzbefohlener besser geschützt ist."
"Das hätten Sie mit mir besprechen sollen", knurrte Catherine. "Ich mag es aus sehr verständlichen Gründen nicht, wenn ich an einem Stuhl kleben bleibe, bis ein gewisser Wandschirm zum zweiten Mal erschienen und verschwunden ist und muß mitverfolgen, wie eine relativ fremde Hexe mit entblößtem Unterleib vor meinem Schutzbefohlenen hockt und eine Litanei singt. Es hätte ja auch der Iterapartio-Zauber oder ein Amoricarcerus-Bann sein können."
"Ihre Ausbildung und Vorstellungskraft in Ehren, Catherine, aber ich habe es nicht nötig, einen Liebeszauber auf einen jungen Mann, der mein Enkelsohn sein könnte zu legen, um ihn mir gefügig zu halten, und ich bin durchaus der Meinung, daß neue Kinder wesentlich schöner und spannender ins Leben hineinwachsen als zur Wiedergeburt gezwungene Menschen, deren Seele sich erst wieder entfalten muß", erwiderte Ursuline lächelnd. "Das Vita-mea-Vita-tua-Ritual ist einer der lebensbejahendsten Zauber, die es gibt. Wenn Sie meinen, mich deswegen anzeigen zu müssen, werden Sie erfahren, sofern Sie es nicht selbstwissen, daß dieses Ritual in den letzten tausend Jahren mehrmals angewendet wurde und immer zum Segen dessen, auf den es angewendet wurde."
"Wenn das der Ursprung der keltischen Mythen ist, glaube ich das", sagte Martha Andrews. Catherine schien zu überlegen. Dann sagte sie:
"Wenn Sie vorgehabt hätten, den Jungen nachhaltig zu schädigen oder zu manipulieren, hätten Sie es getan, als er mit uns im Sommer in diesem Schloß war, nicht vor allen Augen. Das ist der einzige logische Grund, weshalb ich Ihnen ihre Beteuerungen glauben kann. Aber welchen Status hat er jetzt Ihrer Meinung nach, Madame Latierre?"
"Den, daß in seinem Körper nun etwas von meiner Lebenskraft ist. Wir haben uns also gegenseitig beschenkt, er mit der physischen Ausdauer, ich mit der Essenz des Lebens an sich. Ich habe gesunde Töchter durch ihn bekommen können. Er wird durch mich gesünder bleiben. Quid pro quo oder auch Manus Manum lavat."
"Eine Hand wäscht die andere", übersetzte Martha den letzten lateinischen Ausspruch. Ursuline nickte.
"Heißt das jetzt, Maman, er ist unser Bruder?" Fragte Béatrice.
"Nein, Trice. Das habe ich ja seiner Mutter gerade gesagt, daß er weiterhin ihr leiblicher und seelischer Sohn ist. Ich habe lediglich etwas von mir an ihn weitergegeben, eine Art Patenschaftsgeschenk."
"Ich weiß nicht ob Antoi..., Madame Eauvive damit so einverstanden ist", raunte Julius.
"Höchst wahrscheinlich nicht, weil sie erkennen müßte, daß sie dieses Ritual dann auch hätte durchführen können. Doch nun habe ich es durchgeführt, und das wird die werte Nachbarin etwas mißmutig stimmen", erwiderte Ursuline Latierre mit feistem Grinsen, als habe sie gerade einen sehr tollen Streich gespielt.
"Also, solange ich nicht an einer Art unsichtbarer Nabelschnur von ihnen Hänge oder wie ihre Töchter von ihnen gefüttert werden muß kann ich im Moment nur sagen: Vielen Dank, Madame Latierre!"
"Ach, das habe ich vergessen, und da wird mir die werte Antoinette auch nicht gerade einen Blumenstrauß für schicken. Dadurch daß wir beide für das Ritual in Verbindung standen gehörst du jetzt zumindest gesellschaftlich genauso zur Familie Latierre wie körperlich-genialogisch zur Familie Eauvive. Das heißt, du darfst, besser du möchtest uns alle bitte beim Vornamen nennen." Die versammelten Latierres starrten ihre Mutter, Schwiegermutter, Tante, oder Großmutter erst verdutzt an. Doch dann nickten sie. In ihren Gesichtern spiegelte sich dasselbe feiste Grinsen wie im Gesicht Ursulines. Julius verstand es. Sie hatten den Eauvives eins ausgewischt. Sollte er da jetzt drüber verärgert sein oder sich mit ihnen freuen? Diese wohlige Wärme und jetzt das Gefühl, munterer zu sein als vorher brachten ihn darauf, sich zu freuen. Catherine hatte recht. Wenn sie ihm was hätte tun wollen hätte sie es unauffälliger machen können. Ursuline Latierre küßte ihm auf die Wangen. Sie verzog das Gesicht so übertrieben, daß Julius es nicht ernst nehmen konnte.
"Antoinettes Lippenstift wird auch immer bitterer", sagte sie mädchenhaft grinsend. Die anderen Latierres lachten lauthals. Julius verstand, daß er, ob er wollte oder nicht, zwischen die Fronten eines waffenlos geführten Kleinkrieges zwischen den zwei größten Zaubererfamilien Frankreichs und ganz Südwesteuropas geraten war. Doch im Moment wog der Eindruck, den das Ritual auf ihn gemacht hatte zu schwer, als sich darüber zu ärgern oder zu amüsieren.
Nach diesem Spektakel wurde es noch eine amüsante Feier. Béatrice kam einmal zu ihm und bat ihn um ein kurzes Gespräch unter vier Augen. Er nickte. Er folgte ihr in ihren Behandlungsraum, wo sie einen Klangkerker errichtete. Dann setzte sie sich und sagte ruhig:
"Du hast vielleicht den Eindruck bekommen, überwältigt worden zu sein, Julius. Aber wenn Maman meint, du hättest diese Ehre verdient, dann trage sie und gestalte dir eine schöne Zukunft! Aber warum ich dich einbestellt habe hat einen anderen Grund: Hast du dir schon überlegt, wie du nach dem ungewollten Erlöschen des Corpores-Dedicata-Zaubers die zurückkehrenden Bedürfnisse ausgleichen kannst?"
"Ich fühle noch keine Bedürfnisse", log Julius. Doch Béatrice durchschaute ihn.
"So, dann hast du noch keine leidenschaftlichen Träume gehabt, seitdem Claire nicht mehr da ist?" Er stutzte. "Habe ich es mir doch gedacht. Sonst würdest du nämlich nicht unbewußt so auftreten, als könne jedes halbwegs willige Mädchen dich sofort in sein Bett holen. Ich sage deswegen Mädchen, weil ich weiß, daß du nicht gleichgeschlechtlich geneigt bist."
"Nichts für ungut, Béatrice. Aber von welchen Mädchen redest du konkret?" Fragte er und bekam die Antwort, die er erwartet hatte.
"Martine und Mildrid aus unserer Familie, sowie die jungen Hüpfer, die in der Eauvive-Familie herumgeschwirrt sind. Du hast es nicht wörtlich erwähnt, aber diese Sharon scheint wissen zu wollen, ob sie bei dir landen kann, nicht wahr?"
"Kein Kommentar, geheime Familiensache. Oder meinst du, weil wir beide im Bett waren ..." Sie sah ihn direkt heraus an, nicht böse oder warnend sondern erkennend.
"Na klar, du denkst jetzt, ich würde mich nicht an unsere Abmachung gebunden fühlen, daß das mit dem körpervertauschten Sexus nichts bleibendes war. Will sagen, du schließt von dir auf mich. Besser gesagt, du könntest dir vorstellen, natürlich nach einer ausreichenden Beschnupperungsphase, daß es zwischen dir und mir doch was geben könnte, was über den Beischlaf an sich hinausgeht, ihn aber nicht grundweg ausschließt."
"Öhm, das meinte ich nicht so", gab Julius perplex von sich. doch diese Hexe hatte ihn an einer schwachen Stelle erwischt. Denn auch sie war auf Claires Blumenwiese erschienen, als pflückreife Blume und als Frau, die nach einer schönen Blume zum Pflücken suchte. Offenbar hatte Antoinette recht, daß er doch seine Gefühle empfunden hatte, aber im falschen Körper. Er versuchte es mit einer Frechheit, um die Selbstsicherheit Béatrices auszuhebeln:
"zwischendurch habe ich schon geträumt, daß wir's miteinander getrieben haben. Aber dabei ist mir aufgefallen, daß du mir doch zu alt bist."
"Die passende Antwort wäre jetzt wohl: Schön, daß du es einsiehst, daß du mir zu jung bist. Aber da du es selbst nicht so recht glaubst und ich aus meiner glorreichen Familienchronik genug Fälle kenne, wo Zauberer mit blutjungen Hexen und Knaben mit mehrfachen Hexengroßmüttern noch schöne Zeiten zwischen Tisch und Bett erlebt haben ist das ein Grund, aber kein Hindernis. Dann dürfte Mildrid also die sein, die dich womöglich umwerben könnte. Falls du keine Latierre haben willst, aber immer wieder leidenschaftliche Träume hast, wirst du nicht darum herumkommen, bald wieder eine Freundin zu finden, egal ob sie jünger als du oder älter als ich ist. Denn eigenhändige Erleichterung wird dir schnell zu langweilig werden und du wirst händeringend nach einer suchen, die dich von deinen Bedürfnissen befreit. Ich weiß, in Beauxbatons ist das streng verboten. Deshalb solltest du zunächst wieder eine Kuschelpartnerin finden, womöglich eine richtige Beziehung aufbauen, um zu erkunden, wie stark du dich beherrschen kannst, bevor die Triebe übermächtig werden." Julius vermeinte ein Déjà Vu zu erleben, weil er ähnliche Sätze erst kürzlich gehört hatte. Er nickte nur. Béatrice sagte dazu nur:
"Im Zweifelsfall muß ich mich mit Madame Eauvive zusammentun um zu befinden, ob du Hilfe benötigst und in welcher Form. Das kannst du mir nicht verbieten, weil Maman dich mit der Lebenskraft angereichert hat, die sie uns im Mutterschoß gegeben hat und du mich damit was angehst."
"Sie wird dich vor die Tür setzen, weil sie das mit dem Ritual für eine pure Gemeinheit hält", sagte Julius.
"Ja, aber gemäß der Zuständigkeitsstatuten der magischen Heilkunst kann sie keinen Alleinbetreuungsanspruch auf dich geltend machen. Glaube es mir, Julius, ich habe vielleicht nicht die langjährige Erfahrung, aber dafür viel Enthusiasmus und vor allem Durchsetzungsvermögen. Bei den Schwestern und der Mutter mußte ich das erwerben. Noch mal zu Martine und Millie. jetzt mal rein hypothetisch: Wenn beide jetzt vor dir stehen würden und du dich sofort entscheiden müßtest, wen von beiden du nimmst, wer wäre das?"
Julius wollte diesem Psycho-Spiel einen Schlag versetzen und sagte laut: "Martine natürlich, weil ..."
"Erklärung nicht nötig", sagte Béatrice. Julius ärgerte sich. War er jetzt doch in eine Falle gegangen? Genauso hätte er ja Millie erwähnen können. Aber Martine erschien ihm so unwahrscheinlich, daß er meinte, sie zu erwähnen könnte Béatrice austricksen. Doch sie sagte nur: "Du hast nur eine Sekunde gebraucht und die Antwort gegeben, mit der ich zu zwei Dritteln gerechnet habe. Mehr ist im Moment nicht nötig. Ich bringe dich jetzt wieder zu deiner Mutter und Catherine, bevor letztere meint, wir hätten es wieder getan." Sie lächelte wohlwollend. Dann brachte sie Julius, der innerlich mit sich haderte zurück in den Festsaal. größtenteils schweigend verbrachte er den Nachmittag mit seiner Mutter, Catherine und dem Rest des Clubs der guten Hoffnung. Monsieur Ferdinand Latierre machte sein Julius' gegebenes Versprechen war und holte vier große Tonkrüge aus dem Weinkeller des Sonnenblumenschlosses, aus denen er denen, die ein wenig Alkohol trinken durften köstlichen Rotwein eingoss. Mit der derben bemerkung: "Jetzt können meine jüngsten Töchter endlich richtig pinkeln", trank er seinen vordringlich männlichen Gästen zu. Julius merkte jedoch nach dem zweiten Glas eine gewisse Beeinträchtigung seines Gleichgewichtssinnes und verzichtete höflich aber bestimmt auf ein drittes Glas des reichhaltigen Getränks. Kurz vor der Abreise trank Martha noch eine Dosis des Muggelbannhemmtrankes, den sie von Madame Delamontagne bekommen hatte. Ursuline bedankte sich noch einmal bei Martha und Julius Andrews. Dann brachte sie die beiden Gäste auf Demies Rücken zurück nach Millemerveilles, diesmal gesitteter und ohne die zänkischen Schwestern Barbara und Béatrice. Unterwegs sagte Julius noch einmal:
"Ich hoffe, dieser Zauber von ihnen wirkt nicht wie Auraveneris." Ursuline sah ihn amüsiert an und lächelte.
"Nein, so wirkt er nicht", sagte sie.
Im stockdunkler, aber sternenklarer Nacht landete Demie auf der nun pechschwarz erscheinenden Landewiese, wo die Dusoleils schon auf ihre Gäste warteten. Julius atmete durch, als sie im Haus der Dusoleils ankamen. Morgen wollte er mit seiner Mutter alleine über diese kurze Sitzung bei Béatrice sprechen, bevor er sich mit Aurora und ihrer Familie unterhalten wollte, die tatsächlich herübergekommen war, um in das neue Jahr zu feiern.
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