EIN DRACHE IM STROHLAGER

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Was bisher geschah

Er lag ruhig auf dem gemütlichen Bett. Erschöpft vom Durchstreifen des uralten Schlosses mit seinen vielen Zimmern, Sälen und Gemächern hatte er hier in einem scheinbar lange nicht mehr benutzten Schlafzimmer der bleiernen Schläfrigkeit nachgegeben. Doch er fiel nicht in den wohltuenden Schlaf. Etwas störte ihn. Schritte von mindestens zwei Menschen klangen leise zu ihm herüber. Dann betraten sie den Salon.

Es waren drei wunderschöne Frauen, die leise miteinander tuschelten. Eine wisperte etwas von einem herrlichen jungen Mann und näherte sich dem Erschöpften, einem Jungen mit hellblonden Haaren. Sie sog Luft in ihre Nase ein, als wolle sie einen Appetit anregenden Duft genießen, bevor sie das Essen sah, auf das sie gerade Hunger hatte. Sie war ebenfalls hellblond, hatte langes Haar und ein merkwürdig bleiches Gesicht, das vom silbrigen Schein des Mondes geisterhaft angeleuchtet wurde. Sie blickte den Jungen sehr erwartungsvoll an, ja schien irgendwie von ihm angeregt zu werden. Kurz fuhr ihre Zunge über die blutleer wirkenden Lippen. Da sah der Junge die dolchartigen weißen Fangzähne. Eine eiskalte Angst durchflutete seinen Körper und hielt ihn bewegungslos auf dem Bett fest, während sich das dämonisch schöne Wesen sacht zu ihm herunterbeugte. Sein Herz begann wie ein Presslufthammer zu klopfen, während sich das blonde Frauenzimmer mit ihren Lippen seinem freiliegenden Hals näherte. Schon fühlte er die Spitzen der mörderischen Zähne an seiner Kehle, da schrak er auf. Die Vampirin zerfloss in Sekundenbruchteilen zu nichts als Luft, und der Junge fand sich schweißgebadet in seinem Bett, einem ganz gewöhnlichen modernen Muggelbett, wieder.

"Mist Alptraum", schnaubte Julius Andrews, als er den Schauer des gerade durchträumten endlich abschütteln konnte. Dann fiel ihm wie abgerufen ein, woher die Eindrücke stammten. Wie lange war es schon her, daß er "Dracula" von Bram Stoker gelesen hatte? Das mochten wohl drei Jahre gewesen sein. Er hatte das Gruselbuch, daß in Form von Briefen und Tagebucheinträgen erzählte, von Lester, einem vergangenen Freund aus seinen Normalotagen geschenkt bekommen und heimlich gelesen, damit seine Eltern, die ihn für sowas noch zu jung fanden, nichts mitbekamen. Tja, und jetzt erst suchten ihn Draculas höllisch schöne Bräute im Traum heim. Das fand Julius nun eher komisch als beängstigend. Denn in den letzten drei Jahren hatte er mehr über böse Monster und Geschöpfe der dunklen Seite der Magie mitgekriegt als jeder Junge seines Alters, der das Glück oder Pech hatte, nicht als Zauberer erkannt worden zu sein.

Drei Jahre war es nun her, daß er, Julius Andrews, zum Mißfallen seiner Eltern und vor allem seines Vaters in die Zaubererschule Hogwarts aufgenommen worden war. Dort hatte er ein Jahr zugebracht, bevor er im Sommer zu Catherine Brickston und ihrer Familie in die Ferien gereist war, von dort aus wegen eines Briefes seines Vaters in das versteckte Zaubererdorf Millemerveilles gereist war, wo er die Dusoleils kennengelernt hatte, das Ehepaar, die Tante und die Schwestern Jeanne, Denise und vor allem Claire. Claire, dieser Name wärmte ihn wie eine große Tasse Tee von innen her. Claire Dusoleil war das Mädchen, daß er als erstes mehr zu mögen angefangen hatte als jedes Mädchen früher.

Mit schönen Erinnerungen an Tanz und Quidditch war er nach Hogwarts zurückgekehrt, wo er das trimagische Turnier miterlebt hatte. Am Ende war der Mitschüler Cedric Diggory gestorben, und Harry Potter, der wohl berühmteste Jungzauberer dieser Zeiten, hatte von der Rückkehr des sehr gefürchteten Hexenmeisters Lord Voldemort berichtet. Doch sehr wenige Leute wollten ihm das glauben.

Wegen der Rückkehr des Zauberers, den die meisten Hexen und Zauberer nicht beim Namen zu nennen wagten, war Julius erst nach Millemerveilles gereist, wo er Zusatzstunden in der Abwehr dunkler Künste genommen hatte. Weil sein Vater ihn jedoch immer noch von Hogwarts weghaben wollte und versucht hatte, seine Mutter für geisteskrank erklären zu lassen, lebte er nun mit ihr in Paris bei den Brickstons und hatte vor einem Tag das dritte Schuljahr in der Zauberschule Beauxbatons beendet, wo ihm die haarsträubendsten Abenteuer widerfahren waren, die ein Junge seines Alters erleben konnte. Er war für vier Tage ein Mädchen, nun ja, eine junge Frau gewesen, weil ein angeblicher Halloweenstreich ihn mit der Siebtklässlerin Belle Grandchapeau zusammengekoppelt und dabei seinen in ihren Körper verwandelt hatte. Er war Mitglied einer Geheimgruppe gewesen, die die Umtriebe in Hogwarts überwachen wollte, hatte sich mit Claire noch mehr angenähert, obwohl Mädchen wie die sehr frei heraus handelnde Millie Latierre und die behutsame Belisama Lagrange Interesse an ihm gezeigt hatten. Er War Stammspieler in der Quidditchmannschaft seines Saales geworden und hatte mit seiner Mannschaft den Schulpokal gewonnen. Richtig heftig hatte ihn das Erlebnis Ende Mai erschüttert, wo er gelernt hatte, daß die bezauberten Bilder eine eigene Welt waren, in die man mit einem besonderen Mittel hinübergehen konnte. Er war Pflegehelfer geworden, Assistent der Schulkrankenschwester Rossignol. Als solcher hatte er mitbekommen, wie die Mitschülerin Constance Dornier eine gesunde Tochter ausgetragen und zur Welt gebracht hatte. Die Geburt der kleinen Cythera war eines der erhabensten Erlebnisse seines überstandenen Schuljahres gewesen. Wie mochte es Mutter und Kind nun gerade gehen? Tja, und dann war da noch dieses silbergraue Tier mit den braunen Flecken und dem goldfarbenen Schwanz, Mademoiselle Queue Dorée, Goldschweif XXVI, ein Knieselweibchen, das ihn als "ihren Zauberer" bestimmt hatte und durch das er erfahren hatte, daß Claire und er über mehr als ein Dutzend Generationen von der Gründungsmutter ihres Saales abstammten. Die Prüfungen waren anstrengend gewesen und hatten für das nächste Schuljahr den bitteren Beigeschmack in seiner Erinnerung hinterlassen, noch heftiger ans Lernen gebracht zu werden.

Doch jetzt waren Ferien! Er hatte jetzt bis zur letzten Augustwoche Zeit, von dem Schulstress herunterzukommen. Außerdem stand ja noch ein schönes Fest bevor, zu dem Jeanne in informell eingeladen hatte: Ihre Hochzeit mit dem heißblütigen Bruno Chevaillier.

Julius blickte auf seine Armbanduhr, die sich selbst auf die gültige Zeitzone einstellen konnte und ihm auch zeigte, wie spät es in England, seiner früheren Heimat war. Dort war es jetzt genau Mitternacht. Hier, in der Rue de Liberation, Paris, Frankreich, war es demnach ein Uhr. Die beiden Stundenzeiger klammerten also die berühmt-berüchtigte Geisterstunde ein. Julius schmunzelte. Geister spukten nicht zu festgelegten Zeiten und waren für Muggel, nichtmagische Menschen wie seine Eltern oder Joe Brickston ohnehin unsichtbar. Er drehte sich wieder in die Lage, in der er am besten einschlafen konnte und fiel bald in einen tiefen Schlummer.

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Am nächsten Morgen frühstückte Julius mit seiner Mutter Martha in der kleinen Küche der großen Wohnung, die Catherine ihnen mit magischer Hilfe eingerichtet hatte. Dem Jungen kam es so vor, als ginge es seiner Mutter irgendwie nicht gut. Er fragte sie, was sie habe. Sie sagte jedoch nur:

"Mir geht's gut, Julius. War halt auch für mich ein heftiges Jahr gewesen. Ich bin froh, daß ich jetzt auch Ferien habe."

"So heftig kann die Arbeit für Madame Grandchapeau im Vergleich zu deinem früheren Job nicht sein, Mum", hakte Julius nach, der mit dieser Antwort nicht zufrieden war.

"Tja, wenn man eine völlig neue Sprache lernen und korrekt anbringen muß schon, Julius. Du hattest ja diesen Sprachwechseltrank und hast damit alles in ein paar Minuten gelernt. Vergiss das bitte nicht", rückte Martha Andrews die Verhältnisse zurecht. Julius hörte einen leicht gereizten Unterton heraus, als habe er seine Mutter in die Enge gedrängt, und sie würde ihn gleich laut anschreien und mit ihren sorgfältig gefeilten Fingernägeln durchs Gesicht fahren wie seine vierbeinige Freundin Goldschweif. Dennoch wollte er sie so nicht davonkommen lassen. Er fragte:

"Ja, aber außer der Sprache hast du nichts wesentlich neues mehr machen müssen, oder?"

"Außer einigen unkundigen Hexen und Zauberern zu erklären, wie das Internet benutzt wird und wozu auch Zauberer und Hexen was damit anfangen sollten. Längst nicht alle haben mich akzeptiert, Junge. Einigen habe ich's an der Nasenspitze angesehen, daß ich ihre Zeit vertue und es nicht wert sei, mit ihnen näheren Umgang zu pflegen. Ich war wohl gut vorgewarnt durch dich und Catherine und Professeur Faucon, daß es noch genug Reinrassigkeitsfanatiker gibt. Aber es zu wissen und es zu erleben, je subtiler je unangenehmer, das ist ein himmelweiter Unterschied, genau wie eine Geburt im Fernsehen anders wirkt als eine miterlebte Geburt."

"Aha, du möchtest das Thema wechseln, Mum. In Ordnung", erwiderte Julius und sprach mit seiner Mutter über die Dinge, die ihn im letzten Jahr beeindruckt hatten.

Das Telefon klingelte. Martha Andrews ging in ihr Schlaf- und Arbeitszimmer. Julius lief in das magisch zum Tanzsaal vergrößerte Wohnzimmer. Hier lagen die Anschlüsse des Telefons, des Faxapparates, des Anrufbeantworters und des Modems, über das Martha sich Zugang zum Internet verschaffte. Als er in den letzten Weihnachtsferien hierher gekommen war, standen die Geräte alle im Wohnzimmer. Doch schon Ostern waren sie wohl alle durch Verlängerungskabel in seiner Mutter Schlafzimmer umgelegt worden. Er lauschte auf die Worte seiner Mutter. Doch sie hatte die Tür geschlossen und war damit so gut wie unhörbar. Er hörte nur einmal "Nein, Monsieur Hellersdorf, wir können nichts daran machen" und verstand, daß Laurentines Vater angerufen hatte. Laurentine alias Bébé hatte wie er nichtmagische Eltern, die genauso heftig gegen ihre Zaubereiausbildung waren wie sein Vater. Deshalb war sie jetzt bei den Delamontagnes in Millemerveilles, weit genug weg von der sie verderbenden Muggelwelt, und ihre Eltern kamen nicht mehr an sie heran. Deshalb versuchten sie es wohl nun bei den Andrews. Julius hielt sich bereit, ans Telefon zu gehen, falls seine Mutter ihn rief. Doch sie beendete das Gespräch nach zehn wohl aufreibenden Minuten. Zornesrot verließ sie das Schlafzimmer und eilte in die Küche zurück. Julius setzte schon an, was zu fragen, doch seine Mutter sprudelte heraus:

"Diese Leute sollen uns in Ruhe lassen. Ich habe es noch rechtzeitig erkannt, daß ich nur noch was von deinem Leben mitbekomme, wenn ich deine Zaubereiausbildung zulasse. Die sollten das auch hinnehmen. Bin ich der Anwalt für diese eingebildeten Leute?"

"Waren das wieder die Hellersdorfs?" Fragte Julius überflüssigerweise.

"Natürlich", fauchte seine Mutter, die sonst der Inbegriff von sachlicher Gelassenheit war. "Monsieur Hellersdorf hat mich eindeutig darauf hingewiesen, daß er heute seinen Rechtsanwalt einschalten würde und dabei alles herauskommen würde, was euch in Beauxbatons angeht. Ich solle mich darauf einrichten, von Mitarbeitern dieses Anwalts befragt zu werden und ich drohte ihm mit meinem Anwalt, falls er uns nicht in Ruhe ließe. Genauso überdreht hat dein Vater ... Lassen wir das!"

"Apropos, wann hast du das letzte Mal von Paps ...?" Setzte Julius an. Die Miene seiner Mutter wechselte schlagartig von zornig zu verunsichert und dann zu einer gewissen reglosigkeit.

"Dein Vater ist seit März unter seiner früheren Adresse nicht mehr zu erreichen und seit mai auch nicht mehr per Mobiltelefon, Julius. Er hat sich auch nicht mehr bei mir gemeldet, was du machst. Offenbar will er in den Staaten ganz neu anfangen", sagte Martha rasch und kühl wie ein Bergbach im Winter. Julius irritierte der Tonfall und die Gefühllosigkeit in diesen Worten. Ihm kam es vor, als müsse seine Mutter sich stark zusammennehmen, um nicht zu zeigen, was sie empfand. Irgendwas war da nicht ganz in Ordnung.

"Was war das letzte, was du mit Paps beredet hast?" Bohrte Julius nach. Seine Mutter schüttelte den Kopf und schnarrte:

"Julius, nimm es bitte hin, daß dein Vater mit dir und mir einstweilen nichts mehr zu schaffen haben will. Mehr mußt du nicht wissen."

"Entschuldigung, daß ich dich mit solch belanglosem Zeug belästigt habe, Mum", gab Julius verstimmt zurück. Ihm schmeckte das nicht, wie seine Mutter jetzt von seinem Vater sprach. Er wußte aber auch, daß nur sie ihm erzählen konnte, was er gerade tat und er aufpassen mußte, es sich nicht zu verscherzen, wenn er mehr über seinen Vater wissen wollte. Als er zur Beruhigung der unangenehm eisigen Lage nach Babettes Fortschritten in der Schule fragte, erzählte seine Mutter, daß Catherines Tochter wohl weit vor Beauxbatons mit der richtigen Zauberei anfangen würde. Andererseits stellte sie im Moment nicht mehr so viel Schabernack an wie früher. Offenbar hatte sie eine gewisse Angst vor heftigen Strafen.

"Und wie geht's Joe so?" Wollte Julius noch wissen, weil ihm Joes Begrüßung am letzten Abend nicht sonderlich gefallen hatte.

"Der ist im Moment guter Dinge. Der fährt am achtzehnten Juli nach Atlanta und bleibt da für drei Wochen bis zum fünften August. Dreimal darfst du raten, was er da macht."

"Atlanta? Ach, die Olympischen Spiele. Wußte nicht, daß Joe neuerdings Leistungssport macht", erwiderte Julius. Seine Mutter grinste belustigt. Bei ihr kam das einem schallenden Gelächter gleich.

"Nein, der hat Tickets von einigen ehemaligen Komilitonen, Leuten aus der Verbindung, wo er drin war. Die haben ihm Familienkarten für ihn, Catherine und Babette beschafft, wobei wohl viel Vitamin B im Spiel war. Du weißt ja noch, daß er sich früher sehr für den Fechtsport und die Ruderwettbewerbe interessiert hat. Catherine will wohl mit, damit Babette etwas von ihrem Vater hat."

"Nachdem was Paps mit dir und mir abgezogen hat wohl verständlich", sagte Julius.

"Womit wir für drei Wochen sturmfreie Bude hätten", warf seine Mutter ein. Julius grinste verstehend. Er könnte seinen Geburtstag hier feiern. Allerdings müßten dann alle Hexen und Zauberer mit den Muggelverkehrsmitteln anreisen, weil Catherine bestimmt die Wohnung zusperren und damit auch den ans Floh-Netz angeschlossenen Kamin wegschließen würde.

"Ich wollte heute schon Einladungskarten für einige Freunde aus Hogwarts und Beauxbatons schreiben. Würde dir das was ausmachen, wenn wir meinen Geburtstag hier feiern. Ich denke, ab dem dreiundzwanzigsten hänge ich sowieso wieder eine Woche in Millemerveilles herum, zumal ... Öhm, hast du schon nach Post gesehen, Mum?"

"Nein noch nicht", sagte seine Mutter und setzte sich in Richtung Dachboden in Bewegung. Julius folgte ihr aus der Wohnung hinaus und hinauf auf den geräumigen Speicher, wo ein Einlass für Posteulen eingebaut war. Tatsächlich lagen im Korb für die Andrews' drei Briefumschläge. Einer war für Martha Andrews, die beiden anderen für Julius. Als sie mit den drei Briefen vom Speicher hinunterstiegen, hörte Julius ein Jauchzen und freudiges Singen aus der Wohnung der Brickstons.

"Ich werde Brautjungfer. Ich werde Brautjungfer."

"Nur über meine Lei...", schnaubte Joe, wurde jedoch von einem sehr eindringlichen Schsch-Laut abgewürgt, eindeutig von Catherine kommend, weil Babette immer noch "Ich werde Brautjungfer" trällerte.

"Wie kommt die Kleine auf sowas?" Flüsterte Martha, während sie die Wohnungstür leise öffnete.

"Könnte sein, daß Jeanne ihr das geschrieben hat, Mum. Immerhin will die ja am siebenundzwanzigsten heiraten."

"Und wir fliegen nach Atlanta, Babette Brickston!" Übertönte Joes energische Stimme den Jubelgesang seiner Tochter. "Ich habe mir den Arsch aufgerissen und bin einigen in ... Ja, Catherine ich weiß, keine Schimpfwörter. Aber so ist's halt. Also wegen der drei Betten im Hilton, den Karten fürs Fechten, Reiten und Rudern und den Feiern am Anfang und Ende mußte dein Vater einiges anstellen. Ich gehe davon aus, du respektierst das."

"Ach, dieses Muggelzeug ist doch nicht so'n Bringer, Papa. Denises Schwester hat mich gefragt, ob ich mit Denise und ein paar anderen Kindern ihre Brautjungfer sein will. Ja, ich will das", plärrte Babette ziemlich trotzig.

"Diese Claire ist doch gerade erst vierzehn. Oder von welcher Denise hast du's jetzt?"

"Joe, frag doch jetzt nicht so dumm! Du weißt doch schon seit Wochen, daß Jeanne Dusoleil heiratet", maßregelte Catherine ihren Mann. "Wahrscheinlich will sie nicht nur Denise als Brautjungfer haben und wollte eine Freundin von ihr dabei haben. Hmm, da müssen wir uns was einfallen lassen."

"Catherine, die Sache ist doch glasklar. Du machst diese Feuersprechnummer mit diesen Dusoleils und sagst denen, daß wir nicht können und wir Babette mitnehmen. Basta!"

"Ich will aber da hin, Mann", nöhlte Babette. Ihr Vater knurrte unheilvoll, schwieg dann aber für einige Sekunden.

"Joe, ich verstehe dich, daß du gerne mit uns beiden nach Atlanta willst und möchte auch gerne mitkommen. Aber erst mal muß ich mit Camille und Jeanne reden, wie die sich das überhaupt vorstellen. Wenn die schon mit Babette planen, müssen die vorher wissen, ob sie kommt oder nicht."

"Aber sicher komme ich dahin. Ach bitte bitte bitte, maman", quängelte Babette nun. Julius schob seine Mutter in die Wohnung und schloß die Tür von innen.

"Da hat er den Salat, Mum. Das glaubt der nun wohl selbst nicht, daß der eine kleine Hexe gegen ihren Willen nach Atlanta mitschleppen kann, wo die dann vielleicht die Wettkämpfe durcheinanderbringt, nur weil sie sauer auf ihren Vater ist."

"Julius, ich denke schon, daß Catherine das einsieht, daß das Familienleben Vorrang hat und sie Babette irgendwie überreden kann, mitzufliegen. Ihr liegt viel an Joe und auch daran, daß Babette ihren Vater respektiert. Glaub es mir! Ich kriege das ja irgendwie mit, was unsere Vermieter so tun. So leise ist das ja nicht immer", sagte Martha Andrews überlegen lächelnd.

"Tja, nur daß ich die Zaubererwelt besser kenne. Sollte die Möglichkeit da sein, daß Babette ihre Zauberfähigkeiten ausgerechnet bei Olympia herumtanzen läßt, werden die ihr entweder heftige Sachen androhen oder sie wo unterbringen, wo sie keinen so heftigen Schaden anrichten kann. Die Hellersdorfs sind doch ein gutes Beispiel dafür."

"Achso, also wenn sie dir sagten, du dürftest dich nicht mehr in der sogenannten Muggelwelt herumtreiben, müßte ich das schlucken", knurrte seine Mutter. Julius schwieg dazu. Beide schwiegen nun für eine Minute. Dabei hörten sie, wie Babette immer wieder sang: "Ich werde Brautjungfer. Ich werde Brautjungfer."

"Was für Briefe haben wir eigentlich da gekriegt?" Warf Julius eine Frage in den Raum und öffnete den ersten an ihn adressierten Umschlag. Er stammte von Jeanne Dusoleil. Julius las den Brief.

Sehr geehrter Monsieur Andrews,

da Sie bereits von uns persönlich erfahren haben, daß wir uns am siebenundzwanzigsten Juli im Gemeindehaus von Millemerveilles die Hand zum Bund für's Leben reichen werden, möchten wir Sie auch offiziell einladen, Zeuge und Gast unserer Hochzeitsfeier zu sein. Falls Sie bereits vor Antritt Ihrer üblichen Verpflichtungen in Millemerveilles eintreffen möchten, senden Sie uns bitte eine schnelle Eule oder einen Blitzboten an die Adresse der Brauteltern und kündigen Sie an, wann Sie eintreffen. Für Unterbringung werden Madame und Monsieur Dusoleil sorgen, falls vorher nichts anderes vereinbart wurde. Sie lassen Ihnen durch uns ausrichten, daß es dieses Jahr schwierig werden dürfte, Sie in ihrem Hause zu beherbergen, da wir eine Menge Verwandter aus dem ganzen Land erwarten, die wir selbstverständlich so weit dies geht in den Häusern unserer Eltern unterbringen werden.

Vielleicht erhalten Sie diesen Brief zeitgleich mit Mademoiselle Babette Brickston. Denise, die Schwester der Braut, hat um eine ungefähr gleichalterige Kameradin im Achterverband der Brautjungfern gebeten. Da wir je vier unverheiratete und wohl auch ansonsten unberührte junge Damen von jeder Seite als Brautjungfern anwerben möchten, war neben Mademoiselle Claire Dusoleil, Mademoiselle Denise Dusoleil und Mademoiselle Melanie Odin noch eine freie Stelle zu vergeben. Von der Seite von Monsieur Bruno Chevallier her sind noch zwei Plätze zu besetzen. Mag sein, daß Mademoiselle Babette die verantwortungsvolle Ehre annehmen und uns beistehen kann.

Hier noch die genaue Zeitangabe: Der Aufmarsch der Hochzeitsgesellschaft findet am 27. Juli 1996 um 9 Uhr am Morgen am Zentralteich von Millemerveilles statt. Das Aufgebot wird dann um halb zehn das Gemeindehaus von Millemerveilles ansteuern, wo wir von Madame Delamontagne und Monsieur Laroche nach der Zeremonie der vereinten Gemeinschaften getraut werden. Abschließend werden wir im Musikpark zu Millemerveilles von zwölf Uhr an bis zur Mitternacht feiern.

Falls Sie wünschen, In Begleitung Ihrer Mutter anzureisen, so gilt diese Einladung auch für sie und auch die bereits gegebene Garantie, daß sie sowohl Unterkunft als auch die nötigen Vorkehrungen für einen unbeschwerten Verweil in unserem Dorf vorfinden wird, sofern sie sich bereitfindet, Sie zu begleiten.

Bitte antworten Sie so rasch wie möglich auf dieses Schreiben!

Wir hoffen, Sie nehmen unsere Einladung an.

Mit freundlichen Grüßen
                    Jeanne Dusoleil
                    Bruno Chevallier

"Wir wurden nun offiziell eingeladen", sagte Julius und reichte den gerade gelesenen Brief an seine Mutter weiter, die jedoch den Pergamentbogen schüttelte, den sie gerade gelesen hatte.

"Ich habe eine Einladung von Madame Dusoleil bekommen, falls du möchtest mit dir nach Millemerveilles zu kommen. Sie hat sehr erhaben formuliert."

"Jeanne und Bruno auch, Mum. Offenbar wollen sie zeigen, wie wichtig diese Einladung ist. Ich wollte ja eh wegen Claires Geburtstag nach Millemerveilles. Dann will Madame Delamontagne noch mal im Schach gegen mich verlieren und Claire will wohl gerne noch einmal einen goldenen Tanzschuh gewinnen. Aber ist dir das dann nicht zuviel Zaubererkram?"

"Ich werde froh sein, ein paar Tage von Telefon und Fax weg zu sein. Aber wann, wo und wie reisen wir da hin?"

"Klären wir gleich, wenn ich den zweiten Brief gelesen habe", sagte Julius und öffnete den zweiten Umschlag. Wie er ins Geheim erwartet hatte war es eine Einladung von Barbara und Gustav, die einen Tag nach Jeanne und Bruno heiraten wollten. Offenbar wollten die Lumières, Barbaras Eltern, die große Feier in den Sommerball einfließen lassen und hofften vielleicht, sich die heftigen Kosten dadurch klein zu halten. Julius erzählte seiner Mutter, was Barbara geschrieben hatte und daß seine Mutter auch zu ihrer Hochzeit kommen dürfe.

"Hmm, ich glaube, ich muß Catherine bitten, für mich mit Camille zu reden, wie wir das anstellen. Eigentlich wäre das ja dann Unfug, erst alle hierher einzuladen und dann eh nach Millemerveilles abzurücken, wenn Catherine eh mit Joe und Babette ..."

"Und ich werd's doch. Und ich werd's doch!" Krakehlte Babette von unten, während Joe versuchte, sie zu übertönen.

"Was du wirst und machst bestimmen deine Mutter und ich, kleine Krawallhexe. Ich lasse mich doch nicht vor meinen Kameraden zum Idioten machen, weil ich meine Tochter nicht dazu kriegen kann, einmal was zu machen, was mir Freude macht."

"Ich glaube, wir sollten erst einmal warten, bis das Gewitter da unten vorbeigeht", sagte Julius amüsiert. Seine Mutter nickte, sagte aber kein Wort.

Da "das Gewitter" unten keine Anstalten machte, innerhalb der nächsten paar Minuten zu verfliegen schlug Martha ihrem Sohn vor, er könne sich die Videos von der Fußballeuropameisterschaft in England ansehen. Diesen Vorschlag nahm er erfreut an und verbrachte drei Stunden vor dem Fernseher, wo er die zusammengefaßten Spiele betrachtete, einige Interviews von berühmten Spielern hörte und die halbstündige Zusammenfassung des Finales zwischen Deutschland und der tschechichen Republik ansah, daß Deutschland durch das erste sogenannte goldene Tor in der Verlängerung für sich entschied und so der neue Europameister war.

"Tja, so ähnlich läuft's ja auch im Quidditch", grinste Julius, als er die leicht ungehaltenen Abschlußkommentare der englischen Reporter hörte, die sich ärgerten, daß diese neue Regel jeden Hinterhofverein zum Europameister machen könnte und "Dieser Oliver Bierhof" mehr Glück als Verstand gehabt hatte, als er das entscheidende 2 : 1 erzielte. Als Julius den Videorekorder endlich ausschaltete, flimmerte es ihm auch dann noch vor den Augen, als er sich im Wohnzimmer umschaute. Er war das dauernde Fernsehen nicht mehr gewöhnt.

"Danke, Mum, daß du mir dieses Datenpaket gepackt hast. Jetzt kann ich zumindest mitreden, was Joe angeht."

"Ich wußte doch, daß dich Fußball noch nicht ganz losgelassen hat, trotz Quidditch", lachte Mrs. Andrews.

"Die da unten haben wohl was ausgehandelt", stellte Julius kurz vor zwölf Uhr fest. Seine Mutter nickte ihm zu und ging mit ihm zum Telefon. Sie rief Catherine an und fragte sie, ob sie mit Madame Dusoleil reden könne. Julius hörte, wie Catherine von unten sprach, verstand sie aber nicht. Joe schien im Moment nicht im Haus zu sein oder sich in eine stille Ecke zurückgezogen zu haben. Babette trällerte zu einem gerade im Radio gespielten Schlager aus Frankreich.

"Julius, Catherine möchte, daß du runterkommst und selbst mit Camille kontaktfeuerst. Du wüßtest ja, wie das geht, sagt sie."

"Hast du ja auch schon gesehen, Mum", erinnerte sie Julius daran, daß er ja erst um Weihnachten herum den Zauber angewendet hatte, der den Kopf eines Zauberkundigen scheinbar vom Körper löste und durch das Floh-Netz in den brennenden Kamin eines anderen Zaubererhauses beförderte. Martha nickte. So ging Julius hinunter zu Catherine Brickston. Sie wartete bereits im partyraum, wo der ans Floh-Netz angeschlossene Kamin brannte. Er hörte Babette nun zu diesem Macarena-Lied singen, daß bereits um Ostern herum ihr Lieblingslied gewesen war.

"Deine Mutter will wissen, ob ihr vor Claires Geburtstag nach Millemerveilles kommen könnt. Wenn ich richtig informiert bin, wird Camilles Familie wohl zusammen mit Florymonts Familie in ihrem Haus untergebracht. Aber wenn sie meint, ihr kämt schon unter ... Hmm, sage ihr bitte gleich, daß Babette unbedingt zu Jeannes Brautjungfernstaat gehören will. Joe ist einverstanden, sofern Babette bei meiner Mutter untergebracht wird."

"Okay, sage ich Madame Dusoleil", erwiderte Julius und warf eine Prise Flohpulver in den Kamin. Smaragdgrün loderte eine Feuerwand auf. Julius kniete sich vor den Marmorkamin, steckte den Kopf in die grünen Flammen, die ihn wie eine wohlige, warme Brise umspielten und rief hinein: "Jardin du Soleil!"

Er mußte rasch die Augen schließen, weil er meinte, sein Kopf würde ihm von einem wilden Schraubstock vom Hals gedreht und dann wie ein wild herumgekickter Fußball durch die Gegend gefeuert. Als sein Kopf endlich wieder zur Ruhe kam, hörte er Madame Dusoleils vertraute Stimme, aber auch die wohl vertraute Stimme eines Mädchens, das er gut mochte. Er öffnete die Augen und sah eine Frau in grüner Küchenschürze und ein halbwüchsiges Mädchen in rubinrotem Rock und weißer Bluse. Beide hatten das gleiche nachtschwarze Haar, das leicht gewellt bis über ihre Schultern herabwallte, eine südländisch anmutende braune Haut und dunkelbraune Augen. Die ältere Hexe drehte sich um und lächelte Julius an, nachdem ihre Tochter, Julius' Freundin Claire, ihr gesagt hatte, daß Julius' Kopf im Kamin saß.

"Ah, hat Catherine dir gesagt, du möchtest direkt mit uns reden?" Begrüßte Camille Dusoleil den guten Freund ihrer mittleren Tochter.

"Hmm, ja, hat sie", sagte Julius. Er empfand es immer als merkwürdig, daß sein Kopf in lodernden Flammen stecken konnte, die ihm jedoch nichts anhatten und daß er hunderte von Kilometern von seinem Körper fort war, ohne von diesem getrennt zu sein. Er erzählte, daß er die beiden Einladungen bekommen hätte, daß er sehr gerne kommen würde und eventuell schon vor Claires Geburtstag anreisen wollte. Er teilte mit, daß seine Mutter mitkommen würde. Auch erzählte er, daß Babette Brautjungfer werden wollte, was Claire zu einer wichtigen Pose veranlaßte.

"Claire ist zur Führerin der Brautjungfern erklärt worden", verriet Madame Dusoleil. "Sie wird zusammen mit meiner Mutter den Ablauf der Hochzeitszeremonie proben. Wann möchtest du haben, daß Babette zu uns kommt, Claire?" Wandte sie sich an das Hexenmädchen in Rock und Bluse.

"Am Besten bringst du sie gleich mit, Julius, wenn du herkommst. Oder wolltest du deinen Geburtstag erst in Paris feiern und uns dann alle mit zurück nach Millemerveilles begleiten?"

Julius war perplex, wie direkt Claire zur Sache kam. Mit keinem Wort hatte er seinen Geburtstag erwähnt. Offenbar war das aber für Claire ein wichtiges Datum, an dem man alles gleich festmachen konnte.

"Ich habe von Madame Brickston, öhm, Catherine, gehört, daß sie Babette nur nach Millemerveilles lassen will, wenn die bei Madame Faucon wohnt. Ich weiß ja nicht, wo meine Mutter und ich unterkommen sollen. - Sind bei Caros Eltern denn so viele Zimmer frei?"

"Nix da. Bei Caro wohnt ein Großteil von Brunos Anhang und mein Bruder mit seiner Familie, weil die gute Cassiopeia nicht gut mit Maman kann", erwiderte Madame Dusoleil nicht ohne gehässigen Unterton. Julius wußte, daß besagte Tante Cassiopeia ständig im Streit mit den Dusoleils lag. Er hatte es nicht vergessen, wie sie ihm bei Claires letztem Geburtstag einfach so vor den Kopf geknallt hatte, daß so einer wie er nichts in ihrer Umgebung zu schaffen habe und hielt im Stillen mit Madame Dusoleil. Laut sagte er dann nur:

"Dann werde ich wohl wieder bei den Delamontagnes unterkommen müssen. Ist irgendwie nicht gerade toll."

"Nur wenn du sie darauf ansprichst", meinte Madame Dusoleil. Dann hellte sich ihre Miene auf, als habe sie gerade einen Geistesblitz.

"Wenn Babette bei Blanche wohnen soll, was spricht dagegen, wenn du und deine Maman auch bei ihr unterkommt. Soviel ich weiß, gehört sie zu den wenigen, die nicht irgendwelche Hochzeitsgäste beherbergen wird. Bei Adele rückt der ganze Lagrange-Clan ein, weil die mit Gustavs Eltern verwandt sind, Roseanne hat von ihrer Seite genug Gäste und Gustavs Anverwandte verteilen sich auf andere Privathäuser und den Chapeau. Caros Eltern kriegen diesen Sommer ein proppervolles Haus", sprach Madame Dusoleil. Julius fragte, ob sie Professeur Faucon fragen könne, ob man da was einrichten könne. Sie bot an, mit ihm zusammen bei Madame Faucon Kontaktzufeuern. Julius fragte sich, wie das gehen solle. Statt einer Antwort hantierte Claires Mutter am Kamin, warf dann eine prise des glitzernden Flohpulvers hinein und sagte zu Julius, er möge mit ihr zusammen die Adresse von Professeur Faucon ausrufen. Julius war das irgendwie unheimlich. Als Madame Dusoleil sich vor den Kamin kniete und ihren Kopf in die nun grüne Feuerwand steckte, wobei sie ihm sehr nahe kam, mußte er seine Bedenken abschütteln. Denn Madame Dusoleil rief bereits: "Maison du Faucon!" Schnell rief er denselben Zielort aus, keine Sekunde zu früh. Denn ein unbarmherziger Ruck zerrte an seinem Kopf, riss ihn hoch und wirbelte ihn herum. Wieso er dabei nicht mit dem frei herumwirbelnden Kopf Madame Dusoleils zusammenrasselte war für ihn mehr als Zauberei, ein Wunder. Schließlich fand er seinen Kopf in einem anderen Kamin hocken, Wange an Wange mit Camille Dusoleils Kopf. Er holte Luft und sog eines ihrer schönen schwarzen Haare in die Nase ein. Sofort mußte er niesen und fegte damit eine Handvoll Asche aus dem Kamin hinaus.

Nicht gerade erfreut dreinschauend betrat eine Hexe in geblümter Schürze die geräumige Wohnküche, in der der Kamin stand. Ihr schwarzes Haar war hinter dem Nacken zu einem strengen Knoten gewunden und die saphirblauen Augen verrieten überdeutlich, daß sie Catherines Mutter war. Dann begrüßte sie die beiden Köpfe im Feuer, wobei sie Camille Dusoleil sichtlich ungehalten anfunkelte, bevor sie verlangte, daß sie erzählten, was sie wollten.

"Ach, das habe ich mir gedacht, daß Jeanne die Kleine darauf bringen wird, Brautjungfer zu werden. Natürlich kommt sie zu mir, weil ich die einzige Verwandte in der Umgebung bin, die noch dazu weiß, wie mit ihr umzugehen ist. Richte meiner Tochter aus, deine Mutter, Babette und du könnt ruhig schon am achtzehnten zu mir kommen, ich bringe euch alle bei mir unter, und damit hat es sich."

"Öhm, dann feiern wir meinen Geburtstag besser nicht", warf Julius ein und zuckte zurück, weil Professeur Faucon ihn wie mit glühenden Strahlen aus den Augen anfunkelte.

"Junger Mann, ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß bestimmte Tage begangen werden sollten, wenn es dazu dient, die seelische Entwicklung und den gesellschaftlichen Umgang zu fördern. Wenn ich dir sage, du kannst am achtzehnten zu mir kommen, dann geh davon aus, daß ich am zwanzigsten deine Geburtstagsfeier ausrichten werde. Du kannst bis zu zwanzig Gäste anschreiben und einladen. Ich werde keinen Widerspruch einlegen, sofern du nicht ausgewiesene Unholde einzuladen trachtest. Also mache es meinem Schwiegersohn bitte mit schönem Gruß von mir begreiflich, daß ihr drei, also Babette, deine Mutter und du ab dem achtzehnten bei mir sein werdet. Soweit ich weiß findet am 19. das Spiel der Abgänger statt. Monsieur van Heldern und andere Saalspieler der siebten Klasse werden hier noch einmal gegeneinander antreten. Wahrscheinlich wird es Babette mehr erfreuen als dieser zum Markt der Eitelkeiten verkommene Zirkus Olympia."

"Blanche, ich danke dir, daß du so spontan zusagst", sprach Madame Dusoleils Kopf neben dem von Julius.

"An und für sich müßte ich dir heftig böse sein, Camille, den Jungen zu einem solch riskanten Konferenzkontaktfeuer genötigt zu haben. Nachher geraten eure Köpfe noch auf die falschen Hälse, weil irgendwas nicht richtig abgelaufen ist. Aber ich nehme deinen Dank an", gab Madame Faucon mit verbittertem Ton zur Antwort.

"Aja, gut das du's sagst, Blanche. Dann gehe ich jetzt aus deinem Kamin", sagte Madame Dusoleil. Julius fühlte, wie ihr Kopf neben ihm zur Seite ruckte, fühlte einen Hauch ihres Haares an der rechten Wange entlangstreichen und hörte ein Plopp, als der Kopf der Kräuterhexe aus dem Kamin verschwand.

"So, da sie wohl die zweite von euch beiden war, kannst du jetzt deinen Kopf zurückziehen. Wenn du es zuerst versucht hättest, wärest du aus dem Kamin herausgekommen, in dem du zuerst warst, allerdings auf Camilles Körper. Das hätte sie dir besser vorher noch erzählen sollen, bevor sie das mit dir angestellt hat."

"Öhm, dann hätte sie meinen Kopf auf dem Hals gehabt und ich hätte dann ...?"

"Tja, das wäre teuer geworden. Eine Transkapitierung muß innerhalb von einer Stunde rückgängig gemacht werden, sonst ist sie unumkehrbar. Ich glaube nicht, daß du Zeit deines Lebens Camilles Körper hättest haben wollen und Camille bestimmt mit ihrem Körper am besten zurechtkommt. So, und jetzt kehre zu Catherine zurück!"

"Bis dann denn, Madame Faucon", wünschte Julius und zog rasch seinen Kopf zurück, der wild herumwirbelte und dann fest und sicher auf dem Hals saß, auf den er gehörte.

"Ui, da hat mich Claires Mutter aber fast heftig in den Schlamassel geritten", sagte Julius nun kreidebleich, weil ihm bewußt wurde, wie gefährlich diese Konferenzfeuerzauberei hätte werden können. Catherine lachte nur.

"Maman hat völlig recht, daß du mit Camilles Körper mehr Probleme bekommen hättest als sie. Abgesehen davon weiß Camille schon, wie man bestimmte zauber richtig benutzt", sagte Catherine noch. Da sie den Großteil der Unterhaltung offenbar mitbekommen hatte brauchte Julius ihr nur noch einmal den genauen Tag zu verraten. Catherine nickte.

"Dann werde ich Babette jetzt vor die Wahl stellen, entweder mit Joe und Mir nach Atlanta zu fliegen oder bei ihrer Oma zu wohnen, bis wir wieder zurückkommen. Denn ich werde Joe nicht alleine fliegen lassen. Er hat wirklich einiges in Bewegung gesetzt, um die Karten zu kriegen, und ich möchte mal eine Olympiade direkt miterleben. Heißt es bei denen nicht sogar "Dabeisein ist alles"?"

"Ja, und schneller, höher weiter", fügte Julius amüsiert hinzu. Joe kam aus seinem Arbeitszimmer und meinte mißmutig:

"Zum einen, Catherine, bevor mir Blanche auf die Bude rückt soll die Göhre doch bei ihr unterkommen. Da stellt sie zumindest nichts an. Zum anderen ist eine Olympiade der Zeitraum zwischen zwei Spielzeiten. Zum dritten ärgert mich schon, daß diese Dusoleil meint, in mein Familienleben reinzufuhrwerken. Zum vierten glaube ich nicht, daß Martha sich in diesem Kuhkaff so wohlfühlt, wenn sie bei meiner innig geliebten Schwiegermutter wohnen muß. Aber deine Mutter wollte es ja so haben."

"Joe, du brauchst nicht so gehässig dreinzuschauen", wies Catherine ihren Mann zurecht. "Jeanne hat es gut gemeint. Sie wollte bestimmt nicht, daß du Krach mit Babette kriegst." Darüber mußte Joe herzhaft lachen.

"Gute Absichten, Catherine. Der ist es doch scheißegal, wie ich das finde, wenn Babette nichts anderes zu sehen kriegt als eure leicht rückständige Welt."

"Joe, jetzt reicht es!" Fauchte Catherine wie Goldschweif, wenn sie jemandem drohte. Joe wurde sofort ruhig. "Das wir nicht rückständig sind, weißt du besser als andere. Daß Babette nichts von der nichtmagischen Welt mitbekommt ist auch falsch. Immerhin hat sie die Winterspiele von Lillehammer im Fernsehen gesehen. Also kennt sie das Vorgehen bei Olympia. Andere Kinder, ich sage sogar die meisten, können diese Spiele eh nur am Fernseher mitverfolgen, weil die Sportindustrie die Preise zu sehr nach oben getrieben hat. Also wird Babette keine Bildungslücke erleiden, wenn sie nicht mitkommt. Sicher verstehe ich, daß du gerne einen Urlaub mit der ganzen Familie gemacht hättest. Doch Jeanne heiratet nur einmal. Und bei deinen Drähten kriegst du bestimmt für 2000 wieder Karten."

"Klar, in Sydney, Catherine. Sonst noch was?" Stieß Joe aus. Julius grinste.

"Ach, da hätte ich sogar noch einen Draht hin, der nicht auf einem Besen sitzt sondern vor einem Computer."

"Billy Huxley wohnt da nicht mehr, Julius. Wenn du mal hinter dem Titan oder dem Triton hervorgeguckt hättest, hättest du das mitbekommen. Doch du kriegst ja bei euch da unten überhaupt nichts mit, selbst wenn es elementar wichtig ist", feuerte Joe eine Gehässigkeit auf Julius Ab.

"Was soll das denn sein?" Ging Julius darauf ein.

"Ich bin nicht berufen, dir unsere neusten Nachrichten vorzubeten. Frag doch deine Mutter, was wirklich wichtiges passiert ist, oder frage deinen Vater, wenn du ihn mal sprechen kannst."

"Es ist genug", zischte Catherine und funkelte Joe sehr eindringlich an. Julius vermeinte, Professeur Faucons tadelnden Blick zu sehen. Joe beruhigte sich und zog sich in das Arbeitszimmer zurück. Catherine, die wohl meinte, aufgeworfene Wogen glätten zu müssen sagte noch:

"Deine Mutter wird dir wohl erzählt haben, daß wir seit Mai keinen Kontakt mehr zu deinem Vater haben. Joe weiß das auch und wollte dich böse treffen, weil er denkt, du müßtest auch mal was unangenehmes abkriegen."

"Ach das meint er", erwiderte Julius, der jedoch nicht ganz verdrängen wollte, daß Joe was anderes, was ganz anderes gemeint hatte. Warum hätte er ihn sonst hinter einem Mond eines der äußeren Planeten des Sonnensystems wähnen sollen, wenn nicht, weil hier was passiert war, das ihn unmittelbar betreffen mußte? Doch weil Catherine ihn sehr entschlossen ansah und er bestimmt keinen Krach mit ihr haben wollte, begrub er seine Gedanken einstweilen. Wenn seine Mutter ihm mehr erzählen wollte, würde er es hoffentlich bald erfahren.

Julius bekam eine Aufgabe. Er ging zusammen mit Catherine zu Babette und erzählte ihr, was nun beschlossen worden war. Catherine sagte noch:

"Also, Kleine, du kannst noch entscheiden, ob du mit Papa und mir nach Amerika zu den olympischen Spielen fliegst oder bei Oma Blanche bleibst, bis Papa und ich wiederkommen. Such's dir aus!"

"Ich will aber bei Denise wohnen. Da kann ich doch auch pennen", quängelte das neunjährige Mädchen mit den schwarzen Zöpfen.

"Oma Blanche hat gesagt, entweder bei ihr oder gar nicht, Babette. Du weißt ganz genau, daß Oma Blanche sehr ärgerlich werden kann, wenn du nicht tust, was sie dir sagt. Also jetzt ist es ganz alleine bei dir", sagte Catherine. Julius wollte sich schon zurückziehen, um diesem Mutter-und-Tochter-Geplänkel nicht weiter zuhören zu müssen, doch Catherine hielt ihn mit sanfter Gewalt am linken Arm und nickte ihm kurz zu.

"Julius hat mit Denises Maman gesprochen. Bei denen wohnen Großeltern und andere Verwandte von Denises Eltern. Ich denke, Claire wird mit Denise im selben Zimmer schlafen, vielleicht sogar mit einer Cousine von ihr, damit genug Platz für die Leute ist. Sei froh, wenn du bei Oma Blanche ein eigenes Zimmer zum spielen und Schlafen kriegst!"

"Madame Dusoleil hat's mir gesagt, Babette, daß die ihre Familie bei sich unterbringt. Ich denke, bei deiner Oma ist es dann bestimmt ruhiger", mischte sich Julius nun doch ein.

"Klar", grummelte Babette. Dann schien es hinter ihrer Stirn zu arbeiten. Die zwei widerstreitenden Wünsche kämpften um den Sieg wie zwei Olympia-Langstreckenläufer. Einerseits, so konnte Julius sich vorstellen, würde sie zu gerne die Brautjungfer für Jeanne sein. Andererseits ging sie ihrer Oma Blanche sehr weit aus dem Weg und wußte wohl auch warum. Beides ging aber nicht zusammen. Dann kam wohl ein Wunsch mit seiner ganzen Wucht durch. Babette sprang von ihrem Stuhl hoch und schnaufte. Dann sagte sie schnell:

"Ich komme mit Julius zu Oma Blanche. Wird wohl irgendwie gehen."

"Dann lade ich dich jetzt schon zu meinem Geburtstag ein. Deine Oma hat mir gesagt, ich könnte bei ihr feiern, weil ich ja auch mehrere Tage in Millemerveilles bleibe, nicht nur wegen der einen Hochzeit."

"Huch, wer heiratet denn noch? - Achso, Barbara will endlich Gustav heiraten", erwiderte Catherine. Julius nickte nur.

So wurde zusammen mit Julius Mutter und der am Nachmittag noch einmal im Kamin der Brickstons aufgetauchten Professeur Faucon beschlossen, daß Julius zusammen mit seiner Mutter und Babette Brickston am Morgen des achtzehnten Julis von Professeur Faucon im Brickston-Haus abgeholt würde, sodaß sie dann alle zusammen mit der Reisesphäre von Paris nach Millemerveilles wechseln konnten, weil Julius' Mutter ja nicht flohpulvern konnte. Danach kehrte nun endlich Ruhe im Haus der Brickstons ein, wenn man mal davon absah, daß Joe der schlechte Verlierer der ganzen Sache war. Doch offenbar war ihm diese Rolle zu vertraut, als andauernd darauf herumzureiten, daß Babette nicht mit ihm nach Atlanta kam.

Tage vergingen, in denen Julius immer wieder fragte, was denn so wichtiges in der Welt passiert war, daß Joe Brickston ihn derartig gehässig abgefertigt hatte und Catherine so verschlossen aufgetreten war. Mrs. Andrews meinte dazu nur, daß es an der englischen Westküste einen Hurrikan gegeben hatte und eine an und für sich sehr stabil gebaute Brücke zehn Jahre nach dem Bau auf Grund von Materialermüdung zusammengebrochen sei. Julius erbleichte. Hurrikans bei England? Das konnte nicht gehen, zumindest nicht nach den Gesetzen der Physik. Auch das mit der eingestürzten Brücke erschien ihm mehr als eine Sache von Materialermüdung. Offenbar, so erkannte er, hatte der aus dem Versteck aufgetauchte Dunkelmagier bereits heftig auf sich aufmerksam gemacht. Martha Andrews warf noch ein, daß ihr Schwager Claude nochmals versucht habe, Julius aus ihrer Obhut herauszuklagen und sie deshalb im Juni noch einmal mit dem Anwalt Riverside aus der Zaubererwelt zusammengetroffen sei, um das endgültig zu beenden. Das nahm Julius einstweilen hin, weil es zu der eiskalten Stimmung seiner Mutter paßte.

Zwischendurch suchte er im Internet nach Datenspuren seines Vaters, fand aber lediglich Einträge, daß er seit November bei der detroiter Firma Degenhart arbeitete. Als er über diese Firma Unterlagen suchte, dauerte es etwa eine Minute, bis die angewählte Suchmaschine was ausspuckte. Die aktuellste Mitteilung im weltweiten Datennetz bezog sich auf ein Projekt im Februar des laufenden Jahres, über das jedoch nichts mehr zu finden war. Leicht enttäuscht beendete Julius die Internetsitzung und versuchte, sich auf die Wochen in Millemerveilles einzustimmen. Er würde seine Schulkameraden aus Millemerveilles wiedersehen, ja auch Laurentine Hellersdorf, würde mit Claire und anderen zusammen quatschen, singen und tanzen und zwei Zaubererhochzeiten miterleben.

Mit den Eulen in der Zaubererstraße Rue de Camouflage verschickte er Einladungen, wobei er darauf achtete, daß wirklich nur zwanzig Leute zusammenkamen. Gloria, Pina und Olivia lud er ebenso ein wie Kevin Malone. Aus Frankreich lud er die Dusoleil-Geschwister, sowie Laurentine Hellersdorf, sowie seine Pflegehelferkameradin Sandrine mit Gérard, Céline Dornier und Robert Deloire ein. Er hoffte, daß alles reibungslos klappen würde.

__________

In den Tagen bis zur Abreise hielt sich Julius mit den neuesten Nachrichten auf dem Stand der Dinge, machte die schwereren der Hausaufgaben, um sie aus dem Kopf zu haben und probierte neue Computerspiele aus. Seine Mutter wirkte für ihn immer so, als warte sie immer wieder auf einen Angriff. Er versuchte es zwischendurch, sie zu seinem Vater zu befragen, doch sie erzählte ihm immer dasselbe, daß sie genauso wenig von ihm wußte wie Julius. Irgendwann war er es leid, zu fragen, zumal das Internet nichts besonderes über Richard Andrews hergab. Am Siebzehnten Juli mußte Martha noch einmal zu Madame Grandchapeau, ihr wohl etwas wichtiges erklären. Julius saß im bahnhofshallengroßen Wohnzimmer und dachte darüber nach, ob er noch einmal mit alten Freunden Kontakt aufnehmen sollte. Lester und Malcolm, seine damals besten Freunde, hatten in ihrer Schule mit Rauschgift gehandelt und brummten wohl noch eine Jugendstrafe ab, wenn sie nicht gar in ein richtiges Gefängnis eingebunkert worden waren. Außerdem wollte er mit Drogenhändlern nichts zu schaffen haben. Moira Stuard, die Tochter eines Geschichtsprofessors, hatte andere Dinge gefunden, mit denen sie sich beschäftigen konnte. Er hatte versucht, ihr eine E-Mail zu schicken. Doch die Adresse stimmte nicht mehr. Die E-Mail war als unzustellbar zurückgewiesen worden. Also waren ihm nur die Kontakte in die Zaubererwelt geblieben. Aurora Dawn, die in Australien lebende Heil- und Kräuterspezialistin, hatte geschrieben, daß sie gerne nach Millemerveilles kommen würde, aber wohl nur bis zum 21. Juli bleiben könne, weil Madame Dusoleils Gästezimmer danach gebraucht würde. Mit Gloria konnte er sich über den Zweiwegspiegel unterhalten. Sandrine Dumas, seine Pflegehelferkameradin aus Millemerveilles, hatte ihn mit Hilfe von Madame Rossignol angerufen und gefragt, ob es bei dem Termin bliebe. Julius hatte ihr zugesichert, daß alles so sei wie besprochen.

Wie bestellt und nicht abgeholt saß Julius kurz vor Mittag immer noch im Wohnzimmer und überlegte, was er mit dem letzten Tag vor der Abreise anstellen sollte. Catherine klingelte an der Wohnungstür. Er öffnete und roch den Duft exotischer Gewürze und gebratenen Fleisches.

"Bevor du wieder irgendwelchen Schnellkram aufwärmen willst, wollte ich dich einladen, zum Essen zu mir und Babette herunterzukommen. Es gibt indisches Tandori-Huhn mit Langkornreis und Gemüse und zum Nachtisch Bananen im Teigmantel."

Julius lief das Wasser im Mund zusammen. Er nickte sehr heftig und schloß die Wohnungstür mit seinem eigenen Clavunicus-Schlüssel, der mit dem Schloß so bezaubert war, daß nur dieser Schlüssel es öffnen konnte.

Joe war in seiner Firma, einem Wetterinstitut, wo er die gewaltigen Datenmengen sortierte und den Experten für Meeresströmungen, Wind und Wolkenbildung zuteilte oder erstellte Daten archivierte.

"Hier, lies das mal, Julius! Ist der Zauberspiegel von Heute", sagte Catherine, mit einer Zeitung winkend. Julius nahm die Tageszeitung der französischen Zaubererwelt und las:

"Amtswechsel, britischer Zaubereiminister legt sein Amt nieder", murmelte er. Er grinste. Er dachte an das letzte Treffen der Sub-Rosa-Gruppe, bei dem Dumbledore erwähnt hatte, es solle eine Anhörung über Fudges Versagen im Kampf gegen Lord Voldemort geben. Als er las, daß Fudge in Anbetracht der neuen Situation einsehe, daß er die Konsequenzen seiner bisherigen Politik tragen und um die Autorität des Ministeriums für Zauberei nicht zu gefährden sein Amt niederlege, grinste er breit. Als er dann noch das Bild des neuen Zaubereiministers Großbritanniens sah, daß ihn an einen haarscharf vor dem Ziel verhungerten Verwandlungszauber denken machte, der einen Löwen in einen Menschen umwandeln sollte, sah Catherine ihn erwartungsvoll an.

"Du hast mit sowas gerechnet?" Fragte sie unbeeindruckt dreinschauend. Julius nickte sacht.

"Wenn ich das von Gloria und den Anderen im letzten Jahr so richtig mitbekommen habe hat Fudge versucht, Harry Potter als Irren darzustellen, dem man bloß nichts glauben soll und Professor Dumbledore als unfähigen alten Idioten hingestellt. Tja, und dann hat sich rausgestellt, daß Harry doch recht hatte und der sogenannte dunkle Lord wieder aufgetaucht ist."

"Die Broschüre mit Sicherheitsratschlägen und vorkehrungen habe ich deiner Mutter gegeben. Das meiste davon haben wir hier schon etabliert", erinnerte Catherine noch einmal an die kleine rote Pergamentbroschüre, die Julius von seiner Mutter bekommen hatte. Er nickte.

"Grandchapeau hat wohl schon alle in Frankreich lebenden Sympathisanten von Voldemort kassieren lassen, wenn ich das richtig mitbekommen habe." Bei der Nennung des in der Zaubererwelt gefürchteten Namens verzog Catherine das Gesicht, sagte jedoch nichts dazu. Julius, der die unangenehme Stimmung fühlte, in die Catherine hineinrutschte sagte schnell noch: "Wollen hoffen, daß dieser Scrimgeour seinen Job gut macht."

"Nun, er hat einen großen Aktionismus entfaltet, Julius. Das heißt, er hat sehr strickte Sicherheitsmaßnahmen veröffentlicht und läßt steckbrieflich nach allen bekannten Todessern fahnden", sagte Catherine ruhig. "Ich hoffe nur, die Leute in deiner früheren Heimat können noch einigermaßen frei atmen."

"Der greift auch Muggel an, Catherine. Diese Hurrikangeschichte und die angeblich wegen Materialermüdung eingestürzte Brücke sind doch nicht normal. Hurrikans kommen nur in tropischen Meeren auf und laufen von osten nach westen", warf Julius ein.

"Ja, aber das sah wirklich so aus, als sei ein solcher Wirbelsturm über die englische Westküste hinweggefegt", sagte Catherine ruhig und fügte hinzu: "Aber du hast recht. Ein natürlicher Sturm dieser Art war das nicht, zumal es wohl auch keine Satellitenaufnahme von dem gab. Joe hat extra im Internet geforscht."

"Dann war er es, Catherine. Irgendwie hat er ein Unwetter gemacht oder eine Horde Riesen oder andere große Kreaturen in die Muggelsiedlungen an der Küste einfallen lassen. Klar mußte das Zaubereiministerium das irgendwie anders darstellen", erwiderte Julius darauf. Dann wechselte Catherine das Thema, um die Stimmung wieder aufzulockern.

"Hippolyte Latierre hat mich gefragt, was du so machst. Ihre jüngere Tochter hat sich vorgestern bei ihrer Tante Béatrice zum Ersthelferkurs angemeldet und ist zur Zeit wie deine Pflegehelferrkameradin Martine im Chateau Tournesol bei ihren Großeltern und Onkeln, Tanten, Cousinen und Cousins."

"Ach, dann will Millie wirklich auch Pflegehelferin werden. Hat Martine schon angedeutet. Wundert mich nur, daß Millie mir das noch nicht brühwarm erzählt hat", sagte Julius.

"Wahrscheinlich wird sie von ihrer Tante Béatrice schon heftig drangsaliert", erwiderte Catherine, während Babette den Spielzeugdrachen, den sie bekommen hatte, gegen eine in einer Rüstung aus Konservendosenteilen steckende Ken-Puppe kämpfen ließ, wobei Julius nicht sicher war, ob das Hexenkind nicht seine erwachten Zauberkräfte benutzte.

"Millies Tante kann Stunden geben. Ist die Heilerin?" Fragte Julius, der da noch einmal genaueres drüber wissen wollte.

"Ja, die Latierres sind schon ziemlich universell aufgestellt. Béatrice Latierre ist gelernte Heilerin und Hebamme, das zwar erst seit ein paar Jahren, aber die Pflegehelferunterweisungslizenz hat sie", antwortete Catherine.

"Wieviele Cousinen und Cousins hat Millie denn?" Fragte Julius nun neugierig, weil Catherine die Verwandtschaft der Latierre-Schwestern so heftig betont hatte.

"Hmm, wenn ich das richtig mitverfolgt habe hat Madame ursuline Latierre insgesamt zehn Kinder zur Welt gebracht, von denen Hippolyte die älteste ist und ihre Jüngste, Mayette heißt sie wohl, gerade neun Jahre alt ist. Ihre zweitjüngste Tochter Patricia wird wohl dieses Jahr in Beauxbatons eingeschult."

"Ist schon cool, daß Mayette genauso alt wie ich ist", trällerte Babette und ließ den Drachenkampf enden, als die holde Barbie, gekleidet in einem rosaroten Prinzessinnenkostüm, ihrem tapferen Blechbüchsenritter wohl befahl, das arme Ungeheuer doch in Ruhe zu lassen.

"Moment, Millie hat zwei Tanten, die noch nicht in Beauxbatons waren? Hups, und ich dachte schon, das Ding mit den Duisenbergs sei abgedreht."

"Nicht so abgedreht wie du denkst. Im Grunde können gesunde Hexen bis ins hohe Alter gesunde Kinder kriegen. Wenn ich das mal richtig gelesen habe, hat eine Sarah Redwood in England mit neunzig noch ein Kind geboren", sagte Catherine.

"Neh is' klar, Catherine. Wundere mich dann nur, daß die Welt dann mehr Muggel als Zauberer hat."

"Weil es eben die meisten Hexen und Zauberer mit zwei oder drei Kindern bewenden lassen. Ich wollte ja auch noch welche. Aber ... lassen wir das. Muß dich nicht kümmern", erwiderte Catherine. Babette meinte dazu gehässig grinsend:

"Papa hat genug Hexen und Zauberer um sich rum. Sonst würde er mit Maman ja öfter Liebe machen."

"Bist du wohl ruhig, du freches Stück", schimpfte Catherine leicht erbost und lief rot an, wobei Julius nicht genau mitbekam, ob es ein Wutrot oder Schamrot war. Sie verdonnerte ihre Tochter dazu, in ihrem Zimmer ein Musikstück einzuüben, daß ihre Lehrerin ihr für die Ferien aufgegeben hatte. So konnte sie Babette auch noch hören, wenn sie nicht im Raum war und sofort reagieren, falls das Bündel Wildheit und Neugier was anderes anstellte als auf ihrer Blockflöte herumzuträllern.

"Tja, da kannst du nix gegen machen, Catherine. Die Muggelkinder wissen vom Fernsehen her schon mehr als ihre Eltern ihnen erzählen wollen", meinte Julius schadenfroh grinsend.

"Du kommst früh genug in das Alter, wo es dir nicht als neckischer Spaß vorkommt, mit einer Frau intim zu werden, Julius. Das dauert vielleicht nicht mehr lange. Wie gesagt ist das mit den Kindern die Sache von Joe und mir. Babette sollte da besser aufpassen, was sie so daherredet."

"Außerdem heißen gewisse Hilfsmittel ja nicht umsonst Pariser", mußte Julius noch einen draufsetzen. Catherine funkelte ihn etwas erzürnt an, mußte dann aber lächeln.

"Jungs sind eben Jungs", bemerkte sie dazu nur und unterhielt sich weiter mit ihm über die Latierres und Eauvives. Dabei erwähnte Catherine auch, daß Julius wohl demnächst auf die Liste der einzuladenden Eauvive-Abkömmlinge gesetzt würde, jetzt, wo es amtlich war, daß er der weit verzweigten Zaubererfamilie angehörte.

"Die Latierres, die Grandchapeaus und die Eauvives sind die einfluß- und Verbindungsreichsten Familien des Landes. Wenn du in jeder Familie einen guten Bekannten hast, kannst du vieles an Neuigkeiten und Gefälligkeiten an Land ziehen, Julius. Das schöne an den genannten Familien ist auch, daß sie muggelstämmige Verwandte haben und daher auch in der Muggelwelt ihre Kontakte pflegen. Ich habe deiner Maman schon empfohlen, sich für Muggelangelegenheiten wie die mit deinem Onkel mit Monsieur Donatus Horner zusammenzutun, der wie Mr. Riverside ein Eauvive-Nachfahre mit Muggelverwandten ist."

"Hoffentlich brauchen wir so schnell keinen Anwalt mehr", sagte Julius nur dazu.

"Das hoffe ich auch", sagte Catherine, und es klang merkwürdig ernst, fand Julius.

Der Nachmittag verflog, weil Catherine Julius umfangreiches über die französischen Zaubererfamilien erzählte, denen er bestimmt noch begegnen würde.

"Ich gehe sehr schwer davon aus, daß du Claires Großeltern und GroßCousinen noch kennenlernen wirst. Ich denke nur, daß sich gerade die älteren Odins schön weit von den Latierres fernhalten werden."

"Wieso kommen von den Latierres welche nach Millemerveilles?" Wollte Julius wissen.

"Weil die Chevalliers um drei Ecken mit denen verwandt sind. Ursuline Latierre ist die leibliche Großtante von Bruno. Die wird sich das nicht entgehen lassen, bei der Hochzeit dabei zu sein. Dann hat sie noch einen angeheirateten Cousin zweiten Grades, der mit den van Helderns bekannt ist, mit denen wiederum auch die Lagranges bekannt sind. Ich denke, du wirst eine Menge Schulkameraden von dir da treffen."

"Hui, das wird ja richtig interessant", fand Julius, der sich freute, bei einem echten Großereignis der französischen Zaubererwelt dabei sein zu können. Eine Stimme rief aus dem Kamin im Partyraum. Catherine ging mit Julius dorthin. Es war Madame Dusoleil, deren Kopf unbehelligt in den kleinen Flammen hockte.

"Ah, Julius. Schön, daß du mal wieder bei Catherine bist. Hat man es euch schon erzählt, daß heute die IOMSS das Austragungsland für die Quidditchweltmeisterschaft in zwei Jahren bekanntgegeben hat?"

"Hippolyte hat's erwähnt", meinte Catherine. Julius stutzte. Warum hatte Catherine es ihm nicht erzählt?

"Dann wisst ihr ja, daß wir die Weltmeisterschaft ausrichten werden. Monsieur Renard freut sich schon, so viele Gäste zu beherbergen. Monsieur Castello plant schon den Umbau des Stadions mit Monsieur Dupont, damit wir in zwei Jahren weltmeisterschaftstauglich sind."

"Das ist heute erst rausgekommen?" Fragte Julius.

"Vor vier Stunden", wußte Catherine. "Deshalb hat Hippolyte mich ja kontaktiert."

"Dann steht das wohl morgen erst in der Zeitung", sagte Julius.

"Die bringen eine Abendsonderausgabe mit der Entscheidung und wie das dann wohl ablaufen soll. Millies Mutter wird wohl zur Leiterin der Planungskommission WM 1998. Könnte dann passieren, daß die häufiger bei uns ist. Na ja, sie wird ja wohl auch anreisen, wenn der halbe Latierre-Kaninchenstall eintrudelt", meinte Madame Dusoleil gehässig.

"Oh, das wird aber lustig, wenn die Quidditch-Fans sich mit den Fußballfans aus aller Welt in Frankreich treffen", erkannte Julius belustigt. "Immerhin ist ja in zwei Jahren die Weltmeisterschaft auch im Fußball, und das auch in Frankreich."

"Soll vielleicht so sein, damit unsere Leute nicht sonderlich auffallen", vermutete Madame Dusoleil. "Immerhin müssen die französischen Muggel dann wohl so oder so ihre Transportmittel verstärken."

"Tja, das wird bestimmt ein großes Stück Arbeit", sagte Julius, und Madame Dusoleils Kopf ruckte einmal vor und zurück.

Babette kam aus ihrem Zimmer geschlichen und stellte sich in die Tür. Als die Kräuterhexe von Millemerveilles sie sah grüßte sie ungehemmt. Catherine wirbelte herum, funkelte ihre Tochter an und stieß nur das Wort "Zurück" aus. Wie der Blitz verschwand Babette mit wirbelnden Zöpfen aus der Tür und in Richtung ihres Zimmers.

"Ui, war es mal wieder fällig, Catherine?" Fragte Madame Dusoleil.

"Sie muß langsam lernen, nicht unbedarft irgendwelche Unverschämtheiten daherzuplappern, Camille. Das Spiel hast du ja auch schon mitgemacht."

"Ich täte den Teufel, dir da reinzureden, Catherine, zumal Babette froh ist, daß du nicht deine Mutter bist."

"Reicht schon, daß ich ihre Mutter bin, Camille", gab Catherine leicht ungehalten zur Antwort.Dann verabschiedeten sich die Hexen und der Jungzauberer voneinander, und Camille Dusoleils Kopf verschwand mit leisem Plopp aus dem Kamin.

Als Joe nach Hause kam, zog sich Julius zurück in die Wohnung im Obergeschoß, wo er noch etwas für Professeur Faucon zusammenschrieb, bevor seine Mutter heimkehrte.

__________

Babette quängelte zwar, weil sie ihren Gameboy, ein Barbie-Set und ihren tragbaren CD-Spieler nicht mitnehmen durfte, doch ihre Mutter hatte ihr deutlich gesagt, daß "Oma Blanche" diese Dinge nicht mochte und sie ihr sowieso wegnehmen würde. Martha Andrews hatte kurz vor der Abreise zur Rue de Camouflage den Muggelbannhemmtrank eingenommen, der den Abschreckzauber für Nichtmagier, mit dem Millemerveilles durchdrungen war, für einen vollen Tag von ihr fernhielt. Julius hatte alles eingepackt, was ihm wichtig erschien. Nur seinen Besen hatte er auf Catherines leises Zureden zurückgelassen. Er konnte sich denken, weshalb.

Um neun Uhr Morgens holte Professeur Faucon die drei Besucher ab, brachte sie mit einem gewöhnlichen Taxi vor das heruntergekommen wirkende Lagerhaus, durch das sie in die Zaubererstraße von Paris überwechselten, wo sie aus einem grünen Vollkreis heraus mit der rot glühenden Reisesphäre nach Millemerveilles überwechselten. Dort gingen sie zu Fuß zum Haus der Lehrerin. Sie hatte einen selbstfahrenden Gepäckwagen organisiert, der ihnen wie ein großer, eckiger Hund mit Rädern folgte. Unterwegs trafen sie Roseanne Lumière, die hinter ihren zwei jüngsten Töchtern herlief, die mit schnellen, kurzen Schritten noch etwas tapsig über die breite Hauptstraße trippelten.

"Willkommen in Millemerveilles, Madame Andrews, Julius und Babette!" Wünschte sie. Babette, wie alle Kinder für andere Kinder sehr begeistert, lief auf die beiden Schwesterchen von Barbara Lumière zu, deren kastanienbraune Hare nun in dichten Schöpfen um die Köpfe hingen. Doch immer noch hatten sie die Pausbacken von Babys und blickten aus übergroßen Augen neugierig und auch etwas befremdet umher.

"Kaum zwei Minuten hier und eine Frage beantwortet", lachte Julius. Denn ihn hatte es schon interessiert, ob Étée und Lunette laufen konnten oder noch krabbelten. Immerhin waren sie ja gerade ein Jahr und einen Monat alt.

"Das ging ganz schnell mit denen. Mit neun Monaten zogen sie sich an Stühlen hoch, mit zehn Monaten hangelten sie sich an Stühlen entlang und seit einem Monat können sie schon ... Huch!" Madame Lumières mütterlicher Stolz wurde von einem leichten Schrecken verdrängt, als eines der beiden kleinen Mädchen ausglitt und auf die Stubsnase fiel. Natürlich fing es sofort zu schluchzen an, während das andere Mädchen sich auf den mit Windeln gepolsterten Po plumpsen ließ. Babette half dem hingefallenen Mädchen auf die kurzen Beinchen und lachte sie fröhlich an. Dann sah sie die Mutter der beiden Racker und grüßte höflich.

"Schön, daß du wieder da bist, Julius", sagte Roseanne Lumière, als sie sich davon überzeugt hatte, daß ihre beiden Wonneproppen außer einem Schrecken nichts abgekriegt hatten. "Ihr wohnt diesmal bei Blanche? Dann kann ich euch da ja erreichen."

"Volles Haus, wie?" Fragte Julius schnell, bevor ihm irgendwer die Frage verbieten konnte.

"Allein die nächste Verwandtschaft sind fünfzig Leute. Gut daß die Lagranges alle bei Adele unterkommen. Belisama ist mit ihren Eltern schon gestern angekommen."

"Ich hörte, die Latierres kämen auch", erwiderte Julius.

"Ja, die kommen alle am dreiundzwanzigsten Juli. Da die ihre eigenen Zelte mitbringen, werden die auf einer großen Wiese schlafen, die Camille für sie vorbereitet hat", antwortete Monsieur Dusoleil.

"Tolle Generalprobe für in zwei Jahren, wie?" Scherzte Julius in Anspielung auf die zugesprochene Quidditch-Weltmeisterschaft.

"Das hat Stephanie Renard auch schon gesagt", lachte Roseanne Lumière, raffte ihren sommerlich luftigen Umhang aus fliederfarbener Seide und klatschte in die Hände, um ihre beiden Jüngsten zu sich zu holen. Dann ging es weiter zum Haus von Professeur Faucon, wo jeder Gast sein eigenes Zimmer bekam. Babette wurde in dem Zimmer untergebracht, in dem Julius vor zwei Jahren den Großteil der Sommerferien zugebracht hatte. Er selbst bekam ein geräumiges Dachzimmer mit einem großen Dachfenster, durch das gerade die Vormittagssonne hereinschien und ihr goldenes Licht wie erhabenen Glanz auf die Eichenmöbel und das Bett mit dem mitternachtsblauen Samthimmel ergoss. Julius verstaute in weniger als fünf Minuten alles, was er in seiner Reisetasche mitgenommen hatte im majestätischen Kleiderschrank mit den drei Türen und den Einschnitzungen, die Bäume, Blütenkelche und Kornähren darstellten. Er dachte sogar daran, seine ihn überall hin begleitende Centinimus-Bibliothek auf Normalgröße aufzublasen und seinen Gesamtschatz an Büchern in Normalgröße benutzen zu können. Doch zum einen waren die schrägen Decken zu hinderlich, um einen vier meter großen Bücherschrank in voller Größe hinzustellen und zum zweiten war es doch sehr praktisch, all sein geschriebenes Wissen griffbereit mitzuhaben. Er wunderte sich, daß Madame Faucon seinen Zauberstab nicht einkassierte. Aber die Schulheilerin Rossignol hatte ihm ja selbst gesagt, er solle ihn überall dabei haben. Ja, und auch wenn Millemerveilles durch eine Reihe mächtiger Zauber gegen schwarze Magier schier unbetretbar gemacht worden war, konnte er nie wissen, ob der zurückgekehrte Schwarzmagier Voldemort nicht doch eine Möglichkeit fand, ihn hier anzugreifen.

Als er die mit roten Läufern bedeckten Holztreppen hinunterstieg, hörte er Babette leise quängeln. Doch dann sagte Madame Faucon:

"Du kennst das meine Kleine, wenn du bei mir zu Gast bist. Also mach nicht wieder dieses Theater!"

"Aber wozu soll ich das blöde Armband denn anziehen? Oder meinst du, mich klaut hier wer?"

"Wirst du wohl gehorchen, Mademoiselle?! Immer wenn du bei mir bist, und deine Maman ist nicht da, will ich wissen, wo du gerade bist, damit ich dich schnell wiederfinde, wenn dir mal was passieren sollte. Also los, Arm her!" Versetzte Madame Faucon. Julius verstand. Wenn er das damals gewußt hätte, hätte er sich auch geweigert, das Verbindungsarmband anzulegen. Leise ging er in die Wohnküche, wo seine Mutter gerade die nichtelektrische Ausstattung bewunderte.

"Ich hab's ja bei den Dusoleils schon gesehen, aber mir imponiert das immer noch, wenn jemand trotz moderner Technik ohne Elektrogeräte auskommt. Und hier hast du also zwischen dem ersten und zweiten Zauberschuljahr gewohnt", sagte Martha Andrews.

"Genau, Mum." Sie sprachen beide fließend französisch und hatten anscheinend ihre Muttersprache völlig verdrängt. Doch für Martha Andrews war das Englische nur noch eine Anspielung an frühere Zeiten oder Geschäftssprache. Ihre Alltagssprache war die Sprache von Louis XIV. Victor Hugo und Jean-Jacques Rousseau.

"Warum soll Julius das Ding nicht anziehen, Mann?" Quängelte Babette. Julius wollte seiner Mutter schon erklären, was damit gemeint war, doch Martha nickte bereits, daß sie verstanden hatte.

"Sie will sicherstellen, daß wir die Kleine nicht immer mit uns herumschleppen müssen, Julius. Wenn ich überlege, daß im Dorf genug Kinder rumlaufen, mit denen sie spielen kann."

"Sehe ich auch so, Mum", sagte Julius.

"Die Zwillinge von Madame Lumière sind aber auch schnell herangewachsen. Ich sehe die immer noch in diesem Tragekorb auf dem Besen liegen, als ich letztes Jahr bei dir war", erinnerte sich Martha Andrews an ihren Besuch zu Julius' dreizehntem Geburtstag. Julius nickte. Immerhin hatten die Schwesterchen Barbaras ja auch bei seiner Ersthelferprüfung mitgespielt, als er zeigen sollte, daß er auch was von Säuglingspflege verstand.

Unvermittelt tauchte Catherines Kopf im Kamin auf. Julius grüßte sie.

"Und, wie gefällt dir das Dachzimmer, Julius?" Fragte sie nach der höflichen Begrüßung.

"Dafür, daß es ein Dachzimmer ist ist das ziemlich gemütlich. Wolltest du nur wissen, ob wir gut angekommen sind?"

"Das auch. Hat Babette schon das Verbindungsband um?" Wollte Catherine wissen.

"Ja, hat sie", sagte Madame Faucon und trat zusammen mit Babette in die Wohnküche ein. Babette warf ihren rechten Arm wütend nach vorne, an dem das bunte Verbindungsarmband glitzerte, dessen Gegenstück am rechten Handgelenk ihrer Großmutter befestigt war.

"Ist schon besser so, ma Chere", sprach Catherine beruhigend auf ihre Tochter ein. Ihre Mutter meinte:

"Und du willst wirklich mit diesen lärmenden, stinkenden Flugapparaten der Muggel nach Atlanta fliegen, Catherine. Irgendwie frage ich mich doch, ob du dich nicht schämst, derartig unzulängliches Zeug zu benutzen."

"Wenn sie das Besentransportverbot für Muggel aufheben würde ich Joe einen Schlaftrunk geben und ihn hinter mir auf dem Besen mitnehmen, Maman. Aber weil das bisher nicht erlaubt ist geht es nicht anders. Wir haben uns doch darüber klar verständigt, daß ich Joe nicht dumm dastehen lassen kann, jetzt, wo Camille Babette mit in den Brautjungfernstaat geholt hat."

"Mußt du wissen, ma Chere", grummelte Madame Faucon. "Dann wünsche ich dir und deinem Gatten eine beschwernisfreie Reise und einen erholsamen und abwechslungsreichen Aufenthalt. Du holst Babette und die Andrews dann am vierten August wieder ab?"

"Wenn nichts anderes abgesprochen wird, ja, Maman", bestätigte Catherine.

Catherines Kopf verschwand aus dem Kamin. Es klingelte an der Tür. Madame Faucon öffnete, und Bruno Chevallier trat ein, breitschultrig, aufrecht, aber doch auf der Hut vor der Lehrerin, die er zwar körperlich überragte, aber wohl wußte, daß dies eben nur körperlich war.

"Da is' er ja", grüßte er Julius und ließ Babette und Julius' Mutter links liegen. Doch Professeur Faucon maßregelte ihn, höflich alle anwesenden zu grüßen. Als er das dann getan hatte, sagte er nur:

"Also, Julius, morgen früh spielen wir aus der Abgängerklasse im Stadion noch einmal. So um zehn geht's los. Wenn du möchtest kannst du zukucken kommen."

"Und die kommen alle, die spielen wollen, Adrian, Gustav, Suzanne und so weiter?"

"Joh, Bursche. Belles kleine Cousine hat sich schon bei den Pommerouges einquartiert, Gustav wird wohl bei den Descartes' einziehen, nebst Hofstaat und Adrian ist alleine bei Caros Eltern eingezogen, bleibt aber nur bis zum Morgen des zwanzigsten, bevor meine Leute und die angeheirateten Odins alle Zimmer vollmachen."

"Sie meinen, bevor die von Ihnen geladenen Gäste ihre vorbestellten Räumlichkeiten beziehen", korrigierte Professeur Faucon den Bräutigam Jeannes.

"Sagte ich das nicht?" Tat Bruno unschuldsvoll.

"Meine Enkeltochter hat es nicht nötig, sich von Ihnen in der Kunst rüder Wortwahl etwas beibringen zu lassen, Monsieur Chevallier", erklärte Professeur Faucon.

"Also, Julius, morgen um zehn steigt das letzte große Spiel der großen von Beauxbatons. Wenn Madame Faucon es erlaubt, kann die Kleine ja mitkommen."

"Bäh", machte Babette und zeigte Bruno einen Vogel, was von ihrer Großmutter durch einen tadelnden Blick beantwortet wurde.

"Geht klar, Monsieur Dus... ähm, Bruno."

"Noch nicht, du! Erst in anderthalb Wochen", lachte Bruno und machte, daß er das Faucon-Haus wieder verließ.

"Jetzt habe ich meinen Besen in Paris gelassen", sagte Julius. "Aber zwischendurch mal in echt frischer Luft laufen ist ja auch was schönes."

"Ja, aber dann zieh dir bitte einen Umhang über. Du kennst unseren Bekleidungskodex", wies Madame Faucon ihn zurecht. Julius nickte unterwürfig. Babette grinste.

"Das gilt auch für dich, Räuberprinzessin. Du hast von deiner Maman schöne Sommersachen mitbekommen. Also leg ganz schnell die ordinären amerikanischn Hosen und dieses kurzärmelige Überziehhemd ab! In fünf Minuten komme ich mir das ansehen, was du angezogen hast."

"Julius, können wir uns noch mal sprechen?" Fragte seine Mutter, als Julius mit ihr aus der Wohnküche ging, um zum Dachgeschoß hochzusteigen, wo ihre Zimmer lagen.

"Worum geht's, Mum?" Fragte Julius.

"In deinem Zimmer", sagte Martha Andrews leise. Julius nickte und öffnete die Zimmertür, schlüpfte hinein und wartete, bis seine Mutter die Tür von innen geschlossen hatte.

"Ich habe den nicht ganz von der Hand zu weisenden Eindruck, Madame Faucon meint, an dir genauso rumerziehen zu müssen wie an Babette. In Beauxbatons mag das zwar korrekt sein, aber offenbar vergisst sie, ihr Privatleben von ihrem Beruf zu trennen. Könnte es sein, daß sie tatsächlich Probleme mit Muggelelternteilen hat?"

"Hmm, hast du den Eindruck?" Fragte Julius zurück. Seine Mutter nickte leicht. "Sie kennt das nicht anders. Wer hier im Haus wohnt und ihr vom Rang her nicht das Wasser reichen kann, wird von ihr halt rumkommandiert. Das hast du ja gerade auch an Bruno gesehen. Der will in anderthalb Wochen heiraten, sein eigener Herr werden und hat sich doch von ihr zurechtweisen lassen. Aber merkwürdig, daß du das jetzt erst wissen willst und nicht schon vorher mit Catherine oder mir geklärt hast."

"Catherine würde sich bestimmt nicht gegen ihre Mutter äußern, Joe äußert sich in Abwesenheit immer schlecht über sie und du warst mit Hausaufgaben beschäftigt. Mir ist das jetzt erst so recht aufgefallen. Deshalb frage ich."

"Ich denke mal, sie hat keine Probleme mit Muggelelternteilen, solange die nicht ihre Fachkenntnis lächerlich machen, wie Paps es mit Mr. Snape gemacht hat."

"Mir war so, als würde sie mich völlig ignorieren, als sie mit dir sprach, als hätte ich in deinen Angelegenheiten nichts zu melden."

"Mum, ich schlage vor, du klärst das am besten gleich mit ihr. Ich nehme die Kleine mit und guck mal, was im Moment so unterwegs ist. Dann hast du genug Zeit."

"Hast recht, Julius. Das ist wohl nötig, das gleich und endgültig zu klären, bevor eine ungewollte Konfliktsituation eintritt. Also amüsier dich gut!"

Martha ließ ihren Sohn allein und zog sich erst in ihr Gästezimmer zurück, wo sie kurz über einiges nachdachte. Dazu gehörte auch, wie sie Julius etwas erklären sollte, was diesen mit Sicherheit heftig erschüttern würde. Sie war froh, jetzt erst einmal aus der sogenannten Muggelwelt herauszusein und damit unerreichbar für Leute wie einen Ruben Martinez oder andere Berufsneugierige. Aber sie sorgte sich auch um etwas, das sie vor Julius verborgen hielt. Ihr Ex-Mann Richard Andrews war von einer unbekannten Verbrecherorganisation entführt und gegen einen Doppelgänger ausgetauscht worden, der jedoch im März enttarnt worden und zu einem brutalen Massenmörder geworden war. Erst Anfang Juni hatten sie Richard Andrews finden können. Das alles wollte Martha ihrem Sohn nach Möglichkeit nicht erzählen, um ihn nicht in irgendwelchen Schuldgefühlen oder einer tiefen Verzweiflung stranden zu lassen.

Julius zog einen tulpenroten Umhang an, der luftig und leicht seinen Körper umspielte. Dann fragte er, ob er Babette irgendwo hin mitnehmen könne, und sie antwortete, daß sie zu Denise wollte. Madame Faucon erlaubte das, wenn die beiden um zwölf Uhr wiederkommen würden. Sie würde Babette drei Vorankündigungen über das Armband geben, wie sie es bei Julius getan hatte.

"Oma hat dir das auch mal umgezogen, Julius?" Fragte Babette. Julius nickte, als Babette das Verbindungsband vorstreckte.

"Damals wußte sie ja nicht, was ich hier anstellen könnte, weil mein Paps meinte, mir die Zauberei abgewöhnen zu müssen."

"Der weiß das also nicht, daß Oma Blanche 'ne Hexe ist?" Fragte Babette gehässig grinsend.

"Weiß ich nicht", tat Julius diese Frage ab. Sicher wußte er das nicht, und besser war es auch, daß er das nicht rausfand.

"Ist irgendwie doof, daß maman mir den Diskman nicht mitgeben wollte. Die haben hier doch keine so coolen Sender zum hören", maulte Babette.

"Die machen ihre eigene Musik, Babette. Ich dachte, du warst schon oft hier."

"zweimal", sagte Babette verhalten, während sie zwischen den Häusern des ruhigen Zaubererdorfes dahinliefen.

"Weil deine Oma mir mal erzählt hat, daß du beim Besenfliegen immer hinter ihr gesessen hast."

"Wo sonst?" Erwiderte Babette schnippisch. Wie um sie zu widerlegen schwirrte gerade ein Ganymed 8 mit zwei Hexen von links kommend auf sie zu. Ein Hexenmädchen saß vor seiner Mutter. Julius erkannte die beiden als Madame Durant und ihre Tochter Alice. Alice wohnte im weißen Saal von Beauxbatons und hatte gerade die erste Klasse zu Ende gebracht. Allerdings hatte sie die Einzelflugprüfung vermasselt, wußte Julius von seinen Pflegehelferkameraden aus dem weißen Saal.

"Guten Tag, Madame Durant!" Grüßte Julius nach oben. Die Hexe legte den Ganymed in eine elegante Kurve, zirkelte abbremsend über Babette und Julius und landete sanft wie eine Feder.

"Ah, Julius Andrews. Schon so früh hier?"

"War die beste Zeit", sagte Julius. Alice sah Babette und winkte ihr zu. Babette grüßte zurück. Auch wenn sie nur zweimal hiergewesen war kannte sie Alice doch schon.

"Alice wird Barbaras Brautjungfer zusammen mit Belisama, Elise und Cora Chariot, sowie einigen von Barbaras Verwandten", verkündete Madame Durant. Babette erzählte, daß sie Jeannes Brautjungfer werden würde.

"Dann solltest du bald bei Claire Dusoleil vorbeischauen, um dich einteilen zu lassen", meinte Madame Durant. Dann verabschiedete sie sich von den beiden und flog mit Alice wieder davon.

"Kann die Alice nicht alleine fliegen?" Fragte Babette.

"Im Moment nicht, Babette. Die konnte nicht gut genug fliegen für Professeur Dedalus", sagte Julius nur. Dann gingen sie weiter, bis sie zum Dorfteich mit den Bronzefiguren kamen, die sie einmal umrundeten. Sie sahen von außen durch die Fenster des Chapeau du Magicien, dem großen Gasthaus, das genau vor dem weit geöffneten Maul des großen Bronzedrachens lag. Caro Renard war gerade dabei, mit einem Wischmop den Boden zu putzen. Sie sah Julius und Babette an, lächelte kurz aber arbeitete dann wweiter.

"Das wird hier ab übermorgen ziemlich eng werden", meinte Julius zu Babette, bevor sie weiterliefen, zum Haus der Dusoleils, wo Denise mit Claire auf der großen Gartenwiese Tanzübungen machte.

"Dingdong, wer zu Hause?!" Rief Julius.

"Hallo, Julius! Schon da? Hallo, Babette", grüßte Claire. Denise hopste in die Höhe und rannte dann zu Babette hinüber, die sie johlend begrüßte. Claire griff Julius sacht beim Arm und zog ihn schnell in den Schatten des Hauses. Sie lauschte, ob die beiden Mädchen ihnen folgten, nickte beruhigt und umarmte Julius.

"Schade, daß ihr nicht bei uns unterkommen könnt. Aber Denise und Melanie schlafen schon mit mir im Zimmer, Oma Aurélie mit Opa Tiberius schlafen in Denises Zimmer. Tante Cassiopeia Onkel Emil und Argon schlafen bei Caro. Aber dafür schlafen Oma Aminette, Opa Gaston und Onkel Arminius zusammen mit Roger, Bernard und Valerius in den Gästezimmern", versorgte Claire Julius innerhalb von Sekunden mit einem kompletten Informationspaket der Zimmerbelegung für die nächsten Wochen.

"Ach du meine Güte, sind die alle schon hier?" Wollte Julius wissen und wand sich in Claires Armen zum Haus hin.

"Neh, die kommen alle noch. Deine große Freundin Aurora schläft ja hier noch eine Nacht. Aber wir haben schon ein volles Haus, und das ist nur die nächste Verwandtschaft."

"Den Spruch habe ich heute schon irgendwo mal ... ah ja, von Madame Lumière", erwiderte Julius. Dann gab er Claire die hier üblichen Wangenküsse, wenngleich Claire ansetzte, einen doch etwas innigeren Kuß von ihm zu erhaschen, was Julius aber mit einer Armbewegung zu den hinter dem Haus giggelnden Mädchen zurückwies.

"Wie, Babette weiß das mit uns noch nicht?" Grinste Claire. Dann nickte sie.

"Muß ich auch nicht haben, wenn Denise dann Stielaugen kriegt. Wielange kannst du hierbleiben?"

"Erst einmal bis zum achtundzwanzigsten", erwiderte Julius.

"Neh, ich meine, wielange heute vormittag?" Verdeutlichte Claire ihre Frage.

"Bis Babettes Verbindungsband explodiert und wir wissen, daß wir doch besser um zwölf zu Hause hätten sein müssen. Jetzt habe ich Depp auch keinen Besen mitgenommen, und bin daher auf Babettes kurze Gehwarzen angewiesen."

"Kann Babette nicht floh-Pulvern? Maman sagte sowas."

"Habe ich nicht mitgekriegt", sagte Julius. "Außerdem wäre es wohl etwas ungünstig, wenn sie so einfach stiftten gehen könnte."

"Du wirst jetzt erst mal mit mir kommen, Maman, Papa und die glückliche Braut begrüßen!" Legte Claire fest.

"Wird gemacht", sagte Julius und folgte Claire ins Haus, wo er die übrigen Familienmitglieder begrüßte. Uranie Dusoleil, Jeannes und Claires Tante, ging noch einmal einige Punkte des Ablaufplans durch, während sich Julius mit Madame und Monsieur Dusoleil über die letzten Tage unterhielt.

"Da war Babettes Papa nicht sonderlich begeistert, daß er ohne seine Tochter zu dieser Sportveranstaltung reisen muß?" Fragte Monsieur Dusoleil.

"ganz bestimmt nicht, Monsieur. Ich hoffe nur, daß mit Babette fällt Ihnen nicht zu heftig auf den Wecker."

"Die kriegen wir schon unter", sagte Jeanne. "Claire hat da schon einen gewissen Plan ausgeknobelt. Zwischendurch machen wir Proben, mit und ohne Brautkleid."

"Hoffentlich könnt ihr danach noch was zu Essen kaufen. Ich weiß von der Muggelwelt, daß da die Brauteltern für das ganze Fest bezahlen müssen."

"Ist auch bei uns so. Nur daß wir am Ende noch genug übrig haben, um Claire noch zu verheiraten, wenn sie soweit ist", sagte Madame Dusoleil. Claire sah sie etwas entgeistert an, sagte jedoch nichts.

"Wann kommen ihre Eltern?" Fragte Julius die Dusoleils.

"Meine Eltern und die verheirateten Geschwister, Cousins und Cousinen kommen am einundzwanzigsten", sagte Monsieur Dusoleil.

"Meine Eltern und die Familie meines Bruders kommt einen Tag später, wobei Maman wohl gerade aus Algerien herüberkommen wird, wenn ich ihre letzte Eule richtig verstehe. Die fernere Verwandtschaft trudelt dann am vierundzwanzigsten ein, was uns angeht. Brunos nahe und ferne Verwandten werden wohl auch ab dem zweiundzwanzigsten eintrudeln."

"Ja, dann kommen noch Barbaras und Gustavs verwandte hier an", stellte Julius fest.

"Von denen wiederum einige auch zu Jeannes Hochzeit kommen", meinte Monsieur Dusoleil. Jeanne lief leicht rot an. Dann meinte sie:

"Da kannst du mal sehen, wie klein die Zaubererwelt ist, Julius. Bin nur froh, daß die Latierres ihr eigenes Wohnzelt mitbringen, in dem die bei der letzten Quidditchweltmeisterschaft waren. Ah ja, die Montferres kommen ja auch, weil Raphaelle ja eine Cousine zweiten oder dritten Grades von Brunos Vater ist", sagte Jeanne.

"Oh, dann gibt es hier bestimmt dreimal soviele Gäste wie einwohner", scherzte Julius.

"Nicht ganz. Wir haben schon genügend Platz in den Gästehäusern", sagte Monsieur Dusoleil.

"Was macht Bébé?" Fragte Julius.

"Die ist fast jeden Tag bei mir", sagte Claire. "Madame Delamontagne hält sie gut auf Trab, was das Besenfliegen, Flohpulvern und Zaubern angeht. Heute nachmittag ist die übrigens hier. Wenn du Zeit und Lust hast, kannst du sie ja begrüßen."

"Das muß ich noch klären. Meine Mutter hat den Eindruck, Madame Faucon könnte hier mehr über mich verfügen als sonst."

"Bestimmt nicht, Julius", lachte Madame Dusoleil. "Sie weiß zu gut, daß da noch andere Leute sind, die gerne mit dir reden wollen. Ich würde an deiner Stelle sogar gleich noch zu Madame Delamontagne gehen, bevor es Mittagszeit ist. Ich kann Babette nach Hause bringen."

"Und ich?" Fragte Julius.

"Auf dem Rückweg kannst du ja Flohpulver nehmen", schlug Madame Dusoleil vor. Julius nickte. Er verabschiedete sich von Claire und Jeanne, den Eheleuten und Claires Tante Uranie.

Unauffällig verließ er das Grundstück der Dusoleils und lief geschwind zum Delamontagneanwesen, dessen Wahrzeichen ein übergroßes Schachbrett mit halbhohen Figuren war. Er trat ordentlich an die Vordertür und zog am silbernen Glockenzug. Melodisch bimmelnd läuteten die vier Glocken im Haus, in dem Julius ebenfalls schon einmal einige Ferientage zugebracht hatte. Madame Delamontagne, die große, beleibte Hexe mit dem strohblonden Zopf, schritt in einer rosa Küchenschürze zur Tür und öffnete. Sie begrüßte Julius herzlich und winkte ihm, hereinzukommen. Drinnen begrüßte er Monsieur Delamontagne und zwei Hexenmädchen, die gerade über einem dicken Zauberbuch hockten. Es waren Virginie Delamontagne und Laurentine Hellersdorf.

"Hallo, Julius", erwiderte Laurentine den Gruß. "Haben Sie dich jetzt auch wieder hier herbeordert?"

"Nicht so heftig wie dich", grinste Julius leicht amüsiert. Laurentine Hellersdorf verzog das Gesicht. Virginie grinste auch.

"Wie lange bleibst du jetzt hier? Wollte Virginie wissen.

"Erst einmal nur bis zum dreiundzwanzigsten Juli. Dann fliege ich erst einmal zurück nach Paris, bleibe da für drei Tage und komme dann am siebenundzwanzigsten wieder, um bei Jeannes Hochzeit dabei zu sein."

"Aber das glaubst auch nur du, daß du ausgerechnet an den Tagen nicht in Millemerveilles bist, wo das Schachturnier stattfindet und wir wegen der Hochzeiten schon überlegen, ob wir diesmal nicht drei Turniertage ansetzen, um vierundsechzig Teilnehmer zu Beginn unterzubringen", sagte Madame Delamontagne.

"Eben deshalb wäre es ja günstig, wenn ich erst am siebenundzwanzigsten wiederkomme", versetzte Julius.

"Das verbiete ich dir einfach, nicht mitzuspielen, Julius", sagte Madame Delamontagne kühl. Ihr Mann grinste nur.

"Die hat mich auch schon verplant, Julius. Ich dachte, ich hätte Ferien", grummelte Laurentine.

"Die Ferien dauern ja noch an, Laurentine. In der Zeit wirst du schon genug Erholung finden", sagte die Dorfrätin für gesellschaftliche Belange und wies damit jede weitere Kritik zurück. Dann fragte sie Julius, ob er bei Professeur Faucon wohnte. Er bestätigte das. Laurentine zog sich mit Virginie zurück. Sie wollten noch eine Besenflugübung machen. Madame Delamontagne nickte ihrer Tochter nach, als sie mit Laurentine das Haus verließ.

"Ich hörte, daß euch die Hellersdorfs oft angesprochen haben, Julius. Was haben sie außer den üblichen drohungen noch gesagt?" Wollte Madame Delamontagne wissen.

"Sie haben mich als Roboter Bezeichnet, der tut, was man von ihm verlangt", grummelte Julius. Madame Delamontagne wußte, was ein Roboter war und verzog das Gesicht leicht entrüstet. Sie meinte dann:

"Ihre Versuche werden nichts eintragen außer der Gefahr, sich selbst lächerlich zu machen. Du hast Laurentine zu deinem Geburtstag eingeladen, habe ich gehört."

"Klar", sagte Julius.

"Nun, ich denke, es werden wohl mehr Jugendliche kommen und ich werde mich um die Vorbereitungen des Schachturniers und der Hochzeitsfeiern kümmern", sagte die Dorfrätin noch und wechselte damit zu den anstehenden Festlichkeiten.

So verstrich eine gewisse Zeit, bis Julius erschrocken feststellte, daß es gerade noch zwei Minuten vor zwölf waren. Er fragte Madame Delamontagne, ob er ihren Kamin benutzen ddürfe, um rasch genug zu Professeur Faucon zurückzukehren. Sie sagte jedoch, daß sie ihn lieber persönlich abliefern wolle und holte ihren Ganymed 10-Besen. Mit diesem ging es in einem Höllentempo von mehr als 300 Stundenkilometern hinüber zu Madame Faucons Haus, das sie gerade erreichten, als Madame Dusoleil mit Babette auf dem Ganymed 9 ihrer Tochter Jeanne ankam. Beide Besentandems landeten punktgenau vor der Einggangstür.

Professeur Faucon fand keinen Grund zum Tadel und ließ die beiden Kinder herein.

Nach dem herrlichen Mittagessen spielten Babette, Martha Andrews und Julius Stadt, Land, Fluß, zu denen sie noch die Begriffe Name, Tier und Beruf dazunahmen.

Im späteren Verlauf des Nachmittags durfte Julius mit einem alten Ganymed 4 von Madame Delamontagne zu den Dusoleils. Babette sollte mit ihrer Großmutter zusammen die Beete im Garten bearbeiten, weil Babette beim Mittagessen ein paar rüde Wörter benutzt hatte, die ihrer Oma nicht gefielen. Für Julius' Mutter war auch eine Beschäftigung gesichert. Denn Madame Delamontagne apparierte alleine außerhalb des engen Abwehrkreises um Madame Faucons Haus und fragte Martha Andrews, ob sie mit ihr Schach spielen wolle, was die leidenschaftliche Schachspielerin nicht ablehnte.

Bei Claire war auch Laurentine, die, wie sie sofort erzählte, auch dieses Verbindungsband umhatte.

"Die hat mir das sofort drumgemacht, Julius. Sie meinte, daß ich dann ohne Beschränkungen im Dorf hier herumlaufen könne, da sie mich ja erreichen könnte, wenn sie was von mir wolle", sagte das Mädchen, daß in Beauxbatons fast alle Bébé nannten, weil es wegen seiner leicht rundlichen Gestalt und den Pausbacken eher einem wohlgenährten Säugling glich. Außerdem hatte Laurentine ja in den letzten Schuljahren eine trotzige, widerspenstige Haltung an den Tag gelegt, die wohl eher einem Kleinkind eigen war, wußte Julius teils von Mitschülern und auch aus eigener Erfahrung.

"Das hatte ich auch, als ich hier das erste mal war, Bébé", erzählte Julius ruhig. "Millemerveilles ist für ein Dorf ziemlich weitläufig. Man kann sich da gut drin verlaufen, wenn man einmal vom Zentrum weg ist."

"Was haben meine Eltern euch so erzählt?" Brachte Bébé Hellersdorf ansatzlos die Frage ein, die sie wohl seit Schuljahresende umtrieb.

"Die haben sich an uns drangehängt, weil ich ja auch Muggelstämmiger bin. Aber weder Mum noch ich konnten ihnen was anderes sagen. Ich soll dir nur schöne Grüße ausrichten, falls man dich nicht in Isolierhaft hält."

"Haha, Julius", knurrte Laurentine. Claire meinte dazu:

"Die können doch Briefe schicken. Da gibt's doch diese Adresse in Paris, wo Muggelstämmige ohne eigene Eulen Briefe hinschicken können, damit man die an Zauberer weiterschickt."

"Stimmt, die haben sogar einen Faxanschluß", erinnerte sich Julius an das, was er von Madame Grandchapeau mal gehört hatte, als sie sich über Verständigungen zwischen Muggelwelt und Zaubererwelt unterhalten hatten.

"Was ist denn das?" Fragte Claire. Laurentine erklärte ihr, was ein Fax war und das man damit Briefe innerhalb von Sekunden an einen Ort auf der anderen Seite der Erde verschicken konnte. Claire verstand. Sowas ähnliches baute ihr Vater auch schon für das Ministerium. Er nannte es Memoschreiber.

"Die in England benutzen verzauberte Papierflugkörper, um Nachrichten im Ministerium zu verteilen, sagte uns Mademoiselle Dawn einmal, und die in den Staaten haben etwas, das Rohrpost heißt und wie verkleinerte Tunnel im Haus ist, wo Behälter mit Briefen durchgeschossen werden", sagte Claire.

"Echt, dein Vater hat einen Faxapparat gebaut? Den möchte ich mir mal vorführen lassen", sagte Julius.

"Als wenn du nur wegen irgendwelcher Zaubermaschinen herkämst", grinste Laurentine vieldeutig. Claire nickte.

Sie unterhielten sich über die Fußballeuropameisterschaft, weil Laurentine doch gerne wissen wollte, wie die Deutschen gespielt hatten, zu denen ihr Vater hielt. Julius verkündete ihr die frohe Botschaft, daß sie den Titel geholt hatten. Dann drehten sich die Gespräche um die Hochzeitsvorbereitungen, wie die Brautjungfernvorbereitungen, die Tischordnung und den Festtanz. Julius vermied die Frage nach den Kosten. Erstens mußte Claire das nicht wissen, wie teuer der ganze Hochzeitstag wurde und außerdem hatte er sich am morgen ja schon gerade noch um einen heftigen Faux Pas herumgemogelt. So um halb sieben fühlte Laurentine ihr Verbindungsarmband vibrieren.

"Die dicke Königin will haben, daß ich jetzt losgehe", sagte sie nur und verabschiedete sich von Claire und Julius. Als die beiden alleine waren, nahmen sich Claire und er noch einmal richtig in die Arme und kuschelten einige Minuten, bis Julius meinte, er müsse dann wohl auch los. Claire verstand das und tätschelte kurz seinen Rücken, bevor sie ihn davonziehen ließ.

Als Julius zurückkehrte erzählte ihm seine Mutter, wie die Schachpartie ausgegangen war, daß es lange gedauert habe, aber sie doch eine Schwäche in der Strategie gefunden hatte. Babette hatte wohl schon genug von Ferien mit Oma Blanche, konnte Julius an Blick und Verhalten der Neunjährigen sehen. Er fragte sich immer, ob ihre Großmutter andauernd magische Strafen anwandte wie Sprechbann oder vielleicht sogar Verwandlungen. Doch er würde den Teufel tun, Babette oder gar Madame Faucon danach zu fragen.

Abends versuchte sich Martha im Spiel auf dem Klavier, das in einer Kammer unter dem Dach stand und weder staubig noch verstimmt war, obwohl Julius es nie gehört hatte, als er hier gewohnt hatte. Madame Faucon spielte Cello, wußte er. Er selbst versuchte, seine Mutter auf einer Querflöte zu begleiten. Das Instrument lag ihm noch nicht so gut wie die Blockflöte. Aber irgendwie ging es. Babette war bereits um acht Uhr zu Bett geschickt worden, obwohl sie einmal erwähnt hatte, daß sie in den Ferien um neun ins Bett ging.

"Und du kuckst dir morgen das Spiel der Schulabgänger an?" Fragte Martha Andrews. Julius nickte.

So um zehn Uhr zogen sich Mutter und Sohn auch in ihre Zimmer zurück und legten sich schlafen.

__________

Die Stimmung am nächsten Morgen war groß. Viele Schüler von Beauxbatons waren extra angereist, um sich die Partie der nun mit der Schule fertigen Quidditchspieler anzusehen. Jeanne hatte eine reine Hexenmannschaft zusammengestellt, in der auch Suzanne Didier mitspielte, die eigens dafür aus Paris gekommen war. Brunos reine Männertruppe wurde von Adrian Colbert und anderen Gästen aus anderen Zauberersiedlungen verstärkt. Monsieur Castello, ein Zauberer mit einem langen, unter dem Kinn zum Zopf geflochtenen Bart, machte den Schiedsrichter. Das Spiel an sich dauerte ganze drei Stunden. Julius saß mit Babette in einer der oberen Reihen neben Virginie und Claire und wußte nicht, wen er jetzt anfeuern sollte. Beide Mannschaften schienen das Spiel ihres Lebens machen zu wollen. Zwischendurch hätte Janine Dupont oder der Sucher der Jungenmannschaft, der wohl Reservespieler der Weißen gewesen war, den goldenen Schnatz erwischen können. Doch irgendwie galt wohl, das Spiel an sich auszukosten. Gustav van Heldern genoss es, ein Tor gegen seine Verlobte Barbara Lumière zu erzielen. Babette schien das Spiel regelrecht aufzutauen. Sie feuerte mal die Mädchen an, mal die Jungen. Dann holte sich Janine den Schnatz und brachte damit die Gesamtpunktzahl ihrer Mannschaft auf 400, während die Jungen gerade mit 100 Punkten ein gewisses Ehrenergebnis erzielt hatten. Sofort danach holten die Hexen Faucon und Delamontagne ihre jugendlichen Schützlinge ab und brachten sie auf Besen in ihre Häuser. Babette saß hinter Madame Faucon, während Julius auf dem Ganymed 4 alleine flog.

Während des Mittagessens wurde Martha Andrews, die es vorgezogen hatte, ein wenig Spazieren zu gehen, über das ganze Spiel unterrichtet. Der Nachmittag gehörte dann Spaß und Spiel. Babette hatte mit Erlaubnis ihrer Oma gleichalterige Nachbarskinder eingeladen, und Julius brachte ihnen Spiele bei, die ohne Magie und ohne technische Geräte gespielt werden konnten. Als dann Madame Faucon durch Händeklatschen die Spielstunden beendete und alle, die sich über gebühr schmutzig gemacht hatten aufforderte, sich zu waschen und ihre verdreckten Sachen von ihr sauberzaubern zu lassen, merkte Julius, daß es doch genauso anstrengend wie lustig sein konnte, einen Stall voller Kinder bei Laune zu halten. Madame Faucon bedankte sich später bei Martha und ihm, daß sie den Kindern sehr anregende und Entwicklungsfördernde Spiele beigebracht hätten. Julius meinte dazu nur:

"Ich habe mich an und für sich nie für einen Kindergärtner gehalten. Zwischendurch wurde es ja doch manchmal heftig mit den Jungs und Mädels."

"Ja, aber das hast du gut überspielt. Dieser Laurenzia-Tanz, den du mit denen einstudiert hast war schon was, das ich mir wohl für spätere Zeiten merken möchte."

"Hoffentlich beschweren sich Ihre Nachbarn nicht, wenn ihre Kinder morgen Schmerzen in den Knien haben von den vielen Kniebeugen."

"Denke ich nicht, Julius. Die sind ja den ganzen Tag in Bewegung, wenn ich das richtig gesehen habe", meinte Martha Andrews.

Wieder um zehn Uhr wurde es Still im Hause Faucon. Julius schlief seinem vierzehnten Geburtstag entgegen. Hoffentlich konnten alle kommen, die er eingeladen hatte.

__________

Wie vor zwei Jahren schon einmal erwachte der Beauxbatons-Schüler von fröhlicher Musik, die durch das leicht geöffnete Dachfenster zu ihm hineinwehte. Er stand auf, zog sich schnell seinen mitternachtsblauen Umhang über und lief so leise es ging hinunter. Draußen sangen die Dusoleils, Virginie und Laurentine ihm ein Lied zum Geburtstag, das er auch für Claire schon gesungen hatte. Madame Faucon spielte dazu Harfe. Als Julius in die Mitte der ihn begrüßenden trat, flammten magisch entzündet mehr als zwanzig Kerzen und Lampions auf. Seine Mutter und Babette kamen eine Minute später herunter und reihten sich in die Gruppe der Gratulanten ein. Julius freute sich, sie alle zu sehen. An und für sich, so dachte er, war er froh, seinen Geburtstag doch in Millemerveilles feiern zu können, auch wenn in Paris genug Platz da war. Jetzt konnte seine Mutter es selbst miterleben, wovon er ihr oft erzählt hatte.

"Herzlichen Glückwunsch, Julius", wünschte als letzte der Gratulanten Madame Faucon. "Möge das neue Lebensjahr noch schöner, noch erfolgreicher für dich werden wie das letzte endete."

"Ich war schon ziemlich zufrieden mit dem letzten Jahr. Aber danke", sagte Julius ruhig.

"Wir haben Barbara unterwegs getroffen. Sie wollte um den Dorfteich laufen", sagte Madame Dusoleil. Julius verstand. Jetzt war er schon den zweiten Tag hier und hatte sein übliches Morgentraining noch nicht wieder aufgenommen. Er bedankte sich bei den Hexen und Zauberern, die ihm gratuliert hatten und wünschte ihnen bis zum nachmittag noch eine schöne Zeit.

Im Trainingsanzug und in Turnschuhen lief er im leichten Trab ins Zentrum von Millemerveilles. Dort traf er nicht nur Barbara, sondern auch zwei Junghexen mit feuerroten Haaren und grünen Augen, die in eng anliegenden Sportanzügen um den Teich mit den zwölf Bronzefiguren liefen. Dann kam noch eine ältere Hexe, die von Gesicht und Haar her den beiden haargleichen Mädchen so ähnlich war, daß sie es nicht hätte abstreiten können, deren Mutter zu sein. Julius konnte für zwei Sekunden nicht anders als auf die üppige Oberweite der Hexe zu starren. Offenbar, so mußte er erkennen, griffen die eingebauten Programme schon wieder, die den Jungen zum mann machten.

"Hallo, Julius", grüßte Barbara das Geburtstagskind. "Alles gute zum vierzehnten!"

"Joh, danke, Barbara. Ich dachte, du würdest hier alleine herumlaufen. Wußte nicht, daß die Familie Montferre schon da ist."

"Hallo, Julius. Du hast heute geburtstag?" Grüßte eine der Zwillingsschwestern, Sabine Montferre, den Schulkameraden.

"Joh, Sabine", erwiderte Julius. Mittlerweile konnte er die beiden Mädchen aus dem roten Saal auseinanderhalten, wenn er sie genau ansah. Denn sie trugen immer verschiedenen Schmuck oder hatten ihre Haare unterschiedlich frisiert.

"Dann jawohl alles gute", schloß sich Sandra Montferre den Glückwünschen an. Ihre Mutter, Madame Raphaelle Montferre.

"Wußte nicht, daß das hier 'ne reine Frauenturnstunde wird. Dann gehe ich besser wieder", sagte Julius feist grinsend.

"Spinn nicht rum, Julius! Die drei sind gerade erst angekommen. Wir haben nichts abgesprochen oder festgelegt", sagte Barbara lächelnd. "Also kannst du ruhig mittrainieren. Hast du den Schwermacher mitgenommen?"

"Ja, habe ich", sagte Julius und holte jenen magischen Kristallkörper an einer Kette hervor, der bei Leibesübungen den Eindruck immer größeren Widerstands vermittelte, sodaß man ohne Gewichte und Übungsgeräte Kraft- und Ausdauerübungen machen konnte. So schaffte es Julius, zwanzig Minuten unter dem Schwermacher durchzuhalten, bis er vollkommen ausgelaugt den Kristall vom Körper nahm und fortpackte.

"Paris ist ein blödes Trainingsgelände, wie? Die verpesten da ja auch die Luft, daß es nicht mehr gesund ist", beschwerte sich Barbara über die nachlassende Form ihres Trainingspartners.

"In Avignon ist sie nicht besser", wußte Madame Montferre, die die von Barbara angesagten Übungen problemlos mitgemacht hatte. Sie zog ihren Zauberstab aus einer mitgebrachten Reisetasche und ließ allen Schweiß von Julius' Haaren und Kleidung verschwinden, damit er nicht zu frieren anfing.

"Ich könnte mir ja die Kopfblase zaubern. Aber das darf ich in den Ferien ja nicht", sagte Julius, nachdem Madame Montferre mit ihrer Hexerei fertig war.

"Weil das ja auch jedem Muggel sofort auffällt, wenn du ein bläuliches Ding wie ein umgedrehtes Goldfischglas um den Kopf trägst", sagte Sabine.

"Wie seid ihr eigentlich hergekommen?" Wollte Julius von den Montferres wissen.

"Wir sind in die Nähe von Millemerveilles appariert", sagte Sabine. Julius wunderte sich nicht schlecht. Hatten die Zwillinge denn schon ...? "Wir haben gestern die Prüfung bestanden, mit Auszeichnung", sagte die wenige Minuten ältere Montferre-Tochter noch. "Schade das wir nicht direkt im Dorf apparieren können. Sardonias Sperren sind ja legendär gut."

Sardonia vom Bitterwald war einst die unumschränkte Herrscherin von Millemerveilles, ja der gesamten französischen Zaubererwelt. Sie hatte ein sehr tyrannisches Regime von Hexen angeführt, das wohl selbst dem Terror des dunklen Lords Voldemort überlegen gewesen war. Sie hatte einst Millemerveilles durch verschiedene Zauber gegen das Eindringen schwarzer Magier abgesichert und auch einen magischen Dom gegen unerlaubtes Apparieren und Disapparieren geschaffen. Innerhalb der Abgrenzung konnten Hexen und Zauberer zwar auf die zeitlose Art den Standort wechseln, aber nicht aus Millemerveilles hinaus oder von außen hinein.

"Papa hat unser Gepäck auf einen bezauberten Leiterwagen verfrachtet, als wir alle am Zielpunkt angekommen waren. Er macht gerade unsere Zimmer klar. Hoffentlich kann er den alten Renard runterhandeln", sagte Sandra Montferre.

"Der kriegt doch jetzt sowieso die Hütte voll", sagte Julius.

"Auf jeden Fall wird es hier wohl sehr belebt zugehen", erkannte Madame Montferre.

"Wir kriegen alle unter", sagte Barbara. "Was machst du bis zu deiner Feier?" Fragte sie Julius dann noch.

"Was ansteht vielleicht. Beim letzten mal wo ich bei Madame Faucon gewohnt habe durfte ich den Tisch decken und das Essen bereitstellen."

"Denke nicht, daß du das dieses Jahr wieder machen mußt", lachte Barbara. "Die wollte dir wohl damals zeigen, daß es besser gewesen wäre, ihr vorher was zu sagen."

"Ach neh, Barbara", versetzte Julius leicht verächtlich. Denn genau das war ihm schon damals sofort klar gewesen.

"Wer kommt alles?" Wollte Sabine wissen. Julius, der leicht errötete, weil er nun verraten mußte, die Montferres nicht eingeladen zu haben, zählte auf:

"Also, Virginie kommt ohne ihre Eltern aber mit Laurentine, dann hat mir meine frühere Schulkameradin Gloria zugesagt, ebenso ihre Oma aus Amerika, das sind zusammen vier. Dann kommen ein paar Leute aus Hogwarts, zusammen wohl fünf, wenn bei einigen die Eltern mitkommen könnten es sieben sein. Dann sind wir bei neun bis elf. Dann noch Barbara, Céline, Gérard, Robert, Jeanne, Claire, Denise, Sandrine und Belisama, die ja schon in Millemerveilles ist."

"Wieviel Leute insgesamt?" Fragte Sabine.

"Mit uns vieren dann zusammen um die zwanzig", sagte Julius, der noch einmal durchrechnete, wieviele Leute es dann sein würden. Er stellte sich vor, daß Pinas Mutter oder Vater mitkommen würde, da sie ja eine Nacht in Millemerveilles schlafen würden. Kevin kam bestimmt mit den Hollingsworths zusammen, die schon angekündigt hatten, sich erst vom Fahrenden Ritter durch den Kanaltunnel bringen und dann mit einem in Frankreich gebräuchlichen Transporter, dem Wolkenreiter, weiterbefördern zu lassen, wenngleich Julius nicht wußte, was das waren, der Fahrende Ritter und der Wolkenreiter. Letzteres war wohl ein Flugzeug oder etwas ähnliches.

"Dann wünschen wir dir noch viel Spaß mit deinen Gästen", sagte Madame Montferre. "Wir werden ja noch etwas mehr als eine Woche hier sein."

"Dann treffen wir uns bestimmt noch einmal", sagte Julius. Er verabschiedete sich auch von Barbara und lief dann im lockeren Trab zum Haus von Professeur Faucon zurück.

Nach einer ausgiebigen Dusche und einem reichhaltigen Frühstück wurde Julius von Babette gefragt, ob er schon die ersten Geschenke auspacken wollte. Er meinte, daß er doch warten wolle, bis die Gäste eingetroffen wären. Madame Faucon sagte dazu nur:

"Julius hat den Anstand gelernt, den du auch noch lernen wirst, Babette. Ich habe die Geschenke von denen, die nicht kommen können gut verschlossen und werde sie erst heute Nachmittag herausholen. - Versuch es erst gar nicht, die Kammer zu öffnen, Kleines!" Babette sah enttäuscht drein, als ihre Großmutter das sagte. Martha Andrews saß nur ruhig dabei und hörte sich an, was Julius von seinem Morgenlauftraining erzählte. Madame Faucon meinte:

"Die Montferres werden wohl die einzigen sein, die apparieren werden. Die anderen haben Kinder und minderjährige Zauberer dabei und müssen wohl mit anderen Reisemitteln herüberkommen, viele wohl über die Reisesphäre. Ich denke, ab morgen wird Millemerveilles richtig gut besucht."

"Das wird dann lustig", meinte Babette voll Vorfreude, noch mehr berühmte Hexen und Zauberer zu treffen.

"Gibt es für mich irgendwas zu tun?" Fragte Julius.

"Sieh zu, daß du mit Babette aus der Küche herausbleibst und am Besten vor dem Mittagessen auch aus dem Esszimmer!" stellte Madame Faucon klar. Du kannst machen, was du willst, solange deine Teilnahme an deiner Geburtstagsfeier heute Nachmittag nicht gefährdet wird."

"In Ordnung", sagte Julius. "Babette, sollen wir zusammen in die grüne Gasse oder zum Tierpark?"

"Jau, in den Tierpark", freute sich Babette und bekam ganz große Augen.

So gingen Martha und Julius Andrews mit Babette Brickston in den magischen Tierpark von Millemerveilles. Julius erklärte seiner Mutter, was sie bereits alles in Beauxbatons drangenommen hatten und zeigte ihr auch die riesigen Abraxarieten, die geflügelten, goldfelligen Pferde, die groß wie Elefanten waren und mächtige Flügel an den Schultern trugen. Sie besichtigten die Greife, Mischwesen zwischen Löwen mit goldenem Fell und rotgefiederten Adlern mit langen scharfen Schnäbeln. Eine Familie Schwatzfratze, etwas größer geratene Frettchen, die in gewissen Grenzen menschliche Worte sprechen konnten, beschimpfte den Tierpflegezauberer, der gerade mit dem Ratzeputzzauber durch den künstlichen Bau fegte, in dem die zwanzig Tiere lebten. "Eh, Schleimbeutel, lass das!" Schrillte ein Weibchen, als der Zauberstab des Pflegers sich ihrem Nest mit fünf Jungen näherte.

"Zisch ab, Schweißfuß!" Quiekte ein kampflustiges Männchen und zeigte die nagelspitzen Nagezähne.

"Wer bringt denen denn das Sprechen bei?" Wunderte sich Martha Andrews.

"Das ist bis heute noch ziemlich ungeklärt, Mum. Es ist nur gesichert, daß die Jungen ab dem zweiten Lebensmonat schon daherplappern können. Könnte sein, daß sie das Sprachtalent von den Gnomen übernehmen, die sie fressen."

"Ja, aber die schimpfen ja nur herum", wandte Mrs. Andrews ein.

"Das ist deren Natur", meinte der Pfleger, als er zwei besonders laute Exemplare mit dem Silencius-Zauber zum Schweigen gebracht hatte.

"So'n Tier ist doch langweilig", sagte Babette. "Haben die außer den Flugpferden auch Drachen da?"

"Mädchen, den Drachen mußt du mir zeigen, der sich länger einsperren läßt", lachte der Tierpfleger. Dann erkannte er, mit wem er sprach.

"Ach, die kleine Babette! Ah, und Monsieur Andrews ist auch wieder im Lande."

"Ich bin nicht klein, Schnarchnase", nöhlte Babette. Die Schwatzfratze übernahmen das Schimpfwort und sangen es im Chor.

"Damit ist geklärt, daß sie schnell Schimpfwörter übernehmen", stellte Julius fest. Er sagte dann dem Pfleger noch, daß er auch zu den beiden Hochzeiten eingeladen sei, die es hier demnächst gab, was den Tierpfleger nicken ließ.

"Ich habe gestern schon mit dem jungen Monsieur van Heldern gesprochen, als ich bei den Abraxaspferden den Whiskeyvorrat aufgefüllt habe. Hat 'ne Menge drauf, was magische Tierwesen angeht. - Aua!" Einer der Schwatzfratze hatte dem Pfleger in den linken großen Zeh gebissen und war schneller als eine Pistolenkugel aus der Reichweite des Zauberers entwischt. "Haua, hat dieses Biest Zähne", schimpfte der Tierpfleger noch und humpelte aus dem Gehege mit dem künstlichen Bau. Julius zog seine Mutter und Babette weiter, damit der arme Mann seine Verletzung ungestört begutachten konnte.

Sie besichtigten die Wolpertingerfamilie, die um einem kleinen Teich in Erdhöhlen oder Baumnestern herumtollten. Martha Andrews schmunzelte.

"Also gibt es diese Tiere doch. Ich habe immer geglaubt, das sei nur eine Art Jägerlatein, um Touristen zu verulken", sagte sie.

"Das wäre doch auch ein schönes Haustier", meinte Julius zu Babette. Die schüttelte ihren Kopf.

"Zu klein und irgendwie zu langweilig."

"Monster als Haustiere kommen aber nicht gut, Babette. Der Hagrid, der in Hogwarts die Zaubertiere hütet, der ist auch auf dem Trip wie du. Der hätte am liebsten auch einen Drachen."

"Der kann sich doch ein Ei holen", meinte Babette.

"Klar", lachte Julius. "Nur doof, daß Drachenweibchen ihre Eier nicht rausrücken und das Halten von Drachen sowieso verboten ist und du einen Drachen gar nicht verstecken kannst."

"Aber die meisten Mädchen wollen doch eh ein Pferd", warf Martha Andrews belustigt ein. "Wie wäre es mit einem der fliegenden, die wir gesehen haben?"

"Wenn's sein muß", maulte Babette.

Sie schlenderten von einem Großgehege zum nächsten, beobachteten afrikanische Fluglöwen mit silbernem Fell und dunkelroter Mähne und großen, ebenfalls roten Flügeln, die einst an den Höfen der afrikanischen Zaubererfürsten als Symbole der hohen Rangstellung gehalten wurden, winzige Wechselfarbenfische, die in einem kugelförmigen Aquarium herumschwammen und Runespors, dreiköpfige Schlangen, die als besonders giftig bekannt waren. In einem Meerwasseraquarium sah Julius drei Wassermenschen, die einen haiartigen Fisch mit grüner Schuppenhaut betreuten. Zwischendurch stieß der Fisch eine Wolke aus bläulichen Entladungen aus dem Maul. Julius las die Bezeichnung: "Der tropische Blitzerfisch pisciviridis rapidissimus aequatorialis"

"Da hat wohl einer mal einen elektrischen Aal mit einem Tigerhai verkreuzt", stellte Julius fest. Dann fiel sein Blick auf eine schlanke Wasserfrau mit korallenrotem Fischschwanz und blondem Lockenhaar.

"Die arbeiten hier, Mum. Die gehören nicht zu den Zaubertieren. Wußte nicht, daß es die Wesen auch in schön gibt. Ich habe bisher immer grünhaarige, mißmutig wirkende Exemplare mit silbergrauen Schwänzen zu sehen bekommen."

"Wieso ist der Fisch da so grün wie Pflanzen?" Fragte Martha Andrews. Julius las die genaue Beschreibung des ausgestellten Tieres noch einmal durch und sagte:

"Die lesen während des Wachsens Meeresalgen auf, die sich von Ausscheidungen der Haut ernähren und den Fischen irgendwie die Energie für ihre Blitzwaffe und ihre hohen Geschwindigkeiten bis zu 260 Stundenkilometern verleihen. Um sie hier zu halten wurden nicht nur die fünf Zentimeter dicken Glaswände unzerbrechlich gezaubert, sondern auch ein Betäubungsmittel ins Wasser gegeben, daß sie halb schläfrig hält. Ansonsten würden die schneller als jeder Torpedo abzischen. Sie können alle tropischen Gewässer der Erde besiedeln und werden von Muggeln nicht gesehen, weil sie allem davonschwimmen, was nicht nach Fisch riecht oder sich so anhört. Sie haben keinen natürlichen Feind und bringen daher nur alle zehn Jahre ein lebendes Junges zur Welt, daß bereits jedem Hai davonschwimmen kann, wenn es nicht von der Mutter mit deren Blitzschlägen verteidigt wird.

"Haie können elektrische Felder von ganz geringer Stärke wahrnehmen", wußte Martha Andrews und verstand, was diese eleganten Zauberfische betraf.

"Wo hast du schon Meerjungfrauen gesehen, Julius?" Wollte Babette wissen. Er erzählte ihr vom See bei Hogwarts und dem See der Farben bei Millemerveilles. Zwischendurch verschwand die rotschwänzige Meerjungfrau durch eine Schleuse im Boden, während der grüne Fisch leicht dösig knapp unter der Wasseroberfläche dahinschwamm.

"An und für sich brutal, ein Tier andauernd unter Drogen zu halten", stellte Martha Andrews fest. "Nur damit sie es dem profanen Zuschauer zeigen können."

"Ja gut, Mum, so gesehen dürftest du überhaupt keine wilden Tiere in Zoos zeigen, weil die ja alle gefangen sind, ob Adler oder Löwe", sagte Julius.

"Da ist aber wohl doch ein Unterschied zwischen artgerechter und nichtartgerechter Haltung, Julius. Es gibt Zoos, wo Tiger und Löwen in engen Käfigen gehalten werden und solche, wo sie doch noch einen gewissen auslauf haben."

"Vor allem die Tiegr", warf Julius ein, der sich daran erinnerte, wie ein Königstiger im Londoner Zoo immer hin und her durch sein Gehege lief.

"So ähnlich muß das diesem Fisch hier gehen. Nur daß sie keinen zu engen Käfig um ihn gebaut haben sondern ihn mit irgendwelchen Schlafmitteln dösig halten", sagte Mrs. Andrews.

"Hast recht", sagte Julius beschämt. Manche Tiere gehörten einfach nicht in einen Zoo. Aber wie wollte man einen Blitzerfisch sonst mal zu sehen kriegen, wenn der allem davonschwamm, was nicht ins Wasser gehörte?

Mit nicht mehr so ganz fröhlichen Gedanken gingen die drei Zauberzoobesucher weiter und besichtigten die magischen Nutztiere, die etwas kleiner waren, wie das Goldeihuhn, eine Züchtung aus Russland, das Eier mit hauchzarter Goldschale legte und bei dem die Hähne schwanengroße Vögel mit bunt schillerndem Gefieder waren. Auf dem Beschreibungsschild stand auch, daß sie als gute Wachtiere und Besuchermelder dienten, weil sie für bestimmte Eindringlinge bestimmte Gacker-, Glucks- und Schnarrlaute lernen konnten. Allerdings sollte niemand näher als vier Meter neben einem krähenden Goldeihahn stehen. Warum das so war, bekamen sie auch prompt geboten, als der kapitale Hahn der an die zwanzig Tiere zählenden Gruppe den goldenen Kamm anschwellen und dann ein unüberhörbares "Kukureckuh" erklingen ließ. Julius dachte an Alraunen, deren Schrei man auch nicht ohne Ohrenschützer hören durfte, als ihm die Stimme des Hahnes durch die Ohren in den Kopf stach und gleichzeitig die Bauchdecke durchwalgte.

"Autsch, wie laut!" Rief Babette den Hahn an, der ihr den Kopf zuwandte und neue Anstalt machte, zu krähen. Sie liefen schnell zurück, aus einem weißen Kreidekreis heraus und hörten das Krähen wie durch meterdicke Watte gefiltert.

"Jetzt wissen wir auch, warum wir den nicht durch den ganzen Park krähen hören", erkannte Julius und deutete auf die im Kreidekreis verschlungenen Linien. "Das hier sind Zauberrunen für Ruhe und Flüstern, damit der Kreis die Geräusche abschwächt."

"Das hat mir auch gereicht", sagte Martha Andrews, und Babette rieb sich die gepeinigten Ohren.

Sie beobachteten die Niffler, die sich durch den Boden zu graben versuchten, aber an einem in den Boden eingelassenen Stahlbecken fast die Schaufelbeine brachen, die Crups, Hunde mit weißem Fell und gegabelten Schwänzen, die einen Höllenradau machten, als Julius' Mutter sich ihnen näherte, weil sie keine Muggel leiden mochten und Wasserjodler, entenartige Vögel mit blauem Gefider, die als Wasserprüfer und -finder eingesetzt wurden. Julius vermißte nur Kniesel. Denn bevor er mit Belle zusammen den Kniesel in Beauxbatons gesehen hatte, war ihm noch keiner untergekommen. Er fragte einen in Drachenhautuniform gekleideten Pfleger, ob man auch Kniesel hätte.

"Wir hatten vor drei Jahren mal Hauskniesel. Aber die sind uns irgendwie entwischt, weil wir sie nicht so heftig einzufrieden brauchten. Die einzige Knieselin die hier noch wohnt ist im Privatbesitz. Wir halten auch keine Latierre-Kühe hier, weil das Pflanzenmaterial, was die fressen schnell erschöpft wäre. Die Abraxaspferde können wir mit Whiskey und Kürbissen füttern. Aber Latierre-Kühe sind Pflanzenvernichtungsmaschinen. Oh, da fällt mir was ein. 'tschuldigung, Madame, Mademoiselle und Monsieur." Sprach's und disapparierte einfach mit lautem Knall.

"Huch, was war das denn jetzt?" Fragte Martha Andrews.

"Blöde Frage. Der is' disappartiert", versetzte Babette.

"Och, der ist geplatzt, Babette. Hast du den lauten Knall nicht gehört?" Legte Julius nach und sah dann seine Mutter an, die Babette vorwurfsvoll anblickte.

"Was disapparieren ist weiß ich, junge Dame. Ich wollte eher wissen, warum der so plötzlich verschwunden ist", sagte sie kalt wie eis.

"Achso, ich dachte, du wüßtest das nicht, wie das disapparatieren geht", sagte Babette kleinlaut.

"Warum der auch immer so eilig wegmußte, Mum. Rumstehen und warten bringt's nicht. Außerdem ist es bald halb zwölf, und Madame Faucon ist ziemlich eigen, was feste Zeiten angeht."

"Ist mir auch schon bekannt, Julius", sagte seine Mutter und lächelte dabei. Sie nahmen Babette zwischen sich und verließen den weitläufigen Tierpark, hinter dem sich jeder Muggelzoo verstecken konnte, abgesehen davon, daß es hier weder Drachen noch Einhörner gab.

Zehn Minuten vor Mittagszeit trafen die drei Ausflügler wieder bei Madame Faucon ein. Diese lächelte großmütterlich und richtete ihnen schöne Grüße von Madame Maxime aus. Die halbriesische Schulleiterin von Beauxbatons hatte durch das Kaminfeuer mit Madame Faucon gesprochen und hatte dabei schöne Glückwünsche für Julius ausgerichtet. Ansonsten war alles vorbereitet.

Das Mittagessen wurde in der Wohnküche eingenommen. Die Hausherrin hatte für den Mittag nicht so üppig gekocht, weil es am Abend ja ein mehrgängiges Menü geben würde. Am Nachmittag half Babette Julius noch dabei, einige Luftschlangen und bunte Leuchtballons aufzuhängen. Dabei sangen sie Hexenlieder, die Julius hier schon nachgespielt und zusammen mit Claire und Denise häufig gesungen hatte, wo er die letzten Ferien hier verbracht hatte.

"Um drei kommen die ersten Gäste, Julius!" Rief Professeur Faucon, die einen voll beladenen Festtisch mit Zauberstabbewegungen dazu brachte, aus dem Haus herauszuschweben, ohne zu schwanken in den Garten hinüberzugleiten und dort ohne hart aufzusetzen zu landen. Julius hatte es jetzt endgültig kapiert, daß die Schufterei vor zwei Jahren nichts als eine Strafaktion war. Denn die Lehrerin kam ohne ihn viermal so schnell mit allem zurecht, weil sie alles mit Magie herbeiholte, zurechtmachte, umrückte oder sauberzauberte.

"Sind das die mit der Reisesphäre?" Wollte Julius wissen.

"Denke eher, daß werden deine britischen Gäste sein", erwiderte Madame Faucon. Babette blies gerade den letzten Luftballon auf, ließ ihn aber los, sodaß er wild prustend und mit der Öffnung zitternd davonschwirrte, wobei er feine Speicheltröpfchen wie Regen versprühte. Julius sah, wie der Ballon in schlingernden Bahnen nach oben und über das Hausdach davonflog.

"Sag mal, wie voll hast du den geblasen, Babette?" Wunderte sich Julius, als er den Ballon immer noch hörte, wo andere Ballons schon längst als schlappe Hülle hätten runterfallen müssen.

"oh, so voll habe ich den nicht gemacht", beteuerte das Hexenmädchen mit abbittender Miene.

"Hast du mal wieder einen von Tante Madeleines Leuchtballons ohne zuknoten losgelassen, Kind? Du weißt doch, daß die dann nicht mehr aufhören, herumzufliegen", sagte Madame Faucon mit leichtem Tadel. Sie trat in den Garten, suchte mit ihren saphirblauen Augen das Haus ab, bis ein wild schlackernder, immer noch kugelförmiger Ballon um die Ecke schwirrte und holte ihn mit "Accio Luftballon!" zu sich zurück, wobei der Ballon versuchte, dem Herholzauber zu entfliehen, es dann aber irgendwie aufgab und in weniger als einer Sekunde die in ihm verbliebene Luft verlor und als leere Hülle in der freien Hand der Lehrerin landete.

"Huch, wieso flog der weiter?" Wollte Julius wissen. Die Antwort "Zauberei eben" ließ er in den meisten Fällen nicht mehr gelten. Auch diesmal bekam er eine Antwort.

"Madeleine hat bei Forcas fatale Verrücktheiten auch Leuchtballons gekauft, die sich entweder bis zur Hausgröße aufblasen lassen oder wochenlang eine gewisse Restmenge Luft in sich behalten. Die Menge kann vorbestimmt werden. Wenn dann wer wie Babette meint, Luftballonlosschwirren spielen zu müssen wird die betreffende Restmenge durch Luft von außen ersetzt, schneller als sie von innen abgelassen wird. So kann der Ballon dann auch wochenlang herumschwirren, wenn er nicht per Bewegungszauber oder einen Elementarzauberblocker aufgehalten wird. Soviel dazu. So, und jetzt blas den bitte ordentlich auf und knote den zu, ma chere!" Sagte die Lehrerin und reichte Babette den leeren Ballon zurück. Sie tadelte nicht und blickte ihre Enkelin auch nicht vorwurfsvoll an. Offenbar war das für sie ein willkommener Anlaß gewesen, Julius was neues beibringen zu können, und Babette natürlich auch.

"So, die Ballons hängen richtig, die Luftschlangen schlängeln sich munter. Jetzt können die ersten kommen", stellte Julius kurze Zeit später fest.

"Wolltest du in dem Umhang feiern, Julius?" Fragte Madame Faucon. Julius schüttelte den Kopf. Er wollte seinen etwas besser aussehenden Umhang anziehen, der himmelblau mit sonnengelbem Saum und Kragen war. Seine Mutter war bereits in ihrem Zimmer und zog sich wohl ein Festkleid an. Für Babette gab es keine Umziehanweisung. Sie konnte in dem mauvefarbenen Kleid problemlos zu einer einfachen Geburtstagsfeier kommen.

"Haben Sie auch sowas angesetzt wie die Dusoleils letztes Jahr?" Wollte Julius wissen. Madame Faucon schüttelte den Kopf.

"Ich muß nicht diesen Empfangszirkus machen. Wenn jemand läutet, machst du die Tür auf, bittest den Gast herein und führst ihn in den Garten, wenn du ihn oder sie ordentlich begrüßt hast und der Gast weiß, wo er Übergarderobe und mitgebrachte Geschenke verstauen kann. Achso, eventuelle Geschenke kommen in das Esszimmer, wie vor zwei Jahren. Die Überkleider können an der Garderobe im Flur aufgehangen werden. Bügel und Haken sind mehr als ausreichend verfügbar."

"Alles verstanden, Madame", bestätigte Julius.

Es vergingen noch zehn Minuten bis die vielstimmige Türglocke anschlug. Julius nickte seiner Mutter in ihrem meergrünen Sommerkleid zu und ging durch den Flur an die Tür. Babette, nicht neugierig, sondern nur interessiert, folgte Julius in drei Schritt abstand. Er öffnete die Tür und erkannte Céline Dornier, ein spindeldürres, hellhäutiges Mädchen mit hellgrünen Augen und dichtem, pechschwarzem Haar. Neben ihr stand ihr fester Freund Robert Deloire. Sie trugen helle Kleidung, er einen Umhang, sie Rock und Bluse.

"Alles gute zum Geburtstag, Julius!" Beglückwünschten die beiden ersten Gäste den Mitschüler. Céline umarmte ihn landesüblich und Robert klopfte ihm auf die Schulter.

"Acht Tage vor mir. Schade das die dich nicht hier weglassen, um zu mir zu kommen", sagte Robert. Dann fragte er, wer von der dritten Klasse noch käme. Julius sagte es ihm, während er den beiden das Esszimmer zeigte, wo bereits ein langer Pappkarton an der Wand lehnte. Céline grinste.

"Neh, das Spiel spielen wir doch nicht, oder Julius?"

"Welches?" Fragte Julius zurück.

"Du hast den Besen doch schon letztes Jahr gekriegt", flüsterte Céline merkwürdig grinsend. "Na ja, wenn sie meint."

"Wer ist das denn, Julius?" Wollte Babette wissen. Julius stellte die Gäste und Babette einander vor.

"Ach, du bist Professeur Faucons Enkeltochter, die den Muggelvater hat", rutschte es Robert heraus. Babette lief leicht rot an und glubschte etwas betreten zu ihm hoch.

"Über die Abstammung meiner Enkeltochter ist nichts nennenswert schlechtes zu diskutieren, Monsieur Deloire", mischte sich Madame Faucon ein, schaltete dann aber vom Lehrerinnenauftritt zur gastgebenden Großmutter zurück. "Schön, daß ihr es einrichten konntet, Céline und Robert. Mit wem seid ihr denn angereist?"

"Onkel Baudouinhat uns von Paris hier abgesetzt. Da Sie ja eine kleine Gesellschaft gewünscht haben ist er jetzt in diesem Gasthaus und versucht vielleicht, neue Kunden zu werben. Er wird uns heute abend um elf abholen, wie Sie es gewünscht haben, Professeur", machte Céline Meldung.

"Auch das noch", knurrte Madame Faucon doch etwas ungehalten. Doch dann lächelte sie wieder.

"Ich fürchte nur, dein Onkel wird enttäuscht sein", schnarrte die Gastgeberin unheilvoll. "Warum mußte er sein Talent in Zauberkunst und Verwandlung diesem Tunichtgut andienen?"

"Weil's Geld stimmt, Pro... öhm, schon gut", meinte Robert, hier mal was freches sagen zu können, merkte aber rasch, daß er immer noch mit der gestrengen Stellvertretenden Schulleiterin von Beauxbatons sprach, als sie ihn sehr warnend anblickte.

"Ach, das ist der, der bei Forcas' Zauberscherzladen arbeitet?" Fragte Julius Céline, die nur nickte. Da klingelte es wieder an der Tür, und Julius entschuldigte sich bei den ersten Gästen.

Wieder mit Babette im Schlepptau ging er zur Tür und öffnete sie. Ein leichter Schauer durchraste ihn, und Babette stieß einen spitzen Schrei aus.

"Hilfe, ein Typ ohne Kopf!"

Vor der Tür stand ein Junge im grasgrünen Umhang. Doch auf dem Hals saß kein Kopf. Es schien so, als sei er abgehauen worden, ohne Blut zu verspritzen.

"Hi, Julius", grüßte eine Stimme in einwandfrei irischem Akzent. Julius mußte lachen.

"Neh, Kevin, daß glaub ich jetzt nicht. Wie machst du das denn, oder willst du jetzt behaupten, deine Birne sei wirklich ab."

"Tarnung und wie du mitkriegst guter Schocker für kleine Mädchen", sagte Kevin, dessen Worte von irgendwoher über dem kopflosen Hals kamen.

"Kevin hat sich wohl bei den Weasleys dumm und arm gekauft", meinte eine Mädchenstimme auf englisch. Dann trat Betty Hollingsworth mit ihrer Zwillingsschwester Jenna in Julius' Blickfeld.

"Ach, die Weasley-Zwillinge machen einen kopflos?" Fragte Julius, während Babette in den Garten lief und ihre Oma alarmierte.

"Kopfloser Hut, Julius. Irgendwie genial. Aber eigentlich wollte ich dir was noch genialeres mitbringen. Doch als ich mit den Mädels hier auf dem Besen über diesem Dorf herumgeflogen bin, ist mir der Gummisack mit dem, was ich dir schenken wollte runtergerutscht und in diesem runden Park gelandet, der in der Richtung von diesem Einhorn liegt, das um den großen runden Teich mit dem pyrenäischen Purpurpanzer und dem Hippogreifen und der Meerjungfrau zusammensteht. Dabei ist der Sack aufgeplatzt. Hmm, und jetzt ist der Park ein Sumpf. Mist!"

"Bitte was?! Du hast echt diesen tragbaren Sumpf -? Neh, Kevin! Das ist doch jetzt nicht dein Ernst", lachte Julius, der nicht wußte, was er sonst machen sollte. Dann erkannte er den Schlamassel, besser den Schlamm-assel. Der runde Park im Westen war der weithin beliebte Musikpark, wo so ziemlich alles stattfand, was in Millemerveilles an Kunst geboten wurde.

"Öhm, Kevin? Willst du sagen, der ganze Park ist jetzt versumpft?"

"an für sich nicht, Julius." Da sah Julius Madame Delamontagne herankommen, nicht gerade gut aufgelegt dreinschauend. "Nur blöd, daß ausgerechnet in dem Moment, wo mir der Sack mit dem Sumpfkonzentrat runtergeplumpst ist so'ne dicke Tante mit blondem Zopf und eine piekfein gekleidete Hexe mit rotblonder Mähne in den Park hineinliefen. Die standen schlagartig im Modder drin. Ich glaube, die Dicke war nicht besonders cool drauf deswegen. Kennst du die vielleicht?""

"Meinst du die Hexe, die gerade hinter dir steht?" Fragte Julius nun sehr schadenfroh grinsend. Kevin meinte nur:

"Netter Versuch, aber ich glaub's nicht." Da legte ihm Madame Delamontagne die linke Hand auf die Schulter, ließ sie kurz in Richtung des leeren Halses schnellen und bekam was zu fassen, was sie ruckartig hochriss und unvermittelt einen Spitzhut mit rosa Feder in der Hand hielt. Kevins Kopf mit den rotblonden Haaren war wie aus dem Nichts wieder da, wo er hingehörte. Kreidebleich drehte sich Kevin um und wurde wohl noch bleicher.

"Erfreut zu sehen, welchem Schädel dieser himmelschreiende Unfug entsprungen ist, eine irrwitzige Kreation ausgerechnet über unserem Musikpark loszulassen und mich und eine sehr anständige Dame mit Zauberschlamm zu besudeln. Außerdem mißbillige ich entschieden deine Wortwahl, Bürschchen. Niemand nennt mich eine dicke Tante und grinst dabei noch so frech. Wie heißt er, Julius?" Madame Delamontagne sprach Englisch mit Kevin, damit der ja jedes Wort verstand, während sie den Zauberhut hochhielt, der einen ihn tragenden Kopf verschwinden lassen konnte.

"Sag's nicht, Julius", zischte Kevin.

Professeur Faucon tauchte auf und schob Julius bei Seite. Dann sah sie Kevin Malone sehr eindringlich an. Dieser versuchte, zwischen der korpulenten Hexe und der im himmelblauen Seidenkleid auszuweichen. Doch Madame Faucon ergriff Kevin sacht beim Kragen und hielt ihn fest. Sie sah Madame Delamontagne an und erläuterte ihr:

"Wenn ich richtig orientiert bin heißt der junge Mann Kevin Malone, bewohnt in Hogwarts das Haus Ravenclaw und ist, soweit mir Madame Maxime einmal beiläufig mitteilte, ein leicht zu ungehörigen Dingen ermutigbarer Bursche." Sie sprach französisch, was Kevin und die Hollingsworths nicht kannten. Julius versuchte, sich auf die beiden Mädchen zu konzentrieren, während Madame Delamontagne auf Kevin einsprach, der noch ein Paket unter dem linken Arm trug.

"Habt ihr das mitgekriegt, was da passiert ist?" Fragte Julius Betty.

"Der war zu wild, Julius. Der hat so'n blauen Gummisack mit zwei rosaroten Grinsegesichtern und der Aufschrift W.Z.Z. balanciert, weil Jenna und ich zusammen auf einem Besen saßen. Dann ist der Sack hinten runtergerutscht und platsch. War unheimlich. Wie explodiert hat sich in dem Park eine Sumpflandschaft ausgebreitet. Ich bin froh, daß die beiden Damen da noch rausgekommen sind. Aber der ganze Park ist jetzt ein Sumpf. Hoffentlich mußt du das nicht bezahlen, den wieder wegzumachen."

"Solange ich den nicht selber wegmachen muß", seufzte Julius. Dann versuchte er, Kevin aus der selbstverschuldeten Bredullie herauszuhelfen und sprach Madame Delamontagne auf Französisch an, ob die von Kevin erwähnte andere Hexe vielleicht Lady Genevra von Hidewoods war.

"Ja, das ist sie, Julius. Sie wollte an und für sich noch kommen, hat aber Probleme, weil ihre Zofe Lisa ihr Kleid nicht richtig sauber kriegt." Auf Englisch fügte sie dann noch an: "Das war kein harmloser Streich, Bürschlein. Ich denke, du wirst hier nicht so schnell wieder verschwinden, bevor geklärt ist, wie der Schaden beseitigt wird."

"'tschuldigung, Madame Delmontane. Ich wollte den Sack nicht in Ihren Park donnern lassen", wimmerte Kevin überaus schuldbewußt.

"Was wolltest du denn sonst damit anstellen?" Fragte die Dorfrätin.

"Das war ein Ballast, weil die Mädels ja zu zweit auf dem Besen saßen und wir noch einmal trainieren wollten. Wußte nicht, daß die Halteschlaufe zu weit war und mir hinten runtergerutscht ist."

"Du wolltest also dieses Sumpfpaket weiterverschenken, wohl an Julius Andrews?" Setzte Madame Delamontagne das Verhör fort.

"Kein Kommentar", sagte Kevin. Madame Faucon wechselte einen kurzen Satz mit Madame Delamontagne. Sie reichte Madame Faucon den kopflosen Hut, nickte und sah Kevin noch einmal streng an, bevor sie mit festem Schritt davonging.

"Sage deinen Gästen bitte, wo sie die Geschenke unterbringen und die Übermäntel aufhängen dürfen! Ich hoffe nur, die restlichen Geschenke fallen nicht unter das Reglement für in Beauxbatons unerwünschte Gegenstände", sagte Professeur Faucon auf französisch. Julius wußte, daß sie mal wieder nicht zeigen wollte, daß sie auch die englische Sprache konnte. Er befolgte die Anweisung und zeigte seinen drei Gästen aus England die Garderobe und das Esszimmer, wo Jenna, Betty und Kevin die Geschenkpakete abstellten. Kevin sah das lange Paket an der Wand und meinte:

"Ach, haben die dir jetzt schon wieder 'nen neuen Besen zusammengekauft, Julius?"

"Sieht das so aus?" Fragte Julius, der nicht mehr sicher war, wie er mit Kevin umgehen sollte.

"Komm, du kannst mir ruhig sagen, daß die dir wieder einen Besen hingelegt haben. Das sieht doch'n Blinder mit Krückstock."

"Nur, wenn der den anfaßt, Kevin", grummelte Julius, der im Moment keine Lust hatte, sich auf Kevins coole Sprüche einzulassen. Er kannte die Leute hier zu gut und wußte, daß die einen tragbaren Sumpf ausgerechnet im Musikpark nicht vertragen würden. Er hoffte nur, daß jemand wie Monsieur Dusoleil den innerhalb von Sekunden wegzaubern konnte. Gloria hatte ihm ja erzählt, daß Flitwick den Sumpf in Hogwarts auch in Sekunden bis auf einen winzigen Rest trockengelegt hatte. Er fragte sich jedoch, wie groß dieser Sumpf war. Konnte der wirklich den ganzen Park durchziehen?

Als er die Hollingsworths und Kevin in den Garten führte, wo Babette Kevin nun wieder mit Kopf anstarrte, klingelte es erneut an der Tür. Julius eilte dorthin. Babette folgte ihm wieder. Offenbar hatte sie sich schnell von dem Anblick eines kopflosen Jungen erholt.

"Alles gute zum Geburtstag, Honey", quäkte Mrs. Jane Porter, die in der einen Hand einen Blumenstrauß und unter dem anderen Arm zwei Pakete trug. Hinter ihr standen drei blonde Mädchen, von denen sich Gloria Porter mit ihrer Lockenpracht abhob. Die beiden anderen hatten strohblondes langes Haar, wobei die eine zwei Zöpfe trug und die andere ihr haar offen aber gut gestriegelt trug.

"Hi, Mrs. Porter, Gloria, Pina und - Olivia", begrüßte Julius die vier Hexen auf Englisch. Dann sah er das Mädchen mit dem offen getragenen Haar an und fragte: "Wo hast du denn den Zopf gelassen, Pina?"

"Machte mich irgendwie nur niedlich, Julius", erwiderte Pina. "Da habe ich mit Glorias Hilfe eine etwas selbstbewußtere Frisur zurechtgemacht. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!"

Julius begrüßte die drei in zu ihrer Augenfarbe passenden Kleidern steckenden Hexen und bedankte sich, daß sie es einrichten konnten, herzukommen.

"Ich bin mit den dreien hier direkt mit der Reisesphäre über den großen Teich gekommen. In New Orleans gibt's ja noch einen dieser Ausgangskreise, der mit dem in Paris verbunden ist. Bläänch hat mir ja mal die Zielwörter verraten, weil ich auch schon mal von N. O. rüberkommen wollte, wenn das alte Mädchen und ich uns in Ruhe unterhalten wollten. Hi, da ist ja noch jemand." Sie wechselte ins Französisch über und begrüßte sehr innig Babette, die erst nicht wußte, wie ihr geschah, dann aber erkannte, wer sie da in die weichen Arme schloß und knuddelte. Dann kam auch noch Professeur Faucon herbei und begrüßte ihre Kollegin aus den Staaten und dann die drei Hogwarts-Schülerinnen.

"Hast du Julius was schlimmes aufgehalst oder wieso war der so durch den Wind, als die Tür aufging, Bläänch?" Fragte Jane Porter auf Französisch. Julius wußte, so durften nur wenige mit der erhabenen Lehrerin sprechen, besonders was die Aussprache ihres Vornamens anging.

"Ein anderer Gast von ihm hat sich einen schweren Fehltritt geleistet, dessen Auswirkungen noch erörtert werden müssen. Aber ich habe befunden, daß wir Julius dafür nicht die Festtagsstimmung verderben dürfen. Kommt bitte rein. Julius, du kannst im Flur bleiben. Ich denke, die Dusoleils werden gleich kommen."

"Geht in Ordnung, Madame Faucon", erwiderte Julius. Pina und Olivia hatten den beiden älteren Hexen an den Lippen gehangen. Die Worte "Faux pas" für Fehltritt hatten sie herausgehört, vor allem weil die Hausherrin sie so erzürnt betont hatte. Pina fragte:

"Was hat Kevin angestellt? Faux Pas heißt doch Dummheit, irgendwas unfeines oder falsches sagen oder tun."

"Das fragst du Kevin besser selbst. Vielleicht fühlt er sich jetzt wieder cool genug, um darüber zu reden", sagte Julius verhalten.

"Nein, Julius. Dann hat er wirklich ... Ich dachte, Gilda hätte mir da Unsinn aufgetischt. Wollte der dir wirklich diesen tragbaren Sumpf mitbringen?"

"Öhm ... öhm, so ungefähr", brachte Julius verlegen heraus. Gloria verzog ihr Gesicht zu einer Maske verständnislosen Unwillens. Dann folgte sie Professeur Faucon zusammen mit Pina und Olivia. Julius fragte sich jetzt, ob Gilda wieder mit Kevin zusammen war, wo es doch zwischen den beiden heftig gekracht haben sollte. Doch die eintreffenden Gäste lenkten ihn ab. Erst kamen jedoch nicht die Dusoleils, sondern Sandrine in sonnengelbem Kleid und Gérard in einem taubenblauen Umhang, etwas besser als gewöhnlich und noch nicht zu elegant. Julius begrüßte sie, bedankte sich für die Glückwünsche und daß sie kommen konnten, führte sie erst zum Esszimmer und zu den Plätzen draußen im Garten, bevor er wieder an die Tür ging und die Dusoleil-Töchter begrüßte, wobei er Claire wegen Babettes neugierigen Augen im Rücken nicht zu innig umarmte. Als Denise sich mit Babette davonmachte, schmatzte ihm Claire je einen Kuß auf jede Wange und meinte:

"Maman hat einen Steckbrief rausgehangen, wer den kopflosen Burschen kennt, der den Musikpark mit einem Sumpfzeug vollgekleistert hat. Könnte das jemand sein, den du kennst?"

"Wirst du mitkriegen, Claire", lachte Julius. Jeanne meinte noch:

"Maman kommt gleich noch. Sie will sich den Burschen ansehen. Der hat zwar keinen Kopf auf den Schultern gehabt, aber ich las in einem der durchgekommenen Briefe, daß diese Radaubrüder Weasley Hüte mit erweitertem Unsichtbarkeitsfeld gebastelt haben. Wird Kevin nicht viel bringen, wenn er es war."

"War eure Mutter sehr sauer?" Fragte Julius vorsichtig.

"Sagen wir es mal so, wäre sie dabei gewesen, wäre ihr sicher der Zauberstab ausgerutscht. Aber ich fürchte, sie wird sich an hoher Stelle beschweren. Am besten sollte der Übeltäter schnell wieder abreisen, bevor die ihn hier noch Strafarbeiten verrichten lassen. Jacques kann da ein Lied von singen."

"Ziemlich früh für diese Warnung, Jeanne, da besagte hohe Stelle selbst in die Sache reingeraten ist."

"Dann bricht der Sturm bald über ihn herein", sagte Jeanne unheilvoll klingend und ging mit ihrer mittleren Schwester zum Esszimmer, um die kleinen Geschenkpakete dort abzustellen. Wieder klingelte es an der Tür. Julius öffnete und begrüßte Madame Dusoleil, die Julius mit leicht verbittertem Blick ansah, dann aber lächelte.

"Eigentlich wollte ich ja nicht herkommen, da du ja jetzt genug gleichalterige Gäste einladen konntest. Aber das mit dem Burschen, der uns den tragbaren Sumpf in den Musikpark geworfen hat, das muß ich jetzt unbedingt klären. Florymont hat sich ja darüber amüsiert, und Célines Onkel Baudouin ist sofort dahin, um sich die Bescherung anzusehen. Aber ich kann da nicht drüber lachen, und das wird der betreffende Monsieur gleich lernen. Wo steckt er?"

"Öhm, im Garten hinten. Aber der spricht kein Wort französisch."

"Ich kann genug Englisch, wie du sicher noch weißt", sagte Madame Dusoleil nun sehr überlegen lächelnd. Julius erinnerte sich tatsächlich. Er hatte ihre Stimme mal mit der unbarmherzigen Überlautstärke eines Heulers, eines roten Zauberbriefes, hören können, als der ein Jahr jüngere Henry Hardbrick ein Blatt von einem von ihr geschickten Regenbogenstrauch abgerissen hatte.

"Hinten im Garten am großen Tisch? Gut, ich finde hin", sagte Madame Dusoleil, streichelte Julius im Vorbeigehen zärtlich über die Wange und ging durch das Haus, um schnellstmöglich in den Garten zu gelangen. Julius sah ihr nach, wobei er fast eine Hexe verpaßte, die wie Pina und Olivia aussah und in einem wasserblauen Kleid steckte.

"Schönen guten Tag. Man sagte mir, hier sei die Residenz von Madame Professeur Faucon", sagte sie in einem holperigen Französisch. Julius drehte sich um und sah sie nun genau an. Dann lächelte sie. "Ah, ich sehe, ich bin richtig. Du bist Julius", sagte sie nun auf Englisch und gratulierte ihm. Er begrüßte die Hexe mit:

"Schön, sie mal zu treffen, Mrs. Watermelon. Ich dachte schon, Sie wären nicht mitgekommen."

"Ich habe die Mädchen vorgeschickt, weil Gloria und ihre lustige Oma zusammen herkommen wollten. Ich mußte mich noch mit wem unterhalten, die auch in Millemerveilles ist und die meinte, du kennst sie von einer Feier vor zwei Jahren."

"Öhm, eine Lady mit rotblondem Haar und sechseckigen Brillengläsern? Ja, die kenne ich", rückte Julius mit einer Vermutung heraus, von der er wußte, daß Mrs. Watermelon davon nicht unbeeindruckt bleiben konnte.

"Ich wußte, daß ich das nicht auf Dauer verbergen konnte, Julius. Sicher, in Hogwarts weiß es keiner, der nicht selbst mit der Muggelwelt zu tun hat. Aber mir war sofort klar, daß du das durchschauen würdest, sobald dir erzählt wird, wieso eine Hexe auf einer Muggelparty aufkreuzt. Schön, daß du es keinem weitererzählt hast. Wo kann ich hier was für dich abgeben?"

"Das große Esszimmer, wo wir heute abend zusammen das Abendessen einnehmen, ist in einer Ecke freigehalten worden, Mrs. Watermelon. Bitte folgen Sie mir."

Babette, die nicht früh genug mitbekommen hatte, daß noch wer angekommen war, lugte kurz durch die gläserne Gartentür und sah Mrs. Watermelon an. Julius sagte ihr auf Englisch, daß das Pinas und Olivias Mutter sei und die hier auch mitfeiern würde. Dann verschwand Babette wieder nach draußen, um sich anzuhören, wie der böse irische Junge von der sonst so netten Madame Dusoleil runtergemacht wurde.

"Was geht denn dort vor? Hat sich jemand danebenbenommen?" Wollte Mrs. Watermelon wissen.

"Ja, ein Freund aus Hogwarts wollte mir wohl einen großen Scherzartikel mitbringen und hat den vom Besen fallen lassen. Jetzt liegt das Zeug in einem Park herum, wo in einigen Tagen mehrere Feste gefeiert werden sollen. Madame Dusoleil ist verantwortlich für die ganzen Parks und Gärten hier und ist jetzt natürlich ziemlich wütend."

"Dieser vermaledeite Sumpf von diesen Chaoten Weasley? Ach neh, wie kann einer nur sowas kaufen und dann noch bei wildfremden Leuten in einen Park fallen lassen? Mein Mann hat deren Geschäft gesehen und sich mal erkundigt, was dieser ganze Terrorkrempel kostet. Hat Kevin reiche Eltern oder was?"

"Wie? So teuer ist der Sumpf?" Entfuhr es Julius perplex.

"Immer zu teuer für solchen Unsinn", sagte Pinas und Olivias Mutter, eine Muggelgeborene, deren nichtmagisch gebliebener Bruder ein erfolgreicher Kunststoffchemiker war. Sie ging hinaus in den Garten und begrüßte die Leute dort. Professeur Faucon ließ sich im Moment nicht blicken. Sie wollte wohl mitverfolgen, was Kevin sich nun anhören mußte.

Barbara, Belisama Lagrange und Aurora Dawn trafen zusammen ein. Belisama hatte sich wie die meisten anderen Mädchen auf der Gästeliste einen zu ihren bergquellklaren Augen passenden Hexenumhang mit einer silbernen Gliederkette angezogen und ihr honigfarbenes Haar auf Schulterhöhe mit einem Goldband zusammengesteckt.

"Hallo, Julius! Claire und die anderen schon da?" Fragte Belisama. Julius nickte und begrüßte Aurora Dawn, die ihr morgenrotrosagoldenes Festkleid angezogen hatte.

"Ich höre Camille schon aus zwanzig Metern Entfernung. Habe ich das richtig gehört, daß jemand hier den Musikpark zugesumpft hat. Wie kommt man denn an so'n Zauber?"

"Da sind zwei Jungs aus Hogwarts, die haben vor kurzem einen Zauberscherzladen aufgemacht und wohl diesen Schmodder erfunden. Kevin meinte, mir den als geniales Geschenk mitbringen zu können. Dabei hätte ich den garantiert nicht mit nach Beauxbatons mitnehmen können."

"Tragbarer Sumpf? Im Musikpark? Oh-oh, das wird jemand nicht mögen", sagte Barbara. "Wie war das mit diesem Hardbrick, der den Regenbogenstrauch angerupft hat? Da kam sofort ein Heuler."

"Das wäre jetzt wohl überflüssig", meinte Julius.

"Aber wirkungsvoll", mußte Barbara noch nachlegen. Dann fragte sie, wo Julius' Geschenkesammelstelle war und führte Belisama durch das Haus zum Esszimmer, während Aurora Dawn mit einem Ohr in Richtung Garten lauschte, was ihre gute Fachkollegin so an Schimpftiraden ausstieß.

"Isch 'abe eine ßehr innisch Bösie'ung ssu meine Plants, meinen Pflanzen, Monsieur Malone. Isch kann misch nischt daran erinnern, dir was böses getan ssu 'aben, daß du misch derartig beleidischst. Grins mich bloß nischt so an!"

"Kommt noch wer?" Lenkte Aurora Dawn Julius von dem Donnerwetter im Garten ab.

"Virginie kommt noch mit ihrer Gastschwester Laurentine. Ich denke nur, daß Laurentine nicht sonderlich erfreut ist, überhaupt irgendwo mitzufeiern. Wundere dich nicht, wenn sie mürrisch oder unnahbar rüberkommt!"

"Mein Bild-Ich hat mir das schon erzählt", sagte Aurora Dawn ruhig. "Die wird sich schon damit zurechtfinden. Allerdings hätte man sie nicht unbedingt zu Madame Delamontagne stecken müssen. Aber das sage der bitte nicht", wisperte die Heil- und Kräuterhexe.

"Tatsächlich trudelten Virginie und Bébé als letzte Gäste ein. Julius stellte Laurentine Aurora Dawn vor. Da es in Beauxbatons eh alle wußten, daß er die berühmte Heil- und Zauberkräuterkundlerin persönlich kannte, verwunderte es ihn nicht, daß Bébé es bei einem steifen "Freut mich, Sie kennenzulernen, Mademoiselle Dawn" beließ und dann mit Virginie kurz ins Esszimmer ging. Offenbar hatte man Virginie schon erzählt, wo die Geburtstagsgeschenke abzuliefern waren. Dann gingen sie alle zusammen in den Garten, und Julius stellte die Neuankömmlinge vor, wobei das bei Aurora Dawn nicht so nötig war. Zusammen mit ihr setzte sich Julius vor Kopf. Madame Dusoleil, die etwas abseits vom Tisch noch mit Kevin ein großes Huhn zu rupfen hatte blickte kurz zu Aurora Dawn hinüber, bevor sie weiter auf Kevin einredete, ihn dabei sehr genau im Auge behaltend. Er versuchte zwar immer wieder, was zu sagen oder lachte mal frech über den Akzent der Kräuterhexe, doch sie schaffte es immer wieder, ihn in eine eingeschüchterte Haltung zurückzudrängen.

"Du fährst morgen früh nischt ab, ehe nischt alles erledigt ist, Kevin", schloß sie ihre Schimpfkanonade, nickte Professeur Faucon zu und verabschiedete sich von den Geburtstagsgästen.

"Also, Jeanne, um elf bringst du Claire und Denise wieder mit!" Sagte sie und ging um das Haus herum, nahm wohl einen abgestellten Besen und flog rasch davon.

"So, nachdem jetzt wohl geklärt ist, daß der junge Monsieur Malone den Beschluß von Madame Delamontagne und Madame Dusoleil abwarten möchte, wie er für den von ihm angerichteten Schaden büßen wird, mag er sich bitte wieder zu Mademoiselle Hollingsworth setzen", sagte Professeur Faucon auf Französisch, was Julius ungefähr sinngemäß übersetzte. Kevin nahm Platz. Julius, der zwischen Claire und Aurora saß, verfolgte, wie Kevin rasch mit Gloria den Platz tauschte, um nicht direkt im Blickwinkel der Beauxbatons-Lehrerin zu sitzen.

"Wie teuer ist so'n tragbarer Sumpf?" Fragte Gloria Kevin kurz.

"Ach, öhm, ich habe genug dafür angespart", druckste Kevin herum.

"Fünfzig Galleonen kostet dieser Unfug", warf Mrs. Watermelon verächtlich ein.

"Kevin, ganz gescheit bist du wohl nicht mehr", zischte Gloria. "Fünfzig Galleonen für einen Wegwerfartikel, noch dazu für diesen derben Scherz rauszuwerfen. Dafür hättest du bald schon den Nimbus 2001 gekriegt."

"Du hast das gerade nötig, mir vorzubeten, wieviel was kosten darf", knurrte Kevin in die Enge getrieben. Claire sah Kevin mitleidsvoll an.

"Maman nimmt kein Geld, sonst dürftest du deinen Eltern ausrichten, daß sie das zehnfache für die Reinigung des Musikparks nimmt. Ich denke aber, die macht das, was sie dir gerade erzählt hat", sagte sie in wesentlich flüssigerem und akzentärmeren Englisch als ihre Mutter.

"Weißt du, Claire, egal wie du und deine Mutter mit Julius stehen ist mir das jetzt sowas von egal."

"Fünfzig Galleonen? Dann wissen wir jetzt, was eine Eintrittskarte zur Hölle kostet", warf Julius auf Englisch ein, damit Kevin und Pina ihn auch verstanden.

"Ha-ha-ha, Julius!" Blaffte Kevin. "Was wollen die mir. Meine Eltern haben eine Schadenshaftpflichtversicherung. Die zahlen denen die drei Sekunden, die die Entfernung von dem Zeug dauert. Flitwick hat das in nur so wenig hingekriegt."

"Ja, aber du vergisst, daß dieser Musikpark hundertmal größer ist als der Korridor in Hogwarts", warf Gloria übergescheit ein.

"Dann dauert das eben dreihundert Sekunden. Was ist das in Minuten?" Gab Kevin zurück.

"Kopfrechnen schwach, häh?" Lachte Babette. "Das sind fünf Minuten."

"Eh, wenn von Kuchen geredet wird haben die Krümel zu schweigen."

"Oma Blanche, der hat Krümel zu mir gesagt", übersetzte Babette für ihre Großmutter. Diese fragte, was Kevin genau gesagt hatte. Dann zog sie ihren Zauberstab und halste mit "Taceto" Kevin einen Sprechbann auf.

"Schweigen ist eine gute Sache. Sagt ihm bitte, er möchte nun ruhig essen und trinken. Ich werde ihm nach der Kaffeetafel seine Sprachfähigkeit wiedergeben!" Verkündete Madame Faucon.

"Was für'n Film läuft denn hier ab?" Fragte Julius im Flüsterton Aurora Dawn.

"Du meinst, du verstehst nicht, was in deinen Schulkameraden gefahren ist, daß er so aufmüpfig ist. Hormone vielleicht."

"Öhm, nehmen wir mal als mögliche Ursache an", flüsterte Julius zurück. Sicher konnte Kevin nun, wo er wohl nach Umbridge und dem Inquisitionsterror mal wieder frei atmen konnte, vergessen haben, wie man sich bei anderen Leuten benahm. Vielleicht war er auch völlig normal und Julius war es nicht. Aber so heftig dreinzuhauen würde er sich wohl dann doch nicht trauen, beschloß er für sich.

Die Geburtstagsgesellschaft wartete ruhig auf die heißen Getränke und den Kuchen. Julius blies unter Beifall von allen die vierzehn Kerzen aus, wobei er sich wünschte, alle, die sie hier saßen und jene, die sie liebten, im nächsten Jahr wiedersehen zu können. Denn man wußte nie, was dieser Voldemort nun anstellte. Daß er hier in Frankreich noch nichts von ihm gehört hatte, war eher unangenehm als beruhigend für ihn. Immerhin waren die Porters da, und so schnell würde er wohl nicht an Leute wie die Hollingsworths herangehen. Außerdem wollte er jetzt bestimmt nicht über diesen bösen Zauberer reden und sich damit die Geburtstagsfeier verderben.

Kevin machte ein ebenso mißmutiges Gesicht wie Bébé, die neben Virginie saß und wie Kevin immer wieder zu Madame Faucon blickte, ob die nicht irgendwas unangenehmes mit ihr oder ihm vorhatte.

Sandrine fütterte ihren Freund Gérard, weil der über das Schwatzen mit Julius Mutter, die links von ihm saß, das Essen vergaß.

"Mmm-mann, Fandrine", mampfte er verdattert. Dann schluckte er das Stück Schokosahnetorte hinunter und sagte noch: "Du mußt mich nicht füttern."

"Der Kuchen hält sich nicht ewig", gab Sandrine tadelnd zurück. Madame Faucon sah sie zwar leicht verdrossen an, mußte dann aber lächeln. Offenbar nahm sie es als Kompliment hin.

"Haben Sie Millemerveilles schon einmal besucht?" Fragte Barbara Lumière Mrs. Watermelon auf Englisch. Diese verneinte und erzählte, daß sie sich von einem dicken Jungen den Weg hätte erklären lassen. Das war César Rocher gewesen.

"Bis auf vier Jungs sind hier nur Hexen", stellte Claire fest. "Fühlst du dich wohl in der Riege?"

"Bis jetzt ja", sagte das Geburtstagskind.

Sie unterhielten sich mit und ohne Übersetzer über Quidditch, wo Kevin wohl gerne was zu gesagt hätte, wenn dieser Schweigefluch ihn nicht davon abgehalten hätte, Mode in der Muggel- und Zaubererwelt, Rennbesen, Scherzartikel und magische Tiere und Pflanzen, eben alles, worüber mindestens zwei Leute am Tisch was zu sagen konnten, um interessante Diskussionen anzustoßen. Julius' Mutter fragte einmal, wie es sich denn anfühlte, zu apparieren. Jeanne, die ihr zusammen mit Denise gegenübersaß erwiderte, daß sie sich darüber nie so recht gedanken machen könne, weil sie mit dem Ortswechselvorgang zu sehr beschäftigt sei.

"Das ist wohl ähnlich wie ein schnelles Flugzeug fliegen, Mum. Wenn du dich auf die Manöver konzentrieren mußt, kriegst du von den Fliehkräften nichts großartiges mit. Mir geht das beim Quidditch häufig so, wenn ich nur sehe, wo der Quaffel gerade rumflitzt", sagte Julius. Jeanne nickte beipflichtend.

"Ja, aber eure Besen haben ja diese Innerttralisatus-Bezauberung, diesen Trägheitsdämpfer oder wie die's bei Star-Trek nennen", wandte Martha Andrews ein.

"Ja, aber du kriegst beim einfach so fliegen schon genug Flieh- und Beschleunigungskraft zu spüren, Mum", sagte Julius. "Die Rennbesen sind geschwindigkeitsabhängig innerttralisiert, heißt also, daß je schneller du fliegst, desto stärker wirkt der Zauber, weil ja bei engen Kurven dann auch höhere Fliehkräfte aufkommen. Wenn du keine körperliche Rückmeldung mehr hättest, könntest du dich beim Fliegen wohl doch vertun. Deshalb haben die das eingebaut."

"Ja, aber das gilt für die Gannis ab 9", wußte Gérard. Es wurde für alle Englisch sprechenden übersetzt. Betty meinte dazu:

"Unser Vater ist im Zaubergerätegeschäft. Der sagte mal, daß irgendwann auch Besen rauskommen könnten, die mit einem Windumlenkungszauber so schnell wie der Schall werden könnten. Da bräuchtest du aber eine hundertprozentige Innerttralisatus-Abschirmung, sonst fliegst du ohne Besen weiter."

"Das erinnert mich an meine Schulmädchenzeit", sagte Aurora Dawn auf englisch. "Jungs aus unserer Hausmannschaft haben sich schon drüber gefreut, mal so einen Überschallbesen zu fliegen. Aber soviel ich weiß sind die bei Feuerblitz und Nimbus erst einmal davon weggekommen, Supersonikbesen zu bauen, weil die für Quidditch nicht mehr taugen und im Langstreckenbereich wertlos sind, da der Windumlenkungszauber zuviel Kraft frißt, sodaß du notfalls nur zehn Kilometer damit fliegen kannst. Zumindest haben die das irgendwie ausgerechnet."

Man übersetzte es rasch für die, die kein Englisch konnten, darunter offiziell auch Madame Faucon.

"Ja, aber der Zehner hat so'n Windabweiser", warf Céline ein, die sich mit einem Vater an der Quelle berufen fühlte, was dazu zu sagen.

"Ja, aber mit dem kannst du nicht in einer Tour überschallschnell fliegen, Céline", wußte Robert. "Der ist eher als Luxus für Langstrecken und als Sturmhilfe gedacht."

"Der Zwölfer, der in drei Jahren rauskommen wird, soll da wohl schon mehr können", ließ Céline etwas durchdringen, was wohl noch nicht so groß diskutiert worden war.

"Ja, aber den kriegen dann bestimmt nur die Drachenjäger und Strafverfolgungszauberer. Oder könntest du dir Quidditch mit Überschallgeschwindigkeit vorstellen?" Fragte Gérard.

"Für die nächste Weltmeisterschaft wäre das genial. Dann könnten die Feuerblitze von den irren Iren einpacken", meinte Robert und zwinkerte Kevin gehässig zu. Julius sah ihn an und meinte auf Französisch:

"Eh, Robert, das war jetzt unfair. Wenn du Kevin ärgern willst, dann warte, bis er dich auch verstehen und dir antworten kann!"

"Ich dachte, du verstehst Spaß", meinte Robert.

"Ich ja, aber ob Kevin das tut weiß ich nicht."

Kevin funkelte wütend umher. Zu gerne würde er was sagen. Doch diese überheftig strenge Hexe hatte ihm einfach einen Sprechbann aufgehalst. Er hörte seinen Namen und wußte, man redete über ihn. Er wollte wissen, was man von ihm wollte. Er sah zwischendurch mit abbittendem Blick die Lehrerin oder die ältesten Hexen am Tisch an, ob sie ihm nicht helfen konnten. Irgendwann wandte sich Jane Porter an Madame Faucon. Diese rümpfte erst die Nase, wiegte den Kopf und nickte dann.

"Verbaloqui!" Sagte sie mit auf Kevin deutendem Zauberstab. Kevin räusperte sich, öffnete den Mund und sagte was. Dann, weil ihm einfiel, daß das wohl angebracht wäre, sagte er "Mercie" zu Madame Faucon. Diese nickte anerkennend. Von da ab beteiligte sich Kevin ganz manierlich an der Unterhaltung.

"Du hast gesagt, die ZAGs würden in Beauxbatons auch in der fünften Klasse stattfinden, Julius", sagte Gloria Porter. "Mein Vater hat mal mit Bill Weasley gesprochen, der wohl ziemlich gut mit Fleur Delacour klarkommt. Die hat ihm mal gesagt, in Beauxbatons wäre erst nach der sechsten Klasse ZAG-Prüfungszeit." Als das übersetzt worden war lachten die Beauxbatons-Schüler. Madame Faucon lächelte.

"Hat Mademoiselle Delacour wirklich von der sechsten Klasse gesprochen?" Fragte sie amüsiert in Glorias Richtung blickend. Diese runzelte die Stirn, als müsse sie einen kaum greifbaren Gedanken einfangen und klar ins Bewußtsein zurückholen. Dann schüttelte sie den Kopf.

"Nach Bills Aussage hat sie was von sechs Übungsjahren gesagt, bis die ZAGs fällig sind", sagte Gloria. Professeur Faucon lächelte großmütterlich und erklärte:

"Sechs Jahre der Zauberstudien, insofern stimmt es. Allerdings gilt für Zauberergeborene, daß das Jahr vor Beauxbatons bereits mit einfachen Zauberübungen begonnen wird, um eventuelle Talente zu erkennen und bei der offiziellen Einschulung gezielt zu fördern. Eine Ausnahme sind die Schüler aus nichtmagischen Familien, bei denen die Talenteerkennung bei Beginn der Zeit in Beauxbatons beginnt, sofern sich Schülerinnen und Schüler aus nichtmagischen Familien nicht töricht und dickköpfig verweigern." Bei ihren letzten Worten hatte sie Laurentine mit gewohnter Strenge angesehen, die wie von einer heftigen Handbewegung zurückgeworfen wirkte und auf ihrem Stuhl zusammensank.

"Interessant", sagte Julius. "Dann könnte ich ja in der sechsten Klasse die ZAGs ..."

"Julius, stell dich ja nicht dumm!" Herrschte Madame Faucon ihn an. "Da du offiziell einer nichtmagischen Familie entstammst gilt für dich dasselbe wie für Mademoiselle Hellersdorf. Insofern werdet ihr beide wie alle anderen in der fünften Klasse geprüft."

"Ach dann bin ich froh, daß dieses Mißverständnis behoben wurde", sagte Julius scheinheilig.

"Sechs Jahre der Zaubereiübungen, inklusive der übergangsklasse von der üblichen Grundschule zur Oberschule Beauxbatons", stellte Madame Faucon noch einmal klar. "Das wäre ja auch sehr überstürzt, gleich ein Jahr nach den ZAGs die UTZs zu erwerben, ohne sich in den ausgewählten Fächern ordentlich darauf vorbereitet zu haben." Gloria nickte.

Nach dem Kaffeetrinken war der Moment gekommen, daß Julius die Geschenke auspackte. So betraten alle das Wohnzimmer, wo der Geschenkestapel einladend aufragte. Julius nahm zunächst das Geschenk von Aurora Dawn entgegen. Er öffnete es und fand ein Buch über den inneren Aufbau des menschlichen Körpers mit bewegten Bildern und einen Atlas über die Verbreitungsgebiete wertvoller Zauberpflanzen, sowie weitere kleine Fläschchen und Tuben mit Heilelixieren, -cremes und -tränken.

Von Belisama hatte Julius ein großes Buch geschenkt bekommen, das "Berühmte Hexen und Zauberer und ihre Kniesel" hieß. Julius grinste sie an. Dann erklärte er Kevin, was damit gemeint sei.

"Diese Goldschweif ist jetzt in Beauxbatons?" Wollte er von Julius wissen.

"Ja, solange die keine Namenserbin ausgebrütet hat, muß die da auch bleiben. Sonst hätte ich sie dir gerne vorgestellt."

"Du hast Lauretta schon gesehen, Belisama?" Fragte Julius.

"Der geht's im Moment gut. So'n eingereister Kater hat sie geschwängert."

"Toll, Belisama. Jetzt du auch noch. Max und dieses Knieselweibchen haben sich gemocht und fertig", warf Bébé Hellersdorf ein.

"Oh, nachher mußt du noch Kindergeld rausrücken", flachste Céline, die zusah, wie Julius das nächste Paket öffnete, daß von Babette Brickston stammte und ein großes Bild mit einem grünen Drachen drauf war. Nur konnte sich der Drache nicht bewegen wie die gemalten Zauberbilder das konnten. Lag wohl daran, daß sie ihn mit muggelüblichen Buntstiften auf Papier gemalt hatte.

"Danke, Babette", sagte Julius. Claire deutete auf ein rundes Päckchen. Julius nahm es, öffnete es und fand darin eine Spieldose mit unter einer Glaskuppel schwebenden Feen über einer Wiesenlandschaft.

"Die ist jahreszeitengekoppelt, Julius", sagte Claire stolz. "Sie kann hundert Melodien spielen, die du ihr vorsingst, pfeifst oder auf einem richtig gestimmten Instrument vorspielst."

"Schön, die gibt's jetzt also auch mit Jahreszeitenkopplung", meinte Aurora Dawn. Julius fragte sich gerade, wie teuer so eine Spieldose sein mochte und verglich den möglichen Wert mit dem Wert seines Geschenks für Claire.

Auch Jeannes Paket war rund, aber etwas größer. Als Julius es auspackte, klappte ihm die Kinnlade runter. Da stand vor ihm jener kleine Sternenhimmelprojektor, ein Miniplanetarium, mit dem man naturgetreue Abbildungen der Sterne und Planeten an eine verdunkelte Zimmerdecke werfen und sie sich bewegen lassen konnte. Er hatte es mal in einem Schaufenster von einem Astronomieladen gesehen. Jetzt hatte er so'n Ding selbst, und das war ganz bestimmt seine fünfzig Galleonen wert. Das fand wohl auch Pina, die wie Julius astronomiebegeistert war und sagte zu Kevin:

"Für sowas sind fünfzig Galleonen gerade richtig angelegt, Kevin. Damit kriegst du auch keinen Ärger."

"Ich wechsel mal eben Alter und Geschlecht, Pina. Dann sehe ich das vielleicht genauso wie du oder Mademoiselle Jeanne."

"Ich fand, du hast es dir wirklich verdient, Julius", sagte Jeanne, als Julius sich bedankte. "Immerhin haben wir grünen mit dir zusammen den Pokal geholt, die beste Saalwertung und noch so dies und jenes. Ich persönlich habe von dir eine Menge neues gelernt, unter anderem auch über Muggelzeugs, das Professeur Paximus uns nicht hätte beibringen können."

"Danke, Jeanne", sagte Julius noch einmal. Dann öffnete er das Paket der Eheleute Dusoleil, dem er neue Gartenhandschuhe, eine rauminhaltsvergrößerte Gießkanne und ein Etui mit einem silbernen Stab mit unter engmaschigen Gittern lagernden Klingen entnahm.

"Aus dem Knaben wird ein Mann", kommentierte Kevin, als Julius den Rasierapparat vorzeigte, der weder Kabel noch Batterien hatte.

"Wie geht der?" Fragte er Jeanne, die ihm zeigte, wo er die Finger auflegen mußte, um verschiedene Stufen von Vibration und Schnittlänge einzustellen, ohne Schalter und Strom.

"Den brauchst du doch bestimmt noch nicht", meinte Kevin. Gloria sah Julius an und meinte:

"Wurde wohl langsam Zeit, zumindest mal dran zu denken. Die ersten vier Haare sind wohl schon durch. Kevin, du hast für Fortentwicklung keinen Blick, muß ich dir ganz deutlich sagen."

"Ja, komm! Gib's mir auch noch, Gloria. Als wenn wegen der Sache mit dem Sumpfsack nicht schon genug meinten, mich beschimpfen zu können", maulte Kevin Malone und deutete auf sein Mitbringsel. Julius nahm es und öffnete es. Darin lagen "Weasleys wundervoll wirksame Weingummis, Nasch-und-Schwänzleckereien und zehnfach knallende Knallteufelchen, die man einfach wegwerfen konnte und die dann als zehn feuerrote, immer herumhüpfende und dabei laut ballernde Kobolde umhersprangen. Madame Faucon sah das, trat vor und meinte zu Julius:

"Diese Dreistigkeit, unter meinen Augen sowas zu verschenken. Ich hoffe, ich finde die nicht bei deiner Rückkehr nach Beauxbatons. Gerade die verhexten Bonbons solltest du möglichst schnell möglichst gründlich entsorgen, bevor Schwester Florence dich noch wegen mutwilliger Gesundheitsgefährdung bestraft. Ich weiß von meiner Kollegin McGonagall, was die Dinger sollen. Sie hat immerhin ein Päckchen davon beschlagnahmt, weil einer ihrer Schüler es nicht schnell genug verstecken konnte."

"Ich Idiot", knurrte Kevin, dem schwante, was für einen Fehler er gemacht hatte, Julius nur solches Juxzeug zu schenken, wo er ihm immer wieder geschrieben hatte, daß sowas in Beauxbatons sofort kassiert wurde.

"Na, wieviele Galleonen hast du dafür denn noch rausgeworfen?" Fragte Pina Kevin.

"Juckt dich nicht, Pina", knurrte Kevin und schob in Richtung Garten ab, wo ja noch das Kaffeegeschirr stand. Pinas Mutter und Aurora Dawn fühlten sich berufen, ihn zu begleiten.

"Hier, Babette", zischte Julius Babette zu, als Madame Faucon gerade mit Jane Porter über Kevin sprach und Glorias Oma ihr beruhigend zusprach, es nicht all zu eng zu sehen. Er gab Babette die Knallteufelchen und nickte ihr zu, es keinem zu sagen. Rasch ließ Babette sie verschwinden.

Pinas und Olivias Geschenk war ein Sonnenlichtbetrachter, der das Licht der Sonne so heftig dämpfte, daß man ohne Gefahr für die Augen den großen Himmelsfeuerball ansehen konnte.

"Genial, Pina!" Sagte Julius. "In drei Jahren ist in Europa eine totale Sonnenfinsternis zu sehen. Die kann ich damit bestimmt gut beobachten, wenn's nicht gerade regnet."

"Stimmt, das geht damit gut, hat Mums patentante mal erzählt, die sich sowas anderswo angesehen hat", sagte Pina.

Glorias Geschenk bestand aus einer neuen großen Flasche Frisurhaltelixier, sowie ein Ausmacher, jenes goldene Ding, das wie ein Feuerzeug aussah und durch Betätigen nichtmagische Lichtquellen löschte.

"Den tust du besser auch gut weg", sagte Gloria, bevor Professeur Faucon es hätte sehen können. Julius verstand. Sowas durfte nicht beschlagnahmt werden.

Als er auch die restlichen Geschenke ausgepackt hatte - neben Zaubernaschwerk, Büchern, einem bronzenen Federhalter und fünf Jonglierbällen, die sich auf das Können ihrer Werfer einstellten fand er noch ein Fäßchen extragoldenen Honig aus der Herstellung von Madame L'ordouxes Bienen, das Sandrine ihm geschenkt hatte.

"Da sind zehn Liter drin, Julius. Die halten bis in zehn Jahren oder länger", sagte Sandrine.

"Honig! Jamm!" Machte Denise. "Maman backt damit Kuchen oder Plätzchen. Aber für aufs Brot ist der auch sehr lecker."

"Oder für Meet", meinte Robert Deloire.

"Das könnte dir so passen, dich mit Meet besaufen zu können", sagte Céline. "Ich denke nicht, daß Sandrine Julius sowas leckeres natürliches schenkt, damit sich andere Leute Alkohol draus machen."

"Ja, aber in Wein kommt der wohl auch gut", meinte Julius. Er bedankte sich noch mal bei Sandrine. Immerhin könnte er damit vielleicht einiges an interessanten Trankmischungen zusammenstellen, wenn schon keinen Meet. Aber er hatte von Tränken gelesen, in denen Nektar oder Honig den entscheidenden Wirkstoff darstellten, unter anderem im Wachhaltetrank.

"Jetzt pack deinen Besen schon aus, Julius!" Forderte Céline Dornier, die das letzte, das lange Paket an der Wand bitterböse anfunkelte. "Macht euch nicht lächerlich damit!" Zischte sie noch.

Kevin kam zurück, weil Babette was von einem neuen Besen ausrief, als Julius das Paket auswickelte und einen Ganymed-10-Besen freilegte, der bestimmt vorher mal als Ganymed-9-Besen maskiert gewesen war. Dabei lag das Handbuch zum Ganymed-10 und ein Brief von allen, die ihm diesen Besen zusammengelegt hatten. Darin stand, daß er sich durch die Leistungen im letzten Jahr diesen Besen verdient habe. Auch die Familie Dornier hatte mit unterschrieben.

"Na toll, jetzt hast du den doch gekriegt. Hercules und ich haben schon gewettet, ob sie dir dieses oder nächstes Schuljahr einen rüberwachsen lassen", meinte Robert. Kevin fragte, ob das so ein Besen sei, der Wind um sich herumlenken konnte. Julius nahm überflüssigerweise das Handbuch, schlug es bei "vorhandene Zauber" auf und las laut vor, was der Besen standardmäßig konnte und was für Flugexperten möglich war, wie der Körperbergezauber, der wie ein unsichtbarer Sessel mit Sicherheitsggurt den Reiter hielt, auch wenn dieser gerade schlief, wie die Kursbeharrlichkeit, eine magische Abwandlung eines Autopiloten und eben die Windumlenkung und die geschwindigkeitslineare Innerttralisatus-Bezauberung.

"Wie teuer ist so einer?" Wollte Kevin wissen, als Gloria ihm die technischen Bestandteile aufzählte.

"zwanzig tragbare Sümpfe", gab Jane Porter feist grinsend zur Antwort.

"Haha, Mrs. Porter", erwiderte Kevin. Julius lernte in diesem Moment, daß Spaß machen und Spaß verstehen zwei unterschiedliche Welten sein mußten.

"Vier reichen schon", sagte Céline, als Claire ihr übersetzte, was Jane Porter gesagt hatte.

"Ist auf jeden Fall nicht zum Taschengeldpreis zu kriegen", meinte Pina. Gloria nickte. Julius stachen diese Worte ins Gehirn. Hatte er sich nicht doch etwas verhoben, als er Claire die Feuerperlenkette bestellt hatte? Am besten klärte er das vorher mit den Dusoleils. Nachher gab es bei Claires Geburtstagsfeier noch ein Theater deswegen.

"Julius, kommst du mal bitte!" Sagte Madame Faucon und zog ihn sanft mit sich in die Richtung, wo sie einen dauerhaft zum Klangkerker ausgebauten Besprechungsraum hatte. Dort traf auch Jane Porter ein, die Gloria instruiert hatte, weiter über den Rennbesen zu diskutieren.

"Ich habe dir ja gesagt, daß Madame Porter dir zum Geburtstag einen neuen Zweiwegspiegel geben möchte", sagte Madame Faucon. Julius nickte. Jane Porter holte aus ihrem geblümten Umhang ein in Seidenpapier eingeschlagenes Rechteck heraus, das Julius vorsichtig auswickelte und einen silbernen Spiegel mit einem Stern als Symbol fand.

"Meine Fachkollegin Bläänch Faucon hat mir erlaubt, dir doch noch einen solchen Spiegel zu geben, Julius", sagte Mrs. Porter. "Es hat sich ja doch gezeigt, wie wichtig schnelle Verbindungen sind. Gerade jetzt, wo die Zeiten wieder düsterer werden ... Tu ihn gut weg, Honey!"

"Mach ich", sagte Julius. "Danke noch mal." In Gedanken fügte er hinzu, daß er aber immer aufpassen mußte, daß die Bilder über seinem Bett in Beauxbatons nicht gerade bevölkert waren. Madame Faucon legte den nun enttarnten Besen in Julius' Gästezimmer, bevor sie mit ihm zu seinen Gästen zurückkehrte.

Die Stimmung hier war offenbar wieder im Sinkflug. Denn Claire wirkte angespannt, Gloria ungehalten und Jane Porter schien wohl damit zu ringen, ob sie was dazu sagen sollte oder nicht. Kevin Malone saß aufrecht auf dem Stuhl und blickte die Jungen und Mädchen aus Beauxbatons trotzig an.

"Hi, Leute! Was läuft denn hier ab?" Wollte Julius wissen. Seine Mutter winkte ihm zu und wartete, bis er in Flüsterweite heran war.

"Ich weiß nicht, ob es wirklich eine so gute Idee war, deine alten Freunde aus Hogwarts mit den neuen aus Beauxbatons zusammen einzuladen, Julius. Kevin hat sich über Claire und Céline lustig gemacht, weil die ihm zu vornehm vorkommen. Dann hat er Claire noch vorgehalten, sie könne ja froh sein, daß sie mit dir zusammen sei, weil du und ich wohl Glück mit unseren Bekannten hatten. Darauf hat Claire berechtigterweise geantwortet, daß Kevin keinen Grund habe, sie anzugreifen, was Kevin dazu veranlaßt hat, ihr das Nachplappern der Sprüche ihrer Mutter zu unterstellen. Soweit der Kurzbericht."

"Haben Du, Aurora oder Mrs. Porter dazu was gesagt?" Wollte Julius wissen, weil Professeur Faucon ja wohl nicht im Garten gewesen war.

"Die haben sich wie ich zurückgehalten. Manchmal müssen Konflikte unter Jugendlichen ohne erwachsenen Beistand bewältigt werden", sagte Martha Andrews.

Julius nickte und kehrte an seinen Platz zurück, wo Aurora Dawn ihn anlächelte und meinte, ob alles wichtige jetzt geregelt sei. Er nickte nur.

"Weißt du, was dein alter Schulfreund mir gerade an den Kopf geworfen hat?" Fragte Claire Julius. Er nickte kurz und sah zu seiner Mutter hinüber. Dann sagte er ruhig:

"Kevin ist es gewohnt, direkt zu sagen, was er denkt, Claire. Sei bitte nicht so empfindlich! Nachher freut er sich noch, dich ärgern zu können."

"Achso, das findest du also in Ordnung, wenn jemand meint, sich über Leute pickieren zu können, die er nicht oder nur aus irgendwelchen Erzählungen kennt?" Wollte Claire wissen. Julius überlegte kurz. Einerseits wollte er es sich nicht mit Claire verscherzen, aber auch nicht einfach klein beigeben und auch nicht Kevin im Regen stehen lassen.

"Kevin ist nur verunsichert, weil das mit dem tragbaren Sumpf passiert ist. Wenn Leute sich nicht gut fühlen, vergreifen die sich mal im Ton, Claire. Oder hast du das noch nie gemacht?"

"Klar, du versuchst jetzt, ohne gegen Kevin oder mich zu sprechen was herbeizureden. Aber ich sage dir was, Julius. Kevin ist nicht verunsichert, sondern nervig."

"Eh, Julius, wenn deine Freundin mich blödredet soll sie das so sagen, daß ich's verstehen kann und nicht diese abgedrehte ..."

"Vorsicht, Monsieur Malone", warnte Jeanne Kevin. "Der Sprechbann ist nicht so schwer zu wirken, daß ich dir den nicht auch an den Hals jagen kann."

"Kevin, das war jetzt auch blöd, dich gegen eine von zwei Schwestern zu äußern", meinte Gloria. Mrs. Watermelon, die gerade bei Mrs. Andrews saß und sich leise unterhielt, blickte zu Gloria hinüber.

"Kevin, Claire kennt dich nicht und hat daher nicht gewußt, ob das bei dir normal ist", sagte Julius auf Englisch. "Außerdem ist es schon fies, ihr nachzusagen, sie würde nur nachplappern. Damit hast du sie für blöd erklärt. Und ich möchte dich mal erleben, wenn das einer, der dich nicht kennt mit dir macht", sagte Julius nun sehr erhaben dreinschauend.

"Ich habe dem Mädel nur gesagt, sie redet so wie ihre Mutter, nur daß Madame Dusoleil mit dem Englischen nicht so gut klarkommt wie Claire. Wenn sie schon so daherredet, muß sie sich das gefallen lassen."

"Nein, Kevin, das muß sie nicht", sagte Julius plötzlich sehr laut. Schlagartig verstummten alle leisen Unterhaltungen. Stille lag über der Geburtstagsgesellschaft. Ihm reichte es. Er wollte seinen Geburtstag in guter Stimmung feiern und seine alten und neuen Freunde miteinander bekannt machen. Was jetzt ablief ärgerte ihn stark. "Ich habe dir im letzten Jahr, bis die Umbridge keine Briefe mehr zu euch durchgelassen hat, immer wieder geschrieben, daß in Beauxbatons und den Zaubererfamilien hier viel Wert auf gegenseitigen Respekt und Achtung gelegt wird. Du hast mir sogar mal geschrieben, ich hätte wohl Glück gehabt, noch vor Madame Umbridge die Kurve gekriegt zu haben und sei in Beauxbatons besser dran als du, Gloria und die anderen in Hogwarts. Das mag sein, daß ich in dem Jahr einiges anders gelernt habe als früher. Aber eins weiß ich, Leute anzupöbeln macht dich nicht beliebt. Wenn du was ernsthaftes an Claire auszusetzen hast, dann sage ihr das in einem Ton, daß sie erkennt, was du wirklich willst und das dann auch versteht. Aber nicht auf die Kleinkindtour."

Babette grinste, sagte jedoch nichts. Denise und Jeanne sahen ihre Schwester an, die mal vorwurfsvoll, dann zustimmend zu Julius blickte.

"Du hast recht, Julius. Du hast dich verändert. Früher konntest du genauso über einen schönen Spaß lachen wie Fredo oder ich. Sicher, Gloria hat ja gemeint ...", setzte Kevin an.

"Pass jetzt gut auf, was du sagst!" Raunte Gloria drohend dreinschauend.

"Ich glaube, wir sollten das ganze nicht größer aufblasen als es sein muß, Kids", sagte Jane Porter nun ruhig. "Es ist schon richtig, daß Beauxbatons eine andere Schule als Hogwarts ist. Es ist auch richtig, daß ein Mensch sich immer verändert, wenn er in eine neue Umgebung mit anderen Menschen reinkommt. Aber gewisse Sachen ändern sich doch nicht von heute auf morgen. Julius hat euch und mich doch alle eingeladen, weil er uns allen zeigen möchte, wie sehr er sich freut, daß es uns gibt und daß er gerne möchte, daß wir uns mal kennenlernen. Das verdient Respekt vor ihm aber dann auch vor jedem, der hier ist, weil er oder sie hier ist, weil er das gerne haben möchte. Mag sein, daß du, Kevin, findest, Julius sei nun zu sehr umgekrämpelt worden. Aber denk dran, Kevin, daß du auch ein Jahr hinter dir hast und mit dem, was du da erlebt hast nun ein anderer Mensch geworden bist als vor diesem Jahr. Mag sein, daß du dir diesen Tag anders vorgestellt hast, Kevin. Aber so ist das halt, wenn eine größere Gruppe von Leuten zusammenkommt, die sich aus zwei oder mehr Gruppen zusammensetzt. Denkst du, Madame Faucon hätte euch nicht in die zwei Gruppen aufteilen können, wenn sie denkt, es sei in Ordnung, die einen hier und die anderen da an den Tisch zu setzen? Sie hat's nicht gemacht, weil ihr hier alle gleich seid, genauso wie Mrs. Andrews, Mrs. Watermelon und ich. So, am besten beruhigt ihr euch jetzt alle wieder! Die Sache war es nicht wert, sich drüber zu zanken."

"Na toll", grummelte Kevin, während die übrigen immer noch schwiegen. Julius freute sich, daß jemand was gesagt hatte, was ihm intelligent genug vorkam.

Einige Minuten dauerte das Schweigen. Madame Faucon kehrte zurück. Dann begannen Denise und Babette wieder miteinander zu reden, was das eisige Schweigen brach und jeder wieder mit seinen Nachbarn oder Leuten gegenüber sprach.

Kevin, der merkte, daß seine angeblich so coole Art hier wohl nichts brachte, versuchte, sich durch eine Unterhaltung mit Mrs. Andrews von der schlechten Stimmung gerade eben abzulenken. Aurora Dawn sprach abwechselnd mit Pina, Olivia, Sandrine und Belisama, wobei sie problemlos zwischen Englisch und Französisch wechselte. Julius fand es wohl in Ordnung, am Tisch entlangzugehen und sich mal mit dem einen oder der Anderen zu unterhalten. Als er auf Flüsterweite an Kevin heranwar, meinte dieser:

"Ich hatte damals doch den richtigen Eindruck von denen aus Beauxbatons, Julius. Die können keinen Spaß verstehen und sind leicht eingeschnappt. Wundere mich bloß, daß du dich auf diese Penne eingelassen hast. Wahrscheinlich springst du jetzt auch schon auf, wenn diese Madame Maxime in Sicht kommt."

"Darwin, ein Naturforscher von vor über hundert Jahren, hat den Spruch geprägt, das Anpassung überleben läßt", sagte Julius altklug. Er wußte, daß er Kevin damit verärgerte, und das wollte er auch.

"Eh, Julius, willst du etwa sagen, dieses Marionettengetue in Beauxbatons sei was ganz vernünftiges, was kluges und tolles? Das ist Blödsinn. Oder sagst du jetzt etwa, wir in Hogwarts wären alle bescheuert?"

"Neh, würde ich nie tun. Andere Länder, andere Sitten, Kevin. Was bei uns in Beauxbatons zum guten Ton gehört, ist in Hogwarts überflüssig. Wo ihr meint, freier zu sein als wir, können wir uns zumindest aussuchen, wie wir unsere Hobbies richtig ausleben. Wenn Dumbledore das für wichtig hielte, glaub's mir, Kevin, dann würdest du für ihn genauso aufspringen, wenn er reinkommt."

"Er will's aber nicht", versetzte Kevin, der an Ohren und Hals bereits dunkelrosa angelaufen war. Die Stirnader zeichnete sich etwas schärfer ab.

"Warum will er es nicht?" Fragte Julius.

"Weiß ich doch nicht, Mensch", gab Kevin zurück. Dann meinte er noch: "Weißt du denn, warum Madame Maxime das will, daß alle aufspringen?"

"Damit sie sich beim Sprechen nicht so bücken muß, Kevin", sagte Julius. Darüber mußte Kevin erst einmal lachen. Doch dann meinte er:

"Trotzdem ist das Blödsinn, sich jedem Schwachsinn anzupassen, nur um nicht blöd aufzufallen."

"Oh, das ist aber jetzt nicht so gut gelaufen, Kevin. Du hast deine Meinung gerade selbst zerbröselt, weil du es für wohl klüger hältst, lieber blöd aufzufallen als sich den Verhaltensregeln anzupassen. Wer ist dann dümmer, der der dumm auffällt oder der, der sich anpaßt?"

"Von Logik hatten Gloria und du es mehr als ich. Beantworte dir die Frage selbst", knurrte Kevin, der jetzt merkte, daß er Julius in eine Falle gegangen war und das nicht mochte.

"Noch mal zu Darwin, dem Muggelnaturforscher. Der sagte, der stärkere überlebt, aber nur, wer am stärksten, also am besten, an die Umgebung angepaßt ist, in der er gerade lebt. Fische sind die stärksten im Wasser aber krepieren am Land. Bei Menschen ist das umgekehrt. Ich wollte dir nur zeigen, daß ich nicht bescheuert bin, nur weil ich gelernt habe, in Beauxbatons besser mit dem zurechtzukommen, wie die da so leben als andauernd zu sagen: "Mach ich nicht. Ist mir zu blöd oder zu spießig oder sonstwie." Ich wollte nur haben, daß ihr alle hier mit mir gut feiert, alle gleich gut. Ich habe von dir nicht verlangt, dich hier klein zu machen. Aber was du hier so anstellst bringt dir nichts ein."

"Ich dachte echt, du wärst noch normal geblieben, Julius. Sicher, von deinen Eltern her hast du ja doch mehr von dem gebildeten Firlefanz abgekriegt als Fredo oder Marvin. Aber sonst habe ich immer gedacht, mit dir könnte ich immer was erleben. Aber offenbar schlägt das Getue deiner Eltern nun durch, wo du in dieser Strammsteherschule eingebunkert bist und ..."

"Quesque vous avez dit, Monsieur Malone?" Fragte Madame Faucon, die von Julius wie Kevin unhörbar herangekommen war. Kevin meinte nur:

"Klar, du kannst ja kein Junge mehr bleiben, wo die meinen, dir schon allen möglichen Erwachsenenschrott eintrichtern zu müssen von wegen Verantwortung, sinnvolles Leben und Spaß nur, wenn er keinem schadet. Tut mir leid für dich, Julius. Aber irgendwie bist du durch den Wind."

"Ich? Bestimmt nicht", sagte Julius, der nun keine Wut oder Enttäuschung mehr fühlte. "Kann sein, daß du meinst, weil du Lust drauf hast, könntest du über andere Leute herziehen sei cool. Das zieht auch bestimmt anderswo ganz gut. Aber ich habe dein Volk, die Iren eigentlich immer als freundlich und einfühlsam kennengelernt, wenn ich mit meinen Eltern auf der grünen Insel war. Vielleicht gilt das aber nur für Muggel, weil die ja gelernt haben, das der eigene Tellerrand nicht der Horizont ist."

"Heh, jetzt wird's aber krass, Julius. Du kannst doch nicht einfach behaupten, ich könne nicht gut mit anderen Leuten, nur weil ich sage, was ich denke", empörte sich kevin.

"Wie war das eben?" Fragte Madame Faucon Julius auf Französisch. Er sah sie kurz an, wandte sich dann Kevin zu und meinte:

"Damit hast du gezeigt, daß du und Claire gleich sind. Wenn dich jemand ärgert, rastest du genauso aus. Soll ich jetzt sagen wie ein Mädchen?"

"Willst du damit jetzt alles kaputthauen, was wir in zwei Jahren so erlebt haben?" Fragte Kevin nun sichtlich verärgert.

"Ganz im Gegenteil, Kevin. Ich möchte dir zeigen, wie gut es mir jetzt geht und dich daran beteiligen, damit wir uns weiter gut verstehen. Du kannst über meine Eltern sagen, was du willst. Du kannst mich auch einen Schwächling, einen Idioten oder sonst was nennen. Damit haust du dir nur selbst um die Ohren. Warum? Weil du einfach vergessen willst, was im letzten Jahr gelaufen ist und am liebsten alles wie früher hättest. Das Jahr ist aber gelaufen. Es sind viele Sachen passiert, die dich geärgert und getrietzt haben, genauso wie bei mir. Das Problem ist halt nur, daß wir beide nicht dasselbe erlebt haben und deshalb auch nicht dasselbe draus gelernt haben."

"Klugscheißer!" Spie Kevin Julius entgegen. Dann sagte er noch: "Sag der netten Dame da hinter mir, ich werde gleich abrauschen und kucken, daß Gwyneth mich in diesem Gasthaus am Dorfteich abholt! Ich dachte, du wärst noch cool drauf. Aber leider hast du dich tatsächlich zu einem dieser Austauschstrammsteher machen lassen. Danke für die Einladung, den Kuchen und das nette Gespräch!"

Julius kommentierte das nicht. Er übersetzte kurz für Madame Faucon, was Kevin gesagt hatte, allerdings in einer sehr entschärften Version. Er wußte ja eh, daß seine Lehrerin alles direkt verstanden hatte. Es ging ihm um mögliche Zuhörer, die beide Sprachen konnten und nicht mitbekommen sollten, daß Madame Faucon doch Englisch konnte. Dann wandte er sich noch einmal an Kevin:

"Du hältst mich für verbildet, klugscheißerisch oder sonstwie überdreht. Aber wenn du jetzt aufstehst und abziehst, zeigst du jedem hier von Denise bis Madame Faucon, daß du dich noch wie ein Kleinkind verhältst. Wenn du das gut findest, dann bitte. Reisende soll man nicht aufhalten." Das wirkte. Kevin verzog zwar das Gesicht, nickte jedoch.

"Okay, Julius. Vielleicht geht mir das Getue der Leute hier zu heftig auf die Nerven. Wenn ich jetzt abrausche haben die ja gewonnen. Dann ist der ungehobelte Radaubruder weg, und sie können sich freuen, daß sie uns auseinandergetrieben haben. Also bleibe ich hier, bis die alle abziehen."

Julius konzentrierte sich, um den aufwallenden Triumph nicht zu deutlich durchdringen zu lassen. Er hatte es geschafft, Kevin zu zeigen, daß unnötige Zankerei hier nur ihn und nicht wen anderen treffen würde. So ging er nach einem vorübergehenden Abschied weiter und unterhielt sich mit den anderen Gästen. Mit Pinas Mutter unterhielt er sich über die Schwierigkeiten, wie Muggelstämmige in die Zaubererschulen kamen, ob ihm Pinas neue Frisur besser gefalle und was er so noch alles in den Ferien machen wolle. Jane Porter fragte ihn, ob er nach dem 28. Juli noch etwas besonderes vorhabe. Er sagte nein und wurde gefragt, ob er Lust habe, allein oder mit seiner Mutter nach New Orleans zu kommen, um dort noch zwei oder drei Wochen Ferien zu machen und sich die Südstaaten der USA oder auch die Megastadt New York oder San Francisco an der Westküste ansehen wolle. Sie hätten in den Staaten einen Bus, ähnlich dem fahrenden Ritter in England, der Überlandfahrten mache und Blauer Vogel heiße.

"Letztes Jahr konnte ich ja nicht. Aber wenn ich Gloria richtig verstanden habe dürfen Muggel nicht im Weißrosenweg wohnen. Wo würden Sie denn meine Mutter unterbringen?"

"Bei einem Bekannten, einem Zauberer, der für das FBI arbeitet, die Bundespolizei. Dessen Haus ist durch den Sanctuafugium-Zauber für böse Menschen unbetretbar. Sein Beruf machte das nötig, damit keiner rausfindet, was er wirklich ist. Da könntet ihr beide wohnen, weil es in einem gewöhnlichen Stadtteil liegt, zwölf Blocks vom französischen Viertel entfernt."

"Hmm, Mum, was sagst du dazu?"

"Im Moment habe ich alle angefallenen Arbeiten erledigt, Julius. Ich könnte vom dreißigsten Juli bis zum vierzehnten August verreisen. Die Frage ist nur, ob du das willst."

"Ja, Lust habe ich schon. Ich wollte gerne einmal was anderes erleben", sagte Julius.

So wurde es ausgehandelt, wie Julius mit seiner Mutter am dreißigsten Juli abgeholt und mit der Reisesphäre nach New Orleans gebracht werden würde. Denn der fliegende Holländer, das magische Segelschiff, das in vier Linien die Ozeane durchquerte, durfte nicht von Muggeln benutzt werden, auch wenn es gewisse Transportausnahmen gab, die dann aber nur für staatliche Verkehrsmittel wie die Reisesphäre genutzt werden konnten.

Claire, die einige Zeit später erfuhr, daß Julius seine Ferien nach dem Sommerball mit Gloria zusammen verbringen würde, meinte nur:

"Letztes Jahr warst du bei mir und das ganze Schuljahr lang auch. Wenn Glorias Oma auf dich aufpaßt darfst du ruhig mal anderswo hinfahren." Den letzten Satz hatte sie mit einem Ist-nicht-so-gemeint-Lächeln unterstrichen. Julius schmunzelte.

"Das wird Gloria freuen, daß du keine Probleme damit hast, daß ich mit ihrer Oma Urlaub mache."

"Du weißt das genau, wie ich das meine", lachte Claire und kniff Julius verspielt in die Nase.

Kevin hatte seine Abneigungshaltung gegen die Beauxbatons-Schüler einstweilen zurückgedreht. Außer Jeanne und Claire verstanden ihn von denen ja doch keine und so hielt er sich zurück.

Als dann das mehrgängige Menü, daß Professeur Faucon zubereitet hatte aufgetragen wurde, saß er zwischen Julius und Gloria, die für ihn übersetzten, was gereicht wurde. Kevin sah die Schüsseln und Platten an und fragte, ob diese Professeur Faucon auch Froschschenkel und Schnecken auftischen würde.

"Könnte sein, weil ja doch einige hier sind, die sowas essen. Ich habe das mal probiert. Wenn man's nicht sofort erkennt, geht das erst. Du darfst es nur nicht wissen. Ich hab's aber nicht gelernt, das zu mögen."

"Immerhin noch etwas gesundes Mißtrauen", sagte Kevin. Julius grinste.

Tatsächlich gab es einen Weichtiergang, dem außer Mrs. Watermelon und Mrs. Porter nur die französischen Tischgäste zusprachen. Aber die übrigen Gäste mußten bei Leibe nicht verhungern oder verdursten. Madame Faucon bot Kevin zwar einmal von den Weinbergschnecken in Knoblauchsoße an, doch er lehnte höflich ab, was sie respektierte.

"Also das muß man der lassen", sagte er, nachdem er ein großes Stück Seelachsfilet verputzt hatte. "Vom Kochen versteht die Frau was." Diese Meinung behielt er auch noch nach dem Nachtisch, der Mousse au Chocolat, in der Julius eine winzige Spur Kirschsirup und Honig herauszuschmecken vermeinte. Wer danach noch Hunger hatte war selbst schuld.

So um neun Uhr herum klingelte es wieder an der Tür. Madame Faucon öffnete. Dann kehrte sie mit Madame Delamontagne, Monsieur Dusoleil und dessen Frau in das Esszimmer zurück. Julius schwante, daß jetzt Kevins Urteil wegen des tragbaren Sumpfes gefällt würde.

"Monsieur Malone, nach eingehender Erörterung der Ausmaße des von Ihnen fahrlässig in den Musikpark freigesetzten Sumpfes und dessen Beseitigung haben wir uns dazu entschlossen, Ihnen folgende Bußleistung aufzuerlegen", begann Madame Delamontagne, wobei sie fließend Englisch sprach. Alle anderen wurden still, weil der Tonfall der Dorfrätin in jeder Sprache bedrohlich ernst klang. Kevin sah sie trotzig an. Was konnten die ihm jetzt noch aufbrummen. Wenn es um Geld ging würde die Versicherung seiner Eltern ... "Sie werden morgen persönlich und ohne Einsatz von Zauberkraft die Reinigung von einem Zehntel des versumpften Areals vornehmen und zwar von acht Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Das sollte ausreichen, sich des Ausmaßes des von Ihnen angerichteten Schadens bewußt zu werden. Seien Sie froh, daß wir Ihnen den Arbeitsaufwand nicht in Rechnung stellen."

"Och, wielang hat's denn gedauert, den Sumpf wegzuzaubern?" Fragte Kevin. Madame Delamontagne gab die Frage an Monsieur Dusoleil weiter, der sagte, daß er und zwei Helfer zusammen fünfzehn Minuten daran gearbeitet hatten.

"Häh, fünfzehn Minuten? So groß ist der Park doch nicht."

"Sie vergessen, daß der Sumpf nicht nur die Fläche des Parks ausgefüllt hat, sondern auch vier meter tief aufgeschwemmt wurde", sagte Madame Delamontagne.

"Na klar, ich bleibe auch bis morgen früh hier und mach Ihnen den Park sauber, noch dazu ohne Magie. Wir sind hier nicht in Ihrem Beauxbatons, wo so'ne Schufterei als normale Strafarbeit läuft. Mit Julius konnten Sie so'n Mumpitz machen. Aber ich bin nicht so bescheuert. Danke nein, kein Bock auf Parkputzen. Schicken Sie meinen Eltern 'ne Eule mit der Gesamtrechnung! Dann hat sich's", lehnte Kevin die Strafarbeit ab. Gloria sah Madame Dusoleil an, ob die noch was dazu sagen wollte.

"Madame Delamontagne 'at bereits mit deinen Eltern gesprochen. Sie ist extra nach Irelond gereist. Dein Papa ist nischt sonderlisch begeistert."

"Und? Die Versicherung zahlt's."

"Kevin, ich fürchte, du weißt nicht, was Versicherungen für magischen Sachschaden in ihre Verträge reinschreiben. Gerade um sich vor Schäden auf Grund von magischen Scherzartikeln zu schützen klammern die alles aus, was durch solche Dinger angerichtet wird", sagte Mrs. Porter. Kevin wollte schon was sagen, daß sie wohl bluffen würde. Doch er sah eher Madame Dusoleil an und meinte:

"Tut mir leid mit Ihrem Park. Aber wenn der jetzt wieder entsumpft ist war's ja nicht so schlimm wie das Ding damals mit dem Regenbogenstrauch."

"Hallo, so nicht", sagte Madame Delamontagne. Auch die Dusoleils machten ablehnende Gesten. Dann sagte sie noch. "Also, deine Eltern sind froh, daß wir Ihnen keine Rechnung schicken. Wenn wir dich nicht schlagen oder verwandeln oder sonstwie beeinträchtigen, sollst du ruhig eine gewisse Bußleistung vollbringen, hat dein Vater sogar gesagt, als ich mich mit ihm unterhalten habe."

"Sie bluffen, Madame Delamontagne. meine Eltern hätten Ihnen das nie abgekauft, daß ich hier sowas angestellt haben soll. Da könnte ja jeder kommen und sowas behaupten. Also hören Sie schon mit dem Blödsinn auf! Ich nehme die Strafe nicht an. Fertig aus. Wenn Sie wollen, schmeißen Sie mich hier raus und verbieten mir, hier wieder herzukommen. Das juckt mich überhaupt nicht." Kevins alter Trotz war nun wieder vollends erwacht. "Ich bin eben nicht so blöd, mich für irgendwelche Schrubbarbeiten einspannen zu lassen. Julius macht sowas oder die anderen, die in dieses Beauxbatons gehen oder da mal hingegangen sind. Aber in Hogwarts läuft sowas nicht."

"So, tut es nicht. Dann darf ich Sie daran erinnern, Monsieur Malone, daß sie vor drei Jahren bereits körperliche Strafarbeiten aufgetragen bekamen und im Jahr darauf auch einmal wegen renitenten Verhaltens nachsitzen mußten. Ihr drittes Jahr lasse ich wegen besonderer Umstände mal außen vor", sagte Madame Delamontagne und betete haarklein alle Verfehlungen und Strafen für Kevin Malone herunter. Dieser schoss von seinem Platz hoch. Auch Gloria, Pina, Olivia und Julius standen auf. Wie kam die Dorfrätin dazu, sich Strafakten aus Hogwarts zu holen?"

"Ich denke mal, das was ich in Hogwarts mache geht Sie einen ganz feuchten Kehricht an, Madame. Das ist bestimmt nicht erlaubt, sich sowas über andere Leute zu besorgen. Meine Eltern werden Sie dafür verklagen."

"Monsieur Andrews kann Ihnen bestätigen, daß ich in meiner Eigenschaft als Rätin für gesellschaftliche Angelegenheiten sehr genau prüfe, wer Millemerveilles besucht. Das mag Ihnen jetzt als Spionage und Störung der Privatsphäre erscheinen, hat sich aber häufig als sehr nützlich erwiesen, um zu klären, wer hier wie auftritt und wie mit ihm oder ihr so konfliktarm wie möglich umgegangen werden kann. Ich habe Ihren Eltern ein Bild des Musikparks gezeigt, wie er vorher aussah und nach dem Sumpf. Außerdem haben Sie mit Ihrer Handlungsweise eine in Großbritannien angesehene Hexe beschmutzt und damit auch beleidigt. Die hat genug Verbindungen nach Hogwarts. Scherze sind nur solange solche, solange sie in bestimmten Grenzen laufen. Und diese Grenzen haben Sie heftig überschritten, Monsieur Malone", sagte die Dorfrätin und stand in ihrer straffesten Haltung vor Kevin. Dieser meinte nur:

"Regen Sie sich nicht so auf, sonst platzen Sie noch."

"Kevin, das war wohl jetzt ein Wort zu viel", raunte Gloria.

"Wie war das?" Fragte Madame Delamontagne. Julius stellte sich schützend vor Kevin.

"Er hat es nicht so gemeint, Madame. Machen Sie bitte nicht so einen Aufstand ..." Unvermittelt riss ihn etwas vom Boden hoch. Madame Delamontagne hatte ihren Zauberstab gezogen und Julius mit einem Fernlenkzauber erwischt, der ihn zur Seite hob und dann vor seinem Stuhl wieder absetzte.

Ein lauter Knall ertönte, und da wo Kevin gestanden hatte hockte ein weißes Kaninchen, das wild mit den Ohren wackelte und am ganzen Leib zitterte.

"Nimmt der Herr die Unverschämtheit gegen mich zurück?" Fragte Madame Delamontagne. Gloria sah mit einer Miene wie eine Steinmaske auf das Kaninchen, Julius suchte Blickkontakt mit seiner Mutter, Mrs. Porter und den Watermelons. Alle starrten sie maßlos entsetzt auf das magische Schauspiel hier. Madame Faucon stand unbeteiligt am Rande und wartete auf den Ausgang dieser Sache. Das kaninchen nickte heftig mit dem Kopf. Wieder krachte ein violetter Blitz durch das Zimmer und traf das Kaninchen, das in wenigen Sekundenbruchteilen zu einem total erschrockenen Jungen mit rotblondem Haar wurde.

"Madame Dusoleil wird sie morgen früh am östlichen Eingang des Musikparks erwarten. Damit Sie nicht meinen, diese Einbestellung sei nicht verbindlich, werden Sie diese Nacht diese Ringe hier tragen", sagte Madame Delamontagne und winkte der Tür. Eine Kiste flog herein, polterte vor der Dorfrätin zu Boden und ging auf. Zwei dünne Metallreifen lagen darin. Sie klafften wie große Cs außeinander. Julius erkannte die Ringe genauso wie jeder Beauxbatons-Schüler im Raum.

"Maneto!" Sprach Madame Delamontagne mit auf Kevin deutendem Zauberstab. Dieser wollte noch zur Seite springen, konnte sich aber nicht mehr von der Stelle bewegen. Ruhig nahm die Dorfrätin die beiden offenen Metallreifen, trat auf Kevin zu und legte sie ihm um die Hüfte. Dann hantierte sie mit ihrem Zauberstab daran, und sie schlossen sich. Sie tippte einen nach dem anderen an und trat dann zurück. In fünf Schritten Abstand hob sie den Bewegungsbann wieder auf.

"Höh, was soll das nun? Soll ich mit den Dingern jetzt tanzen? Die sind doch federleicht", sprach Kevin und versuchte, die angelegten Metallringe zu lösen.

"Ich habe den magischen Zusammenhalt so bestimmt, daß diese Ringe sich erst wieder öffnen, wenn Sie morgen abend mit der angesetzten Strafarbeit fertig sind. Treten Sie sie nicht erst an, werden Ihnen diese federleichten Ringe von Minute zu Minute schwerer. Nur wenn sie tun, was ich Ihnen auftrug, werden sie federleicht um Ihre Hüfte liegen. Sie können Ihre Kleidung problemlos wechseln. Aber lösen können Sie die Ringe nicht. Selbst wenn Sie sehr gelenkig sind, Monsieur Malone. Also, Madame Dusoleil erwartet sie dann morgen früh um acht Uhr." Auf Französisch verabschiedete sie sich noch von den anderen und verließ mit den Dusoleils das Faucon-Haus.

"Verflixte Hexe", knurrte Kevin. "Wegen sowas haben die im Mittelalter hunderte von unschuldigen Muggeln verbrannt", schnaubte Kevin.

"Sie ist sehr empfindlich, wenn sie jemand wegen ihrer Leibesfülle ärgert", sagte Claire Dusoleil gehässig.

"Dann soll sie abnehmen. Es gibt gute Abspecktränke", fauchte Kevin.

"Die ist ja schlimmer als Moody und Umbridge", wimmerte Pina Watermelon.

"Neh, schlimmer als die Umbridge ist die nicht, Pina", sagte Gloria. "Sie kennt das halt nicht anders als mit heftigen Strafen. So läuft das in Beauxbatons."

"Hast recht, Gloria", sagte Julius bestätigend und sah flüchtig zu Laurentine hinüber, die sich mit Céline und Belisama unterhielt.

"Die Ringe kriege ich schon wieder ab, bevor deren eingebauter Fluch anfängt", meinte Kevin. "Die sieht mich hier nicht antreten. Deine Mutter ist ja wohl sonst ganz nett, Claire. Aber die wird mich hier nicht mehr zu sehen kriegen. Wenn's elf wird, bin ich hier weg, und ihr habt eure Ruhe vor mir."

"Du kennst diese Ringe nicht, Kevin. Die tragen wir zur Walpurgisnacht. Normalerweise halten sie Paare, die sich gefunden haben für den Abend in geringem Abstand zusammen. Wenn aber jemand bei den Spielen, die da stattfinden mogelt, werden die schwerer und schwerer. Unser Saalsprecher konnte davon ein Lied singen", sagte Julius.

"Bis morgen früh habe ich die beide ab. Ich denke nicht, daß Tante Siobhan die nicht abkriegt. Die hat bei Flitwick sehr viel gelernt", sagte Kevin.

Julius gab es auf, dem trotzigen Freund zu erklären, daß Edmond Danton ja auch kein schlechter Zauberer war und den Metallreif nicht hatte lösen können. Wahrscheinlich waren da eine ganze Latte von ineinandergreifenden Zaubern eingeflossen, um die Ringe zu dem zu machen, was sie waren.

Kevin tat so, als ginge ihn die Strafe und diese Ringe nichts an. Er flachste mit Gloria, Pina und Olivia, sang mit den anderen Lieder mit und führte vor, wie gut er springen und tanzen konnte, um zu zeigen, daß er sich nicht mehr bange machen ließ. Kurz vor elf gingen alle zu ihren Sachen an der Garderobe. Mrs. Porter setzte ihren Strohhut auf, Mrs. Watermelon zog ihre leichte Jacke über und half ihren Töchtern in die kurzen Übermäntel. Denn draußen wurde es doch etwas kühler. Kevin nahm den Sauberwisch-Besen, den er mitgebracht hatte und trug ihn hinaus. Julius fragte sich, was er in der kleinen Ledertasche hatte, die fest am Besen angebunden war.

Die Dusoleils kamen, um ihre Töchter abzuholen. Sie grüßten noch einmal alle und wollten dann mit Jeanne, Claire und Denise davonfliegen, als Kevin, der bereits über ihnen flog, einen mächtigen Strauß kleiner Gegenstände abwarf, die aufglühten und dann mit Hui, Krach, Zisch und Bums grell und bunt losgingen, zu wuchtigen Kanonenschlägen, lärmenden Knallfröschen, Riesenraketen und höllischen Feuerrädern wurden, die erst auf der Stelle und dann in alle Richtungen ihr feuriges Eigenleben austobten, aber nicht einfach ausgingen oder verglühten, sondern andauernd heftiger und wilder wurden.

"Kevin, du Idiot!" Rief Gloria nach oben. Kevin lachte nur.

"Eigentlich wollte ich das dir ja auch noch schenken, Julius. Aber deine neuen Aufpasser wollen ja nicht, daß du noch Spaß haben kannst. Also habe ich das Zeug hier ..." Er mußte einem Mordsexemplar von Wunderkerze ausweichen, das Funkensprühend das englische Wort "Bullshit" buchstabierte. Flammende Fledermäuse aus loderndem Grün, Gold und Rot fauchten um ihn her, wie auch mächtige Drachen aus rotgoldenen Flammen, die grelle Feuerbälle verspien, während silberne Raketen und rosa Feuerräder wild herumsausten.

"Inferno Delux, Julius! Viel Spaß noch damit und auf irgendwo anders mal Wiedersehen!" Rief Kevin und flog mit seinem Besen davon, verfolgt von zwei grünen Leuchtkugeln, die in der Luft platzten und sich in kleinere grüne Kugeln auflösten, die innerhalb von Sekundn wieder zur vollen Größe anwuchsen.

"Das ist nicht wahr!" Fluchte Madame Faucon, als einer der rotgoldenen Drachen fauchend einen Feuerstrahl durch die Eingangstür blies.

"Extingio!" Rief Monsieur Dusoleil mit auf die Tür deutendem Zauberstab. Ein eisblauer Lichtkegel schoss aus der Zauberstabspitze und glitt in die Türöffnung. Monsieur Dusoleil ließ den Lichtkegel mehrmals auf und niedertanzen, bis er wohl fand, daß kein Feuer mehr da war. Claire mußte derweil vor einer flammenden Fledermaus in Deckung springen, während um alle herum die Knallfrösche losballerten und anstatt verkohlt und ausgebrannt liegen zu bleiben weiterhüpften und weiterwummerten. Dann schossen noch rote Fluggeschöpfe wie Teufel mit Fledermausflügeln heran und stießen ein schaurig schnarrendes Heulen aus. Babette, die erst gejubelt hatte, als der Feuerzauber losgegangen war, warf sich mit einem Aufschrei zu boden, als eine von irgendwo ausgebrochene Rakete auf sie zuzischte, Höhe gewann und dann endlich senkrecht auffuhr, um weit oben in einer Wolke aus silbernem Funkenregen zu verglühen. Zumindest sah das erst wie eine Funkenwolke aus, bis Julius erkannte, daß die Rakete beim Vergehen zwölf Töchter geboren haben mußte, denn neue silberschweifige Feuerwerksgeschosse fauchten im Sturzflug auf sie zu.

"Vanesco Solidus!" Rief Madame Faucon, den Zauberstab auf einen weiteren Drachen richtend. Dieser erstarrte im Flug und explodierte, um dann aus der roten Feuerwolke in einen Schwarm von zehn gleichartigen Drachen zu erscheinen.

"Mercredi!" Fluchte Madame Faucon, die versuchte, die Drachen mit einer Serie von Betäubungs- und Bewegungsbannflüchen zu bändigen.

"So nicht, Bläänch!" Rief Mrs. Porter grinsend und deutete mit ihrem Zauberstab auf eine grüne Leuchtkugel, die gerade vor ihr aufstieg. "Multiplico!" Rief sie der Kugel zu. Diese schüttelte sich, blähte sich auf und verpuffte mit einem lauten Plopp, aber ohne neue Leuchtkugeln freizusetzen.

"Das Spiel mit der Inversen Logik!" Knurrte Madame Faucon.

Alle Gäste, die nicht zaubern konnten oder durften gingen in Deckung. Nicht nur das Feuerwerk, daß sich derweil über ganz Millemerveilles zu verteilen begann krachte, sondern auch apparierende Hexen und Zauberer, die sehen wollten, was diesen unbekannten Spuk heraufbeschworen hatte.

"Das ist ja ultraheftig", sagte Julius, der sich mit Claire, die sich eine angesengte Haarsträhne auszupfte, Babette, Denise und den Watermelons ins Haus flüchtete, um die Zauberer mit den Feuerwerkskörpern fertig werden zu lassen. "Der Festkörperdematerialisationszauber ist zu einem Vervielfacher umgeschlagen", stellte Jeanne fest.

"Inverse Logik", keuchte Martha Andrews, die gerade eben noch vor einem sie anfliegenden Feuerrad ins Haus zurückspringen konnte.

"Die haben es drauf, die Weasleys", stellte Gloria fest, als sie sah, wie ihre Oma eine Fledermaus verschwinden lassen wollte, der Vervielfältigungszauber jedoch nicht mehr so gut als Verschwindezauber ging, sondern nur bewirkte, daß die Fledermaus kleiner wurde.

"Diese Fluchwörterwunderkerzen sind ja scharf", stellte Robert fest.

"Woher weißt du, welche Wörter das sind?" Wollte Céline wissen, die gerade mit ihrem Freund, sowie Sandrine und Gérard hereinkam.

"Ein Paar habe ich mir mal vorsagen lassen, Céline."

"Der kriegt mordsmäßigen Ärger!" Schimpfte Belisama. Julius sah auch sofort warum. Denn ihr seidenweiches Haar war zum Teil angesengt und zum anderen Teil mit nach Schwefel stinkendem Ruß verklebt. "Gut, das Madame Porter mir die Haare mit Wasser besprüht hat", knurrte sie noch. Laurentine Hellersdorf, die bereits bei Einsetzen des Feuerwerks in Deckung gegangen war fragte Julius, ob's vorbei sei. Da kam Madame Faucon ins Haus gestürmt.

"Alle ins Esszimmer, bis der Aufruhr vorbei ist!" Befahl sie. Julius nickte und führte Pina, Babette und Olivia ins Esszimmer zurück.

"Hoffentlich kommt hier keins von den Dingern rein", meinte Belisama.

"Aber genial ist das zeug schon", meinte Robert. "Wo kriegt man das?"

"Wahrscheinlich bei irgendeinem Laden in England", meinte Céline.

Von draußen klang ein erheitertes Lachen herein. Céline wußte, daß war ihr Onkel Baudouin. Offenbar amüsierte der sich wenigstens.

"Arbeitet der nicht bei Forcas'?" Fragte Julius.

"Jau", sagte Céline. "Ich denke sogar, der wird rauskriegen, wer die Dinger herstellt und Lizenzverträge mit denen abschließen."

"Das wäre ja dann ein heftiger Aufschwung für die Weasleys", meinte Gloria dazu.

"Wie lange brennen die Dinger?" Wollte Julius wissen.

"Also in Hogwarts hat es von Mittags bis Mitternacht gerumst und geheult", meinte Pina.

"Ja, aber die Zwillinge hatten bestimmt noch mehr Sätze davon losgelassen als nur einen. Außerdem haben Flitwick und die anderen Lehrer ja nichts dagegen gemacht, weil sie das wohl irgendwie amüsierte, wie die Umbridge hinter den ganzen Feuerwerkskörpern hergejagt ist, zusammen mit Filch. Ich denke, in einer Minute ist der Krawall vorbei", schränkte Gloria ein. Wie um sie zu widerlegen krachte ein Böller dicht beim Haus.

"Also die Ferien in Millemerveilles kann Kevin jetzt komplett in den Gully kippen. Ich glaube nicht, daß die den hier noch mal reinlassen", seufzte Julius auf englisch. Claire hatte das gehört und meinte:

"Also morgen muß er noch antreten. Vielleicht kriegt er dann noch heftigeres aufgeladen als den Park sauberzumachen."

"Wenn er die Ringe nicht doch los wird", sagte Julius.

"Das wird er nicht, Julius", flüsterte Claire. "Die wehren alle Zauber ab, mit denen man sie öffnen kann und sind härter als Eisen oder Diamanten. Eddie hat den um seine Hüfte ja auch nicht abgekriegt."

"Es gibt da unzählige Möglichkeiten, sowas abzumachen, Claire. Säure, Feuer, Trrennschleifer. Im Zweifelsfall Nitro."

"Julius, sei nicht albern!" Zischte seine Mutter ihm zu. "Du willst doch nicht hoffen, daß dein Freund mit Nitro hantiert, um die Ringe abzulösen?"

"Nein, das nicht. Ich habe nur aufgezählt, was noch drin ist", sagte Julius. Gloria fragte, was denn bitte Nitro sei. Julius erklärte ihr, daß das ein hochexplosiver Sprengstoff sei, der aus zwei Flüssigkeiten zusammengemischt würde, was an sich schon sehr gefährlich war.

"Es wird stiller draußen", stellte Sandrine fest.

"Ich hoffe nur, daß nirgendwo Feuer ausgebrochen ist", unkte Julius.

"Dann wird's teuer", meinte Jeanne. "Dann kommt der mit ein bißchen Putzdienst nicht mehr hin."

Sie beobachteten noch, wie einzelne Raketen aufstiegen oder wilde Feuerräder rotierten. Einmal krachten eine Rakete und ein solches Feuerrad zusammen und blieben aneinander hängen, bis beide Feuerwerkskörper sich in einen Schwarm rosaroter und silberner Schweinchen auflösten.

"Oink oink", machte Robert, der das irgendwie lustig fand, während zwei Drachen sich ums Haus jagten, davonfauchten und anderswo wohl ihr Unwesen trieben.

Es dauerte eine Stunde, bis kein Böller, kein Luftheuler und kein Raketenzischen mehr zu hören war. Madame Faucon kam herein und verkündete, daß das Spektakel vorbei sei.

"Ist was kaputtgegangen?" Fragte Martha Andrews.

"Nur die Nachtruhe von Millemerveilles", sagte Monsieur Dusoleil, der gerade hereinkam. "Auf jeden Fall wissen wir jetzt, daß unsere Unfalltruppe auf Draht ist."

"Dieses Feuerwerk hat sich über das ganze Dorf verteilt. Die mitotischen Leuchtgeschosse haben unsere Nachbarn noch bis ins Zentrum erschreckt, und die Dinger, die diese englischen Kraftausdrücke versprüht haben haben einige weitgereiste Mitbürger zu empörten Ausrufen veranlaßt", sagte Madame Faucon.

"Was ist mit dem Burschen, der die uns eingebrockt hat?" Fragte Belisama, die wegen ihrer ruinierten Haartracht immer noch wütend war.

"Der hat wahrhaftig die Frechheit aufgebracht, zum Chapeau zu fliegen, sich dort eine Prise Flohpulver zu kaufen und damit zur Grenze abzureisen. Monsieur Renard wußte nicht, daß der Junge gerade ein höchst anstrengendes Feuerwerk abgebrannt hatte und hielt ihn nicht auf."

"Der hat doch die Ringe um seine Hüften gesehen", meinte Jeanne.

"Das wird ihm wohl zu denken gegeben haben", meinte Madame Faucon.

"Zur Grenze? Dann ist der jetzt in Irland", sagte Julius.

"Das ist ja unerheblich, da er morgen früh hier antanzen und den Park zum veranschlagten Teil reinigen soll", sagte Madame Faucon.

"Entschuldigung, Madame, aber der kommt morgen nicht her. Ich habe da so den Verdacht, der kriegt die Ringe schnell wieder ab. Was passiert eigentlich, wenn er mehr als die Strafzeit nicht antritt?"

"Die Ringe werden immer schwerer und schwerer, bis er herkommt und antritt", sagte Madame Faucon.

"Wenn er dann noch kommen kann", wußte Martha Andrews. "Wenn die Ringe immer schwerer wiegen, wird er zusammenbrechen und von ihnen erdrückt. Ich fürchte, Sie überschätzen die Wirkung Ihrer Drohung und gefährden den Jungen, Madame."

"Ich denke nicht, daß er es so weit kommen lassen wird", sagte Madame Faucon kühl. Doch dann überlegte sie. Was würde wohl passieren, wenn Kevin nicht zur Strafarbeit antrat?

"Was macht eigentlich seine Tante Siobhan, die damit fertig werden könnte?" Fragte Julius Gloria.

"Hat er nie erzählt, weil er sie selten sieht", erwiderte sie.

"So, verletzte gibt es auch keine mehr", sagte Aurora Dawn, als sie von draußen hereinkam.

"Lediglich einige leichte Verbrennungen mußten kuriert werden. Hat sich von euch einer ...? Ach ich sehe es. Möchtest du, daß ich deine Hare wieder richtig mache, Belisama?"

"Wenn Sie das hinkriegen", maulte Belisama und ging zu Aurora hinüber, die sich die verrußten Strähnen und verkohlten Spitzen ansah. Dann nahm sie ihren Zauberstab, hielt ihn Belisama an den Kopf und sagte: "Alopetio!", worauf Belisama sämtliche Haare ausfielen, bis sie keine mehr hatte. Doch die so entstandene Glatze hielt nur zwei Sekunden vor. Mit einem blaßrosa leuchtenden Licht ließ Aurora Dawn feinen Flaum auf Belisamas Kopfhaut sprießen, wie bei einem Baby. Dann tippte sie Belisamas Kopf an, worauf die Haare in Sekunden um mehr als dreißig Zentimeter wuchsen. Mit einem kurzen Zittern des Zauberstabes ließ sie den so wiederentstandenen Haarschopf auf der gerade erreichten Länge und kämmte mit einer kurzen Bewegung das Haar seidigweich aus.

"Das war's", sagte Aurora Dawn und fegte mit einer schnellen Wischbewegung ihres Zauberstabs die ausgefallenen Haare zu einem Knäuel zusammen, das sie mit einem Verschwindezauber in Nichts auflöste.

"Wau, den Kram muß ich wohl noch lernen", meinte Gloria anerkennend.

"In der vierten Klasse hatten wir einen Zauberkunstclub. Haushaltszeug für Mädchen und Basteleien mit Metallen und Elementarzaubern für Jungs", sagte Aurora Dawn.

"Stimmt, die Umbridge hat den Zauberkunstclub ja erst wieder erlaubt, als da garantiert keine Potter-Anhänger drin waren", erinnerte sich Gloria.

Nach dem nun sehr weit hinausgezögerten Abschied der Gäste saßen Madame Faucon, Martha und Julius Andrews noch eine Weile zusammen. Julius schämte sich für den ganzen Ärger, den Kevin angerichtet hatte.

"Weder Madame Delamontagne noch Madame Dusoleil wird dir die Schuld daran geben, Julius. Du bist nicht der Vater dieses Drachens im Strohlager oder dessen Lehrer. Vielleicht kommt er morgen ja doch noch zur Vernunft."

"Ich denke eher, der kommt morgen nicht mehr her", sagte Julius. "Der wird die Ringe irgendwie los, und wenn der sich von einem Heiler in zwei Teile zerlegen und wieder zusammensetzen läßt."

"Du hast Ideen, Julius", meinte seine Mutter. "Nach der Zaubertricknummer "Die zersägte Jungfrau"?"

"So ähnlich", sagte Julius. Madame Faucon räusperte sich erst bei der Erwähnung eines sogenannten Zaubertricks, mußte dann aber wohl was überlegt haben, das ihr erst ein verdutztes Gesicht und dann eine Maske der stillen Wut bescherte.

"Das wird keiner wagen. Das dürfen die einfach nicht."

"Was dürfen die nicht?" Fragte Julius neugierig und schrak vor dem bitterbösen Funkeln in Madame Faucons saphirblauen Augen zurück.

"Heilexperten, wie Madame Eauvive oder auch Madame Rossignol vermögen es, Körperteile eines Wirbeltieres ohne Blut zu verspritzen abzutrennen und wieder anzusetzen. Dies dient der Entgiftung oder dem Ersatz unrettbar geschädigter Organe durch magische Prothesen. Ich denke, in deinem neuen Anatomiebuch wirst du die Erwähnung finden, daß in genau festgelegten Notsituationen die Amputation und Rekonnektion von Körperteilen durchgeführt werden kann. Aber niemand aus der Heilzunft wird sich darauf einlassen, einen körperlich gesunden Zauberer in der Körpermitte auseinanderzunehmen, nur um zwei mehrfach bezauberte Metallringe zu lösen. Ein derartiger Eingriff ist nicht nur gefährlich, sondern auch kompliziert."

"Dann wird er die Ringe wohl weitertragen müssen", sagte Julius.

"Drache im Strohlager! Klingt noch heftiger als der Elefant im Porzellanladen", fiel es Martha Andrews ein.

"Ja, dieser stehende Begriff wird gerne für Zeitgenossen verwendet, die einfach nicht die Anstandsgrenzen sehen wollen, obwohl sie oft genug darauf hingewiesen werden", sagte Madame Faucon. Dann sah sie Julius noch einmal sehr ruhig an:

"Du bist hier immer noch willkommen, Julius. Niemand wird dir die Schuld geben, was dieser Chaot angerichtet hat. Du wolltest deinen alten Schulfreund einmal hierher einladen und gingst wie wir alle davon aus, er würde diese Einladung verdienen. Irren darf sich jeder, weil das die Bereitschaft zum Lernen fördert, solange man auch erkennt, sich geirrt zu haben."

"Also geben Sie ihm doch die Schuld daran", mischte sich Martha Andrews ein. "Weil Sie jetzt implizieren, daß er tunlichst sorgfältig bei seinen Freundschaften sein soll, also indirekt schon das ganze hier zu verantworten hat."

"Entschuldigung, wenn ich diesen Eindruck gemacht haben sollte, Madame Andrews. Natürlich unterstelle ich Julius weder direkt noch indirekt, bei der Wahl seiner Freundschaften versagt zu haben, weil Freundschaften eben mehr sind als Lernerfolge und Entwicklungsfortschritte, die durch Erfolg und Irrtum bestimmt werden. Sollte das so verstanden worden sein bitte ich dich um Verzeihung für einen eventuellen sprachlichen Mißgriff, Julius", sagte Madame Faucon ganz ruhig. An ihren Ohren zeigte sich eine gewisse Röte. Julius sagte nur:

"Ich hab's nicht so verstanden, Madame. Mum kann nur schön Wortklauben, wie ein Oppositionspolitiker im Parlament."

"Dein Glück, daß ich das jetzt als Kompliment auffasse", sagte Mrs. Andrews und mußte lächeln.

Nach einem letzten Schluck von dem fruchtigen Wein, den Madame Faucon für die Erwachsenen und die Jugendlichen über zwölf Jahren herausgestellt hatte verabschiedeten sie sich zur Nachtruhe.

__________

Julius trainierte am nächsten Morgen mit Barbara, die ihn fragte, ob Madame Faucon noch was über Kevin gesagt hatte. Julius erzählte ihr, was sie noch gemeint hatte und auch, daß Kevin wohl doch herkommen müsse. Denn wenn kein Heiler einen gesunden Menschen nach Belieben auseinandernehmen durfte, würden die Ringe solange halten wie Kevin nicht herkam.

Nach dem Frühstück polterte es im Briefkasten Madame Faucons. Sie ging hin, um zu sehen, was da diesen Lärm gemacht hatte. Als sie zurückkam, trug sie ein walzenförmig eingeschlagenes Paket in himmelblauem Seidenpapier unter einem Arm, auf dem in goldener Druckschrift stand: "FÜR MONSIEUR JULIUS ANDREWS VON MADAME ANTOINETTE EAUVIVE" Julius staunte. Was für ein Geschenk machte ihm die Direktrice des Delourdes-Krankenhauses?

"Offenkundig hielt es Madame Eauvive für nötig, dieses Geschenk einen Tag später an dich zu schicken, Julius. Denn das waren Expresszustelleulen aus Paris, wie der beigefügte Auslieferungszettel besagt, den ich unterschrieben zurückschickte", berichtete Madame Faucon. Julius fragte, ob die Eulen ihr persönlich die Post zustellen sollten. Sie nickte.

Julius Andrews wickelte das Paket aus und fand, nachdem er die Walze fünfmal gedreht hatte, bis das Papier abgelöst war, eine silberne Röhre von zwanzig Zoll Länge und vier Zoll Dicke. Die Röhre war an beiden Enden mit Schraubdeckeln verschlossen. Julius drehte einen davon los, zog ihn ab und blickte in die Röhre hinein. Er sah ein zusammengerolltes Stück Leinwand, zwischen dem noch ein zusammengerolltes Pergamentstück hervorlugte. Das Pergamentstück zog er hervor und las:

Sehr geehrter Monsieur Andrews,

um Ihre Verdienste um die Pflegehelfertruppe von Beauxbatons sowie den hervorragenden Abschluß der dritten Klasse zu würdigen, habe ich die Ehre, Ihnen eine vor drei Jahren angefertigte Kopie unserer gemeinsamen Urmutter Viviane Eauvive auf Leinwand und in bezauberten Farben zu übersenden, auf daß Sie dieses Bild mit einem Rahmen Ihrer Wahl versehen in den von Ihnen außerhalb der Schule privat genutzten Räumlichkeiten aufhängen mögen, womit Sie Ihre und meine Abstammung ehren und, wie Sie wissen, eine rasche Verständigungsmöglichkeit zwischen Beauxbatons und Ihrem Zuhause einrichten können. Belassen Sie bitte das Bild im aufgerollten Zustand, bis Sie nach Paris zurückkehren, da das Motiv eine berechtigte Aversion gegen ständiges auf- und Abrollen ihres Bildes hegt und die Zeit in einem schlafähnlichen Zustand zubringt, der endet, wenn das Bild frei zu sehen ist.

Hochachtungsvolle Grüße auch an Ihre Frau Mutter und Ihre Gastgeberin

                              Dr. Antoinette Eauvive

"Julius erzählte seiner Mutter in deren Gästezimmer, was er bekommen hatte und was damit wohl bezweckt war. Seine Mutter nickte.

"Dann hängst du es besser in unserem Wohnzimmer auf. Ich weiß ja, daß die gemalten Wesen ein gewisses Eigenleben haben. Aber eine schöne Idee, eine direktere Verbindung zwischen Beauxbatons und mir herzustellen. Kann ich diese Frau direkt anschreiben? Oder muß ich warten, bis ich in Paris an den Faxapparat kann?" Wollte Mrs. Andrews wissen.

"Ich kann deinen Brief mit Francis abschicken. Der freut sich bestimmt, mal wieder was zu tun zu kriegen, nachdem ich die Geburtstagseinladungen ja mit den amtlichen Posteulen losgeschickt habe, von Claire abgesehen."

"Danke Julius", erwiderte seine Mutter und schrieb eine kurze Antwort, die Julius noch mit ein paar Zeilen ergänzte, in denen er sich für das Geburtstagsgeschenk bedankte, das bestimmt nicht ohne gewisse Hintergedanken zu ihm geschickt worden war. Er weckte seine Schleiereule Francis, die in ihrem Käfig saß und wohl gerade eingeschlafen war. Er gab ihm den Brief in einem Umschlag mit und ließ ihn zum Fenster hinaus.

Um Neun uhr dachte Julius wieder an Kevin. Wenn der die Ringe nicht los wurde, mußte er schon angetanzt sein. Er beschloß, den nun auch offiziell als Ganymed 10 benutzbaren Besen mal richtig auszufliegen. Er holte ihn sich aus seinem Zimmer, fragte Madame Faucon, wielange er ausbleiben dürfe und ging gerade hinaus, als Babette heranstürmte und mitfliegen wollte. Doch ihre Oma sagte unumstößlich nein. Julius wurde bestimmt hinausgeschickt, während Babette quängelte. Er saß auf und probierte gleich den Blitzstart aus. Keine Sekunde später war das Haus der Faucons nur noch ein winziger Weißer Punkt in einer Schar unter ihm dahinwirbelnder weißer und roter Punkte. Er sah auf seine Weltzeituhr und stoppte die Zeit, die er im ganz schnellen Sprint zum Dorfteich brauchte. Wie ein aufblitzender Taschenspiegel grüßte der Teich in der Dorfmitte. Julius legte den Besen in eine scharfe Kurve und dankte den Erbauern, daß die Fliehkraft so stark heruntergeschraubt wurde. Schnell beschrieb er einige weitere Quidditchmanöver und jagte dann im Rosselini-Raketenaufstieg senkrecht nach oben, bis zur flauschigen Unterkante einer weißen Schönwetterwolke. Erst hier merkte er, wie kalt es war. Außerdem konnte er das Dorf nicht mehr sehen. Es schien verschwunden zu sein. Nur eine öde Graslandschaft mit Hügeln und Erdhaufen war dort zu sehen, wo eigentlich ein Zaubererdorf lag. Da begriff er, daß er über die Tarnkuppel hinausgeflogen war und stieß den Besen sofort wieder nach unten. Er hoffte, daß kein Muggel ihn hier sehen konnte und raste wieder auf den Boden zu. Es schien, als würde der Boden sich in braune, graue und grüne Wellen auflösen, die sich verwirbelten und in kleine Tropfen auflösten. Dann lag unter ihm das weitläufig bebaute Dorf mit seinen Straßen, Gärten, Häusern und Höfen. Julius fühlte, daß der Flugwind merklich wärmer wurde und riss den Besen schnell in die Waagerechte, so das er fast eine Rolle Rückwärts machte. Mit dem Ansatzlosbremszauber, der dem Besen eigen war, verzögerte er ohne vorn überzufallen auf gewöhnliche Geschwindigkeiten und kam wohl fünf Sekunden später beim Musikpark an.

"Hallo, Julius! Wie fliegt der sich?" Rief Céline Dornier, die gerade neben Madame Dusoleil auf einer Bank saß.

"Gewöhnungsbedürftig, Céline. Ich wäre damit fast in den Weltraum abgeflogen."

"Ja, ich habe es gehört, du hast unseren Verhüllungsdom durchstoßen", lachte Madame Dusoleil. Julius verriss fast den Besen, bekam ihn gerade noch so in die Gewalt und landete. Puterrot vor Aufregung und Verlegenheit trat er vor die Kräuterhexe, die eine große goldene Uhr vor sich auf dem kleinen Beistelltisch stehen hatte, wo ein Lageplan des Musikparks lag. Neben dem Tisch stand ein Karren mit Eimern und Putzmitteln.

"Er hält wirklich was aus", meinte Madame Dusoleil. Dann krachte es, als zwei Zauberer apparierten. Es waren Monsieur Pierre, der für Sicherheitsfragen verantwortliche Dorfrat und ein Assistent.

"Ach du warst das, Julius. Mußte das sein, daß du mit dem Besen den Verhüllungsdom durchflogen hast? Die Meldezauber haben ja noch nie so heftig angeschlagen."

"Tut mir leid, Monsieur Pierre", sagte Julius verlegen. "Ich habe die Kraft von dem Besen unterschätzt."

"Ach ja, der Zehner. Dann sollte man sich schon merken, daß die Verhüllungskuppel über uns ist. Hoffentlich hat dich kein Muggel gesehen. Aber der Flugverkehr ist ja weitgehend unter Kontrolle", sagte Monsieur Pierre.

"Außerdem hat der Zehner eine Funkmeßstrahlschlucklackierung, wegen der Muggelapparate, die unsichtbare Strahlen zum Aufspüren von fernen Körpern benutzen", wußte Céline Dornier. "Da wird den wohl keiner gesehen haben."

"Wie dem auch sei, ich muß dir leider zehn Galleonen Strafe abverlangen, wegen Verstoßes gegen die Flughöhenbeschränkungsverordnung der Bürgerschaft von Millemerveilles", sagte Monsieur Pierre.

"Dann machen wir das sofort", sagte Julius. Doch Madame Dusoleil griff in ihren Umhang und holte zehn Goldmünzen heraus.

"Ich bin so gnädig, weil du uns gestern einen schönen Nachmittag beschert hast", sagte die Kräuterhexe und reichte Monsieur Pierre die Galleonen. Dieser sah sie zwar etwas verblüfft an, nickte dann aber und disapparierte mit seinem Assistenten.

"Schöner Nachmittag? Kevin Hat Ihnen doch den Sumpf ..."

"Der war ja in fünfzehn Minuten wieder weg, Julius. Die übrigen fünf Stunden haben Florymont und ich Urlaub von den Kindern gehabt", sagte die Mutter Jeannes, Claires und Denises. "In den Ferien ist das ja höchst selten."

"Ja klar", sagte Julius rasch. Dann fragte er, ob sie noch damit rechne, daß Kevin hier noch aufkreuzen würde. Sie meinte dazu, daß ihm wohl nichts anderes übrig bleibe. Selbst Florymont könne einen Walpurgisnachtring nicht ablösen.

"Was machst du denn jetzt hier, Céline? Wolltest du sehen, ob Kevin hier auftaucht und so daherwatschelt wie Edmond Danton?"

"Eigentlich dachte ich, du wolltest dir das ansehen und dabei deinen Besen gleich ordentlich fliegen, nachdem du ihn ja fast ein Jahr gemein unterdrückt hast."

"Häh? Den Besen hier habe ich doch erst gestern gekriegt", tat Julius verständnislos, wie Céline sowas sagen konnte.

"Aber ganz bestimmt", erwiderte Céline total übertrieben. Dann fragte sie, ob Julius sie mitnehmen könne. Er sah Madame Dusoleil an. Diese meinte:

"Das solltest du nicht mich fragen, sondern ihren Onkel. Der ist wohl im Chapeau und trinkt sich den Kater weg, den er sich gestern abend angezecht hat, weil er versucht hat, Monsieur Dupont unter den Tisch zu saufen."

"Da wüßte ich was gegen", sagte Julius und tätschelte seinen Umhang, unter dem der Practicus-Brustbeutel hing, in dem auch eine große Flasche mit dem Breitbandgegengift lag, das Aurora Dawn ihm vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte.

"Ich weiß, aber das steht diesem Halodri nicht zu", sagte Madame Dusoleil und zu Céline gewandt: "Manchmal muß eine unliebsame Wahrheit auch mal ausgesprochen werden, Céline."

"Wir fliegen mal zum Chapeau, fragen, ob dein Onkel wieder senkrecht ist und ob der uns mal ein paar Umlaufbahnen ums Dorf fliegen läßt", schlug Julius vor. Céline nickte und saß hinter Julius auf. Sie starteten.

"Alle die es anging wissen, wielange du den Besen hier schon hast, Julius. Hör also bitte auf, mich für blöd zu halten!" Sagte Céline. Julius nickte und flog zum Dorfgasthof, wo sie einen schwarzhaarigen Mann im zerknitterten blauen Umhang an einem der Tische sitzen sahen. Caro stellte gerade einen großen Krug Buttermilch und einen Teller mit eingelegtem Heringsfilet hin.

"Hallo, Julius. War wohl gestern was anstrengend, hörte ich", begrüßte Caro Julius Andrews, bevor sie dem Gast, Monsieur Baudouin Dornier, gute Genesung wünschte.

"Mann, hab ich einen Schädel wie eine Ritterburg", stöhnte der ziemlich mitgenommen wirkende Zauberer. Dann sah er Julius und grinste:

"Das war der Fang des ausgehenden Jahrtausends, Monsieur Andrews. Dieser Spaßvogel, den Sie gestern einluden hat mir alten Scherzkönig doch noch was neues geboten. Ich habe mir gleich die Versandadresse und die Firmenadresse dieser We-asles geben lassen. Ich denke, mein Chef wird mit denen ins Geschäft kommen."

"Ich denke nicht, daß die in Beauxbatons einen tragbaren Sumpf sehen wollen", sagte Céline. "Nachdem, was mir Julius Hogwarts-Schulfreundin Gloria erzählt hat, war das schon widerlich, den ganzen Korridor mit dieser Schmutzbrühe überdeckt zu sehen. Aber das Feuerwerk ist genial. Wie hieß das, Julius?"

"Ich hörte sowas wie Inferno Delux, Luxushölle."

"Das paßt. Hat sich der gute Florymont und die gewichtige Eleonore Delamontagne ja ziemlich mit abgemüht, um die heißen Geschosse unterzukriegen. Wielange sind die mit der Schule schon fertig, Julius?" Fragte der verkaterte Zauberer, jetzt wohl etwas weniger an seinen schweren Kopf denkend.

"Die sind erst dieses Jahr abgegangen, Monsieur. Aber den Laden haben die vorher schon angefahren, hörte ich."

"Na ja, wenn unser Flaschenschneesturm erst einmal auf dem Markt ist werden wir wohl was gleichwertiges anzubieten haben wie den Sumpf", grummelte Monsieur Dornier. Dann fragte Céline ihn, ob sie mit Julius auf dessen "neuen" Besen mitfliegen dürfe. Er meinte, daß der Ganni zehn ja wohl sicher genug sei und erlaubte es, wohl um auch wieder Ruhe zu haben.

So flogen die beiden Klassenkameraden unterhalb der Schutzkuppel über dem Dorf dahin, umkreisten den See der Farben in Minuten einmal und sausten einmal vom Rand ganz im westen zum östlichen Rand, wobei Julius das Höchsttempo und den Bergezauber ausprobierte, sodaß Céline und er wie in körperlosen Pilotensesseln ganz bequem saßen. Schließlich kehrten sie zum Musikpark zurück, wo Madame Dusoleil immer noch auf der Bank saß. Claire und Belisama saßen bei ihr und hielten ein Schwätzchen.

"Lad Céline bei uns ab und hol Laurentine noch her! Dann ist die Hexenrunde vollständig", rief Madame Dusoleil.

"Ich hoffe mal, daß ich die loseisen kann", sagte Julius und landete. Céline umarmte ihn kurz und ging dann zu Claire und Belisama hinüber.

"Das kann der nicht aushalten. Der ist jetzt bald zwei Stunden über die angesetzte Zeit", sagte Madame Dusoleil. Julius grinste sich eins. Kevin hatte die beiden Ringe loswerden können. Oder er lag jetzt im St.-Mungo-Krankenhaus, wo immer das genau stand und wartete darauf, daß die Heiler ihm die verfluchten Ringe abmachten, weil er selbst nicht mehr laufen konnte. Er startete und brauste im Hui zum Anwesen der Delamontagnes. Laurentine war gerade dabei, einige Zauberkunststücke auszuführen.

"Céline und Claire fragen, ob du Zeit und Lust hättest ...", wandte sich Julius an Laurentine, als er Madame Delamontagne begrüßt hatte.

"Mademoiselle Hellersdorf ist gerade damit beschäftigt, mir praktisch zu demonstrieren, was sie im letzten Schuljahr im Bereich der höheren Bewegungszauber zu lernen hatte, Julius. Ist dein undankbarer Freund mittlerweile eingetroffen?"

"Nein, der kommt nicht", sagte Julius. "Der zieht das jetzt durch, hier nie mehr herzukommen."

"Er kann die Ringe nicht loswerden. Das ist einfach unmöglich", sagte die Dorfrätin.

"Vor drei Jahren habe ich Besenfliegen und Tische umherschwebenlassen auch für unmöglich gehalten", sagte Julius. Die Dorfrätin räusperte sich warnend und meinte dann:

"Diese Ringe dienen ja auch eher dem Spiel. Aber ansonsten sind sie gegen alle Bewegungs- und Öffnungszauber, Rostflüche und auch dem Reducto-Fluch gefeit, weil mehrfach gestaffelte Abwehrzauber darin stecken. Sie lassen sich nur öffnen und schließen, wenn jemand die Zauberworte kennt, die jedem Ring eingeprägt werden und die Losungswörter, um den Zusammenhalt wieder zu lösen. Das kann auf die Schnelle kein Zauberkunsthandwerker durchdringen und aufheben."

"Wenn sie Kevin nicht auseinandersägen, die Ringe so wegnehmen können und ihn dann wieder zusammensetzen, als wenn nichts gewesen wäre", warf Julius ein.

"Das wäre von der Gefährlichkeit eines solchen Eingriffs abgesehen ein massiver Verstoß gegen den Codex der Heiler, wonach an einen gesunden Körper kein Zauber rühren darf, der die Gesundheit gefährdet. Du kennst ja einige Auszüge aus diesem Codex."

"In der Richtung war da was, hat Madame Matine mir erzählt. Auch deshalb dürfen keine Schwangerschaften beendet werden", wußte Julius. Dann fragte er noch, wann Laurentine Zeit habe. Sie schwieg dazu.

"Laurentine wird dann ihre Freizeit nutzen, wenn sie ihre Aufgaben für mich erledigt hat. Das dauert wohl noch eine Stunde."

Julius nickte und verabschiedete sich von Madame Delamontagne und Laurentine, um schnell zum Musikpark zurückzufliegen. Immer noch kein Kevin Malone da.

"Bébé kann nicht, weil sie Madame Delamontagne was vorzaubern muß", sagte Julius.

Aurora Dawn kam auf ihrem neuen Besen, einem Feuerblitz Dauerbrenner herbeigeflogen. Sie fragte, ob Camille es nicht langsam leid sei, wo Kevin bestimmt im St.-Mungo liege und sich dort von den Heilern umschwärmen ließ.

"Jeanne macht das Mittagessen. Uranie ist nach Cherbourgh wegen der Konferenz der Hobbyastronomen wegen der Kometen, die dieses und nächstes Jahr zu sehen sind und Florymont diskutiert wohl noch mit Begonie über diesen Bienentanzschreiber, den sie haben möchte, um die Verständigung der Bienen besser dokumentieren zu können. Da er nicht weiß, wie die Bienen sich die Neuigkeiten zutanzen muß er wohl eine längere Arbeitseinheit ansetzen."

"Wie gefährlich ist das, wenn man einen Menschen in zwei Querhälften, oben und unten zerlegt?" Fragte Julius Aurora. Diese rümpfte die Nase, dann erkannte sie, worauf er hinauswollte.

"Ein Heiler, der das macht und erwischt wird, kriegt nicht nur die Aprobation abgesprochen sondern darf allen weltlichen Besitz an die Vereinigung der magischen Heilkunst abtreten, wenn ihm nicht noch Askaban ... falls da noch wer reingeschickt wird. Das ist für einen Experten eine Sache von einer Stunde, weil der betreffende Mensch ja nicht hellwach sein darf. Ich habe meine Hinführerin Heilerin Herbregis mal solch einen Eingriff machen sehen. Sie hat einem Akromantula-Opfer beide Beine abgenommen, sie in einem Bad der Giftreinigung ausgespült und wieder ansetzen lassen. Wenn du das verpatzt, muß jemand das entnommene und wieder eingesetzte Körperglied oder Organ völlig neu zu nutzen lernen, wie diese Geschichte mit den bionischen Menschen, bei denen Maschinen zerstörte Körperteile ersetzen."

"Ja, aber gehen tut's", wollte Julius wissen.

"Im St.-Mungo macht sowas bestimmt keiner und ganz bestimt auch nicht im Delourdes-Krankenhaus oder der Sana-Novodies-Klinik bei uns am Fuß der Welt."

"Ich glaube nicht, daß ein Paar verfluchter Ringe einem Heiler das Karriereende wert ist", sagte Madame Dusoleil.

So unterhielten sie sich noch etwas über magische Heilkunst, da Belisama, was Julius erstaunte, auch einen Lehrgang für Ersthelfer machte, allerdings in Callais bei einem Heiler namens Arnicus Bonnefleur. Diesen kannte Aurora auch als Fachzauberer für magische Infektionskrankheiten wie Drachenpocken oder Grünbrandflecken, eine Art Masern, die aber von den Sporen des grünen Fieslings, einem in Sümpfen wuchernden Pilz herrührten.

"Moment. Der arbeitet doch auch an dem Alykanthrophikum, einem Werwolfheilserum oder wie immer das Zeug sich nennt", wußte Julius.

"Ja, aber leider ist es ja immer noch nicht gelungen. Wer gebissen wird, muß innerhalb von Minuten zur Ader gelassen und mit dem Wolfsbanntrank vollgepumpt werden. Sonst ist die Erkrankung nicht mehr heilbar", sagte Aurora Dawn.

"Also langsam wundert es mich doch, wo Kevin Malone abbleibt. Zwei Stunden hält das niemand aus, wenn die Erschwernismagie auf den zwölffachen Wert angehoben wurde. Hoffentlich liegt er nicht hilflos irgendwo herum."

"Du machst dir doch Sorgen, Camille", flachste Aurora Dawn.

"Anders hätten wir ihn nicht dazu beknien können, die Strafe anzunehmen", sagte Camille Dusoleil.

"Doch, wenn ihr ihm den Trank der Fügsamkeit eingeflößt hättet", meinte Aurora Dawn nicht ernst gemeint.

"Der ist nur für ganz schwere Fälle, wie du natürlich weißt, Aurora", lachte Madame Dusoleil.

Babette kam auf dem Ganymed 4, den Julius vorgestern noch benutzt hatte.

"Grandmaman fragt, ob Kevin hier ist. Sie kommt gleich noch, wenn deine Maman sie fertiggemacht hat", sagte sie zu Julius.

"Ach, spielen die Schach. Dann gibt's heute nix zum Mittag", gab Julius gehässig zurück.

"Na, Babette. Hast du dich von dem Feuerwerk erholt?" fragte Madame Dusoleil ernst interessiert.

"Lustig war's ja, bis mir fast dieser Knaller unters Kleid gehüpft wäre. Papa sagt immer, Feuerwerk ist was für Fachleute oder Leute die sich selbst umbringen tun", sagte Babette mit düsterer Miene.

"Dann ist ja gut, daß ich einen Fachmann für sowas geheiratet habe", lachte Madame Dusoleil.

So warteten sie auf Kevin Malone, der nicht kam. Stattdessen kamen Madame Faucon und Madame Delamontagne. Julius' Mutter ging im Dorf Spazieren, nachdem sie eine kurze aber heftige Schachpartie gespielt hatten, sagte Madame Faucon. Dann beschlossen sie, sich zu erkundigen, wo Kevin genau hingeraten war. Feststand ja, daß die verhexten Ringe ja erst ab acht uhr Morgens schwerer werden sollten. Also konnte er noch eine ruhige Nacht schlafen, falls er nicht die Ringe loszuwerden versuchte. Aurora ließ ihren Besen bei Julius und Madame Dusoleil und disapparierte, wohl zum Postamt, um Eulen zu verschicken. Denn sie hatte davon gesprochen, sich bei britischen Kollegen zu erkundigen, ob jemand mit verfluchten Metallreifen am Körper um Hilfe gebeten hätte. Madame Delamontagne disapparierte wohl zu ihrem Haus, um einige Kontaktfeuergespräche zu führen, und Madame Faucon kehrte in ihr Haus zurück, wohl um dasselbe zu tun. Zwei Minuten später apparierte Aurora Dawn wieder.

"Danke für's Besenhalten, Julius. Die fünf Eulen sind unterwegs. Ich hoffe, bevor ich heute abend nach Hause reise sind die ersten Antworten da."

""Nur fünf Eulen, Aurora. Sind da so wenige Heiler in Großbritannien?" Fragte Madame Dusoleil erstaunt.

"Nein nicht nur die in Großbritannien. Ich habe den gleichen Brief in fünf Ausfertigungen an fünf Heiler aus meinem Bekanntenkreis verschickt, die gebeten wurden, außer denen von mir erwähnten noch je fünf anderen meinen Brief zu schicken, wobei sie die Liste der bereits angeschriebenen anhängen sollen. Ein Muggelstämmiger aus meiner Schulklasse in Hogwarts hat mir das erklärt. Kettenbrief oder Brieflawine nennt man das. In Büchern über halbwüchsige Privatdetektive machen die das mit dem Telefon, hat er mir erzählt." Julius nickte. Das Prinzip war einfach wie genial.

"Spart dein Geld", schmunzelte Madame Dusoleil.

Mit lautem Knall apparierte Madame Delamontagne wieder. Sie vermeldete, rausgefunden zu haben, daß Kevin über die Grenzstation nach Irland und von da aus, wie ein ungenannt bleiben wollender Verbindungsmann von ihr per Blitzeule mitteilen ließ, in die Nähe von Killarney gefloh-pulvert sei. Mehr konnte sie nicht in Erfahrung bringen. Zumindest verstand Julius jetzt, daß ihr Arm wirklich weit reichte. Aber das wußte er sowieso schon lange.

"Ich gehe davon aus, daß er nach zwölf Uhr nicht mehr kommt, Camille", meinte Madame Faucon. "der wird die Ringe solange tragen, bis sich ein Heiler erbarmt oder jemand einen Zauber findet, um sie zu lösen."

"Tja, darauf legen wir es mal an", sagte Madame Dusoleil nachdenklich.

Madame Faucon wollte Babette und Julius gerade zur Heimkehr auffordern, als ein Uhu mit einem großen, flachen Paket angesegelt kam und dieses vor Madame Delamontagne fallen ließ.

"Huch, das ist aber ungewöhnlich", sagte die Empfängerin der Post, nahm das Paket und wickelte es aus. Zwischen Sägespänen und Pergamentfetzen zum Ausstopfen tauchten die beiden Metallreifen auf, die sie Kevin gestern erst um die Taille gelegt hatte. Die Metallringe sahen leicht verbogen aus. Außerdem waren sie offen und klappten widerstandslos auseinander, als Madame Delamontagne sie herausnahm. Dabei lag noch ein Briefumschlag. Sie öffnete ihn vorsichtig, und wie eingeschaltet erschien Kevin Malones freischwebender Körper und sprach:

"Hallo, gewichtige Madame, wie ich's gesagt habe konnte ich Ihre blöden Ringe loswerden. War zwar erst eine heftige Herumzauberei, weil die nicht so wollten wie sie sollten. Aber dann kam ein guter Bekannter einer guten Verwandten auf die Idee, was zu nehmen, das jeden Zauber ratzfatz wegmacht. Die mußten mich dafür zwar in einen Scheintodschlaf versetzen, damit es mir nicht alle Sinne wegknallt, aber als ich wieder wach wurde waren die beiden Ringe ab. Ätsch! Wünsche noch weiterhin Spaß mit Speis und Trank! Vielen Dank! Es grüßt Kevin Malone. Öhm, und das mit der Parkputzerei vergessen Sie bitte. Mein Dad und mein Onkel haben sich köstlich amüsiert, als ich denen die Kiste erklärt habe. Mal abgesehen davon, daß Sie ja nur mit meiner Mum gequatscht haben, die sich leicht von unterernährt wirkenden Hexen einschüchtern läßt. Und Tschüß!"

Kevins Abbild verschwand übergangslos, und der Brief löste sich in Staub auf.

"Oh, Eleonore, da hast du wohl einen Meister gefunden", flötete Madame Dusoleil. Die angesprochene stand fassungslos mit den Händen Ringend, mit einem Gesicht rot und rund wie eine Tomate da.

"Das glaube ich jetzt nicht. Monstrato Incantatem!" Mit den letzten Worten richtete sie ihren Zauberstab auf die beiden Ringe. Ein rot-blauer Lichtkegel trat aus dem Stab und strich über die Ringe. Dabei geschah nichts. Sie ließ den Lichtkegel über die drei Besen gleiten, die sofort im satten Goldglanz erstrahlten, der die Flugbesen viermal so groß wie sie waren erscheinen ließ. "Nox!" Bellte Madame Delamontagne dann. Das rot-blaue Licht erlosch.

"Der hat tatsächlich ... Ist sowas legal? Das darf doch nicht war sein", zeterte Madame Delamontagne, nahm die beiden Ringe und disapparierte mit lautem Knall wie ein nahebei abgefeuertes Gewehr.

"Auf die Besen und nach Hause!" Kommandierte Madame Faucon. Babette wollte schon zu Julius Besen laufen, doch die Lehrerin deutete auf den Ganymed 4. Enttäuscht nahm Babette den älteren Flugbesen und saß auf. Madame Faucon ging zum Ganymed 10 und saß auf. Julius, der etwas perplex war, saß hinter seiner derzeitigen Herbergsmutter auf und stieß sich mit ihr zusammen ab.

"Ich möchte sehen, wie Babette fliegt, weil es ja doch selten möglich ist", sagte die Lehrerin von Beauxbatons. Julius wollte sie schon warnen, daß der Ganymed wesentlich empfindlicher und schneller ansprach, doch Madame Faucon schien den Besen bereits gut genug zu kennen.

"Nicht so wild schlenkern, Babette! Nicht so heftig gegensteuern!" Kommandierte ihre Großmutter.

Babette riss sich zusammen und flog manierlichere Manöver.

"Ich sollte mir vielleicht doch angewöhnen, sie im Sommer und im Frühling öfter herzuholen, damit sie richtiges Fliegen lernt, bevor sie nach Beauxbatons kommt", sagte Madame Faucon und genoss es, einen sehr modernen Rennbesen federleicht im Wind zu lenken. Julius sagte erst einmal nichts. Wi konnte Kevin an Incantivakuum-Kristalle kommen. Denn wenn sein bezauberter Bild-Hörbrief von einem Ding, das jeden Zauber wegmachte sprach, dann war doch nur das damit gemeint.

Nach dem etwas längeren Rückflug, weil Babette noch Kurven und Steigflüge zeigen mußte, landeten sie vor dem Faucon-Haus, wo gerade Julius' Mutter zusammen mit Monsieur Castello, dem zopfbärtigen Zauberer, sprach.

"So, da sind wir wieder. Schönen Dank, daß du mir deinen Besen zum Fliegen geliehen hast, Julius", sagte Madame Faucon und begrüßte kurz ihren direkten Nachbarn. Dieser besah sich den Ganymed 10 kurz aber nicht zu neugierig.

"Eigentlich zu überzüchtet für Quidditch", sagte er. "Da müssen Sie sich mehr anstrengen, ihn langsam zu fliegen als damit richtig schnell zu manövrieren", sagte der Quidditchveteran von Millemerveilles.

"Das habe ich schon gemerkt", sagte Julius.

"Wer nicht einmal gekuckt hat, wo die Kuppel ist, ist hier noch nie herumgeflogen", sagte Monsieur Castello schmunzelnd. Madame Faucon fand es zwar nicht so lustig, sagte aber auch nichts dagegen.

Im Haus zog sie Julius, nachdem sie Babette zum Händewaschen abkommandiert hatte, in ihr Klangkerkerzimmer und schloß die Tür von innen ab.

"Dir ist klar, was dein unbezähmbarer Freund da gemacht hat oder hat machen lassen?" Fragte die Lehrerin ihren Schüler.

"Öhm, irgendwie muß der wen kennen, der Incantivakuum-Kristalle abzweigen kann, ohne das es auffällt. Aber ich dachte, die bringen einen Zauberer um."

"Das tun sie nicht, wie dir Minister Grandchapeau auch erklärt hat. Aber sie führen zu einer längeren Bewußtlosigkeit. Deshalb mußte Kevin wohl in Tiefschlaf versetzt werden. Dann konnte er nach der Incantivakuum-Entladung problemlos wieder geweckt werden. Denn der Scheintodzauber verfliegt dann ja auch. Gift und Gegengift. Dieser Halunke hat Eleonore doch tatsächlich noch einen Streich spielen können. Dann wird sie wohl doch eine Rechnung ausfertigen müssen, damit er zumindest merkt, daß wir uns das nicht gefallen lassen, was er mit dem Musikpark gemacht hat. Zumindest kann Camille den Park jetzt in zwei Minuten gründlich reinigen. Dann ist er wenn ihre Mutter hier eintrifft vorzeigbar."

"Das will mir nicht in den Schädel, wen der kennt, der sowas nettes organisieren kann."

"Also das wird dein renitenter Exschulkamerad tunlichst für sich behalten, wenn er es überhaupt weiß. Er sprach ja von einer Tante. Die sollte sich gut bedecken, bevor vielleicht die Strafverfolgung hinter ihr her ist. Das britische Zaubereiministerium ist im Moment ja zu sehr mit diesem sogenannten dunklen Lord beschäftigt und wird es, das muß ich leider zugeben, noch sehr lange bleiben."

"Ja stimmt, Madame. Ich hoffe nur, Kevin hat wegen der Ringe nicht mehr Ärger angerichtet als vorher."

"Das darfst du für ihn hoffen, Julius. So und jetzt stell deinen Besen gut weg, wasch dir auch die Hände und komm in den Garten! Wir essen heute draußen. Von Gestern ist ja noch was übrig geblieben."

Julius fragte sich während des Nachmittags, wo er ein improvisiertes Schachturnier mit seiner Mutter und Professeur Faucon spielte, was jetzt in England los sein mochte. Wen kannte Kevin, der sehr wertvolle Zaubergegenstände beschaffen und verbrauchen konnte? Jedenfalls mußte er zugeben, daß er es innerlich genoß, daß die sonst so machtbewußte Dorfrätin Delamontagne von einem Vierzehnjährigen genasführt worden war. Hoffentlich wirkte sich das nicht unangenehm auf Virginie oder Laurentine aus!

Abends gingen die vier Bewohner des Faucon-Hauses in den Musikpark, der nun wirklich wie von hundert Putzkolonnen gefegt dalag und hörte sich das Konzert einiger Familien aus dem Dorf an, die gerne die Tage vor dem Sommerball nutzen, um zusammen Freiluftkonzerte aufzuführen und außer Madame Faucon und ihren Gästen auch die Delamontagnes mit Gasttochter Laurentine und die Lumières als Publikum begrüßen konnten. Nach zehn Uhr kehrten sie dann in das Haus der Verwandlungslehrerin zurück, erschöpft von einem langen Ferientag in Millemerveilles.

ENDE

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