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Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Was bisher geschah | Vergangene Story

P R O L O G

Das sechste Schuljahr beginnt für Julius und die Zaubererschule Beauxbatons mit mehreren Neuheiten. Madame Faucon wird hauptamtliche Schulleiterin. Phoebus Delamontagne übernimmt das bisher von ihr unterrichtete Schulfach Verteidigung gegen dunkle Kräfte. Die aus Großbritannien angeworbene Eunice Dirkson übernimmt die Stelle als Verwandlungslehrerin. Sie bringt drei Kinder mit nach Beauxbatons, die unterschiedlichen Sälen zugeteilt werden. Außerdem beginnt der Thorntails-Schüler Cyril Southerland ein Austauschjahr in Beauxbatons. Überhaupt muß Julius als hauptamtlicher Saalsprecher des grünen Saales einiges überstehen. Da ist zum einen der muggelstämmige Erstklässler Hanno Dorfmann, der durch Mißhandlungen in der Kindheit die neue Schule nutzt, um sich durch einen mächtigen Fluch an seinen Eltern zu rächen. Um den auf seine Mutter geschleuderten Fluch umzukehren benutzt Madame Faucon den von Julius erlernten Fluchumkehrer, was dazu führt, daß Hannos Mutter statt in der Ferne zu sterben nach Beauxbatons versetzt wird und Hannos Todeszauber als Totalverjüngungszauber auf ihn zurückfällt, so daß seine Mutter ihn noch einmal austragen muß. Um zu klären, was es mit der angeblichen Höchststrafe für Pflegehelfer auf sich hat, gewährt Madame Faucon Mildrid und Julius eine Reise in den Erinnerungen der Beauxbatons-Mitgründerin Serena Delourdes. Dabei erfahren sie, daß einer der ersten Pflegehelfer zehn Jahre nach Schulgründung schwarzmagische Experimente mit Schülern und magielosen Außenstehenden gemacht hat, weshalb Serena vor der Wahl stand, die Pflegehelfertruppe aufzulösen oder drastische Strafen zu verhängen. Straffällig werdende Pflegehelfer werden jedoch nicht in Bettpfannen verwandelt, sondern durch Translokationszauber mit manipulierten Bettpfannen ausgetauscht und selbst auf Nimmerwiedersehen auf die Verbannungsinsel Utopia abgeschoben.

Das Quidditchturnier beginnt mit dem Spiel Rot gegen Grün. Obwohl keine Mannschaft die Dawn'sche Doppelachse benutzen darf und durch eine sehr unüberlegte Äußerung des Fluglehrers Dedalus der ehemalige Profisucher Beaufort für ihn eingestellt wird entwickelt sich das Turnier bald zu einer Entscheidung, wo außer Rot und Grün vielleicht noch die Blauen unter Kapitänin und Sucherin Corinne Duisenberg den begehrten Pokal gewinnen können. Millie und Julius gehen davon aus, daß es das letzte Schulturnier ist, das sie beide miterleben. Denn sie rechnen im nächsten Jahr mit einer Neuauflage des trimagischen Turniers. Außerdem gilt das Abkommen mit den Bewohnerinnen der Mondburg, daß die Latierres bis zum sechsunddreißigsten Monat nach ihrer frühen Hochzeitsnacht das erste Kind auf den Weg gebracht haben sollen.

Julius träumt vom Verschwinden der ehemaligen Lehrerin Tourrecandide und erfährt, daß diese wirklich auf merkwürdige Weise verschwand, als sie gegen Vampire vorging, die zwei magielose Kinder entführt haben. Er hört von Brittany Forester, daß diese im Dezember heiraten will und erfährt, daß Naaneavargia, die mal schwarze Spinne und mal überragend schöne Menschenfrau sein kann, aus Australien verschwunden ist. Was genau mit ihr geschah wird Julius überdeutlich offenbart, als es in der ewig über der Erde fliegenden Himmelsburg von Ailanorars Vogelmenschen zu einem Machtwechsel kommt und er von den neuen Machthabern genötigt wird, Ailanorars Zauberflöte wieder an sich zu nehmen. Dabei erfährt er, daß Naaneavargia mit einer anderen Hexe körperlich und geistig zu einer Person verschmolzen ist und bekommt mit, wie der abgesetzte König den Streit der neuen Machthaber nutzt, um seine Herrschaft zurückzuerobern. Julius muß den gegen Menschen verbotenen Imperius-Fluch benutzen, um die Zerstörung der Himmelsburg zu verhindern. Die Vogelmenschen wollen ihn jedoch nicht auf die Erde zurücklassen. Er hat jedoch damit gerechnet und deshalb einen besonderen Portschlüssel bei sich, der auf ein bestimmtes Wort hin in Kraft tritt. Er verbirgt die Flöte in einer Schachtel, die mit dem Zeitverzögerungszauber Conservatempus belegt ist, um die geistige Verbindung zwischen Ailanorar und seiner nun mit der anderen verschmolzenen Schwester zu unterbrechen.

Was die neue Hexenlady kann erfährt die magische Weltöffentlichkeit im November, als diese in New Orleans einen Zombiemeister in eine große Silberkugel einsaugen und dessen Geist aus dem Körper heraustreiben läßt. Julius muß fürchten, daß die Verschmelzung zwischen Anthelia und Naaneavargia es weiterhin auf ihn abgesehen haben könnte und das vereinte Wissen aus der alten und der neuen Zeit nutzen wird, um Sardonias Erbschaft wieder aufblühen zu lassen.

In den Weihnachtsferien wohnen die Latierres und Julius Mutter zum einen der Familienfeier der Eauvives bei. Hierbei wird Martha Andrews von Antoinette Eauvive und ihrem Mann adoptiert, um in der magischen Welt sicherer aufgehoben zu sein. Außerdem besuchen die Latierres und Julius Mutter Brittany Forester, die am 29. Dezember den Zauberer Linus Brocklehurst heiratet. Aus Viento del Sol bringen die Latierres den Knieselkater Stardust, also Sternenstaub mit nach Frankreich.

Im Februar treten alle Sechstklässler und Bernadette Lavalette, die wegen der anstehenden Volljährigkeit auch daran teilnehmen darf den zaubereiministeriellen Apparierkurs an. Mildrid und Julius erklären sich bereit, als Hospitanten ihren Mitschülern zu helfen, die Kunst des zeitlosen Ortswechsels leichter zu erlernen. Dabei kommt heraus, daß Laurentine Hellersdorf ein Naturtalent im Apparieren ist. Dies und Laurentines immer besser werdende Zauberfertigkeiten rühren daher, daß in Laurentines Zauberstab das Haar aus dem Schweif einer zum Zeitpunkt der Haargewinnung mit einer Tochter trächtigen Einhornstute enthalten ist, was eine besonders gute Zauberkraftausnutzung bei selbst noch heranwachsenden Hexen begünstigt.

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Hallo Julius und auch Mildrid!

Linus und ich haben uns gut von unserer Hochzeit erholt und, was bestimmt sehr wichtig ist, bis heute wunderbar miteinander vertragen. Er schnarcht nicht. Ich schnarche nicht. Sowas ist ja in der Zaubererwelt eigentlich erst rauszufinden, wenn ein Paar verheiratet ist. Es sei denn ... Ihr wißt es ja.

Jedenfalls stimmt mir Linus zu, daß dann, wenn ihr Osterferien habt, ihr ruhig noch mal zu uns nach VDS rüberkommen mögt. Am Samstag vor Ostern spielen wir gegen die Misty Mountain Peaks. Die sind zwar nicht so hart wie die Bugbears oder Slingshots. Aber die werden uns nicht jeden Pot holen lassen, den wir brauchen, um den goldenen Pot zu verteidigen.

Wie sieht das bei euch aus? Meinen die anderen alle noch, ihr würdet den Pokal zwischen euch ausmachen, bevor das letzte Spiel gelaufen ist? Gut, ihr habt ja schon im ersten Spiel gegeneinander antreten müssen. Aber ich erinnere mich noch gut, daß die anderen bei euch erst blöde Sprüche gemacht haben.

Wenn ihr also könnt und mögt schreibt es uns.

Bis dann!

Brittany Brocklehurst

P.S. Jetzt habe ich Übung mit dem Namen.

Sehr geehrter Monsieur Latierre,

als die von Ihnen und Ihrer Frau mit der Hege und Pflege Ihrer Latierre-Kuh Artemis vom grünen Rain betraute Fachhexe möchte ich Sie und ihre Gattin darüber in Kenntnis setzen, daß es mir und meiner Schwester Béatrice mit einer unerwartet großen Portion Gelassenheit des von Ihnen bei mir zur Pflege lebenden Tierwesens herauszufinden gelang, daß Artemis vom grünen Rain mit einem männlichen Kalb trächtig ist und dieses voraussichtlich zwischen dem 29. September und 20. Oktober 1999 zur Welt kommen wird. Die genaue Tragzeit eines weiblichen Latierre-Rindes, die die Wandlung von der Färse zur Kuh bezeichnet, ist selbst für ausgewiesene Expertinnen wie meine Großmutter mütterlicherseits und meine Mutter schwer einzugrenzen. Die genaue Geschlechtsbestimmung erfolgte mit Hilfe des sonst bei medimagischen Erkundungen innerer organe oder eines Ungeborenen Menschen verfügbaren Instrumentes, das eine Einschnittfreie Sichtung eines Fötus gestattet. Durch die so gewonnene Kenntnis über das Geschlecht des Kalbes stellt sich nun das Problem oder auch die zu treffende Entscheidung ein, wo das Kalb untergebracht werden soll, wenn es endgültig von der Mutter entwöhnt ist und/oder die ersten Merkmale einsetzender Geschlechtsreife zeigt. Am besten erörtern wir dies im Sommer, wenn Sie beide längere Ferien haben. Denn die Unterbringung eines Latierre-Bullen, sofern Sie nicht beabsichtigen, ihn frühzeitig kastrieren zu lassen, fordert eine dafür geeignete Umgebung und fachkundiges Betreuungspersonal. Falls Sie beide Lust haben, sich den Entwicklungsstand der Trächtigkeit der Ihnen gehörigen Latierre-Kuh anzusehen senden Sie mir bitte eine Nachricht, wann ich mit Ihrem Besuch rechnen darf.

Mit freundlichen grüßen

Barbara Latierre

"Beamtin", knurrte Julius, als er den Brief seiner Schwiegertante gelesen hatte. Er legte die beiden Briefe in seinen Practicus-Brustbeutel. Bei nächster Gelegenheit würde er sie Millie zu lesen geben.

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Er war schon mal hier gewesen. Die halbmondförmige Burgmauer umgab ihn. Vor ihm, im silberweißen Licht des Erdbegleiters, standen sie alle aufgereiht, die sechsunddreißig Bewohnerinnen dieser geheimnisvollen Festung. Neben ihm stand seine Frau. Beide waren unbekleidet, während die Töchter der großen Himmelsschwester ihre langen, weißen, wallenden Gewänder mit den Symbolen des Mondes aus allen Phasen trugen. Die Oberste der Mondtöchter stand den Latierres am nächsten. Ihr dunkles, bis zu den Hüften herabwallendes Haar umspielte das blütenweiße Gewand. Sie trug eine Kette aus schweren, silbernen Gliedern, an der eine ebenso silberne Kugel hing, die Julius an die sichtbare Seite des Mondes denken ließ. Und genau wie das Original erstrahlte das kugelförmige Schmuckstück der ersten Mondtochter in einem hellen, fast weißen Silberglanz. Die Latierres fühlten die Kraft, die aus dem magischen Schmuckstück strömte und gingen langsam auf die oberste Hüterin dieser versteckten Festung zu, deren drei schlanke Türme in den klaren Sternenhimmel ragten und mit ihren weißen Kugelaufsätzen wie drei Abkömmlinge des über ihnen stehenden Mondes wirkten.

"Ich weiß, daß ihr beide euch dem Erlernen und Erproben eurer übernatürlichen Gaben hingeben müßt, wollt ihr im Leben frei und unabhängig bestehen", sagte die oberste Mondtochter mit einer warmen, unbestreitbares Vertrauen einflößenden Stimme. "Ich weiß auch, daß ihr unser Abkommen nicht vergessen habt. Doch ist es von unserer Seite her wichtig, euch beide noch einmal daran zu erinnern, daß der Bund, den wir euch haben schmieden lassen, bald die fleischliche Bekräftigung erfahren soll. Denn es sind nur noch zwölf Kreise unserer himmlischen Mutter übrig, bis die heilige Frist verstrichen ist. Wenn der letzte Kreis der großen Himmelsschwester, unserer himmlischen Mutter, vollendet ist, mußt du, Mildrid, von dir, Julius, neues Leben in deinem Leibe willkommen geheißen oder aus diesem in die Welt geboren haben. Denn sonst ist euer Bündnis verwirkt und ihr werdet nie wieder die Freude der Liebe fühlen können. Solltet ihr nicht bis in zwölf Mondkreisen den geschlossenen Bund in eurem ersten Kinde bekräftigen, so werdet ihr alles vergessen, was ihr füreinander wart, und du, Mildrid, wirst nur die Wahl haben, eine der unsrigen zu werden oder dahinzuwelken wie eine Blume in der Hitze des Sommers. Dies künde ich euch beiden, auf das ihr erkennt, daß ihr die Vereinbarung einlöst, die ihr mit uns und unserer Mutter, der großen Himmelsschwester, getroffen habt." Julius wollte schon was sagen, als sich die Mondtöchter und ihre Burg in einem von der kleinen Mondkugel ausgehenden Lichterflut auflösten. Julius fühlte einige Sekunden seine Frau neben sich in diesem hellen Licht treiben, hörte ihren Herzschlag und ihren Atem. Dann erwachte er in seinem Bett im Schlafsaal der Sechstklässler des von Viviane Eauvive gegründeten Wohntraktes von Beauxbatons.

"Monju, hast du auch von den Mondtöchtern geträumt?" Empfing er Millies Gedankenfrage. Er legte seine pulsierende Hälfte des rubinroten Herzanhängers auf die Stirn und dachte zur Antwort:

"War mir irgendwie klar, daß die irgendwann eine Art Erinnerungsbotschaft senden, Mamille. Hoffentlich passiert das jetzt nicht jede Nacht."

"Hmm, könnte sein, weil ich gerade wohl was kleines von dir bei mir einziehen lassen kann, Monju. Die wissen wohl nicht, wie wir hier untergebracht sind", vermutete Millie.

"Ich denke, die wissen besser als wir zwei, was um uns und mit uns los ist, Mamille. Die haben uns beim Lauf über die Brücke ganz sicher komplett ausgekundschaftet. Außerdem kann die oberste Mondtochter Gedanken lesen. Die wissen, wo und wie wir leben und was mit uns los ist."

"Stimmt wohl. Dadurch, daß wir in deren tollem Bett Hochzeit gefeiert haben haben die sicher so eine ähnliche Verbindung zu uns beiden wie du zu Temmie oder wir durch die beiden Herzanhänger zueinander", sah es Millie ein. "Na ja, aber wir wollen ja eh im nächsten Jahr Aurore oder Taurus haben." Julius wollte schon einwerfen, daß er auch noch ein Jahr länger warten konnte. Doch einerseits hatte Millie ihn mit ihrer immer größer werdenden Vorfreude auf ein eigenes Kind angesteckt. Andererseits war es egal, ob er erst mit vierzig Vater würde oder eben schon mit Siebzehn oder achtzehn. Denn Studieren ließ sich das nicht.

"Wir sind uns ja einig, daß wir erst dieses Schuljahr richtig hinter uns haben wollen", erinnerte Julius seine Frau noch einmal an die getroffene Absprache. Millie bestätigte es. Jetzt wegen einer als Traum verschickten Erinnerung an bestehende Abkommen in Hektik zu verfallen und die Bedingungen weit vor Ablauf der Frist zu erfüllen brachte beiden nichts ein. Sicher, Constance hatte unfreiwillig bewiesen, daß es ging, ein Kind in Beauxbatons zu kriegen und mit der Hilfe von Mitschülern und Schulheilerin aufzuziehen. Doch selbst Millie erkannte, daß sie besser auf diese große Veränderung vorbereitet sein wollte. Außerdem wollte sie noch beim Quidditchturnier mitspielen und ihrer Mannschaft helfen, den Pokal zu gewinnen. Das wußte auch Julius. So beließen es beide dabei, diesen Traum nur als Bestätigung zu sehen, daß sie beide damals vor nun fast zwei Jahren die richtige Entscheidung getroffen hatten. Denn nur deshalb hatten die Mondtöchter ihnen beiden zeitgleich und durch die bestehenden Schutzzauber um Beauxbatons hindurch diesen Traum schicken können. Millie bekräftigte über die Herzverbindung nur:

"Zu meinem achtzehnten liegt das erste von uns schon bei mir drin, Monju. Deshalb habe ich keine Angst vor irgendwelchen Strafsachen aus der Mondburg."

"Und was wünschst du dir zum siebzehnten?" Wollte Julius wissen.

"Den Quidditchpokal, Süßer", schickte seine Frau ihm zurück.

"Den werden meine Mannschaftskameraden dir nicht freiwillig rausgeben. Da müßt ihr gegen die Weißen und Gelben gut ranklotzen", erwiderte Julius.

"Das kriegen wir hin, Monju. Schlaf noch ein bißchen, bevor wir zwei die Weckrunde machen müssen!"

"Du auch", schickte Julius zurück. Dann hängte er sich seine Hälfte des Herzanhängers wieder so, daß sie unter seiner Schlafanzugjacke pulsierte.

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Constance Dornier klang sichtlich angespannt, als die Partie Weiß gegen Rot oder Rot gegen Weiß bevorstand. Offenbar ahnte sie da schon, daß ihr Saal an diesem Tag alle Hoffnungen auf einen Platz unter den ersten Dreien begraben würde. Das es jedoch so überwältigend deutlich passierte hatten die Weißen sich wohl nur in ihren schlimmsten Alpträumen ausmalen können. Zunächst schossen die Roten innerhalb einer Stunde 30 Tore, während die Weißen es durch riskante Weitwürfe schafften fünf Tore zu erzielen. Dann erhaschte Horus Dirkson noch den Schnatz, während sein Gegenspieler aus dem weißen Saal am anderen und damit völlig falschen Ende des Feldes gerade einmal aus der Anflugbahn der beiden Klatscher entkommen konnte. Damit erhöhte sich das Debakel für Constances und Belisamas Saal auf 450 Punkte. Die maßlose Enttäuschung war der Stadionsprecherin anzuhören, als sie den erschütternden Endstand verkünden mußte. Allerdings übertönte sie der Jubel der Roten total.

"Oha, wenn die Sandrines Mannschaft so einstampfen wie die Weißen kriegt Millies Mannschaft echt noch den Pokal", unkte Julius.

"Ja, weil die weißen so einen total bescheuerten Sucher haben", schnarrte Céline. "Gegen Sandrine wäre Horus wohl nicht an den Schnatz gekommen. Dann hätte deine Angetraute und ihre wilde Hummel von Tante gerade dreihundert Punkte erwischt. Ich kann nur hoffen, daß Sandrine denen im letzten Spiel durch frühen Schnatzfang die Torlaune verhagelt und wir gegen Corinnes Truppe lange genug mitspielen und genug Tore schießen können und daß Monique den Schnatz kriegt. Dann bleibt der Pokal grün. Das darfst du Millie gerne bestellen"."

"Ja, mach ich", entgegnete Julius darauf nur. Hoffentlich kam Céline nicht darauf, ihm zu unterstellen, er wolle seiner Frau den Pokal überlassen. Sowas hatte Hercules Moulin vor bald zwei Jahren behauptet, als Millie und er mit den Herzanhängern im pariser Ausgangskreis gestanden hatten.

"Gratulieren müssen wir zumindest, Céline", sagte Julius, als sich die ersten Roten anschickten, ihrer Mannschaft zum turmhohen Sieg zu gratulieren. Céline maulte nur, was im lauten Jubeln und Klatschen rettungslos unterging. Julius eilte hinunter auf das Spielfeld. Louis Vignier folgte ihm. Der neue Mitspieler der Grünen steuerte Apollo Arbrenoir an, der jedoch von einer immer größeren Traube von Hexen aus dem Roten, violetten und blauen Saal eingeschnürt wurde. Julius erreichte seine Frau nicht sofort, weil Caroline Renard früher aufgestanden war als er. Deshalb gratulierte er zunächst seiner Schwiegertante Patricia, deren derzeitiger Freund Marc Armand gerade von den Zwillingen Callie und Pennie über das Feld getragen wurde.

"Gegen die Gelben kriegt ihr so'n Ergebnis nicht hin, Pattie!" Rief Julius. "Sandrine ist da besser. Außerdem will sie es jetzt wissen, ob das gegen Monique nur ein Versehen war."

"Rot steht dem Pokal besser als grün", erwiderte Patricia, die die Gunst der Minute nutzte und Julius in eine enge Umarmung schloß. "Was immer Sandrines Leute meinen, noch hinzukriegen, wir holen den Schnatz und genug Punkte, um am Ende den Pokal zu küssen, Kleiner."

"Häh, Kleiner? Du bist ein wenig kürzer geraten als ich", erwiderte Julius und hob die drei Jahre jüngere Schwiegertante vom Boden hoch. Sie genoß es wohl und kuschelte sich an ihn.

"Ui, du bist echt kräftig, Julius. Da wird Millie sich freuen, wenn du ihr beim Lakentanz nicht zu früh schlapp machst", schnurrte sie. Die erwähnte kam gerade vom Feld herunter.

"Na, Tantchen, wirst doch nicht deinen eigenen Großneffen kriegen wollen, oder?" Fragte sie Patricia. Julius ließ die Drittklässlerin auf ihre Füße kommen. Doch sie klammerte sich noch an ihm fest wie ein Affenbaby an seiner Mutter.

"Dann bekäme ich Ärger mit Ma, weil die sich eher auf einen Urenkel freut als auf noch ein paar Enkel", sagte sie ihrer drei jahre älteren Nichte. Dann erst ließ sie von Julius ab, weil sie sah, daß ihre gleichaltrigen Nichten Calypso und Penthisilea Marc gerade auf die eigenen Füße gestellt hatten und lief zu ihm hinüber.

"Dieses kleine Biest nutzt das aus, daß die für uns geltenden Anstandsregeln nicht für sie gelten", knurrte Millie und ließ sich von Julius beglückwünschen. Er sagte ihr jedoch sofort:

"Lass ihr die Freude. Wenn Sandrine euch im letzten Spiel die Tour vermasselt und wir genug Punkte gegen die Blauen holen hat sie keine Freude mehr."

"Das glaubst du aber, daß wir so früh aus dem letzten Spiel fliegen, Süßer", grummelte Millie, bevor sie Julius einmal kurz knuddelte. "Apollo will beim Abschied den Pokal hochhalten. Horus will bei Émilie Dubois landen und ich möchte vor den UTZs den Pokal einmal küssen."

"Ja, dann fällt der euch doch von ganz alleine zu, wenn das alles so klar ist", feixte Julius und erwähnte Monique, die den Pokal in ihrem letzten Schuljahr bestimmt auch noch mal gerne hochgehalten hätte. Millie grinste darüber nur. Dann ließ sie Julius zu den anderen Spielern der Roten.

"Cyril behauptet, daß dieses Spiel echt öde sei", gab Gaston etwas weiter, was er wohl gerade gehört hatte. "Der wollte heute nicht zugucken. Aber Apollo hat dem eingeschärft, daß die Lehrer das komisch finden würden, wenn wer nicht zuguckt. Darauf hat der gemeint, daß Quidditch keine Religion sei und selbst gläubige Anhänger nicht zu jeder Predigt in ihre Kirche oder sonstige Gebetsanstalt reingingen."

"In den Schulregeln steht nichts von Anwesenheitspflicht bei Quidditchspielen. Da ist nur von den Essenszeiten und offiziellen Schulfeiern die Rede, von der Anwesenheitspflicht auf dem Pausenhof während der großen Pause zu schweigen", wußte Julius aus den Schulregeln einzuwerfen. Dann fragte er Gaston, wo Cyril denn gewesen sei.

"Wird sich entweder in der Bib hinter irgendwelche Bücher geklemmt haben oder im roten Saal rumhängen. Solange der da keinen Drachenmist verzapft soll mir das voll egal sein, wo der sich rumdrückt", erwiderte Gaston. Julius nickte. Ob der US-amerikanische Austauschschüler einer Quidditchpartie zusah oder nicht konnte ihm komplett egal sein. Er sah sich um und erkannte, daß bis auf Bernadette Lavalette alle Bewohner des roten Saales auf den Zuschauerrängen oder auf dem Weg zum Quidditchfeld waren. Bernadette fehlte auch? Nun, daß diese nicht sonderlich für Quidditch schwärmte war Julius nicht neu. Auch würde sie wohl kaum Millie oder Patricia gratulieren wollen. Aber daß sie gleich nach dem Schlußpfiff abgezogen war war neu. Denn als sie noch mit Hercules gegangen war hatte sie immer gratuliert oder sich zumindest angesehen, wie die Mannschaften gespielt hatten.

"Und der Pokal wird rot", freute sich Apollo, Als Julius ihm gratulierte. Ich darf den hochhalten, bevor ich durch die UTZ-Mühle gedreht werde."

"Wir zwei sind doch noch ein Jahr hier", tat Julius verwundert.

"Tja, aber womöglich gibt's im nächsten Jahr kein Quidditch, weil deine Schwiegermutter dieses Trimagieturnier mit denen aus deinem Geburtsland und den Russen neu aufzieht. Millie behauptet sowas zumindest. Da will ich diesen Riesenkelch gerne dieses Jahr schon mal ansetzen, bevor die nächstes Jahr kein Quidditch spielen lassen wie damals, wo das bei euch über die Bühne ging", erwiderte Apollo Arbrenoir.

"Monique wird in diesem Jahr mit Beauxbatons fertig. Gönn ihr und damit uns den Pokal!" Erwiderte Julius darauf.

"Dann seht zu, daß ihr die Blauen mit tausend Punkten im Boden versenkt. Sonst kriegt ihr den Trinkbecher nämlich nur aus hundert Metern Abstand zu sehen", tönte Apollo zurück.

"Macht erst mal so viele gegen die Gelben, wo Sandrine den Schnatz schon fünf Minuten nach dem Anpfiff zu sehen kriegt", konterte Julius. "Kannst ja gerne ausrechnen, wie viele Punkte ihr mindestens braucht, um mindestens eine Hand am Pokal zu haben."

"Falls die kleine Corinne uns beiden nicht die Stimmung verhagelt und ihre Truppe die Violetten so heftig plattmacht, daß die Weißen noch über die lachen können. Aber dieses Jahr kriegen wir den Pokal, ob mit oder ohne Dawn-Doppelachse", bestand Apollo darauf, daß der Turnierpokal diesmal für den roten Saal sein würde. Julius beließ es bei diesem Stand des Wortgefechtes. Was wirklich zählte wurde eh auf dem Feld entschieden.

Die Saalsprecherkonferenz bezog sich auf den in drei Wochen stattfindenden Elternsprechtag, der die Osterferien einleitete. Laurentine hatte einen Brief von ihren Eltern bekommen, daß diese nur mit Madame Faucon reden wollten, um dieser anzukündigen, daß Laurentine nach diesem Schuljahr endgültig mit Beauxbatons fertig zu sein habe und sie bis zum achtzehnten Geburtstag Laurentines immer noch das Sorge- und Bestimmungsrecht für ihre Tochter hätten. Darauf sagte die Schulleiterin ganz ruhig:

"Sie wissen, daß Sie mit Vollendung des siebzehnten Lebensjahres die Volljährigkeit nach den Gesetzen der magischen Rechtsprechung erreicht haben, Mademoiselle Hellersdorf. Insofern dürfen Ihre Eltern Sie nicht daran hindern, Ihre Ausbildung hier oder anderswo fortzusetzen, auch wenn sie sich auf die Bestimmungen ihrer Lebenswelt berufen, die die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres als Eintritt in die Volljährigkeit festgelegt haben. Sogesehen wären Ihre Eltern nicht mehr verpflichtet, den Elternsprechtag in Beauxbatons wahrzunehmen. Daß jedoch in meiner bisherigen Zeit als Lehrerin und jetzigen Zeit als amtierende Schulleiterin auch die Eltern volljähriger Schülerinnen und Schüler das Angebot wahrnahmen, sich über den Ausbildungsstand ihrer Kinder zu informieren zeigt mir und den Kollegen des Lehrkörpers, daß es den betreffenden Elternpaaren schon wichtig ist, daß ihre Kinder eine umfassende, gründliche und für die Zukunft ausschlaggebende Ausbildung erfahren. Da die Kollegin Professeur Dirkson, sowie der Kollege Professeur Delamontagne jedoch schon bei mir vorgesprochen haben, ob sie ihrerseits mit Ihren Eltern Kontakt aufnehmen möchten oder es mir überlassen sollten, in ihrem Namen zu sprechen werde ich Ihre Eltern heute noch anschreiben und sie höflich aber mit entsprechender Begründung darauf hinweisen, daß es wichtig für Ihre Zukunft ist, daß Sie ihre Ausbildung vollenden und auf den Erwerb der UTZ-Abschlüsse hinarbeiten. Falls Sie dies möchten kann ich Ihre Eltern gerne noch einmal darauf hinweisen, daß von der Ausbildungsabteilung her darauf geachtet wird, ob bei uns lernende Hexen und Zauberer von ihrer Familie her gefördert oder behindert werden. Der Umstand, daß Sie selbst nicht nur erkannt haben, welche großartige Ausbildungsmöglichkeiten Sie hier haben, sondern auch, daß Ihre Eltern sie trotz der erneut offenbarten Ablehnung Ihrer magischen Ausbildung frühzeitig genug zu dem für Ihre Region angelegten Ausgangskreis bringen läßt mich hoffen, daß wir vom Lehrkörper der Beauxbatons-Akademie und Ihre Eltern zu einer vernunftbasierten Übereinkunft gelangen werden. Ob diese Hoffnung reinem Wunschdenken oder erkennbaren Anzeichen entstammt wage ich jedoch im Moment nicht klar zu bestimmen."

"Gut, meine Eltern wissen zum Beispiel nicht, daß ich den Apparierkurs mitmache, obwohl sie mir das nicht erlaubt haben. Außerdem wissen die auch nichts von der Beziehung zwischen mir und meinem zauberstab", erwiderte Laurentine. "Oder hat Professeur Delamontagne ihnen darüber was geschrieben?"

"Da Sie zum Zeitpunkt des Kursbeginns bereits volljährig waren war und ist es Ihr Recht, diese Unterweisungen zu erhalten. Was die besondere Verbindung zwischen Ihnen und Ihrem Zauberstab angeht so werden wir Ihre Eltern nur dann darüber informieren, wenn diese nach wie vor der Ansicht sein sollten, Sie würden hier in Beauxbatons eh nichts brauchbares lernen. Falls Sie möchten können Sie ihre Eltern auch noch einmal darauf hinweisen, daß Sie hier in Beauxbatons genug Möglichkeiten an die Hand bekommen, sich ein einträgliches Leben aufzubauen und daß es im Interesse jedes Elternpaares liegen möge, daß ein Sohn oder eine Tochter eigenständig und damit einhergehend eigen- und mitverantwortlich zu leben erlernt."

Laurentine nickte schwerfällig. Doch dann straffte sie sich und sagte, daß sie ihre Eltern noch einmal anschreiben wolle, daß sie zumindest mit den beiden neuen Lehrern sprechen sollten. Professeur Fixus, die als Stellvertreterin Madame Faucons der Konferenz beiwohnte schaltete sich nun ein. Mit ihrer wie Windgeheul durch Türritzen klingenden Stimme sagte sie:

"Ich bin zwar nicht die mit den Obliegenheiten des grünen Saales betraute Lehrerin. Doch ich möchte doch aus der Erfahrung mit ohne Magie auskommenden Elternpaaren hiesiger Schülerinnen und Schüler einwerfen, daß ich schon einen Sinn darin sehe, daß alle Kolleginnen und Kollegen, die den betreffenden Schüler oder die betreffende Schülerin unterrichten sehr gerne und meistens sehr konstruktiv mit den Eltern sprechen, um die Lernfortschritte und Lernziele zu verdeutlichen, um den Elternpaaren ihr Recht auf umfassende Kenntnis zu gewähren. Die allermeisten Elternpaare wertschätzen diese Möglichkeit der direkten Unterredung und erkennen an, daß ihre Kinder bei uns nicht nur in der Ausübung, sondern auch Auswahl der hier unterrichteten Zauber und Tränke gut geführt und angeleitet werden. Sicher dürfen sich Elternpaare im Vorfeld des Sprechtages entscheiden, mit welchem Mitglied des Lehrkörpers sie gesondert sprechen möchten. Es ist jedoch auch so, daß wir vom Kollegium uns durchaus an die Eltern wenden, um sie zu direkten Unterredungen einzuladen, wenn wir der Meinung sind, daß deren Kinder besonders schlecht bis besonders gut lernen und mitarbeiten und dies entsprechend zur Kenntnis gebracht werden muß. Gerade bei Ihnen, Mademoiselle Hellersdorf, konnte ich in den bald verstrichenen sechs Jahren eine deutliche Wandlung vom kontraproduktiven zum höchstkonstruktiven beobachten und möchte dies sehr gerne Ihren Eltern mitteilen, daß ich mit dieser Ihrer Entwicklung höchstzufrieden bin und hoffe, daß diese sich fortsetzt. Nur damit Ihr Herr Vater es vielleicht doch einmal begreift, daß die Alchemie keine Scharlatanerie ist, als die er sie trotz aller bisherigen Erläuterungen meinerseits immer noch sieht. Dies ist meine persönliche Meinung als Sie unterrichtende Fachlehrerin."

"Meine Mutter kommt auf jeden Fall her, auch und vor allem um die neuen Lehrer kennenzulernen", wandte Julius ein, als er das Wort erhielt. Millie nickte beipflichtend. "Auch wenn meine Mutter längst weiß und befürwortet, wie und wozu ich hier unterrichtet werde liegt ihr was daran, die ihr möglichen Gesprächstermine mit meinen Lehrern wahrzunehmen. Mehr möchte ich dazu nicht einwerfen."

"Meine Eltern kommen auch her, auch wenn ich jetzt für mich selbst entscheiden muß, was ich tun und lassen will", sagte Millie dazu noch. Apollo, Corinne und Sandrine nickten heftig. Damit hatte Laurentine die Rückendeckung, um ihren Eltern eine Antwort zu schreiben, die zwar höflich formuliert aber mit dem nötigen Druck verfaßt werden konnte.

Am Abend unterhielt sich Julius mit Esther Dirkson über Hogwarts. Julius hatte erfahren, daß Ravenclaw gegen Gryffindor gewonnen hatte, weil Kevin kein Tor zugelassen hatte. Da die Dirksons ja alle in Gryffindor gewesen waren war Esther nicht so begeistert von diesem Ergebnis wie Julius. Als dieser ihr noch erzählte, daß Kevin ja nur deshalb als Hüter für Ravenclaw spielen konnte, weil jemand ihn aus dem Sumpf der Umbridge-Kommission weggeholt hatte meinte sie einen Moment lang: "Hätte diese Kröte sich den besser geholt." Doch dann erbleichte sie und schüttelte sich von dieser Bemerkung höchst angewidert. "Oha, vergiss das besser wieder, Julius! Die alte Sabberhexe hat meinen Vater auf dem Gewissen. Die soll in Askaban verrottten. Jeder, der der von der klebrigen Zunge gesprungen ist soll zeigen, was er oder sie drauf hat."

"Deine Mum hat dir sicher auch erzählt, warum Kevin von dieser Giftkröte angeklagt werden sollte", erwiderte Julius. Doch das wußte Esther natürlich und nickte. Dann sagte Julius noch: "Harry Potter hat alle Schnatze des Turniers gefangen. Da kriegt der auch den gegen die Slytherins. Wenn die schon keinen gescheiten Sucher fanden, als das Turnier schon lief, dann sollen sie es auch verlieren."

"Das stimmt", pflichtete Esther ihm bei.

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Da Sandrine ihren Geburtstag nicht genau am betreffenden Tag feiern konnte, trafen sich alle, die sie ausdrücklich eingeladen hatte am Samstag vor dem Spiel Blau gegen Violett in der kleinen Aula. Julius hatte für Sandrine ein eigenes Geburtstagsständchen verfaßt und es mit dem Melodigraphen in nachspielbare Noten übertragen lassen. Außerdem hatte er ihr von Gloria Porters Mutter einen kleinen Kosmetikkoffer zuschicken lassen, der sogar noch einen sich selbst vergrößernden oder einschrumpfenden Frisier- und Schminkspiegel enthielt. Gérard hatte seiner Freundin ein himbeerfarbenes Ballkleid und eine silberne Haarspange mit Regenabweisezauber besorgt. Sandrine bemerkte dazu, daß sich das sehr schön machen würde, wenn sie und er beim Schuljahresabschlußball als Brautpaar tanzen würden. Gérard, dem Sandrines Tempo nicht sonderlich behagte, erwiderte darauf:

"Wir sind noch ein Jahr hier. Wenn du dann wirklich meinst, mich das ganze Leben lang aushalten zu wollen kannst du mich ja im nächsten Jahr auf den Besen heben. Céline will Robert auch nicht so früh klarmachen."

"Wie das klingt, klarmachen", schnaubte Sandrine mit unverhohlenem Unmut. "Wenn du echt der Meinung bist, daß wir zwei nach Beaux zusammenleben und eine eigene Familie haben können, dann gönn mir die Freude, dich im Mai auf den Besen zu heben und sei nicht so ein Feigling wie euer Mogel-Eddie oder die Rossignol-Zwillinge. Oder sag mir das gleich, daß du dir das überlegt hast, daß es mit uns nichts wird. Dann ersparst du mir eine große Blamage."

"Neh, nicht heute, Sandrine. Wir klären das noch mal ab, wenn wir Zeit für uns alleine haben", erwiderte Gérard darauf. Sandrine funkelte ihn verärgert an und zischte:

"Entweder diesen Sommer oder gar nicht, Gérard."

"Eh, Sandrine, das ist fies. Du machst mit dem überhöhten Tempo alles kaputt, was zwischen uns ist", knurrte Gérard. "Ich lasse mich sehr gerne auf deinen Besen heben. Aber ein Ehegattenzimmer will ich hier nicht haben. Das können Millie und Julius gerne haben."

"So, du meinst, das wäre zu früh für dich oder?" Fragte Sandrine. Julius, der gerade mit Millie an der improvisierten Bar stand und Kürbissaft genoß strengte sich an, unbeteiligt zu wirken.

"Auch wenn du dir die Partystimmung damit selbst gerade versaust, Sandrine, ja, es ist mir zu früh. Robert hat das zu Céline auch gesagt, daß er nicht vor den UTZs so festgelegt werden will und ..."

"Ach, dann würdest du dich von mir auf den Besen heben lassen, wenn Céline ihren Freund auf den Besen ruft?" Fragte Sandrine und erwischte Gérard damit ziemlich kalt.

"Ich springe dem nicht hinterher oder quatsche dem alles nach, Sandrine. Aber in dem Punkt hat er wohl recht. Erst die UTZs, dann das ganze restliche Leben."

"Ich dachte eigentlich, du wärest über das mit Millie weg und hättest das klar, daß du mit mir zusammenbleiben möchtest. Oder ist da mittlerweile wer anderes?"

"Neh, Sandrine, nicht auf die Tour. Da ist keine und wird auch im nächsten Jahr keine sein, wenn du jetzt nicht so heftig drauf losgehst, mich noch in diesem Sommer vor einem Zeremonienmagier zu treffen. Was Julius und Millie angestellt haben mag für die beiden genial gelaufen sein. Mir würde sowas Angst machen. Abgesehen davon will ich erst ein paar Galleonen verdienen, bevor jemand Papa zu mir sagt."

"Ich rede nicht davon, daß ich jetzt in diesem Jahr noch ein Baby will, Gérard. Es geht mir nur darum, daß wir zwei doch jetzt schon klarstellen können, ob das mit uns weitergeht oder nur eine Schulbeziehung war", fauchte Sandrine. "Ich kapiere es, daß du Angst hast, was falsch zu machen oder nicht weißt, worauf du dich einlassen sollst. Aber guck dich um. Alle, die sich hier vor allen dazu bekannt haben, ihr Leben lang zusammenzusein sind glücklich geworden. Aber wenn dir Belisama besser gefällt. Sie sieht ja auch besser aus als ich." Gérard erstarrte einen Moment. Doch dann sagte er schnell:

"'tschuldigung, Sandrine. Belisama und ich haben uns nur nett unterhalten, als du gegen Céline und Julius gespielt hast. Die weiß, daß du und ich zusammen sind."

Julius sah sich um. Belisama Lagrange war auch unter den Gästen. Sie tanzte gerade mit Robert Deloire, dessen Freundin sich mit Béatrice aus Sandrines Wohnsaal und Laurentine unterhielt. Als Belisama den Blick von Julius auffing lächelte sie ihm auffordernd zu. Millie entging das nicht. Sie stupste Julius an und deutete auf Belisama. "Die möchte wohl gerne noch mal mit dir tanzen, Julius", wisperte sie. Julius nickte und dachte, daß es vielleicht besser sei, um nicht als unfreiwilliger Lauscher Sandrines und Gérards unnötiges Geplenkel mitzuhören. Er nickte seiner Frau zu und ging auf die Tanzfläche. Das aus dem Radio kommende Stück verklang gerade. Sandrine unterbrach ihre Unterhaltung mit Gérard und rief zur Herrenwahl auf. Da es jedoch nur halb so viele Herren wie Damen gab war es mal wieder so, daß mehrere Mädchen unaufgefordert zurückblieben. Julius bat Belisama um den nächsten Tanz. Deshalb bekam er erst mit, was zwischen Sandrine und Gérard vorging, als dieser Julius, Céline und Laurentine zu sich hinwinkte. Belisama fragte Julius, was das gerade wurde. Doch dieser wollte nicht darüber sprechen. Als Belisama auf Sandrine zuging, machte diese eine ungewohnt harsche, wegscheuchende Handbewegung. Das trübte Belisamas gute Stimmung merklich ein. Sie verzog das Gesicht und kehrte dem Geburtstagskind den Rücken zu, um mit weit ausgreifenden Schritten zum anderen Ende des kleinen Illusionsraumes hinüberzugehen.

"Also, Sandrine, ich erkläre hiermit vor diesen dreien, daß ich mich sehr gerne von dir in diesem Mai auf den Besen heben lasse, wenn du es hinkriegst, beim letzten Spiel in den ersten fünf Minuten den Schnatz zu fangen. ansonsten warten wir beide noch ein Jahr."

"Wie du meinst, wenn du findest, daß du mein Angebot noch nicht verdient hast, Gérard. Ich kriege den Schnatz in den ersten Minuten, sagen wir mal zehn statt fünf, und du sitzt dann nach Walpurgis vorne bei mir auf dem Besen. Céline, Laurentine und Julius dürfen das bezeugen."

"Ähm, Sandrine, Gérard, ich weiß nicht, ob das so gut ist, das durch eine Wette zu klären, ob ihr zwei in diesem Jahr oder im nächsten heiratet. Weil die Besenwerbung ja rechtlich anerkannt ist und eine klare Festlegung auf einen Hochzeitstermin in den zwei Monaten nach öffentlich erfolgter Besenwerbung verlangt", warf Julius ein und grummelte noch: "Jetzt rede ich schon fast wie mein Onkel, der Anwalt." Céline räumte ein, daß Sandrine und Gérard sich ruhig noch das Jahr Zeit lassen könnten, da sie und Robert sich darauf verständigt hatten, wenn sie beide wüßten, was sie nach der Schule machen würden, die Besenwerbung mit allem was dranhinge stattfinden solle. Laurentine verzog nur das Gesicht und meinte, daß das mit der Besenwerbung eine überholte Tradition sei und sich Paare nicht so einen Drang antun sollten, das durch sowas verbindlich zu klären und dann noch so früh nach der Verlobung gleich zu heiraten.

"Klar, Laurentine, Sicherstellen und weitersuchen", knurrte Céline. "Ich hab das nicht vergessen, wie du das gesagt hast, als Jeanne Bruno und Amélie Yves auf den Besen gehoben hat. Aber bei Jeannes Hochzeit warst du auch sehr gerne. - Ähm, Sandrine, ich stimme Julius zu, daß ihr das nicht durch ein Quidditchspiel klären solltet. Horus ist genial eingestellt. Dem ist das ganz sicher völlig egal, ob du Gérard in diesem oder im nächsten Schuljahr auf den Besen rufst. Der wird dir den Schnatz nicht überlassen, wo die Roten unbedingt den Pokal haben wollen und er gerade ein Jahr bei uns ist und noch dazu wie Julius aus einem anderen Land herübergekommen ist, weshalb der bei den Roten nicht nur Sympathien hatte, als er hier anfing. Wenn der nicht zusieht, dir den Schnatz vor der Nase wegzuschnappen, könnte der alle Sympathien verspielen, die er bisher gewonnen hat. Also vergesst das bitte mit dieser Wette!"

"Céline, ich weiß, daß du Robert nur deshalb nicht auf den Besen holen willst, weil du gleich nach der Hochzeit mit ihm ein Kind haben möchtest. Aber ich könnte damit noch warten", erwiderte Sandrine.

"Betonung auf könnte", knurrte Gérard. Seine Freundin funkelte ihn dafür sehr verdrossen an und schnaubte:

"Wenn ich von dir oder sonst wem ein Baby kriege dann nur, wenn der es auch haben will. Nichts für ungut, Céline, aber ich bin nicht so gestrickt wie deine Schwester."

"Da würde sie dir wohl zustimmen", grummelte Céline. Dann sagte sie: "Ja, und ich finde es wie Millie schon schön, wenn ein Paar, das klargestellt hat, daß es zusammenlebt, schon früh mit dem Nachwuchs anfängt. Deshalb wollen wir ja klären, was wir nach Beauxbatons machen können, wo ich mit einem Kind auf dem Weg noch arbeiten kann oder ob ich mich an ein hübsches Haushexendasein gewöhnen könnte. Ansonsten steht Roberts und meine Beziehung nicht als Vorbild für eure, Sandrine und Gérard."

"Klar, Céline, wenn du das so siehst, dann halte ich das Angebot aufrecht. Wenn Sandrine den Schnatz in den ersten zehn Minuten fängt, lasse ich mich von ihr im Mai auf den Besen rufen und fünfzigmal von ihr über dem Gelände von Beaux herumtragen. Ansonsten nächstes Jahr."

"Ich kann euch nicht davon abbringen", grummelte Julius. "Aber denke bitte daran, Daß du nicht dein Leben riskierst, Sandrine. Bei so Sachen sind schon Leute draufgegangen, und solche Wetten sind eigentlich eher was für kleine und mittelgroße Jungs so wie mich."

"Was meinst du, wer diesen Vorschlag gemacht hat?" Fauchte Sandrine und deutete auf Gérard. "Aber ich gehe darauf ein, weil ich ihm zeigen will, daß ich durchaus fähig bin, das zu erreichen, was ich will. Im Mai sitzt dein Kollege und Klassenkamerad auf meinem Besen vorne drauf."

"Jetzt verlangt bitte nicht, daß ich durchschlage", grummelte Julius. Seit seinem Ausflug in Madame Faucons Schulzeiterinnerungen war ihm die Lust am Wetten gründlich vergangen.

"Dann mach ich das", grinste Laurentine und bekräftigte die Vereinbarung zwischen Sandrine und Gérard. Julius nickte nur und ging zu seiner Frau, die sich gerade mit Caroline über das letzte Spiel des Turnieres unterhielt. Deshalb wagte es Julius nicht, ihr zu sagen, worauf sich Sandrine da gerade eingelassen hatte. Bei aller Verbundenheit mit Millie mußte er sie und ihre Mannschaftskameraden nicht dazu ermuntern, Sandrine gezielt anzugreifen, um sie nicht in den ersten Minuten an den Schnatz zu lassen. Abgesehen davon hatte sich ja schon häufig erwiesen, daß der Schnatz sich nicht sofort nach Anpfiff sehen ließ. So ging er davon aus, daß Sandrine Gérard erst im nächsten Schuljahr auf ihren Besen heben würde.

Nach der Geburtstagsnachfeier halfen Julius, Millie und Laurentine Sandrine beim Aufräumen und Putzen des Festraumes. Zurück im grünen Saal fragte Julius Laurentine, ob die beiden wirklich bei dieser Vereinbarung geblieben waren.

"Bei Sandrine schlägt wohl jetzt das Östrogen voll zu, Julius. Auch wenn die was anderes behauptet hat denke ich, daß wenn sie Gérard auf den Besen holt mit dem auch schon im Jahr drauf das erste Kind auf dem Wickeltisch liegen hat. Ich habe das mit Sandrines Mutter mal mitgekriegt. Deren Mutter war so drauf. Als sie wußte, wen sie auf den Besen gabeln wollte, hatte der ihr gleich im Sommer wen zum ausbrüten verschafft. Kann sein, daß Sandrine ähnlich gepolt ist wie ihre Omama."

"Natürlich läßt dich das kalt, was die beiden da angeleiert haben", setzte Julius an. "Aber wenn Sandrine deshalb Probleme mit den Roten beim Quidditch kriegt, weil sie auf Biegen und Brechen an den Schnatz will wird es finster. Ich spiele echt mit dem Gedanken, Madame Rossignol vorzuwarnen. Immerhin ist Sandrine Pflegehelferin."

"Dann wirst du wohl Ärger mit ihr, Gérard und allen anderen haben, die in diesem Aufgabelgedöns das einzig wahre Liebesbekenntnis sehen, vielleicht sogar mit deiner Frau", erwiderte Laurentine.

"Sandrine hat Millie nicht bei dieser Kiste dabeihaben wollen und auch nicht Belisama. Von denen denkt sie sicher, daß die das entsprechend weitergeben."

"Neh, Julius. Da hast du mal ausnahmsweise was nicht richtig mitbekommen", erwiderte Laurentine verächtlich. "Sandrine sieht in Belisama eine Konkurrentin, seitdem du vom Markt bist und Hercules wegen seiner Abstammung ausgerastet ist. Auch wenn das wohl nur ihre eigene Paranoia sein sollte wirst du nicht übersehen, daß Belisama toll aussieht und fast jeden rumkriegen könnte, auf den sie abfährt. Deshalb gab es doch wohl dieses Getue zwischen ihr und Millie. Und dich hat sie vorher nur in Ruhe gelassen, weil sie es sich nicht mit Claire verscherzen wollte. Sonst säßest du diesen Mai bei ihr vorne auf dem Besen. Und was Millie angeht, so wollte Sandrine garantiert nicht, daß eine von den Roten das in ihrer Mannschaft rumgehen läßt. Oder hast du es Millie schon gesteckt?"

"Nein, habe ich nicht, weil ich nicht will, daß Apollo oder die Treiber aus dem roten Saal voll auf Sandrine eindreschen, um ihr den Schnatzfang in den ersten zehn Minuten zu versauen", grummelte Julius. "Aber ich fühle mich gerade total bescheuert, weil ich weiß, daß das gefährlich werden kann und daß es ziemlich Knatsch gibt, falls Sandrine den Schnatz nicht nur in den ersten zehn Minuten sondern überhaupt nicht fängt. Céline hat es klar auf den Punkt gebracht, daß Horus denen zeigen will, daß er mit vollem Recht in der Mannschaft Sucher ist, nachdem die Roten vor zwei Jahren mit Laertis Brochet diesen Griff ins Klo getan haben, um mich mal unter der von mir verlangten Sprachstufe auszudrücken." Laurentine nickte und wurde nicht rot, was hieß, daß sie diese Ausdrucksweise durchaus gewohnt war oder locker wegsteckte.

"Du könntest höchstens folgendes machen, Julius. Kläre das mit Sandrine über eure Armbandverbindung ab, daß du dich nicht wohlfühlst, weil du das mitbekommen hast und deshalb Probleme mit deinem Gewissen kriegen könntest. Madame Rossignol kann doch mithören, richtig?"

"Kann sie. Aber ob sie immer mithört weiß ich nicht. Aber wir benutzen die Armbandverbindung selten genug, daß sie sich wohl problemlos einklinkt, wenn es zu einem Gespräch kommt."

"Dann soll Madame Rossignol das mit ihr klären, und du bist aus dem Schneider", sagte Laurentine. Julius überlegte kurz, ob das so ginge. Falls Madame Rossignol nicht mithörte war es vertane Zeit. Abgesehen davon wußte Sandrine auch, daß die Heilerin mithören konnte. Aber so konnte er sich das ersparen, als Petze oder Spielverderber rüberzukommen. Allerdings war da das Problem, daß Gérard diese Wette angezettelt hatte. Der würde einen Rückzieher Sandrines, so vernünftig er eigentlich wäre, als Schwäche oder Unentschlossenheit auslegen, zumal ihm Sandrine selbst Unentschlossenheit und Feigheit unterstellt hatte. Was gäbe er jetzt dafür, wenn er dieses verhängnisvolle Gespräch nicht mitgehört oder als Zeuge dieser Wette hinzugerufen worden wäre. Außerdem durfte er Millie nichts davon erzählen. Sicher wog das zwischen Gérard und Sandrine nicht so schwer wie seine abenteuerlichen Ausflüge und Erlebnisse. Aber für Sandrine und Gérard schien diese Abmachung gerade das wichtigste von der Welt zu sein. So zog er sich in den Jungentrakt zurück, ging in das Badezimmer für Sechstklässler und rief Sandrine über die Pflegehelferarmbandbezauberung. Sandrine nahm das Gespräch an. Ihr räumliches Abbild entstand vor Julius. Immerhin waren die Zauber in den Badezimmern jetzt darauf eingerichtet, daß sie ein Abbild nicht als echte Person ansahen wie damals, wo Jeanne ihn in einem Jungenbadezimmer angerufen und Sittlichkeitsalarm ausgelöst hatte.

"Ich wollte das mit dir klären, weil ich der einzige Pflegehelfer bin, den du und Gérard bei eurer Absprache dabei hattet", sagte Julius. "Denke bitte daran, daß du als Saalsprecherin und Pflegehelferin besonders aufpassen mußt, daß dir nichts passiert."

"Und das mußt du mir ausgerechnet über die Armbandverbindung sagen", knurrte Sandrine. Doch dann erwiderte sie: "Ich mußte Gérard was geben, woran er sich klammern kann. Er hat zu viel Angst. Denkst du echt, ich riskiere meinen Hals, um gleich in den ersten zehn Minuten den Schnatz zu kriegen? Auch wenn ich Gérard sehr gerne auf meinen Besen holen möchte will ich das lebendig tun und nicht als Geist mit abgebrochenem Kopf oder total zertrümmerten Knochen, Julius. Aber daß ich dich dabei hatte bekräfttigt für ihn, daß ich es ernst meine. Ich bin mir zwar sicher, daß ich den Schnatz nicht sofort sehen kann. Aber kriegen werde ich den wohl doch, auch wenn Horus meint, sein Leben dafür einzusetzen. Ich will aber wissen, wie wichtig ihm das ist, mit mir zusammenzuleben. Sollte ich den Schnatz nicht in der Zeit fangen können, die er meint, aber kriegen, soll er mir sagen, ob das auch gilt. Und wenn ich ihn nicht kriege, werde ich erleben, wie wichtig ihm das ist, daß ich nicht die ganze Zeit trübsinnig herumlaufen muß. Aber Psst, außer dir und Madame Rossignol, falls sie mithört, möchte das bitte keiner hören", flüsterte Sandrine. Julius sah sie merkwürdig an. Sie wirkte entschlossen und lächelte überlegen. Dann wisperte sie:" Ich will wissen, wie ernst es ihm ist. Wenn er auf dieser Wette besteht, ist es ihm nicht wichtig genug, wie ich mich fühle. Falls er die Wette von sich aus vergißt ist ihm wichtig, wie ich mich fühle. Ganz einfach."

"Oha, ziemlich riskant", erwiderte Julius, der jetzt verstand, was Sandrine eigentlich vorhatte. "Nun, solange du keinen Krach mit Madame Rossignol kriegst regel deine Sachen wie du meinst. Du bist ja jetzt volljährig."

"Schön, daß du das einsiehst, Julius. Also laß es keinen sonst wissen, wie es wirklich ist!" wisperte Sandrine. Julius nickte ihr zu. Das Abbild verschwand. Julius atmete auf und kehrte in den Aufenthaltsraum zurück, wo Gérard sich mit Robert und André über seinen gelungenen Streich mit Sandrine hatte. Robert warf ein, daß Gérard das auch ohne Schnatzfang klarhaben müsse, ob das mit Sandrine etwas für's restliche Leben war oder eben nur eine Schulbeziehung, eine flüchtige Jugendliebe. André warf dazu ein, daß diese Besenwerbung eh Humbug sei, weil Männer nicht auf diese Art festgelegt werden sollten und das wohl noch ein Überbleibsel Sardonias war, das noch abgeschafft werden müsse. Robert widersprach dem, daß die Besenwerbung schon Sinn mache, weil Jungs echt nicht gleich klarhätten, ob etwas ernst war oder nicht und die Besenwerbung eben ein klares Bekenntnis verlange. wer sich nicht auf den Besen rufen ließ wollte eben nicht. Julius sagte dazu nur:

"Du riskierst, daß Sandrine nichts mehr mit dir zu schaffen haben will, Gérard. Unabhängig davon, ob sie die Wette einlösen kann könnte sie finden, daß du dir über die Beziehung nicht recht sicher bist."

"Dann soll den Belisama auf den Besen heben", warf André ein und blickte bange von Julius zu Gérard, ob er dafür Strafpunkte abbekommen würde. Julius sagte dazu nur:

"Ich weiß nicht, ob Gérard mit Belisamas Familie besser klarkäme als mit Sandrines. Könnte ihm halt nur passieren, daß Belisama oder ein anderes Mädchen ihn im Mai auf den Besen ruft, wenn Sandrine keine Lust mehr darauf hat."

"Eh, denkt ihr drei echt, ich hätte was heimliches mit Belisama laufen?" Fragte Gérard. Julius schüttelte den Kopf und deutete auf sein Pflegehelferarmband:

"Wenn du irgendwas mit ihr laufen hättest würde das hier petzen, daß es ihr sehr sehr gut ginge, Gérard. Und da Madame Rossignol sie noch nicht in eine Bettpfanne verwandelt oder Millie und mich als Assistenzhebammen eingeplant hat läuft da wohl nichts, was irgendwie Auswirkungen hätte."

"Tja, aber Belisama könnte denken, nach dem erst du und dann Culie Sabberhexensohn ihr vom Besen gerutscht seid, daß sie den Sohn einer Beauxbatonslehrerin gut einhandeln könne", feixte André. Gérard lief erst wutrot an und sagte dann:

"Paß mal auf, daß ich dir nicht gleich Zöpfe und ein Kleinmädchenkleidchen an den Leib hexe, wenn ich nicht finde, dich gleich in einen Hamsterkäfig zu setzen, André. Zwanzig Strafpunkte wegen respektloser Äußerungen gegen zwei Saalsprecher."

"Anderthalb Saalsprecher, Gérard", muckte André auf.

"Und noch mal zehn für dich, André Deckers", knurrte Gérard. André sah Julius an. Dieser schüttelte jedoch den Kopf und sagte, daß André darauf ausgegangen sei und er Gérard verstehen könne, daß ihn das annerve. Doch André war gerade im totalen Rebellenmodus und setzte nach:

"Gérard lass Sandrine sausen und laß dich von Belisama auf den Besen gabeln. So wie die gebaut ist kriegt die deine Kinder besser satt als Sandrine."

"Auszeit, Jungs. Bevor das hier noch zur Prügelei ausartet!" Schritt nun Julius ein und vergab an André noch einmal zwanzig Strafpunkte wegen fortgesetzter Respektlosigkeiten und anzüglicher Bemerkungen gegenüber einer nicht annwesenden Saalsprecherin."

"Und damit der Kerl es endlich blickt, daß ich mir von dem nicht mehr alles bieten lasse soll der bei euch im Krankenflügel alle Betten ohne Zauberkraft machen und die Bettpfannen schrubben", knurrte Gérard. Julius überlegte, ob er dieses Strafmaß zulassen oder widerrufen sollte. Er entschied sich, André die Putzstrafe abarbeiten zu lassen. Strafpunkte hatte er ja wirklich genug in den letzten zehn Minuten eingesammelt. André grummelte was und zog sich an einen freien Tisch zurück. Julius sah Robert, der zu Céline hinüberging, die gerade mit Irene eine kurze Debatte über irgendwas führte. Gérard sah Julius an und sagte leise:

"Ich will Sandrine zeigen, daß ich mich nicht so antreiben lasse wie ein Flugbesen. Wahrscheinlich kommen bei der jetzt die von ihrer Mutter geerbten Sachen raus. Aber ich habe selber 'ne Lehrerin als Mutter und weiß, wie nervtötend bestimmerisch die werden können. Wenn die den Schnatz beim letzten Spiel in den ersten zehn Minuten nicht kriegt weiß sie, daß das dieses Jahr nichts mit der Besensache wird, ganz einfach. Und die kriegt den Schnatz nicht in den ersten zehn Minuten, weil sie sonst tierischen Krach mit deiner und ihrer Chefin in Weiß kriegt."

"Paß mal lieber auf, daß besagte Chefin dich nicht dafür bis zum Schuljahresende als Bodenschrubber bucht, wenn du eine ihrer Pflegehelferinnen kaputtmachst", schnarrte Julius. Er hatte die Nase langsam von dem Getue voll. Sicher, würde Claire noch leben, hätte sie ihn garantiert auch schon für diesen Sommer beim Zeremonienmagier vorgebucht, spätestens für den Tag des Sommerballs. Insofern konnte er sich eigentlich glücklich schätzen, aus diesem Spiel schon herauszusein. Sandrine wollte einen psychologischen Trick anwenden, um Gérard dazu zu bringen, sich doch von ihr auf den Besen heben zu lassen oder klar anzusagen, daß er mit ihr nicht weiterleben würde. Gérard war trotzig und wollte Sandrine zeigen, daß er sich nicht alles von ihr bieten lassen wollte. Denn er ging davon aus, daß sie den Schnatz nicht fangen würde. Er stellte wieder einmal fest, daß er mit Claire und mit Millie schon Glück gehabt hatte, sich nicht in solche Geplenkel hineinzusteigern. Da wog die als Traum verschickte Erinnerung der Mondtöchter schon schwerer als diese Wette zwischen Sandrine und Gérard.

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Am Sonntag nach der Geburtstagsfeier rief Madame Rossignol Millie und Julius am Nachmittag zu sich in den Krankenflügel und teilte Millie mit, daß sie und Professeur Fixus den Interfidelis-Trank fertig hatten. So durfte Millie den geheimnisvollen Trank, in dem noch etwas von ihrem und Dustys Blut verrührt werden mußte einnehmen. Julius bangte, daß dieses Vorhaben schiefgehen könne. Ein zwölftel des gerade im Körper der beiden Verbindungspartner kreisenden Blutes mußte in den Trank gerührt werden, der dann einen vollen Erddrehungszyklus auf kleiner Flamme ausreifen mußte. Dann mußte zunächst Dusty und dann Millie die für das jeweilige Körpergewicht abgemessene Dosis des Endproduktes einnehmen. Also ging es jetzt darum, das Blut des Knieselkaters und das Millies zusammenzurühren. Da Millie am Montag abend keinen Freizeitkurs hatte konnte sie das Endergebnis dann eben trinken, während Julius bei der Schach-AG war. Julius war da zwar nicht so von begeistert. Aber wenn Millie den neuen Kniesel so verstehen wollte wie Julius' Goldschweif, dann mußten sie da beide mit durch.

Mit dem Zauber "Quantitasanguinis Revelio", ihrem Zauberstab und einem Gerät, daß wie eine verkleinerte Fahrradpumpe aussah, bestimmte sie Millies gesamte Blutmenge. Dann rechnete sie aus, wie viel sie davon entnehmen mußte und zapfte diese Menge Blut aus Millies Körper ab. Danach bekam die Saalsprecherin der Roten eine kleine Menge Bluterneuerungstrank, um den Blutverlust wieder auszugleichen. Sternenstaub wurde von Professeur Fixus behandelt, da der Knieselkater nicht zu nahe an Professeur Fourmiers magische Hände heran wollte. Jetzt galt es, den Trank auf die beiden Partner einzustimmen. So konnte Julius seiner Frau nur Glück wünschen, daß der Versuch gut ging.

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Dies war die erste Schach-AG, wo Julius eine Partie gegen einen eigentlich schwächeren Gegner verlor. Denn mit den Gedanken war er bei Millie, die nun bei Madame Rossignol war. Zwar hatte er seine Hälfte des Zuneigungsherzes abgenommen, um Millie mit Dusty alleine zu lassen und ihre dabei aufkommenden Gefühle nicht zu verwässern, aber er mußte doch immer wieder an sie denken. Selten hatte er das Ende der AG-Stunden so heftig herbeigesehnt wie jetzt. Als er wieder unterwegs zum grünen Saal war rief er Madame Rossignol und erkundigte sich nach Millies Befinden.

"Es hat geklappt. Dieser weißgepunktete Kater und sie sind die magische Bindung eingegangen. Sie meinte, er klinge ähnlich wie ihr Onkel Otto, nur noch eine Spur tiefer und verwegener. Ansonsten konnte sie ihm klarmachen, daß sie nun verstehen konnte, was er an gezielten Gedanken hervorbringen könne. Na ja, hat ihm so nicht gerade behagt. Aber dagegen machen kann er jetzt nichts mehr."

"Danke für die Nachricht. Ich möchte sie kurz auch noch einmal sprechen, geht das?"

"Sie ist jetzt wieder im roten Saal. Ihr Dusty ist draußen und jagt", informierte Madame Rossignol Julius. Dieser nickte ihr zu und beendete die Verbindung.

"Hallo Millie, ich hörte, du und Dusty könnt jetzt auch miteinander reden", begrüßte Julius seine Frau, als deren Abbild vor ihm in der Luft schwebte.

"Hua, mache ich so schnell nicht nochmal, Julius. War fies, als wenn ich andauernd eingeschrumpft und wiedervergrößert würde. Dusty hört sich für mich jetzt an wie Onkel Otto mit tieferliegender Stimme. Hat mir schon erzählt, ich solle bald die Stimmung ausleben, weil ich richtig drin sei. Lustig, als wenn ich das hier so einfach könnte, ohne daß Madame Rossignol das mitbekommt. Jedenfalls verstehe ich jetzt meinen und du deinen Kniesel. Wird interessant, wenn die beiden Kinder haben, ob wir beide die dann zusammen verstehen."

"Ging bei Goldschweifs Kindern nur, solange sie Blut ihrer Mutter im Körper hatten, Millie. Aber ich bin froh, daß es geklappt hat. Das mit dem immer wieder Schrumpfen und Wachsen war auch für mich fies. Da wurden Goldies und meine Wahrnehmung gegeneinander verschoben. Zumindest brauchte ich das nach dem Ding mit dem Schlangenmenschen nicht noch mal zu machen. Hält also vor. Aber eine interessante Frage ist es, ob unser erstes Kind auch Dusty und/oder Goldschweif verstehen kann."

"Den Versuch können wir ja erst im Sommer anlaufen lassen", sagte Millie. Madame Rossignols Stimme fügte dem hinzu:

"Es steht euch frei, auch in den Osterferien schon auf Nachwuchs hinzuarbeiten. Aber dann ist das mit Quidditch nichts mehr, Millie."

"Genau deshalb erst ab Sommer, Madame Rossignol", antwortete Millie auf den Einwand der Heilerin, die zwar mithören und was sagen konnte, jedoch nicht als magisches Abbild zu sehen war.

"Dann bleibt mir noch, dir eine gute Erholung zu wünschen, Millie. Ich lege das Herz jetzt wider an." Millie bedankte sich bei ihm. Als er wieder das warme Pulsieren fühlte, daß von dem halben rubinroten Herzen an der Kette in ihn einströmte und eine große Zuversicht fühlte, war er endgültig beruhigt.

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Die Partie zwischen den Violetten und Blauen war ein offener Schlagabtausch. Die Violetten stürmten immer nach vorne. Die Treiber sicherten zwar den Torraum. Doch sie konnten nicht verhindern, daß Corinnes Mannschaft schnelle Konter anbringen konnte. Ein Jäger flog dabei immer ganz weit nach vorne und bekam von links oder rechts den Quaffel zugepaßt. So stand es nach dreißig gespielten Minuten 250:120 für die Blauen. Die Violetten wollten gerade zum Tor Nummer 13 ansetzen, als Corinne unvermittelt in die Tiefe stürzte, unter dem gegnerischen Hüter hindurchsauste und den goldenen Schnatz zu fassen bekam, als ihr direkter Gegenspieler gerade erst den kleinen Ball zu sehen schien. Damit bauten die Blauen ihr Punktekonto um vierhundert weitere Punkte aus und standen somit vor dem Endspiel auf dem dritten Tabellenplatz.

"Hast du gesehen, wie schnell die den Schnatz gesehen und erwischt hat?" Fragte Céline Monique, die wie Julius in der Mannschaftsloge saß. Diese nickte betrübt. Julius fragte sich, ob sie Corinne nicht im letzten Spiel mit scheinbar fehlgepaßten Quaffeln abbremsen konnten. Er hatte die Punkte ausgerechnet. Im Moment führten die Grünen mit 1460 Punkten vor den Roten mit 1270 punkten. Doch Millies Mannschaft würde Sandrines Mannschaft im letzten Spiel ordentlich zerrupfen und wohl mehr als vierhundert Punkte holen, falls Sandrine nicht das gelbe Wunder vollbringen und in den ersten Minuten den Schnatz erfliegen konnte. Insofern, so hatte Julius schon längst kapiert, war Gérards riskante Wettaufforderung schon klar berechnet. Er wollte den Roten die Torausbeute vermiesen, auch wenn er nicht selbst spielen würde. Eigentlich auch schon sehr hinterhältig, andere für die eigenen Ziele vorzuschicken, ohne es den Betreffenden zu verraten. Doch Julius hatte beschlossen, sich nicht weiter darauf einzulassen.

Laurentine teilte bei der Saalsprecherkonferenz am Nachmittag mit, daß ihre Eltern zumindest mit Professeur Delamontagne sprechen wollten, ansonsten aber keine Termine vereinbaren wollten. Madame Faucon sah ihre Stellvertreterin an. Die kleine Hexe mit der goldenen Brille nickte und sagte dann:

"Nun, dann werde ich zumindest um einen Termin mit Ihren Eltern bitten, Mademoiselle Hellersdorf. Ich gehe davon aus, daß Professeur Dirkson und Professeur Bellart ebenso um eine Unterredung bitten werden." Laurentine nahm dies mit einem unbeholfenen Nicken zur Kenntnis. Julius bestätigte, daß seine Mutter alleine kommen würde, da durch seine vorzeitige Volljährigkeit keine magische Fürsorgeperson mehr verbindlich sei und sowohl Madame Hippolyte Latierre wie auch Madame Catherine Brickston wegen ihrer eigenen hier lernenden Kinder anreisen würden. Millie verzog zwar etwas das Gesicht, mußte dann aber lächeln. Das brachte Madame Faucon auf etwas, was Julius eigentlich für schon vergessen gehofft hatte.

"Nun, da Sie beide im letzten Sommer von meiner Vorgängerin mit den höchsten Verdienstorden von Beauxbatons ausgezeichnet wurden versteht es sich von selbst, daß Sie beide ihre Auszeichnungen am Elternsprechtag offen sichtbar tragen werden. Immerhin gilt es, den anreisenden Elternpaaren zu zeigen, daß sich herausragende Leistungen in Beauxbatons durchaus sichtbar niederschlagen können." Julius war sich da nicht so sicher, ob das Leute wie die Armands oder Hellersdorfs auch so sehen mochten. Doch andererseits mußte er sich auch nicht für den Orden der zwei gekreuzten Zauberstäbe in Gold mit Platinfunken schämen. So erklärte er sich einverstanden, seinen Orden zu tragen, wie Millie auch ihren Orden tragen würde.

Am Sonntag nach dem Spiel verkündete Michel Montferre, daß sie alle, die bisher noch nicht die Prüfung im Apparieren ablegen mußten, diese sicher bestehen würden. Er wies noch einmal darauf hin, daß es nicht darauf ankomme, die beste Prüfung zu erreichen, sondern sie zu bestehen, also die Mindestpunktzahl zu erreichen. "Für die Akten ist es sehr wichtig, wie und wie gut jemand geprüft wurde. Aber im alltäglichen Gebrauch wird Sie später niemand danach fragen, wie gut Sie bestanden haben. Oder kennen Sie jemanden, bei dem das Prüfungsergebnis seine apparatorischen Fähigkeiten bestimmt hat?" Keiner wußte jemanden. Julius erwähnte, daß es beim Auto- oder Motorradfahren auch nicht mehr wichtig war, wie gut die theoretische oder Praktische Prüfung verlaufen waren, solange jemand auf Nachfrage einen Führerschein zeigen konnte. Apollo Arbrenoir meinte dazu, daß es durchaus Ministerialabteilungen gab, wo die Apparierprüfung sehr wichtig war. Michel nickte und erwähnte, daß gerade für seine Arbeit, aber auch in der Strafverfolgung und Katastrophenumkehr sehr gute Apparitionsfähigkeiten erwartet würden. Aber für jemanden der zum Einkaufen wolle sei es eher weniger wichtig, solange er oder sie zumindest die wichtigsten Gesetze kenne. Diese fragte er bei der sich gerade bietenden Gelegenheit noch einmal ab, wobei er Millie und Julius gebot, keinen Mucks zu machen. Abschließend sagte der ministerielle Apparierlehrer: "Nun, so wie Sie alle und Ihre Kameraden, die ich gestern nachmittag betreut habe jetzt ausgebildet sind werden Sie wohl alle die Prüfung bestehen. Im Zweifelsfall können gesonderte Ausbildungsgänge besucht werden, wer in einem auf sehr hohe Ortsbeweglichkeit wertlegenden Beruf arbeiten möchte. Die Heiler zum Beispiel haben es in ihrem vierjährigen Lehrplan enthalten, ihre Adepten zum Apparieren an ihnen völlig unbekannten Orten oder gezieltes Apparieren auf den Meter und das Winkelmaß genau zu erlernen. Wer dies nicht lernen muß bekommt es aber im Laufe der Jahrzehnte Übung heraus, solche präzisen Apparitionen zu vollbringen. Doch wenn Sie und Ihre Mitschüler auch in den letzten Stunden dieses Kurses dieselbe Aufmerksamkeit und Einsatzbereitschaft zeigen wie bisher können Sie sich noch steigern und damit sicher die Prüfung bestehen. Ein Lehrer kann Schülern nur etwas beibringen, wenn sie auch etwas lernen wollen. Das mögen einige Damen und Herren in Beauxbatons gerne anders sehen. Ich habe es in meiner langjährigen Erfahrung als Apparierlehrer und -prüfer jedenfalls herausgefunden, daß Motivation und Zielstrebigkeit mehr bewirken als Druck oder Zwang. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal!" Mit diesen Worten entließ Michel Montferre seine Kursteilnehmer aus dieser Sonderstunde für Quidditchspieler.

Laurentine wird froh sein, daß die Prüfungen für Sandrine und sie nach den Osterferien stattfinden", sagte Céline zu Julius, als sie sich von Sandrine und Millie verabschiedet hatten, um zum Abendessen zu gehen. Julius nickte ihr zu und antwortete:

"Das wäre für sie dann interessant geworden, wenn sie im Juli Geburtstag gehabt hätte wie ich."

"Oder wie ich sechs Tage vor dir oder Gérard Ende April und Robert Ende Juni", warf Céline ein.

"Die in Hogwarts haben diesmal zwei Kurse im Wechsel, weil die Sechstklässler des letzten Jahres keinen Kurs hatten und die jetzigen ZAG-Klässler ja Wiederholungsklässler sind, die ja auch alle Volljährig werden", erwähnte Julius etwas, daß Gloria und Auroras Bild-Ich ihm voneinander unabhängig erklärt hatten. Zwar hätten einige der im letzten Jahr noch nach Hogwarts gelassenen Sechstklässler mit dem Kurs angefangen. Doch wegen der ansteigenden Lage zwischen den Carrows und der DA habe der Apparierlehrer Listen für Prüfungsberechtigte erstellen wollen. Darauf hätten alle andren den Kurs verlassen und ihr Geld zurückgefordert. Die holten also in diesem Jahr den Kurs nach. So würden Gloria und Pina Direkt nach dem Kurs geprüft, weil dieser erst im Mai zu Ende sei und Pina da auch die wichtigen siebzehn Lebensjahre vollendet haben würde.

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Bei der nächsten Pflegehelferkonferenz kam das Thema auf, wer von der Truppe über die Osterferien in Beauxbatons bleiben wollte. Da Sixtus, Patrice, Carmen, Aysha und Josephine sich freiwillig meldeten, um sich noch besser auf die jeweiligen Jahresabschlußprüfungen vorbereiten zu können, konnten Millie, Patricia, Belisama, Sandrine, Louis und Julius reinsten Gewissens in die Ferien zu ihren Familien reisen. Madame Rossignol fragte zwar Millie und Patricia, ob nicht doch wer aus dem roten Saal in den Ferien in der Schule bleiben sollte. Doch aus dem Saal selbst würden gerade fünf Leute bleiben, darunter Bernadette, die außerhalb der Unterrichts- und Essenszeiten in den weitläufigen Gefilden der Schulbücherei zu finden war, sowie Boris Ruiter und der amerikanische Austauschschüler Cyril Southerland, der über Apollo und Millie hatte rumgehen lassen, daß er froh sei, daß seine Eltern nicht zum Sprechtag kämen, weil sie "für die paar Stunden" keinen Wechselzungentrank einnehmen wollten. Madame Faucon hatte daraufhin erwähnt, daß alle Lehrer Englisch sprechen konnten. Doch Cyril hatte einen Brief seines Vaters vorgelegt, daß dieser gerade für einen Monat im südamerikanischen Dschungel ohne Eulen- und Flohnetzanschluß unterwegs sei und in Paris oder Calais eben nicht alle Englisch konnten, um seine Mutter sicher zum Ausgangskreis für die Reisesphäre zu geleiten. Es habe ihnen schon gereicht, daß sie ihn zu Schuljahresbeginn dort abgeliefert und zu Weihnachten dort wieder abgeholt hätten. Aber Ostern sei kein so wichtiger Feiertag bei den Southerlands wie das weihnachtliche Familientreffen. Das bedauerte Madame Faucon zwar, warf jedoch ein, daß ein Elternsprechtag keine Einberufungsveranstaltung für Eltern war und Cyril seit Weihnachten enorme Leistungsfortschritte erzielt habe, deretwegen kein drängender Gesprächsbedarf bestehe, er aber seiner Mutter ruhig noch einmal das Angebot von Beauxbatons übersenden möge.

Die Lehrer zogen noch einmal richtig mit dem Lehrstoff an. Professeur Bellart handelte in einer Stunde gleich vier Zauber ab, die zwar aufeinander aufbauten, aber durch vier unterschiedliche Formeln aufgerufen wurden, die bestenfalls ungesagt eingewirkt werden sollten. Professeur Delamontagne ließ seine Klasse gegen Flächenflüche ankämpfen, die zu gegenseitiger Aggression aufstacheln oder die im Wirkungsbereich herumlaufenden immer antriebsloser machten, bis sie in einer geistigen Lähmung gefangen nur noch mechanische Bewegungen ausführen konnten. Daneben ließ er jeden den Patronus-Zauber mindestens viermal ausführen. Millies Patronus war eine muskulöse Bärin, ähnlich einem Patronus, den Julius bei jenem Sommerball zu sehen bekommen hatte, wo Claire und er zum dritten und letzten Mal die goldenen Tanzschuhe gewonnen hatten und Dementoren das fröhliche Fest vermiest hatten. Seine Projektion der geflügelten Kuh Artemis war und blieb jedoch die Königin der gestaltlichen Patroni. Julius hoffte jedoch, sie nie wieder gegen entsprechende Gegner einsetzen zu müssen. Zwar wurden Dementoren nun weltweit gejagt und auf einsamen Inseln zusammengepfercht, wo sie langsam aber sicher dahindarben sollten. Doch es gab noch genug Kreaturen, die die Welt unsicher machten und gegen die der Patronus einer der wirksamsten Abwehrzauber war. Professeur Dirkson verlangte von denen, die bereits sehr gut im ungesagten Zaubern waren schnelle und vorgabengenaue Verwandlungen. Professeur Fixus hatte die Übungseinheiten zur Zutatenanalyse von komplexen Zaubertränken zu einem Abschluß gebracht und würde nach Ostern mit den Parallelgebräuen anfangen, bei denen die Zutaten auf mehrere Kessel verteilt, vermischt und verrührt wurden und die Tränke dann mit einer Katalyselösung zu einem einzigen, hochwirksamen Trank vereint wurden. Professeur Trifolio hatte nun die Springschnapper im Unterricht behandelt, jene tückischen fleischfressenden Pflanzen, die sich unter der Erdoberfläche verbargen und wie blitzschnell ausschlagende Fangarme aus dem Boden schossen, wenn ein Lebewesen in ihrer Ansiedlung herumlief. Nur wer Metall unter den Füßen hatte konnte diese hochgefährlichen Pflanzen davon abhalten, ihn oder sie zu packen und zu vertilgen. Professeur Fourmier indes reiste mit ihrer Klasse praktische Magizoologie auf den Latierre-Hof, auf dem in diesen Osterferien wieder mehrere Beauxbatons-Schüler Urlaub auf dem Bauernhof verbringen würden. Hier konnte Julius seine eigene Kuh Artemis vorstellen, deren Trächtigkeit schon so weit vorangeschritten war, daß die meisten glaubten, sie könne noch während ihres Aufenthaltes kalben. Doch Barbara Latierre, die mit Genehmigung der Fachlehrerin die Erläuterungen und Vorführungen machte versicherte den Schülern, die es nicht schon längst wußten, daß Artemis erst im Oktober kalben würde. Julius fing eine kurze Melo-Botschaft der ihm zugeteilten Latierre-Kuh auf:

"Ich würde ihnen gerne den Gefallen tun und sie zusehen lassen, wie das Kind kommt. Aber im Moment muß ich noch für es mitessen und -trinken."

"Lass dir Zeit, Temmie! Ich kann dir dabei sowieso nicht groß helfen", schickte Julius zurück.

"Noch genieße ich es, zu warten", erhielt er Temmies gedachte Antwort. Da kniff ihm Millie in den linken Arm und zischte ihm zu: "Die anderen sind schon in Richtung der Bullenwiese weiter. Nachher fällt auf, daß du mit Temmie flirtest."

Julius wünschte der rein rechtlich ihm gehörenden Kuh noch eine schöne Zeit und ging mit seiner Frau weiter.

Neben dem Unterricht übten die künstlerischen Freizeitgruppen ihre Auftritte am Elternsprechtag ein. Julius, der in der Holzbläsergruppe spielte, durfte am Freitag Abend, an dem sonst Duellierübungen angesetzt waren, mit den anderen Musikgruppen die Generalprobe abhalten. Hierbei stellten sie sich einmal vor den Palast, um die Begrüßung der Verwandten einzuüben und vollführten dann in der Aula zu den passenden Umweltillusionen ein Konzert, das die Reise eines Zauberers vom Abend- ins Morgenland beschrieb. So standen die Musiker einmal in einem Wald, dann mitten im Gebirge, um dann auf einem simulierten Schiff bei hohem Seegang über ein illusionäres Meer zu segeln, um dann im flirrendheißen Wüstensand zwischen weit in der Ferne wandernden Dünen und dahinschwankenden Kamelen eine orientalisch klingende Suite mit flotten und langsamen Rhythmen zu spielen. Laurentine, die der aus mehreren Sälen zusammengesetzten Streichergruppe angehörte, präsentierte ihre Fingerfertigkeit, als sie mehrere Noten auf ihrer Geige zupfte, Pizzicato, wie die Musiker diese Spielweise nannten. Zu alle dem tanzte Madame Norieves Balletttruppe, bei der sogar fünf Jungen mitmachten, in wechselnden Kostümen. Der Schulchor, der ebenso wie die Streichergruppe aus Mitgliedern der verschiedenen Säle zusammengestellt war, hatte lateinische und arabische Texte einüben müssen. Jedenfalls wollte Beauxbatons diesen Elternsprechtag besonders würdig begehen, war es doch der erste in der neuen Ära, die hoffentlich von Frieden und Ruhe erfüllt war.

Am letzten Tag vor dem Elternsprechtag wurden die Säle auf Hochglanz gebracht. Julius half mehr aus als er dirigierte. Ihm lag diese Armeeausbilderhaltung nicht sonderlich, Leute zu anstrengenden Taten anzutreiben, wo er mit den erlernten Haushaltszaubern schneller fertig wurde, als wenn er Leute dazu anhielt. Gérard sah es wohl auch so und beließ es bei der Einteilung der Schlafsaalreinigungstruppen. Jedenfalls konnte Professeur Delamontagne bei der Prüfung der für Männer zugänglichen Räumlichkeiten nichts beanstanden.

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"So, alle, die im letzten Jahr noch nicht dabei waren ganz nach vorne!" Dirigierte Julius die Erstklässler der Grünen. Babette, Jacqueline und Armgard brauchten keine Anweisung von Céline. Sie stellten sich gleich in einer Dreierreihe. Céline mußte ein paar größere Jungen davon abhalten, sich nahe bei Pierre Marceau und Gabrielle Delacour zusammenzurotten. Julius besorgte es, die fünf älteren Burschen in die ihnen zustehende Reihe einzutreiben wie ein Schäferhund die Schafe. Dann bestieg er das in den sechs Saalfarben lackierte Podest, auf dem das Begrüßungsorchester die eintreffenden Familienangehörigen willkommenheißen sollte. er blies behutsam die kleine Flöte warm, auf der er den Marsch "Bienvenu dans Beauxbatons" begleiten würde. Julius überblickte noch einmal alle seine Mitschüler. War das jetzt echt schon drei Jahre her, wo er zusammen mit Jeanne und Claire auf diesem Podest gestanden hatte. Damals konnte er nicht ahnen, daß das erste auch das letzte Mal sein würde. Was war in der Zeit alles passiert? Nein, er wollte jetzt nicht wieder ins Erinnern geraten, weil gerade die Lehrer und anderen Schulbediensteten in ihren besten Festgewändern Aufstellung nahmen. Irgendwie fehlte die imposante Erscheinung Madame Maximes, dachte wohl nicht nur Julius. Professeur Faucon war gerade mal halb so groß wie die ehemalige Schulleiterin. Sie trug heute ein himmelblaues Satinkleid mit einem silbernen Schmuckgürtel. Offenbar hatte sie ihr schwarzes Haar mit Seidenglanzgel aufgefrischt. Julius warf einen Blick zu Millie hinüber, die in der Reihe der Altstimmen des Chores stand. Die kleine Silberschale an der Kette glänzte im Licht der aufsteigenden Sonne. Julius blickte nach oben, wo die vier Meter große Flagge am goldenen Mast flatterte und die beiden gekreuzten Zauberstäbe mit je drei heraussprühenden Funken zeigte. Er trug auch solche Zauberstäbe an einem Band um seinen Hals. Die Hellersdorfs hatten ihn damit bisher nicht zu sehen bekommen. Er fragte sich, ob die Dusoleils wieder herüberkommen würden wie in den beiden Jahren davor. Aber da sie ja gerade ein Kind im Krabbelalter hatten war es klar, daß sie lieber in Millemerveilles bleiben wollten, dachte Julius.

"Gleich ist es neun Uhr", frohlockte Louis Vignier, der zu den Blechbläsern von Beauxbatons hinzugestoßen war, seitdem er seine Liebe für Flügelhörner entdeckt hatte. Offenbar wollte er damit seinen Eltern imponieren, die wohl fürchteten, daß er hier nichts lernte, was er seinen uneingeweihten Verwandten vorführen konnte.

"Ist immer wieder toll, auf diesen Moment zu warten", sagte Julius. Dann wurde es neun Uhr.

Mit lautem, dumpfem Knall erschien über dem großen Roten Kreis eine sonnenuntergangsrote Halbkugel, die sofort im Boden versank. Zeitgleich ttrafen zwanzig Reisebusse in verschiedenen Farben ein: Grüne, weiße, zitronengelbe, orange, violette und marineblaue. Es war immer wieder faszinierend, wie präzise die von verschiedenen Orten losgefahrenen Busse zur selben Zeit eintrafen und ohne Zusammenstoß in Viererreihen parkten. Julius beobachtete die aussteigenden Fahrgäste, alles Eltern der muggelstämmigen Schülerinnen und Schüler. Er sah die Eltern von Nadine Albert sowie eine Frau, die Armgard Munster ähnelte und aus einem der Busse gestiegen war, die die Verwandtschaft aus dem Einzugsgebiet Belgien hergebracht hatten. Louis sah seine Eltern, die zusammen mit anderen Elternpaaren aus den Bussen kletterten und winkte ihnen zu. Währenddessen sah Julius zum roten Ausgangskreis hinüber, wo jede halbe Minute weitere Reisesphären eintrafen. Schließlich konnte er eine Gruppe erkennen, die aus Millemerveilles stammte. Danach traf eine Gruppe aus Paris ein. Er sah seine Schwiegereltern, die vom Augenschein her nicht zueinander passen mochten. Hippolytes über einen Meter neunzig große Gestalt überragte ihren nicht größer als ein achtjähriger Junge gewachsenen Mann Albericus um mehrere Köpfe. Auch Ursuline Latierre und ihre Tochter Barbara waren mit ihren Ehemännern in der Reisesphäre aus Paris angekommen. Julius' Schwiegertante Barbara wirkte nicht besonders begeistert. Das mochte daran liegen, daß ihre beiden Töchter Callie und Pennie in diesem über die Hälfte verstrichenen Schuljahr viel Unsinn angestellt hatten. Line Latierre hingegen strahlte mit der Frühlingssonne um die Wette. Julius erkannte auch die Dorniers und sah zwei Frauen, die einen Mann begleiteten, der sich prüfend und etwas mißtrauisch umsah. Julius dachte daran, daß Joe Brickston heute zum ersten Mal nach Beauxbatons kam, um sich zusammen mit seiner Frau Catherine anzuhören, wie es der gemeinsamen Tochter Babette in ihrem ersten Schuljahr hier erging. Julius dachte daran, daß Joe arge Probleme haben mochte, mit der Schulleiterin zu reden, die ja zugleich seine Schwiegermutter war. Daß seine Mutter Martha, die jetzt Eauvive mit Nachnamen hieß, im Ausgangskreis angekommen war, gehörte für Julius schon zu den Alltäglichkeiten. Das Joe als Ehemann einer Hexe mit in der Reisesphäre ankommen durfte, statt wie die anderen nichtmagischen Elternteile in einem der Busse anzureisen, überraschte Julius auch nicht. Denn Joe war bereits mehrmals mit der Reisesphäre transportiert worden und hatte sogar schon in der Transportkabine auf dem Rücken einer Latierre-Kuh verreisen dürfen. Die Elternpaare waren festlich gekleidet. Auch die Hellersdorfs, die aus einem der violetten Busse gestiegen waren, trugen Festgarderobe.

Als keine Reisesphäre mehr im roten Ausgangskreis erschien und alle in den Bussen angereisten Elternpaare sich zur Begrüßung in zwanzig langen Reihen aufgestellt hatten, winkte Madame Faucon Mademoiselle Bernstein, der Musikleiterin, die darauf einen Tusch dirigierte. Dann setzten die Flöten mit dem Marsch "Bienvenu dans Beauxbatons" ein. Blechbläser, Streicher und Schlagwerker stimmten nacheinander in den Marsch ein und spielten diesen laut und mitreißend auf. Danach richtete Madame Faucon das Wort an die angereisten Familienangehörigen.

"Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler von Beauxbatons! Es ist mir eine große Ehre, Sie alle hier und heute begrüßen zu dürfen. In meiner neuen Eigenschaft als hauptamtliche Leiterin der altehrwürdigen und hochangesehenen Beauxbatons-Akademie für französischsprachige Hexen und Zauberer weiß ich um die Wichtigkeit einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern und Schülern, ohne die diese Lehranstalt niemals den guten Ruf erlangt hätte, den sie seit vielen Jahrhunderten genießt. Auch weil es den Lehrerinnen und Lehrern von Beauxbatons bewußt ist, daß Lorbeeren, auf denen man sich zu lange ausruht schnell verwelken, sind wir alle ständig darauf bedacht, diesen guten Ruf nicht nur zu bestätigen, sondern ihn mit allen uns verfügbaren und zulässigen Mitteln zu steigern, so daß junge Menschen, denen die außergewöhnliche Begabung zur Magie in die Wiege gelegt wurde, im Umgang und in der Verantwortung damit ausgebildet werden, so daß sie und wir alle uns in einer freien, mitmenschlichen, einander achtenden Welt bewegen können, in der jeder Mensch seine Daseinsberechtigung erfährt." Einige Elternpaare stießen merkwürdige Unmutslaute aus, darunter auch die Hellersdorfs. "Nun verstehe ich wohl, daß es einige gibt, die im Spiegel der dunklen Ereignisse des vergangenen Jahres argwöhnen, die Befähigung zur Magie und der Umgang damit würden grundsätzlich darauf abzielen, die Welt unter die Herrschaft einer kleinen, menschenfeindlichen Gruppe skrupelloser Hexen und Zauberer zu zwingen. Nun, dieser Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen, gab es im vergangenen Jahr doch genug Anlaß, eine derartige Verheerung zu befürchten. Doch, werte Damen und Herren und auch Sie, werte Schülerinnen und Schüler, gerade in diesen dunklen Zeiten, als eine gruppe grausamer Anhänger destruktiver Zauberkünste darauf abzielte, die Welt nach ihrem wahnhaften Bild neu zu erschaffen, indem sie die bisher so gedeihlichen Strukturen zerreißen und das menschliche Miteinander zerschlagen wollte, hat diese Schule ihr klares Bekenntnis zur Mitmenschlichkeit und gegenseitigen Achtung in die Welt hinausgerufen. Hier in Beauxbatons durften Ihre Kinder sich sicherfühlen und weiterhin das erlernen, was zur verantwortungsvollen Handhabe ihrer angeborenen Fähigkeiten notwendig ist. Nicht Beauxbatons trug die Schuld daran, daß die ohne Magie lebenden Eltern unserer Schülerinnen und Schüler lange nichts von ihren Söhnen und Töchtern erfuhren. Im Gegenteil. Als die aus Angst erwachsene Abriegelung Frankreichs und die Unterdrückung ihm nicht genehmer Zeitgenossen Didiers klar erkannt wurde, haben wir unsere Mittel gefunden, um mit Ihnen in Kontakt zu bleiben. Daraus mögen Sie alle ersehen, wie sehr wir vom Lehrkörper der Beauxbatons-Akademie den Kontakt unserer Schüler zu ihren Familienangehörigen schätzen und pflegen wollen. Der Umstand, daß wir die Schule für mehrere Wochen schließen mußten rührt von der auf Gewalt und Terror setzenden Machtgier jener in Großbritannien hausenden Bande böswilliger Zauberer und Hexen her. Doch wir konnten uns aus dieser Gefahr befreien und jeden Schüler und jede Schülerin vor Schaden bewahren. daran dürfen Sie erkennen, wie wichtig uns das Leben jedes hier eingeschulten ist, der sich an die zum gedeihlichen Miteinander und förderlichen Unterricht nötigen Regeln hält. Daß wir Sie alle hier und heute erneut zu diesem wichtigen Tag vor Antritt der Osterferien begrüßen können, beruht auf der verbindlichen Erkenntnis, daß nur im Miteinander ein ständiger Fortschritt und dauerhafter Friede besteht, nicht im Gegeneinander und der gegenseitigen Bekämpfung. Im Lichte dieser so wichtigen Erkenntnis freue ich mich, daß Sie alle hier und heute zu uns reisen konnten und bedanke mich auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen für das uns entgegengebrachte Interesse am schulischen und menschlichen Werdegang der uns von Ihnen anvertrauten Söhne und Töchter. Denn in dem Können und handeln unserer Kinder erwächst die Zukunft. möge diese nun aus der dunklen Asche der Vergangenheit in einem Feuer leuchten, das nur Wärme und Licht, aber keine Zerstörung und massenhaften Tod beschert! Ich schließe mich somit der musikalischen Begrüßung der für Sie aufspielenden Damen und Herren aus der Schülerschaft an und rufe Ihnen allen zu: Willkommen in Beauxbatons!" Sie verbeugte sich vor den Eltern und Schülern und trat in die Reihen der Lehrerinnen und Lehrer zurück. Das war für die angereisten Familienangehörigen und die Schüler das Signal, einander zu begrüßen. Julius verließ das hohe, sechseckige Podest und ging ruhig auf seine Mutter zu, die ganz alleine auf ihn zukam. Catherine und Joe waren bereits unterwegs zu Babette, deren zwei Schulfreundinnen ihre Eltern heranwinkten. Millie war gerade mit Patricia unterwegs zu ihren Verwandten, während Callie und Pennie nicht ganz so erfreut zusahen, wie ihre Mutter auf sie zukam.

"Hallo Julius! Bist ja doch noch ein kleines Stück größer geworden", begrüßte seine Mutter ihn. Er grinste und meinte:

"Ich hörte, Antoinette und Madeleine hielten dich so gut auf Trab, daß du auch noch etwas größer werden könntest."

"Komm, reden wir besser erst einmal nicht von Madeleine. Die würde am liebsten haben, daß ich ganz zu ihr hinziehe. Sie meint, daß die ganzen Elektrogeräte und das Autofahren meine Hexenkräfte einlullen würden. Nachher macht die doch noch was, daß ich wieder größer werden muß."

"Ich dachte, das sei durch Antoinettes Adoption vom Tisch", wunderte sich Julius.

"Problem nur, daß Antoinette wegen ihrer Heilerinnenpflichten wenig Zeit hat, um sich um diese Prüfungsvorbereitungen zu kümmern. Jetzt wittert die werte Madame L'eauvite wieder Morgenluft. Aber ich bin ja nicht hier, um über meine Probleme oder Erlebnise mit anderen Hexen zu lamentieren, die es ja im Grunde nur gut meinen."

"Was keine Rechtfertigung ist, wenn jemand was verbockt oder jemanden bevormundet, Mum", wußte Julius die entsprechende Antwort. Seine Mutter nickte. Dann fragte er, ob ihr die Arbeit im Verbindungsbüro zwischen magischer und nichtmagischer Welt noch gefalle.

"Du meinst wegen Genevièves ständiger anfragen? Noch habe ich keine Probleme mit Madame Grandchapeau und den anderen. Belle Grandchapeau erwartet übrigens im November das zweite Kind. Da werde ich wohl ihre Arbeit noch miterledigen dürfen."

"Ui, dann kriegt Jeannes Nachwuchs auch noch einen Klassenkameraden aus der Grandchapeau-Familie", erkannte Julius. Er sah sich um, ob die Dusoleils nicht doch noch angekommen waren. Doch sie waren nirgendwo zu sehen. So fragte er seine Mutter, zu wem sie denn hingehen wolle.

"Erst zu Phoe..., ähm Professeur Delamontagne, weil der zum einen dein neuer Hauslehrer und als Fachlehrer gegen dunkle Zauberkräfte für dich zuständig ist. Dann hat mich Professeur Dirkson in astreinem Englisch angeschrieben, daß es sie sehr interessieren würde, mich kennenzulernen, was ich voll und ganz erwidern durfte. außerdem werde ich noch zu Professeur Fixus, Professeur Trifolio und Professeur Fourmier hingehen, weil ich von denen wissen möchte, wie deine Chancen für einen tier- oder pflanzenkundlichen Werdegang stehen. Wüßtest du noch wen, den wir unbedingt besuchen müßten?"

"Na ja, Professeur Milet hätte dir vielleicht noch erzählen können, wozu wir die alten Runen brauchen und für welchen Beruf die wichtig sind. Professeur Bellart wird dir wohl nichts anderes erzählen als Professeur Delamontagne und Professeur Dirkson. Zu Madame Faucon möchtest du nicht, Mum?"

"Höchstens, um mit ihr zu klären, was ich mir von ihrer großen Schwester bieten und gefallen lassen muß und was nicht", grummelte Julius' Mutter. "Sollte sie jedoch am Nachmittag noch einen freien Termin haben könnte ich sie fragen, ob sie zwei Minuten erübrigen kann. Immerhin bist du ja Saalsprecher und somit in der Hierarchie gleich unter Professeur Delamontagne angesiedelt. Aber einen vorangemeldeten Termin habe ich nicht mit ihr. Oder wüßtest du, daß es was gibt, weshalb wir mit ihr sprechen müßten?"

"Ich dachte, sie hätte dich eingeladen, mit ihr zu sprechen. Wenn nicht, wüßte ich auch nichts, was wir mit ihr bereden könnten. Womöglich will sie sich das für nächstes Jahr aufheben, wenn die UTZs fällig sind", erwiderte Julius. Seine Mutter nickte. Dann prüfte sie ihren Terminplan und fragte Julius, wo Professeur Delamontagne sein Sprechzimmer habe. Julius führte seine Mutter zum Palast. Unterwegs liefen ihnen die Dumas' über den Weg.

"Ah, Martha, schön dich schon jetzt direkt sprechen zu können. Ist dein Terminplan eng besetzt oder findet sich so zwischen elf und halb zwölf eine Möglichkeit, daß wir noch einmal miteinander sprechen können?" Fragte Sandrines Mutter.

"Ich bewundere es, wie ausdauernd du bist, Geneviève. Ich habe zwischen den Terminen mit Professeur Fixus und Professeur Fourmier noch eine halbe Stunde Zeit. Aber ich fürchte, du wirst mir kein Angebot machen können, das Nathalie nicht locker überbieten kann."

"Nun, es ist wohl ein wenig zu früh, um derartige Aussagen zu treffen, Martha. Am besten besprechen wir zwei das dann, wenn mein Mann und ich bei Professeur Milet waren, was so gegen zehn nach elf der Fall sein dürfte." Sandrine grinste Julius an. Dieser nickte.

"Gut, ich sehe es ein, daß du nicht aufgibst, Geneviève. Aber mach dir bitte keine zu großen Hoffnungen!" Seufzte Martha Eauvive. Doch sie mußte lächeln, weil ihr die unnachgiebigkeit der Schuldirektorin von Millemerveilles schon imponierte. Julius erlaubte sich noch eine Frechheit und fragte:

"Hast du keine Angst, daß Nathalie meine Mutter mit Walpurgisnachtringen an sich hängt, Geneviève?"

"Dann müßte die werte Nathalie mit deiner Mutter zusammen unterrichten. Anders wäre es, wenn sie ihr Infanticorpore oder eine permanente Verwandlung in eine zum unterrichten unfähige Erscheinungsform auferlegt. Und das wird sie ganz sicher nicht tun, weil deine Mutter dann sicher auch für ihre beruflichen Interessen ungeeignet wäre", erwiderte Geneviève Dumas ganz locker und winkte ihrem Mann und ihrer Tochter, die beide verhalten grinsen mußten.

"Bring Nathalie nicht auch noch auf so Ideen, Julius. Reicht schon aus, daß Madeleine in ihrem Übungsraum eine Wiege stehen hat um mir zu zeigen, wie schnell ich da reinschrumpfen könnte", grummelte Martha.

"Klär das besser mit Antoinette, daß du ihre Adoptivtochter bist und nicht die von Madeleine! Vielleicht hört das aber auch auf, wenn du die ZAG-Einzelprüfungen geschafft hast. Dann hat sie keinen Grund mehr, dich anzutreiben."

"Neh, weil dann eure respektable Schulleiterin befinden könnte, ich hätte dann auch noch diese UTZ-Prüfungen zu schaffen, die du nächstes Jahr machst." Dem konnte Julius nicht so einfach widersprechen. Aber daß Geneviève Dumas so beharrlich um seine Mutter warb, sie möge doch wieder die jungen Hexen und Zauberer in Millemerveilles unterrichten amüsierte und verwirrte ihn ein wenig. Seine Mutter war keine ausgebildete Lehrerin. Alles was sie den Schulkindern hatte beibringen können waren simple Rechenmethoden und mathematische Grundsätze. Aber daran fehlte es in Millemerveilles wohl.

"Hallo Martha und Julius, wollt ihr auch zuerst zu eurem Saalvorsteher?" Fragte Line Latierre, die mit ihrem Mann Ferdinand und den Töchtern Patricia und Mayette herankam. Millie und ihre Eltern standen bei Barbara und Jean Latierre und den Zwillingen Calypso und Penthisilea.

"Ja, so habe ich das vorgebucht. Hatte glück, gleich als erste den Termin zu kriegen, bevor die ganzen anderen nichtmagischen Eltern ihm die Türe einrennen."

"Wir sind dann mit meinen beiden Töchtern, Babs' Zwillingen und Millie zuerst bei Professeur Fixus, damit die uns alle hinter sich hat. Wir sehen uns ja dann beim Mittagessen wieder", erwiderte Ursuline und winkte. Ferdinand zog seinen Zaubererhut und winkte Martha Eauvive und ihrem Sohn kurz damit zu.

Professeur Delamontagne begrüßte Martha Eauvive herzlich und nickte Julius zu, als die beiden vor dem Sprechzimmer ankamen. "Ich denke, die fünf Minuten Redezeit werden wir nicht ganz auskosten müssen", sagte der Fachlehrer für die Abwehr dunkler Zauberkräfte. Er bat seine Besucher, sich zu setzen. Dann erläuterte er innerhalb einer Minute, daß er mit Julius' Leistungen und Einsatzfreude im Unterricht sehr zufrieden sei und daß er mit ihm auch einen verläßlichen Saalsprecher an der Seite habe, der die in einer großen Gruppe unterschiedlich alter Jungen und Mädchen immer wieder aufkommenden Spannungen ruhig aber mit der nötigen Durchsetzungskraft abbauen könne. Auch erwähnte er eine wohlwollende Anmerkung Michel Montferres, daß Julius als bereits geprüfter Begleiter des Apparierkurses einen förderlichen Einfluß auf die anderen Kursteilnehmer ausgeübt habe. Dann beantwortete er noch Fragen von Martha Eauvive, wie er Julius' Berufsaussichten sehe, jetzt wo er ja schon volljährig erklärt worden sei und ob im Zusammenhang mit den Ereignissen in England noch irgendetwas für die ehemaligen Andrews' zu befürchten sei.

"Nun, es ist wohl so, daß es in Ihrem Geburtsland noch verschiedene Leute gibt, die Sympathien für diesen wahnwitzigen Zauberer hegen und sich wohlweißlich bedeckt oder gar versteckt halten. Deren Verachtung und möglichen Rachegelüste dürften sich im Moment eher auf andere Personen richten, da Ihr Sohn ja letztes Jahr nicht in Hogwarts und England war." Julius hätte fast verraten, daß er einmal in Hogwarts war und dieses eine Mal zur gewaltigen Niederlage von Dolores Jane Umbridge geführt habe. Doch wenn Delamontagne es bis heute nicht wußte, mußte er es jetzt auch nicht erfahren. Julius warf ganz bewußt ein, daß er schon eine gewisse Sorge hatte, daß diese Abgrundstöchter ihn vielleicht irgendwann heimsuchen könnten, weil sie rausfinden mochten, wer für die Vernichtung ihrer Schwester Hallitti mitverantwortlich war. Professeur Delamontagne erwiderte darauf, daß die Liga gegen dunkle Kräfte und die Zaubereiministerien der Länder, in denen diese Wesen zuletzt aufgetreten seien, ein sehr starkes Interesse daran hätten, deren Bewegungsfreiheit einzuschränken. Der Lehrer und ehemalige Gegenminister wußte jedoch, daß Julius wußte, daß er wußte, daß diese Aussage sehr dürftig und von keiner klaren Erfolgsaussicht gestützt war. Man hatte Hallitti nicht hindern können, England zu verlassen und auch nicht, nach Amerika einzuwandern. Wie sollten da die noch wachen Schwestern gehindert werden, wo diese Itoluhila unbemerkt in Sibirien auftauchen und unangefochten wieder verschwinden konnte.

"Meine Tätigkeit für das Ministerium erlaubt mir gewisse Einblicke in zaubererweltliche Ereignisse, die auch auf die sich ebenso auf die nichtmagische Welt auswirken", holte Martha Eauvive aus. "Daher weiß ich, daß im Moment eine durch etwas mir nicht enthülltem übermächtig gewordene Vampirin, die sich wohl in beiden Welten auskennt, eine ernsthafte Bedrohung darstellt, von dieser Schwesternschaft ganz zu schweigen, die meinen Sohn zweimal als Köder benutzt hat, um mißliebige Gegner auszuschalten. Mein Sohn lernt ja deshalb bei und von Ihnen die Abwehr dunkler Kräfte. Beinhalten diese Kenntnisse und Fertigkeiten nicht auch eine gewisse Verpflichtung? Ich meine, könnte es meinem Sohn passieren, daß das Zaubereiministerium ihn für besondere Aufgaben zwangsverpflichtet, wenn es nach Leuten sucht, die gut in der Abwehr dunkler Kräfte ausgebildet sind?" Julius sah seine Mutter verdutzt an. Doch diese wirkte sehr entschlossen. Professeur Delamontagne runzelte kurz die Stirn und erwiderte dann:

"Natürlich kennen Sie die Maßnahmen, die der nicht so ehrenwerte Monsieur Didier ergriff, indem er Schüler rekrutierte, die Dementoren zurückschlagen können. Diese Wesen sind Ihnen ja, so weiß ich aus den eigenen Erlebnissen mit Ihnen, hinlänglich bekannt. Es gibt gesetzliche Regelungen, denen nach Hexen und Zauberer, die eine dokumentierte Ausbildung in bestimmten Zweigen der Magie haben, in einer diese Fertigkeiten fordernden Notlage angefragt werden müssen, ob sie sich zur Lösung der Notlage bereiterklären. Dabei mögliche Verdienstausfälle müssen dann vom Ministerium beglichen werden. Allerdings sieht das Zaubereiministerium, wie wir beide es vor und nach Didiers Herrschaft erleben durften keinen konkreten Zwangsverpflichtungsgrund vor. Wer die destruktiven Formen der Magie abzuwehren lernt, kann nicht gegen seinen Willen dazu veranlaßt werden, in eine ministerielle Söldnertruppe einberufen zu werden. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Allerdings weiß ich aus meiner eigenen Lebenserfahrung wie auch aus den Lebensentscheidungen von Kollegen und Freunden, daß wer die zerstörerischen Formen der Zauberei zu bekämpfen lernt, die als dunkle Künste oder schwarze Magie bezeichnet werden, von sich aus einen Weg einschlägt, der dazu führen kann, bei der Abwehr böswilliger Magier oder Kreaturen zu helfen, wenngleich es durchaus auch genug Personen gibt, die diese Fertigkeiten erlernt haben, um ihren Freunden und Angehörigen beizustehen, etwas, was ich den Erstklässlern und denen im ZAG-Jahrgang gleich zu Schuljahresbeginn nahegelegt habe, dieses Unterrichtsfach als eines der wichtigsten Schulfächer überhaupt zu sehen und nach Möglichkeit und ZAG-Wertung bis zum UTZ-Abschluß zu besuchen. Ihr Sohn hat ja auf Grund der eigenen, wohl sehr gerne ungeschehen gewünschten Erfahrungen erkannt, daß er nicht ganz so wehrlos ist, wenn er die Abwehr dunkler Zauberkräfte erlernt und übt." Julius nickte heftig, einmal als Professeur Delamontagne von gerne ungeschehen gewünschten Erfahrungen sprach und dann, daß er die Abwehr dunkler Kräfte deshalb weiterlernte, um sich nicht wehrlos zu fühlen, wenn er mit Kreaturen wie Hallitti oder der alten Naaneavargia zu tun hatte. Doch mit keinem Wort wurden die vier alten Zauber erwähnt, die Julius von Darxandrias Cousine erlernt hatte. Ebenso wurde der zweite Ausflug in die Himmelsburg verschwiegen. So beendete der Vorsteher des grünen Saales die kurze Unterredung mit der Hoffnung, daß Julius mit den bisherigen Leistungen und noch möglichen Leistungen einen ebenso ansehnlichen UTZ-Grad erringen würde, wie es der allgemeine Zauberergrad bereits war. Dann war die untere Hälfte der auf fünf Minuten geeichten Sanduhr voll. Martha Eauvive und Julius Latierre bedankten sich bei Professeur Delamontagne und verließen das Sprechzimmer, vor dem bereits ein Ehepaar und eine andere Frau mit Jacqueline standen. Julius erkannte die zweite Frau als Luisette Richelieu. Er hatte sie in der Apparierabteilung des Zaubereiministeriums getroffen. Sie nickte ihm zu und deutete dann auf die offene Tür. Jacquelines Vater schien nicht sonderlich begeistert zu sein, hier zu sein, dachte Julius. Seine Frau wirkte irgendwie so, als wisse sie nicht, ob sie hier was besonders schönes oder widerliches erleben würde. Delamontagne winkte die nächsten Besucher lächelnd herein.

"Ach, das war Babettes Klassenkameradin, die nichtmagische Eltern aber eine magisch begabte Tante hat?" Fragte Martha Eauvive. Julius bestätigte das und fügte auch an, daß er Mademoiselle Louisette Richelieu bereits im Zaubereiministerium getroffen hatte, als er seine Einzelstunden im Apparieren dort hatte.

Vor Professeur Dirksons Sprechzimmer saßen bereits die Vigniers.

"Könnte dauern, Julius. Marcs Eltern sind da drin, und die sahen ziemlich finster aus", grüßte Louis den Mitschüler leise. Seine Eltern erkannten den hochgewachsenen Jungen nun richtig und sahen auch, daß er neben einer goldenen Brosche mit dem Namen Julius Latierre auch ein goldenes Kreuz aus zwei Zauberstäben mit Platinfunken trug. So kamen sie ins Gespräch über diese Auszeichnungen. Julius erläuterte kurz und knapp, weshalb er die gekreuzten Zauberstäbe bekommen hatte und was ein Saalsprecher für Aufgaben hatte. Durch die Tür hörte er Professeur Dirksons Stimme. Diese war jedoch so stark abgedämpft, daß er nicht verstehen konnte, was sie sagte, wenn er nicht an die Tür schleichen und lauschen wollte. Doch dafür hatte er hier zu viele Zeugen.

"Unser Sohn erwähnte, daß ihn zwei Mitschülerinnen mit übermäßiger Körperkraft nachstellten, stimmt das?" Wollte Madame Vignier wissen.

"Hat ihr Sohn das erzählt?" Fragte Julius und sah Louis an, der leicht errötete. "Falls ja, wieso fragen Sie mich, ob das stimmt? Glauben Sie ihm nicht?"

"Also ja", knurrte Madame Vignier. "Da Louis uns erzählte, du seist mit diesen beiden Hexen verwandt, teile Ihnen bitte mit, daß wir es sehr sehr stark begrüßen würden, wenn sie sich jemanden von ihresgleichen für ihre Anbandlungsvorhaben aussuchen würden!"

"Nun, Ihr Sohn ist hier Schüler und kann alles das, was die beiden auch können, von der überragenden Körperkraft abgesehen. Insofern gehört er zu ihresgleichen, Madame", erwiderte Julius. Louis funkelte ihn dafür verbittert an. Julius sah es und sprach zu ihm: "Louis, wir hatten es schon davon, daß du lernen mußt, das rauszukriegen, mit wem du gut auskommen möchtest, wer dir völlig egal ist und wen du nicht abkannst. Wenn du findest, daß wer anderes deine Angelegenheiten klärt lernst du es nie und wirst immer von anderen Leuten rumgeschupst und geführt und sonst was. Glaub's mir, daß ich genau weiß, wie sich sowas anfühlt."

"Sagen wir es mal so, junger Monsieur, daß wir keine große Lust drauf haben, mit auf uns herabblickenden Leuten zu tun zu haben, die wegen ihrer merkwürdigen Fähigkeiten meinen, sie wären besser als wir", erwiderte Monsieur Vignier. Louis sah seinen Vater an, wagte jedoch nichts zu sagen.

"Ich darf und werde mich da nicht einmischen, solange Louis diese Ansichten nicht zum Anlaß nimmt, sich mit jeder und jedem hier anzulegen, Monsieur Vignier. Passiert das aber doch, muß ich wohl mit unserem Saalvorsteher und der Schulheilerin, die nicht nur für körperliches Wohlbefinden zuständig ist darüber sprechen, ob Ihr Sohn die ihm angeborenen Fähigkeiten ungehindert zu nutzen lernt oder nicht und was ihn daran hindert, seine Fähigkeiten richtig zu nutzen. Mit richtig meine ich auch, daß er lernt, verantwortungsvoll und friedlich damit umzugehen."

"Wir werden bei unserem Gespräch mit diesem Professeur Delamontagne klarstellen, daß dieses Besenfluggetue aufhört. Unser Sohn wird bis zum Ende seiner Schulzeit auf keinen Besen mehr steigen, wenn das zum einen sehr gefährlich ist und zum anderen irgendwelche begehrlichkeiten Mannstoller Mädchen weckt", sagte Monsieur Vignier. Julius steckte diese Ankündigung lockerer weg als Louis. Er sah Monsieur Vignier entschlossen an und sagte:

"Sie kennen sicher den Spruch, daß man Rührei nicht wieder ungerührt machen und verschüttete milch nicht in den Krug zurückschütten kann. Wenn Sie Professeur Delamontagne auferlegen, Ihren Sohn vom Mitspielen in der Quidditchmannschaft auszuschließen und ihm auch die Teilnahme an der Walpurgisnachtfeier verbieten wollen würde hier jeder und jede wissen, daß das gegen seinen Willen und seine Fähigkeiten passiert. Wer immer schon gemeint hat, ihm schöne Augen zu machen, wie es so schön heißt, wird sich dadurch nicht abbringen lassen. Ansonsten haben Professeur Delamontagne, Professeur Beaufort und natürlich Madame Faucon die Kompetenz, Ihnen zu raten, ob Louis weiter Quidditch spielt oder nicht. Ende der Durchsage!"

"Walpurgisnacht? So wie sie auf dem Blocksberg gefeiert wird?" Fragte Madame Vignier. Julius blieb ganz gelassen und sagte, daß bis auf den Teufel und die in seinem Namen passierenden Ausschweifungen alles stimme, großes Feuer, wilder Besenflug und Tanz in den Mai, allerdings nicht nur für Hexen.

"Nur wenn ich mit einer von den Hexen zusammen fliegen will", fügte Louis hinzu. Seine Eltern sahen ihn und Julius finster an. Dann ging die Tür auf, und die Armands verließen das Sprechzimmer. Monsieur Armand sah Julius an und grüßte wortlos. Dann winkte er seiner Frau und Marc, ihm zu folgen, während Professeur Dirkson die Vigniers hereinbat.

"Wir haben dem damals zugestimmt, weil uns klar war, daß du in Hogwarts schon komisch genug angesehen wirst, Julius. Aber wenn die Herrschaften finden, ihr Sohn dürfe nicht fliegen mußt du das respektieren", zischte Martha Eauvive.

"Mum, es ging nicht darum, daß sie Quidditch für zu gefährlich halten. da kann ich nicht widersprechen. Es ging drum, daß sie nicht wollen, daß Louis von den Mädchen hier nettgefunden wird. Ihm deshalb das Quidditch verbieten käme also jetzt eindeutig zu spät. Im übrigen respektiere ich jede Entscheidung, die von Madame Faucon oder Professeur Delamontagne verkündet wird, solange die uns nicht befehlen, wir sollten unsere Eltern umbringen oder unsere Verwandten in Frösche verwandeln."

"Gut, ich sehe es ein, daß du über diese Situation mehr weißt als ich und daher eher erkennen kannst, woher sie rührt und wohin sie sich entwickeln kann. Ich wollte nur sicherstellen, daß du nicht meinst, anderen Leuten einreden zu müssen, wie sie mit ihren Kindern umzugehen haben."

"Das sagt gerade die, die erst von Befähigung und jetzt auch von Berufswegen her drauf ausgeht, fremden Leuten die Notwendigkeit bestimmter Sachen in der Zaubererwelt zu erklären", konterte Julius. Er hatte keine Lust, sich wegen Louis besorgter Eltern mit seiner Mutter anzulegen. Aber einen unpassenden Vorwurf unbeantwortet hinnehmen wollte er auch nicht. Tatsächlich traf er damit ins schwarze. Denn seine Mutter hatte sich schon früh darauf eingelassen, nichtmagischen Eltern magisch begabter Kinder die Gemeinsamkeiten der beiden Welten und die Notwendigkeit einer Zaubereiausbildung erklären zu müssen. So sagte sie nur, daß sie nur sicher sein wollte, daß Julius nicht ungefragt in anderer Leute Angelegenheiten hineinfuhrwerkte. Da sie aber auch nicht immer gefragt wurde beließ sie es bei dieser letzten Äußerung.

"Hier lang, Ma", hörte Julius Callies oder Pennies Stimme. Da kamen seine Schwiegercousinen und deren Eltern auch schon um die Ecke.

"Ach, Martha und Julius. Wartet ihr schon lange?" Fragte Jean Latierre. Martha deutete auf die Tür und erwähnte, daß sie gerade mitbekommen hätten, wie eine andere Familie hineingebeten worden sei. Julius sah es Callie an, daß sie wissen wollte, wer es sei. Doch offenbar hatten ihre Eltern ihr und Pennie eingeschärft, nur dann zu reden, wenn sie gefragt wurde. Julius entnahm der Antwort seiner Mutter, daß es besser sei, nicht zu erwähnen, daß die Vigniers im Sprechzimmer saßen. Das würden die Latierres eh mitbekommen, wenn die Tür wieder aufging. So redeten sie von Temmie und den anderen Latierre-Kühen und sondierten, wie Professeur Fixus gelaunt war.

"Die Sache mit deinem Kameraden Gérard und die auch Professeur Fixus aufgefallene Hingezogenheit zu einem deiner muggelstämmigen Mitschüler haben sie schon sehr verstimmt, ebenso wie uns", erwiderte Barbara Latierre. "Aber ansonsten ist sie wohl gut gelaunt, weil außer diesen Vorkommnissen nichts beanstandenswertes zu berichten ist. Wir werden das noch klären, wie wir damit umgehen."

"Notfalls dürfen die beiden eben nicht zu Walpurgis", räumte Jean Latierre ein, womit seine Töchter ihn sehr betreten ansahen.

"Sie müssen lernen, daß sie mit den erhaltenen Kräften nicht mit allem und jedem herumspielen dürfen wie mit ihren Planschnixen oder Anziehfeen", fügte Barbara Latierre noch hinzu. Callie und Pennie warfen einander betretene Blicke zu. Von drinnen hörten sie Professeur Dirksons Stimme leise sprechen. Offenbar sollte Louis gerade was vorzaubern. Monsieur Vignier schritt ein und rief für die draußen wartenden klar verständlich:

"Das hat Ihre Vorgängerin schon verlangt, daß er diese abgedrehten Sachen macht. Wir glauben Ihnen das auch so. Uns liegt nur daran, daß Louis lernt, nichts anzustellen, was die Leute über uns reden macht. Wenn Sie sagen, er könne Ihre Verwandlungssachen machen, dann lernt er eben dabei, wie er sie anderswo nicht machen muß. Mehr erwarten wir nicht von Ihnen."

"Gut, dann bedanke ich mich für Ihren Besuch. Wir sehen uns sicher nächstes Jahr wieder", klang Professeur Dirksons Stimme leise zur Antwort. Callie und Pennie nutzten aus, daß ihre Eltern sie nicht dauernd ansahen und grinsten. Dann ging die Tür auf, und die Vigniers kamen heraus. Als Louis die Zwillinge sah verzog er das Gesicht und deutete auf Callie, die lächelte. Er sagte seinen Eltern, daß es die beiden seien, die meinten, hinter ihm herzulaufen wie läufige Sabberhexen. Das wiederum ließen sich die Latierres nicht gefallen. Barbara fragte Louis Eltern, ob sie die Vigniers seien. Monsieur Vignier nickte und fragte, ob sie die Hexe sei, die ihre Töchter darauf abrichten wolle, Zuchtmaterial von außerhalb des Zaubererghettos zu erbeuten. Martha Eauvive stupste ihren Sohn an, der auf die Tür blickte, in der Professeur Dirkson stand. Julius' Mutter machte eine hinweisende Handbewegung und ging los. Julius folgte. Zwar hätte er sich gerne das Geplänkel weiter angehört, doch seine Mutter hatte recht. Das mußten sie sich jetzt wirklich nicht antun. Er hörte noch Barbara Latierre sagen, daß ihre beiden Töchter gerade in das Alter kämen, wo sie nicht wüßten, wo sie noch Kind sein durften und wo sie schon erwachsen handeln müßten. Als Monsieur Vignier nun lospolterte, daß es eine Unverschämtheit sei, seinen Sohn von gleich zwei übertourten Walküren verfolgen zu lassen rief Professeur Dirkson:

"Aber meine Herrschaften. Jeder Disput, so wichtig er sein mag, kann erstens in einer friedvolleren Tonart geführt werden und sollte nicht in einem der Gänge des Palastes stattfinden. Die tragen den Schall sehr weit, und ich denke nicht, daß jeder mithören muß, wenn Sie sich miteinander über private Angelegenheiten unterhalten. Abgesehen davon stört es mich bei meinen Unterredungen, und Sie durften ja erleben, wie wohltuend es ist, ungestört miteinander reden zu können. Madame und Monsieur Latierre nehme ich an? Sie sind nach Monsieur Latierre und seiner Frau Mutter an der Reihe. Kommen Sie bitte in fünf Minuten wieder, sofern Sie die private Unterredung mit Madame und Monsieur Vignier nicht auf später verschieben möchten!" Julius bewunderte es, mit welcher Energie aber auch Selbstsicherheit die Lehrerin den auflodernden Streit in wenigen Sekunden niederrang. Die Vigniers und Latierres sahen sie zwar etwas verstimmt an, nickten dann aber und gingen davon.

"Die haben mich auch gefragt, ob ich das mitbekommen habe, daß ihr Sohn von zwei jungen Mädchen mit übergroßen Körperkräften bedrängt würde. Aber Sie sind nicht den weiten Weg von Paris zu uns gereist, um sich über die pubertätsbezogenen Probleme anderer Schüler zu erkundigen, nehme ich an?" Martha Eauvive nickte bestätigend. Die neue Verwandlungslehrerin erwiderte das Nicken und bot den Besuchern freie Plätze an.

"Das Julius sehr gut in allen Zauberstabfächern ist weiß ich ja schon, weil ich es ja selbst oft genug gesehen habe. Insofern interessieren mich nur noch zwei dinge, Professeur Dirkson: Sie Kennenzulernen und zu erfahren, welche Möglichkeiten mein Sohn durch Ihren Unterricht an die Hand bekommt."

"Nun, was meine Person angeht hat Julius Ihnen sicher schon erzählt, daß ich wie er in Hogwarts gewesen bin und daß ich drei Kinder habe, zwei Söhne und eine Tochter, die mit mir zusammen in diese Schule gewechselt sind. Daß ich Witwe bin, weil mein Mann von den Verbrechern getötet wurde, die auch Ihrem Sohn nachgestellt haben hat er vielleicht nicht erwähnt", sprach Professeur Dirkson ganz ruhig. Martha Eauvive nickte nur. "Ach ja, womöglich hat Julius Ihnen erzählt, daß ich Jahrgangsstufenkameradin der Ihnen bekannten Heilerin Aurora Dawn war." Martha Eauvive nickte erneut. "Was meine Befähigungen angeht so erwarb ich sie durch meine Arbeit in der Redaktion von Verwandlung heute, einer Fachzeitschrift, die sich mit Formen und Problemstellungen der Verwandlungsmagie befaßt und natürlich, daß ich als Mutter von Drillingen lernen konnte, durfte oder mußte, alle Kinder gleichrangig zu betrachten, keines zu bevorzugen und alle für mich unwichtig erscheinenden Angelegenheiten als lebenswichtige Probleme meiner Kinder zu werten und entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Als ich dann hörte, daß durch eine Umbesetzung in Beauxbatons die Stelle für einen Verwandlungslehrer oder eine Verwandlungslehrerin ausgeschrieben wurde nahm ich das Angebot an, da ich nach dem erwähnten Tod meines Mannes, der übrigens auch nichtmagische Eltern hatte, eine vollständige Veränderung für mich und meine Kinder begrüßt habe. Da sie erwähnten, daß wir uns kennenlernen mögen möchte ich jetzt gerne die nicht zu privaten Einzelheiten aus Ihrem Leben erfahren." Martha Eauvive verblüffte dieser Vorstoß. Doch dann erzählte sie, was sie früher beruflich gemacht hatte, wie sie mit der Zaubererwelt in Berührung gekommen war und was sie mit und wegen ihrem Sohn alles erlebt hatte. Da es in den Zeitungen erwähnt worden war erwähnte sie auch, daß sie durch ein hier nicht näher auszuführendes Ritual weit nach der Geburt zu eigenen Zauberkräften gekommen sei und jetzt ähnlich wie Julius damit umzugehen lernte. Denn Martha Eauvive mußte davon ausgehen, daß Madame Faucon ihrer neuen Lehrerin derartige Sachen erzählt hatte, wenn diese meinte, es sei für die Beurteilung ihres Schülers wichtig. Professeur Dirkson fragte dann noch kurz, ob Julius' Mutter schon ergründet habe, für welchen Zweig der magie sie sich am besten eigne und ob die Umstellung sehr schwergefallen sei. Julius' Mutter erwiderte darauf, daß der Umstellungsprozeß wohl noch nicht vollendet sei und sie hoffe, daß sie weiterhin in und mit beiden Welten gut zurechtkommen werde.

"Sie haben eine sehr erfahrene Wegbegleiterin, Madame Eauvive. Meine frühere Schulkameradin Aurora Dawn schätzt Doktor Eauvive sehr hoch ein. Kommen wir also nun zum zweiten Grund für die erbetene Unterredung! Sie wollten wissen, welche beruflichen Möglichkeiten sich für Ihren Sohn erschließen, wenn er eine UTZ-Note in Verwandlung erwirbt? nun, im Moment schätze ich die Möglichkeit sehr hoch ein, daß Julius einen UTZ-Grad über Akzeptabel erreichen wird, zumal ihm das außergewöhnliche Grundtalent hilft, das er bereits in Hogwarts geäußert hat. Beruflich stehen Julius mehrere Möglichkeiten offen", sagte Professeur Dirkson und zählte die Fachrichtungen auf, bei denen gute Verwandlungsfertigkeiten wichtig waren. Dann bat sie Julius, seiner Mutter vorzuführen, wie er sich selbst verwandeln konnte. "Tritt bitte mal in die Nebelform über, Julius!" Julius überlegte, ob er das ablehnen sollte. Doch dann nickte er und konzentrierte sich. Als er es im ersten Ansatz schaffte, sich in eine weiße Dunstwolke zu verwandeln zuckte seine Mutter zusammen. Doch sie beherrschte sich, nicht loszuschreien. Catherine hatte ihr ja erklärt, daß bei Selbstverwandlungen solche Möglichkeiten bestanden. Was sie eher ängstigte war, daß Madeleine L'eauvite das irgendwann von ihr verlangen mochte. Julius verharrte einige Sekunden im gasförmigen Zustand und sagte sogar, daß ihm das nicht mehr weh tue. Dann rückverfestigte er sich innerhalb eines Lidschlages.

"Diese Übung dient der inneren Balance zwischen eigener Zauberkraft und eigener Körpermaterie. Gegenständliche Selbstverwandlungen sind zwar leichter auszuführen. Aber wer es schafft, in den Nebelzustand zu wechseln und sich zurückzuverfestigen kann gegenständliche oder Mensch-zu-Tier-Selbstberwandlungen wesentlich leichter und damit sicherer ausführen", erwähnte Professeur Dirkson. Sie verschwieg, daß Julius bei der ersten Selbstverflüssigung einen nicht dazu passenden Zauber hinzugenommen hatte, weshalb er mehrere Tage im magischen Streckverband hatte liegen müssen. Sie führte Martha nur vor, wie leicht man sich in andere Dinge oder Tiere verwandeln konnte und zeigte ihr den Zauber, mit dem Botschaften zu Brieftauben wurden, die beim angewiesenen Empfänger wieder zu Botschaften wurden. "Das alles geht durch gute Verwandlungsfertigkeiten, Madame Eauvive. Julius hat zwar immer geäußert, daß er nicht zu den Heilmagiern gehen möchte. Aber für andere Berufe wie Unfallumkehr, Such- und Schutzzauberer so wie der Arbeit in der nichtmagischen Welt ist eine gute Verwandlungsausbildung höchstwillkommen. Abgesehen davon bringt sie einem Zauberer oder einer Hexe besseres Geschick mit den zauberstabbasierten Zweigen der Magie ein. Sicher sind Zauberkunst und Verteidigung gegen dunkle Künste auch sehr anspruchsvoll und verlangen Reaktionsvermögen, Flexibilität und Improvisationsgabe. Doch durch Verwandlung lassen sich diese Fertigkeiten verbessern. Da ich den Zauberergrad Ihres Sohnes bei Antritt meiner Lehrtätigkeit erfahren durfte bin ich sehr froh, daß Julius die ihm dadurch angezeigte Möglichkeit nutzen und diesen Zweig der Magie bis zur UTZ-Reife erlernen möchte. Das sage ich nicht nur als Fachlehrerin. Mein Gehalt bekomme ich nicht nach Anzahl der Schüler, sondern nach Stunden. Ich sage das aus eigener Erfahrung, weil ich in Hogwarts selbst gelernt habe, wie wichtig es ist, alle erkannten Fähigkeiten richtig auszubilden. Ich denke, da stimmen Sie mir zu, Madame Eauvive." Die angesprochene nickte. Dann überraschte Professeur Dirkson sie und Julius mit einer Bitte: "Würden Sie mir bitte vorführen, was Sie bereits erlernt haben, Madame Eauvive?

"Hmm, gut, ich habe den Zauberstab mit. Hmm, was einfacheres, hoffe ich mal", erwiderte Julius' Mutter und holte ihren Apfelholzzauberstab mit Phönixfeder hervor. Leise sprechend wirkte sie eine Invivo-ad-invivo-Verwandlung und machte aus einem der freien Stühle eine blaue Blumenvase. Nach zehn Sekunden kehrte sie die Verwandlung wieder um. Dann wurde sie gebeten, diese Übung noch einmal ungesagt zu vollführen. Dabei lächelte sie Martha Eauvive aufmunternd an, daß diese nicht im Traum dran dachte, zu widersprechen. Sie konzentrierte sich und wiederholte die Verwandlungsübung von eben ohne lautes Wort. Danach fragte sie Professeur Dirkson, woher diese überzeugt war, daß sie schon ungesagt zaubern könne und erfuhr, daß bei erwachsenen, die mehr als fünf mal am Tag zauberten und dies mehr als ein halbes Jahr ständig täten die einfacheren, schon häufig geübten Sachen auch ungesagt möglich waren. "Außerdem konnte ich an der Sicherheit und Schnelligkeit Ihrer Zauberstabbewegungen sehen, daß sie dieses Zauberstück schon im Schlaf ausführen können", beendete Professeur Dirkson ihre Erläuterung. Dann bedankte sie sich bei Martha Eauvive für das Interesse und die Vorführung und wünschte beiden noch einen angenehmen Tag.

"Die hat sich sicher über dich erkundigt, Mum", vermutete Julius, als sie wieder auf dem Gang liefen und die Latierres gerade wieder um die Ecke biegen sahen.

"Ja, aber sie war so höflich, mich das nicht merken zu lassen", erwiderte Julius' Mutter. Julius hätte fast gesagt, daß das auch hinterhältig sein konnte, über jemanden was zu wissen und den oder die im Glauben zu lassen, nichts zu wissen. Aber er nahm die Antwort seiner Mutter so hin. Sollte sie doch einige Momente haben, wo sie meinte, ihm noch was erklären oder beibringen zu können, solange sie ihm nicht vorschrieb, was er mit seinem Leben anfangen sollte.

Vor Professeur Fixus' Tür warteten die Richelieus. Jacqueline meldete unaufgefordert, daß Babette und ihre Eltern noch bei der Zaubertranklehrerin waren. Monsieur Richelieu wies seine Tochter zurecht, nicht einfach so loszureden, wenn sie in einem amtlichen Flur säßen und stellte sich und seine Familie ordentlich vor. Martha fragte, ob sie mit dem berühmten Kardinal des 17. Jahrhunderts verwandt seien. Madame Richelieu grinste, während ihr Mann kurz das Gesicht verzog und antwortete, daß er das häufiger gefragt worden sei, vor allem, als seine Schulkameraden das Buch "Die drei Musketiere" gelesen oder die verschiedenen Verfilmungen dieser Geschichte gesehen hatten. Auf die Frage, ob Jacquelines Tante die Patin sei erwiderte diese, daß sie wie Jacqueline Zauberkräfte im Blut habe und daher ihrem Bruder beistehe, was die Magieausbildung in Beauxbatons anginge. Dann sah sie Julius an und fragte ihn, ob er in den Ferien seine Apparierkünste üben würde. Julius erwiderte, daß er das ganz sicher tun würde, aber auch beim Schulkurs immer wieder apparieren durfte, um seinen Mitschülern zu zeigen, wie es einfacher gehen konnte.

"Ich weiß, werte Lou, daß das dein Job ist und ihr von der Zaubererseite damit richtig Eindruck schinden könnt", sagte Jacquelines Mutter. "Aber ob Jacqueline das lernt weiß ich noch nicht."

"Spätestens mit siebzehn wird sie wohl zu mir kommen und mich drum bitten, es ihr beizubringen", erwiderte Louisette Richelieu. Ihre Nichte strahlte sie dafür an. Da ging die Tür auf, und die Brickstons kamen heraus. Babette wirkte etwas betreten, Joe verunsichert und Catherine verknirscht. Als Babette Jacqueline sah strahlte sie jedoch wieder. Professeur Fixus sah die Richelieus und bat sie herein. Madame Richelieu schrak zurück, weil die Stimme der kleinen Hexe ihr offenbar nicht geheuer war. Doch ihre Schwägerin stieß sie an, daß sie fast in das Sprechzimmer hineinfiel und zog hinter sich die Tür von innen zu.

"Na, alles klar?" Fragte Julius Babette.

"Die hat behauptet, ich sollte mehr für die Stunden machen statt dauernd mit Mayette, Gardi und Jacqueline rumzuhängen", knurrte Babette. "Die kann nicht haben, daß ich mich eher für Zauberkunst und Verwandlung reinhänge als für ihre Blubberkesselstunden."

"Ich habe der in absolut naiver Anwandlung vorgehalten, daß sie eine Fachidiotin sei und ich lieber eine Tochter habe, die ohne brodelnde Hexenkessel im Haus herumläuft, wenn ich ihr schon nicht das Fliegen und das Zauberstabschwingen ausreden kann", grummelte Joe. "Ich weiß, Catherine hat mich gewarnt, daß die Dame leicht ungehalten wird. Aber Hui!! Offenbar haben der die Maxime und ihre neue Chefin gesteckt, daß ich keine Lust auf diesen Zauberkrempel hätte und die mich deshalb ruhig anmachen können, weil ich für Babette mitzudenken hätte."

"Und?" Fragte Julius leicht schadenfroh, wofür er sich von Catherine einen warnenden Blick einfing.

"Die hat mir doch glatt angedroht, daß wenn ich Babette nicht lernen ließe, was sie lernen könne, ich eines Tages in die unfeine Lage geraten könne, auf eine Hexe mit brodelndem Kessel angewiesen zu sein und ich es gefälligst hoch anrechnen solle, daß meine Tochter hier lernen darf und sie sich das mit der alten Jungfer und Fachidiotin sehr streng verbitten würde. Dabei habe ich die mit keinem Wort eine alte Jungfer genannt. Da ist mir wieder aufgegangen, daß die ja Telepathin ist, die mitkriegt, was ich nicht sage."

"Du hättest sie mit Severus Snape vergleichen sollen, Joe, das hätte sie richtig in Fahrt gebracht", feixte Julius, der sich noch zu gut an seine erste Begegnung mit der Gedankenhörerin erinnern konnte.

"Den Herren kenne ich nicht persönlich. Nachdem, was Catherine über den erzählt hat war der ein Maulwurf, der lange nicht wußte, für wen er buddeln sollte."

"Das wußte der Herr schon, Joe. Er hat's nur keinem auf die Nase gebunden, schon gar nicht dem, der meinte, ihn kultiviert zu haben", erwiderte Julius ganz ruhig.

"Am besten reden wir nicht so viel über Professeur Fixus, bevor sie noch meint, dir dafür Strafpunkte zu geben, Julius", schaltete sich Martha Eauvive ein. Dann fragte sie Catherine und Joe, wo sie noch hingingen und erfuhr wie Julius, daß sie gleich bei Professeur Delamontagne vorsprechen würden. Julius fragte, ob sie auch zu Madame Faucon gingen. Catherine erwiderte kühl, daß sie da zu allererst gewesen seien.

"Das schlimmste zuerst", grummelte Joe.

"Für dich nur, Joe. Über Babettes Leistungen abgesehen von zaubertränken hat sie sich nur lobend geäußert."

"Ja, aber zu Papa hat sie gesagt, er solle langsam blicken, daß ich jetzt in Beaux bin und gefälligst alles zu erlauben habe, was ich hier lernen kann. Er wäre ja schließlich kein Baby mehr." Joe verzog darüber das Gesicht und warf seiner Tochter einen vorwurfsvollen Blick zu. Julius ahnte warum. Doch Babette blieb ganz ruhig.

"Jedenfalls darf Catherine die demnächst gerne alleine besuchen, wenn sie meint, sie auch noch als Schulleiterin verehren zu müssen."

"Es wird Zeit, Joe", erwiderte Catherine und winkte ihrer älteren Tochter. Da fiel Julius auf, daß Claudine nicht dabei war. Das erkannte wohl auch Catherine und sagte: "Sonst schicke ich dich gleich wieder zurück zu Madeleine und Claudine, Joe."

"Die hat mit der Kleinen genug um die Ohren", grummelte Joe. So klang aber kein glücklicher Vater, dachte Julius bei sich und hoffte, daß Professeur Fixus das nicht aufgeschnappt hatte, weil er seinen Geist nicht okklumentisch verschlossen hielt. Das holte er nach, als er mit seiner Mutter alleine war.

"Dann darf ich wohl zwei Freie Tage erhoffen, wenn Claudine bei Madeleine ist", seufzte Martha Eauvive. Dann flüsterte sie: "Etwas zu hören und zu erleben sind doch zwei Sachen. Joe wußte doch, daß Professeur Fixus unabgeschirmte Gedanken hören kann und hat es trotzdem darauf angelegt."

"Er kann ja nicht dauernd die Teletubby-Melodie im Kopf haben, wenn er sich unterhält", erwiderte Julius.

"Gute Idee, Julius", erwiderte seine Mutter darauf und verfiel in eine konzentrierte Haltung.

Als die Richelieus wieder herauskamen winkte Professeur Fixus den nächsten Besuchern. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte mit ihrer Windgeheulstimme: "Aber ich möchte Sie freundlich bitten, die Teletubbies vor der Tür zurückzulassen, Madame Eauvive. Diese widerlich alberne Melodie beleidigt jeden guten Musikgeschmack und damit auch den Ihren. Bitte eintreten!"

Nach nur einer Minute hatten sie alles besprochen, was Julius anging. Professeur Fixus versicherte ihm und seiner Mutter, daß er weiterhin auf Erfolgskurs sei, auch wenn er von ihr bereits zusätzliche Aufgaben erhielte. Dann ging es um Julius' Mutter. Diese wollte zwar anbringen, daß sie wegen Julius hier sei. Doch die Zaubertranklehrerin wehrte diesen Einwand mit einem energischen Kopfschütteln ab und sagte: "Natürlich erhalte ich als zertifizierte Alchemielehrerin Zwischenberichte und gebe Anregungen was Ihre Ausbildung angeht. Denn immerhin wurden Sie gebeten, die ZAG-Prüfungen nachzuholen, zu denen auch alchemistische Grundlagen gehören. Daher wissen Sie ja nun auch, wie umfangreich und Fordernd dieser Zweig der fast zauberstabfreien Magie ist." Martha nickte und durfte dann erwähnen, womit sie sich bei Madame Eauvive befaßt hatte. "Insofern möchte ich Ihnen empfehlen, sich nicht nur an Ihren Zauberstab zu klammern, sondern Ihr analytisches Denkvermögen auch auf die Braukunst zu konzentrieren, da Sie nie wissen können, ob Sie nicht eines Tages auf magische Essenzen angewiesen sind. Sicher erscheint Ihnen das für den ausgeübten Beruf unwichtig, Zaubertränke oder andere magisch wirksame Substanzen zu erstellen. Aber ich weiß von Madame Grandchapeau, daß sie für ihre Abteilung schon darauf achtet, ob jemand in diesem Zweig der Magie gut vorgebildet ist. Oder denken Sie, daß sie ihre Tochter deshalb eingestellt hat, weil sie ihre Tochter ist? Natürlich müssen Sie das zunächst denken, weil Sie gelernt haben, wie wertvoll Beziehungen in der magischen Gemeinschaft sein können. Aber wer mit den Vorgängen außerhalb der schützenden Zaubererwelt zu tun hat sollte außer sehr guten Grundkenntnissen auch einen umfangreichen Bestand an Fertigkeiten besitzen. Aber das wird Ihnen Ihre Mentorin und Mater de Jure sicher schon erzählt haben. Ich wiederhole es nur, weil es wichtig ist, eine wichtige Stellungnahme von mehreren Seiten bestätigen zu lassen. Falls Sie keine weiteren Fragen oder Ankündigungen haben erachte ich die Unterredung als erfolgreich beendet." Martha und Julius erwähnten, daß sie keine Fragen mehr hätten und verließen das Sprechzimmer.

"Mater de jure", grummelte Julius' Mutter. "Sie hätte doch einfach Adoptivmutter sagen können."

"Der Begriff bezieht sich nicht nur auf Adoptionen, Mum. Er bestätigt eine Hexe auch als Mutter eines Kindes, das sie nicht selbst empfangen aber lange Zeit getragen und/oder geboren hat. Aber er bezeichnet eben auch Adoptivmütter."

"Künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft? Laß das mal Line nicht hören!" Raunte Martha Eauvive.

"Ich fürchte, die kennt das schon. Kann mir vorstellen, daß meine Schwiegertante Béatrice es ihr schon in Aussicht gestellt hat, wenn sie mal unvernünftig war oder so", vermutete Julius. Er dachte gerade an Larissa Swann und ohne Übergang an Professeur Tourrecandide. Würde diese auch mit allen Erinnerungen wiedergeboren? Oder verrannte er sich da doch in eine absurde Vorstellung?

"Hmm, ich will die werte Geneviève nicht warten lassen. Aber wo ist sie gerade?"

"Kriege ich in fünf Sekunden heraus", sagte Julius. Er entblößte sein Pflegehelferarmband und rief Madame Rossignol.

"Och, hast du gerade einen Freiraum, Julius? Wenn deine Mutter möchte könnt ihr gerne kurz zu mir. Sie interessiert sicher, welche Möglichkeiten ich für dich als Heiler sehe."

"Nein, eigentlich nicht, weil meine Mutter sich mit Madame Dumas verabredet hat und diese nicht erwähnt hat, wo genau."

"Julius, du weißt, daß die Armbänder nicht dazu dienen, den Aufenthaltsort von anderen Pflegehelfern zu erfragen, wenn nicht von ihnen selbst. Aber Madame Dumas hat mich durch Sandrine bitten lassen, dich zu informieren, wo sie auf deine Mutter warten möchte. Sandrine und ihr Vater sind wohl alleine zum nächsten Termin. Deine Mutter möchte bitte zum südlichen Park kommen. Sie wartet dort."

"Danke, Madame Rossignol und nichts für Ungut für diesen Trick", erwiderte Julius und verabschiedete sich noch korrekt von der Heilerin, deren Abbild danach genauso übergangslos verschwand, wie es vor ihm entstanden war.

"Hoffentlich hat sie dir nicht dafür eine Vorbuchung für dieses ominöse Land Utopia reserviert", grummelte Martha Eauvive. Julius schüttelte behutsam den Kopf.

"Du hast ja gehört, daß sie darauf gewartet hat. Ich hätte ja auch gleich Sandrine anrufen können. Aber dann hätte ich wohl voll in eine Unterhaltung mit einem Lehrer reingefunkt, und das haut heftiger rein als die Anfrage bei der Chefin."

"Südpark. Wo ist der?"

"Da wo am Mittag die Sonne steht, Mum", erwiderte Julius verschmitzt grinsend. Doch dann orientierte er sich und zeigte die korrekte Richtung an. Seine Mutter meinte nur: "Doch noch ein Lümmel" und ging davon. Julius hatte nicht vor, bei dieser Unterredung dabeizusein. Er schlenderte auf dem Gelände herum und traf die Munsters, die gerade auch einen Freiraum zwischen den Terminen hatten. Mit Armgards Eltern und der Erstklässlerin unterhielt er sich über Beauxbatons, wie die Anreise war und ob Armgards Eltern sich hier wohlfühlten.

"Wir waren jetzt bei Bellard, Trifolio und Delamontagne. Demnächst noch die ganzen anderen", ratterte Armgard die Termine runter. Ihre Eltern erwähnten dann, daß es schon unheimlich sei, wie die Busse einfach mehrere große Sprünge gemacht hätten und daß sich die Bilder im Palast bewegten und auf die Passanten reagieren konnten wie lebende Wesen hinter Fenstern. Da zitterte Julius' Pflegehelferarmband. Er entschuldigte sich und berührte den weißen Schmuckstein. Es war Sandrine.

"Bin gerade mit Papa bei Professeur Milet fertig. Madame Rossignol hat mir gesagt, daß du sie angezittert und Mamans Nachricht bekommen hast. Wo wollt ihr gleich noch hin?"

"Professeur Fourmier und am Nachmittag noch zu Professeur Trifolio."

"Häh? Wüßte ich aber, daß du in Kräuterkunde so heftig nachgelassen hättest, daß Trifolio dich und deine Mutter einbestellt. Oder geht ihr da freiwillig hin?" Wunderte sich Sandrine.

"Meine Mutter will wissen, ob ich nach Beauxbatons gut in Kräuterkundesachen unterkäme", erwiderte Julius. Da räusperte sich eine Stimme aus dem Armband.

"Oha", erwiderte Sandrine darauf und meinte: "Dann möchte deine Mutter besser Camille Dusoleil fragen. Die hat doch sicher schon einen Einstellungsvertrag für dich daliegen, wo nur noch das Datum und deine Unterschrift drauf müssen. Aber wir reden offenbar schon zu lange."

"Stimmt, die Satellitengebühren ticken weg, Sandrine. Danke für die Benachrichtigung. Tschüs!"

"Bis dann nachher, spätestens am Ausgangskreis!" Wünschte Sandrine. Dann verschwand ihr Abbild.

"Holographische Kommunikatoren?" Staunte Monsieur Munster. "Das geht auch mit Zauberei?"

"Yep", erwiderte Julius. Armgard lachte glockenhell. Dann erzählte sie ihren staunenden Eltern, daß Julius, Carmen und Louis zu den Pflegehelfern gehörten, Schülern, die eine Erstehilfeausbildung bekommen hätten und deshalb von Madame Rossignol, der Schulkrankenschwester, für kleinere Hilfsdienste angestellt worden seien.

"Kleinere Hilfsdienste? Wir haben hier wichtige Sachen zu erledigen, vor allem aufpassen, daß sich die anderen nicht gegenseitig krank machen oder wenn wer verletzt ist helfen, wenn es nicht gerade ein Arm- oder Beinbruch ist", vervollständigte Julius die Beschreibung seiner Aufgaben. Armgards Eltern nickten. Julius erwähnte dann noch, daß sie sich aber an bestimmte Regeln zu halten hätten, weil an diesen Aufgaben gewisse Vorrechte dranhingen.

"Babette meinte, du hättest mit Millies großer Schwester und einer anderen von eurer Truppe Célines Schwester geholfen, ein Baby zu kriegen. Stimmt doch", plauderte Armgard etwas aus, was für besorgte Eltern vielleicht nicht besonders beruhigend klingen mochte.

"Ja, stimmt schon. Aber dabei haben es alle Mädchen kapiert, daß das nicht zum Nachmachen geeignet ist. Denn Célines Schwester wäre eigentlich schon längst mit Beauxbatons fertig, wenn sie wegen des Babys nicht um ein Jahr zurückgestuft worden wäre. Heftiger ärgert die noch, daß sie nicht Quidditch spielen darf. Hätte den Weißen womöglich ein paar Punkte gerettet. Also für Mütter und Töchter: Ich habe mit zwei Kameradinnen geholfen, das Kind sicher zur Welt zu holen. Das war schon ein außergewöhnliches Erlebnis. Aber das heißt nicht, daß hier die Jungs und Mädels nach Lust und Laune zur Sache gehen können. Da hängen schon heftige Regeln dran. Und der Vater von dem Kind wurde gleich von der Schule verwiesen und darf nicht mehr zaubern. Nur verheiratete Schüler dürfen in den Ferien an ein Baby denken, sonst keiner oder keine."

"Na ja, jede Internatsschule ist strickt, weil die Lehrer eben für euch die Verantwortung haben und nicht wollen, daß was passiert, was das ganze Leben umkrempelt", sagte Monsieur Munster. "Aber so ganz verhindern läßt sich sowas ja wohl nicht, wenn Jungen und Mädchen auf engem Raum zusammenleben und die Hormone fließen. Da sollte besser an Verhütung als an Vertrauen auf die Einhaltung der Sittenregeln gedacht werden. Gut zu wissen, daß es hier keine Keuschheitszauber gibt."

"Ja, aber das heißt nicht, daß Gardi gleich mit dem nächstbesten was unanständiges anfängt", warf Madame Munster ein.

"Das stimmt natürlich, Francine", sagte Monsieur Munster sehr entschieden. Damit hatte Julius erreicht, was er erreichen wollte. Natürlich wurde er noch zu dem Orden befragt und was ein Saalsprecher so machen mußte und ob es stimme, daß er schon mit sechzehn verheiratet sei, wo in der magielosen Welt erst mit achtzehn geheiratet werden dürfe und ob es nicht ein wenig früh sei. Julius schilderte, ohne in intime Einzelheiten abzugleiten, daß er sich mit Mildrid einer besonderen Prüfung unterzogen habe und dabei herausgekommen sei, daß sie ideal zueinanderpaßten. Daher hätten ihre Eltern und seine Mutter es erlaubt, daß sie vorzeitig heirateten. Armgard war wohl noch nicht von dem Gedanken an ein Baby in Beauxbatons runtergekommen und fragte, ob Millie dann hier mit ihm Kinder haben dürfe. Ihre Mutter herrschte sie zwar an, sowas nicht zu fragen, schon gar nicht als Dame. Julius erwähnte aber locker, daß Millie und er sich darauf geeinigt hätten, ein Kind zu haben, wenn sie beide wüßten, was sie nach der Schule machen würden. Außerdem dürften werdende Mütter nicht Quidditch spielen, und Millie wolle unbedingt noch das entscheidende Spiel mitmachen, wo es vielleicht schon darum ging, ob Rot oder Grün den Pokal gewinnen würde. Dann sah er Laurentine Hellersdorf, die ohne ihre Eltern des Weges kam. Sie sah ihn und die Munsters und grüßte. Sie wirkte nicht gerade erheitert.

"Langsam werden sie peinlich", knurrte sie. Dann fiel ihr wohl ein, daß Armgard und ihre Eltern es vielleicht nicht mitbekommen sollten und fügte schnell hinzu: "Kriegst du nachher von mir erzählt. Julius. Will jetzt zu Madame Faucon."

"Hast du deine Eltern verlegt?" Fragte Julius.

"Die dann wohl eher mich. Aber Später genaueres. Will jetzt erst zu Madame Faucon. Habe mich über ein Bild angemeldet. Bis dann, Julius!"

"Bis dann, Laurentine."

"Ähm, darf die ohne ihre Eltern herumlaufen?" Fragte Armgard verblüfft. "Uns haben die doch erzählt, wir sollten in Begleitung der Eltern rumlaufen."

"Ich darf doch auch alleine rumlaufen", erwiderte Julius eiskalt. "Laurentine ist volljährig. Die könnte auch ganz ohne ihre Eltern zu den Lehrern hingehen genau wie ich. Aber ich mach das nicht, weil ich möchte, daß meine Mutter mitbekommt, was ich hier von wem lerne und wie die Lehrer das finden, wie ich lerne. Aber womöglich ist das eine Saalsprechersache, die nicht jeder mitkriegen darf. Nichts für ungut, Madame und Monsieur Munster."

"Nun, wenn es eine private Angelegenheit ist geht sie uns auch nichts an", pflichtete Armgards Vater Julius bei. So redeten sie noch über den Nachmittag, wo sie eine Schulaufführung mit Musik und Tanz im Programm hatten. So verging die halbe Freistunde. Julius wünschte den Munsters noch einen angenehmen Tag und ging zum Eingangsportal des weißen Palastes zurück, wo seine Mutter und Geneviève Dumas schon warteten. Martha Eauvive wirkte gelassen, Geneviève frustriert. Hätte sie doch gleich wissen müssen, daß Julius' Mutter ihren Beruf nicht hinwarf, nur um ein paar lärmige Schulkinder das Einmaleins nachsingen zu lassen, dachte Julius für sich. Dann wünschte er Geneviève noch einen erfolgreichen Tag. Sie grummelte, daß der Wunsch einige Minuten zu spät käme und suchte ihren Mann und Sandrine.

"Hast du die nette Geneviève abblitzen lassen, Mum?" Fragte Julius seine Mutter.

"Salopp gesprochen schon, Julius. Die wollte mich echt auf eine Sonderregel hinweisen, dernach Hexen und Zauberer mit besonderen Vorkenntnissen darum ersucht werden können, diese wichtigen Kenntnisse an Kinder und Jugendliche weiterzugeben, sofern diese Kenntnisse nicht dazu dienten, schädliche Neigungen zu wecken oder Schäden an Personen oder Besitztümern anzurichten. Ich weiß nicht, was die werte Dame für einen Eindruck von mir bekommen hat. Aber sie will jetzt auf Biegen und Brechen haben, daß ich nach den Sommerferien wieder bei ihr anfange, natürlich zu einem richtigen Gehalt als Vollzeitkraft. Da habe ich ihr gesagt, daß ich von Nathalie eine Gehaltserhöhung und eine Erweiterung der Kompetenzen in Aussicht hätte, wenn ich die ZAG-Prüfungen bestehe und gerne das täte, was ich gerade täte und damals in Millemerveilles zwar auch gerne aber eher aus der Not als aus eigener Idee die Teilzeitstelle angenommen habe. Aber ich fürchte, sie gibt nicht auf."

"Besser ist das, wenn du dich auf weiteres nicht nach Millemerveilles verirrst, bevor du die Prüfungen geschafft hast, Mum. Wenn Sandrine die psychologische Kriegsführung von ihrer Mutter gelernt hat kommt da wohl noch eine Runde auf dich zu."

"Ich erkundige mich mal nach dieser ominösen Sonderregel. Falls mich die werte Madame Dumas da übers Ohr balbieren wollte habe ich einen triftigen Grund, jede andere Anfrage von ihr mit Hinweis auf fehlender Vertrauensbasis abzuschmettern."

"Weshalb die wohl nicht gerade da lügt, wo man ihr sofort drauf kommen kann, Mum. Aber besser ist es, wir ziehen erst das Programm durch, daß du vereinbart hast."

Bei Professeur Fourmier erfuhr Martha Eauvive, daß Julius eindeutig für einen wissenschaftlichen Werdegang veranlagt sei und er im Bereich Zaubertierkunde Einsatzbereitschaft, Vorleistung und Respekt vor den lebenden Tieren äußere. Julius erwähnte noch einmal, daß er womöglich nach der Schule in der Tierwesenbehörde des Zaubereiministeriums anfangen wolle, falls da ein Platz frei sei, der nicht nur mit Käfige ausmisten zu tun habe.

"Das wäre eine totale Unterforderung, Monsieur Latierre", erwiderte die Lehrerin, der man nicht ansehen konnte, daß sie künstliche Arme und Beine besaß. Martha Eauvive erwähnte dann noch, daß Julius' Vater Naturwissenschaftler gewesen sei und er viel Wert darauf gelegt habe, Julius die Faszination und die Wichtigkeit der Naturwissenschaften nahezubringen. Julius dachte dabei vor allem daran, daß er in Hogwarts zwei Jahre lang Extraaufgaben hatte machen müssen, weil sein Vater nicht wollte, daß er in naturwissenschaftlichen Bereichen ungebildet blieb. Professeur Fourmier erwähnte dann noch, daß Julius deshalb wohl genausogut in die Kräuterkunde, die magische Braukunst, die Experimentalzauberkunst und die magische Heilung Einlaß finden würde. Aber wenn er sich besonders für den Umgang mit magischen Lebewesen interessiere, würde sie ihm hier und jetzt bescheinigen, daß er in diesem Zweig der Magie gut zurechtkommen würde.

Ähnliches äußerte nach dem Mittagessen Professeur Trifolio, wobei er mal wieder darauf hinwies, daß Julius durchaus noch mehr im Bereich Kräuterkunde leisten könne, jedoch offenbar von unwichtigeren Sachen davon abgehalten würde. Auf Julius' Frage, welche Sachen er genau meine erwiderte der Lehrer:

"Nun, es entgeht mir keineswegs, daß Sie von jedem Kollegen, dessen oder deren Unterricht Sie genießen dürfen zu überflüssigen Sonderaufgaben herangezogen werden, deren Erarbeitung und Ausführung unnötige Zeit kostet. Über Ihre Zauberkraft ist doch nun wahrlich alles wesentliche ergründet, wozu da noch Sonderleistungen im Fach Verwandlung oder Zauberkunst? Des weiteren weis ich nicht mit Sicherheit, ob die Ihnen frühzeitig zuerkannte Ehe mit Madame Mildrid Latierre Ihre Aufmerksamkeit nicht über Gebühr beansprucht. Es wäre sicher ratsam gewesen, wenn Sie erst nach der Schulzeit auf eine Ehe hingearbeitet hätten, wenn Sie eindeutig gewußt hätten, in welche Richtung Ihre zukünftigen Aktivitäten abzielen. Es hat schon seinen Grund, warum wir in Beauxbatons was die geschlechtliche Annäherung und Paarbildung angeht so strickte Verhaltensregeln befolgen müssen, vor allem den, zu lernen, der triebhaften Natur des Körpers entgegenzuwirken und sich vollkommen auf die Erzeugung geistiger Früchte zu konzentrieren. Ihre herbologische Mentorin Camille Dusoleil hätte bei weitem mehr in der magischen Pflanzenkunde erreichen können als die Leiterin einer provinziellen, wenn auch mit vielfältigen Lebendexponaten bestückten Touristenattraktion zu sein. Doch ihre verspielte und teilweise wahrhaft kindliche Herangehensweise an die Mysterien der magischen Herbologie haben ihr diese große Karriere frühzeitig verbaut, und das schlimmste daran ist, daß sie diese Hemmung als Bereicherung empfindet und Sie und viele andere an magischen Pflanzen interessierte vom wichtigen Pfad gründlicher Erforschung abbringt und Ihnen nahezulegen trachtet, den Umgang mit hochinteressanten Organismen wie ein fröhliches Spiel zu begreifen."

"Nun, ich denke mal, Madame Dusoleil kennt diese Ihre Einschätzung ihrer Tätigkeit", setzte Julius an. "Ich würde sie daher eher langweilen, wenn ich ihr einzureden versuchte, ihre Herangehensweise sei grundverkehrt und würde sie an der Verfolgung höherer Ziele hindern. Außerdem ist Madame Dusoleil nicht meine einzige Bekannte, die sich mit magischen Pflanzen auskennt. Ohne die gute Vorbildung von Professor Sprout und ohne die nützlichen Anregungen von Heilerin Aurora Dawn hätte ich womöglich keine brauchbare ZAG-Note erreicht. Abgesehen davon, daß die von Ihnen bemängelte Zuteilung von Zusatzaufgaben mir geholfen hat, Mademoiselle Constance Dornier bei der Geburt ihrer Tochter beizustehen, weil ich eben in einigen Sachen weiter vorgebildet wurde als meine Altersgenossen. Abgesehen davon gehe ich sehr stark davon aus, daß ich jederzeit bei Madame Camille Dusoleil eine Anstellung finden werde, sofern ich die UTZ-Prüfung in Herbologie bestehe. Mich interessieren eben auch andre Zweige der Magie und es reizt mich, diese Fachrichtungen auf Gemeinsamkeiten und Verbindungen zu untersuchen. Daher lasse ich mir die Zusatzaufgaben auch gefallen, um meine persönlichen Grenzen auszuloten. Was die frühzeitige Ehe mit Mildrid Latierre angeht, so berührt dieser Punkt Sachen, die auch außerhalb von Beauxbatons stattfinden und daher zu privat sind, um sie zu debattieren. Ich hoffe, Sie empfinden diese Aussage jetzt nicht als grobe Respektlosigkeit. Ich lerne sehr gerne bei und von Ihnen. Aber ich möchte gerne auch alles andere lernen, was ich hier und anderswo lernen kann. Ich bitte Sie, das zu respektieren."

Martha Eauvive staunte, während Trifolio erst erbleichte und dann um Fassung rang. So heftig hatte ihm wohl noch niemand widersprochen, und dabei ganz im Rahmen zulässiger Wortwahl und ohne beleidigende Begriffe zu benutzen. Wenn Julius ihn als Fachidioten und als engstirnig bezeichnet hätte, dann hätte der Lehrer sicher Respektlosigkeitsstrafpunkte ausgeteilt. So mußte er Julius' Erwiderung als freie Meinungsäußerung hinnehmen. Nach fünfzehn Sekunden sagte er:

"Nun, da Sie mir bekundet haben, daß Sie sich weiterhin so gut Sie es von Ihren anderen Verpflichtungen her können in meinem Unterricht einbringen möchten, bleibt mir nichts weiteres zu sagen. Ich sehe und höre Ihnen dann nachher bei der Schulaufführung zu." Damit bedeutete er dem Mutter-Sohn-Gespann, daß die Unterredung beendet war. Die beiden Verabschiedeten sich höflich und verließen das Sprechzimmer.

"Hui, hast du den aber einen eingeschenkt. Ich dachte schon, der explodiert gleich", sagte Martha Eauvive, als sie einige Dutzend Schritte vom Sprechzimmer Trifolios entfernt waren.

"Mum, der hat dich, Paps, Aurora, Camille, Florymont, Claire, Millie und alle Latierres mit einem einzigen Spruch beleidigt, weil er euch unterjubeln wollte, ihr würdet meine Zeit und meine Aufmerksamkeit verbrauchen, die ich bei ihm besser anlegen würde. Da war das noch irgendwie harmlos, was ich dem entgegengehalten habe."

"Stimmt, Camille hätte sich sicher geärgert, wenn sie das eben hätte anhören müssen. Aber du hast wohl auch recht, daß sie diese Meinung von ihrem Kollegen schon kennt. Ich habe mich ja doch im letzten Jahr sehr häufig mit ihr unterhalten können und dabei nicht den Eindruck gewonnen, als interessiere sie sich nicht für die Erforschung von Pflanzen. Sie geht eben nur anders damit um, nicht wie ein Pathologe mit dem Seziermesser, sondern wie eine Mutter mit ihren Kindern, von denen die einen zerbrechlich und die anderen rauflustig sind. Jedenfalls weiß ich jetzt, was ich von den Lehrern wissen wollte. Hat dir Laurentine erzählt, weshalb sie vorhin ohne ihre Eltern unterwegs war? Ich konnte sie kurz sehen, wie ihre Eltern aus dem Palast kamen und im Südpark untertauchten."

"Ich weiß nur, daß sie ziemlich geladen war und mit Madame Faucon sprechen wollte. Da sie beim Mittagessen noch wie sie selbst aussah und in einem Stück war konnte sie sich wohl ruhig mit Madame Faucon unterhalten", erwiderte Julius. "Aber erzählt hat sie mir nicht, was sie so unter Dampf gesetzt hat. Wenn was mit ihren Eltern war war sie früher eher traurig als gereizt."

"Na ja, aus dem anhänglichen Mädchen wird irgendwann mal eine selbstbewußte Frau, gilt für die mit wie die ohne Zauberkraft", erwiderte Martha Eauvive. "Ich habe auch manchen Strauß mit deiner Oma Linda ausgefochten, weil sie mir was anderes vorschreiben wollte als ich tun wollte. Wenn es nach der gegangen wäre hätte ich nicht studieren dürfen, sondern hätte einen betuchten Bankangestellten heiraten sollen. Ob es dich dann gegeben hätte will ich lieber nicht überlegen. Aber mir wäre da garantiert eine höchstinteressante Zeit entgangen. Daher weiß ich heute, daß es einer Mutter nichts gutes einbringt, wenn sie dauernd versucht, ihrem Kind das Leben vorzuzeichnen. Durch deine und Laurentines besondere Veranlagung ist das sowieso nicht möglich, unser Leben nachzuleben. Und ich muß mich auch noch daran gewöhnen, durch Antoinettes Ritual irgendwie neu geboren worden zu sein. Aber wir haben noch eine halbe Stunde Zeit, bevor du zu eurer Aufführung hinmußt. Vielleicht sollte ich doch noch einmal mit Madame Faucon sprechen, ob sie das bestätigt, was die anderen gesagt haben." Julius nickte seiner Mutter zu und sah sich um, ob er eines der Bilderwesen entdeckte, dem er eine Anfrage mitgeben konnte. Er sah keine Viviane, keineAurora Dawn, keinen Orion oder keine Serena. Er sah nur den Geist des einarmigen Henkers, der lautlos aus einer Wand herausglitt und sein Scharfrichterbeil drohend schwwang, bevor er ebenso geräuschlos in der gegenüberliegenden Wand verschwand.

"Ach du meine Güte! Hat mich jeder schon vorgewarnt, daß ich sowas auch sehen kann. Ein echtes Gespenst?" Fragte Martha Eauvive.

"Neh, nur der tote, einarmige Henker. Weshalb der bei uns wohnt weiß bis heute keiner. In der Schulchronik steht nur, daß der irgendwann im sechzehnten Jahrhundert aufgetaucht ist und dann blieb", sagte Julius ganz lässig.

"Na ja, wohl die unangenehmere Seite der Magieaktivierung", seufzte Martha Eauvive. Julius beruhigte sie, daß die meisten Gespenster harmlos seien, ja eigentlich bedauernswerte Daseinsformen, die aus Angst vor dem Tod oder wegen irgendwelcher unerfüllten Aufgaben nicht richtig hinübergehen konnten, was und wo es auch immer war. Gloria hatte ihm ja von der singenden Nonne von Thorntails erzählt, und über den fast kopflosen Nick hatte er ja auch eher betrübliches als gruseliges gehört, wenn mal jemand davon absah, daß die Enthauptung mit einer fast stumpfen Axt schon grausam genug war.

Hallo, Julius. Madame Rossignol hat gerade Zeit, nachdem Louis' Eltern bei ihr waren und das wegen der Höchststrafe wissen wollten", grüßte das Bild-Ich Aurora Dawns den Beauxbatons-Schüler. Julius sah seine Mutter an. Doch diese wollte zu Madame Faucon. Aurora wußte, wo Viviane war und bat die beiden, hier zu warten. Nach einer Minute kehrte sie zurück und vermeldete, daß Madame Faucon gerade mit den Hellersdorfs redete und es so aussah, als habe sie im Moment wohl keine Zeit. Aber die Anfrage sei unterwegs und Viviane würde sie finden, solange sie im Palast herumliefen. Julius führte seine Mutter dann zu den öffentlich zugänglichen Räumen wie der Bibliothek oder der Dachterrasse. Nach zehn Minuten kam Viviane Eauvive hinter ihrem Kniesel hergelaufen in einem Bild in der Nähe des streitbaren Königspaares an und verkündete, daß Madame Faucon gleich die Unterredung abschließen würde und dann wohl noch fünf Minuten erübrigen könne. Julius führte seine Mutter deshalb rasch zum Sprechzimmer der Schulleiterin, das außerhalb des üblichen Wohn- und Arbeitstraktes angelegt war.

Als sie vor der Tür ankamen hörten sie jedoch, daß die Hellersdorfs wohl noch darin waren. Gerade sagte Monsieur Hellersdorf etwas in einer sehr unfreundlichen Tonart. Die Antwort der Schulleiterin bekamen sie jedoch klar und verständlich mit:

"Wie erwähnt erachte ich es als höchst unvorbildlich für Ihre Tochter, die als stellvertretende Saalsprecherin ihrerseits als Vorbild gilt, daß Sie klar und deutlich angesetzte Termine nicht nur nicht einhielten, sondern die von Ihnen erbetene Aussprache schlicht und einfach verweigerten, als sei die gegenwärtige Lage Ihrer einzigen Tochter völlig unerheblich und ihre Zukunft für Sie vollkommen unwichtig, sofern Ihre Tochter eindeutig darauf ausgeht, ihr ganz eigenes Leben mit den Möglichkeiten zu gestalten, die sie von Geburt und durch Ausbildung an die Hand bekommen hat. Ich habe mir Ihre Ausflüchte, Ihre Tiraden und Ihre unterschwelligen Beleidigungen nun lange genug angehört. Ich wurde noch um eine kurze Unterredung gebeten. Da Sie es ja für völlig unnötig hielten, auch nur im Ansatz zu erkennen, welche Möglichkeiten Ihnen hier angeboten wurden, möchte ich Ihre Zeit nicht noch länger mit völlig wertlosem Geplenkel vertun. Ich kann Ihnen nur versichern, daß Ihre Tochter Laurentine in allen Absichten unterstützt und gefördert wird, die den Abschluß ihrer vollständigen Ausbildung als Hexe für ein Leben in der magischen und der nichtmagischen Gemeinschaft betreffen. Ich darf Sie nun ersuchen, mein Sprechzimmer zu verlassen!"

"Sie halten das, was wir für wichtig halten für vertane Zeit?" Polterte nun Monsieur Hellersdorf. "Sie wollen nicht begreifen, daß meine Frau und ich unsere Mühen und unser erarbeitetes Geld nicht dafür ausgegeben haben, damit aus unserer Tochter eine weltfremde, einer rückständigen Gemeinschaft von Fehlentwicklungen verhaftete Frau wird. Sie mögen ja unsere Laurentine mit allen psychologischen und schwarzmagischen Methoden eingetrichtert haben, daß sie nirgendwo sonst als in Ihrer isolierten Gemeinschaft erfolgreich sein kann. Ich sehe es mir aber nicht an, daß unsere Tochter in diesem globalen Ghetto versackt und niemals wirklich wichtiges leistet."

"Papa, es reicht!" Schrillte Laurentine. "Merkst du eigentlich, wie du dich hier vor Madame Faucon, Maman und mir total blamierst? Ich weiß nicht, wer da jetzt draußen steht. Aber wer immer das mitkriegt, was du gerade abgelassen hast kann dich nur verachten oder bedauern. Entschuldigung, Madame Faucon. Ich wollte nicht so laut schreien. Aber offenbar meint mein Vater, sich Ihnen und mir gegenüber als der einzig wissende Mensch auf Erden aufzuspielen und zeigt dabei doch, wie beschränkt er ist. Ich kann das nicht anders sagen."

"So, beschränkt? Ich? Dein Vater?! Das nimmst du bitte sofort zurück, werte Mademoiselle, sonst darfst du zusehen, wo du im Sommer oder sonst zubringst", entrüstete sich nun Monsieur Hellersdorf. Die Tür flog auf, und Laurentines Mutter sprang förmlich aus dem Sprechzimmer hervor. Als sie Martha Eauvive und ihren Sohn sah wurde sie so bleich wie eine Vampirin. Sie taumelte ins Sprechzimmer zurück, ließ die Tür jedoch offen. Laurentine sagte indes:

"Vater, ich brauche nur herumzuerzählen, daß du keine Hexe mehr bei dir wohnen lassen willst. Dann werden mir mindestens zehn oder zwanzig Leute einen Platz anbieten, wo ich die Ferien verbringen kann. Abgesehen davon daß du dann endgültig nix mehr mit meinem Leben zu tun haben wirst. Du hast es wohl wieder vergessen, wie schnell die mich von euch wegholen können. Maman, wer ist draußen?"

"Wer schon, dein überragender Klassenkamerad, der Vorführschüler und seine eingeschüchterte Mutter", schnarrte Madame Hellersdorf. Martha Eauvive konnte viel einstecken und besaß eine Julius' imponierende Selbstbeherrschung. Doch selbst das größte Maß war irgendwann voll. Bei Julius' Mutter war es genau jetzt soweit. Sie stürmte vor und blickte wütend in das Sprechzimmer hinein:

"Was maßen Sie sich an, mich und meinen Sohn derartig zu beleidigen, werte Madame Hellersdorf. Sie haben offenbar arge Gedächtnisausfälle und sollten sich vielleicht einmal von einem Neurologen untersuchen lassen, ob noch alles bei Ihnen richtig ist. Denn sie haben nicht mehr in Erinnerung, daß ich es war, die Ihnen und den anderen Eltern ohne magische Kontaktmöglichkeiten Gespräche mit Ihren Kindern vermittelt habe und daß mein sohn und ich mitgeholfen haben. Ohne meine Mithilfe hätten diese unsäglichen Friedenslager nie rechtzeitig gefunden werden können. Ohne Julius' Wachsamkeit wären die Schüler von Beauxbatons alle zu Opfern dieser Schlangenbestien geworden. Da wagen Sie es, uns derartig undankbar zu kommen. Entweder entschuldigen Sie sich oder legen mir ein ärztliches Gutachten vor, daß Sie nicht anders als gerade eben reagieren können!"

"Ach, und was wollen Sie, die sie auch nur eine achso schwächliche, unfähige Muggelfrau sind anstellen, wenn nicht?" Fragte Monsieur Hellersdorf.

"Zum einen könnte ich Laurentine anbieten, bis auf weiteres die Ferien in meiner Wohnung zu verbringen, wo sie sowohl Medien der magischen und die der nichtmagischen Welt zur Verfügung hat. Sie könnte aber auch auf meine Empfehlung hin zu Madame und Monsieur Brickston oder Madame und Monsieur Delamontagne in Millemerveilles. Andererseits ist sie jetzt volljährig. Ich weiß, Sie können das nicht so einfach akzeptieren, daß die magischen Jugendlichen schon mit siebzehn mündig werden. Aber es ist nun einmal so. Insofern kann sich Laurentine sogar ohne Ihre Einwilligung in jedem Gasthaus der magischen Welt einquartieren, sofern sie nicht bei Freunden aus der Schule unterkommt. Entschuldigung, Madame Faucon, aber da die Tür offenstand und ich mir diese Unverschämtheit nicht bieten lassen wollte ..."

"Sie haben Madame Eauvive gehört, Madame Hellersdorf. Bitte widerrufen Sie Ihre undamenhafte Vorhaltung von eben gerade!" Erklang nun Madame Faucons Stimme. Laurentine schlüpfte derweilen aus dem Zimmer. "Ich muß zur Aula, Madame Faucon. Bitte verstehen Sie das! Danke!" Sie warf Julius einen kurzen Blick zu und eilte davon. Ihre Eltern wollten ihr entweder nicht folgen oder konnten es nicht. Julius trat vor und sah, daß Monsieur Hellersdorf wie zur Salzsäule erstarrt dastand. Offenbar hatte ihn ein Erstarrungszauber getroffen. Madame Hellersdorf versuchte, ihren Mann von der Stelle zu bewegen. Doch es gelang nicht. Dann sah sie Julius' Mutter an, die ihren Zauberstab gezogen und sich außerhalb von Madame Hellersdorfs Bein- und Armreichweite bereitgestellt hatte. Offenbar flößte es Madame Hellersdorf mehr Furcht ein, Martha Eauvive mit einem Zauberstab in der Hand zu sehen als der Umstand, daß ihr Mann offenbar erstarrt war. Madame Faucon sah Julius' Mutter an und bat sie ganz ruhig, den Zauberstab wieder fortzustecken. Martha Eauvive bebte einen Moment lang. Funken flogen aus dem Zauberstab heraus. Doch dann senkte sie ihn und steckte ihn fort.

"Wir warten noch auf Ihre Entschuldigung, Madame Hellersdorf", sagte Madame Faucon so kalt wie Nordpoleis.

"Ich dachte, sie könnte nicht ... Ich dachte ... Offenbar gehörte das zu dem Abkommen, daß sie mit diesen Leuten da getroffen haben. Aber ich will nicht zu so einer werden. Meine Tochter ist wohl nicht mehr davon abzubringen. Aber ich werde nicht diese abartigen Kräfte ..." Der Rest war Schweigen. Denn Madame Faucon hatte Madame Hellersdorf ungesagt einen Sprechbann aufgehalst. "Sie beide haben Zeit bis zur Abreise heute Abend, Ihre höchst feindselige Haltung uns gegenüber zu überdenken. Unter den Umständen, wie Sie sich den Kollegen gegenüber verhielten und sich in meinem Sprechzimmer betrugen kann ich Ihrer Tochter jedoch nur die dringende Empfehlung aussprechen, die künftigen Ferien an anderen Orten zuzubringen, da ich berechtigte Sorgen hege, daß Mademoiselle Laurentine Hellersdorf bei Ihnen ihres Lebens, zumindest ihrer körperlich-seelischen Unversehrtheit nicht mehr sicher ist. Ich will noch nicht so weit gehen, Ihnen geistige Umnachtung zu unterstellen. Aber ich weiß, welche dunklen Blüten große Angst zu treiben im Stande ist. Und das, Madame Eauvive, Monsieur Latierre und Madame und Monsieur Hellersdorf, erkenne ich in Ihrem Verhalten, unendliche Furcht, Ihre Tochter könnte nicht nur ein Ihnen völlig fremdes Leben beginnen, sondern Ihnen auch auf irgendeine Weise überlegen auftreten. Gehen Sie bitte jetzt!"

Monsieur Hellersdorf bekam seine Beweglichkeit zurück. Madame Hellersdorf fand ihre Sprache wieder. Julius und seine Mutter zogen sich aus dem Sprechzimmer zurück. Monsieur Hellersdorf sagte:

"Da Sie und unsere Tochter ja immer wieder betont haben, daß sie nun frei entscheiden kann, wie Sie in Ihrer rückständigen Welt lebt. Dann brauchen Wir nicht länger hierzubleiben. Veranlassen Sie bitte, daß einer der Busse uns zurückfährt!"

"Gut, meine Anweisung mag für Sie wie ein Verweis von den Ländereien der Beauxbatons-Akademie wirken. Dann kann und will ich Sie nicht länger hier halten", sagte Madame Faucon und zog ein Pergament aus einer Schreibtischschublade. Sie schrieb etwas daraufund gab es Monsieur Hellersdorf, der erst davor zurückscheute, es anzufassen. "Das ist nur die Rückfahranweisung für den Fahrer des Autoomnibusses, der Sie herbrachte, damit die Ausbildungsabteilung erfährt, warum einer der Busse vorzeitig nach Straßburg zurückkehren und dann wieder nach Beauxbatons fahren mußte", sagte die Schulleiterin. "Hätte ich Sie verfluchen oder verwandeln wollen hätte ich dies schon längst vollführt. Und jetzt darf ich Sie endgültig bitten, mein Sprechzimmer zu verlassen. Hinaus!"

Die Hellersdorfs eilten davon, als fürchteten sie, von einem Feuersturm eingeholt oder vom Teufel selbst gejagt zu werden. als die beiden weg waren winkte Madame Faucon Julius und seine Mutter herein.

"Ich habe es Ihnen ansehen können, Madame Eauvive, daß Sie dieser Ignorantin gerne einen Beweis Ihrer neuen Macht geben wollten. Andererseits haben Sie sich nicht dazu verleiten lassen, diese Ihnen zugeflossene Macht einzusetzen. Damit haben Sie eine sehr wichtige Probe bestanden. Nur wer sich selbst beherrschen kann, vermag auch andere Dinge oder Wesen zu beherrschen. Da Sie diese so wichtige Lektion wohl auch schon Ihrem Sohn mitgeteilt haben erkenne ich wohlwollend, daß Sie und er unsere magische Gemeinschaft bereichern. Denn Selbstbeherrschung ist nicht überall so hoch angesehen und selbst ich mußte mich angesichts dieser Unverschämtheiten sehr zusammenreißen, da ich habe lernen müssen, wie schnell der Verlust der Selbstbeherrschung zu peinlichen Ausuferungen führt. damit sind wir auch schon bei dem, was Sie ganz sicher mit mir besprechen wollten. Ihre gemeinsame Zukunft und die voneinander getrennten Wege, die Sie beide gehen mögen." Martha Eauvive fragte ruhig und kurz an, ob Madame Faucon durch die neue Konstellation in Beauxbatons eine andere Meinung von ihrem Sohn habe als im letzten Jahr noch. Madame Faucon erwähnte, daß sich an ihrer Meinung nichts geändert habe. Es sei vielmehr so, daß Julius durch die neue, ihm zugewiesene Funktion als Saalsprecher endlich erkenne, zu was er fähig sei und in dieser Funktion sich und anderen ein gutes Vorbild gebe, daß helfe, die Nachwirkungen der Turbulenzen des letzten Jahres zu überstehen, was der Akademie sehr wohltue. Die vorzeitig zuerkannte Volljährigkeit sei also keine Fehlentscheidung gewesen, sondern habe dazu beigetragen, daß Julius wie Mildrid Latierre sich ihrer Verantwortung richtig bewußt geworden seien und danach handelten. Mit diesem geistigen Rüstzeug stünden für Julius eine Menge Türen offen. Martha erwähnte kurz die Aussage Professeur Trifolios.

"Nun, kein Lehrer wird mit der nötigen Motivation unterrichten, der sein Fach nicht für sehr wichtig ansieht. Das half mir, über dreißig Jahre zwei anstrengende Fächer zu unterrichten. Allerdings neigt der Kollege Trifolio derweilen zur Ansicht, daß die uns anvertrauten Schüler sich irgendwann auf einen bestimmten Zweig der Ausbildung konzentrieren müssten, um in diesem Zweig das bestmögliche herauszuholen. Da Monsieur Latierre sich sehr für magische Pflanzenkunde interessiert und zudem über ein fundiertes Maß wissenschaftlicher Herangehensweisen verfügt ging und geht mein Kollege wohl davon aus, daß Ihr Sohn diese Fertigkeiten auf das Studium der magischen Pflanzen und Pilze konzentrieren möge. Da er dies wohl nicht tut sah sich Professeur Trifolio wohl veranlaßt, seiner diesbezüglichen Enttäuschung Ausdruck zu verleihen. Bitte sehen Sie es ihm nach, wenn er dabei vielleicht zu einseitig argumentiert hat!"

"Wir werden es versuchen", sagte Martha Eauvive. Dann sah sie auf die Sanduhr, die Madame Faucon wieder aufgestellt hatte. Sie war fast durchgelaufen. So bat martha darum, zur Aula gehen zu dürfen. Madame Faucon bot an, sie zu begleiten. Julius möge bereits vorauseilen, um seinen Platz unter den Musikern einzunehmen. Julius nickte, bedankte sich für die Unterredung und verließ das Sprechzimmer. Er hörte noch, wie ein kräftiger Dieselmotor aufröhrte und es keine zehn Sekunden später einen lauten Knall gab, als irgendwas auf magische Weise im Nichts verschwand.

"Wem soll ich es sagen?" Fragte er sich, während er per Wandschlüpfsystem zu einem Badezimmer überwechselte, wo er seinen Aufzug noch einmal prüfte, dann zur Aula überwechselte und zuerst zu Laurentine ging, die geistesabwesend am Rand der Bühne stand, ihren Geigenkasten noch unter dem linken Arm geklemmt. Doch er mußte es ihr sagen.

"Laurentine, tut mir leid, aber deine Eltern hielten es hier nicht mehr aus. Madame Faucon hat ihnen erlaubt, schon loszufahren. Offenbar wollten die sich nicht von dir verabschieden."

"Diese Vollidioten. Kann nicht begreifen, daß ich von denen irgendwie abstammen soll und daß ich vor vier Jahren noch gemeint habe, was die sagen sei das einzig wahre", seufzte Laurentine am Rande eines Weinkrampfes. Dann übermannte sie wieder die Wut, die er am Vormittag bei ihr bemerkt hatte. "Die kapieren es echt nicht, daß ich ein komplett anderes Leben vor mir habe und mich da drauf vorbereiten muß, ob ich will oder nicht. Ging schon los, als meine Eltern ankamen. Sie wollten nur zu Professeur Delamontagne, ausloten, wie der zu ihren Ansichten steht. Als der dann erzählte, daß ich mich zu einer der besten Schülerinnen des Jahrgangs entwickelt hätte und sich herausgestellt habe, daß nach der Anerkennung meiner Zauberkräfte wesentlich bessere Leistungen von mir kamen, hat es bei denen wieder da eingehakt, wo sie damals schon geglaubt haben, die hätten mir hier eine Gehirnwäsche verpaßt. Dabei wissen die nicht einmal, was der Imperius-Fluch oder der Seelenfangfluch anrichten können. Auf die Frage, ob ich nach diesem Jahr ohne Angst vor irgendwelchen unerwünschten Magiefreisetzungen an eine "richtige Schule" wechseln könne fragte Professeur Delamontagne natürlich, was an Beauxbatons nicht richtig sei. Natürlich bekam er dann die Leier von wegen fehlende Mathematik, Physik, Gesellschaftswissenschaften und gescheite Deutsch- und Französischstunden. Außer dem Geigespielen hätte ich hier doch nichts gelernt, womit ich außerhalb dieses "magischen Ghettos" irgendwas erreichen könne. Daher sei es wichtig, daß ich die versäumten Fächer nacharbeiten und einen "anständigen Abschluß" machen könnte." Laurentine pausierte, weil Corinne gerade mit ihrer Harfe herüberkam. Julius wollte schon eine wegscheuchende Handbewegung machen. Doch Laurentine erkannte wohl, daß die empathisch begabte Junghexe ihre Wut und Frustration aufgefangen hatte. Für eine wie Corinne war das sicher fies, die Gefühle anderer zu spüren und mit ihnen zurechtzukommen. Deshalb sagte sie Corinne, als sie nahe genug herangekommen war:

"'tschuldigung, wenn mein Frust dich überläd, Corinne. Ich kann leider nicht zumachen wie Julius, um dir das vom Hals zu halten. Aber ich fürchte, ich habe meine Eltern heute das letzte Mal gesehen, und ich weiß, daß ich ihnen nicht mehr hinterherlaufen will, um daran was zu ändern."

"Ach dann waren die das, die so total verängstigt und dann total wütend aus dem Palast abgezogen sind? Dachte erst, das wären die Vigniers gewesen, weil die Mutter von Luis uns Hexen für gefährlich hält."

"Nur zwei bestimmte aus einem Wurf, Corinne", mußte Julius einwerfen. Corinne grinste und sagte dann zu Laurentine:

"Heißt das, daß du hier in Beauxbatons bleibst oder zu wem anderen in die Ferien fährst?"

"Madame Faucon fürchtet, ich könnte bei meinen Eltern locker unter ein Auto kommen oder beim Baden einen eingeschalteten Fön ins Wasser fallen lassen oder sowas. Vielleicht stimmt das, weil meine Eltern jetzt die totale Panik schieben, ich sei nicht mehr zu kontrollieren und könne denen was antun. Die Apparitionsgesetze, die meine Eltern nicht kennen, verbieten es mir ja, uneingeladen in einem Haus zu apparieren, auch wenn es nicht magisch gesichert ist. Wenn die jetzt noch mitkriegen, daß ich den Kurs mache und sicher auch die Prüfung schaffe wissen die wohl gar nicht mehr, was sie mit mir anfangen sollen außer mich umzubringen."

"Da wird wohl die Sonderregel fünf der Familienstandsgesetze greifen", seufzte Corinne. Julius nickte. Er kannte diese Regel nicht zuletzt deshalb, weil er hatte befürchten müssen, daß sie einmal auf seine Eltern angewendet würde. Sie besagte, daß die ohne Magie lebenden Erziehungsberechtigten eines magisch begabten Schülers in dem Moment, wo sie aus Angst oder Verachtung nach dem Leben ihres Schützlings trachteten oder diesen irgendwo schutz- und hilflos aussetzen würden, auf Antrag einer magischen Fürsorgeperson des Zaubereiministeriums durch Gedächtniszauber dazu gebracht werden sollten, den Schützling zu vergessen, ja, ihn nicht kennengelernt zu haben. Was hatte Hermine Granger ihm vor dem Umbridge-Prozeß erzählt? Sie hatte ihren Eltern die Erinnerung an sie genommen und ihnen eine neue Identität verliehen, damit sie rechtzeitig das Land verlassen und weit weg in Australien sicher leben konnten, ohne sich um ihre Tochter zu sorgen, weil sie nicht mehr wußten, daß sie eine hatten. Würde das auch den Hellersdorfs blühen? Laurentine kannte diese Sonderregel auch. Deshalb sah sie Corinne mit großen Augen an und seufzte nur:

"Vielleicht wäre es für die beiden wirklich besser. Dann könnten sie ohne Angst leben, eine irgendwann mal amok zaubernde Hexe ausgebrütet zu haben. Allerdings sind da noch so einige Leute, die mich mal gesehen haben. Dann müßten die Vergissmichs mindestens hundert Leute bedröhnen, mich nicht zu kennen und eine Menge Fotos und Videos umfrisieren, weil ich auf fast jedem Urlaubsfoto knapp vor und dann nach meiner Geburt mit drauf bin, und die ganzen Geburtstagsvideos von mir und meinen Eltern. Oha, das Brett ist dicker als der Mont Blanc, Messieursdames. Da kommt ihr mit euren kleinen Bohrern nicht durch."

"Kann auch sein, daß die sich einfach damit abfinden, daß du nicht mehr bei ihnen wohnen kannst, Laurentine. Das wird sich hoffentlich klären."

"Wie erwähnt, ich mache jetzt den Weg zu Ende, den ich angefangen habe. Vor vier Jahren hätte ich noch hurra geschrien, wie meine Eltern mit den Lehrern umgesprungen sind. Aber nach dem, was die und ihr alles für mich getan haben und habt, damit ich hier nicht durch jeden Rost falle, wäre das tierisch unverschämt, alles hinzuschmeißen. Aber wie ich den heutigen Abend überstehen soll und dann noch ein gutes Konzert geben soll weiß ich nicht."

"Das kriegen wir schon, Laurentine", sagte Corinne zuversichtlich und lächelte Laurentine an. "Wenn du da auf der Bühne stehst und spielst denkst du nur noch an die Musik. Ich kenne das von mir. Wenn ich von lauter Wut, Trauer oder Verstörtheit umgeben werde kriege ich das durch Musikmachen auch aus meinem Kopf. Mittlerweile kann ich ja auch zumachen. Professeur Delamontagne ist ein sehr unerbittlicher Lehrer für diese Kunst."

"Na ja, wenn du sagst, ich kriege es mit der Musik aus dem Kopf, dann hoffe ich mal, daß du recht hast. Mit deiner Empathie bist du ja wohl oder übel eine gewisse Expertin für aus dem Tritt geratene Seelen." Corinne nickte und ging zu den Saiteninstrumentalisten zurück. Irgendwo klimperte ein Xylophon. Das war wohl Mayette, die bei den Orchesterschlagwerkern untergekommen war. Julius sah seine drittjüngste Schwiegertante hinter den stufenweise angeordneten Xylophonbänken und leise einige Töne ihrer Soli einspielen.

"Geh mal davon aus, daß du nach den ersten Tönen des Orchesters keinen Frust mehr schiebst, Laurentine", sagte Julius zuversichtlich. Denn er ahnte, was Corinne vorhatte. Sie hatte es an ihm schon ausprobiert, daß sie mittlerweile nicht nur Gefühle anderer erfassen sondern auch verändern konnte. Gefühlsrufen nannte sie es in Anlehnung an das Gedankensprechen. Sicher würde Corinne Laurentine eine Ladung Zuversicht oder Einsatzfreude unter die blonde Haarpracht beamen. Natürlich durfte er es ihr nicht verraten, wenn es wirklich so ablief. Er selbst postierte sich bei den Holzbläsern und blies seine große Flöte warm genug. Er würde gleich die Eröffnung spielen, die die Reise vom Abend- ins Morgenland einleiten würde. Er warf noch einen Blick zu den Ballerinen hinüber, die bunt kostümiert ihre Aufwärmgymnastik machten, um Arme, Beine und Körper beweglich zu halten. Auch wenn Ballett nie sein Sport war hatte er doch einen gewissen Respekt vor der Arbeit, die sich die Tänzer machten, um so vollendet zu springen, auf einem Bein zu balancieren oder synchron verschiedene Figuren auszutanzen. Er sah die ersten Zuschauer hereinkommen, wie sie Platz nahmen und die Programmhefte lasen. Er sah die Latierres, die relativ weit vorne ihre Plätze einnahmen. Sandrine und ihre Eltern sah er auch. Geneviève erhaschte seinen Blick und lächelte ihn an. Die hatte doch bestimmt wieder was vor, um seine Mutter abzuwerben. Weitere Zuschauer trafen ein. Die Chorsängerinnen und -sänger bezogen ihre Plätze, darunter Millie und Belisama.

Als Madame Faucon einige Dutzend Schritte hinter Martha Eauvive den Festsaal betrat ging es los. Die Schulleiterin bezog ihren Ehrenplatz und gebot, die Aufführung zu beginnen. Sie wurde ein voller Erfolg. Musik und Umweltillusionen flossen perfekt ineinander über. Julius konzentrierte sich auf seine Einsätze. Auch wenn die Stücke kompliziert wirkten erschienen sie ihm doch leichter als das Lied von Ailanorars Stimme. Am Schluß der über eine Stunde dauernden Aufführung traten verschleierte Frauen, Männer in weißen Gewändern und auf den Hinterbeinen tanzende Kamele auf. Ein fliegender Teppich, allerdings nur eine Bildillusion, schwebte über sie alle dahin in den Sonnenuntergang. Als die letzten Töne verklungen waren, erscholl tosender Beifall. Die Mitglieder der Musik-AGs, des Balletts und des Schulchores verbeugten sich vor den Zuschauerinnen und Zuschauern und nahmen den Applaus hin. Julius erkannte wieder einmal, daß durch den Beifall eine Menge der in eine Aufführung gesteckten Energie zurückkehrte. Für soetwas lohnte es sich, die Zeit mit scheinbar nutzlosem Getriller und Gequieke herumzubringen. Auch und vor allem für die Erstklässler, die über die Künstler-AGs einen guten Einstieg in die Schule bekommen hatten, war das hier die endgültige Bestätigung, daß sie dazugehörten. Das motivierte schon, wußte Julius. Vor allem Leute wie Louis oder Laurentine würde diese Aufführung guttun.

Nach der Aufführung trafen sich die Familien im Speisesaal an den extra aufgestellten kleinen Tischen. Julius saß mit seiner Mutter bei den Latierres. Ursuline scherzte, daß Martha besser gleich mit zum Château Tournesol reisen sollte, um vor möglichen Fernflüchen Genevièves sicher zu sein. Doch Martha antwortete darauf, daß sie auch bei Catherine vor solchen Angriffen sicher sei. Was Laurentines Eltern sich geleistet hatten ging schnell herum. Julius erfuhr von Patricia, daß Professeur Fixus gewartet habe, ob die Hellersdorfs kämen. Doch nur Laurentine sei fünfzehn Minuten nach dem Termin aufgekreuzt und habe sich entschuldigt, daß ihre Eltern nicht zu dem Termin erscheinen wollten. Offenbar hatten sie es mit Professeur Dirkson ähnlich gehalten. Denn Hippolyte Latierre erwähnte, daß sie extra hatten warten müssen, weil Professeur Dirkson eigentlich mit einem anderen Elternpaar einen Termin habe, dieses jedoch nicht eingetroffen sei. Insofern ergab Laurentines Wut einen Sinn und daß sich ihre Eltern recht peinlich benommen hätten. Nach dem Abendessen winkte Céline Julius noch einmal heran.

"Laurentine reist in den Ferien zu uns. Wenn deren Eltern so seltsam drauf sind wohnt sie eben mit bei mir im Zimmer."

"Grüß Cythera schön von mir", gab Julius Laurentine mit, die mit sichtlich aufgehellter Stimmung neben Céline stand. Sie nickte darauf nur.

"So, wir sehen uns dann kommenden Sonntag in Paris", sagte Martha Eauvive zum Abschied. Denn sie würde mit den Brickstons nach Paris reisen, während Millie und Julius nach Millemerveilles abreisen würden.

Als die Reisesphäre die Familien aus Millemerveilles wieder zwischen den Schirmblattbüschen abgesetzt hatte, spürte Julius, daß er hier tatsächlich sein Zuhause gefunden hatte. Er wollte gerade in Richtung Apfelhaus disapparieren, als Camille Dusoleil und Jeanne zwischen den Büschen hervortraten. Jeanne wirkte wahrlich schon gerundet. Im September sollten ihre beiden neuen Kinder ankommen. Camille trug ihre jüngste Tochter in einem apfelgrünen Tragetuch auf dem Rücken. Chloé Dusoleil besaß nun dieselben dunkelbraunen Augen, wie sie ihre Mutter und ihre älteste Schwester hatten. Sie gluckste vergnügt, weil Millie und Julius ihr fröhliche Grimassen schnitten.

"Wir hatten heute Besuch von meinem Vater und Emils Kindern, sonst wäre ich gerne nach Beauxbatons mitgekommen", sagte Camille, als sie Julius zur Begrüßung umarmt hatte. Julius erwähnte, daß er sich schon gefragt habe, ob die Dusoleils nicht doch bis zum nächsten Jahr warten wollten. "Das auch, weil dann ja Denise in Beauxbatons ist. Aber am besten kommt ihr zwei noch für eine lockere Plauderei zu uns rüber. Dann kann Jeanne auch berichten, wie es als werdende Zwillingsmaman so ist. Ichkenn das ja auch nicht." Millie war sofort einverstanden. Julius lag was daran, das mit Laurentine und Louis auf den Tisch zu bringen. Ob er Camille das mit Trifolio erzählen sollte wußte er noch nicht. Er mußte ja davon ausgehen, daß sie die Meinung des Fachkollegen ja schon kannte.

So verbrachten die Latierres noch einen schönen, ruhigen Abend im Haus Sonnengarten. Kurz nach Mitternacht kehrten die Latierres dann per Apparition in ihr Haus zurück. Millie fragte, ob Julius noch ein Bad nehmen wolle, weil ihr auch gerade der Sinn danach stand, sich endlich wieder in eine große Badewanne zu legen, ohne daran denken zu müssen, daß vielleicht andere auch baden wollten. So verbrachten sie noch dreißig Minuten jeder für sich in einer der großen Badewannen. Julius genoß es wieder einmal, im Schutze einer Kopfblase komplett unterzutauchen und dabei mit seiner Frau über die Herzanhänger worthafte Gedanken auszutauschen. Als Millie und Julius um ein Uhr in ihrem eigenen Schlafzimmer waren meinte Millie noch:

"Laurentine kann froh sein, daß sie es nicht geschafft hat, Belisama, Céline und Sandrine zu vergraulen. Ich hätte mit deren Getue vor drei oder vier Jahren irgendwann nichts mehr zu tun haben wollen. Hättest sie ja fragen können, ob sie ein paar Tage nach Millemerveilles rüberkommt oder ob wir für sie in VDS anfragen, ob sie mal dahin mitkommen kann. Aber ich kapiere es, daß Céline sich das nicht entgehen lassen wollte, ihre beste Freundin für die Zaubererwelt klarzuhalten."

"Wenn ich dran denke, daß ich das nur meiner Mutter zu verdanken habe, daß ich nicht aus Hogwarts rausgeflogen bin oder ich überhaupt in Beauxbatons anfangen konnte ... Hätte ich vieles nicht mitgekriegt." Millie grinste herausfordernd und schlängelte sich aus ihrem Umhang. Doch Julius sagte: "Neh, Mamille, im Moment bin ich von diesem langen Tag total platt. Ich kann dich aber morgen früh wecken."

"Ja, aber dann sehr nett, Monju", schnurrte Millie und angelte nach ihrem Nachtzeug.

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Als Mildrid und Julius nach dem Frühstück, daß sie erst um neun Uhr einnahmen, ein wenig in der Nachbarschaft herumapparierten, um sich mit den erwachsenen Mitbewohnern und den jüngeren Geschwistern ihrer Mitschüler zu unterhalten durfte Julius auch das Quidditchstadion besichtigen. Es war tatsächlich um so viele Zuschauerränge erweitert worden, daß bei den großen Spielen der kommenden Weltmeisterschaft an die 100.000 Zuschauer dort untergebracht werden konnten. Monsieur Dupont, der Platzwart der Millemerveilles Mercurios, führte ihm stolz die technischen errungenschaften vor, wie den freischwebenden Transportkorb, der größere Gruppen oder ältere Zuschauer zu den höheren Rängen tragen konnte. Natürlich hatte Florymont Dusoleil maßgeblich an den Komforteinrichtungen mitgezaubert. Er durfte sogar in das Allerheiligste des Stadions, die Kabinen der Spieler, die wie in Schulturnhallen üblich nach Geschlechtern aufgeteilt waren. Julius bestaunte die Dusch- und Badeeinrichtungen. Es gab sogar für jede Mannschaft ein kleineres Schwimmbecken von 25 Metern Länge. Beleuchtet wurden die Umkleiden mit jenen Leuchtkristallsphären, die Julius schon aus anderen Zauberergebäuden kannte.

"Hier finden das Eröffnungsspiel, sowie alle Spiele unserer Nationalmannschaft und die Halbfinale und das Finale statt", beendete Monsieur Dupont die private Führung.

"Auf jeden Fall richtig umfangreiche Ausstattung", stellte Julius fest. Dann fragte er noch einmal, ob das Turnier ähnlich wie das Schachturnier gleich von Beginn an im KO-System ausgetragen wurde, also wer Verlor gleich aus dem Turnier ausschied. Monsieur Dupont ließ sich deshalb noch mal erklären, wie es bei der im letzten Jahr in Frankreich und ausgespielten Fußballweltmeisterschaft gewesen war. Er sagte dann noch:

"Bei insgesamt vierundsechzig Teilnehmern kann das nur so stattfinden, daß die Verlierer ausscheiden und nicht erst eine mehrtägige Vorrunde ausgespielt wird. Aber da darfst du dich dann auch mit deiner Schwiegermutter drüber unterhalten." Julius nickte.

"Monju, Maman hat gerade kontaktgefeuert, ob wir mittags zu ihr und Pa kommen möchten. Dann können wir uns auch Miriam ansehen", fing Julius eine Melo-Nachricht seiner Frau auf. Er bedankte sich bei Janine Duponts Vater und apparierte direkt in die große, runde Eingangshalle des Apfelhauses. "Mamille, bin wieder da. Habe mir das Stadion angesehen!" Rief er nach oben, wo seine Frau wohl war. Diese kam die von einer unzerbrechlichen Glaswand umkleidete Wendeltreppe herab und nickte ihm zu. "Wann möchten deine Eltern, daß wir rüberkommen?"

"Gleich um zwölf zum Mittagessen, Monju. Deine Mutter kommt auch rüber. Die wollte sich in der Ruecam noch ein paar nützliche Bücher für die ZAG-Nachholprüfung zulegen. Da hat Ma die gleich für Mittag mit eingeladen."

"Okay, dann zieh ich mich mal um", sagte Julius und stieg in den von ihnen beiden bewohnten dritten Stock hinauf.

Um eine Minute vor zwölf Uhr flohpulverten die Latierres aus der dritten Etage in das Honigwabenhaus von Hippolyte und Albericus Latierre. Martine, Millies große Schwester, begrüßte die beiden und fragte, ob Millie immer noch so auf ein eigenes Baby ausginge. Millie erwiderte, daß sie fest entschlossen sei. Martine meinte dazu nur: "Klar, weil du noch keine rechte Ahnung hast, was auf dich zukommt. Ich habe gestern den ganzen Tag auf unsere kleine Schwester aufgepaßt, als Ma und Pa bei euch in Beauxbatons waren. Oma Teti wollte zwar auch rüberkommen. Aber irgendwie wollte da wohl bei einer anderen Hexe ein Kind auf die Welt."

"Julius und ich haben häufig mit Connies Kleiner zu tun gehabt. Ich kenne das also doch ziemlich gut, wie das ist. Und wenn's die eigenen sind ist das eh was komplett anderes", entgegnete Martines zweitjüngste Schwester. Julius konnte aus dieser Äußerung heraushören, daß Millie Martine nur für eifersüchtig hielt, weil sie noch niemanden hatte, mit dem sie selbst ein Kind in die Welt setzen und vor allem aus dem Elternhaus herauskommen konnte. Edmond Danton hatte ihr das damals gründlich verdorben, und die Brücke der Mondburg hatte sie und Julius nicht hinübergelassen, weil sie sich zu viele Gedanken um Julius' Verhältnis zu den anderen Schülern gemacht hatte, als daran zu denken, wie sie beide zusammen auskommen konnten.

Um die beiden Schwestern nicht weiter über dieses Thema reden zu lassen fing Julius eine Unterhaltung über die anstehende Weltmeisterschaft und Temmies künftiges Kalb an. Jetzt, wo sie wußten, daß Temmie einen Sohn trug mußten Millie und Julius sich wohl gedanken machen, wohin das Junge Latierre-Rind nach der natürlichen Entwöhnung von seiner Mutter ziehen sollte. Die Bullen waren im Paarungsrausch und in ihrem Revierverhalten sehr aggressiv, und Perseus, der Vater des erwarteten Jungbullen, würde ihn wohl nicht lange dulden, wenn sein Sohn geschlechtsreif war.

"In VDS haben die schon einen, in Spanien auch. Aber das klärt ihr dann genauer mit Babs", sagte Hippolyte. Julius nickte. Das wollte er dann morgen erledigen, wo Millie zu Leonie reisen wollte, die kurz nach Ostern den sibzehnten Geburtstag feiern würde. Als Millie Martines Vorschlag aufgriff, an ihrer kleinen Schwester Miriam die üblichen Pflegesachen Auszuführen nutzte Julius die Zeit, wo Hippolyte und er alleine im Salon waren und fragte sie ruhig:

"Millie und ich haben eine Menge über die Zeit der Gründer von Beauxbatons mitbekommen. Dabei bekamen wir auch mit, daß Orions Frau Messaline hieß. Ich habe millie dann gefragt, warum du keine deiner Töchter so nennen wolltest. Ich bin vielleicht zu neugierig. Aber ich frage jetzt mal doch: Würdest du eine mögliche nächste Tochter mal so nennen?"

"Du brauchst dich nicht zu verstellen. Ich weiß von Millie, was ihr zwei kurz nach Schuljahresbeginn erlebt habt. Millie hat mich auch schon vorgewarnt, daß du die Frage stellen würdest", sagte Hippolyte Latierre mit einem Lächeln. "Nun, weder maman, noch Babs, Josianne oder Eleonore haben vor, eine unserer Töchter so zu nennen, weil wir nicht wissen, ob sie wirklich tot ist. Es gibt ein Tagebuch von ihr, in dem sie ausführt, daß sie mit dunklen Künsten ihr Altern so stark verzögert hat, daß sie nicht nur ihren Mann, sondern dessen Enkelsohn überlebt hat. Von diesem hatte sie sogar noch zwei Kinder bekommen, Castor und Pollux. Es kam heraus, daß sie es irgendwie anstellte, jungen, unberührten Mädchen erst die Jungfräulichkeit und dann die Jugend, ja das ganze Leben zu nehmen. Sie vergreisten innerhalb eines Jahres. Daß Messaline damit zu tun hatte kam erst heraus, als der Vater eines solchen Mädchens, das mit vierzehn schon wie hundert aussah einen Zauberer um Rat fragte. Dieser konnte die Spur einer schwarzmagischen Lebenszeitübertragung bis Messaline zurückverfolgen. Doch als er sich mit ihr und ihren auf Willfährigkeit getrimmten Geliebten einen Kampf lieferte, verschwand sie in einem violett glühenden Nebel und blieb verschwunden. Die Aufzeichnungen, welche die Lesauvages und Latierres hüten sagen, daß sie offenbar darauf lauert, in einer ihrer Nachfahrinnen neuen Halt zu finden, wenn diese bei Geburt ihren Namen erhält. Gut, du magst das vielleicht für einen Aberglauben oder ein Märchen der Zaubererwelt halten. Aber die Geschichte der Lesauvages und Latierres kann mehrere Dutzend Zeugen vorweisen, die die schwarzmagische Lebenserhaltung Messalines bestätigen. Der Zauberer, der ihr damals auf die Schliche kam und sie zum Kampf stellte hieß Adonis Eauvive. Vielleicht stammst du sogar von ihm ab." Julius erschauerte. Adonis Eauvive war der Urenkel von Ascanius Eauvive. Wenn der damals mächtige Zauber konnte, um schwarze Magie aufzuspüren und sich mit Messaline Lesauvage anlegen konnte, mußte der da bestimmt schon aus Beauxbatons rausgewesen sein. Wie alt war Messaline da wohl? Er erwähnte, daß er von Adonis wirklich über mehrere Generationen hinweg abstammte und fragte nach dem Alter Messalines. "Sie muß da bereits dreihundert Jahre erlebt haben. Adonis hat wohl aufzeichnungen über die Begegnung selbst hinterlassen, jedoch denen, die seinen Kampf mitbekamen nur erzählt, sie habe noch sehr jung ausgesehen, wie gerade dreißig Jahre alt."

"Vielleicht hat sie sich mit einem Vampir eingelassen", sagte Julius darauf. Doch Hippolyte schüttelte den Kopf.

"Ganz sicher nicht, weil der Entscheidungskampf auf einer kleinen Insel in der Loire stattgefunden hat. Adonis behauptete, das Wasser des Stromes hätte ihr sogar geholfen, die ersten Angriffe abzuwehren. Er sagte seinen Kindern und Anverwandten nur, daß er ein schreckliches Geheimnis aufgedeckt habe, das er unmöglich weitererzählen dürfe, weil er nicht wolle, daß andere sich davon versucht fühlten. Vampire waren damals schon bekannt. Wenn sie eine Vampirin geworden sei hätte dein Vorfahre das klar erwähnt. Abgesehen davon daß Vampirinnen nicht mehr so einfach richtige Kinder bekommen können. Nein, die hat was anderes angestellt, um sich mehr als dreihundert Jahre auf der Welt zu halten. Ob sie wirklich tot ist weiß keiner, weil niemand von Adonis Eauvive erfahren hat, wie sie das angestellt hat. Es mag sein, daß sie ihre Magie aus dem Wasser oder der Erde bezog. Vielleicht hatte sie auch Zugriff auf die Magie, auf die du nun zugreifen kannst, Julius."

"Hat das damals schon mal wer vermutet?" Wollte Julius wissen, der das nicht ausschließen konnte.

"nein, nicht wirklich. Berichte über das alte Reich galten als Legenden oder Erfindungen", grummelte Hippolyte. "Millie glaubt mir diese Geschichte nicht richtig. Sie meint, ich wollte nur keine neue Messaline ausbrüten, die so hemmungslos im Umgang mit Jungen und Männern ist wie Orions Frau."

"Klingt schon ziemlich abgedreht, Hippolyte", sagte Julius. "Aber gerade ich habe ja in den letzten Jahren ziemlich abgedrehte Sachen erlebt, um das zumindest nicht als unmöglich abzutun. Allein schon die Sache mit Orions Buch im Château würde mir so keiner abkaufen, oder die Begegnung mit Hallitti oder dem gläsernen Konzil und die Sache mit den Schlangenmenschen."

"Dann kannst du es Millie vielleicht irgendwie beibringen, daß sie eine eurer Töchter nicht doch Messaline nennt." Julius überlegte, ob er das seiner Frau so verkaufen konnte. Irgendwas in ihm war bei der Geschichte leise und dunkel angeklungen. Was wenn Messaline wirklich Zugang zu altaxarroischer Magie gehabt hatte, vielleicht etwas, was auf Iaxathan zurückging wie die Skyllianri? Jedenfalls bedankte er sich bei Hippolyte für diese Erklärung.

Martha Eauvive kehrte von ihrem Einkaufsbummel zurück und meinte, daß Madeleine und Antoinette ihr eine ganze Bibliothek aufgeschwatzt hatten, die sie nie bis zur Prüfung durchlesen könne. Dabei besaß Antoinette schon eine sehr umfangreiche Bibliothek mit alten und neuen Werken.

"Laß dir von Antoinette Bicranius' Trank der mannigfachen Merkfähigkeit geben, Mum! Dann kannst du die alle an einem Tag auswendig lernen", schlug Julius vor.

"Den hat Antoinette tatsächlich erwähnt. Allerdings meint sie, er könne mich in eine totale Gefühllosigkeit stürzen, weil er bei seiner Wirkung alle Emotionen einfriert. Ich könnte dabei versucht werden, auch nach Abklingen des Trankes komplett emotionslos weiterzuleben, und das wolle sie nicht."

"Tja, dann weiß ich nicht, wie du die halbe Bücherei da in deinen Einkaufstaschen bis zu den Prüfungen durchkriegen kannst, Mum", erwiderte Julius.

"Die beiden älteren Damen wollen mich wohl auch für dieses UTZ-Curriculum vorbereiten, wobei ich nicht weiß, ob ich das überhaupt machen soll. Nathalie Grandchapeau hat mir lediglich angeboten, meine Fähigkeiten besser auszuschöpfen und mir mehr zu bezahlen, wenn ich die ZAGs erworben haben werde", sagte Martha Eauvive.

"Na ja, so ganz kommst du da nicht von weg, Martha", schaltete sich nun Hippolyte ein. "Madame Grandchapeaus Tochter wird im November wohl für ein Jahr pausieren um sich um ihr zweites Kind zu kümmern, und im Ministerium sind sie schon davon angetan, Leute mit UTZ-Abschluß zu beschäftigen. Da kann sich Madame Grandchapeau auch nicht so leicht drüber hinwegsetzen. Denn sollte ihr Mann einmal nicht mehr Minister sein, was jede neue Wahl herbeiführen kann, so kann sie sich nicht mehr darauf berufen, in seinem Sinne gehandelt zu haben. Der Nachfolger wird dann auf eigene Familien- und Freundesgruppen achten und Leute nur deshalb weiterhin beschäftigen, die auch die Mindestanforderung für eine Beamtenlaufbahn erfüllen. Und die liegt nun einmal bei bestandenen UTZs. Ich habe es doch selbst erlebt, wie ein anderer Zaubereiminister mal eben das Personal auswechseln kann, wenngleich Didier da tatsächlich nach Sympathien von ihm und für ihn geurteilt hat. Also solltest du, das nur als Vorschlag einer Ministeriumskollegin und Anverwandten, nicht gleich sagen, daß nach den ZAGs für dich die Zaubereiausbildung erledigt ist. Es sei denn, du möchtest doch wieder nach Millemerveilles. Soweit ich weiß sehnt sich die werte Madame Dumas danach, eine mit dem Wissen der Muggelwelt vertraute Lehrerin in ihrer Schule zu beschäftigen.""

"Gut, daß sowas im Weltdorf Zaubererwelt in einer Stunde einmal herumgeht bin ich gewohnt, Hippolyte. Aber ich habe bereits eine langwierige und anstrengende Ausbildung hinter mir und fange jetzt nicht mehr an, aus rein akademischen Gründen zu studieren. Ich lerne das, was mir die von Antoinette wörtlich eingeflößten Kräfte zu wissen und Können auferlegen. Mit dem, was ich bereits gelernt habe komme ich sicher auch gut im Miniisterium zurecht, egal, ob Madame Grandchapeau sich auf ihren Mann berufen kann oder nicht. Soweit mir erzählt wurde dürfen Verwandtschaftsbeziehungen eh nicht als Einstellungsgrund benutzt werden."

"Und das glaubst du immer noch?" Wunderte sich Hippolyte. Martha Eauvive blickte sie verunsichert an. Julius schaltete sich ein:

"Ich kapiere, daß du dir von keinem mehr sagen lassen willst, was du noch zu lernen hast, Mum. Aber was würdest du jetzt sagen, wenn ich hinginge und sagen würde, daß ich schon genug gelernt habe und deshalb locker auf die UTZs verzichten kann, weil Camille mich auch ohne UTZs in der grünen Gasse anstellen würde."

"Gut, da könnte ich dir damit kommen, daß du mit sechzehn Jahren ja noch längst nicht genug Erfahrung hast, um das einzuschätzen", grummelte seine Mutter. Hippolyte grinste Julius an und deutete dann auf Martha.

"Du könntest ihm damit kommen, ich ihm auch. Aber damit würdest du dich dann selbst ad absurdum führen, Martha. Denn als Hexe lebst du gerade einmal anderthalb Jahre und bist sogesehen noch jünger als Miriam. Die hat gerade mal gelernt, auf den Topf zu gehen, und für längere Reisen windel ich sie noch. Vielleicht sieht die gute Antoinette deshalb noch ein junges Mädchen in dir, obwohl du nachweißlich schon einen Sohn geboren hast. Aber ich bin nicht deine magische Fürsorgerin, sondern die gute Antoinette Eauvive. Wenn die findet, daß du besser noch zwei Jahre Ausbildung dranhängen solltest, um anständige UTZs vorweisen zu können solltest du das nicht so einfach ausschlagen, selbst wenn sie es dir nicht aufzwingen kann ohne den Imperius zu benutzen."

"Wenn du mir damit sagen möchtest, daß ich froh sein kann, daß Antoinette mich nicht in einem Kinderbett schlafen läßt und mich abends um sieben schon schlafen schickt nehme ich das mal zur Kenntnis, Hippolyte."

Von oben klang Miriams Lachen, weil sie mit ihrer mittelgroßen Schwester herumtobte. Martha Eauvive meinte dazu:

"Sie freut sich wohl noch, daß sie so jung und frei ist." Hippolyte bestätigte das.

"Na ja, dann sollte ich besser wieder in meine eigenen vier Wände zurückkehren. Morgen muß ich nach Marseille wegen der Einrichtung eines Verbindungsbüros mit Spanien. Die Aktionen dieser Vampirin Nyx müssen europaweit überwacht werden."

"Du hast Vampirabwehrzauber dabei, Mum?" Fragte Julius.

"Madame Faucon hat ihre Beziehungen spielen lassen und mir genug mit Abwehrzaubern belegte Gegenstände zukommen lassen, darunter eine mit zwanzig Sonnensegen behandelte Goldscheibe an einer Kette. Das Schmuckstück mag mindestens fünfhundert Galleonen wert sein."

"Gut, dann sehen wir uns ostern bei euch in der Rue de Liberation", sagte Julius. Er wurde dann noch gebeten, Brittany Brocklehurst zu grüßen. Martha Eauvive würde am zehnten April in San Francisco sein, um sich dort mit einigen Muggelverbindungsbüroleuten aus den Staaten zu treffen. Julius fragte, warum nicht in Washington.

"Tja, weil in San Francisco vier chinesische Zauberer wohnen, die auch mithelfen könnten, internationale Verbindungen nach Peking zu knüpfen. Direkt hinfliegen geht ja nicht, weil die keine magischen Zuwege dorthin haben und ich so schnell kein Einreisevisum für die sogenannte Volksrepublik kriegen kann", erläuterte seine Mutter, warum sie diese Dienstreise machen würde.

"Dann können die dich nicht mehr feuern, wenn du die ganzen Beziehungen selbst zusammenbaust", meinte Julius dazu noch. Seine Mutter lächelte dankbar. Dann meinte sie: "Sag das mal Geneviève!"

"Joh, mach ich", preschte Julius vor. Seine Mutter schüttelte jedoch sofort den Kopf und bat ihn, sie nicht mit der Nase darauf zu stoßen, ihr noch mehr mit Briefen und Anfragen zuzusetzen. Julius wollte schon fragen, ob sie sich in den Staaten mit Zachary Marchand oder Lucky Merryweather treffen würde. Doch er fand, daß Hippolyte das nicht mitbekommen mußte, falls Millie ihr das nicht haarklein geschrieben hatte.

Die jungen Eheleute Latierre blieben noch zum Abendessen bei Hippolyte und Albericus. Lutetia Arno, die Mutter des halbzwergischen Familienvaters, kam auch zu Besuch herüber um sich den Entwicklungsstand ihrer drei Enkeltöchter anzusehen. Sie meinte zu Millie und Julius, ob sie ihr im nächsten Jahr schon einen neuen Einsatz innerhalb der Familie verschaffen würden. Julius antwortete diplomatisch und sagte ihr: "Solange wir in Beauxbatons sind könnte sich Madame Rossignol ungerecht behandelt fühlen, wenn du ihr da in die Befugnisse reinredest, Oma Teti."

"Schön gesagt, Jungchen. Und wenn ihr meinen Urenkel erst nach Beauxbatons erwartet wird euch wohl diese Zwergenhasserin Matine mit diesen widerlichen Walpurgisnachtringen hinter sich festbinden, um mir die Freude zu verhageln, meinen ersten Latierre-Urenkel ans Licht zu holen. War schon gemein von der und ihren Handlangern, euch bei sich in diesem Dorf einzuquartieren. Bestelle der aber schöne Grüße, daß ich immer noch genug zu tun habe!" Julius nickte der Zwergin zu, die selbst auf einem Stuhl stehend gerade groß genug war, um ihm ohne Nackenverränkung in die Augen zu sehen.

Wieder zurück in ihrem runden Haus beim See der Farben erzählte Julius seiner Frau, was ihre Mutter ihm erzählt hatte. Millie meinte dazu: "Na ja, ich habe es nicht so abgekauft, daß die alte Messaline immer noch leben soll. Sicher hat dein Vorfahre die mit dem Todesfluch erwischt und wollte das nicht rumgehen lassen, daß er alte Hexen umbringt. Aber wenn die echt fiese Lebenszeitklauflüche kannte, so ähnlich wie der, mit dem Halliti dich zwei Jahre älter gemacht hat, dann will ich sicher kein Mädel in mir groß werden lassen, daß deren Namen trägt." Julius atmete innerlich auf. Doch dann dachte er daran, daß Millie wie die meisten anderen davon überzeugt war, seine damalige Blitzalterung um zwei Jahre sei ein Racheschlag der Abgrundstochter gewesen, bevor diese vernichtet wurde. Was in der Höhle des Succubus wirklich passiert war hatte er sich bis heute nicht zu erzählen gewagt. Millie wußte jetzt nur, daß sein Vater nicht wirklich gestorben war.

Nachdem sie beide noch einige Musikstücke nachgespielt hatten, zogen sie sich in ihr Schlafzimmer zurück. Doch es dauerte noch zwei Stunden, bis beide erschöpft genug waren, um nebeneinander einzuschlafen.

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Am Dienstag besichtigten die Latierres die neuen Quidditchstadien, spielten mit den an diesem Besenflugsport interessierten mal in voller, mal in halber Mannschaftsstärke und verbrachten den Nachmittag auf dem Hof von Barbara und Jean Latierre. Hier sprach Julius eine Weile mit Temmie, die wieder das Cogison trug.


"Ich habe es mit Barbara vereinbart, daß mein Sohn zwei Jahre bei mir bleiben darf. Aber du mußt ihm den Namen geben, weil er ja mein Kind ist und ich dir zugesprochen wurde", quäkte der rosarote runde Sack an jenem Halsring, den Artemis vom grünen Rain trug. Julius hatte auch schon einen Namen: "Nennen wir ihn Orion. Soweit ich weiß gab es bisher keinen Bullen mit dem Namen."

"Ich hörte es, daß er ein wilder Mann war und sehr oft mit seiner zugesprochenen und anderen Frauen zusammengewesen ist, Julius. Du wirst schon wissen, warum du den Kleinen so nennen willst." Julius nickte. Barbara Latierre konnte ihm da nicht dreinreden, wußte er. und wenn er diesem alten, dreinschlagenden Frauenjäger richtig einen mitgeben wollte, dann am besten, wenn ein echtes Rindvieh seinen Namen trug. Aber vielleicht würde jede gemalte Ausgabe Orions auch herzhaft lachen, weil ein Latierre-Bulle ja genau die Prinzipien befolgte, die der Zauberer Orion Lesauvage zu seinen höchsten Werten erhoben hatte: Vorrecht des Stärkeren, der Mann als Macher und Bestimmer und allzeit bereit für eine heiße Runde mit willigen Damen. Irgendwie konnte Julius es mittlerweile nachempfinden, was den bärengleichen Zauberer so an der geschlechtlichen Zweisamkeit mit einer starken und ausdauernden Partnerin faszinierte, wenngleich er das als schön und für die Fortpflanzung richtig, aber nicht als wichtigste Sache der Welt ansah.

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Da die beiden Latierres nun zweimal mit dem magischen Zeppelin von Europa nach Amerika gefahren waren blickten sie nicht mehr hinaus, während das magische Luftschiff mit ihnen und drei Besuchern aus Viento del Sol den Atlantik und das nordamerikanische Festland überquerte. An der Landestelle holten Brittany und Linus ihre Gäste ab und apparierten Seit an Seit mit ihnen vor das Haus Buchecker. Millie fragte Brittany, ob sie schon was Kleines erwarte. Doch Brittany erwiderte ganz gelassen:

"Die nächste Saison spiele ich noch voll durch. Dann kann ich mir ein Baby vorstellen, das meinen Nachnamen trägt."

"Du meinst meinen, Britt", erwiderte Linus darauf. Brittany grinste ihn an und sagte:

"Wenn das unser Baby wird kriegt es auch unseren Nachnamen, Linus." Dann verwickelte sie die Besucher aus Frankreich in eine lange Unterhaltung über das bisher verlaufene Schuljahr in Beauxbatons. Was in Hogwarts vorging hatte Brittany von Melanie, die es von Gloria erfahren hatte. Julius erfuhr dabei, daß Myrna wohl einen Freund in Thorntails gefunden habe. Gerald Gordon hieß der Junge. Seine Mutter war eine Kollegin von Julius' Mutter, während sein Vater in einer Flugmaschinenfirma mit einem komischen Namen arbeite.

"Huch, die hat einen Muggel geheiratet?" Fragte Julius erstaunt. "Was macht der in der Firma denn?"

"Baut die lauten Antriebsdüsen unter die ganz großen Flugzeuge", sagte Brittany. "Ich habe mir so einen Eisenvogel mal angeguckt. Passen wirklich viele Leute rein. Aber ist ziemlich laut."

"Joh, der schraubt an der sieben vier sieben? Schon lange in keiner mehr dringesessen. Das letzte mal als ich mit meinem Onkel in den Staaten war."

"Ich will im Sommer, wenn die Saison um ist mal zu meinen Großeltern nach Chicago rüber", sagte Brittany. "Die haben mich auch schon gefragt, ob ich erst alt und grau wie sie werden wolle, bevor deren Enkelsohn zur Welt kommt. Da werden Linus und ich wohl mit einem dieser Riesenvögel fliegen, um mitreden und unauffällig ankommen zu können."

"Da wirst du dich nur umstellen, weil die Muggel-Flugzeuge keine Innerttralisatus-Bezauberung haben", meinte Julius.

"Hmm, und die haben vielleicht nicht diese Strahlungsschutzlackierung wie die Luftschiffe", sagte Millie noch. "Soll nicht so gut für das Erbgut sein, habe ich mittlerweile gelesen."

"Die fliegen nicht so lange", beruhigte Julius Brittany. "Abgesehen davon haben nur Leute, die in diesen Maschinen arbeiten langfristig Probleme damit. Ich hörte mal, daß Piloten deshalb keine Jungen zeugen könnten, weil deren Keimflüssigkeit durch dauerhafte Strahlung keine männlichen Keime mehr ausbilden könnte. Aber ob das stimmt weiß ich nicht so richtig."

"Dann sollte ich das unserer werten Chloe Palmer nicht auf die Nase binden", grummelte Brittany. "Seitdem ich verheiratet bin meint die, mich außerhalb des Stadions überwachen zu müssen, weil sie nie weiß, ob ich nicht doch schon ein Baby im Bauch habe. Solange ich bei den Windriders spiele muß ich jeden Monat einmal bei ihr antreten, ob ich noch spieltauglich bin. Venus zwar auch, aber seitdem das mit Kore passiert ist hakt die noch heftiger nach."

"Wenn sie die auch nie kriegen, die diese Partys veranstalten", knurrte Linus. "Aber die sind jetzt wegen dieser Vampirlady und der Nachfolgerin dieser Sabberhexe eingespannt, die dieses Insektenmonster und seine Brut auf uns losgelassen hat." Julius hörte den unverhohlenen Haß aus der Stimme des jungen Zauberers heraus. Wegen Anthelias Entomanthropen war Linus' Vater gestorben. andererseits verdankte Linus es diesem grausamen Ereignis, daß er jetzt mit einer der begehrtesten Quodpothexen der Westküste verheiratet war. Schon fies, wie das Schicksal gutes und böses miteinander verband, dachte Julius.

"Wissen sie denn mittlerweile, wer es ist?" Fragte Julius, der herausfinden wollte, ob Anthelia ihr neues Ich schon verraten hatte.

"Seit der Sache mit den Zombies ist die nicht mehr aufgetaucht. Aber die rechnen damit, daß es bald knallt, weil eine gewisse Lavinia Moore eine Liga rechtschaffener Hexen begründen will, in der erklärte Feindinnen dieser Sardonianerinnen vereint werden sollen. Da wird es wie erwähnt wohl bald rappeln, sollte die Erbin dieser Monstermacherin deren Weg weitergehen wollen und mit dieser Liga Streit anfangen."

"Oder sie läßt die voll ins Leere laufen, schmuggelt Spioninnen bei der ein und stellt irgendwas an, was diese Liga bald schon ziemlich dumm aussehen läßt", sagte Julius darauf nur. Brittany nickte. Millie schwieg dazu.

Am Abend besuchten die Brocklehursts und Latierres die Partridges und verabredeten sich zu einer Übungsrunde Quodpot für den nächsten Tag.

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Millie und Julius spielten am nächsten Tag Quodpot gegen Brittany, Venus und andre Mitglieder der Mannschaft. Am Samstag würden die Windriders gegen die Mountain Peaks aus Misty Mountain ein Heimspiel austragen. Da Brittany in ihrem Haus nur veganes Essen zubereitete empfand es Julius als willkommene Abwechslung, daß er von Brittanys Mutter zu einer Schachpartie eingeladen wurde. Millie, die dem Spiel immer noch nichts abgewinnen konnte, zog mit Brittany durch die Einkaufsstraßen. Sie würde bei der Gelegenheit auch in der magischen Menagerie vorsprechen und berichten, wie sich Sternenstaub in Beauxbatons eingelebt hatte. Nach dem Schach durfte er mit der Zaubertierkundelehrerin zusammen selbstgemachte Hamburger mit großen Kartoffelecken und richtiges Sahneeis genießen. Daniel Forester, von dem Brittany die vegane Lebensweise übernommen hatte, war gerade in San Rafael, Urlaub von der Zaubererwelt machen. Seine Frau hatte ihn nur deshalb nicht begleitet, weil Prinzipalin Wright sie nach der Quodpotpartie wieder in Thorntails sehen wollte.

"Ich hoffe für euch zwei, daß trotz der angenehmen Unterschiede genug gemeinsame Möglichkeiten verbleiben", sagte die gerade als Strohwitwe lebende Mrs. Forester. Julius dankte ihr für diesen Wunsch und erwähnte, daß er schon zusehen wolle, genug Zeit mit seiner Frau zu verbringen, ohne daß sie sich ihm oder er sich ihr zu sehr anpassen müsse. Da hörten sie fröhliches Kinderlachen von draußen.

"Huch, ist die Kleine doch rübergekommen", bemerkte Mrs. Forester und deutete zum halboffenen Fenster hinaus, wo gerade ein kleines Mädchen auf einem der Spielzeugbesen knapp einen Meter über dem Boden dahinflog und dabei um die Bäume und über die Beete zirkelte, als trainiere sie auch schon für eine Quodpotkarriere. Julius erkannte das Mädchen sofort. Es war Larissa Swann.

"Wenn sie nicht so jung wäre müßte ich sagen, daß sie mir meinen Mann ausgespannt hat", grinste Mrs. Forester. "Sie kommt jeden Nachmittag zu ihm herüber. Er mag es zwar nicht so, wenn sie auf dem Bronco Sandwischer herumkurvt, aber sie braucht ihn nur anzustrahlen, und er vergißt allen Groll des Tages."

"Ist schon gut gewachsen, die Kleine", sagte Julius so ruhig er konnte. Offenbar genoß Larissa diese wiedergeschenkte Zeit in vollen Zügen. Sollte er Brittanys Mutter da auftischen, daß Larissa schon wesentlich älter war als sie und durchaus wissen mochte, wie man einen Mann um den Finger wickeln konnte. Als kleines Mädchen mochte sie damit noch weniger Probleme haben als im Körper einer altehrwürdigen Hexe. Er folgte der Hausherrin hinaus, weil Larissa Swann gerade meinte, mitten im Gemüsebeet Dan Foresters zu landen.

"Wo Onkel Dan?" Fragte das kleine Mädchen, als Mrs. Forester sie mit energischem Zuruf zum Kurswechsel brachte. "Onkel Dan ist nicht da. Hat deine Mom das nicht gesagt?"

"Mom fliegt auch her", sagte Larissa mit ihrer glockenhellen Kleinmädchenstimme. Dann sah sie Julius und machte mit ihrer kleinen Hand eine abmessende Bewegung von oben nach unten. Dann schwebte sie auf ihn zu. Er unterdrückte den Reflex, zurückzuspringen. Gelassen trat er nach rechts und ließ den Besen, der wohl gerade dreifache Schrittgeschwindigkeit erreichen konnte an sich vorbeigleiten. Dabei streckte dessen Reiterin den linken Arm aus und bremste so ihren Flug an Julius Bauch. Der Jungzauberer unterdrückte einen schmerzhaften Aufschrei. Statt dessen pflückte er das kleine Mädchen von seinem Spielzeugflugbesen herunter und hob sie mit leicht gequältem Lachen in die Höhe. Larissa stieß einen schrillen Freudenschrei aus und schlang ihre kurzen Arme um seinen Hals. "Na du kleine Eintopferin? Wo hast du deine Mom denn gelassen?" Fragte er mit gespieltem Vergnügen.

"Ist gleich auch da", trällerte Larissa Swann. Julius ließ sie wieder auf die kleinen Füße kommen. Da deutete sie auf seine Schultern und sagte: "Rauf!"

"Aber sicher doch", tat Julius vergnügt und hob sie auf seine Schultern. "Jetzt bist du größer als ich und deine Tante Lorena", sagte er.

"Du hast offenbar ein Gespür für kleine Kinder", amüsierte sich Mrs. Forester. Larissa lachte silberhell und strampelte mit ihren Beinen.

"Bist wirklich ganz schön gewachsen", klang in Julius' Kopf die Stimme einer älteren Frau. "Freut sich deine Angetraute ganz sicher."

"Na, wo ist denn deine Mom?" Fragte Julius mit erhöhter Stimme.

"Da oben!" Rief Larissa. "Na, nicht fallen lassen", klang die Gedankenstimme in Julius' Kopf, als er sich zurücklehnte und höllisch aufpassen mußte, das auf den Schultern hockende Kind nicht abrutschen zu lassen. Er sah einen fliegenden Besen, auf dem eine andere Hexe saß, die rotblondes Haar hatte.

"Na, hast du noch wen gefunden, der dich rumträgt, nach dem ich das lange genug gemacht habe?" Lachte Peggy Swann und landete. Sie begrüßte Julius Latierre und Lorena Forester.

"Deine Tochter will meinen Mann adoptieren", scherzte Lorena Forester. "Hast du der Kleinen nicht gesagt, daß er weg ist?""

"Du kennst Larissa. Sie glaubt nicht alles sofort, wenn sie es nicht nachprüft, Lorena. Außerdem wollte sie unbedingt mit dem Besen herumfliegen. Wußte nicht, daß du Besuch hast. Ist der junge Mann alleine über den Ozean gekommen?"

"Nein, ist er nicht", erwiderte Julius etwas verdrossen. Das ganze Getue der Swanns behagte ihm nicht. Doch wer würde ihm das abkaufen, daß das Mädchen auf seinen Schultern die Mutter der Hexe auf dem Besen war?

"Verstehe, deine früh angetraute kauft die Morgentaustraße leer, während die werte Lorena dich dazu verdonnert hat, gegen sie Schach zu spielen", sagte Peggy Swann.

"Im Moment habe ich gerade so'n quirliges Bündel auf dem Rücken und kann mich nicht auf Schach konzentrieren", erwiderte Julius. Larissa klammerte sich mit den Beinen fest und hielt sich mit ihren kleinen Händen an Julius Nacken fest.

"Das kann ich dir abnehmen, Julius. Larissa ist auch schon lange genug auf gewesen. Komm, kleine Prinzessin, Zeit für's Bett!"

"Nöh, will nich'", quäkte Larissa trotzig. Julius ging auf Peggy Swann zu, die ihren Besen und den Spielzeugbesen Larissas aufgenommen hatte. "Komm, deine Mom sagt, du gehörst in die Heia."

"Nöh, will von oben runtergucken", quäkte Larissa. Julius schüttelte sich behutsam und löste die angeklammerten Beinchen der kleinen Hexe. Er beugte sich vor und ließ sie in die Arme der Hexe fallen, die sie als eigenes Kind zur Welt gebracht hatte. Larissa quängelte mißvergnügt. Doch Peggy Swann beachtete es nicht. Sie bedankte sich bei Lorena Forester und Julius Latierre und bugsierte Larissa auf ihren eigenen Besen. Den Spielzeugbesen schickte sie mit einem Teleportationszauber nach Hause. Dann flog sie selbst auf dem großen, aber wohl geruhsamen Besen davon. Julius hörte noch die ihm bekannte Gedankenstimme in seinem Kopf:

"Danke für die paar Minuten."

"Hast du gesehen, wie Mrs. Swann dich angestrahlt hat, als du die Kleine auf den Schultern hattest. Ich denke, sie würde schon gerne einen Zauberer bei sich wohnen haben, der Larissa ein guter Vater wäre. Aber sowas findet sie mit einem kleinen Mädchen nicht mehr."

"Außerdem bin ich schon vergeben", erwiderte Julius. Fehlte ihm noch, von diesen beiden Nachtfraktionsschwestern als Stiefvater engagiert zu werden.

"Britt und deine Frau halten es aber lange aus", stellte Mrs. Forester fest. Julius mentiloquierte Brittany an und erfuhr, daß Millie und sie im sonnigen Gemüt seien, wo die halbe Dorfjugend im Saloon tanzte. Julius gedankengrummelte, daß er das gerne vorher gewußt hätte und fragte, ob sie noch auf ihn warten würden.

"Alle Mädchen zwischen elf und dreißig warten hier auf dich. Aber ich kenne meine mom, wenn die wen zum Schachspielen gewittert hat."

"Britt und Millie sind im Saloon. Ich möchte zu ihnen. Danke für die Schachpartie und die vier Jumboburger und das Eis!"

"Jederzeit wieder, Julius. Mußt dich ja auch in Form halten, wenn du irgendwann mal sowas quirliges wie Peggys kleinen Wirbelwind auf dem Rücken tragen möchtest", lächelte Mrs. Forester. Julius nickte und konzentrierte sich auf die Vorderansicht des Gasthauses zum sonnigen Gemüt, stellte sich vor, jetzt gerade dort zu stehen und warf sich auf der Stelle herum. Mit leisem Plopp verschwand er.

Sichtlich geschafft vom Tanzen mit mindestens zwanzig ganz jungen und jüngeren Hexen kehrte Julius mit seiner Frau und Brittany ins Bucheckernhaus zurück, wo die Brocklehursts und Latierres sofort in ihre Schlafzimmer gingen.

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Brittany war die strahlende Siegerin. Sieben Pots hatte sie alleine aus ihrer Vorgeberposition erzielt. Zehn Pots hatte sie vorbereitet. Die Mountain Peaks zogen am Ende mit einer herben Niederlage vom Feld. Alle ihre wichtigen Spieler waren herausgeknallt worden. Zum großen Bedauern der tanzbegeisterten Hexen und Zauberer reisten die Latierres eine Stunde nach dem Spiel mit dem magischen Luftschiff ab. Denn sie wollten Ostern in Millemerveilles und bei den Brickstons feiern. Julius sah noch die Swanns, die dem großen, überschallschnellen Luftschiff beim Start zusahen. Er verschloß seinen Geist, um keine mentiloquistische Botschaft Larissas in seinen Geist einzulassen. Erst als sie zwanzig Minuten lang gefahren oder geflogen waren fühlte er sich erleichtert.

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Der Morgen des Ostersonntags war anders als der Weihnachtsabend kein besonderer Festakt in Millemerveilles. Zwar feierten sie hier Ostern als Fest des neuen Lebens, doch nicht die Auferstehung des christlichen Heilands. Die wahre Lebensfeier war und blieb die Walpurgisnacht, die außerhalb von Beauxbatons wesentlich ausschweifender stattfinden konnte, als nur zu beschwingter Musik herumzuspringen und zu fliegen. Julius, der selbst nie so recht für die kirchlichen Zeremonien zu haben war, wohl auch, weil seine Eltern nichts davon hielten, bekam auf diese Weise mit, wie kleine Jungen und Mädchen in den Grünanlagen die Samen neuer Blumen ausstreuten und nach von ihren Eltern und Verwandten versteckten Osternestern suchten. Zwar gab es auch in Millemerveilles buntbemalte Ostereier. Die hatten es aber in sich. Denn jedes Ei, das gefunden wurde, enthielt ein kleines Stück Naschwerk oder ein eingeschrumpftes Kleidungsstück oder Buch, das beim Aufklappen des Eis anwuchs. Babette Brickston konnte nur die gekochten oder ausgeblasenen Ostereier finden. Süßigkeiten und Geschenke mußte sie extra suchen. Das war auch schon alles.

Bei den Brickstons gab es Lamm und frisches Gemüse. Julius durfte erzählen, was Millie und er in Viento del Sol erlebt hatten. Joe Brickston meinte einmal, daß es schon einen Vorteil habe, daß seine Schwiegermutter jetzt die Chefin von Beauxbatons sei. Denn nun könne sie sich nicht so einfach freinehmen und auf liebende Großmutter machen. Julius überhörte das. Catherine ebenso.

Am Abend wechselten sie von der Wohnung der Brickstons in die von Martha Eauvive, wo sich auch noch Babettes und Claudines Großtante Madeleine einstellte, die sehr streng darauf aufpaßte, daß die Gastgeberin auch ja alle anfallenden Sachen mit Zauberkraft erledigte. Joe meinte zu seiner Schwiegertante:

"Machst du jetzt Blanches Familienjob, Tante Madeleine?"

"Ist das denn nötig?" Fragte Madeleine scherzhaft zurück. "Sei nicht eifersüchtig, daß Antoinettes Geschenk bei dir nicht so ankam wie bei Martha!"

"Ich eifersüchtig? Ganz sicher nicht, Tante Madeleine", grummelte Joe.

"O verstehe ich, weil Blanche dich ganz sicher eingepackt und nach Beauxbatons mitgenommen hätte, damit du da alles richtig lernst", entgegnete Madeleine L'eauvite.

"Neh, ist schon in Ordnung so, daß die mich nicht noch mehr herumkommandieren kann", knurrte Joe und herrschte seine jüngere Tochter an, nicht so wild herumzuspringen. Nachher landete die noch im großen Fernseher, den Martha Eauvive als Fenster zu ihrer angeborenen Welt besaß.

Als der Abend immer dunkler wurde, wurde Joe immer betrunkener. Offenbar vertrug er den Whisky nicht, den sein Vater ihm von den britischen Inseln mit herüber gebracht hatte. Jedenfalls mußte seine Frau ihn stützen, als er um zwölf Uhr in die untere Wohnung zurückkehrte. Madeleine, die mit Julius einige Gläser Met getrunken hatte, meinte zu ihm:

"Du hältst zwar mehr aus als mein werter Schwiegerneffe. Aber ich denke mal für's Apparieren oder Flohpulvern hast du doch jetzt einiges mehr drin als verträglich."

"Neh, geht noch, Madeleine", sagte Julius ganz ruhig und flüssig. "Den Zielkamin kann ich noch ausrufen. Wo mein Bett steht zeigt mir dann Millie."

"Welches, das kleine wacklige?" Fragte seine Frau, die zwar auch einige Gläser Met zu sich genommen hatte, jedoch wie Julius noch klar und deutlich sprechen und sich gut bewegen konnte. Madeleine lachte.

"Wäre für die gute Blanche ein Heidenschreck, wenn du ihn im Tragetuch über der Schulter hättest, wenn du mit ihm nach Beaux zurückreist. Aber ich denke, du möchtest einen großen, starken Mann und nicht nur einen kleinen, hilflosen Hosenmatz." Millie nickte ihr zu und sagte, daß sie so einen zwar auch gerne haben würde, aber nicht durch einen Fluch. Dann verabschiedeten sich die Latierres von Martha Eauvive und Madeleine L'eauvite. Tatsächlich schafften sie es, unfallfrei nach Millemerveilles zurückzuflohpulvern.

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Die letzte Ferienwoche verbrachten Millie und Julius damit, sich auch die am äußeren Bereich des Dorfes gelegenen Stadionneubauten und die Gastquartiere anzusehen. Mit Florymont Dusoleil tauchte Julius in einem der neuen Duotectus-Anzüge im Farbensee. Julius meinte voller Begeisterung, daß dieser Anzug genial für einen Ausflug auf die Venus sei, nachdem Florymont ihm stolz berichtet hatte, daß er damit sogar in die brodelnde Lava eines halbaktiven Vulkans hinabgestiegen war. "Auf der Venus herrscht ein durchschnittlicher Atmosphärendruck von 90 Bar, was ungefähr neunhundert Metern Wassertiefe entspricht. Die Oberfläche ist an die vierhundertfünfundsiebzig Grad Celsius heiß. Das einzige Problem ist die Schwefelsäure in der Atmosphäre. Die könnte den Anzug kaputtmachen."

"Gegen ätzende Säuren ist der Anzug vom Stoff her schon bestmöglich gefeit", sagte Florymont darauf. "Aber zur Venus hinfliegen geht im Moment wohl nicht. Abgesehen davon, daß da vielleicht die auf der Erde wirksamen Zauber überhaupt nicht oder komplett anders wirken." Julius nickte. Ähnliches hatte ihm ja Mrs. Stella Hammersmith in Viento Del Sol schon angedeutet.

Sandrines Eltern luden die Latierres einmal zum Nachmittagskaffeetisch ein. Julius erwähnte, daß er seiner Mutter weder was ein- noch ausreden könne. Sandrine fragte Millie und Julius noch einmal nach den Sonderregeln für verheiratete Schülerehepaare aus. Millie meinte zu ihr, daß Gérard vielleicht von ihr und Julius abgeschreckt worden sei, schon vor dem Abschluß in Beauxbatons verheiratet zu sein. Sandrine überhörte das jedoch. Julius wußte zu gut, worauf seine Saalsprecherkollegin aus dem gelben Saal hinauswollte. Geneviève Dumas sah ihre Tochter an und sagte:

"Nun, ich denke, daß Gérards Eltern ihm da schon genau erklärt haben, woran er sich in Beauxbatons zu halten hat oder nicht. Womöglich scheut er davor zurück, in noch eine Lehrerfamilie einzuheiraten, bevor er mit der Schule fertig ist. Abgesehen davon bleibt ja dann die Frage der Unterkunft. Möchtest du mit ihm hier bei uns oder bei ihm wohnen?"

Sandrine sah Millie und Julius an, die ahnten, was jetzt kam. Doch Sandrine sagte nicht, daß sie ja auch beim Dorfrat eine Wohnung in Millemerveilles zugeteilt bekommen wollte, sondern antwortete ihrer Mutter: "Gérard hat mal was von einem Haus bei Antibes erwähnt, das sein Großvater väterlicherseits ihm vererbt hat, wo er aber erst einziehen darf, wenn er verheiratet ist." Julius unterdrückte das Grinsen, das Millie unbekümmert zur Schau trug. Doch Sandrine legte gleich nach: "Es geht mir nicht um das Haus. Das kenne ich ja noch gar nicht. Es geht mir einfach darum, daß ich nach Beauxbatons schon mit jemanden sicher zusammenleben möchte und nicht wie Oma Monique dreißig Jahre nur für die Arbeit leben will und dann erst wen für eine Familie zu suchen, was dann noch mal zehn Jahre gedauert hat. Du hast selbst gesagt, daß du nicht erst mit zweiundvierzig Mutter werden wolltest, Maman."

"Ja, doch deine zweite Oma Fantine hat mich schon mit neunzehn auf die Welt gebracht. Ich selbst habe da schon lieber bis zwanzig gewartet, ma Chere", hielt ihre Mutter ihr sofort entgegen. Sandrine war jedoch gerade nicht bereit, ihrer Mutter klein beizugeben. Sie antwortete prompt:

"Ich habe auch nicht gesagt, daß ich schon in Beauxbatons mit einem Baby im Bauch rumlaufen möchte. Da wendest du dich bitte an Millie."

"Nur für Madame Mildrid Latierre bin ich nicht zuständig, solange sie keine Kinder für meine Schule anmeldet", konterte Madame Dumas. Julius räusperte sich und wandte sich an Mutter und Tochter:

"Was die Ehe angeht war das für Millie und mich auch schon überraschend, daß es gleich so ablaufen sollte. Aber ihre Eltern und meine Mutter haben das vereinbart. Was das mit den Kindern angeht, so müssen wir damit zurechtkommen, nicht Sandrine. Es sei denn, unser erstes Kind kommt wirklich in Beauxbatons zur Welt und Sandrine wird von Madame Rossignol als Geburtshilfeassistentin eingeplant. Das sowas geht wissen wir ja von Constance."

"Ich bin der Meinung, daß das mit euch zweien schon ein wenig früh war, Julius", sagte Monsieur Dumas, der nicht in das Geplänkel zwischen seiner Frau und seiner Tochter hineinfuhrwerken wollte. "Andererseits haben wir ja doch mitbekommen, daß ihr zwei eurem körperlichen Alter vorausdenken könnt und du, Julius, mit dieser Zauberlaterne schon eine kleine Vermögensbildungsgrundlage erschaffen hast. Mildrids Eltern sind ja auch nicht bettelarm."

"Ja, Papa, ich weiß, Ehe heißt Verantwortung, Verantwortung heißt, alles anfallende größtenteils selbst erledigen zu können. Etwas selbst erledigen zu können kostet Geld. Also muß jemand in der Ehe Geld verdienen. Kennen wir schon", grummelte Sandrine. Julius und Millie tauschten einen fragenden Blick aus. Beide fragten sich wohl, warum Sandrine zu den sonst für zurückhaltung und Schüchternheit bekannten Gelben gekommen war.

"An der Haltung ist nichts verkehrtes, Sandrine. Deine Maman und ich haben euch beide in der Gewißheit soweit großgezogen, daß wir alle nicht hungern müssen. Von Liebe alleine kann keiner Leben, weder Magier noch Muggel", erwiderte Sandrines Vater. Millie zwinkerte Julius zu. Dieser zwinkerte zurück. Geneviève Dumas räumte ein, daß aber nur satt zu werden auch nicht das Leben sei. Dafür erhielt sie von ihrer Tochter ein zustimmendes Nicken. Millie fragte für ihr offenes Wesen unerwartet behutsam, ob sie und Julius wirklich familieninterne Meinungsverschiedenheiten mithören müßten. Geneviève sah ihren Mann an, der nickte. So sprachen sie über die Vorhaben nach Beauxbatons. Zum Abschluß sagte Millie zu Sandrine:

"Am besten guckst du uns zweien noch ein paar Monate zu, wie wir in Beaux klarkommen, bevor du Gérard auf deinen Besen gabeln möchtest."

"Wenn mir Belisama nicht zuvorkommt", knurrte Sandrine.

"Wenn zwischen der und Gérard was liefe hätten die zwei das aber wirklich gut verheimlicht", meinte Julius dazu. Millie grinste, und Sandrine sah ihn sehr entschlossen an.

"Denkst du, die will ohne Partner von Beaux runter, nachdem das mit Hercules so heftig kaputtgegangen ist? Du weißt das doch sehr gut, daß sie einem Jungen schöne Augen machen kann. Aber wenn da wirklich was liefe, dann sollte Gérard zusehen, daß er mir demnächst außer Sichtweite bleibt", schnarrte Sandrine.

"Oh, wird im Unterricht schwierig", feixte Millie. Sandrine funkelte sie zwar verärgert an, sagte dazu aber nichts. Julius sagte dann nur noch, daß sie alle erst einmal mit dem Schuljahr durchkommen wollten. Sandrine meinte, daß sie beim letzten Spiel den Schnatz holen würde. Millie kicherte und entgegnete:

"Vergiß das, Sandrine! Horus ist jetzt ganz heiß drauf, den kleinen Flitzeball zu kriegen. Und wir brauchen alle Punkte, die das Spiel hergibt, um den Pokal dahin zu spielen, wo er hingehört."

"Nett, daß ihr im letzten Spiel kein Tor schießen wollt", warf Julius an die Adresse seiner Frau ein, bevor Sandrine noch was sagen konnte. Millie sah ihn jedoch nur entschlossen an und meinte, daß der Pokal wirklich und wahrhaftig rot werden würde. Sandrine sagte dazu nur, daß die Roten dann aber in fünf Minuten fünfzehn Tore erzilen mußten, wollten sie die Schnatzfangpunkte reinholen. Ihr Vater seufzte und meinte dazu:

"Sandrine, verrenn dich nicht darin, gegen die Roten auch noch den Schnatz zu kriegen. Die Grünen haben ihn dir schon nicht gegönnt, und die wollen den Pokal verteidigen. Also nicht so überhastet!"

"Und er wird rot", feixte Millie.

"Nächstes Jahr vielleicht. Aber der bleibt grün", erwiderte Julius. Millie grinste nur verhalten. Sie wußte ja, das er davon ausging, dieses Jahr zum letzten Mal in Beauxbatons Quidditch zu spielen, falls im nächsten Jahr eine Neuauflage des trimagischen Turnieres stattfand. Für Millie würde es so oder so die letzte Saison sein, weil sie im nächsten Jahr schon ein Kind tragen würde, um die Vereinbarung mit den Mondtöchtern einzuhalten. Er fragte sich in dem Zusammenhang, ob er dann, wenn kein trimagisches Turnier ausgerichtet würde, ebenfalls auf Quidditch verzichten sollte. Doch das würde er mit seinen Mannschaftskameraden erst klären, wenn im nächsten Jahr doch ein Schulturnier stattfinden sollte.

Nach dem Kaffeetrinken bei den Dumas' trafen sie sich noch mit Jeanne und Bruno. Viviane konnte mittlerweile schon gut laufen und brabbelte die ersten kurzen Sätze. Wo sie was wollte, was sie sah, zeigte sie aber eher darauf und sagte "Das."

"Gleich zwei auf einmal wollte ich eigentlich nicht", sagte Bruno. "Aber jetzt bin ich irgendwie stolz, daß Belenus und Bertrand zeitgleich ankommen.

"Du meinst Janine und Juno", korrigierte seine Frau ihn und strich über den bereits gerundeten Bauch.

"Diesmal werden's Jungs", erwiderte Bruno. "Oder willst du echt deine Maman so früh einholen?"

"Dann müßten es drei sein, Bruno. Es sind aber nur zwei", erwiderte Jeanne. Da läutete die Türglocke.

"Der haben wohl die Ohren geklingelt", grummelte Bruno. Julius deutete es so, daß Camille vor der Tür stand. Doch als er Hera Matines Stimme hörte meinte Bruno: Ich glaube, die hat Jeanne irgendwas in den Wanst reingesteckt, daß bei der sofort eine Glocke läutet, wenn wir über die beiden verpackten Mini-Brunos sprechen."

Hera begrüßte Millie und Julius und zog sich mit Jeanne in das Schlafzimmer zurück, wo auch Viviane geboren worden war. "Ein Kessel kocht nicht früher, wenn man ihm zuguckt, Hera!" Feixte Bruno.

"Stimmt wohl, werter Monsieur. Aber dafür brennt auch nichts an, wenn man ihn gut überwacht", hörten sie die Stimme der ortsansessigen Heilerin und magischen Hebamme.

"Okay, Millie, wir waren auch lange genug hier", sagte Julius. Millie verzog zwar das Gesicht. Doch dann nickte sie. Vor Jeannes und Brunos Haus disapparierten sie jeder für sich, um präzise in der runden Empfangshalle des Apfelhauses zu reapparieren.

"War eine gute Idee, das Zielapparieren zu üben", sagte Millie ihrem Mann. "Ich hätte mir die kleinen gerne mal angeguckt, wie die sich Jeannes Unterbau teilen. Aber im Sommer sieht das wohl interessanter aus."

"Wir hätten der guten Hera noch mitgeben sollen, daß deine Oma Teti schon vorgebucht hat, unser erstes Kind auf die Welt zu ziehen."

"Plopp! Ich bin doch keine Weinflasche", grinste Millie. "Aber damit hätten wir die gute Hera wirklich ziemlich kalt abgeduscht. Aber ich will dann doch eher Tante Trice da ranlassen, wenn Aurore oder Taurus doch erst nach Beauxbatons ankommt, wenn ich beim ersten Wurf nicht auch gleich zwei auf den Tisch lege."

"Dann sollten wir aber vielleicht mit den Übungen dafür sparsamer sein, wenn du gleich zwei haben willst", erwiderte Julius. Statt einer Antwort streifte Millie sich alle Kleidung vom Körper und beschwor mit einer schon spielerisch anmutenden Zauberstabbewegungsabfolge eine breite Matratze mit himmelblauem Laken herauf. Julius hatte es in den letzten Tagen schon hoch anerkannt, wie sicher seine Frau mit Objektbeschwörungen hantierte, ohne ein Wort sagen zu müssen. So nahm er die ungesagte Aufforderung zum Anlaß, ebenfalls aus den Sachen zu schlüpfen.

__________

So verstrichen die letzten Ferientage. Als Julius und Millie um viertel vor Sechs am Sonntag Abend in der Nähe des grünen Ausgangskreises apparierten trafen sie auf beide Dusoleil-Familien, die Dumas' und alle anderen, die hier ihre Kinder nach Beauxbatons schickten. Professeur Fourmier prüfte, ob alle da waren und löste um sechs Uhr abends die Reisesphäre aus.

"Und, hat Sandrine noch mal was wegen dieser Schnatzfangkiste rausgelassen?" Fragte Gérard Julius, als sie beide einige Sekunden für sich hatten. Julius erwähnte darauf nur, daß Sandrine sich sicher sei, daß sie den Schnatz kriegen würde und sie Millie empfohlen habe, in den ersten Minuten schon fünfzehn Tore zu schießen, wenn sie die Schnatzfangpunkte haben wollten.

"Ich hab's meinen Eltern nicht aufgebunden, Julius. Papa hätte mir garantiert einen Vortrag über geistige Reife für eine Ehe und eigenes Einkommen gehalten, und Maman hätte dann wohl gemeint, daß ich ja nur auf ein Häuschen scharf sei, daß mein Opa väterlicherseits für mich hinterlassen hat. Da darf ich aber erst rein, wenn ich verheiratet bin, weil der was gegen einsame Zauberer hatte. Hat ihm aber nix gebracht, weil seine eigene Frau ihn in den Wind geschossen hat, als sie meinen Vater unterm Umhang trug und mein Opa wollte, daß sie ihre Anstellung bei der Hexenwelt hinschmeißt, um als biederes Haushexlein zu leben."

"Achso, dann könntest du in das Haus rein und da wohnen und dann erst deine Ehefrau loswerden", meinte Julius scherzhaft.

"Wie genau das Testament geschrieben ist wollten meine Eltern mir nicht sagen. Sie sagten nur, daß ich bei einer Familiengründung keinen Gedanken an eine Unterkunft verschwenden müsse, weil das schon klar sei. Aber das dann wohl erst im nächsten Jahr", entgegnete Gérard noch und deutete auf Robert und André, die gerade um die Ecke kamen und ebenfalls vor der scheinbar festen Wand zum grünen Saal stehenblieben. "Aurora nova!" Sagte Julius. Rauschend löste sich die Wand vor ihnen auf und gab den Weg in den großen Saal frei, indem Laurentine und Céline bereits dabei waren, die Erstklässlerinnen zu erinnern, daß für sie schon bald Bettgehzeit war. Julius unterhielt sich dann noch ein wenig mit Jacqueline und Armgard, die am vergangenen Samstag noch bei den Brickstons gewesen waren.

Nach der Bettgehstunde der unteren Klassenstufen saßen die Saalsprecher und deren Stellvertreter noch mit den Siebtklässlern zusammen und sprachen über die nun anstehenden Unterrichtsthemen bis zur Jahresendprüfung. Julius erfuhr von den UTZ-Kandidaten, daß sie bereits mit Simultanzaubern angefangen hatten. Monique Lachaise vermutete, daß sowas für Julius schon am Ende dieses Schuljahres möglich sein mochte. laurentine bemerkte dazu, daß es wohl das schwierigste sei, was jemand in Zauberkunst machen konnte. Céline meinte dann noch:

"Oh, dann könnte es dir auch schon passieren, daß Professeur Bellard dir Simultanzauber aufgibt, Laurentine. Denn wo das jetzt mit der Verbindung zwischen dir und deinem Zauberstab dreimal durch Beauxbatons gegangen ist könnte sie finden, daß was Julius hinkriegen könnte auch von dir hinbekommen werden kann."

"Weißt du, Céline, das wäre mir sogar recht, wenn ich schon genug Sachen vorwegzaubern könnte, wenngleich ich jetzt nicht drauf ausgehe, alles mögliche vorzuziehen. Nachdem, was meine Eltern sich geleistet haben ist mir eh klar, wo ich hingehöre."

"Hatten die noch was wegen der Sache am Elternsprechtag?" Fragte Julius leise.

"Was sollten die haben? Ich bin mit Céline nach Paris und habe bei der im Zimmer geschlafen. Meine Eltern bekamen eine Eule von mir zugeschickt, daß die mich vor den Sommerferien nicht mehr zu sehen bekämen, und da auch nur dann, wenn sie das endlich kapierten, daß ich mir nach Beauxbatons nicht noch mal vier Jahre und ein ganzes Uni-Studium antun werde. Womöglich brauchte ich echt erst solange, bis ich das klar wußte", erwiderte Laurentine. Julius wandte dann noch ein, daß Laurentine ja in den Ferien zu ihm oder zu seiner Mutter konnte, wenn sie was im Internet suche oder sonst wie an der üblichen Informationsflut der Muggelwelt teilhaben wolle.

"Deine Maman hat ja im Moment wohl genug mit ihren eigenen Lernsachen um die Ohren, wenn ich Babette eben richtig mitbekommen habe", sagte Laurentine. Julius konnte das nur bestätigen. Céline sagte dann noch, daß Laurentine auch nach der Schule bei ihr wohnen könne, bis sie was fand, wo sie unterkommen könnte. Laurentine fragte dann, ob Céline dann noch bei ihren Eltern wwohnen wolle, wo es schon klar sei, daß sie Robert im nächsten Jahr auf den Besen heben würde.

"Gut, Robert muß das wohl noch absichern, ob es geht. Aber du bist auf jeden Fall nicht alleine, wenn die Schule aus ist und du nicht mehr zu deinen Eltern ziehen möchtest", versicherte Céline. Laurentine bedankte sich dafür.

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Am ersten Morgen nach den Ferien hatten die Posteulen sehr viel zu tun. Als die Schülerinnen und Schüler gerade beim Frühstück waren, schwirrten die einzeln so unhörbar fliegenden Vögel wie ein gewaltiges Angriffsgeschwader durch die offenen Fenster und die Tür zum Speisesaal. Eulen aller Größe und Art zirkelten über den sechs runden Tischen. Sie segelten wie Gleitschirmflieger auf ihre angewiesenen Empfänger zu oder stießen nieder wie zuschlagende Adler. Jede hatte einen Brief an einem Bein, im Schnabel oder in einer leichten Bauchtasche dabei. So war es meistens, wenn die große Vorbereitung für die Walpurgisnacht anstand. Julius kannte das von den zwei ersten Malen in Beauxbatons. Er freute sich, es dieses Jahr wieder mitten drin statt nur als stiller Beobachter erleben zu können. Er fragte sich, ob außer Mildrid noch wer auf die Idee kam, ihn als Besenpartner einzuladen. Tatsächlich flogen drei Eulen auf seinen Platz zu, während auf Gérards Platz nur eine, auf Roberts Platz jedoch drei Eulen zuflogen. André Deckers durfte gleich vier Eulen um seinem Teller landen sehen. Julius dachte daran, daß manche jungen Hexen drei verschiedene Jungzauberer einluden, um sicher zu sein, überhaupt einen Besenpartner zu bekommen. Jedenfalls schwirrte, segelte, wuselte und schwärmte es über den Köpfen der Schüler. Die jungen Hexen bekamen entweder nur einen Brief oder keinen, konnte Julius feststellen, bevor die drei ihm zugeschickten Eulen landeten. Den Steinkauz Vitus von Millie kannte er schon von seiner ersten Walpurgisnachteinladung in Beauxbatons. Daneben war noch ein quirliger Sperlingskauz gelandet und ein bereits leicht angegrauter Waldkauz. Der Sperlingskauz brachte einen Brief von Callie Latierre, seiner Schwiegercousine. Sie schrieb:

Hallo Julius!

Auch wenn du meinst, immer hinter Millie herlaufen und -fliegen zu müssen frage ich doch mal, ob du dieses Walpurgis mal nicht hinter einer fliegen willst, die ähnlich gut mit dem Besen umgehen kann. Außerdem kannst du dann dein ganzes Wissen und Denken mit der Stärke von mir zusammenbringen, wenn die Spiele sind. Meine Schwester hätte dich zwar auch mal gerne eingeladen. Aber die hat mit mir gewettet, daß sie bei eurem neuen Erfolgsjäger Louis besser ankommt als ich.

Also, zeige meiner großen Cousine mal, daß du trotz dieses roten Herzdings und des Rings am Finger immer noch frei über deine Zeit und deine Verabredungen bestimmst und nimm meine Einladung an!

Callie

"Dreist wie Millie beim ersten mal", dachte julius und nahm den Brief des altgedienten Waldkauzes, der in einer himmelblauen Bauchtasche am Körper des Postvogels aufbewahrt worden war. Er stammte von Constance Dornier. Julius wunderte sich. Daß Constance noch einmal Walpurgis mitmachen durfte wußte er ja. Aber daß sie ihn einladen würde überraschte ihn doch. Sie schrieb:

Sehr geehrter Monsieur Latierre,

da ich, Wie Ihnen sicher bekannt ist, in diesem Jahr die Erlaubnis habe, am Hexenflug zur Walpurgisnacht teilzunehmen, darf ich auch wieder jemanden einladen. Da ich sowohl keine Lust habe, mir von den ungebundenen Jungen eine dumm formulierte Ablehnung nach der anderen einzuhandeln, noch darauf aus bin, vor meinem hoffentlich erfolgreichen Abschluß für kindisches Gerede zu sorgen, ich wolle mir noch schnell einen passenden Vater für die kommenden Lebensjahre meiner Tochter sicherstellen, und überhaupt weil ich Sie immer wieder mit großer Begeisterung auf einem Besen habe fliegen sehen können und weiß, daß Sie mich immer respektvoll behandelt haben, auch und vor allem während meiner Schwangerschaft und Niederkunft, habe ich Mut gefaßt, Sie zu fragen, ob Sie dieses Mal mein Besenpartner sein möchten. Natürlich ist mir bewußt, daß Ihre früh angetraute Ehefrau Vorrechte geltend machen könnte. Ebenso sicher weiß ich, daß Sie sich kein schlechtes Gewissen machen oder einreden lassen wollen, eine von ihr zugegangene Einladung nicht anzunehmen. So kann ich lediglich mit zwei Gründen versuchen, Ihre Zustimmung zu einer für diesen einzigen Abend geknüpfte Partnerschaft zu erhalten:

Zum einen ist dies, wie ich oben schon schrieb, meine letzte Gelegenheit, in Beauxbatons an diesem Festflug teilzunehmen. Daher würde ich diesen gerne in Gesellschaft erleben, auch um die großartigen Spiele der Walpurgisnachtfeier noch einmal zu erleben, bevor ich in das freie, aber unbehütete Leben außerhalb von Beauxbatons hinausgehe.

Zum zweiten gibt mir die Feier die Gelegenheit, Ihnen die Dankesschuld abzustatten, die ich Ihnen gegenüber für die Hilfe bei der Ankunft meiner Tochter Cythera so wie deren Pflege bei Ihnen ausstehen habe. Da Sie der einzige Zauberer sind, der sich wirklich um das Wohl meiner Tochter und mir gesorgt hat, nicht nur weil es ihm befohlen wurde, würde ich gerne diesen Feiertag nutzen, um Ihnen im Rahmen der in Beauxbatons geltenden Regeln diese Mühe zu vergelten.

Sollten Sie nun ein schlechtes Gewissen haben, da Sie nicht wissen, ob Sie meine Einladung annehmen dürfen oder diese einfach so ablehnen dürfen, versichere ich Ihnen, daß ich kein Problem damit habe, wenn Sie mir eine Absage übersenden. Sollte sich Ihr Gewissen daran stören, daß Sie bei der Annahme meiner Einladung Ihre Frau blamieren könnten gestatte ich Ihnen, die sonstige Privatheit eines persönlichen Briefes einstweilen zu vergessen und diese meine Einladung Ihrer Frau vorzulegen und sich mit ihr darüber zu beraten, wie sie davon denkt. Allerdings, das möchte ich Ihnen gerne ins Bewußtsein rufen, liegt die abschließende Entscheidung einzig und allein bei Ihnen.

Ich erwarte bis spätestens zum sechsundzwanzigsten April ihre Antwort und verbleibe bis dahin

mit freundlichen Grüßen

Constance Mylene Dornier

"Ja, Mädel, da hast du mich jetzt echt in einen Gewissenskonflikt reingeritten", dachte Julius und öffnete rasch noch Millies Brief.

Hallo Julius!

Ich hörte sowas, daß sich Callie und Pennie darum zanken, ob eine von denen dich oder euren neuen Wunderjäger aus der Muggelwelt hinten aufsteigen lassen kann. Da ich selbst mal geschrieben habe, daß feste Beziehungen nicht daran kaputtgehen müssen, wenn jemand klar verbundenes die Walpurgisnacht mit einer anderen Hexe oder einem anderen Zauberer zubringt werde ich nicht versuchen, dich nur für mich alleine zu buchen. Ich möchte nur freundlich fragen, ob du Lust hast, diese Walpurgisnacht mit mir auf einem Besen zu fliegen, nachdem du letztes Jahr hinter Madame Maxime auf einer Abraxas-Stute reiten durftest. Wir zwei haben uns ja in den beiden letzten Jahren ziemlich gut aufeinander eingestimmt und geben da bestimmt wieder ein sehr gutes Besentandem ab. Du müßtest dann auch nicht auf der Anfängerhöhe herumkreuzen wie meine Cousinen oder meine Tante Patricia. Hmm, falls Madame Faucon meint, dich einzuladen, weil sie selbst ja wohl kaum auf einem Abraxas-Pferd reiten wird, sage mir das aber bitte früh genug. Gut, ich weiß, daß Lehrerinnen keine Schüler einladen dürfen und wegen der Spiele eh genug um die Ohren haben, als einen vielleicht eingeschüchterten Burschen hinter sich herlaufen zu haben. Deshalb denke ich mal, du möchtest mit mir unsere letzte Walpurgisnacht vor der Ankunft von Aurore oder Taurus mit mir verbringen.

Alles liebe

deine Millie

Julius seufzte. Millie hatte ihm im letzten Satz kräftig eingeschenkt. Erst hatte er gedacht, er könne sie fragen, ob er diesmal nicht mit Constance auf dem Besen fliegen konnte. Doch Millies Hinweis auf das im nächsten Schuljahr ankommende Kind - falls er überhaupt eins hinbekam - hatte ihm klargemacht, daß Millie da bestimmt nicht am Walpurgisnachtflug teilnehmen durfte. Wenn er ihr jetzt absagte, konnte er erst nach der Babypause wieder mit ihr Walpurgis feiern. Sagte er ihr zu, mußte er es Constance in der von ihr von ihm erwarteten ruhigen, respektvollen Weise begründen, ohne gleich damit vorzupreschen, daß Millie im nächsten frühling das erste Kind von ihm haben würde. Die Mondtöchter hatten sie und ihn ja durch den Traum daran erinnert, daß sie wohl mitbekamen, ob die beiden sich an die Absprache hielten oder nicht. Er beschloß, Constances Hinweis aufzugreifen und Millie ihren Einladungsbrief zu zeigen. Sicher stimmte es, daß er sich von seiner Frau nicht alles vorbestimmen lassen mußte oder durfte. Aber daß Constance ihn eingeladen hatte, wo sie wohl sonst keinen hier wußte, den sie dafür hätte einladen können, sollte Millie zumindest schon genau wissen. Die Einladung Callies würde er sowieso ablehnen. Ihm ging das mädchenhafte Getue seiner Schwiegercousine langsam auf die Nerven. Alleine daß sie ihm in diesem Kommandoton kam und ihn auffordere, ihre Einladung anzunehmen, wo Millie, die wahrlich die älteren Rechte für sowas hatte, höflich angefragt hatte, gehörte eindeutig abgelehnt. Dann dachte er an Louis. Er sah hinüber zu seinem Quidditchkameraden aus der dritten Klasse. Um seinem Frühstücksteller hockten Siebzehn Eulen. Siebzehn Einladungen! Julius verdrängte den spontanen Gedanken, hinüberzugehen und ihn zu fragen, wie er jetzt mit den ganzen Einladungen umgehen würde. Die drei Einladungen, die er bekommen hatte reichten völlig aus.

"Na, wer außer Millie noch?" Fragte Robert, als Julius die drei Briefe fortgepackt hatte.

"Och, eine von ihren Anverwandten, die meinen, ihr eins auswischen zu müssen, warum auch immer und jemand, die dieses Jahr ihren letzten Walpurgisnachtflug in Beauxbatons machen kann und mich gefragt hat, ob ich nicht hinter ihr sitzen wolle", erwiderte Julius wahrheitsgemäß aber für Robert völlig wertlos.

"Gut, kann verstehen, daß du das nicht rauslassen möchtest, wessen Einladung du am Ende abgelehnt hast, Julius. Aber ich habe außer der von Céline eine von Laurentine bekommen. Wo soll ich das hintun. Will Céline mich an Laurentine ausleihen oder was?"

"Das kriegst du nur raus, wenn du ihre Einladung annimmst und Céline dich dafür anstrahlt", versetzte Julius.

"Das gibt's nich'. Die kleine runde Duisenberg will mich auf'm Besen mitnehmen", ereiferte sich André mit fast unanständiger Lautstärke. Julius wollte schon was dazu einwerfen. Doch Gérard war diesmal schneller.

"André, nachdem, wie du dich sonst so aufführst kannst du echt froh sein, wenn dich von den Mädchen überhaupt eine einläd."

"Ey, guck mal. Vier Eulen. Vier von denen wollen mich echt für den Walpurgisnachtflug haben", erwiderte André darauf. "Aber ich klemm mich sicher nicht hinter einen blauen Quaffel mit Armen und Beinen, damit die mich zur allgemeinen Schulbelustigung an diesen Verbindungsringen hinter sich herzieht. Oha, und der Brief hier is' von Charlotte Colbert von den Violetten. Nur weil ich der einzige Junge bei der im Astro-Kurs bin meint die jetzt, nur mich einladen zu müssen? Komisch."

"Wenn du das so siehst", wandte Gérard ein. Julius dachte daran, daß Charlotte wie Sandrine und er auch alte Runen weitermachte. Sie war ein recht ruhiges Hexenmädchen, gab nicht mit ihrem Vater an, der im Zaubereiministerium für die Finanzen zuständig war. Belles Schwägerin interessierte sich wohl sehr für altes und geheimnisvolles. Aber außer in Zauberkunst hatte sie keine Zauberstabbezogenen Fächer behalten oder behalten können.

"Neh, die nicht auch", grummelte André. Gérard und Julius taten so, als hätten sie es nicht gehört. doch André verriet es sowieso. "Valentine Deveraux aus der siebten. Will wohl noch mal 'nen anderen Jungen hinter sich sitzen haben. Hatte jedes Jahr einen anderen auf dem Besen."

"Öfter was neues", sagte Gérard dazu. Julius dachte an die jüngere Schwester des Bauzauberers Cimex Devereaux, die auch im Alchemie- und Verwandlungsfreizeitkurs war. Gérard meinte dazu:

"Die will dich nur hinten auf dem Besen mitnehmen, André. Wenn sie dich vor sich auf den Besen hebt hast du erst ein Problem."

"Was würdet ihr machen, wenn die einen von euch einläd?" Knurrte André und nahm den vierten Brief. "Neh, die Tante von Corinne auch noch. Is' klar. Mann, wie winde ich mich da raus?"

"Leg dich mit Königin Blanche an, damit die dich für den Zeitraum in was fluguntaugliches verwandelt", machte Robert einen nicht so ernst gemeinten Vorschlag. Alle wußten, daß ein Zauberer mindestens eine Einladung annehmen mußte, die er bekam. War es nur eine, mußte er sie entweder mit Unpäßlichkeiten wie Flugangst oder Gleichgewichtsproblemen abwehren oder für einen Abend eben mitspielen, um nicht schulweit als undankbarer Wicht rumgereicht zu werden.

"André, geh bei Valentine davon aus, daß die auch noch zwei andere Burschen aus ihrem Jahrgang eingeladen hat. Mit Corinne kriegst du die zweitbeste Sucherin dieses Schulturniers. Patrice ist bei Julius mit in der Truppe und kann dir helfen, wenn dir vom Fliegen übel wird. Was Charlotte angeht, würde ich das nicht so einfach wegwerfen. Deren Papa wälzt sich in Galleonen und könnte dir eine Tür ins Ministerium aufmachen."

"Danke für den Hinweis, Gérard!" Knurrte André und wandte sich an Julius. "Sag du mal was, Monsieur Saalsprecher!"

"Ich soll was dazu sagen? Gut! Erst mal fünf Strafpunkte wegen respektloser Anrede, Monsieur André Deckers. Dann sage ich noch, daß du die Einladung derjenigen annehmen solltest, mit der du den meisten Ärger kriegen könntest, wenn du ihr einen Korb gibst."

"Ich könnte was sagen, aber Putzdienst schieben liegt mir heute nicht", grummelte André. Dann meinte er noch: "Dann müßte ich mit Charlotte zur Feier, weil die die besseren Verbindungen ins Ministerium hat. Aber genau sowas will ich nicht ausnutzen. Meine Eltern sind nie auf Ministeriumskurs gewesen und haben nach Didier voll die Nase voll von denen. Wenn ich da mit der Tochter vom Goldeinsacker Colbert zur Walpurgisnacht fliege flucht mir mein Vater vielleicht was ganz wichtiges ab."

"Den Mund?" Fragte Gérard. André wollte ihm schon eine langen, besann sich dann doch eines besseren, weil er ja dann ganz sicher Putzdienst aufgeladen bekommen hätte. So las er wieder und wieder die vier Einladungen. Julius meinte dann noch dazu, daß es sich noch nicht herausgestellt hatte, ob Corinne nur die zweitbeste Sucherin sei. Monique hatte bis jetzt zwar jeden Schnatz erwischt wie Corinne. Aber ob das auch im letzten Spiel gelang war fraglich, weil Corinne wegen ihrer geringen Körpergröße sehr gut manövrieren konnte. Doch das wagte er nicht laut zu sagen.

"Bitte machen Sie sich für den Unterricht fertig!" Befahl Madame Faucon um viertel vor acht. André fragte sich immer noch, ob er nicht alle vier Einladungen ablehnen konnte. Julius dachte jedoch an Louis. Der hatte siebzehn Einladungen. Das waren wohl alles Mädchen aus seiner Jahrgangsstufe. Doch sicher sein konnte er da nicht, wo auch einige Fünftklässlerinnen schon um den herumgelaufen waren. Doch Quidditch und Walpurgis waren trotz rasanter Besenflüge zwei verschiedene Sachen.

Der Schultag verging mit der Auffrischung der vor den Ferien erprobten Zauber und einer Theorieeinheit über Erumpenten, jenen nashornartigen Zaubertieren, deren Hörner mit explosiver Flüssigkeit gefüllt waren und deshalb ähnlich wie Nitroglyzerin bei geringer Erschütterung explodieren konnten. Ein lebendes Exemplar dieser Wesen konnten sie sich nicht ansehen, weil diese Tierwesen sich von keinem Zaun und keiner Mauer zurückhalten ließen und auch die bei Latierre-Kühen praktischen Rückhalteringe nutzlos waren, wenn ein damit zurückgehaltener Erumpent vor lauter Wut das Gelände, auf dem er festgehalten wurde mit seinem Horn in Schutt und Trümmer legte. So wurde nur im Rahmen magischer Abwandlungen einer Safari mit fliegenden Besen nach ihnen ausschau gehalten. Es gab zwar Jäger, die wegen der explosiven Flüssigkeit oder der diese umschließenden Hörner auf Erumpenten ausgingen. Doch auch ohne diese hielten sich die grauen Dickhäuter selbst auf kleinem Bestand.

"Leider können wir die erwähnte Erkundungsreise erst in der siebten Klasse machen, da wir hierzu ins Ausland reisen müssen und die Schulregeln für Ausflüge deutlich verlangen, daß Schüler bei Auslandsreisen bereits volljährig sein müssen, sofern sie nicht von Erziehungsberechtigten und/oder magischen Fürsorgern eine schriftliche Genehmigung für jede einzelne Reise vorlegen können. Daher können wir diese Wesen nicht in diesem Schuljahr erkunden, zumal sie hochgradig gefährlich sind", sagte die Zaubertierkundelehrerin mit gewissem Bedauern. Alle sahen es ein. Selbst die bereits volljährigen Schülerinnen und Schüler verzichteten auf diesen Ausflug, solange nicht jeder mit konnte. Julius erinnerte sich noch gut an die Reise nach Algerien, um den berühmten orientalischen Riesenvogel zu sehen, den selbst die Märchenerzähler der magielosen Welt kannten.

Zwischen Abendessen und Schach-AG winkte Louis Vignier Julius zu sich hin. Der Träger der goldenen Saalsprecherbrosche wußte schon, was Louis von ihm wollte. Doch er ließ ihn reden:

"Ich muß sechzehn Mädels versetzen und mit einer von denen zusammenlaufen. Aus unserem Saal sind's alle, die in meiner Klasse sind, Marie van Bergen und deine Kollegin Carmen. Aber dann noch die Mädels aus der ZAG-Stufe. Aus dem roten Saal außer Pattie alle, allen voran diese übersteuerten Zwillingsbiester. Ich dachte, meine Eltern hätten mit deren Eltern klargekriegt, daß die mich in Ruhe zu lassen hätten", seufzte Louis. Endora hat ihre ganzen Schlafsaalkameradinnen drauf gebracht, mich auch einzuladen. Sie will wohl auch gerne vor mir auf dem Besen sitzen, schreibt sie in einer total hochoffiziellen Schreibe. Man merkt schon, aus welcher Hexe die mal rausgekrabbelt ist. Von den gelben sind's drei und von den Violetten zwei aus der ZAG-Stufe, obwohl wir denen beim Quidditch gut eingeheizt haben. Wie kriege ich das jetzt klar?"

"Würfeln bringt's nicht", sagte Julius. "Wenn du Callie und Pennie einen Korb geben willst, mußt du aber eine Einladung annehmen. Die konnten ja alle sehen, daß du so viele Eulen bekommen hast."

"Hat Delamontagne heute morgen auch zu mir gesagt", grummelte Louis. "Er meinte, wer sich vorwagt wird gesehen. Wer gesehen wird wird auch beobachtet. Damit meint der, daß ich wohl besser nicht bei euch in der Quidditchmannschaft mitgemacht haben soll."

"Ganz sicher nicht", erwiderte Julius vollkommen überzeugt klingend. "Der wollte dir nur sagen, daß jemand, der soviel Mut hat, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, auch den Mut haben muß, damit fertig zu werden. Du hast dir das ausgesucht. Jetzt mußt du eben damit klarkommen. Fragen wir doch mal so, mit welcher von denen allen kamst du bisher am besten Klar?"

"Ich hab's deiner Süßen und dir schon erzählt, daß mir Mädels bis jetzt ziemlich schnurz waren. Ich bin nicht so'n Frühstarter, der schon gleich nach der Geburt die Hebamme verführen will."

"Kommt auf die Hebamme an", scherzte Julius und lockerte damit Louis' Stimmung auf. Dann sagte der Saalsprecher noch: "Tja, aber offenbar finden die Mädchen, daß du jetzt die Signale ausstrahlst, die ihnen sagen, daß sie für dich interessant sind. Ich habe das auch erst gemerkt, als ich fast hinter Gabrielles großer Schwester hergedackelt wäre. Von da an wußten die jungen Hexen, daß ich zu haben bin."

"Ey, Stimmt, ich habe der kleinen Delacour mal ziemlich lange nachgeguckt. Ich wäre dabei fast mit Endora zusammengestoßen. Die meinte dann, daß Gabrielle wohl jetzt ausprobiere, wie sie mit ihrem Veela-Zauber Jungs rumkriegen kann. Deren Oma ist ja 'ne Voll-Veela und hat uns Jungs beim Zauberwesenseminar, wo du wegen dieser Verwandlungssache nicht bei sein konntest komplett berauscht wie mit einer Überdröhnung von irgendeinem Bezirzungszeug."

"Aha, und das ging rum, und dann deine genialen Spiele beim Quidditch. Wie erwähnt, Louis, du mußt damit klarkommen. Zurück geht nicht mehr", sagte Julius und dachte für sich, daß er da gerade die Unwahrheit sprach. Es gab mindestens zwei Zauber, mit denen das doch ging. Aber Louis würde den einen fies finden und bräuchte für den anderen erst einmal eine heftige, voranschreitende Verfluchung, an der er sterben würde und zum anderen eine Hexe, der er total vertraute und die ihn in ihre Obhut nehmen wollte.

"Du hättest meinen alten Herren hören sollen, als der bei Delamontagne war. Der hat dem klar angesagt, daß meine Eltern nicht wollen, daß ich mich von irgendeiner hier herumlaufenden Hexe einsacken lasse. Denen ist das eh schon peinlich genug, ihren Verwandten und Nachbarn was von einem totalen Spitzeninternat in Dingenskirchen vorzulügen. Wenn ich da noch mit einer echten Hexe vor einen Pfarrer oder Hochzeitsbeamten gehe flippen die komplett aus. Dann wären die reif für die Onkels mit den weißen Jäckchen."

"Ja, aber sie schicken dich immer noch her", erkannte Julius.

"Müssen die ja, damit ich nicht aus versehen was anstelle, was die keinem erklären können. Delamontagne hat meinen Eltern erzählt, daß Beauxbatons schon aufpaßt, das mich keine zu irgendwelchen abgedrehten Sachen verleiten darf und erwähnt, daß es zum Erwachsenwerden dazugehört, wenn ein Junge lernt, auf was er steht und mit wem der sich dann was vorstellen kann. Er hätte auch nicht immer mit seinem Vater Händchenhalten wollen und sei froh, daß er lernen durfte, mit welcher Frau er alt werden könne. Deshalb dürfe er als einer der wenigen Lehrer abends nach dem Unterricht auch aus Beauxbatons raus. Meine Mutter hat ihm dann noch mal gesagt, daß sie zwar damit leben könne, einen Zauberer auf die Welt geworfen zu haben, aber mit dieser Welt sonst nichts weiter zu schaffen haben wolle. Da konnte ihr Delamontagne erst mal keine Antwort drauf geben. Aber wenn ich jetzt eine von denen antexte, daß ich deren Einladung annehme, kriegen die das hier alle in den Hals, daß ich nach der Schule vielleicht doch mit einer von denen was anfangen will. Diese Eulen finden einen ja echt überall."

"Damit sind wir wieder da, wo wir angefangen haben, Louis. Eine der Einladungen mußt du annehmen. Aber der Fairness halber mußt du den anderen zumindest eine kurze Absage schicken, in der du nur erwähnst, daß du eine andere Einladung angenommen hast. Verraten, welche das ist mußt du nicht", erwiderte Julius darauf.

"Ich texte die alle an und hänge raus, daß meine Eltern mir verboten haben, mit einer Hexe zusammen auf einem Besen zu fliegen und daß ich gerne noch wissen möchte, wo ich in den Ferien hinfahren kann", sagte Louis halbentschlossen.

"Hmm, die ZAG-Mädchen hier können vielleicht schon heuler. Willst du taube Eltern haben?"

"Heuler?" Fragte Louis. Julius erklärte es ihm. Louis erinnerte sich, daß er ja mitbekommen hatte, wie im März des letzten Jahres zwei solche Brüllsendungen in Beauxbatons losgegangen waren. Julius nickte. Eine davon hatte er ja mit voller Lautstärke ertragen müssen.

"Louis kann sich doch neben eine ohne Armband oder Brosche hinstellen und einen Blauen anstacheln, daß der sich eh nicht traut, mit dem Intercorpores Permuto zu machen", feixte André Deckers, der ungefragt herübergekommen war. Julius blickte ihn warnend an und sagte nur: "In zehn Sekunden außer Hörweite oder pro Sekunde danach zehn Strafpunkte" und zählte rückwärts. André starrte ihn verdutzt an, blieb bis "drei!" stehen und lief dann zu jenem Tisch zurück, an dem er gesessen hatte.

"Du hast den total im Zug", lobte Louis Julius. "Aber was meinte der mit diesem Interkorpulenz perdutto?"

"Mit Korpulenz hat dieser Zauber nur dann was zu tun, wenn du von einem nicht ganz gutmütigen Zeitgenossen genau dann mit dem Zauber erwischt wirst, wenn du neben einem mehr als gut genährten Mitbürger stehst. Intercorpores Permuto ist ein Körpertausch-Fluch, der einen Tag anhält. Kommt normalerweise in der vierten dran. Aber weil das vor deiner Zeit hier jemand mal echt drauf angelegt hat, das Kind von wem wichtigen damit zu erwischen kann ich mir vorstellen, daß der erst wie Infanticorpore in der fünften Klasse drankommt."

"Achso, dann meinte André, daß ich mit einem von den Mädels vor dem Walpurgisnachtausflug die Klamotten tauschen soll, damit die mir nicht weiter nachjagen?"

"Nicht nur die Klamotten", erwiderte Julius darauf. Louis verstand und schüttelte sich.

"Neh, bloß nicht. So'n Typ bekäme dafür voll eine reingehauen. Ähm, was ist das mit dem Infantilcorpus?"

"Oha, merke dir besser Zaubersprüche richtig", seufzte Julius, bevor er ihm Infanticorpore erklärte. Louis meinte dann, daß es ja dann doch eine Möglichkeit gäbe, noch mal neu anzufangen.

"Ja, nur daß du dann als vierzehnjähriger wie ein x-belibiges Wickelkind behandelt wirst. Willst du nicht wirklich."

"Ähm, stimmt. Wäre auch für die Kiste gerade keine Lösung, weil mich dann vielleicht eine von denen als Ziehsohn oder so haben wollen könnte. Neh, vergessen wir auch. Okay, Julius, du kannst oder willst mir da nicht helfen. Dann muß ich wohl doch nachgrübeln, mit welcher ich einen Abend klarkomme."

"Nicht nur du, Louis. André hat auch einige Einladungen gekriegt, und ich muß mir auch überlegen, wie ich das denen beibringen kann, mit denen ich nicht fliege." Julius nickte. Er mußte ja auch noch mit Millie drüber sprechen, wie er auf ihre und Connie Dorniers Einladung reagieren sollte.

Nach der Schach-AG unterhielt er sich noch eine Weile mit den Kameraden aus der sechsten und siebten Klasse. Nur André hielt sich von ihm fern. Offenbar empfand er Julius' Drohung von eben als totale Zumutung. Julius sah ihn, wie er immer wieder mit vier Briefumschlägen hantierte.

"Louis kriegt das hin. Wir alle haben das mal gelernt oder wußten da schon, mit wem wir ganz sicher fliegen wollten", sagte Robert. Gérard nickte. Gut, er hatte wirklich nur von Sandrine eine Einladung erhalten. Aber ansonsten stimmte es doch auch, was Robert sagte.

__________

Julius wartete bis zum Mittwoch und traf Millie zehn Minuten vor dem Zaubertrank-Freizeitkurs, um ihr Constances Brief zu zeigen. Als Millie ihn gelesen hatte sagte sie:

"Hui, da haben wir beiden dich aber wirklich gut erwischt. Die eine möchte noch mal richtig Spaß haben, bevor sie nur noch für die Kleine da sein kann. und ich habe dir geschrieben, daß wir zwei nur noch dieses Walpurgis haben, bevor wer neues erst bei mir und dann ganz bei uns einzieht. Callie und Pennie haben dich nicht eingeladen?"

"Callie schon. Aber die ist mir zu aufdringlich, meint wohl, dir eins auswischen zu können, wenn sie mich zur Walpurgisnachtparty mitnimmt. Aber für derartig albernes Zeug bin ich mir zu schade."

"Hmm, sicher würde ich das gerne haben, wenn du noch mal hinter mir sitzt, bevor wir mit Beauxbatons durch sind. Auch könnte es ja passieren, daß das nächste Trimagische nicht in Beaux steigt sondern in Hogwarts. Mit den Noten wären die schön blöd, dich da nicht mitzunehmen, vielleicht auch mich. Aber so oder so wäre ich wohl bei Walpurgis zweitausend nicht für Besensachen zugelassen, hoffe ich zumindest mal. Andererseits kann ich Connie verstehen. Außer dir, Céline und Sandrine hat die ja im ersten Jahr keiner so recht in Ruhe gelassen, ich auch nicht, gebe ich ja zu. Tja, ich werde jetzt keinen Kommentar dazu abgeben, weil ich dir das nicht abnehmen will. Sonst heißt es nachher noch, daß du nur das machst, was ich dir erlaube oder rate. Und ich will keinen Typen, der keine eigenen Entscheidungen treffen kann oder zu feige ist, sich was alleine zu trauen. Beides bist du nicht, sonst hättest du Mas Aufforderung mit der Mondburg ja voll zurückweisen können, weil dir das keiner von deinen erwachsenen Bezugsleuten erlaubt hat und so. Kläre das mit dir selbst ab! Aber danke schön, daß du mich das hast wissen lassen, was Connie geschrieben hat!"

Julius nickte.

Der Alchemiekurs verlief interessant und forderte die volle Aufmerksamkeit von seinen Teilnehmern. Julius vertagte die Entscheidung bis auf weiteres.

__________

Erst am Samstag morgen, als das Spiel der Roten gegen die Gelben stattfand, wußte er, daß er doch lieber hinter seiner Frau auf dem Besen sitzen würde, weil er nicht wollte, daß sie von ihren Verwandten dumm angesprochen wurde, daß Millie ihn offenbar schon wieder verloren hatte. An Constance schrieb er:

Sehr geehrte Mademoiselle Dornier,

vielen Dank für Ihre Einladung zur Walpurgisnachtfeier. Ich habe mir die Einladung mehrmals durchgelesen und mußte überlegen, ob ich diese Einladung ohne schlechtes Gewissen zurückweisen darf. Ihren Vorschlag aufgreifend ließ ich meine Frau den Inhalt Ihres Briefes lesen. Diese stellte danach klar, daß sie mir in dieser Sache weder Anweisungen erteilen noch Ratschläge geben wolle, wessen Einladung ich anzunehmen oder mit Bedauern zurückweisen müsse.

Mir ist bewußt, wie wichtig Ihnen dieser Abend ist und Sie sehr gerne noch einmal mit einem Besenpartner über dem großen Feuer herumfliegen möchten. Umso betrübter bin ich, Ihnen mitteilen zu müssen, daß ich Ihre ehrenvolle Einladung doch nicht annehmen kann, weil ich fürchten muß, daß die direkten Verwandten meiner Frau und von ihnen angestiftete Mitschüler die unrichtige aber dennoch schmerzhafte Nachricht in Umlauf bringen könnten, ich sei ihrer oder sie meiner bereits überdrüssig. Ich muß wohl davon ausgehen, daß die frühe Ehe zwischen Mildrid und mir immer noch nicht überall in Beauxbatons auf uneingeschränkte Zustimmung stößt und ich daher jede Gelegenheit vermeiden möchte, den Spöttern und Neidern was zum reden zu liefern. Daher habe ich mich dazu entschlossen, meine Frau als diesjährige Walpurgisnacht-Besenherrin anzunehmen, zumal sie und ich im Letzten Jahr wegen Ihnen bekannter Umstände schon darauf verzichten mußten, miteinander zu fliegen.

Ich hoffe inständig, daß Sie die Genehmigung zum Hexenflug an Walpurgis nicht unter der Bedingung zugebilligt bekamen, daß Sie einen Besenpartner vorweisen müssen. Bisher hörte ich weder aus der Saalsprecherkonferenz noch einer anderen glaubhaften Quelle, daß Ihnen Sonderauflagen erteilt worden seien. Sollte meine Hoffnung sich dennoch als unberechtigt erweisen, so hoffe ich zumindest, daß Sie meiner Frau und mir nicht böse sind. Falls sie doch auch ohne Besenpartner am Walpurgisnachtausflug teilnehmen dürfen, so freue ich mich jetzt schon darauf, Sie beim Flug über dem Feuer beobachten zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Julius Latierre

Constances Stimme klang laut aber ruhig über den Lärm der Zuschauer hinweg. Die Roten machten Stimmung für ihre Mannschaft. Die Gelben forderten ihre Mannschaft auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. Als sich die Kapitäne der beiden Mannschaften begrüßten sangen die Roten "Rot wird der Pokal! Rot wird der Pokal!"

"Das letzte Wort haben wir", grummelte Céline, während Millie und Patricia Latierre ihre Besen bestiegen. Horus Dirkson, der Sucher der Roten, blickte zu seiner direkten Gegenspielerin Sandrine Dumas hinüber. Offenbar wußte er nicht, ob er sie überlegen angrinsen oder mit gewissem Unbehagen beobachten sollte.

"Da fliegt der Quaffel hoch und die Spieler sind in der Luft!" Rief Constance aus, als Beaufort nach dem Schnatz und den Klatschern auch den scharlachroten Spielball nach oben geworfen und gleichzeitig in seine Trillerpfeife geblasen hatte. "Rot bereits mit dem Quaffel zum Tor der Gelben. Gutes Zupassen zwischen Madame und Mademoiselle Latierre! Toooor!" Die Zuschauer der Roten sprangen von den Sitzen und schrien das erste Tor, das nach nur fünf Sekunden Spielzeit gefallen war, hinein in das Oval des Stadions. Die Jäger der Gelben hatten nicht den Hauch einer Chance, zwischen die doppelpassenden Latierres und ihren Hüter zu kommen, der zwar noch versuchte, den Ball zu erfliegen, jedoch die berühmte eine Sekunde zu spät herankam. Ihm blieb nur, den Quaffel hinter dem von ihm aus rechten Ring zurückzuholen. Er zielte auf Leblanc, einen der Jäger und warf ab. Der Jäger flog los, um den Quaffel zu erwischen. Doch da flog ihm bereits ein von Marc Armand geschlagener Klatscher in den Weg. Leblancs Treiberkollege schaffte es zwar, seinen Kameraden vor einem Zusammenprall zu bewahren, bremste ihn dadurch jedoch. Der Quaffel landete wieder in den Reihen der Roten, die ohne zu zögern vorpreschten und nach nur vierundvierzig Sekunden gesamtspielzeit das zweite Tor machten.

"Mann, sind die lahm!" Fluchte Céline, während Esther nur Augen für ihren Bruder hatte, der über dem Feld herumflog und den Schnatz suchte. Julius war sich jedoch sicher, daß die Roten sich darauf verständigt hatten, den Schnatz nicht gleich in der ersten Minute zu fangen. Punkte waren wichtig. 150 waren zwar gut, aber um die Konkurrenz aus dem Grünen Saal unter Druck zu setzen brauchten sie mindestens 200 oder 300 Punkte.

Jetzt erwachten die Gelben aus ihrer Schockstarre und hielten gegen. Doch die Treiber der Roten vermasselten jeden hoffnungsvollen Angriffsversuch. So stand es nach nur zwei Spielminuten bereits 50:0. Julius dachte an Sandrines und Gérards riskante Wette, als er sah, wie Sandrine sich selbstmörderisch wirkend in die Tiefe stürzte. Horus, der sie unter Beobachtung hielt, jagte ihr nach. Esther schrie auf, daß das eine Falle sei, und Julius bangte um das Leben beider Sucher. Hatte Sandrine den Schnatz gesehen? Als sie mit einem halsbrecherischen Bremsmanöver den Sturzflug knapp über dem erdbraunen Spielfeld abfing und wieder nach oben raste kannten alle die Antwort. Horus Dirkson wäre fast mit der Besenspitze in den Stadionboden eingeschlagen, hätte er nicht die Dawn'sche Doppelachse benutzt, um sich aus der brandgefährlichen Flugbahn herauszubringen. Beaufort pfiff. Die Zeit hielt an. Da die Doppelachse in Beauxbatons im Turnier nicht zugelassen wurde verhängte der ehemalige Starsucher der Dijon Drachen einen Strafwurf gegen die Roten. Leblanc durfte ausführen, flog mehrere Zickzackbewegungen vor Apollo Arbrenoir aus und katapultierte den Quaffel mit wucht durch den linken Ring, als Apollo zu weit rechts war. Damit würden die Roten zumindest nicht zu null gewinnen, dachten wohl alle, die schon ein gewisses Mitleid mit den Gelben hatten.

Nach dem Strafwurf baute Apollos Mannschaft die Führung innerhalb von zwei Minuten um vier weitere Tore aus. Die Gelben kamen nie schnell genug an die begehrte rote Kugel. Und falls sie doch den Ball bekamen, schwirrten ihnen die Klatscher um die Ohren. Marc und sein Treiberkamerad hatten die gefährlichen schwarzen Bälle optimal unter Kontrolle.

"Wenn die so weitermachen haben die in einer Stunde tausendzweihundert Punkte", unkte Julius. Der sah, wie seine Frau und seine Schwiegertante mit ihrem Jägerkameraden jede Minute eins bis zwei Tore erzielten. Die achte Minute sah das fünfzehnte Tor, als Sandrine erneut nach oben stieß und dabei eine halbe Rolle flog. Horus, der den Schnatz immer noch nicht sah, jagte ihr nach und holte sie ein. Doch als Sandrine ganz ruhig auf Spielhöhe zurücksank wußten er und alle anderen, daß sie ihn wieder verladen hatte.

"Der soll selbst sehen, wo das verflixte Ding herumschwirrt", schimpfte Esther Dirkson. Julius sah indes Tor Nummer sechzehn fallen. Die neunte Minute war noch nicht angebrochen.

"Die Gelben sind so lahm und überängstlich. Die werden von den Roten komplett eingestampft", zeterte nun auch Céline. Julius dachte nur an die Wette zwischen Sandrine und Gérard. Wenn die zehnte Minute vorbei war, und Sandrine den Schnatz da noch nicht gefangen hatte, mochte Gérard triumphieren, noch ein Jahr auf die Besenwerbung seiner Freundin warten zu dürfen. Da sauste Sandrine wieder wie lebensmüde nach unten. Horus zögerte drei Sekunden und blickte sich um. Doch weil er den Schnatz nicht sah, jagte er Sandrine nach. Esther schrie vor Schreck auf, als ihr Bruder genau in einen heranrasenden Klatscher hineinjagte. Sandrine und ihre Treiberkameraden hatten Horus in eine Falle gelockt. Horus setzte zu spät zu einer rettenden Doppelachse an. Der Klatscher traf seinen Besen und ließ diesen Splittern. Horus stürzte aus nur vier Metern Höhe ab. Ein silberner Blitz traf ihn von den oberen Rängen der Loge her und hüllte ihn in ein merkwürdiges Licht, das Julius an eine riesenhafte Hand denken ließ. Es riß Horus kurz vor dem Aufprall nach oben, bremste den Sturz damit ab und ließ ihn sanft auf dem Spielfeld aufsetzen.

"Manus Matris", staunte Céline. Julius kannte diesen Zauber noch nicht. Doch der lateinische Name brachte ihn drauf, zu den Lehrern hochzusehen. Tatsächlich hielt Professeur Dirkson ihren Zauberstab in der rechten Faust. Deutlich war ein flirrender, silberner Strahl zu erkennen, der bis zu Horus reichte, der gerade aus dem silbernen Licht freikam. Seine Mutter hatte ihre schützende Hand über ihn gehalten.

"Da sag noch mal wer, die Gelben könnten keinen Hinterhalt legen", grummelte Céline, nachdem Horus leicht benommen vom Spielfeld ging, um sich einen neuen Besen zu holen.

"Ist der Zauber zulässig?" Fragte Louis Vignier, der noch nie gesehen hatte, daß jemand aus den Zuschauerrängen in das Spiel eingegriffen hatte.

"Wenn ein Spieler ohne Besen im freien Fall ist dürfen die Betreiber des Stadions oder einberufenen Heilmagier Fallbremse- oder Fallrettungszauber benutzen", konnte Julius ihn beruhigen. "Aber eben nur, wenn ein Spieler ohne Besen im freien Fall ist."

"Woher kennst du Manus Matris?" Fragte Esther Céline. "Mum hat den vor zwei Jahren erst erfunden."

"Tja, mit einer Mutter und einer Schwester, die selbst schon Mutter ist kriege ich sowas mit. Stand in der Monde des Sorcières als Übersetzung eines Artikels aus einer englischen Hexenweltillustrierten", erwiderte Céline darauf. Schiedsrichter Beaufort winkte Madame Faucon, die in Begleitung Professeur Dirksons herunterkam. Die Uhr blieb derweil bei neun Minuten und zwanzig Sekunden stehen, während die Mannschaften die vom Schiedsrichter gepfiffene Auszeit nutzten, um ihre Taktik abzusprechen.

"Also der schickt Sandrine keine Weihnachtskarte", meinte Julius, als er Horus sah, der immer noch schreckensbleich zu Sandrine hinüberblickte, die sich mit ihren Mannschaftskameraden unterhielt. Julius dachte nur daran, daß Gérard nach Wiederanpfiff des Spiels nur noch vierzig Sekunden abzählen mußte, um zu frohlocken. Doch Sandrines Taktik war bei ihm ebenso hinterlistig wie ihr Manöver gegen Horus Dirkson. Es ging ihr nicht um die Einlösung der Wette, sondern darum, ob Gérard auch so auf sie einging, wenn sie betrübt vom Spielausgang herumlief. Madame Faucon beruhigte Schiedsrichter Beaufort und kehrte zu ihrer Loge zurück. Mit Hilfe des Stimmverstärkers rief die Schulleiterin:

"Messieursdames et Mesdemoiselles! Wie sie alle sehen durften, mußte meine Kollegin Professeur Dirkson eingreifen, um Monsieur Dirkson vor einem lebensgefährlichen Aufprall zu schützen. Laut der Quidditchregeln ist ein Fallbremse- oder Fallrettungszauber dann zulässig, wenn ein Spieler von seinem Besen getrennt wird und aus mindestens vier Metern Höhe abzustürzen droht. Der Zauber selbst mag den Meisten von Ihnen unbekannt und damit fragwürdig vorkommen. Doch ich kann Ihnen allen verbindlich garantieren, daß er nicht zur Beeinträchtigung des freien Spiels zweier Mannschaften eingesetzt werden kann, da er zwei wesentliche Faktoren voraussetzt: Eine Blutsverwandtschaft, im Idealfall eine Mutter-Kind-Beziehung, sowie die Angst um die körperliche Unversehrtheit bei beiden. Nur wenn diese aufkommt greift der Zauber, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das Spiel wird in wenigen Sekunden fortgesetzt. Saal Rot wird kein Punktabzug oder Strafwurf dadurch hinnehmen müssen, und Saal Gelb wird auch keine Strafe erhalten, da Mademoiselle Dumas keine direkte körperliche Attacke gegen ihren direkten Gegenspieler ausführte und ihr Mannschaftskamerad seiner Aufgabe nachkam, durch Klatschereinsatz Vorteile des Gegners zu verhüten. Er konnte nicht wissen, daß Mademoiselle Dumas nicht wirklich den Schnatz angeflogen hat." Die Roten buhten sichtlich ungehalten. Die Gelben skandierten: "Sandrine! Sandrine!"

"Wir alle haben dieses Mädchen unterschätzt, obwohl wir schon lange genug mit ihm hier sind", bemerkte Julius. Doch dann ging das Spiel wieder los. Wutentbrannt rannte die Mannschaft in Kirschrot nun gegen die Torringe der Gelben an und trieb die Jäger und Treiber in ihrem Torraum zusammen. Marc und sein Treiberpartner hatten die brisante Situation zum Anlaß genommen, die Klatscher nicht mehr voll ins Feld zu dreschen, sondern wie bei einem Tennisspiel mit zwei großen Bällen hin und her zu spielen, womit sie den Gelben den Weg zum Torraum Apollos verlegten.

Als die zehnte Minute verstrichen war suchte Julius Gérard mit seinem Omniglas. Er bekam dabei zwar mit, daß seine Frau Tor nummer zwanzig erzielte, sah aber nicht, wie sie das angestellt hatte. Gérard saß auf seinem Platz neben André und blickte nach oben, wo seine Freundin flog. Gerade schien er die rein gespielte Zeit abzulesen und nickte sachte. Julius konnte es nicht deuten. Er richtete seinen Blick wieder auf das Spielgeschehen und schaltete die Kommentarfunktion zu, um die Angriffe und Abwehrmanöver bezeichnet zu bekommen. Wieder sauste Sandrine nach unten. Horus, der einen etwas betagten Schulbesen flog, zögerte erst, setzte dann zwar nach, um dann aber den Sturzflug weit über Sandrine abzubremsen. Julius konnte sehen, wie der Besenschweif zitterte.

"Die bringt den noch dazu, den zweiten Besen zu verheizen", sagte Céline. "Seine Mutter wird ihm wohl für das nächste Turnier den Zehner zulegen."

"Die stumpft den ab, Céline. Die verleitet den so oft zu gefährlichen Manövern ohne echten Schnatz, bis er ihr nicht mehr hinterherfliegt."

"Muß der auch nicht, Julius. Der soll selbst suchen, verdammt!" Fauchte Esther, während Patricia Latierre das einundzwanzigste Tor machte. Die Roten waren auf dem Weg zum Pokal, was ihre Fans und Saalkameraden bereits lauthals von ihren Rängen besangen.

"Wenn Horus jetzt noch den Schnatz fängt brauchen wir mindestens zweihundert Punkte", rechnete Julius schon mal vor. Millie erhöhte die für die Grünen nötige Punktzahl noch um zehn, dann noch mal um zehn. Ihre Tante schoß Tor nummer vierundzwanzig.

"Die haben sich so gut gehalten gegen die Weißen und Blauen. Wieso lassen die sich so leicht einmachen?" Maulte Céline. Monique deutete auf die Reihe der Jäger in Gelb und meinte, daß die Roten besser umgruppieren konnten und die Treiber der Roten sehr gut an den Klatschern waren.

"Madame Latierre wieder im Torraum, wird leicht bedrängt von Leblanc. Legt ab auf Mademoiselle Latierre. Tor!" Kommentierte Constance den fünfundzwanzigsten Treffer. Julius nickte nur. Im Moment reichten noch siebzig Punkte aus, um an den Roten vorbeizuziehen. Die durften nur nicht den Schnatz ... Sandrine fegte wie ein zitronengelber Schemen durch sein Blickfeld. Horus blickte sich hektisch um, ob sie ihn wieder verlud oder wirklich den begehrten Goldball mit den silbernen Flügeln aufs Korn genommen hatte. Da Sah Julius es knapp zehn Meter vor Sandrine auf halber höhe des mittleren Torrings der Gelben glitzern und wußte, daß sie diesmal nicht bluffte. Doch Horus, von ihren bisherigen Scheinanflügen verunsichert, brauchte zwei unbezahlbare Sekunden, bis er bemerkte, daß sie diesmal wirklich das Ziel der Jagd vor sich hatte. Er versuchte zwar noch nachzusetzen. Doch der ältere Besen schlingerte und bekam nicht die nötige Geschwindigkeit. Sandrine warf sich flach auf den Besen und entging so beiden Klatschern, die ihr entgegengedroschen wurden. Sie erreichte den walnußgroßen Ball und schnappte ihn mit der linken Hand aus der Luft. Die Gelben jubelten zwar, aber wohl nur, weil die erdrückende Niederlage in eine erträgliche Niederlage umgewandelt worden war. Gelb erzielte in diesem Spiel 160 Punkte. Saal Rot hatte in einer Viertelstunde 250 Punkte erspielt. Julius nickte und sagte zu Monique:

"Sechzig oder mehr Punkte müssen wir machen, um denen den Traum vom Pokal zu versauen."

"Das ist zu machen, wenn ich den Schnatz kriege", sagte Monique.

"Das Spiel ist aus. Sandrine Dumas fängt den Schnatz und holt damit für ihre Mannschaft bereits unerwartete einhundertundfünfzig Punkte zusätzlich", bestätigte Constance das Ergebnis. "Rot hat nun insgesamt eintausendfünfhundertzwanzig erspielte Punkte und somit gute Aussichten auf den Pokal. Saal Gelb kann mit insgesamt fünfhundertundsechzig Punkten womöglich Platz vier in der Turniertabelle behaupten. In zwei Wochen findet dann die Begegnung Weiß gegen Violett statt."

"Not gegen Elend", bemerkte Julius dazu. An und für sich hatten die Gelben heute alle Chancen, auf den letzten Platz durchgereicht zu werden. Sandrine und der wegen der Doppelachse verhängte Strafwurf hatten ihrer Mannschaft aber noch beachtliche Punkte beschert.

"Also, wenn sich rausstellt, daß die Jäger der Gelben absichtlich alle Angriffe der Roten durchgelassen haben klage ich vor Madame Faucon und Professeur Beaufort auf Aberkennung der Punkte von den Roten", schnaubte Monique.

"Monique, wir brauchen nur siebzig Punkte oder mehr", erinnerte Julius sie an seine Rechnung. Im Moment hatte Saal Grün 1460 punkte. Selbst wenn die blauen nicht so leicht zu überrennen waren wie gerade die Gelben mochten sie mindestens acht Tore erzielen. Wenn Monique dann noch den Schnatz fing war alles in Butter. Da war eine Klage vor dem Internen Sportgericht von Beauxbatons absolute Energieverschwendung. Andererseits konnte eine Entscheidung zu Ungunsten der Roten den vorzeitigen Pokalgewinn einbringen. Grün würde dann am grünen Tisch zum Turniersieger, dachte Julius. Doch wollte er das? Er hatte sich nie so recht über Entscheidungen gefreut, die von irgendwelchen Richtern getroffen wurden, die den Sport selbst nie ausgeübt hatten. Es war doch wesentlich schöner, wenn eine Mannschaft oder ein einzelner Sportler durch die eigene Leistung Erfolg hatte. Das erwähnte er auch Céline und Monique gegenüber, als sie auf dem Weg auf das Spielfeld waren.

"Nur siebzig Punkte zum Pokal", feixte Julius, als er seiner Frau und seiner Schwiegertante zum überragenden Sieg gratulierte.

"Sandrine hat Horus voll verschüchtert. 'ne Gelbe hat 'nen Roten komplett aus dem Trott gebracht. Dann bekam der nur so einen alten Sechser, der schon verbogene Reiser hat. Da konnte der doch gar nicht mithalten", knurrte Millie. "Aber der Pokal wird trotzdem rot, auch wenn Sandrine heute gut für euch mitgespielt hat."

"Und er bleibt grüüün", flötete Julius. Mochten sich die beiden jungen Eheleute doch in fast allem so einig sein. Das Schulquidditchturnier gehörte absolut nicht dazu.

"Du meinst, den holt Monique euch im Alleinflug? Aber Corinne wird da was gegenhaben."

"Wir brauchen nur sieben oder acht Tore zu schießen. Dann ist egal, wer den Schnatz kriegt", erwiderte Julius. Patricia Latierre bemerkte dazu, daß die Blauen nicht solche Luschen wie die Gelben waren. Dem mußte Julius zwar zustimmen. Doch er hielt daran fest, daß die Grünen die sieben bis acht nötigen Tore erzielen konnten.

"Nach Walpurgis wissen wir es, Julius", bemerkte Millie dazu.

Die Saalsprecherkonferenz am Nachmittag befaßte sich mit den Vorbereitungen der Walpurgisnachtfeier und einigen Vorkommnissen im roten und blauen Saal. Corinne sah Sandrine immer wieder anerkennend an, weil sie es geschafft hatte, Horus auszuspielen. Apollo erklärte vor Madame Faucon, Professeur Fixus und den anderen Saalsprechern, daß Horus durch den verpatzten Schnatzfang nicht weniger gemocht würde. Er fragte noch einmal nach der Hand aus silbernem Zauberlicht und erfuhr wie alle anderen, die die Monde des Sorcières nicht lasen, daß Professeur Dirkson diesen Zauber bereits vor zwei Jahren ausgefeilt hatte und ihn für alle Hexenmütter öffentlich dargestellt hatte, als das Ministerium seine Zulässigkeit bestätigt hatte. Allerdings ginge der eben nur zwischen einer Mutter und einem Kind. An der männlichen Variante, dem Pugnus-Patris-Zauber, hatten Professeur Dirkson und ihr Mann zwar gearbeitet, aber die Zulassung vor dem Ministerium war noch nicht durch, als Dorian Dirkson von den Todessern umgebracht worden war.

Am Abend half Julius seinen jüngeren Mitspielern bei den Hausaufgaben. Louis hatte inzwischen eine Entscheidung getroffen, wessen Einladung er annehmen würde. André war da noch nicht sicher, obwohl er nur eine von vier Anfragen bejahen mußte.

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Julius hatte zwar damit gerechnet, daß Madame Rossignol Sandrine ausschimpfen mochte, weil diese so riskant gespielt hatte. Doch die Heilerin beließ es nur bei einer Ermahnung, daß selbst ein Quidditchspiel nicht zur mutwilligen Lebensgefährdung berechtige. Abgesehen davon hatten die Gelben ja schon längst erkannt, daß sie nicht mehr um den Pokal mitspielen konnten.

Am Montag erhielt Julius eine Antworteule von Constance Dornier. Sie bedankte sich für seine höfliche Antwort und beruhigte ihn, daß sie voll und ganz verstehen könne, daß er seine Frau nicht dumm dastehen lassen wolle und sie auch ohne Partner am Flug der Hexen teilnehmen dürfe.

Im Verwandlungskurs für Fortgeschrittene ging es weiter um die vollständigen Selbstverwandlungen, während Millie mit Zustandsveränderungen arbeitete, streng beaufsichtigt von Professeur Dirkson. Laurentine übte sich schon in partiellen Selbstverwandlungen. Einmal stand sie als hoch aufgeschossene Blondine da, die durchaus einem Mannequin ähneln mochte. Mal sah sie aus wie Sabine Montferres Mutter, was einige anzügliche Bemerkungen der halbwüchsigen Zauberer hervorrief, weil Laurentine auch den üppigen Brustumfang Raphaelle Montferres angenommen hatte.

"Joh, Mädel, damit kriegst du'n Wurf Vierlinge locker satt", war noch eine der harmloseren Bemerkungen.

"Neh, so überladen wollte ich dann doch nicht rumlaufen", stöhnte Laurentine, die trotz der körperlichen Veränderung noch ihre natürliche Stimme behalten hatte. Sie schaffte es, im ersten Ansatz ihre gewohnte Erscheinungsform zurückzugewinnen.

"Jungs, seid nicht neidisch", sagte Professeur Dirkson zu den Spöttern und Flegeln. "Ich verstehe zwar Spaß, aber muß auf die Disziplin achten. Daher kann ich das eben getönte nicht ungeahndet hinnehmen." So verpaßte sie den wegen ihrer Hormmone aus dem Tritt geratenen Jünglingen je nach Grad der Unverschämtheit zehn bis dreißig Strafpunkte. Damit war die Sache erledigt.

"Ich wollte nicht wie diese rothaarige Sam Fox rumlaufen", knurrte Laurentine. "Ich wollte nur ihre Haare haben."

"Vorstellungskraftüberschuß", wußte Julius die Antwort. Constance und ihm war es ja schon ähnlich ergangen. Professeur Dirkson hörte es noch und sagte zu Laurentine:

"Du mußt dich nicht üppiger formen, als du bist. Als Drillingsmutter sage ich dir, daß du so wie du bist keine Probleme mit möglichem Nachwuchs haben wirst." Dabei lächelte sie die überraschend gut mit ihren Zauberkräften entwickelte Silberbroschenträgerin an.

"Wer ist diese Sam Fox, Laurentine?" Fragte Constance die Mitschülerin. Laurentine erwähnte, daß es eine Sängerin aus den achtziger Jahren sei, die wohl auch eher wegen ihres Aussehens als wegen ihrer Gesangskünste hoch im Kurs stand. Julius nickte. Wo er vier Jahre alt war hatte ihn diese blonde Sängerin noch nicht sonderlich interessiert. Constance nickte auch und meinte:

"Habe mir von den Roten und Blauen schon schlimmeres anhören müssen, als ich für Cythera mitessen und -trinken mußte. Bist aber jetzt auf alle Fälle gut in Selbstverwandlung."

Bei der Schach-AG spielte Julius gegen Louis. Als er ihn nach zwei Partien oft genug besiegt hatte flüsterte Louis: "Ich habe mich für Endora entschieden. Zumindest für die Walpurgisnacht." Julius nickte ihm zu und wünschte ihm jetzt schon einen vergnüglichen und erfolgreichen Abend.

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Die letzte Apparier-Stunde war ein Schaulaufen. Michel Montferre schickte die Kursteilnehmer mit Ortungsarmbändern Versehen durch das Gelände und prüfte die Zielankunft mit seinen Vorgaben. Nur nach Millemerveilles ließ er niemanden, weil ja dort die magische Schutzglocke wirkte, die von außen kommende Apparatoren zurückprellte. Er beschloß den Kurs mit den Worten:

"Messieursdames et Mesdemoiselles, ich bedanke mich rechtherzlich für all Ihre Aufmerksamkeit, Ihren Lerneifer und Ihre Einsatzbereitschaft. Hiermit darf ich allen, die bereits das siebzehnte Lebensjahr vollendet haben zuversichtlich bescheinigen, daß Sie alle das Ziel, in den nächsten Wochen geprüft zu werden, erreicht haben. Sie werden in den kommenden Tagen verbindliche Termine zugesandt bekommen. Da die Prüfungen den Schulbetrieb von Beauxbatons nicht stören dürfen, finden sie an den drei kommenden Wochenenden statt. Meine Kolleginnen Latierre, Mistral und Richelieu werden Sie prüfen. Wer erst im Juli volljährig wird erhält als zusätzliches Geburtstagsgeschenk einen Prüfungstermin Anfang August zugeschickt. Ihnen allen noch einmal vielen Dank!"

"Ist ja gut, daß ich damit schon durch bin", grummelte Millie, als sie mit Julius nach der letzten Kursstunde im Ostpark spazierenging. "Das wäre es noch gewesen, von Tine durch die Prüfung getrieben zu werden."

"Ja, und Jacquelines Tante Louisette darf auch prüfen", sagte Julius.

"Ja, aber nur, solange deren kleine Nichte nicht selbst Apparieren lernt", meinte Julius. Dann fiel ihm ein, daß er seine Freunde aus Hogwarts-Zeiten fragen wollte, wie weit sie mit dem Apparieren waren und auch einen Brief an Waltraud Eschenwurz schicken wollte. Er überlegte noch einmal, welche genaue Anschrift sie hatte. Doch zunächst sprach er mit Millie über das in der nächsten Woche anstehende Spiel Violett gegen Weiß.

"Egal wie die spielen, den Pokal kriegen die beide nicht mehr ein", sagte Millie. Julius konnte dem nur zustimmen. Die Weißen konnten nur hoffen, daß sie nicht komplett auf dem letzten Tabellenplatz landeten.

Abends schrieb er den Brief an Waltraud Eschenwurz:

Waltraud Eschenwurz
Großer Esssaal
Burg Greifennest
Deutschland

Hallo Waltraud!

Ich weiß, es ist schon bald zwei Jahre her, daß wir uns gesprochen oder geschrieben haben. Ich weiß von Céline und Laurentine, daß sie noch häufig Briefe an dich geschrieben haben. Laurentine hat mir erzählt, daß sie dir geschrieben hat, daß ich mittlerweile mit Mildrid Latierre verheiratet bin, weil ihre Eltern und meine Mutter befunden haben, daß wir zwei bereits mit fünfzehn lernen sollen, wie es ist, zusammen zu leben. Meine werte Schwiegermutter, die im Moment viel um die Ohren hat, um die Quidditchweltmeisterschaft anlaufen zu lassen, wollte wohl sicherstellen, daß ich Millie nicht kurz vor Schulabschluß vom Besen hüpfe. Du kennst ja die Tradition der Hexen- oder Besenwerbung in Frankreich. Jedenfalls wirst du mitbekommen haben, was in meinem Geburtsland für schlimme Sachen passiert sind und daß wir ja alle aufatmen können. Ich hörte auch, daß euer Zaubereiminister die einsickernden Dunkelmagier und -hexen gut auf Abstand halten konnte.

Warum ich dir jetzt erst selbst schreibe liegt daran, daß ich daran denken mußte, wie wir uns über das Apparieren unterhielten. Ich habe mit meiner Frau im Sommer einen Ferienkurs belegen und die Prüfung ablegen dürfen. Meine Klassenkameraden durften ja jetzt von Februar bis April den Kurs mitmachen. Die, die jetzt schon siebzehn sind dürfen demnächst die Prüfungen antreten. Womöglich schreibt dir Laurentine das noch einmal selbst, wie sie die Prüfung besteht. Ich wollte dich nur fragen, wie das bei euch ging und ob du bereits geprüft wurdest oder demnächst geprüft wirst?

Ich hoffe, dir und deinen Verwandten und Freunden geht es sehr gut und wünsche dir eine erfolgreiche Jahresabschlußprüfung.

Mit freundlichen Grüßen

Julius Latierre geb. Andrews

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Sandrine lief seit dem Spiel Rot gegen Gelb immer leicht verknirscht guckend herum. Julius bekam von ihr oder über andere mit, daß sie sich schon ärgerte, den Schnatz nicht schon früher gefangen zu haben, um diese übergroße Überlegenheit der Roten vereiteln zu können. Gérard, der wie Julius wußte, was wirklich hinter Sandrines mieser Laune steckte, wirkte einerseits erleichtert, daß sie den Schnatz nicht in der ausgehandelten Zeit erwischt hatte, schien aber auch zu überlegen, ob sie beide da nicht etwas falsch gemacht hatten. Julius hielt sich da heraus. Denn er wußte ja sehr gut, was Sandrine vorhatte und sah ihre zur Schau gestellte Verärgerung und Betrübtheit als Teil ihrer psychologischen Strategie, um Gérard zu testen. Sollte er es ihm sagen, daß Sandrine nur wissen wollte, ob er zu ihr stand oder nicht? Dann entschied er sich jedoch, Gérard selbst herausfinden zu lassen, wie das Verhältnis zwischen Sandrine und ihm weitergehen sollte, im guten oder im unguten.

Nebenbei leierte er mit Céline, Millie und Belisama sowie den Dusoleils eine Geburtstagssendung für Pina an, die am 2. Mai volljährig würde. Was für ein Tag, dachte Julius. Den siebzehnten Geburtstag als Jahrestag der Entscheidungsschlacht gegen das Todesser-Regime feiern zu dürfen. Sie verabredeten, Pina mehrere Bücher in französischer Sprache, sowie neue Regenbogenstrauchsamen, ein speziell für Sternenkundler entwickeltes Omniglas und die Nachbildung einer Meerjungfrau, die Julius aus Ton geformt und mit Animierzaubern belegt hatte, zuzuschicken.

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Die Begegnung Weiß gegen Violett sah am Anfang nach einem klaren Torevorsprung für die Violetten aus. Die Weißen hielten zwar gut dagegen. Doch die Violetten erzielten zwölf Tore, wo die Weißen es gerade auf fünf Treffer brachten. Zwei Stunden dauerte diese Begegnung, bis der Sucher der Weißen den Schnatz erflog und das Spiel damit entschied. Zwar hatten die Weißen im letzten Spiel noch einmal 200 Punkte herausgeholt. Doch mit nur 320 Punkten belegten sie den sechsten und damit letzten Tabellenplatz hinter den Violetten, die mit 450 Punkten Platz 5 behaupten konnten. Im letzten Spiel des Turnieres würde sich entscheiden, wie die drei obersten Tabellenplätze besetzt wurden. Denn die Blauen konnten immer noch auf Platz 2 vorrücken, falls sie die Grünen unerwartet überlegen schlugen und mehr als 400 Punkte holten. Am Ende wollten Corinnes Leute noch den Pokal haben. Doch Monique Lachaise und ihre Mannschaft waren fest entschlossen, sie nicht soweit kommen zu lassen.

Laurentine würde am Sonntag der kommenden Woche von Mademoiselle Richelieu geprüft. An diesem Sonntag kamen Charlotte Colbert, André und Sandrine an die Reihe. Die nächsten drei waren Xavier Holzmann und Bernadette Lavalette. Jacques Lumière konnte dann am Sonntag nach Walpurgis mit Armin Wiesner die Prüfung antreten. Die meisten anderen wurden erst im Mai, Juni und Juli siebzehn.

Julius verbrachte die Woche mit viel Wiederholungen und durfte in den Freizeitkursen bereits ausprobieren, was eigentlich erst im UTZ-Jahr drankam. Der Haushaltskurs, der abwechselnd von Madame Faucon und Professeur Dirkson betreut wurde, machte ihm immer noch großen Spaß, weil er hier bereits die ersten Simultanzauberübungen ausprobieren durfte, um Abwasch und Arbeitsflächenreinigung in einem Akt anzuschieben.

"Ich denke, Professeur Bellart wird dich in der Jahresendprüfung sicher schon eine Simultanzauberübung machen lassen. Ob sie diese bewertet weiß ich nicht", lobte ihn Professeur Dirkson.

Neben den unterrichtsstunden und Freizeit-AGs bereiteten Julius, Patricia und Caroline Millies siebzehnten Geburtstag vor. Auch Sandrine, Céline, Laurentine, Belisama und Leonie halfen mit.

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Juhu, hundert von hundert", freute sich Laurentine, als sie am Sonntag nachmittag von der Prüfung im Apparieren zurückkehrte. "Bernie sollte erst bei Millies großer Schwester geprüft werden. Doch sie hat es abgelehnt, weil sie sie für befangen hielt. Martine hat sich da nicht lange dran aufgehängt und mit Ariane Mistral den Platz getauscht. Ich denke, mit Xavier Holzmann kommt die auch besser klar." Céline und Julius gratulierten ihr herzlich. Jetzt durfte Laurentine auch apparieren, ebenso wie Apollo, Plato und Sandrine.

"Ob Bernie bin-besser-als-ihr-alle da rankommt?" Fragte Céline mit unverhohlener Schadenvorfreude.

"Die wird schon jammern, wenn sie einen Punkt schlechter als Laurentine abschneidet", grummelte Julius.

Tatsächlich bekam er das Ergebnis von Bernadettes Prüfung brühwarm von Millie serviert, als Bernadette mit verkniffenem Gesicht wieder zurückkehrte. "Gerade sechsundsiebzig. Theorie alle von hundert. Aber in der Praxis muß es geklemmt haben.Was genau passiert ist hat sie aber nicht gesagt. Ist jetzt irgendwie total verknirscht. Klar, wo die meinte, die Bestnote kriegen zu müssen."

"Und, will sie die Prüfung anfechten?" Fragte Julius mit schwer unterdrückter Schadenfreude.

"Das ginge nur, wenn sie unter der Mindestpunktzahl gewesen wäre, Julius. Aber sie ist genau einen Punkt drübergekommen. So ein Pech aber auch", entgegnete Millie, die aus ihrer Schadenfreude keinen Hehl machte. Julius verriet ihr auch die Ergebnisse derer, die ihm erlaubt hatten, sie seiner Frau weiterzugeben.

"Ui, das wird lustig, wenn Laurentine es ihr unter den Umhang jubelt", feixte Millie. "Den Spaß gönne ich ihr von ganzem Herzen."

"Hmm, falls es frauenbedingte Beschwerden gab, die sie nicht fit genug gemacht haben könnte sie vielleicht eine Wiederholung ansetzen."

"Ariane Mistral hat mich vor meiner Prüfung gefragt, ob ich körperlich im Stande sei und/oder gerade schwanger sei. Denn dann hätte ich die Prüfung nicht antreten dürfen, hat die mir gesagt. Dann gehe ich mal von aus, daß sie das bei jedem Mädchen, das sie geprüft hat auch gemacht hat."

"Hmm, mich hat sie nicht gefragt, ob ich mich wohl fühle."

"Weil man dir ja ansehen konnte, daß du vollkommen gesund und bereit warst, Julius", erwiderte Millie. Dann verabschiedete sie sich von Julius.

Laurentine grinste sehr breit, als Julius ihr Bernadettes Prüfungszahl präsentierte. "Und deine Angetraute gönnt mir das, daß ich diese hochnäsige, arrogante Streberin damit fertigmache? Das ist aber sehr nett von ihr", schnarrte sie. "Dann merkt diese Bücherlaus endlich mal, wie sich das anfühlt, von anderen runtergemacht zu werden, nachdem die mir in den ersten vier Jahren dauernd einen reinwürgen mußte, egal ob in Zaubertränken oder auf dem Schulhof."

"Stimmt, Bernie hat Laurentine oft dumm angequatscht. Claire und ich haben der zwar gesagt, daß das bescheuert sei und dieses Biest eh nicht beträfe. Das hat die aber nicht gestört", bestätigte Céline. Julius dachte nur daran, daß Laurentine es ja da auch noch herausgefordert hatte. Doch laut sagte er nur:

"Rache ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird."

"Genau, Julius. Da stimme ich dir und den Klingonen, von denen dieser Spruch stammt vollkommen zu", erwiderte Laurentine. Céline kannte die Völker aus dem Star-Trek-Universum und mußte daher nicht fragen, wer oder was die Klingonen waren. So legte sich Laurentine darauf fest, Bernadette bei Walpurgis ihre überragende Apparitionsnote zu verraten. Doch erst einmal wollten sie Millies Geburtstag feiern.

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"Wußte gar nicht, daß ich so viele in Beaux habe, die mich doch irgendwie leiden können", sagte Millie, als sie am Samstag vor Walpurgis im kleinen Illusionsraum den Stapel Geschenke betrachtete. Außer allen Pflegehelfern und deren festen Freundinnen und Freunden waren noch ihre Klassenkameraden aus dem roten Saal, Belisama aus dem weißen, und aus dem grünen Saal Laurentine, Céline mit Robert und die Anverwandten gekommen. Da Cyril über mehrere Ecken mit Mildrids Familie verwandt war hatte sie ihn auch eingeladen. Die Illusionskammer simulierte eine große Frühlingswiese, die in weiter Ferne an einem Wald grenzte und zur westlichen Seite hin in einen weißen Strand überging, an dem hohe Wellen aufliefen und zu weißschäumender Brandung brachen. Die Sonne ging gerade orangerot unter. Die Festgäste sangen dem Geburtstagskind mehrere Lieder. Dann durfte Millie die Geschenke auspacken. Tatsächlich hatte Waltraud ihr eine in einer provisorischen Conservatempusschachtel verpackte Geburtstagstorte geschickt, die die Form eines hohen, runden Turmes mit breiter Basis besaß und schneeweiß war, als bestehe sie aus purem Zucker. Aus der Turmspitze ragten siebzehn bleistiftdünne Kerzen heraus, und rund um den Turm verlief die aus dunkelbrauner Schokoladenglasur bestehende Schrift: Zu deinem großen Wiegentage,
recht viel Freude, keine Frage."

Millie las Waltrauds Begleitschreiben vor und teilte sich und ihren Gästen dadurch mit, daß die Torte dem hohen Leuchtturm Feenrast nachgebacken sei, dem Turm, dessen Licht nur Hexen und Zauberer sehen konnten.

Aurora Dawn hatte aus Australien eine Flasche mit dem Breitbandgegengift und einen ähnlichen Practicus-Brustbeutel geschickt, wie Julius einen besaß. Dazu bekam sie von der Australierin noch mehrere Bücher über Selbsthilfezauber für Familienmütter und einPflegeset, wie es Julius von ihr schon bekommen hatte. Gloria und die anderen Hogwarts-Kameraden von Julius hatten auch etwas beigesteuert. Gloria hatte die Haarverschönerungstinktur für rotblonde Hexen und einen Satz von Hauterholungscremes geschenkt. Pina hatte eine große Tragetasche für den Flugbesen und eine große, smaragdgrüne Blumenvase, sowie ein selbstgemaltes Zaubererbild mit fliegenden Hexen herübergeschickt. Kevin hatte ein fest in mehrere Stricke eingeschnürtes Exemplar des Monsterbuchs der Monster herübergeschickt. Julius sagte schnell zu Millie, daß er ebenso ein Buch hatte, und es nur dann gelesen werden konnte, wenn man es streichle. Ansonsten sei es sehr rabiat.

"Dann packen wir das besser hoch genug in unsere Bibliothek, wenn das erste Kind da ist", sagte Millie und hielt das bebende Buch in ihren Händen. Betty und Jenna Hollingsworth hatten Millie ein Tagebuch und eine Flotte-Schreibefeder geschenkt. Von allen fünfen zusammen bekam sie ein wetterfestes zelt, in dem, als sie es aufbauten, eine ganze Wohnung mit drei Zimmern, einer Küche und einem Bad enthalten war. Apollo meinte dazu, daß die Absender wohl meinten, Millie könnte mal außerhalb der gemeinsamen Wohnung schlafen. Millie erwiderte darauf, daß das Zelt schon praktisch sei, wenn sie mal irgendwohin verreisen mußten und deutete im Schlafzimmer auf das breite Bett, in dem bestimmt zwei erwachsene oder drei Kinder schlafen konnten. Außerdem enthielt das Zelt noch mehrere Etagenbetten und ein komplettes Koch- und Essgeschirr für fünf Personen. "Voll die Familienpackung", meinte Robert anerkennend. "Diese Rauminhaltsvergrößerungszelte sind schon genial. Können nur noch von Varancas Reisehäusern überboten werden." Millie und Julius nickten. Immerhin wohnten sie ja außerhalb der Schulzeit in einem solchen Haus.

Laurentine hatte für Millie ein Buch besorgt, in dem die Geschichte der nichtmagischen Welt von den Ägyptern bis zum 20. Jahrhunderts aufgeführt war, sowie ein Buch über technische Gerätschaften der magielosen Welt und mehrere mit eigenen Händen modellierte Nachbauten berühmter Wahrzeichen wie die New Yorker Freiheitsstatue, das brandenburger Tor in Berlin, den Pariser Triumphbogen, die Cheopspyramide und den Londoner Uhrenturm Big Ben in ein großes Paket gelegt.

"Hui, wie lange hast du denn daran gearbeitet, Laurentine?" Fragte Millie anerkennend.

"Seit Weihnachten, Millie. Mir war klar, daß ich entweder dir oder Julius diese Sachen schenken wollte, als ich raus hatte, wie ich den Knet- und Formzauber richtig einsetzen mußte", sagte Laurentine. "Wenn du mit Julius richtig lange zurechtkommen möchtest, ohne dich von dem ganzen Technikkram langweilen oder abschrecken zu lassen habe ich dir die Beschreibung der bedeutendsten Erfindungen und den Band über die Geschichte der heutigen Maßeinheiten dabeigelegt." Millie bedankte sich sehr erfreut.

Von den anderen bekam sie Schmuck, kleinere Kleidungsstücke und ein paar Flaschen Parfüm. Von ihren drei hier lernenden Anverwandten bekam sie einen Satz rosaroter Ohrenschützer mit dem Begleitbrief, daß sie damit alle Heuler überhören könne, die Patricia, Mayette, Callie und Pennie kriegen mochten. Cyril hatte ihr die Geschichte und das Stammbaumverzeichnis aller Southerlands vom 17. Jahrhundert bis heute überreicht. Ansonsten wirkte der US-amerikanische Austausch-Schüler sehr zurückhaltend, als gelte es, bei Millie ruhiges Wetter zu machen. Das fiel Julius durchaus auf. Doch er wollte hier und jetzt nicht danach fragen.

Da alle irgendwie was zu Essen besorgen oder im Kochkurs selbst zusammenstellen konnten, mußte niemand verhungern und verdursten. So feierten sie bis kurz vor zehn Uhr. Dann mußten die Gäste, die keine Saalsprecher waren zurück in ihre Säle. Millie, Julius, Laurentine und die anderen Broschenträger räumten den Saal auf und putzten ihn mit Ratzeputz- und Staubsammelzaubern gründlich durch. Dann verließen sie den Illusionsraum.

Als Julius um zwölf Uhr in seinem Bett im Schlafsaal lag hörte er noch mal Millies Stimme unter seiner Schädeldecke:

"Zum achtzehnten möchte ich was von dir in mir strampeln und stupsen fühlen, Monju."

"Ich hoffe, ich kriege das hin. Der Regenbogenvogel könnte meinen, wir wollten ihn dauernd veralbern, weil wir immer das blaue Zeug benutzen, wenn wir ihn gerufen haben."

"Ich denke, der kommt schon zu uns, wenn er genug in der Gegend zu tun hatte", schickte Millie ihm zurück. Er wagte nicht, daß abzustreiten. Immerhin hatte Jeanne bei diesem Wundervogel gleich zwei Kinder bestellt. Von Alexis Ross wußte er, daß diese ebenfalls zwei Kinder vorbestellt hatte, und Barbara van Heldern hatte am zwanzigsten Februar ihre Tochter Berenice zur Welt gebracht. Also war für diesen Vogel noch einiges zu tun übrig.

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Am dreißigsten April war ganz Beauxbatons im Walpurgisnachtfieber. Julius hatte das in den Osterferien gekaufte Feuerreiterkostüm noch einmal überprüft. Millie würde im Mantel der Feuerkönigin auf ihrem Ganymed 10 fliegen, den sie nach dem Unterricht auf Hochglanz geputzt und mit Funkensprühfarbe übermalt hatte.

"Langsam kannst du es doch rauslassen, daß du mit der frei heraus lebenden Valentine Devereaux fliegst, André. Wir kriegen es doch eh nachher mit", stichelte Robert den Klassenkameraden.

"Ich hab's bis heute nicht rausgelassen und werde es bis zum Antritt bei Madame Faucon auch nicht rauslassen, Robert. Hättest ja mit Bébé Hellersdorf fliegen können. Die hat sich ja extra für dich das Smaragdstürmerkleid besorgt."

"Céline hat aber das Goldregenkleid und ich mir den Goldfunkenumhang besorgt, du Kesselklopfer", knurrte Robert. Julius hielt sich da heraus. Ihn interessierte eher, wie Louis Vignier und Endora Bellart zusammen aussehen mochten, wo Louis erst nach den Ferien einen Walpurgisnachtumhang bekommen hatte.

Als die umgezogenen Schülerinnen und Schüler sich in der großen Eingangshalle trafen, winkte Millie ihm schon zu. Ihr orangeroter Festumhang, der beim freien Flug hitzelose, goldene und orangerote Flammen versprühte, paßte zu der durch die Haare gezogenen Schnur aus Goldfäden, die beim Flug eine große, golden-blaue Krone aus hitzelosen Flammen um ihren Kopf erscheinen ließ. Sein feuerroter Festumhang mit goldenen Flammensymbolen würde beim Flug einen kometenartigen Schweif aus wild wirbelnden langen Flammenzungen erzeugen, wobei die Flammen genauso hitzelos lodern würden wie die von Millies Kostümierung. Da sah er Endora Bellart, die in einem goldenen Kleid mit aufgestickten Federn auf Louis wartete, dessen himmelblauer Umhang ähnliche goldenen Federn trug. Julius hatte sich erzählen lassen, daß beide Umhänge zusammen ein Paar aus goldenen Vögeln um sie herum bildeten. Allerdings ging das eben nur, wenn beide Umhänge zusammen waren. Julius hatte mit Laurentine, Céline und Gérard zusammengelegt, um diese Kombination bei Madame Esmeralda zu bestellen. Dann erkannte er Corinne Duisenberg, die in einem meergrünen Umhang daherkam und ähnlich wie Millie ein Band durch ihre Haare geschlungen hatte. Sie winkte André Deckers zu. Robert wollte schon was dazu bemerken, doch Céline hielt ihn zurück. Sie deutete auf Constance, die in einem himmelblauen Festumhang mit weißen Wolkenmustern erschien und sich nur eine silberne Spange in ihr schwarzes Haar gesteckt hatte. Wie dieses Gewand im Flug wirkte wußte Julius nicht. Aber daß es gewisse Lichteffekte bot war ihm klar.

"Guck dir an, wer noch zusammen ist", grinste Millie und deutete auf Gaston, der auf Caroline Renard zuging. Caroline trug ein meergrünes Kleid mit goldenem Tropfenmuster und hatte sich eine goldene Brosche in Form einer Meerfrau in die Haare gesteckt. Gaston trug einen wasserblauen Festumhang ohne Verzierungen. Doch erstaunter war Julius, als er Bernadette Lavalette sah, die ganz ohne Hemmungen Cyril Southerland zuwinkte. Sie trug ein mitternachtsblaues Kleid mit silbernen bunten farbigen Kreisen, bei denen ein hellroter, ein himmelblauer und ein goldener besonders auffielen. Julius konnte sogar sehen, daß die voll ausgemalten Kreise unterschiedlich groß waren und vermeinte um einen der Kreise noch mehrere silberne Kreislinien zu sehen, deren gemeinsames Zentrum der Mittelpunkt des voll ausgemalten Kreises war. Sofort dachte er an die Planeten des Sonnensystems. Cyril trug einen nachtschwarzen Umhang der mit silbernen Symbolen bestickt war, die den irdischen Mond in seinen vier hauptphasen darstellten, wobei ein hauchdünner Silberring den Neumond darstellte. Julius sah seine Frau an und fragte, ob sie das mit Gaston und Caro und vor allem das mit Bernadette und dem amerikanischen Austauschschüler vorher gewußt hatte.

"Das mit Caro wußte ich. Da hatte sie es vor zwei Wochen schon von. Aber daß Bernadette wen einladen wollte und auch wen gefunden hat bekam ich erst heute Mittag mit. Die will wohl doch nicht so ganz bei uns Hexen durchrasseln."

"Cyril freut sich wie ein Schneekönig", bemerkte Julius dazu, weil Cyril sehr triumphierend dreinschaute. Ihm entging dabei nicht, daß Gaston dagegen eine mißmutige Miene machte, als habe er gerade eine miserable Note bekommen oder ein wichtiges Spiel verloren. Caro stupste ihn wohl dafür in die Seite. Beschämt und abbittend wandte er sich ihr wieder zu und sprach mit ihr. Sie grinste darauf mädchenhaft, bevor sie sich bei ihm unterhakte.

Die gebildeten Paare verließen als erste den Palast und traten auf den großen Hof hinaus. Die ohne Partner an der Feier teilnehmenden folgten schwatzend, kichernd oder laut diskutierend.

Wie üblich wurde zunächst das Auswahlrad in Gang gesetzt. Diesmal durfte Constance als älteste Schülerin es in Betrieb setzen. Die Lehrerinnen und Lehrer saßen auf unterschiedlich breiten Plattformen in bequemen Sitzen. Die Zahnradartigen Karussells drehten sich in verschiedene Richtungen. Wurden sie angehalten, bestimmte die Halteposition, welche Lehrerin mit welchem Lehrer zusammengehen würde. Julius wartete. Constance ließ sich Zeit. Es war ihr anzusehen, daß sie diese Ehre genoß. Dann hielt sie mit einem Zauberstabwink die Auswahl an. Alle lachten laut, als herauskam, daß Professeur Fixus mit Professeur Trifolio zusammengedreht worden war. Madame Faucon hatte Professeur Paralax als Besenpartner zugelost bekommen, was diesem sicher behagte, weil die Schulleiterin oder die ranghöchste Hexe von Beauxbatons die Anfängerinnen führte und deshalb keine so wilden Manöver ausfliegen konnte. Professeur Bellart hatte den Hausmeister Bertillon als Besenpartner erwischt. Professeur Dirkson war mit dem Muggelkundelehrer Paximus zusammengedreht worden. Professeur Fourmier hatte den Wahrsagenlehrer Cognito zugelost bekommen. Alle anderen Lehrerinnen würden einzeln fliegen.

Nach der Auswahl der Lehrergespanne wurden alle für diesen Abend zusammengehenden Paare durch die Walpurgisnachtringe aneinandergebunden. Millie freute sich, als sie fühlte, wie ihr Angetrauter durch seinen Ring mit ihrem verbunden war.

Zuerst gab es Abendessen im freien. Danach beschworen alle Hexen und Zauberer des Lehrkörpers einen mächtigen Holzstoß herauf. Madame Faucon entzündete diesen. Dann gab sie noch einmal bekannt, daß sie die Anfängerinnen führen würde. Professeur Fixus würde die fortgeschrittenen Fliegerpaare beaufsichtigen und führen. Trifolio verzog darüber das Gesicht, was wieder einen Lacher provozierte. Doch Madame Faucon ahndete das nicht. Als alle auf ihren Besen saßen rief sie: "Auf auf, ihr Hexen!"

"Wir fliegen sicher ganz oben mit", bestimmte Millie und ging mit Julius sofort auf die Höhe der erfahrenen Flieger, wo Professeur Fixus und Professeur Dirkson schon dabei waren, einige Vorgaben zu fliegen. Julius bestaunte Professeur Dirksons Kostüm, daß wie ein Springbrunnen wirkte, aus dem statt Wassertropfen goldene Glutbälle wie kleine Sonnen herausflogen und weit umherflitzten. "Wußte doch, woher ich dieses Kostüm kenne. Das ist die Mutter der Sonnen, Julius. Sündteuer, nicht unter hundert Galleonen zu kriegen, weil da das Gewicht von mindestens zwanzig Galleonen drin verwoben wurde." Julius hatte es dem sonnengelben Kostüm nicht angesehen. Da schwirrte Endora mit Louis vorbei wie zwei elefantengroße, rotgolden flammende Phönixe mit mehr als zehn Meter langen Schwanzfedern. Dann sah Millie Sandrine, die ihren Besenpartner Gérard ordentlich durchschüttelte. Constance flog als Einzelfliegerin über Professeur Dirkson hinweg, wobei sie von einer mindestens drei Besenlängen durchmessenden Sphäre aus himmelblauem Licht umgeben wurde, in der Julius große, schneeweiß scheinende Wolken treiben sehen konnte.

"Jau, sieht auch schön aus, die Himmelswiege", sagte Millie. Dann zog sie schräg nach links weg, weil ihr da gerade zwei Besen mit je einer Tochter Barbara Latierres drauf entgegenzischten.

"Ey, dürft ihr hier schon hin?!" Rief Millie den beiden lachenden Schwestern nach. Professeur Fixus machte eine für ihren Besenpartner halsbrecherische Wende und jagte den Hexenzwillingen nach. "Offenbar nicht", kommentierte Millie dieses Manöver.

So sausten, brausten, wirbelten, wischten und schwirrten die Besen über dem lodernden Feuer dahin. Callie und Pennie waren dazu verdonnert worden, auf der Debütantinnenhöhe zu bleiben. Das bekam Millie von Patricia, die mit Marc Armand auch auf die für bessere Flieger geeignete Höhe durfte.

"Pattie, nicht so wiiiiild", zeterte Marc noch, bevor er und seine Besenlenkerin im Gewühl der bunten Lichtspektakel verschwand.

"Wir Latierres werden mit Besen geboren", freute sich Millie und warf sich ungestüm nach vorne. Sie stürzte sich mit Julius in die Tiefe, um knapp über der Anfängerhöhe mit einer U-förmigen Wende in den Rosselini-Raketenaufstieg überzuwechseln. Dabei sahen sie Bernadette und Cyril unter sich vorbeifliegen. Um die beiden kreiste ein wildes, leuchtendes Karussell aus Kugeln. Julius fand seine Annahme bestätigt, daß Bernadettes Kostüm was mit den Planeten des Sonnensystems zu tun hatte. Denn die neun größeren unterschiedlich großen Kugeln sahen genauso aus wie ihre natürlichen Vorbilder am Nachthimmel. Um die blaue Erdkugel schwirtte sogar ein silberner Mond herum. Cyrils Umhang leuchtete im Licht des Nachtgestirns und pulsierte dabei.

"Warum steigt die nicht zu uns besseren Fliegern auf?" Fragte Millie Julius. "Mit eurem Culie ist die doch schon ganz oben mitgeflogen."

"Wahrscheinlich will sie Cyril nicht total verängstigen", vermutete Julius.

So ging es weiter wild zu, bis alle fliegenden Hexen erschöpft aber Glücklich landeten.

Die Spiele dieser Nacht waren wie immer eine Auswahl an Geschicklichkeits-, Gewandtheits und Denksportaufgaben, wobei es am besten klappte, wenn sich beide wunderbar ergänzten. Trifolio und Paximus waren komplett erledigt. Ihre Besenherrinnen hatten sie derartig durchgeschüttelt, auf den Kopf gestellt und herumgewirbelt, daß die beiden schon älteren Zauberer sich wünschten, daß dieser Abend schon vorbei sei.

"Jetzt haben wir's", frohlockte Julius, als es Millie und ihm gelungen war, vier türme aus unterschiedlich farbigen Scheiben zu vier je einfarbigen Türmen umzustapeln, ähnlich wie das Denkspiel "Türme von Hannoi". Dabei durften sie die Türme nicht einfach in ihre Einzelbausteine zerlegen, sondern mußten immer umschichten, was nicht so einfach war, wenn sie nur fünf Minuten Zeit hatten. Zumindest bestanden die Türme nur aus je vier Scheiben.

"Eine Minute übrig", grinste Millie, die mal Wieder Julius' Kombinationsgabe bewunderte, überlegt hatte, wie sie mit möglichst wenigen Zügen die vier einfarbigen Türme bauen konnten. Doch nun leuchteten ihre Walpurgisnachtringe hell auf, ein Zeichen, daß sie es geschafft hatten, die diesmal nur vier Spiele ohne zu schummeln durchgespielt zu haben. Auch Endora und Louis waren vor Ablauf der Frist durch. Die meisten anderen werkelten aber noch an ihren Türmen herum.

"Kann man merken, daß wir Schach und Bauklötze kennen", meinte Louis zu Julius, als sie sich außerhalb der Spielzone trafen. Endora strahlte Louis an wie eine glückliche Braut ihren Bräutigam. Louis fühlte sich deshalb ein wenig mulmig. Doch er sagte nichts dagegen.

Der Abend wurde wie immer mit dem Tanz in den ersten Mai beendet. Dabei mußten die Paare solange auf Schrittlänge zusammenbleiben, bis es Mitternacht war. Erst dann lösten sich die magischen Verbindungen. So konnte Julius erst nach Mitternacht mit Sandrine, Céline und Belisama tanzen. Dann war die rauschende Feier auch schon wieder vorbei. Stunden waren wie Minuten verflogen. Doch allen hatte es großen Spaß gemacht. Cyril strahlte immer wieder, während Bernadette irgendwie so aussah, als habe sie der Abend sichtlich angestrengt. Gaston schien es nicht zu gefallen, wenn er zu Bernadette und Cyril hinübersah. Wenn Caro ihn nicht direkt ansah machte er eine verdrossene Miene nach der anderen. Millie fiel das auf, und sie wies Julius darauf hin. Doch ihn kümmerte das nicht. Er freute sich, daß Millie und er wieder einen schönen Abend verbracht hatten. Vor allem dachten beide daran, daß sie heute ihre letzte Walpurgisnacht in Beauxbatons gefeiert hatten. Denn nächsten Mai mochte bereits Aurore oder Taurus auf dem Weg in die Welt sein.

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"Caro und Leonie haben es immer noch davon, daß Bernadette Cyril eingeladen hat", gab Millie etwas an Julius weiter, was in ihrem Saal gerade besprochen wurde. "Die beiden kapieren es nicht, daß sie einen fast drei Jahre jüngeren Burschen eingeladen hat."

"Vor allem einen, der am Schuljahresanfang alles angegraben hat, was mindestens ein Jahr älter als er selbst ist", erwiderte Julius. "Aber davon hat Bernie ja nichts mitbekommen, wo sie hauptsächlich in der Bibliothek gesessen hat."

"Das mit dem Angraben hat er doch schon seit Weihnachten nicht mehr gemacht. Seitdem hängt der doch auch eher in der Bib als sonstwo rum, Julius. Womöglich haben die beiden sich da gut angefreundet, ohne daß wir anderen das mitbekommen haben. Aber ist's auch nur so, daß Bernie aus purem Frust wen eingeladen hat, der im Sommer wieder nach Hause in die Staaten fliegt. Corinne und André sahen auch sehr glücklich miteinander aus."

"Auch so was, wo André wohl bei wem mitfliegen wollte, die im nächsten Jahr nicht mehr hier ist, damit ihm keiner was andichten kann", vermutete Julius.

"Dann hätte der auch mit Valentine fliegen können. Aber die war mit Roger auch gut bedient."

"Das Stimmt", bestätigte Julius.

Den freien Tag verbrachten die gebildeten Paare in den Parks, weil Madame Faucon den Strand erst nach dem Spiel Blau gegen Grün aufmachen wollte. Immerhin hatten Millie und Julius ihre Disziplinarquotienten so hoch, daß sie keine Sorgen wegen eines Strandverbotes haben mußten.

Der Tag war warm und sonnig, so daß einige der hellhäutigen Schülerinnen und Schüler schon Sonnenkrauttinktur brauchten, um nicht mit dem ersten Sonnenbrand ins neue Hexenjahr zu gehen. Julius suchte mit Millie gegen fünf Uhr seinen Lieblingsplatz auf, die Dachterrasse neben der Astronomiekuppel. Hier hatte er zum ersten Mal Beauxbatons überblicken können. Damals wollte er möglichst schnell von hier fort und nie wieder herkommen. Jetzt fragte er sich, ob er wirklich schon bald vier Jahre hier zugebracht hatte und tatsächlich schon damit klarkommen konnte, von hier wegzumüssen, ob mit oder ohne UTZ-Prüfungen. Millie und er mußten im kommenden Jahr das erste gemeinsame Kind auf den Weg gebracht haben. Damit würde sich ihrer beider Leben, ihr Ansehen und ihre Bewertung von den anderen ändern. War er wirklich schon alt und reif genug für diese große Umstellung? Millie sah darin ein Abenteuer, etwas, was ihr die endgültige Bestätigung ihres Daseins geben würde. Und er hatte sich von ihr mitreißen lassen, war aus dem tiefen Trauerloch, in das Claires körperliches Ende ihn gestürzt hatte, herausgezogen worden und stand nun neben einer Hexe, die in den beiden vergangenen Jahren groß und anziehend gewachsen war. Er dachte an Martine, die er in seinen ersten wirklich leidenschaftlichen Traum einbezogen hatte. Millie sah ihrer großen Schwester nun so ähnlich, daß jeder meinen mochte, es wären Zwillingsschwestern. Und sie gehörte zu ihm und er zu ihr. Sie hatte dafür gesorgt, daß er nicht mehr tieftraurig und alleine herumlief, und sie hatte ihm mehrfach das Leben gerettet. Ja, sie würde sicher eine gute Mutter für seine Kinder sein, wenngleich ihm noch schwindelig war, wenn er daran dachte, daß sie sieben von ihm haben wollte. Aber vielleicht war ihr nach dem ersten schon die Lust auf ein weiteres vergangen, dachte er. Hoffte er das, oder fürchtete er das? Er wußte es nicht. Die Antwort kannte wohl nur die Zukunft, und die war schweigsam.

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"Hoffentlich hat Millie dir nichts in den Kaffee getan, damit du vom Besen fällst", feixte André, als Julius am Morgen des entscheidenden Samstags seinen Besen holte. Er hoffte, daß ihm nicht dasselbe damit passierte wie Horus Dirkson. Doch er war zuversichtlich. Im Zweifelsfall würde er Aurora Dawns Doppelachse fliegen. Sollten die Blauen doch zehn Punkte mehr oder weniger haben. Hauptsache, sie bekamen ihre siebzig Punkte hin, die Grün von der zweiten Titelverteidigung trennten. Am ihm würde es wohl nicht liegen, dachte Julius, als er im Tross mit den sechs anderen Spielerinnen und Spielern zum Stadion marschierte. Im neutralen Bereich der Umkleidekabienen schärfte Monique ihnen noch einmal ein, daß sie sich von den Tricks der Blauen nicht aus der Spur bringen lassen sollten. Céline meinte dazu nur, daß Monique lieber aufpassen sollte, den Schnatz zu kriegen. Denn Corinne war eine sehr gut eingespielte Sucherin.

Constance machte keinen Hehl aus ihrer Aufregung, als sie mit magisch verstärkter Stimme die letzte Begegnung dieses Schulturnieres und damit das letzte von ihr kommentierte Spiel überhaupt ankündigte. Sie stellte die Mannschaft der Grünen vor, die genauso besetzt war wie beim ersten Turnierspiel gegen die Roten. Dann stellte sie die Gegner vor. Laurent Boisnoir, Danielle Grandpies und Henri Deville waren die Jäger. Die Geschwister Sarah und Roland Dubois waren die Treiber. Der kleiderschrankbreite Bernard Ventchaud war der Hüter, wie gegen die Mannschaft der Roten, und als bewährte Sucherin und Kapitänin flog Corinne Duisenberg auf. "Für Corinne Duisenberg ist dieses Spiel in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen ist es voraussichtlich das letzte Spiel ihrer Schulzeit in Beauxbatons. Zum zweiten ist es das erste und gleichzeitig letzte Endspiel, daß sie im Rang der Mannschaftskapitänin miterleben kann. Zum dritten entscheidet sich hier und heute, ob sie, oder die wie sie bisher im Turnier ungeschlagene Monique Lachaise, das Verdienst, ein ganzes Turnier lang jeden Schnatz erflogen zu haben für sich beanspruchen kann. Ein Duell der Kapitäninnen, ein Duell der Sucherinnen, ein letztes Duell quidditchbegeisterter Hexen in Beauxbatons", heizte Constance die Erwartungen an das Spiel an. Julius fügte nur in seinen Gedanken hinzu, daß es auch für ihn und Céline das letzte Quidditchspiel in Beauxbatons sein mochte. Doch solange er das mit dem trimagischen Turnier nicht amtlich hatte und nur falls es nicht in Beauxbatons stattfand und an allen teilnehmenden Schulen nicht doch Quidditch gespielt wurde, konnte er sich das denken. Er hatte jedoch wie Millie beschlossen, dieses Spiel als das letzte zu sehen und sich entsprechend gut aus dem Turnier und der Schulmannschaft zu verabschieden.

Beaufort pflückte mit der behandschuhten rechten den Schnatz aus der Ballkiste, die von den Klatschern heftig durchgerüttelt wurde. Mit viel Wucht schleuderte er den geflügelten Spielball nach oben. Sofort schwirrte die kleine, goldene Kugel über das Feld davon. Dann zerrte er mühevoll die beiden schwarzen Bälle aus der Kiste und warf jeden einzelnen nach oben. Fast hätte der erste Klatscher sich dazu entschlossen, nach unten zurückzufallen und die Spieler am Boden anzufliegen. Dann zählte der Schiedsrichter bis drei und schleuderte den Quaffel hoch. Den schrillen Pfiff hörten sie alle nur schwach, weil sie da schon auf den Besen unterwegs waren. Sofort drängten die Jäger der Blauen voran. Doch Céline bekam die Hände an den roten Ball und brach nach oben hin aus der Einschnürung aller drei Jäger. Julius blieb wieder auf der Abfangjägerposition wie bei den drei letzten Spielen. Céline suchte Louis. Doch der wurde bereits von Laurent Boisnoir und Henri Deville zugestellt. Céline zögerte zu lange. So konnte ihr Danielle den Quaffel abjagen, als sie dann doch einen Direktwurf versuchte. So kam der rote Ball zu den Blauen, die sofort zum Torraum drängten. Oscar und Julius deckten zwar die Ringe diagonal ab. Doch die beiden Klatscher schwirrten auf einer wilden Zickzackbahn heran. Julius mußte ausweichen und öffnete damit für einen winzigen Moment eine Lücke für Laurent, der den Quaffel zielgenau durch den rechten Ring warf.

Doch dem schnellen Führungstor setzten die Grünen durch die bereits erprobte Staffettenspielweise zwei schnelle Tore entgegen und übernahmen mit zwanzig zu zehn Punkten die Führung. Danach verlegten sich die Blauen auf reine Torraumverteidigung und vereitelten so sieben Angriffe in Folge. Dann setzten sie zum Gegenangriff an und schafften es fast, in den gegnerischen Torraum hineinzustoßen. Diesmal aber vereitelte Julius den Torwurf, weil er die ihm geltenden Klatscher gefährlich nahe heranließ und im letzten Moment eine Viertelrolle nach links drehte, um die Bälle ins Leere fliegen zu lassen. Die Ravel-Zwillinge, die für die Grünen Treiber spielten, droschen die schwarzen Bälle aus dem Torraum. Danielle bekam zwar den Quaffel zugepaßt, kam damit aber nicht an Julius vorbei. Er bekam den Ball und stieß zwischen Laurent und Henri hindurch nach vorne, wo sich bereits Céline und Louis in günstige Positionen brachten. Er täuschte ein Abspiel auf Céline an, wodurch er alle Jäger in Himmelblau dazu verleitete, sich zwischen ihn und sie zu werfen, wodurch Louis frei anspielbar wurde. Keine Sekunde später war Endoras diesjähriger Walpurgisnachtpartner mit dem Quaffel zum Tor unterwegs. Julius lenkte die drei Jäger noch eine Sekunde ab, weil er so tat, als erwarte er einen Rückpaß. Doch Louis vollendete den Angriff, indem er eine wilde Spirale vor dem Tor flog und Bernard zum herausfliegen verleitete. Fast hätte der Hüter der Blauen Louis den Weg verlegt. Doch da zischte der Quaffel an seinem linken Ohr vorbei und durchflog den linken Ring knapp unter dem oberen Rand. Dreißig Punkte hatten die Grünen nun. Vier Tore fehlten noch zum Pokal.

Die Zuschauer mit grasgrünen Fahnen, Schals und Tüchern jubelten schon: "Grün bleibt der Pokal!" Die Roten riefen dagegen an: "Rot! Rot! Rot! Diesmal wird er rot!" Da die Blauen für ihre Dreistigkeit bekannt waren und dachten, die fünfhundert Punkte bis zum Gleichstand mit den Roten und Grünen locker zu erreichen, riefen diese: "Wir sind so schnell! Wir sind so schlau! Und darum wird der Becher blau!" Julius hörte diese hoffnungsvollen Rufe nur schwach. Denn sein Gehirn war hauptsächlich damit beschäftigt, die Flugbahnen der eigenen Kameraden, der Gegner und der Bälle zu erfassen und für erfolgreiche Spielzüge vorauszudenken.

Wieder versuchten die Blauen, nach dem Abwurf aus dem Tor einen schnellen Gegenstoß anzubringen. Wieder verdarben die Jäger der Grünen dieses Vorhaben. Diesmal half Louis Julius hinten aus, paßte seinem Kameraden den Quaffel zu, der Céline anspielte. Diese bekam zwar den Ball, konnte diesen jedoch nicht auf die Torringe abwerfen, weil Sarah Dubois ihr mit einem wuchtigen Rückhandschlag einen Klatscher von unten her in die Flugbahn hieb. Céline konnte gerade noch durch den Rosselini-Raketenaufstieg ausweichen, mußte dafür aber die Hände vom Quaffel nehmen. Der trudelte dem Boden entgegen, bis Danielle ihn erflog und auf Laurent abwarf. Dieser versuchte einen Alleingang und scheiterte an Louis, der ihn dreist blockte. Das war für die Blauen wohl ein Signal, daß sie nun nicht nur auf gute Technik und Paßspiel setzen mußten. Zwar konnte Louis den Vorstoß verhindern, konnte aber nur zusehen, wie Danielle den Quaffel zugepaßt bekam und unter Louis hindurchzischte. Julius versuchte ihr zwar den direkten Abwurf zu vereiteln. Doch Henri blockte ihn. Ohne Doppelachser konnte er nicht um ihn herum. Julius verwünschte Dedalus, daß er das Manöver verboten hatte, als Danielle Oscar durch drei schnelle Scheinwürfe zur Preisgabe des rechten Rings verleitete und den Quaffel dort hindurchschleuderte. Jetzt hatten die Blauen zwanzig Punkte.

Die nächsten Minuten fand ein schnelles Hin und Her ohne zählbaren Erfolg statt. Beide Mannschaften griffen an oder konterten. Die Blauen wendeten Blockiermanöver an, die haarscharf an der Strafbarkeit entlangschrammten. Monique behielt das Feld im Blick, auch wenn Corinne sich immer wieder in ihre Flugbahn hineinwarf, um ihre Konzentration zu stören. Als das vierte Tor für die Grünen durch eine schnelle Dreierkombination fiel, waren bereits mehr als zehn Minuten verstrichen. Millies Mannschaft hatte da schon mehr als zwölf Tore erzielt.

Diesmal warf Bernard Ventchaud den Ball nicht weit ins Feld zurück, sondern paßte ihn zu dem nur zwei Längen vor ihm wartenden Henri Deville, der ihn quer zu Laurent paßte, der seine Kameradin Danielle bediente, die einige Meter vor und über ihm wartete. Diese paßte zurück zu Henri, der wieder zu Laurent und der zu Danielle. So kreiselte der Quaffel, bis alle drei Jäger der Grünen im gegnerischen Torraum waren um dieses Ringelrein des roten Balles zu unterbrechen. Erst da stieß Henri, der den Ball gerade mal wieder hatte vor, gedeckt durch präzise geschlagene Klatscher, die das Nachsetzen der Jäger von Saal Grün verhinderten. Als Céline sich aus der unmittelbaren kollisionsgefahr herausgerettet hatte, ohne den Doppelachser zu benutzen, war Henri bereits vor Oscar Bleuville und umspielte ihn mit dem Quaffel. Der Ball rutschte über den unteren Rand des rechten Ringes hindurch. Nun hatten die Grünen nur noch zehn punkte Vorsprung.

Wieder folgte eine Phase reiner Verteidigungen. Zwar versuchten die Blauen noch einmal, durch das kreiselnde Paßspiel alle Jäger der Grünen zum Vorrücken zu verlocken. Doch Louis blieb vor dem Torraum der Grünen. Céline und Julius rochierten wie König und Turm beim Schach, um den Blauen mit ihrem Quaffelzupassen ohne Raumgewinn entgegenzuwirken. Erst als Henri es leid war, andauernd nur anzunehmen und abzuspielen, flog er zu einem Angriff auf das Tor der Grünen. Wieder wurde er vor Erreichen einer erfolgversprechenden Entfernung zum Tor abgefangen und mußte sich schnell zurückziehen, weil Céline und Louis sofort nachsetzten und Julius vor dem Tor blieb. Durch schnelle Positionswechsel und unrhythmisches Doppelpaßspiel kamen Céline und Louis diesmal durch und konnten den Vorsprung wieder auf zwanzig Punkte ausbauen. Jetzt fehlten nur noch zwei Tore zur Pokalentscheidung oder der Schnatzfang durch Monique.

Als beide Klatscher zugleich gegen Julius flogen, ohne sich selbst aus der Bahn zu prellen kam Julius nicht umhin, die Doppelachse zu benutzen, um einem doppelten Anprall auszuweichen. Beaufort pfiff und verhängte einen Strafstoß gegen die Grünen. Danielle grinste verächtlich, als sie auf Strafwurfhöhe und -entfernung vor Oscar Bleuville in der Luft schwebte. Oscar lauerte. Danielle fixierte ihn und hob den Ball. Sie machte eine schnelle drehbewegung nach links. Oscar hechtete auf seinem Besen nach rechts. Doch der von Danielle geschleuderte Quaffel hatte beim Abwurf einen derartigen Drall nach Rechts abbekommen, daß er durch den rechten Torring flog, wo Oscar den von Danielle aus linken Torring abschirmen wollte. Damit verkürzten die Blauen den Abstand zu den Grünen wieder auf zehn Punkte. Bis jetzt hatte noch keine Kapitänin um eine Auszeit gebeten. Denn beide waren damit beschäftigt, einander zu umschwirren und dabei nach dem wichtigsten Ball des Spiels Ausschau zu halten. Zwar versuchte Monique einmal, Corinne so zu verladen, wie Sandrine Horus verladen hatte. Doch als sie fast in einen vonGermain Ravel gegen Henri Deville gedroschenen Klatscher hineinraste erkannte sie, daß sie Corinne nicht verladen konnte. Sie ärgerte sich, als sie sah, wie Corinne seelenruhig auf ihrer Sucherhöhe über dem Feld flog und machte, daß sie selbst wieder auf die Ausschauhöhe zurückkehrte. Der Klatscher verfehlte Henri, der den Quaffel gerade so noch auf Danielle abspielen konnte, die nun wie ein himmelblauer Irrwisch auf den gerade Abfangjäger spielenden Louis zustieß und den roten Ball direkt an ihm vorbei durch den mittleren Ring feuerte. Damit stand es nun 50:50.

Die Blauen wußten, daß die Grünen nur noch zwei Tore zur Entscheidung brauchten und verlegten sich auf reine Abwehr. Zwar versuchte Danielle einmal, im Alleingang, nur von den Klatschern abgesichert, den roten Ball durch einen der gegnerischen Ringe zu schleudern, doch Oscar fing den Ball ab und warf ihn weit zurück ins Feld, wo Céline ihn vor Laurent erbeutete. Wieder rollte ein Angriff gegen das Tor der Blauen. Wieder fingen alle drei Jäger in Himmelblau den Angriff ab. Das Spiel ging mittlerweile in die zwanzigste Minute. Immer noch war keine einzige Auszeit erbeten worden.

Julius war der erste, der die Veränderung im Zuschauerlärm bewußt wahrnahm. Denn er brach den gerade angesetzten Vorstoß zum blauen Tor ab und sah sich schnell um. Wenn er den Schnatz sah und Corinne näher an diesem war konnte er vielleicht. Da fegte Monique rechts an ihm vorbei, genau auf einen von Sarah geschlagenen Klatscher zu. Für einen winzigen Moment konnte Julius ein goldenes Blitzen sehen. Dann krachte Monique mit der linken Schulter gegen den Klatscher. Sie kippte nach hinten. Der Besen reckte sich fast senkrecht in die Luft und stieg mit seiner Reiterin nach oben. Jetzt sah Julius Corinne Duisenberg, die in Rückenlage von rechts oben anflog, die linke Hand vom Besenstiel nahm und nach unten griff. Als sie die zur Faust geballte Hand nach vorne streckte, konnte Julius die wild schwirrenden Silberflügel sehen. Der Jubel aller Zuschauer aus dem blauen und dem Roten Saal war wie eine Explosion, die den Traum von der zweiten Titelverteidigung in millionen kleine Stücke zerriß. Julius erkannte, daß ein sicheres Spiel nur solange sicher war, wie es nicht angefangen hatte. Doch im Moment mußte er erst zusehen, zu landen. Denn sicher hatte Beaufort in seine Trillerpfeife geblasen. Er hatte es eben nur nicht sofort gehört.

Wieder auf dem Boden sah er Monique, der Tränen in den Augen standen. Ihr linker Arm hing schlaff herab. So konnte Julius nicht sagen, ob Monique aus Schmerz oder Enttäuschung weinte. Möglich war auch beides. Constance verkündete das unabwendbare Endergebnis. "Saal Blau gewinnt mit zweihundert zu fünfzig Punkten das letzte Spiel des Quidditchturnieres. Grün erreicht damit eintausendfünfhundertzehn Punkte, Blau eintausenddreihundert Punkte. Damit steht die Entscheidung im diesjährigen Quidditchturnier fest. Saal Rot ..." Unerträglich lauter Jubel aus den Rängen der Roten übertönte sogar die mit dem Sonorus-Zauber verstärkte Stimme Constances. "Saal Rot gewinnt mit eintausendfünfhundertzwanzig Punkten und damit nur zehn Punkten Vorsprung den Quidditchpokal!" Vollendete die Stadionsprecherin ihren letzten Kommentar in Beauxbatons.

"Rot! Rot! Rot! Der Pokal ist wieder rot!" Riefen die Unterstützer der Roten. Julius sah in die Mannschaftslogen hoch. Er fing den Blick aus zwei rehbraunen Augenpaaren ein. Übergroße Freude und Überlegenheit zeigten die zwei Latierres. Apollo sprang wie ein übermütiger Gummiball auf und ab und jubelte. Marc Armand schlang seine Freundin Patricia in eine innige Umarmung. Horus jubelte lautstark. Seine Schnatzfänge hatten ihm und seiner Mannschaft den Quidditchpokal gesichert.

"Monique!" Rief Julius und eilte auf die Kapitänin zu, die Anstalten machte, mit dem Besen vom Feld zu laufen. "Laß mich bitte deine Schulter ansehen, ob du damit zu Madame Rossignol mußt", forderte Julius. Monique wirkte geistesabwesend. Schmerz und bittere Enttäuschung schienen ihren Willen ausgeschaltet zu haben. Deshalb reagierte sie nicht sofort. Erst als Julius ihren unverletzten Arm ergriff fand sie in die Gegenwart zurück.

"Drachenmist. Fast hätte ich den gekriegt", schniefte sie, während Julius ihre linke Schulter betrachtete. Offenbar war das Schlüsselbein gebrochen. Er blickte sich um und entblößte das Pflegehelferarmband. Dann sah er Madame Rossignol, die mit schnellen Schritten auf das Spielfeld lief. Sie hatte wie üblich in der ersten Reihe gesessen.

"Sieht nach einem mehrfachen Bruch von Schlüsselbein und Oberarmgelenk aus", wagte Julius eine Blitzdiagnose.

"Kriegen wir gleich wieder hin", beruhigte Madame Rossignol ihn und die Patientin. Sie mußte aus vollem Hals rufen, weil der Jubel der Blauen und Roten zu laut war, um sich in gesitteter Lautstärke zu unterhalten.

"Ist es Schlimm?" Fragte Corinne Duisenberg von unten her sprechend. Monique machte Anstalten, nach ihr zu treten. Doch eine sehr energische Frauenhand zog die Kapitänin der Grünen zurück. Julius wandte sich an Corinne, die unverdrossen dastand.

"Laß sie erst mal ein paar Minuten in Ruhe!" Rief er. Corinne verstand und lief zu ihren Kameraden zurück.

"Das dauert wohl eine Minute, die Brüche zu heilen, Julius. Gratuliere den andren bitte auch!" Rief Madame Rossignol und deutete auf Céline, die Danielle gratulierte, während Louis mit stolz erhobenem Kopf auf nri Deville zumarschierte und die rechte Hand ausstreckte. Julius nickte der Heilerin zu und eilte zu den siegreichen Blauen. Er bewunderte Louis, der trotz der doppelten Niederlage seine Würde behielt und folgte diesem Beispiel.

"Hätte fast anders ausgehen können", sagte er, als er Danielle zum Sieg beglückwünschte.

"Wir hätten noch ein paar hundert Punkte mehr gebrauchen können", grummelte Danielle, die mit dem Sieg nicht so ganz zufrieden war. Sicher, sie konnte den Roten vorhalten, denen den Pokal verschafft zu haben. Aber auf Platz drei wollte sie wohl nicht enden.

Als Julius bei Corinne ankam und ihr gratulierte, bestand sie auf eine ordentliche Umarmung. Er hob sie dabei vom Boden und stellte den ihn umgebenden Jubel damit total ab. Erstauntes Schweigen legte sich über alle Ränge. Julius erkannte, daß es wohl keiner für möglich gehalten hatte, daß Julius die mindestens siebzig Kilogramm wiegende Hexe so federleicht anzuheben vermochte. Deshalb setzte er noch einen drauf und lud sich die kleine runde Sucherin richtig auf die Schultern. Irgendwie fühlte er dabei weder Last noch Schmerz. Er richtete sich zur vollen Höhe von nun einen Meter und zweiundneunzig auf und ging einige Schritte auf dem Feld dahin. Da kamen Madame Faucon und Professeur Pallas auf das Feld.

"Hmm, Monsieur Latierre. So können wir Mademoiselle Duisenberg nicht beglückwünschen", meinte die Zaubereigeschichtslehrerin vergnügt grinsend. Madame Faucon deutete auf Julius' Schultern und bemerkte:

"Auch wenn es Mademoiselle Duisenberg sichtlich behagt, derartig erhoben worden zu sein möchte ich Sie doch mit allem gebührenden Nachdruck dazu auffordern, sie wieder auf die eigenen Füße zu stellen, bevor Sie beide womöglich noch hinfallen." Julius nickte und ging in die Knie. Er fühlte sie ein wenig Zittern. Doch es gelang ihm, Corinne sacht abzusetzen. Sie tätschelte ihm den Rücken, weil sie nicht an seine Schultern heranreichte und bedankte sich für diese erhebende Gratulation. Dann lief sie zu ihren Mannschaftskameraden zurück, wo sie von Madame Faucon und Professeur Pallas die Glückwünsche entgegennahm.

"Sag mal, wie viel wiegt die?" Fragte Louis erstaunt.

"Das vermute ich mal besser nicht, weil ich sie damit womöglich kränken würde", sagte Julius. "Sagen wir so, mir war sie noch nicht zu schwer. Aber ich fürchte, du könntest sie so noch nicht tragen."

"Die hat sicher an die siebzig Kilos drauf", wagte Louis eine Vermutung. "Kommt das bei dir immer noch von dem Blut von Madame Maxime?"

"Du kriegst das doch mit, daß Millie und ich regelmäßig Frühsport machen und dabei den Schwermacher benutzen. Damit kriegst du echt Muskeln, ohne dich gleich zu einem überquellenden Bodybuilder machen zu müssen."

"Schon blöd mit dem Pokal. Nur zehn Punkte haben gefehlt", grummelte Louis.

"Kann man nichts machen. Das ist eben Sport", erwiderte Julius. "Mal gewinnen wir, mal die anderen. Achtung!" Sein letzter Ausruf warnte Louis vor der Meute der nun hemmungslos herunterstürmenden Blauen, die ihren Helden und Heldinnen gratulieren wollten. Monique nutzte diesen Ansturm, die ihr alles andere als behagende Beglückwünschung Corinnes noch einige Minuten hinauszuzögern. Madame Faucon versuchte zwar, die Hexen und Zauberer aus dem blauen Saal zurückzuscheuchen. Doch auch sie konnte den von Freude und Überlegenheit vorangepeitschten Ansturm nicht aufhalten. Als Julius sich umsah erkannte er, daß die Mannschaft des roten Saales von den Zuschauerrängen herabgestiegen war. Apollo rannte dreist und ohne jede Rücksicht auf seine oder anderer Leute Unversehrtheit in den Pulk gratulierender Mitschüler hinein und schob sich wie ein Bulldozer durch Unterholz nach vorne, bis er Corinne erreichte. Julius erkannte erst eine Sekunde zu spät, daß seine beiden angeheirateten Verwandten links und rechts neben ihm standen. Für ganze zehn Sekunden hing er zwischen Patricia und Millie, die ihn so weit es ging nach oben stemmten. Als die beiden jedoch merkten, daß der Größenunterschied doch noch zu groß war, um ihn gerade nach oben zu recken, ließen sie ihn wieder auf die Füße kommen. Julius steckte diese Überrumpelung schnell weg und gratulierte, wo sie schon mal da waren, erst Patricia und dann seiner Frau zum Gewinn des Pokals. Millie meinte dazu:

"Dann mußt du mich aber gleich auch auf die Schultern nehmen, Julius. Sonst meint jeder, die kleine runde Corinne sei leichter als ich."

"Sagen wir's so, Pattie dürfte noch leichter sein als du", stichelte Julius und betrachtete seine Schwiegertante. Diese grinste vergnügt. Millie knuffte ihm kurz in die Seite.

"Wird schon mit dir, Süßer. Aber da sind die anderen auch schon. Wenn Madame Faucon die Blauen endlich vom Platz schicken kann kriegen wir den Pokal."

"Und wir die Silbermedaille", sagte Julius und strengte sich an, nicht enttäuscht zu sein. Zwar gab es Olympiasportler, die behaupteten, daß Silber auch schon Blech wert sei, weil nur die Goldgewinner die lukrativen Werbeverträge abstauben konnten. Doch zweiter von sechs zu sein war auch ein guter Abschluß. Zwar hatte er es genossen, zweimal den Pokal zu umfassen und den teuren Champagner daraus zu trinken. Doch das Leben bestand nicht nur aus Kämpfen, Siegen und Verlieren. Außerdem gönnte er es Millie, vor dem gemeinsamen Abschied von Beauxbatons noch einmal das edle Silber des Pokals in Händen halten zu dürfen.

"Erheben Sie sich bitte alle von ihren Plätzen, um die Sieger des Turnieres zu ehren!" Rief Constance Dornier. Madame Faucon sah hinüber zu Schuldiener Bertillon, der gerade den so heiß begehrten Pokal herantrug. Das hatte bei Madame Maxime anders gewirkt, wie diese den Pokal mit nur einer Hand übernehmen konnte. Madame Faucon ergriff das Ehrengefäß mit beiden Händen und trug es auf die oberste Stufe hinauf. Dann verstärkte sie ihre Stimme mit dem Sonorus-Zauber und rief in das Oval des Stadions:

"Ich möchte Sie alle bitten, zu Ehren der ruhmreichen Quidditchmannschaft das Schullied zu singen, wie es die Tradition verlangt!" Julius hörte ihr an, daß sie ein wenig mit ihrer Fassung ringen mußte. Madame Faucon hatte bestimmt auch darauf gehofft, in ihrem ersten Jahr als Schulleiterin den Pokal an die Mannschaft des Saales zu überreichen, in dem sie selbst als Schülerin gewohnt und dem sie fast die ganze Zeit als Lehrerin lang vorgestanden hatte. Doch als Schulleiterin durfte sie nicht mehr Partei ergreifen. Professor McGonagall hatte es da einfacher. Denn Gryffindor hatte die Slytherins mit 260:120 besiegt. Harry Potter hatte zum letzten Mal für Gryffindor den Schnatz gefangen. Ravenclaw war auf dem zweiten Platz gelandet.

Das Schullied erklang aus über fünfhundert Kehlen. Einige sangen es verhalten, andere überglücklich und die Anhänger der Grünen mit gewisser Schwerfälligkeit mit. Als alle drei Strophen verklungen waren rief Madame Faucon die Mannschaft des grünen Saales auf das Podest. Dort hängte Madame Faucon jeder und jedem eine kleine Silbermedaille um den Hals. Julius konnte lesen, daß er zur zweiterfolgreichsten Mannschaft der Saison 1998-1999 gehörte, die erste Saison nach dem Ende der Todesserherrschaft. Zwei Minuten ließ die Schulleiterin sie auf dem Podest stehen. Dann rief sie die Mannschaft des roten Saales auf, die sich am Spielfeldrand bereitgehalten hatte. Julius sah, wie Apollo Arbrenoir das Podest Bestieg. Madame Faucon hob den Pokal und übergab ihn dem Kapitän der Erfolgsmannschaft. Funken flogen aus dem Podest, als Apollo ihn hochreckte. Eine lautstarke Fanfare bekundete die Übergabe des Pokals an die Gewinner. "Fehlt nur noch, daß sie das Lied von den Champions spielen, das bei sowas immer in Stadien läuft", meinte Louis zu Julius.

"Das gilt für Muggelsport, Louis", lachte der Saalsprecher der Grünen, der neben der goldenen Brosche nun eine Silbermedaille über dem grasgrünen Spielerumhang trug. Apollo reichte den Pokal an Millie Latierre weiter, die ihn locker ansetzte und ein wenig von dem edlen Schaumwein nippte, der im Pokal perlte. Dann reichte sie den Pokal an Horus, den neuen und erfolgreichen Sucher der Roten. Er zögerte. Doch Madame Faucon nickte ihm zu. Der Zweitklässler durfte wohl zum ersten Mal Champagner probieren und dann gleich zu einem besonders würdigen Anlaß. Auch dafür mochte Julius dem Pokalverlust nicht zu sehr nachtrauern. Marc, Patricia und die anderen bekamen ebenfalls die Gelegenheit, den schweren Silberpokal in Händen zu halten und etwas von dem teuren Getränk zu kosten. Dann landete der Pokal wieder bei Apollo, während Professeur Fixus den Spilern des von ihr betreuten Saales glänzende Goldmedaillen umhängte. Julius klatschte ebenfalls Beifall, als alle mit dieser Ehrung bedacht waren.

"Immerhin haben wir durch das Turnier 151 Gesamtbonuspunkte für den grünen Saal gewonnen", erläuterte Julius seinem drei Jahre jüngeren Saalkameraden.

"Jau, kriegen wir vielleicht wieder die goldene Saalmedaille. Dann haben Céline und du zumindest noch eine Goldmedaille abgeräumt", erwiderte Louis. Céline lächelte ihn dafür an. Céline war es anzusehen, daß sie enttäuscht war, nicht die zwei ausstehenden Tore geschossen zu haben. Andererseits hätten die Gelben bei ihrem Spiel gegen die Roten ruhig ein paar Tore weniger zulassen müssen.

"Damit endet die spannende und abwechslungsreiche Quidditchsaison des ersten Jahres einer neuen Zeit!" Rief Constance noch von der Stadionsprecherloge her. "Sie hat uns allen gezeigt, wie schön es ist, noch am Leben zu sein und hat uns allen bewiesen, welche Vielfalt Beauxbatons zu bieten hat. Darauf dürfen wir stolz sein!" Madame Faucon sah zu der Stadionsprecherin hinauf. In ihrem Blick lag Tadel, weil Constance ihr offenbar die Worte aus dem Mund genommen hatte. Doch dann mußte die Schulleiterin nicken. Warum sollte eine Stadionsprecherin, die im Juli die Schule verlassen würde nicht bekunden dürfen, daß sie und alle anderen stolz auf Beauxbatons sein mochten. Julius fragte sich, wie viel Selbstbeherrschung Constance aufbieten mußte, um dieses Lob und diese Aufmunterung herauszubringen, wo ihre Mannschaft doch in diesem Jahr den untersten Tabellenplatz erwischt hatte. So meinte er:

"Constance ist froh, daß die rote Laterne für den Untersten Rang nicht auch noch verliehen wird." Louis mußte grinsen, während Céline fragte, ob das bei den Muggeln so lief und warum ausgerechnet eine rote Laterne? Julius erwähnte, daß die Rücklichter von Landfahrzeugen rot waren und auch Schlußlichter hießen. Daher käme das.

"So, das war es", sagte Céline, als die Roten im Triumphzug mit dem Pokal auf den Palast von Beauxbatons zumarschierten. Julius sah sich um. Irgendwie vermißte er wen. Als ihm auffiel, daß es Bernadette Lavalette war dachte er nur, daß sie sich wohl abgesetzt hatte, als alle anderen aus den Zuschauerrängen hinabgestiegen waren. Cyril wirkte erfreut, weil er zumindest in dem Saal untergekommen war, der das Turnier gewonnen hatte. Die Latierre-Zwillinge blickten kampfeslustig auf die anderen. Julius vermeinte zu ahnen, was in ihren Köpfen vorging. Beim nächsten Turnier durften sie wieder mitspielen. Gnade den anderen dann jeder Gott, an den irgendwo auf Erden geglaubt wurde.

"Dann können wir jetzt auch rein. Feiern können wir eigentlich nicht. Aber ich seh nicht ein, daß wir das Turnier nicht feiern sollten", sagte Monique. Julius und Céline stimmten ihr zu.

So feierten die Säle Blau, daß sie das Spiel gewonnen und Corinne als erfolgreichste Sucherin des Turniers bestätigt hatten, Rot den gewonnenen Pokal und Grün, daß sie alle das Turnier glücklich überstanden und eine spannende Saison geboten hatten.

Als alle nach zwölf Uhr im Bett lagen schickte Julius Aurora Dawns Bild-Ich nach Hogwarts, um seinen dort lernenden Freunden die Nachricht von der knapp verfehlten Titelverteidigung zu überbringen. Er selbst mentiloquierte noch mit Millie, die trotz mehrerer Gläser Met noch klare Gedanken fassen konnte.

"Es ist so schön, wie es gelaufen ist. Keiner hat uns noch vorgeworfen, wir hätten den Pokal schon unter uns ausgemacht, Monju. Hat sich Monique wieder beruhigt?"

"Na ja, sie hat wohl gesehen, wie der kleine Louis und ich das bewältigt haben. Ärgern wird sie sich wohl schon, daß Corinne ihr den Schnatz vor der Nase weggeschnappt hat. Aber wie sagt ihr Franzosen: So ist das Leben."

"Wir Franzosen, Julius. Willst du mal wieder vergessen, wo du hingehörst? Aber das mit Corinne darf ich mir so nicht bieten lassen, Monju. Madame Faucon macht morgen den Strand auf. Du trägst mich da hin, damit die alle sehen, daß die Kleine kein Luftballon ist."

"Dann sieh aber zu, daß du bis dahin nicht zwanzig Kilo mehr wiegst, Mamille!" Schickte Julius zurück.

"Nicht bis morgen. Aber ich fürchte, wenn ich so gestrickt bin wie Oma Line oder Maman, kriege ich das bis nächsten Mai locker hin."

"Tja, darfst wohl nicht mehr viel essen", gedankenfeixte Julius zurück.

"Aurore oder Taurus verhungern lassen, bevor die selber atmen, Monju? Willst du nicht wirklich!"

"Erwischt", schickte Julius zurück. Denn das wollte er ganz sicher nicht. Wenn er schon mit achtzehn Jahren Vater werden sollte, wo andere Jungen noch nicht mal wußten, mit welchem Mädchen sie locker oder fest befreundet sein konnten, sollte sein erstes Kind ganz sicher nicht als klapperndes Skelett aus Mildrids Unterleib herauskullern.

"Dachte ich mir das doch, Monju. Die Mondtöchter hätten uns zwei sicher nicht über die Brücke gelassen, wenn du so gemein zu deinen ungeborenen Kindern wärest. Aber jetzt möchte ich schlafen. Bis morgen zur PK, Monju!"

"Bis morgen, Mamille!"

ENDE

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