Was bisher geschah | Vorige Story
Es ist in jeder Hinsicht ein besonderes Jahr, das Julius Latierre und seine Frau erleben. Zum einen erwartet Millie das erste gemeinsame Kind, von dem sich im Verlauf der nächsten Wochen herausstellt, daß es eine Tochter sein wird und Aurore heißen soll. Zweitens findet in diesem Jahr das trimagische Turnier in Beauxbatons statt. Hieran nehmen außer Beauxbatons die britische Zauberschule Hogwarts und die deutschsprachige Zauberschule Greifennest teil. Jede der beiden Gastschulen entsendet zwölf volljährige Teilnahmeinteressierte. Die Abordnung aus Hogwarts wird von der Schulleiterin Professor McGonagall betreut. Ihr gehören neben Julius' guten Schulfreunden Gloria Porter, Pina Watermelon, den Hollingsworth-Schwestern und Kevin Malone auch die Slytherins Lea Drake, Charon Blades und Elrick Cobbley an. Die Greifennest-Abordnung wird von deren Schulleiterin Gräfin Greifennest angeführt. Zu ihr gehört die ehemalige Austauschschülerin Waltraud Eschenwurz und der Jungzauberer Hubert Rauhfels. Wie damals in Hogwarts trifft der Feuerkelch die Auswahl der trimagischen Champions. Alle Beauxbatons glauben, daß Julius wegen der überragenden Zauberfertigkeiten ausgewählt wird. Doch neben Gloria Porter für Hogwarts und Hubert Rauhfels für Greifennest wählt der Kelch Laurentine Hellersdorf für Beauxbatons aus. Das erstaunt und verwundert doch viele. Nur Julius empfindet es als Erleichterung, neben der Schule und der anstehenden Vaterschaft nicht auch noch mit dem trimagischen Turnier zu tun zu haben.
Da Sandrine Dumas und ihr Mann Gérard genauso auf Nachwuchs warten wie Mildrid und Julius bewohnen beide Paare abgetrennte Ehepaarzimmer in der Nähe des Krankenflügels. Daß Sandrine von Gérard Zwillinge erwartet macht Gérards Freund Robert wütend. Dieser Grimm legt sich erst, als ein Zeitungsartikel enthüllt, daß nicht wenige Hexen, die wie Sandrine und Gérard die Weltmeisterschaftsfeier auf Martinique zubrachten, auf Nachwuchs warten und woran das liegt.
In seinen Träumen bekommt Julius die Geburt von Jeanne Dusoleils Zwillingen Janine und Belenus, sowie die anstehende Geburt von Belle Grandchapeaus Sohn Midas Lothaire mit. Überhaupt fragen sich die Latierres, wie heftig Julius Dinge vorwegträumen oder im Traum miterleben kann, besonders was anstehende Geburten angeht.
Die erste Aufgabe des trimagischen Turniers ist die Durchquerung eines besonderen Labyrinths, das im Inneren eines großen Würfels untergebracht ist. Jedesmal, wenn die noch an der Aufgabe arbeitenden Champions einen Raum mit einer Falle oder einem bewältigbaren Ungeheuer überstanden haben, verschieben sich die Wege. Zwar schafft Hubert Rauhfels als erster, den Würfel zu verlassen, wird aber was die Kategorien der Bewältigung und zauberischen Kreativität angeht von der als letzte aus dem Würfel der Wirrsal freikommenden Laurentine Hellersdorf überholt. Weihnachten findet dann der trimagische Weihnachtsball für alle oberhalb der dritten Klasse und jene, die von älteren Schülern eingeladen wurden statt. Zum Jahreswechsel sollen alle, die einen Disziplinarquotienten über fünf erzielt haben an der Jahreswendfeier in Millemerveilles teilnehmen.
Julius darf zum ersten Mal als ordentlicher Bürger Millemerveilles am Besenflug teilnehmen, um mit Schellen und Rasseln die schlechten Einflüsse des verwehenden Jahres zu vertreiben. Der Jahreswechsel wird mit einem imposanten, kunstvoll arrangierten Feuerwerk begangen. Das es offenbar für Patrice Duisenberg um mehr geht, als mit Kevin den Weihnachtsball zu bestreiten, vermutet Julius immer mehr.
Wieder zurück in Beauxbatons sorgt sich Madame Rossignol um die Gewichtszunahme von Julius, der denselben unbändigen Appetit wie seine Frau hat und daher mehr ißt, als er nötig hat. Sie schlägt vor, daß sie beide die Herzanhänger abnehmen. Doch zu ihrer großen Bestürzung gelingt das nicht. Die Anhänger kämpfen dagegen an, von ihren Trägern fortgelegt zu werden. Julius vermeint Todesangst zu verspüren und lautes Wehgeschrei zu hören. Um die Angelegenheit genau zu überprüfen werden Millie in einer gegen äußere Krafteinwirkungen abgeschirmten Transportvorrichtung und er in die Delourdesklinik hinübergeschickt, wo die Versuche wiederholt werden, die beiden Anhänger abzunehmen. Doch es gelingt nicht. Um die offenkundige verstärkte magische Verbindung zu untersuchen verbringen die Eheleute Latierre die Nacht auf der Mutter-Kind-Station der Delourdesklinik. Im Traum besucht Julius die ungeborene Aurore Béatrice, die ihm vorwirft, sie nicht mehr haben zu wollen. Er beteuert, daß er nichts machen wolle, was ihre Ankunft auf der Welt gefährden würde. Am Morgen danach erfahren Millie und Julius, daß das an Julius ausgeführte Lebenskraftübertragungsritual im Zusammenspiel mit den Herzanhängern eine besondere Verbindung hergestellt hat, die durch das in Millies Leib heranwachsende Kind vervielfacht wurde. Um Vater, Mutter und Kind nicht zu gefährden müssen die Anhänger weitergetragen werden. Julius soll deshalb den Abspecktrank Nummer 2 einnehmen, um eine rasante Gewichtszunahme zu verhindern. Doch sein Körper reagiert höchst unangenehm auf diesen Trank. Deshalb kann er nur eine auf ein Viertel verdünnte Dosis davon trinken, was die Zunahme lediglich verzögert, aber nicht ganz umkehrt.
In der zweiten Runde des trimagischen Turnieres müssen sich die Champions gefährlichen Kreaturen der vier Naturgewalten Wasser, Erde, Luft und Feuer stellen. Laurentine und Gloria verwenden bei der Teilaufgabe, etwas von Riesenspinnen bewachtes zu finden, den Aura-Basilisci-Zauber, der alle Spinnentiere aus der Sichtweite seines Anwenders verjagt, zumindest aber davon abhält, anzugreifen. Laurentine zeigt im Kampf gegen drei Harpyien mehrere Illusions- und Verwandlungszauber, während Gloria ähnlich wie im Haus der Elementargewalt Erde eine angsteinflößende Scheinaura um sich erzeugt, die vorgaukelt, von dunklem Feuer umschlossen zu sein. Im Feuer-Haus müssen die Champions eine rätselhafte Flasche aus der Obhut eines sechs Meter großen Feuerdschinns bergen, wobei Laurentine und Gloria es mit dem altägyptischen Zauber der weißen Flamme schaffen, ihre Gegner zur sofortigen Abreise zu zwingen. Hubert hingegen unterwirft den gegen ihn stehenden Feuerdschinn und kerkert ihn in einem in dessen Raum stehenden Tonkrug ein. Ab da ist er jedoch für das dämonische Feuerwesen verantwortlich. Denn wenn es freigesetzt wird dürfte es sehr wütend sein.
Neben der eigenen Gewichtszunahme und der voranschreitenden Schwangerschaft von Millie und Sandrine bekommt Julius noch mit, daß Cassiopeia Odin, Camilles Schwägerin, ebenfalls Mutter wird. Doch Camilles Bruder ist nicht der Vater der Zwillinge. Das erfährt die Zaubereröffentlichkeit aus der Zeitung. Vor allem Melanie leidet darunter, wo ihr Vater öffentlich behauptet, sie sei womöglich auch nicht sein Kind. Die Muggelstämmigen rufen ihr Spottnamen nach, bis Julius einschreitet. Es kommt aber heraus, daß Melanie Odin wie ihr älterer Bruder Argon tatsächlich eheliche Kinder Emil und Cassiopeia Odins sind.
Hubert Rauhfels wirkt nach den ersten beiden Runden verstimmt und zieht sich von vielem zurück. Kevin Malone weiß nicht, ob es zwischen ihm und Patrice Duisenberg etwas ernstes wird oder nicht.
Weil Gérard mit der anstehenden Zwillingsvaterschaft stärker zu kämfen hat als Julius will er keinen Säuglingspflegekurs machen. Schulheilerin Rossignol unterzieht ihn deshalb einer radikalen Methode, um ihm zu zeigen, wie wichtig es für ein hilfsbedürftiges Kind ist, wenn es zeitnah versorgt werden kann. Sie hält Gérard für zwei Tage im Zustand des Neugeborenen. Danach ist er einverstanden, zumindest von Julius, Millie und Sandrine alles nötige zu erlernen.
Wie bei Jeanne bekommt Julius auch bei seiner Schwiegergroßmutter Ursuline mit, wie ihre vier Kinder zur Welt kommen. Wieder erlebt er die Geburten aus der Warte der Kinder mit.
Am Elternsprechtag kommen auch alle Eltern der trimagischen Gastschüler. Nur Laurentines Eltern verzichten darauf, den möglichen Werdegang ihrer Tochter zu besprechen. Madame Rossignol bedankt sich bei den Eltern der Pflegehelfer, die gerade ihr letztes Jahr in Beauxbatons verbringen und erwähnt wie viele Kollegen und Kolleginnen vorher, daß Julius auf Grund seiner vielseitigen Begabungen und Interessen sehr gut in der Heilerzunft aufgehoben sein würde. Doch ihm schwebt eine Anstellung in der Tier- oder Zauberwesenabteilung vor.In den Osterferien trifft Julius Eleonore Delamontagne, die mittlerweile zum dritten Mal Mutter wurde. Er sieht die kleine Giselle gleich nach der Landung in Millemerveilles. Dann besucht er mit seiner Frau Ursulines Familie und sieht sich noch einmal Temmies ponygroßen Sohn Orion an.
Das am Ostersonntag stattfindende Quidditchspiel zwischen den Dijon Drachen und den Millemerveilles Mercurios können Millie und Julius nur zum Teil mitverfolgen. Millie empfindet starke Schmerzen und verläßt mit Julius das Stadion. Doch es handelt sich nur um Vorwehen. Beide bereiten sich jedoch darauf vor, daß die kleine Aurore schon in den Ferien zur Welt kommt. Sie bekommen noch mit, daß die Mercurios die Partie mit zehn Punkten Rückstand verlieren, weil die Sucherin der Dijon Drachen, Corinne Duisenberg, den Schnatz fängt.
Millies und Julius' Kind läßt sich noch zeit. So können die Latierres mit den anderen aus den Ferien nach Beauxbatons zurückkehren. Dort finden wie jedes Jahr die Vorbereitungen auf die Walpurgisnacht statt. Millie gibt an alle, die es interessiert weiter, daß sie es Julius nicht verbietet, mit einer anderen Hexe zu fliegen. Er erhält mehrere Einladungen, darunter von seinen ehemaligen Schulfreundinnen aus Hogwarts, abgesehen von Gloria Porter. Er beschließt, die Einladung von Pina Watermellon anzunehmen. Madame Rossignol sagt voraus, daß Aurore zwischen Walpurgis und dem dritten Mai zur Welt kommt. Sie verbietet Millie und Sandrine, bei der Feier mitzutanzen.
Louis Vignier hat immer noch Probleme mit Endora Bellart aus seiner Klasse, weil diese aus einem nicht bekannten Grund davon ausgeht, er sei jetzt ihr fester Freund. Doch sie hat eine heimliche Konkurrentin, Sylvie Rocher aus dem roten Saal. Deren Einladung nimmt Louis an.
Julius und Pina genießen die wahrscheinlich letzte Walpurgisnacht in Beauxbatons. Zwar kommt es fast zu einem Streit, weil Gloria während der Feier behauptet, daß Julius und Millie zu früh ein Kind bekommen. Doch Julius stellt klar, daß es für ihn nicht zu früh sei. Pina pflichtet ihm unerwartet bei. Erst als er mit seiner Frau wieder alleine im gemeinsamen Schlafzimmer ist, macht diese ihm klar, was er unbewußt schon immer geahnt hat. Pina hatte sich in Julius verliebt, aber genau aus dem Grund, ihn glücklich leben zu sehen, ebenso heimlich wieder losgelassen.
Am Nachmittag des ersten Mais setzen bei Millie echte Senkwehen ein. Louis Vignier, der eigentlich mit den anderen Pflegehelfern aus seiner Teilgruppe bei der Niederkunft assistieren soll, nörgelt zu heftig herum, daß er das nicht durchstehen kann. Er wird von Madame Rossignol zu mehrtägigem Schlafsaalarrest verurteilt. Neun Stunden dauert es, bis Millies und Julius' Tochter Aurore Béatrice vollständig den Mutterleib verläßt. Ihr Geburtstag liegt genau zwei Jahre nach der großen Entscheidungsschlacht von Hogwarts. Julius muß nun endgültig erkennen, daß sich sein Leben verändert hat. An diesem Tag findet in Hogwarts eine feierliche Denkmalsenthüllung statt. Im Traum bekommt Julius diese Zeremonie mit. Warum er dabei im Körper der Verwandlungslehrerin Grace Craft steckt kann er sich nicht erklären. Gabrielle Delacour erwähnt auch, daß ihre kleine Nichte Victoire am selben Tag wie Aurore Béatrice zur Welt gekommen ist. Da auch Pina Watermelon an diesem Tag ihr Wiegenjubiläum feiert, darf sie als eine der ersten Nichtfamilienangehörigen die kleine Aurore besuchen.
In den Tagen darauf finden die Prüfungsvorbereitungen statt. Ebenso wollen die volljährigen Junghexen wissen, ob ihre langjährigen Freunde auch das restliche Leben mit ihnen verbringen wollen. Die heimliche Tradition der Besenwerbung berührt auch die Gastschüler. So ruft Patrice Duisenberg vom fliegenden Besen aus nach Kevin Malone. Dieser überlegt erst, weiß nicht so recht, ob er sich dem nicht verweigern soll. Doch dann läuft er zu ihr hin und läßt sich von ihr auf den Besen heben. Astrid Kienspan nutzt diese Tradition, um Hubert Rauhfels auf ihren Besen zu rufen, obwohl beide keine Beauxbatons-Schüler sind. Kevin wird von den Schulleiterinnen von Hogwarts und Beauxbatons noch einmal gefragt, ob ihm bewußt ist, worauf er sich eingelassen hat. Da er dies bejaht wird ihm aufgetragen, in den nächsten drei Monaten zu heiraten.
Am neunzehnten Mai kommen auch die Zwillinge Estelle Geneviève Fantine und Roger Brian Dumas auf die Welt. Damit hat auch für den eher auf schnellen Rückzug eingestellten Gérard Dumas geb. Laplace ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Alle anderen bereiten sich nun auf die wegweisenden Prüfungen vor.
Drei Tage nach der Geburt von Estelle und Roger erlaubte Sandrine es, daß Julius sie, ihren Mann Gérard und die Zwillinge mit Millies neuer Kamera fotografierte, um für alle ihre Saalmitbewohner die ersten Bilder der beiden Kleinen zu haben. Millie und Julius nutzten die Gelegenheit, auch von ihrer taufrischen Familie mehrere Bilder zu machen. Durch den auf Kommando reagierenden Selbstauslöser und die magische Positionierungshilfe, die die Kamera wie auf einer festen, unsichtbaren Säule in der Luft schweben ließ, konnten die Latierres problemlos vier Fotos machen. Eines zeigte die kleine Aurore in ihrer Wiege alleine. Das zweite Bild zeigte das kleine Latierre-Mädchen im Arm seiner immer noch üppig gestalteten Mutter, die höchstzufrieden in die Kamera strahlte. Auf dem dritten Foto trug Julius die kleine Aurore auf den Schultern und stellte sich so in Positur, daß die Kamera ihn als glücklichen Vater für die Nachwelt festhalten konnte. Auf Bild Nummer vier saßen die jungen Eltern Arm in Arm zusammen, ihre Tochter auf dem Schoß ihrer Mutter. Für Aurore war das alles schon wieder zu stressig. Zwischendurch quängelte sie, wand sich und strampelte, weil ihr das Getue nicht paßte. Doch am Ende hatten sie die vier Babyfotos, die im grünen und roten Saal ausgehängt werden sollten.
Sandrine ließ gleich zehn verschiedene Aufnahmen machen, wobei sie mal beide Kinder in den Armen hatte, mal nur Estelle, mal nur Roger. Gérard teilte Aurores Verdrossenheit. Ihm gefiel diese Sitzung nicht so richtig. Es kostete ihn viel Anstrengung, mal in die aufnahmebereite Kamera zu blicken, als Julius den Apparat von Hand bediente, um selbst genug Übung mit dem Gerät zu bekommen. Sandrine hingegen freute sich, daß sie die beiden hatte. Zwar hatte auch sie eine Besucherliste geschrieben, um keinen übermäßigen Andrang zu erzeugen. Doch ihr war anzusehen, daß sie am liebsten die ganze Welt darüber benachrichtigen wollte, daß sie zwei gesunde Kinder auf die Welt gebracht hatte. Gérard fühlte sich dabei manchmal wie einer, der nur zum besser aussehen mitwirken durfte. Den Stolz und die Entschlossenheit, die Julius bei den Fotos mit seiner Tochter Aurore ausstrahlte, konnte Gérard im Moment nicht wirklich nachempfinden. Alle im Raum wußten, daß dies alles für ihn viel zu früh eingetreten war. Doch niemand sprach darüber noch ein Wort.
Julius nutzte die Freistunden, um die gemachten Bilder zu entwickeln. Mittlerweile hatte er die Prozedur vollständig einstudiert. So schaffte er es, die Abzüge tatsächlich mit jenem Eigenleben der aufgenommenen Personen zu imprägnieren, das allen magischen Fotos möglich war. Madame Rossignol übernahm es, die Bilder in den Sälen Rot und Gelb zu verteilen, als Julius mit der Arbeit zufrieden war und sogar postergroße Abzüge hinbekam, von denen die kleine Aurore und der kleine Roger in Lebensgröße herabwinkten oder sich in stummer Angenervtheit wanden, weil das um ihre Bilder gemachte Getue zu viel war. Gilbert erhielt die vier Fotos von seinen Verwandten, um sie für die Familienchronik und die Temps de Liberté zu verwenden. Gérard legte hingegen keinen Wert auf eine größere Öffentlichkeit. Mochten sich doch alle außerhalb von Beauxbatons die Mäuler zerreißen, ob er mit der ihm zu früh auferlegten Vaterrolle klarkam oder nicht!
Über der Bühne schwebte eine golden funkelnde Zahl, die Zahl 2038. Auf der Bühne stand eine silberne Truhe, die als "Truhe der Zeiten" bezeichnet wurde. Davor standen Julius und Laurentine. Julius war froh, in den beiden letzten Wochen drei Kilogramm Übergewicht losgeworden zu sein. Er trug den hier üblichen Umhang. Auf dem Rücken hatte er jedoch sowas wie einen klobigen Radiorekorder mit wie riesige, abstehende Ohren aussehenden Lautsprechern, aus dem eine mit den Musikern der Schülerschaft eingespielter Rap dröhnte.
"Keine Ruhe keine Rast,
alles rennt mit großer Hast,
jagt nach jeder Menge Ruhm, Besitz und Geld.
Doch die Jahre die verfliegen,
zwischen Mißerfolg und Siegen,
fragen ängstlich nach dem Sinn und Zweck der Welt ..."
"Mach das Ding aus, bevor die uns hier an der Truhe noch erwischen", fauchte Laurentine Julius an. Dieser tippte mit seinem Zauberstab das klobige Abspielgerät an. Der Rap verstummte schlagartig. Dann las er von einem Zettel ab, daß die Truhe der Zeiten von der langjährigen Schulleiterin Madame Faucon hier im Kerker der Erinnerungen aufgestellt worden war, um die kommenden Generationen daran zu erinnern, was in den Jahren um das "Jahr des dunklen Schattens" in Beauxbatons passiert war. Julius, der sich Martin Dupont Nannte, wollte wissen, was in diesen Jahren passiert war. Seine ebenfalls muggelstämmige Schulfreundin Suzanne Leblanc, die von Laurentine gespielt wurde, hatte von der Truhe gelesen und die Zauberformeln herausgefunden, die den Kerker der Erinnerungen öffneten. Jetzt öffneten sie die Truhe. Was nun folgte mußte noch genau eingestimmt werden. Denn laut Dramaturgie sollten die sieben Schuljahre heraustreten, die die beiden Darsteller tatsächlich erlebt hatten. Hierbei nutzte Julius seine Erfahrungen mit der für Claire erfundenen Zauberlaterne, aber auch das Geschick seiner Mitschüler aus den fünf anderen Sälen. Für Laurentine war die Vorbereitung der Abschlußfeier ein guter Ausgleich zur Vorbereitung auf die dritte Runde des trimagischen Turniers. Da sie ja nicht an den UTZ-Prüfungen im Juni teilnehmen mußte, konnte sie die so verfügbare Zeit besser einteilen. Julius hingegen mußte sich sehr zusammennehmen, nicht andauernd an seine Frau und seine Tochter oder die anstehenden Prüfungen zu denken. Einmal mehr hatte er mit dem Gedanken gespielt, aus Solidarität mit Millie auf die Teilnahme im Juni zu verzichten und mit ihr und Sandrine zusammen in den nächsten Weihnachtsferien die Prüfungen abzulegen. Doch Millie hatte ihm klargemacht, daß er ihr mehr half, wenn er bereits mit Beauxbatons fertig war und sich was einträgliches suchen konnte, um die Kleine Aurore und alle noch in Millie schlummernden Geschwister groß zu kriegen. Zwar wollte Millie auch einen Beruf ergreifen, wußte aber, daß sie nichts machen durfte, was mit ihrer Absicht, eine möglichst große Familie zu gründen, andauernd zusammenstieß. Julius hatte darauf erwähnt, daß er das auch nur angedacht hatte, aber ja selbst in diesem Sommer schon wissen wollte, was seine angeborenen Zauberkräfte und all das, was er erlebt hatte, ihm einbringen konnten. Daß er Darxandrias Erbe war machte die Sache nicht leichter, garantierte aber auch ein kurzweiliges Leben.
"Gut, die beiden ersten Jahre sind wohl gut genug drauf", meinte Céline Dornier, die das Manuskript der zu spielenden Szenen vor sich hatte und als Regisseurin arbeitete, sofern sie nicht in die Rolle Madame Faucons schlüpfte. Einmal fragte sie leise, wo Madame Nurieve gerade die Ballettgruppe für den Tanz von 1993 beriet: "Das ist wohl das Schicksal der Schwarzhaarigen Hexen, daß sie Madame Maxime oder Madame Faucon bei der Abschlußfeier darstellen sollen." Laurentine und Julius wollten dazu aber keinen Kommentar abgeben.
"Wollen wir das Stück "Fröhliche Frischlinge" noch mal spielen?" fragte die schuleigene Ballett- und Gesellschaftstanzlehrerin die Laienspielergruppe. Alle stimmten zu. So endete dieser Übungstag mit einer von allen für gelungen befundenen Probe der ersten beiden Schuljahre. Die über der Bühne schwebende Zahl konnte mit Hilfe einer kleinen Walze aus vier Einzelteilen zwischen 1993 und 2038 umgestellt werden. Das klappte also auch.
Bevor Julius in das Ehegattenschlafzimmer ging, setzte er sich noch einmal zu Millie. Sandrine und sie hatten einen Wandschirm zwischen sich aufgebaut, damit die beiden Ehepaare voneinander ungestört über alles sprechen konnten, was sie am Tag so bewegte.
"Die Vier Tage damals, wo du Belles Klamotten anziehen mußtest laßt ihr ganz raus?" wollte Millie wissen. Julius nickte. Zwar gehörten diese vier Tage zu den einprägsamsten seines bisherigen Lebens und waren von ihm in das von ihm hergestellte Denkarium eingelagert worden. Doch da die Abordnungen aus Greifennest und Hogwarts beim Abschlußfest dabeisein würden, ließen die Laienspieler diesen Abschnitt ganz weg. Mochte es sein, daß Carmens Klasse im nächsten Jahr diese Ereignisse noch einmal aufwärmte.
"Ist auch nicht so unpraktisch. Nachher meint Kevin noch, irgendwelchen Blödsinn dazu ablassen zu müssen", sagte Julius. Millie wandte ein, daß es Gloria und Pina wohl auch heftig verwirren mochte, daß ihr Freund mal für vier Tage im Hexenkörper hatte leben müssen. Julius mußte dabei an die eine zusätzliche Stunde denken, die er im Körper von Béatrice Latierre zugebracht hatte. Das hätte Pina und Gloria wohl vollkommen aus dem Tritt gebracht.
"So, ihr zwei, ihr geht jetzt bitte wieder in eure Zimmer hinüber!" ordnnete Madame Rossignol an. Julius fragte sie noch einmal, ob Millie zumindest die Theorieprüfungen mitmachen konnte.
"Ich habe das wohl bei der letzten Pflegehelferkonferenz erwähnt, Monsieur Latierre", setzte die Schulheilerin mit einem gewissen Unmut an, "Millie bleibt zusammen mit Sandrine in meiner Obhut, bis die Prüfungen vorbei sind. Beide haben schwere Geburten überstanden. Da sie beide eh die Prüfungen nachholen werden, können sie dies auch im vollen Umfang und müssen sich nicht überanstrengen, um nur halbe Sachen hinzubekommen." Millie verzog ihr Gesicht. Sie fühlte sich zwar wieder fit genug, um den Krankenflügel zu verlassen und machte auch wieder Beweglichkeits- und Belastungsübungen, um ihren von der Schwangerschaft und Niederkunft durcheinandergebrachten Körper zu stärken. Die alle zwei bis drei Stunden eingelegten Stillphasen zehrten sie jedoch gut aus, und so hatte die Heilerin verfügt, daß Millie wie Sandrine die Zeit bis zum Ende der Prüfungen im Wöchnerinnenzimmer verbringen sollte. Julius nahm diese Entscheidung schweigend hin. Hoffentlich lag seine Frau ihm nicht in den Ohren, daß sie noch ein halbes Jahr in der Luft hing, bis auch sie die UTZ-Prüfungen ablegen konnte.
Julius hatte Gérard im ruhigen Ton aufgefordert, sich nur auf die Prüfungsvorbereitungen zu konzentrieren und ihm die volle Arbeit der Saalsprecher zu überlassen. "Klar, weil du die meisten Sachen für die UTZe ja schon oft gemacht hast und denkst, die Dinger aus dem linken Handgelenk heraus einzufahren", grummelte Gérard darauf, weil Julius keine Prüfungsangst oder Hektik äußerte.
"Auch ich kann einen Misttag erwischen, Gérard, und jetzt, wo die Kleine da ist, muß ich zusehen, daß ich mich immer voll konzentriere, um nicht daran zu denken, was ich nach Beaux machen kann, um Millie und ihr genug zu Essen zu kaufen."
"Denkst du, ich müßte da nicht dran denken?!" brach es aus Gérard heraus. Julius nickte und sagte, daß er ja genau deshalb den Vorschlag gemacht hatte, daß Gérard sich in seinem Schlafzimmer weit genug von den anderen weg auf die Prüfungen vorbereiten könne. Gérard ging mit gewissem Unmut darauf ein. Denn er merkte schon, daß es mit seiner Selbstbeherrschung im Moment nicht so weit her war. Vor allem, als André ihm zwei Tage nach der Geburt von Estelle und Roger den Spruch um die Ohren gehauen hatte, daß der Hengst ja jetzt seine Schuldigkeit erfüllt habe und sich nach einer neuen Weide umsehen könne, hatte Gérard den Spötterich fast mit einem Fluch durch die nächste Wand geschossen, wenn Julius nicht geistesgegenwärtig einen großen Schild zwischen ihn und André gezaubert hätte. Die hundert Strafpunkte, die André für seine abfällige Bemerkung kassierte, taten dem offenbar nicht so weh. Kevin hingegen hütete sich seit Patrices Besenwerbung vor allem, was ihm unnötige Strafpunkte einbrocken konnte. Das beruhigte Julius sichtlich, auch wenn er seinem früheren Schulkameraden ansah, daß es dauernd in ihm gährte, sich derartig klein und brav verhalten zu müssen.
"Moment, Moment!" rief Julius Archibald Lambert zu, der gerade einen Schluck aus einer blauen Phiole trinken wollte. "Was für ein Trank ist das, Archibald?"
"Ähm, oh", brachte der Fünftklässler hervor und wollte das Fläschchen schnell verschwinden lassen. Doch Julius pflückte es ihm eigenhändig aus der rechten Hand und wog es prüfend. "Archie, du weißt doch genau, daß wir Saalsprecher und Pflegehelfer jeden Trank kassieren müssen, der rumgereicht wird. Von wem hast du das Zeug?"
"Sage ich nicht", knurrte Archibald mit hochroten Ohren.
"Willst du echt zweihundert Strafpunkte kassieren, weil du mithilfst, das wer irgendwelche angeblichen Gedächtnisverstärker zusammenpanscht und mit deiner und der Angst von den anderen ZAG- und UTZ-Schülern dicke Geschäfte macht?" fragte Julius den zwei Klassen unter ihm lernenden Mitschüler.
"Das Zeug geht, verdammt. Ich habe das an einem der Spatzen draußen getestet und dem was vorgeflötet. Der konnte das dann nachflöten. Also macht es, was es soll. Mann, ich habe fünfzehn Sickel dafür springen lassen müssen, eh!" maulte Archibald, der ganz genau wußte, daß er auf verlorenem Posten war.
"Tja, wenn du mir erzählst, wer dir das Zeug angedreht hat, dann kann ich durchdrücken, daß du deine Sickel zurückkriegst. Aber du willst es ja nicht sagen", sagte Julius. "Dann muß ich dir wohl die zweihundert Strafpunkte aufladen, die nach Absprache zwischen Saalsprechern und Pflegehelfern an die auszusprechen sind, die euch mit solchen Sachen das Geld aus der Tasche ziehen wollen."
"Zweihundert Strafpunkte?" erschrak Archibald. Er wußte, daß damit auch immer eine Strafarbeit verbunden war. So erwähnte er leise: "Das habe ich von Jacques Lumière. Wenn der das spitzkriegt bin ich fällig, Mann."
"Lustig, wo der aufpassen muß, daß ihm die Prüfungsteilnahmeberechtigung nicht wegen eines zu tiefen DQs aberkannt wird", meinte Julius, der im Moment keinen Grund sah, Archibald nicht zu glauben. Denn er blickte ihm so gründlich in die Augen, daß der Junge arge Probleme hatte, dem strengen Blick standzuhalten. "Madame Faucon hat bei der letzten SSK klargemacht, daß jeder ZAG- oder UTZ-Kandidat, der eine Woche vor den Prüfungen einen DQ unter der Stranderlaubnisgrenze hat, nicht zu den Prüfungen hindarf. Wie sieht dein DQ aus?" warf Julius noch eine Frage ein. Archibald erbleichte nun. Dann raunte er zögerlich: "Gerade zehn". Julius erkannte, daß der Junge also schon überschlagen hatte, was zweihundert Strafpunkte an seinem Disziplinarquotienten verändern würden. "Habe in der Woche gerade fünfzig Bonuspunkte kassiert", sagte der nun vollständig eingeschüchterte Junge dann noch. Fünfzig geteilt durch zweihundert ergab bereits ein Viertel, also weit unter eins. Außerdem mochte Archibald schon Strafpunkte kassiert haben, was den Wert bedenklich nahe an null heranrücken ließ.
"Wenn Jacques wirklich diesen Trank verzapft hat und für so eine kleine Phiole fünfzehn Sickel aus deinem Umhang gezogen hat, dann hat der ganz andere Sorgen, als dir was überzubraten oder anzuhexen. Der sollte es nämlich wissen, was denen blüht, die solche Tränke rumreichen", sagte Julius. Dann sprach er Archibald fünf Strafpunkte wegen mutwilliger Eigengefährdung aus und ging mit dem beschlagnahmten Gebräu davon. Er bat Céline, die Jungen für ihn mitzubeaufsichtigen und warnte sie vor möglichen Wundertränken, die den Prüflingen bei ihren Wiederholungsstunden halfen.
"Was hat der Junge gesagt, daß ein Spatz von ihm vorgepfiffene Melodien nachgepfiffen hat?" wollte die Heilerin wissen, der Julius den Trank zur endgültigen Prüfung aushändigte. Julius nickte.
"Könnte das Plappergebräu sein, das jeden alles nachsprechen läßt, was ein älterer oder größerer Mensch in Hörweite vorspricht", vermutete Julius.
"Beziehungsweise seine Modifikation, der Gedankenhalltrank, der ermöglicht, das sich selbst vorgesprochene so oft in den eigenen Gedanken nachhallen zu lassen, daß es wie zehnmal wiederholt im Gedächtnis verankert wird. Das reine Plappergebräu wird auch als "die Tränen der Echo" bezeichnet, nach der altgriechischen Geschichte von der Bergnymphe, die im Auftrag des Göttervaters dessen Frau von dessen Liebesabenteuern ablenken sollte und deshalb verflucht wurde, nur noch die letzten gehörten Wörter sprechen zu können." Julius nickte. So stand es auch in seinem Buch über Zaubertränke, die die geistigen Fähigkeiten eines Menschen verändern konnten. Die Heilerin prüfte den Trank und stellte fest, daß es sich wahrhaftig um den Gedankenhalltrank handelte.
"Also, von Arbeitsaufwand und Zutaten her ist diese Menge zehn Sickel wert", mußte die Heilerin eingestehen. "Aber es ist nunmal verboten, daß Schüler anderen Schülern geisteskraftverändernde Tränke verkaufen, vor allem im Vorfeld wichtiger Prüfungen. Wenn das wirklich von Jacques Lumière stammt, dann spielt dieser Junge sehr gefährlich mit einer vielversprechenden Karriere in der Zaubertrankbrauzunft. Abgesehen davon dürfte das der von ihm und Mésange angekündigten Ehe abträglich sein, wenn er entweder um ein Jahr zurückgestuft wird oder gar ganz von den UTZs ausgeschlossen wird. Ich kläre das mit Patrice, in deren Saal der Junge wohnt. Zumindest möchte ich ihn persönlich fragen, ob er diesen Trank gebraut und in Umlauf gebracht hat. Er muß dann nicht wissen, daß du ihn beschlagnahmt hast."
"Nur wenn Archie Lambert seinen Mund hält", grummelte Julius.
"Wird er wohl schon deshalb, weil er irgendwelche Vergeltungsakte dessen fürchtet, der ihm den Trank verkauft hat", bemerkte die Heilerin. Julius nickte zustimmend. Denn das erschien ihm logisch.
Am Abend kam heraus, daß es wirklich Jacques Lumière war, der eine große Menge des Gedankenhalltrankes gebraut hatte und die nicht für ihn und Mésange benötigte Menge an seine jüngeren Mitschüler weiterverkaufte. Dafür erhielt er zweihundert Strafpunkte. Sein DQ geriet dadurch knapp über die von Madame Faucon verfügte Mindesthöhe von fünf. Die gemalte Aurora Dawn im gerade nur von Julius bewohnten Ehegattenzimmer grinste, als Julius ihr das ganze erzählte. "Meine natürliche Vorlage hat's damals in Hogwarts durchgesetzt, daß jeder, der so einen Trank unter die Leute bringt, den selbst schlucken muß. Das hat damals viele Leute davon abgebracht, angebliche Gedächtnisverstärker anzubieten."
"Nur daß Jacques den Trank ja auch für sich und seine zukünftige Frau gebraut hat. Das wäre für den keine Strafe gewesen."
"In dem Fall wohl nicht", grummelte die gemalte Aurora Dawn.
Julius stellte fest, daß Romilda Vane und Brandon McMerdow sich immer wieder verbittert ansahen. Bei Romilda meinte er sogar, große Verachtung sehen zu können. Natürlich wußte er, woran das lag. Brandon hatte Romildas Versuch abgewiesen, ihn als zukünftigen Ehemann werben zu können. Diese Demütigung mochte Romilda an die Schwelle zum Haß treiben. Womöglich sollte er Professor McGonagall darauf hinweisen, daß es noch Ärger geben konnte. Dann fiel ihm ein, daß die Schulleiterin von Hogwarts lange genug in ihrem Beruf war, um solche Entwicklungen selbst erkennen zu können. Allerdings wußte diese nicht, was William Deering ihm erzählt hatte, als alle heiratswilligen Junghexen die Zauberer ihrer Wahl auf ihre Besen rufen wollten. Brandon hatte Romilda über den Verlust ihres Freundes Fredo Gillers hinweggetröstet und war mit ihm zusammen in einem der Parks gesehen worden. Was hatten die da getrieben? Am Ende hatte Romilda sogar alles Recht gehabt, Brandon zu veranlassen, ihr die Heirat zu versprechen. Doch das konnte auch ein Streich seiner Phantasie sein, und Romilda war schlicht nur enttäuscht, weil sie als zweifach zurückgewiesene und vom trimagischen Turnier ausgeschlossene Hexe nach Hogwarts zurückkehren mußte.
In der Woche vor den Prüfungen verteilten die Saalvorsteher die Terminpläne für die anstehenden ZAG- und UTZ-prüfungen. wie wohl immer schon lagen die zu prüfenden Fächer für die beiden Prüfungsklassen an denselben Tagen. Julius nahm zur Kenntnis, daß er gleich am Montag Verwandlung haben würde. Da er wie Millie bereits im letzten Jahr im praktischen Teil schon auf UTZ-Niveau geprüft worden war, galt es nur noch, die entsprechende Therorie richtig hinzubekommen. Der Form halber konnte er die praktische Prüfung zwar machen, mußte sie aber nicht mehr unbedingt bestehen. Doch als abschließende Übung wollte er das machen, hatte er sich entschieden. Er hatte gleich zwei freie Tage hintereinander, weil diesmal alle reinen Theoriefächer, die ja nur als Wahlfächer ab der Dritten dazugenommen oder weggelassen werden konnten, drankamen. Wahrsagen, Muggelstudien, Arithmantik und Zaubereigeschichte würden auf diese beiden Tage fallen, in denen er mit allen, die diese Fächer auch nicht behalten hatten, an der Gestaltung der Abschlußfeier arbeiten würde. Kräuterkunde und Magizoologie folgten am Dienstag und Mittwoch der zweiten Prüfungswoche hintereinander. Zum krönenden Abschluß seiner Prüfungstermine würde er mit allen, die das Fach behalten hatten, Zaubertränke zu bestehen haben. Kevin, der ja genau zwischen ZAGs und UTZs hing, erwähnte, daß er zuerst in Protektion gegen destruktive Formen der Magie geprüft werde. Die am grünen Tisch sitzenden Hogwarts-Schüler diskutierten bereits über den Terminplan und ob noch Zeit sei, sich auf letzte, nicht ganz so sicher sitzende Sachen vorzubereiten.
Als Kevin dann beim Frühstück drei Tage vor Beginn der ZAG- und UTZ-Prüfungstage einen scharlachroten Umschlag erhielt, hielt sich Julius vorsorglich die Ohren zu. Mit einer den Speisesaal zum erbeben bringenden Lautstärke brach Mr. Malones Stimme über alle herein, als Kevin nach langem Zögern den Umschlag öffnete.
"kevin, du nichtsnutziger Bengel! Was hast du dir dabei gedacht, dich auf die Spielchen einer Hexe einzulassen, die doch nur dran denkt, frisches Zaubererblut klarzumachen? Professor McGonagall hat mich angeschrieben und mir dabei mitgeteilt, ich bekäme von dir und Madame Faucon wohl noch Post, weil du offenbar was angestellt hast, was einer von den Beauxbatons-Hexen den Eindruck macht, du würdest sie garantiert heiraten. Hast du das Mädchen vor der Ehe entehrt, daß die jetzt meint, dich klarzuhaben? Falls ja, mach dich damit vertraut, daß du die UTZs vergessen kannst. Deine Mum und ich haben dir oft genug gesagt, daß wir nicht möchten, daß du eine ausländische Hexe heiratest. Daß das mit dieser Myrna nur ein Schauspiel war, um zudringliche Frauenzimmer von dir fernzuhalten mußten wir ja einsehen. Aber wenn du dich auf fragwürdige Sachen mit einer aus dieser Froschfresserakademie eingelassen hast, und die läuft am Ende noch mit einem Kind von dir im Wanst herum, sieh ja zu, daß du gleich nach diesem Jahr hier schaffen gehst. Ich bin sowas von schwer enttäuscht von dir, das kann selbst der Heuler nicht voll aufnehmen. Also, wenn du dieses Gör vor einer Hochzeit besprungen hast wie ein Straßenköter eine Hündin, dann war's das mit Hogwarts, egal was Professor McGonagall sonst so sagt. Wenn dieses Mädchen, das meint, in unsere urwüchsig irische Familie reinheiraten zu können nur irgendwas angestellt hat, was alle anderen glauben läßt, du hättest die zu heiraten, dann gib ihr in meinem Namen einen Tritt in den Hintern und sage der, daß du dich von der hast verschaukeln lassen. Und sowas durfte nach Ravenclaw. Hättest besser zu den Hufflepuffs reingehört oder zu den großmäuligen Gryffindors. Ich will haben, daß dieses Hexengör sich von eurer Schulheilerin untersuchen läßt, ob du sie ehrlos zur Frau gemacht hast. Wenn die mir schreibt, daß dieses biest noch Jungfrau ist, dann sieh ja zu, dieses Heiratsversprechen zu widerrufen, wie verbindlich die das bei den Froschfressern auch immer meinen! Ansonsten brauchst du mir nicht mehr unter die Augen zu treten und kannst dieses Gör gleich bei denen da unten heiraten und zusehen, wie du die Galleonen zusammenkriegst, um dir und ihr ein Leben zu sichern." Nach diesen Worten zerfiel der rote Umschlag zu Asche. Stille lag über allen Tischen. Alle blickten zu Kevin herüber. Zwar hatten die meisten hier nicht verstehen können, was Mr. Malone an geballter Wut in diesen Heuler gesteckt hatte. Doch am Blauen Tisch grinsten einige und blickten Patrice an, die ein wenig verunsichert zu Kevin hinüberblickte. Die Schüler aus Hogwarts sahen Kevin teils mit großer Bestürzung, teils mit unverhohlener Schadenfreude an. Gloria sah ihn mit großer Erwartung an. Pina wirkte eingeschüchtert. Lea grinste von einem Ohr zum anderen. Erick Cobbley war die fleischgewordene Schadenfreude. Die Hollingsworths sahen so aus, als ärgerten sie sich. Sicher, Mr. Malone hatte sie, die Hufflepuffs, in seinem Heuler als dumm bezeichnet. Das wollten sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Professor McGonagall und Madame Faucon tauschten am Lehrertisch, wo alle der englischen Sprache mächtig waren, einen Blick nach dem anderen. Dann erhob sich Madame Faucon und deutete auf Kevin. Über das wohl bei vielen gerade leise Ohrenklingeln hinweg sprach sie:
"Monsieur Malone, mir will nicht einfallen, welche Rechtfertigung Ihr Vater anführen mag, um eine derartige Ungehörigkeit zu äußern. Aber Sie dürfen ihm sehr gerne mitteilen, daß er demnächst eine entsprechende Antwort auf seine höchst unreife Postsendung zu erwarten hat, falls meine gebührende Antwort nicht weit vor Ihrer Vorankündigung bei ihm eintrifft. Was die von Ihrem Herrn Vater erteilte Anweisung angeht, so wissen Sie nach der eingehenden Beratung mit mir und Professor McGonagall, daß Sie nicht ohne gravierende gesellschaftliche und finanzielle Folgen davon zurücktreten können, sofern Sie dies nach der kindischen Drohung Ihres Herrn Vaters in Erwägung gezogen haben sollten. Zudem werden meine Amtskollegin und ich überprüfen, ob diese überlautstark bekundete Meinung Ihres Vaters nur seine Meinung darstellt oder in Übereinkunft mit Ihrer Mutter bekundet wurde. Jedenfalls bleibt die mit Mademoiselle Duisenberg getroffene Übereinkunft gültig. Das weitere klären wir dann unter uns. Bitte setzen Sie nun Ihr Frühstück fort, Mesdames, Messieurs und Mesdemoiselles!"
Die Schülerinnen und Schüler fragten nun alle die, die ein wenig bis sehr gut Englisch konnten, was ihnen da fast die Trommelfelle zerrissen hatte.
"Wußte gar nicht, daß dein Vater so drauf abfährt, du solltest ein irisches Mädchen heiraten", wandte sich Julius nach einer Minute an Kevin.
"Gilda war meinenEltern schon nicht recht. Die fanden das damals ganz in Ordnung, daß die wegen dieser Mirella nix mehr von mir wissen wollte", grummelte Kevin, der sich noch die Ohren rieb. "Gwyneth hat mir das mal gesteckt, daß meine Eltern schon dran gedacht haben, mich zu enterben, wenn ich die Enkeltochter eines angeblichen Gangsters hätte heiraten wollen. Dann war das mit Myrna, die ja echt glaubte, da ginge mehr. Deshalb habe ich das meinen Eltern nicht geschrieben, daß Patrice und ich immer besser zusammengekommen sind. McGonagall hat denen zu schnell geschrieben.Eigentlich wollte ich die Kiste erst an meine Eltern weitermelden, wenn die Prüfungen losgingen, weil es dann die Zeit gedauert hätte, bis eine Antwort zurückgekommen wäre. Ich habe schon vermutet, daß Dad das nicht locker wegpackt, daß ich mir eine von euren Mädels als künftige Ehefrau sichern könnte oder umgekehrt."
"Ja, aber dann gleich einen Heuler? Ist der so wütend, weil du keine Irin an Land ziehen wolltest?" fragte Julius.
"Hast es ja wohl gehört, daß der voll enttäuscht ist. Wenn der mir schreibt oder zubrüllt, daß das mit Hogwarts gegessen ist, wenn ich Patrice und ihrer Familie nicht klarmache, daß das mit der Besenwerbung ein verpennter Aprilscherz war. Mum hat wohl nur Angst, ich könnte hier eine geschwängert haben, ohne die vorher zu heiraten. Zwar glauben die nicht an den Papst in Rom, denken aber in vielen Sachen so ähnlich wie dem seine Handlanger, von wegen, es bloß nicht vor der Hochzeit mit einer treiben und so. Dabei habe ich Patrice nicht einmal nackig zu sehen gekriegt, geschweige denn Du-weißt-schon-was mit der angestellt. Aber jetzt ist der Kessel umgefallen. Wenn ich aus der Nummer mit der Besenwerbung nicht mehr rauskomme, kann ich die UTZe im nächsten Jahr voll zum Kamin rausjagen. Außerdem könnte es meinem alten Herrn einfallen, mich nicht mehr in sein Haus reinzulassen. Dann hinge ich voll auf der Straße herum.""
"Kevin, ich weiß nicht, ob Patrice dich noch mal von der Übereinkunft entbindet", setzte Julius an. "Falls nicht, dann wirst du sicher mit ihrer Familie was finden, wo du nach Hogwarts wohnen kannst. Du hast ja gehört, daß Professor McGonagall nicht der Meinung ist, daß du deshalb nicht mit ihr dahin zurückfliegen kannst, wenn du dir hier nicht zu viele Strafpunkte leistest. Vielleicht kriegt sie wen anderen dazu, dir die galleonen zu pumpen, um das letzte Jahr zu schaffen. Du bist volljährig, kannst also selbst bestimmen, ob du bis zu den UTZs in Hogwarts bleibst oder nicht. Also geht es nur um die Bücher und anderen Sachen für den Unterricht. Das ist sicher irgendwie zu machen."
"Gut, du hast ja auch mehr oder weniger ohne deine Mutter zu fragen was mit Millie angestellt, weshalb ihr gleich geheiratet habt und es irgendwie hinbekommen, so ein großes Haus zu kriegen. Was die Bücher angeht habe ich die meisten wichtigen ja schon. Den Rest könnte ich von Gwyneth kriegen. Aber ich habe jetzt voll das Problem, wie ich mit Patrice diese Hochzeitsfeier vorplanen soll, wo ich gerne meine Eltern beihätte. Wenn die nicht kommen wollen, stehe ich voll blamiert da."
"Problem von später", erwähnte Julius. Kevin verstand ihn nicht recht. So fügte er noch hinzu: "Im Moment haben wir hier alle wichtigere Sachen um die Ohren, als daß du dich darauf festnageln solltest, ob deine Eltern was gegen Patrice und Beauxbatons haben. Ich frage mich nämlich gerade, warum die letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft dabei sein wollten, wenn sie dafür nach Millemerveilles mußten. Außerdem hatte ich deine Eltern als sehr vernünftig in Erinnerung."
"Das mit der WM war nur, weil sie und ich zusehen wollten, wie Irland den Titel verteidigt. Das hat ja nicht geklappt. Das andere ging ja nur darum, daß die nicht als undankbar und unzivilisiert rüberkommen wollten, wo Glorias Dad denen nach deinem sechzehnten Geburtstag erzählt hat, ich hätte mich nicht benehmen können und sowas", grummelte Kevin. "Stimmt auch, daß ich mich hier bei den Prüfungen voll reinhängen muß, wenn ich nächstes Jahr nicht noch mal eine Klasse wiederholen will. So toll ist Hogwarts auch nicht, daß ich da acht Jahre drin herumsitzen will."
"Das sagst du Professor McGonagall besser nicht, wenn sie alle Räder dreht, um dich da nicht rauszuwerfen", zischte Julius Kevin zu. Der irische Hogwarts-Schüler hatte nach der niederschmetternden Wutsendung seines Vaters den alten Trotz zurückgewonnen. Zwar sagte er nichts, was dies bestätigte. Doch Julius sah es in Kevins Augen glimmen. Kevin mußte sich entscheiden, und sein Vater mochte am Ende feststellen, daß sein Sohn ihm von der langen Leine ging, um seinen ganz eigenen Weg zu gehen.
"Da die Prüfungen in drei Tagen anfangen lohnt es nicht, zusätzliche Zaubereien einzuüben", sagte Professeur Bellart zu ihren UTZ-Kandidaten. "Was Sie bei Mir in den beiden Hinführungsjahren zu erlernen hatten haben Sie alle ausnahmslos verinnerlicht. Damit meine ich auch die Mesdemoiselles und Messieurs aus Hogwarts und Greifennest. Ich darf Sie mit absolut beruhigender Überzeugung in die Zauberkunst-UTZ-Prüfung entsenden. Den diesjährigen Gastschülern darf ich versichern, Daß Ihnen durch den Ihnen fremden Ort der Prüfungen keine Nachteile erwachsen werden, da die zu prüfenden Kenntnisse und Künste internationalen Ausbildungsrichtlinien folgen und somit dem gleichen Prüfungsverfahren unterliegen, welches Sie bei Ihren ZAG-Prüfungen in Hogwarts und Greifennest kennenlernen durften. Wie jedes Jahr biete ich in der letzten Stunde vor den Prüfungen an, die wichtigsten Zauber zu wiederholen, die in der praktischen Prüfung abgefragt werden können."
Julius schaffte es nun, sieben Zauber simultan ablaufen zu lassen. Laurentine kam auf die gleiche Zahl zeitgleich ablaufender Zauber. Außer Gloria, die es auf sechs simultane Zauberkunststücke brachte, konnten die übrigen Schüler höchstens fünf Zauber zur selben Zeit in Kraft setzen. Jacques, dem der verpatzte Verkauf seines Gedankennachhalltrankes sichtlich die Stimmung verdorben hatte, schaffte gerade einmal vier zeitgleich ablaufende Zauber, während seine zukünftige Frau Mésange Bernaud, die in drei Monaten Lumière heißen und Barbara van Helderns Schwägerin sein würde, es wie Belisama und Céline auf fünf Simultanzauber brachte. Das mochte dem eher für Zaubertränke zu habenden Jacques noch mehr zu schaffen machen.
Ähnlich wie in Zauberkunst wiederholte Professeur Dirkson in der letzten Verwandlungsstunde vor den Prüfungen, wobei sie selbst mit verspielt wirkender Lockerheit vorführte, was für die Prüfer wichtig werden konnte. Julius und Laurentine zeigten auch hier, daß sie beide zu den am höchsten talentierten und am besten ausgebildeten Kandidaten dieser Jahrgangsstufe gehörten. Nachdem Laurentine erfahren hatte, daß sie nicht unbedingt jene stattliche Bache werden mußte, wenn sie eine Animaga werden wollte, hatte diese sich darauf eingelassen, das ihr genehmste und zugleich am einfachsten zu werdende Tier zu finden. Große Tiere wie die Bärin, die Millie werden konnte, oder jener Elefant, den Julius als innere Tiergestalt besaß, erschienen ihr dabei zu groß. Als sie einmal eine hellblonde Katze mit weißen Tupfen darstellte hatte sie Probleme, sich zurückzuverwandeln. Erst nach zwei Minuten konnte sie die vor der Selbstverwandlung angesammelte Magie entfalten, um in ihre ursprüngliche Gestalt zurückzukehren. "Mann, das war jetzt wirklich fies", seufzte Laurentine. "Ich konnte mich nicht konzentrieren, wieder ich selbst zu werden, weil ich abgedrehte Gedanken an meinen Kater Maximilian hatte." Professeur Dirkson nickte und gebot ihr, nicht mehr dazu zu sagen. Céline hatte mit dem Gedanken gespielt, eine Animaga zu werden. Doch bei den Selbstverwandlungsübungen hatte sie herausgefunden, daß selbst die grazile Libelle, die ihre innere Tiergestalt war, schwer anzunehmen war. Sie besaß wohl nicht das Verwandlungstalent ihrer großen Schwester Constance, die nach der Geburt von Cythera noch besser damit zurechtgekommen war als vorher schon. Julius fragte sich auch, ob er nicht eine kleinere Tiergestalt auswählen sollte, um Animagus zu werden. Doch diese Frage wollte er auf später verschieben, wenn er mehr Zeit zum Nachdenken und Ausprobieren haben würde. Zumindest wollte er kein kleiner Käfer wie Rita Kimmkorn werden. In der Kunst der multiplen Objektkonjuration, dem Herbeizaubern von vielen benötigten Gegenständen auf einen Schlag, bewies er das ihm in die Wiege gelegte Zaubertalent, das ihn schon seit seiner frühen Kindheit begleitete, bis es in Aurora Dawns Haus und dann in Hogwarts vollständig erweckt worden war.
Wohin euer Weg in der Zaubererwelt euch auch immer hinführen mag: Mit Verwandlungskenntnissen und -Fertigkeiten könnt ihr viele Berufsmöglichkeiten ausnutzen", sprach Professeur Dirkson ihrer Klasse die Zuversicht zu, bei ihr wirklich was wichtiges gelernt zu haben. Gloria Porter fragte dann noch, ob die Zauberstablose Selbstverwandlung an einen bestimmten Beruf gebunden war oder in reinem Selbststudium erworben werden mußte.
"Ich weiß, du kennst Professor Unittamo ja persönlich und weißt daher, daß sie eine unbestrittene Großmeisterin der Fremd- und Selbstverwandlung ist. Sicher kann jemand lernen, sich auch ohne Zauberstabgebrauch beliebig zu verwandeln. Das jedoch braucht eine Menge Übung, einen starken Willen, auch aus sich selbst heraus die Gestalt zu wechseln, sowie ein Gefühl für den Fluß der Magie im eigenen Körper. Du mußt quasi lernen, jede Zelle deines Körpers zu spüren, um sie in einem Fluß magischer Kraft zu verändern, ohne die geistige Kontrolle über diesen Fluß zu verlieren. Das kann nicht jeder und jede, und Maya Unittamo hat diese Kunst fünfzehn Jahre lang erlernen und einüben müssen, und dann ihr ganzes Leben lang immer wieder angewendet, um in Form zu bleiben ... Ich verstehe, was ihr da zu grinsen habt", erwiderte die Lehrerin und mußte selbst schmunzeln. Sich in Form zu halten, um ohne Zauberstabgebrauch verschiedene Daseinsformen anzunehmen war ja auch ein lustiges Wortspiel. "Jedenfalls warnt unsere Lehrbuchautorin und für mich und wohl auch einige von euch hier gern als Vorbild anerkannte Meisterin der Metamorphose davor, übereilt und verbissen auf dieses Ziel hinzuarbeiten, da derartige Versuche auch schiefgehen können und jemand dabei unrettbar verunstaltet werden oder in einer ihm oder ihr unangenehmen Daseinsform weiterbestehen muß, solange niemand im Rahmen von zwei bis vier Wochen je nach eigener Willenskraft den Reverso-Mutatus-Zauber verwendet, um die Ursprungsgestalt wiederherzustellen."
"Na ja, es kann schon wichtig sein, ohne einen Zauberstab ziehen zu können eine gefährliche Situation zu überstehen, indem man sich selbst verwandelt, wo das zauberstablose Apparieren beinahe unmöglich ist", sagte Gloria. Waltraud bat ums Wort und sagte:
"Mein Großvater Friedebold erwähnte, daß es nicht nur hilfreich sei, sich selbst ohne Zauberstab verwandeln zu können, sondern gegebenenfalls auch Tiere oder Pflanzen in unmittelbarer Umgebung. Allerdings hat er es nie dazu gebracht, sowas zu können. Ein Animagus wollte er auch nicht werden, weil ihn das zu sehr eingeschränkt hätte. Er meinte mal, daß ein Animagus immer dazu tendiert, die erlernte Tierform anzunehmen, wenn er sich in etwas anderes verwandeln will und er deshalb keiner geworden sei, weil er mal als Vogel, mal als Eidechse oder als Eichhörnchen auftreten müsse, je danach, was in den von ihm betreuten Wäldern gerade anfiele."
"Solange er nicht als Regenwurm im Boden herumkriechen will", mußte Joseph Maininger dazu einwerfen. Professeur Dirkson räusperte sich und blickte den Schulkameraden Waltrauds sehr tadelnd an. Mehr Zurechtweisung kam jedoch nicht von ihr. Joseph genügte es auch. Auch wenn die Mutter von Drillingen lockerer unterrichtete als ihre Kolleginnen und Kollegen, so hatte sie doch keine Probleme damit, spontane Strafen zu vollstrecken, wenn jemand ihre Nachsicht und Geduld überreizte. Das mit dem Frösche speienden Hogwarts-Schüler bei der Quidditch-Weltmeisterschaft hatte sich auch zu den Greifennestlern herumgesprochen.
"Abgesehen von der zauberstablosen Selbstverwandlung sehe ich bei euch allen nichts mehr, was ich euch in den paar Minuten dieser letzten Stunde vor den Prüfungen noch beibringen oder abverlangen muß", sagte Professeur Dirkson. Daher gehen wir es jetzt ruhiger an und machen sozusagen zum auslaufen noch einige Verwandlungsübungen an kleineren Tieren." So vergingen die letzten zwanzig Minuten der Doppelstunde mit auf Schnelligkeit und Detailgenauigkeit ausgelegten Verwandlungsübungen, wobei kein Zauberwort zu hören sein durfte. Julius wurde noch einmal gebeten, die Zustandsformveränderungen hinter einem Wandschirm auszuführen. Als er es schaffte, in nur drei Sekunden in die Nebelform zu wechseln und in nur einer halben Sekunde seine feste Gestalt zurückzugewinnen, raunte ihm die Lehrerin zu: "Du siehst diese hohe Anforderung der Verwandlungskunst wohl als reine Kraftübung an. Ich muß jedoch davon ausgehen, daß du nach der Ausbildung hier wegen deiner umfassenden Befähigungen von Arbeitgebern umlagert wirst, die dir ständig hohe Anforderungen auferlegen und daß du mit Hilfe der Zustandsänderung aus manchen brisanten Situationen besser herauskommst als durch Apparieren." Julius prüfte noch einmal, ob der aufgebaute Wandschirm den Schall so gut zurückhielt wie die unzähligen Paravents, die Professeur Dirkson schon beschworen hatte. Dann erwiderte er leise:
"Ich kenne genug Berichte, wo jemand durch schnelle Zustandsänderung aus gefährlichen Fallen herausgekommen ist. Ich vermute sogar, daß eine Hexe damals aus einem gegen unerlaubtes Apparieren abgeriegelten Gebäude entkommen konnte, weil sie sich selbstverflüssigte und durch die Abwasserkanalisation verschwand. Deshalb stimme ich Ihnen da voll und ganz zu, daß ich das vielleicht eines Tages mal echt brauchen könnte."
"von dem Fall habe ich auch gehört", erwiderte die Verwandlungslehrerin. "Dann weißt du ja, was ich meine." Julius nickte.
Ähnlich wie in den anderen Zauberstabfächern wiederholte Professeur Delamontagne in der letzten Stunde vor den Prüfungen nur. Dabei ging es um die Theorie der Situationsflüche und Ritualzauber, und im praktischen Teil um ungesagt ausgeführtes Duellieren, wobei Julius mit dem Lehrer eine Vorführrunde darbot, bei der es heftig blitzte, zischte, krachte und prasselte. Eine halbe Stunde vor der Pausenglocke fragte der Lehrer jeden vor allen anderen, ob er oder sie ihm erlaubte, den Imperius-Fluch auszuprobieren, um die eigene Widerstandskraft dagegen zu üben. Die meisten der Schüler versagten jedoch bei dieser Übung. Nur Waltraud, Laurentine und Julius konnten den ihnen ins Gehirn gepflanzten Befehlen mit großer Mühe widerstehen. Joseph fand es sehr peinlich, daß er, ein urwüchsiger Bayer, ein Loblied auf die Stadt Berlin singen mußte und das auch noch fehlerfrei hinbekam. Julius fühlte mit dem muggelstämmigen Gastschüler. Denn er selbst hatte bei seinen ersten Versuchen, den Imperius-Fluch abzuschütteln, die Stadionhymne des FC Liverpool singen müssen und dann noch das Kampflied von den Töchtern Sardonias mit einer Mädchenstimme zum Besten gegeben. Das war schon vier Jahre her. Seitdem hatte er gefährliche Abenteuer überstehen müssen und bei seinem zweiten Besuch in der Burg der Vogelmenschen selbst den Imperius-Fluch verwendet, um die fliegende Festung vor der Zerstörung und das Volk der Vogelmenschen vor der Ausrottung zu bewahren. Sicher mochte es bei Delamontagnes Übungen noch möglich sein, den Fluch abzuschütteln, weil der Lehrer nicht wirklich wollte, daß seine Schüler ihm unterworfen wurden. Doch wenn er lernte, sich zu wehren, konnte er ernsthaften Angriffen auf seinen freien Willen besser begegnen. Das allein waren Ziel und Zweck dieser Übung.
"Ich erwarte von Ihnen - nicht nur von den Damen und Herren aus dem von mir betreuten Saal -, daß sie alle am Tag der ultimativen Prüfung Ihrer hiesigen Zaubereiausbildung mit all Ihrem Verstand und aller gebotenen Disziplin in die Prüfungen gehen und das in den beiden verstrichenen Schuljahren erworbene Wissen und Können mit größtmöglicher einsatzbereitschaft präsentieren. Von den dieses Jahr als Gastschüler unter unserem Dach studierenden Kandidaten aus Hogwarts und Greifennest erwarte ich, daß Sie sich in den Ihnen hier ermöglichten Prüfungen sowohl Ihrer eigenen Schulen als auch der Ihnen angediehenen Ausbildung in Beauxbatons würdig erweisen", hielt der hochgewachsene, hagere Professeur Trifolio kurz vor Ende der letzten Kräuterkundestunde vor den Prüfungen eine antreibende Ansprache. Dagegen waren Professeur Dirksons Worte ja richtig familiär gewesen, wie die aufmunternden Worte einer liebenden Mutter an ihre Kinder, während Trifolio eine Frage der Ehre daraus machte, ob jemand die Prüfungen in seinem Fach bestand oder verfehlte. Da er wohl aber noch zu den Kandidaten aus dem von ihm betreuten weißen Saal genauer sprechen würde, beließ es der ganz und gar auf sein Fach versessene Lehrer bei dieser ansprache, bevor er den Schülerinnen und Schülern noch viel Glück und den verdienten Erfolg bei den Prüfungen wünschte.
"Das hätte meine Großtante auch nicht anders rübergebracht, was Trifolio uns gerade gesagt hat", grummelte Hubert Rauhfels. ""Wer es wagt, sich bei den Prüfungen durchhängen zu lassen kriegt fürchterlichen Ärger", soll sie mal zu einer Abschlußklasse gesagt haben, wo die meisten von denen zaubertier- und Zauberpflanzenkunde bei ihr hatten."
"Kasernenhofmentalität", grummelte Laurentine Hellersdorf. Sie kannte die Fachlehrerin Gudrun Rauhfels ja auch von dem Ausflug am Tag der totalen Sonnenfinsternis über Europa.
"Na ja, so ganz unrecht hatte sie nicht. Vier Leute mußten drei Prüfungen nachholen, weil sie sonst um ein Jahr zurückgestuft worden wären. Bei uns in Greifennest mußt du die Hälfte aller Prüfungen geschafft haben oder die verpatzten Prüfungen in den Ferien nachholen. Sonst mußt du die Klasse noch mal wiederholen. Verhaust du die Prüfungen dann wieder oder vermurkst andere UTZ-Prüfungen, die vorher geklappt haben, werden alle bereits bestandenen UTZs für ungültig erklärt", erwähnte Hubert Rauhfels darauf. "Für die meisten reicht das voll aus, um möglichst gut aus den Prüfungen rauszukommen."
"Hier kannst du nur die Prüfungen nachholen, mit deren Ergebnissen du nicht zufrieden bist. Zurückgestuft wirst du nur, wenn du vor den Prüfungen was verbockst, was dich gemäß der Schulregeln unwürdig macht, diese Prüfungen abzulegen", sagte Julius. Laurentine meinte dazu leise, daß das ja Jacques Lumière fast passiert wäre. Patrice Duisenberg grummelte dazu noch, daß er dann auf die Wiederholung des ganzen Schuljahres und die UTZs verzichten konnte, wenn er das wolle. Julius nickte.
Gérard Dumas mußte am Samstag abend in den Krankenflügel, weil er es wie damals bei den ZAGs darauf angelegt hatte, alle ihm noch für unsicher angesehenen Zauber im Überlastverfahren wiederholen zu müssen und deshalb total erschöpft und am Rande einer tiefen Ohnmacht gefunden wurde, als Madame Rossignol Julius mit großmütterlich anmutendem Nachdruck in das gerade von ihm allein bewohnte Zimmer geleiten wollte, um selbst den nötigen Schlaf zu finden. dabei sah sie den schmalen Lichtstreifen aus dem Türspalt von Sandrines und Gérards Ehegattenzimmer. Julius half ihr dann, den wild zitternden und schweißgebadeten Mitschüler in den Behandlungsraum zu bringen.
"Ist das ehrlich schon zu lange her, daß ich dem Jungen geraten habe, sich nicht noch einmal auf derartige Überanstrengungen einzulassen?" seufzte die Heilerin von Beauxbatons. Dann schickte sie Julius zurück in sein eigenes Schlafzimmer.
Am Sonntagmorgen bekam Kevin einen nur mit Feder und Tinte erstellten Brief seiner Mutter und einen von seiner Cousine Gwyneth. Julius fragte nicht von sich aus nach, was die beiden schrieben. An Kevins Gesicht konnte er jedoch deutlich ablesen, daß das Schreiben seiner Mutter ihm eine gewisse Schadenfreude bereitete und das Schreiben seiner Cousine ihn regelrecht aufmunterte. Da Kevin wohl merkte, daß es Julius schon interessierte, was nach dem Heuler aus Irland gekommen war, beugte er sich zu ihm hin und flüsterte:
"Mum hat geschrieben, daß Dad von Madame Faucon einen Rückheuler bekommen hat und deshalb zu einem Heiler mußte, um Ohrentrosttropfen zu kriegen. Das mit der Froschfresserakademie hat eure große Chefin hier wohl ziemlich persönlich genommen. Auf jeden Fall haben die jetzt Streß mit den Nachbarn, weil jetzt auch die wissen, daß ich und Patrice heiraten, die das eigentlich nicht wissen sollten. Die einen machen ihn dumm an, weil er mich nicht richtig in der Spur gehalten hat. Die anderen meckern, weil keiner ihnen gesteckt hat, daß es in der Familie Malone bald eine große Fete geben wird. Wieder andere wollten nur wissen, ob ich mit Patrice jetzt in Irland bleibe oder ganz bei euch hinziehe. Gwyneth schreibt, daß sie das mit der Besenwerbung schon mal gehört hat und mir Glück wünscht, daß ich mich bei der ganzen Kiste nicht voll verhoben habe und nicht in einem Jahr die totalen Probleme habe. Sie fragt an, ob ich in Frankreich oder Irland heiraten will. Ich schreibe denen beiden gleich noch eine Antwort. Ähm, Julius, kannst du, wo du dich mit der Besenwerbung voll auskennst, meinen Eltern noch schreiben, wie ernst die das hier nehmen? Vielleicht kommt mein Dad mit einer Erwähnung von einem, der Hogwarts und Beauxbatons kennt besser klar als mit dem voll akademischen Geschreibsel von McGonagall oder dem Heuler von Madame Faucon."
"Na ja, bei der WM hatte ich schon den Eindruck, daß dein Vater kein Problem damit hatte, was ich ihm sagen durfte oder mußte. Aber da hatte ich eine offizielle Aufgabe. Wenn du das von mir als Freundschaftsdienst haben möchtest, weiß ich nicht, ob dein Vater nicht auch noch davon anfängt, ich hätte mich von den Leuten hier zu sehr vereinnahmen lassen, Kevin." In gedanken fügte Julius hinzu, daß Kevins Behauptungen über Julius und sein Umfeld hier ja nicht nur von diesem selbst stammen mochten.
"Mir geht es nur darum, daß du schreibst, was die Besenwerbung ist, warum die Hexen damit klarkriegen wollen, ob ihre Freunde mit denen auch das ganze Leben zusammenbleiben und wie ernst denen das ist."
"Na ja, sogesehen müßtest du dann eher wen fragen, der von Anfang an in Frankreich gewohnt hat, Kevin. Aber nach deinen ganzen Sprüchen in den letzten Monaten weiß ich keinen, der das für dich macht. Sonst hätte ich dir vorgeschlagen, Gérard oder Robert zu fragen, warum die sich darauf eingelassen haben", wisperte er seinem ehemaligen Haus- und Klassenkameraden zu. Dieser verzog das Gesicht und nickte verdrossen.
"Muß auch so gehen, Julius. 'tschuldigung, daß ich meinte, dich mit in diesen Krempel mit reinreißen zu müssen!" raunte Kevin. Julius ging darauf ein, eine kurze Erläuterung in einfachen Worten zu schreiben. Kevin erwähnte dann noch, daß er seinen Eltern schreiben würde, daß er auf jeden Fall nach Hogwarts zurückkommen würde, um die UTZs zu machen. Gwyneth hatte ihm nämlich zugesichert, alle Kosten für das nächste und für Kevin hoffentlich letzte Schuljahr zu übernehmen, so daß er sich voll auf die anstehenden Prüfungen konzentrieren konnte. Damit hatte er seinem verärgerten Vater gegenüber Oberwasser. Dieses Gefühl der Überlegenheit war ihm offenbar sehr willkommen, wo er in den letzten Jahren immer wieder untergebuttert worden war. Julius empfand keinen Drang, ihm dieses Gefühl wieder auszureden.
Millie durfte zum ersten Mal nach der Niederkunft an einer Pflegehelferkonferenz teilnehmen. Aurores Wiege stand im Besprechungszimmer. Die Konferenz drehte sich um die aufgekommene Prüfungsangst und die Folgen der beiden Geburten.
"Gérard wird den heutigen Tag noch bei mir im Krankenflügel ausruhen. Morgen früh entscheide ich, ob er die erste von ihm zu bestehende Prüfung ablegen kann oder nicht", gab Madame Rossignol eine eher für Julius bestimmte Erklärung ab. So fragte dieser dann auch, ob Gérard dadurch nicht Probleme bekam. "Falls er nicht zur ersten Prüfung antreten kann besteht für ihn die Möglichkeit, in den Sommerferien die ausgefallene Prüfung nachzuholen. Jedenfalls kann und werde ich ihn nach seiner sehr riskanten, ja sehr törichten Aktion mit Wachhalte- und Gedächtnisverstärkertrank nicht in die Prüfungen lassen, wenn ich nicht vollkommen davon überzeugt bin, daß sich sein Gehirn und Stoffwechsel von dieser selbst zugefügten Überbeanspruchung erholt haben", bekräftigte die Heilerin von Beauxbatons. "Im Zweifelsfall bin ich für ihn und damit alles, was er in seinem Zustand erlebt verantwortlich. Ich hätte ihn auch gleich in die Delourdesklinik überweisen können, wenn ich die Kombination aus den beiden Durchhaltetränken nicht ermittelt und die dagegen wirksamen Tränke nicht vorrätig gehabt hätte. Derartige Selbstüberforderungen haben auch schon dazu geführt, daß die Patienten nur noch das sagen konnten, was sie vor dem Zusammenbruch von Bewußtsein und Kreislauf erlernt haben und alles andere, vor allem ihre sozialen Erfahrungen, vollständig vergessen hatten. Das kann auch bei einer Überdosierung des Gedankenhalltrankes eintreten, den du beschlagnahmt hast, Julius. Am Ende können die Patienten nur noch das andauernd wiederholen, was sie unmittelbar vor dem Zusammenbruch ihres Geistes gelesen und sich vorgesprochen haben. Deshalb bin ich ja so dahinter her, daß ihr euch alle vor den Prüfungen nicht derartig selbstgefährdet."
"Und was ist, wenn Gérard Ihre Anweisungen zurückweist?" wollte Patrice Duisenberg wissen.
"Dann landet er in der Delourdesklinik, wegen Verdacht auf vorübergehendem Verlust der Selbsteinschätzungsfähigkeit", erwiderte die Heilerin sehr entschieden. Julius dachte daran, daß Gérard schon aus Angst, nicht neben seinen beiden Kindern auf dem Wickeltisch zu enden, alle ihm gegebenen Heileranweisungen befolgen würde.
"Ich denke, der ist von den ganzen Sachen gestreßt, von der Schule, der Familie und daß er jetzt schon rauskriegen muß, was er nach Beauxbatons machen kann", vermutete Millie. Alle anderen stimmten ihr zu.
Nach der Konferenz bat Patrice Julius um ein Wort unter Vier Augen. Er traf sich mit ihr im kleinen Leseraum der Schulbibliothek. "Meine Eltern wissen das noch nicht, was Kevins Vater so getönt hat und daß der voll dagegen ist, daß ich ihn auf den Besen gerufen habe. Du kennst die Malones doch schon ein wenig. Kannst du denen irgendwie schreiben, daß Kevin das von sich aus gewollt hat. Der hätte doch nicht kommen müssen, als ich ihn gerufen habe. Das wußte der doch schon längst."
"Habt ihr denn jetzt schon klar, wann die Hochzeit ist?" Fragte Julius.
"Also, Monsieur Laroche hat am dreißigsten Juli einen freien Termin. Ob wir das feiern ist aber jetzt irgendwie unsicher. Meine Mutter sagt, daß sie nur dann eine richtig große Feier machen will, wenn beide Familien komplett hinkommen, weil es sonst so rüberkäme, als könnten wir nicht zusammen leben. Außerdem will ich Kevins Eltern vor der Hochzeit noch besuchen. Ein bißchen Englisch kann ich ja jetzt auch, um zumindest einige Sachen mit denen reden zu können. Aber wenn die mich sofort aus dem Haus jagen, wenn ich bei denen auf dem Grundstück ankomme, sollte ich vorher noch meine Fluchabwehrfähigkeiten geübt haben."
"Achso, und wenn Kevins Vater sich nicht umstimmen läßt, ohne den Imperius-Fluch zu verwenden, trefft ihr euch nur bei Monsieur Laroche und laßt euch von dem ohne die bucklige Verwandtschaft zusammensprechen?" Fragte Julius. Patrice nickte heftig.
"Kevin sagte mal was von einem Dorf oder einer Stadt namens Gretna Green, wo früher die jungen Paare hingezogen sind, die ohne Erlaubnis der Eltern und ganz auf die Schnelle heiraten wollten. Er meinte, wir hätten seinen und meinen Eltern ja auch nichts davon erzählen müssen. Aber dann hätte ich ihn nicht vor allen anderen auf den Besen rufen dürfen, so daß seine und unsere Schulleiterin das mitgekriegt hat."
"Huch, hat er dir damit sagen wollen, daß du Schuld hast, daß er jetzt Stress mit seinem Vater hat?" forschte Julius nach. Patrice überlegte und mußte wohl nicken. Doch sogleich antwortete sie:
"Der wäre doch gar nicht bereit gewesen, zuzugeben, daß er und ich zusammenleben wollen, wenn ich den nach dem Turnier irgendwo in Frankreich auf den Besen hätte rufen wollen. Aber das ganze absagen will er auch nicht. Da müssen wir beide eben durch."
"Das mit Gretna Green war mal. Wer heute auf die Schnelle und ohne wen fragen zu müssen heiraten will fliegt nach Las Vegas. Und wenn die Blitzhochzeit ein totaler Fehlschlag wird, geht's eben nach Mexiko zur Blitzscheidung."
"Gut zu wissen, daß ich mit Kevin nicht dorthin reisen werde", grummelte Patrice. Dann bekräftigte sie noch: "Ich wußte es seit Weihnachten, daß ich Kevin auf den Besen rufen wollte. Es hing nur an ihm, ob er das auch annimmt oder wie sein Schulkamerad McMerdow lieber in den Bach springt, um bloß nicht auf einem Besen aufgeladen zu werden."
"Das ist wohl eine ganz andere Geschichte, Patrice. Die betrifft uns wohl nicht weiter", erwiderte Julius darauf. Allerdings wußte er nicht, ob er da nicht danebenlag. Patrice war sich auch nicht so sicher, ob das, was sie von Romilda Vane und Brandon McMerdow mitbekommen hatte nicht noch ein Nachspiel für die Saalsprecher oder die Pflegehelfer haben mochte.
"Ich schreib dir und Kevin was, damit Kevins Vater zumindest erfährt, warum das für euch hier in Frankreich so eine wichtige Sache ist, wenn ein Zauberer sich von einer Hexe vor ihr auf den Besen heben läßt. Ich muß aber dann aufpassen, nicht zu erwähnen, daß das aus Sardonias Zeit stammt. Sonst kriegt Mr. Malone erst recht den Eindruck, daß du und deine Familie Kevin verladen habt."
"Stimmt, wo Sardonias Nichte bei euch auf der Insel ja auch so gehaust hat", grummelte Patrice, der klar war, was gerade in Kevins Familie vorging. Dann bedankte sie sich bei Julius dafür, ihr zugehört zu haben. Er nickte und gestand ein, daß es ihm trotz Kevins Abfälligkeiten nicht egal war, was aus ihm wurde. Dann ging Julius zu seiner Frau, die Gerade vorhatte, Aurore in frische Windeln zu wickeln. Julius nahm ihr diese nicht so ganz angenehme Arbeit ab und hielt seine Tochter auch sicher, damit Millie ihre Arme entlasten konnte, während Aurore ihr zweites Frühstück in sich aufsog. Sandrine, die gerade den sonst so trennenden Wandschirm zusammengefaltet hatte, um sich nicht zu sehr eingeengt zu fühlen, sah den beiden zu. Julius konnte einen gewissen Neid in ihren Augen erkennen. Er sagte, daß er ihr auch gerne helfen könne, wenn sie die beiden ganz kleinen Dumas' versorgen wolle. Sie überlegte und lächelte dann. Sie bedankte sich bei Julius, der dadurch unvermittelt zum dreifachen Säuglingspfleger befördert wurde, solange Gérard auf Madame Rossignols Anweisung hin die Nachwirkungen seiner übertriebenen Prüfungsanstrengungen auskurieren mußte.
Am Nachmittag schrieb er die Eheleute Malone an und verfaßte auch einen Brief an Kevins Cousine Gwyneth. In beiden Schreiben erklärte er so gefühlsfrei wie möglich, welche Bedeutung die Besenwerbung für das Zusammenleben der Hexen und Zauberer Frankreichs bekommen hatte, seit sie vor vierhundert Jahren eingeführt worden war. Er schloß den Brief an Kevins Eltern mit den Worten ab:
Kevin ist nicht dazu gezwungen worden, sich von Mademoiselle Duisenberg auf den Besen heben zu lassen. Ich habe ihm lange genug davor schon erklärt, wie wichtig diese Aktion in Frankreich ist. Wer nicht auf den Besen gehoben werden will, kann das verweigern. Ihre Befürchtung, Patrice könnte bereits von Kevin ein Kind erwarten ist unbegründet. Unsere Schulheilerin achtet sehr genau auf den körperlichen Zustand aller in der Pflegehelfertruppe mitwirkenden Hexen und Zauberer. Bei der Gelegenheit: Ich weiß nicht, was Kevin Ihnen von Patrice Duisenberg erzählt oder geschrieben hat. Er sagte mir, er hätte Ihnen so gut wie nichts dazu erzählt. Jedenfalls möchte ich Ihnen verbindlich versichern, daß Patrice Duisenberg eine sehr fleißige, aber auch zielstrebige Hexe ist. Mehr müssen Sie und Kevin mit ihr selbst herausfinden.
Kevin las das Schreiben und nickte. So konnte Julius den Brief am Abend noch fortschicken.
Nach dem Abendessen betrat Professeur Delamontagne den grünen Saal. Das war auch eine altgediente Tradition, daß die Saalvorsteher die Prüfungskandidaten vor dem ersten Prüfungstag noch einmal ansprachen, wo alle anderen dabeistanden oder saßen. Julius war nun zum zweiten Mal einer derjenigen, denen diese alljährliche Ansprache galt.
"Alle die, wie Sie jetzt darauf vorbereitet wurden, die ZAGs oder UTZs zu erwerben, dürfen versichert sein, daß niemand von Ihnen in etwas hineingetriben wird, was wir ihm oder ihr nicht früh und ausgiebig genug beigebracht haben. Insofern besteht Ihrerseits kein Grund zur übergroßen Furcht. Die Prüfungen sind kein Gerichtsurteil, das Ihr weiteres Leben einschränken soll. Vielmehr stellen die ZAGs eine große Hilfe dar, um sich darüber klarzuwerden, wo die eigenen Fähigkeiten liegen und helfen Ihnen dabei, die Wahl jener Fächer zu treffen, die für den späteren Lebensweg hilfreich und erfolgversprechend sind. Die UTZs sind die Schlüssel, mit denen Sie die große Tür zur weiten Welt öffnen und die dahinterliegenden Gefilde betreten können. Niemand außer Ihnen selbst befindet, wie Sie diese Schlüssel verwenden. Die Ihnen präsentierten Anforderungen mögen Ihnen erst als Hürden erscheinen. Doch in Wirklichkeit sind es Stufen. Es sind Stufen, auf denen Sie hinaufsteigen können, um eine Aussichtsplattform zu erreichen, von der aus Sie einen unverstellten Rundblick über ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erhalten. Wie von einem wahrhaftigen Aussichtsturm aus können Sie befinden, auf welches der in weiter Ferne erkennbaren Ziele sie zusteuern möchten. Diese Ziele können Sie nur sehen, weil Sie die Aussichtsplattform erklommen haben. Ebenso ist es mit den Prüfungen. Sie helfen Ihnen, bisher nur angedachte oder erwähnte Möglichkeiten klar zu erkennen und in die Richtung loszugehen, in der die für Ihr ganz eigenes Leben wichtigste Möglichkeit zu finden ist. Daher entspannen Sie sich und schöpfen Sie Muße, Atem und Kraft, um die kommenden zwei Wochen zu erleben, das Ihnen bestmögliche zu zeigen und sich und allen, die Ihnen wichtig und wertvoll sind, von Ihrer Bereitschaft zum eigenständigen Leben zu überzeugen! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!"
Verhaltener Applaus hallte durch den grünen Saal. Auch die Schüler unterhalb der ZAG-Klasse klatschten Beifall. Die Sechstklässler, die nun genau dazwischenhingen, blickten jene, die dieses Jahr fertig werden wollten und die, die morgen mit den ZAGs beginnen würden verwegen an. Sie wähnten sich wohl in diesem Jahr sicherer als in den Jahren davor und in dem, was dann noch kommen würde. Als der Saalvorsteher durch die sich auflösende und dann wiederverfestigende Wand verschwunden war, warf Carmen Deleste ein:
"Das war eine andere Rede als letztes Jahr. Wie lange braucht der, um sich solche Texte auszudenken?" Alle anderen lachten darüber.
Vor dem Schlafengehen sah Julius noch einmal im Wöchnerinnenzimmer vorbei und wünschte den beiden jungen Müttern eine gute Nacht.
"Bei Sandrine ist um drei schon wieder Morgen", grummete Millie. Sandrine meinte dazu:
"Klar, weil deine Kleine um zwölf Uhr noch mal was will und deshalb dann bis fünf durchschlafen kann."
"Jetzt nicht mehr. Die ist so satt, daß die schon fast so aussieht wie ich im siebten Monat", grinste Millie dazu nur. Julius nickte den beiden jungen Müttern noch zu und zog sich dann in das eigene Schlafzimmer zurück.
Julius durchlebte in der Nacht vor der ersten Prüfung die einschneidendsten Ereignisse nach, die ihn auf seiner Reise in die Zaubererwelt bewegt hatten, der sprechende Hut von Hogwarts, Brutus Panes versuchter Angriff auf ihn, die erste Begegnung mit Claire Dusoleil, das Verwandlungsexperiment Madame Faucons, verschiedene Mittsommerbälle, die Galerie des Grauens, Marie Laveau und ihre Geisterhöhle unter dem Grabhaus in New Orleans, Hallittis zwei Gestalten, seinen Vater als uralten Mann und wimmernden Säugling, Bokanowskis Burg, Anthelia, die vor seinen Augen mit der Spinnenfrau Naaneavargia zusammenwuchs, während die goldhäutige Königin Darxandria in den Körper der weißen Flügelkuh Artemis eindrang und mit dieser verschmolz, Der Überfall der Todesser bei den Sterlings, Whitesand Valley, Die kugelförmige Riesenhalle mit den konservierten Geistkörpern der altaxarroi'schen Erzmagier, die Elfenbeininsel, wie sie in einem Strudel verschwand, die Schlangenmenschen, er in einem riesigen Kinderbett, hinter Madame Maxime auf einem Abraxas-Pferd und immer wieder Ammayamiria, ja einmal sogar Ashtaria. Natürlich fehlte auch nicht Millie. Sie erlebte er als ungeborene, dann bei der ersten Arithmantikstunde, wie sie ihm nach einem grandiosen Quidditchspiel einen Kuß gestohlen hatte, die Mondburg, ihre Stimme im Kopf, als das Schlangenmenschengift in ihm wirkte, sie vor dem Apfelhaus, unter der gerade vom Mond überdeckten Sonne und am Schluß mit sich öffnendem Leib kurz vor Aurores Geburt. Als er schließlich aufwachte fühlte er sich wesentlich erschöpfter als am Abend zuvor. War das wirklich alles passiert? Hatte er das wirklich alles so erlebt? Als er die vorübergehend unbesetzte Matratze neben sich ertastete wußte er, daß er das alles erlebt und vor allem überlebt hatte. Diese Erkenntnis flößte ihm erst einen gewissen Schauer ein. Doch dann erfüllte ihn große Zuversicht. Wenn er das wirklich alles überstanden hatte, dann würde er auch die ab heute stattfindenden Prüfungen überstehen.
Er lauschte, ob er seine Tochter schreien hören konnte. Doch das kleine Zimmer neben dem Sprechzimmer war offenbar zu gut abgeschirmt. Er konnte keinen Laut der drei dort wohnenden Säuglinge hören. Zu gerne hätte er jetzt mit dem Zuneigungsherz mit seiner Frau mentiloquiert. Doch das lag noch bei Madame Rossignol. Er wollte es doch erst nach den Prüfungen wieder umhängen, um zumindest für diese zwei Wochen den Kopf frei zu haben.
Es war schon halb sechs. Da Gérard von der Heilerin die strickte Anweisung erhalten hatte, bis halb sieben im Bett zu bleiben, war es wieder an ihm, die Mitschüler zu wecken. Würde er das vermissen, wenn er hier fertig war? Eigentlich nicht. Denn Aurore mochte die manchmal herumalbernden Burschen wunderbar ersetzen, wenngleich er sie nicht aus dem Bett scheuchen mußte, noch nicht.
Fix und fertig schultagstauglich bekleidet begrüßte er Madame Rossignol, die mal wieder mit Stricknadeln und Wollknäuel hantierte. Sie wisperte ihm zu: "Deine Frau und Sandrine schlafen wieder. Sandrines kleinen haben sie um drei geweckt. Aurore ist davon auch wach geworden. Laß sie jetzt noch schlafen!" Julius stimmte ihr wortlos zu und wandschlüpfte dann in den grünen Saal hinüber, wo Céline schon in Bereitschaft saß, um die Mädchen aus dem grünen Saal zu wecken.
"Ich dachte, du hättest das an Laurentine delegiert, weil die doch von den Prüfungen befreit ist", wunderte sich Julius.
"Ich muß das üben, quängelige Mädchen aus dem Bett zu jagen, wo wir das jetzt amtlich haben, daß Robert und ich am einunddreißigsten Juli heiraten", erwiderte Céline glückselig lächelnd.
"Kevin wollte mir noch nicht sagen, wann er und Patrice heiraten. Ich hoffe, die Termine geraten nicht über Kreuz", wagte Julius eine kleine Stichelei.
"Zum einen ist Laroche ja nicht der einzige Zeremonienmagier in Frankreich. Zum anderen wird der ja die Termine schon kennen. Robert wollte eigentlich von seinem Uropa Reinier getraut werden. Der hat aber abgelehnt, weil Zeremonienmagier keine Angehörigen der eigenen Familie verheiraten dürfen, seitdem jemand irgendwann Anno Drachenpups eine Hexe gegen ihren Willen geheiratet hat und der ausführende Zeremonienmagier der Großvater des Bräutigams war. Dafür kommt mein künftiger Schwiegerurgroßvater zur Feier hin, sofern er kein Willkommensfest oder dergleichen zu betreuen hat."
"Ich muß das noch mit Millie und ihrer Familie klären, wie wir Aurore richtig im Leben begrüßen", sagte Julius. Hast du dir schon ein Brautkleid ausgesucht?"
"Das ist eine Mädchenfrage", grinste Céline. "Offenbar haben Millies Anwandlungen dich heftiger umgetrieben, als du meintest." Dabei lächelte sie jedoch, daß Julius erkannte, daß sie ihn gerade auf die Rolle nahm, vielleicht als Revanche für die Frage nach den überlagernden Terminen. "Ich muß wohl noch ein wenig zunehmen. Meine Großmutter Pauline besteht darauf, daß ich ihr Einhornhaarhochzeitskleid anziehe. Ich habe das alte Hochzeitsbild von der gesehen. Die sah da schon aus, als hätte sie Papa im Bauch gehabt. Und wehe, du wagst jetzt, mir vorzuschlagen, ich könnte ja entsprechend vorarbeiten ..."
"Würde mir nur einfallen, wenn ich dich heiraten wollte", erwiderte Julius frech. Céline verzog erst das Gesicht. Doch dann zwinkerte sie ihm verwegen zu und sagte:
"Vielleicht lege ich mir doch ein eigenes Kleid zu und hänge mir von Oma Pauline nur den Brautschleier und die Schleppe um."
"Wenn du ein paar Kilos mehr haben möchtest, ich habe noch welche auf Lager", erwiderte Julius und klopfte sich auf den stattlichen Bauch, der trotz der Abspecktherapie noch gut den Umhang spannte.
"Neh, die kannst du gerne wem anderen unter den Umhang packen", grummelte Céline. Dann sah sie auf das Zifferblatt der Standuhr und deutete auf den Zugang zum Mädchenschlaftrakt. "Wir müssen, Monsieur Latierre", trieb sie Julius zum Weckdienst an.
"Huch, das Bild hattest du gestern aber noch nicht bei dir hängen", staunte Julius über das großformatige Zaubererweltfoto, das ein pausbäckiges Mädchen mit rotblondem Flaum zeigte, das gerade in den Armen eines rothaarigen Mannes lag, der sehr Stolz in die Kamera lächelte. Das vernarbte Gesicht des glücklichen Vaters verriet, daß er einiges durchgemacht hatte. Um so stärker wirkte die von ihm gezeigte Freude. Als Julius näher an das postergroße Bild herantrat beugte sich eine Frau mit langem, silberblondem Haar ins Bild. Ihre strahlendblauen Augen blickten Julius an. Sofort zog sich die Frau wieder aus dem Bild zurück.
"Gabie hat mir eines davon gegeben, weil ich gesagt habe, daß ich das schon abgedreht finde, wie deren Schwester mit diesem Rotschopf zusammengekommen ist", sagte Pierre Marceau, der ja als einziger Junge seiner Jahrgangsstufe im grünen Saal ein Einzelzimmer hatte. Bilder von allen fünf Spice Girls, zusammen und nun auch im Zuge ihrer Soloprojekte, sowie ein Poster des zweiten Raumschiff Enterprise zierten die restlichen Wände. Das Foto der jungen Eltern Bill, Fleur und Victoire Weasley war das einzige Zaubererweltbild.
"Hast du Gabies große Schwester schon in echt getroffen?" wollte Julius wissen.
"Ähm, wie denn?" knurrte Pierre. "Meine Eltern wollen nix davon hören, daß ich auch Freunde in der Zaubererwelt habe. Da kann ich denen auch nicht stecken, daß ich mit Gabie gehe."
"Wird die sowieso erstaunen, daß du es auf Anhieb geschafft hast, das hübscheste Mädchen deiner ganzen Jahrgangsstufe als Freundin zu kriegen", grinste Julius. Dann sagte er noch, daß Pierre sich besser einen neuen Umhang anziehen sollte, weil der, der über dem Stuhl hing, rote Flecken von der Tomatensoße von gestern aufwies. Pierre grummelte, daß er schon mit so einer Ansage gerechnet habe, nickte dann aber. So konnte Julius seine Weckrunde fortsetzen.
"Und paß ja auf, daß du die Prüfungen gleich im ersten Ansatz packst! Sonst läßt dich deine Besenruferin nicht mehr aus dem Bett, bis sie fühlt, wie euer Balg ihr in den Bauch tritt!" bekam Julius noch eine ziemlich gehässige Bemerkung Andrés zu hören, als er die Tür zum Siebtklässler-Schlafsaal öffnete. Robert wollte wohl gerade André ein Kissen ins Gesicht schleudern, als Julius im Türrahmen auftauchte.
"Jungs, schön, daß ihr schon auf den Beinen seid. André, es muß echt nicht jeder wissen, wie bedröppelt du bist, weil keine dich auf den Besen rufen wollte. Du hast nach den Prüfungen das ganze Leben vor dir."
"Warte eine Minute, dann kannst du den Kerl da mit zu deiner Chefin in Weiß bringen", schnaubte Robert und griff nach dem zauberstab. Doch Julius hielt seinen so schnell in der Hand, als wäre er direkt aus dem Futteral in seiner Hand appariert.
"Robert, nur weil André dir sein Leid geklagt hat, weil du was tun kannst, was er nicht kann, mußt du ihn nicht auch noch mit irgendwas verfluchen und dafür den DQ kurz vor Prüfungsanfang vermasseln."
"Der Knilch soll das zurücknehmen, was er gerade gesagt hat!" bestand Robert auf einer Genugtuung.
"Gut, das solltest du echt machen, André, bevor in ganz Beaux rumgeht, daß du die Prüfungen nicht machen kannst, weil du vor lauter aufgestauten Bedürfnissen alle Hexen nackt zu sehen meinst."
"Eh, das stimmt echt nicht", knurrte André. Julius sah ihn genauer an. Robert grinste. "Ich bin nicht eifersüchtig, weil Robert bald mit Céline im Bett rumturnen kann. Dann hätte ich ja was mit der anfangen wollen. Außerdem will ich mir gar nicht vorstellen, wie die Champverd unterm Umhang aussieht."
"Würde die alte Kräuterhexe sicher richtig heiß machen, sich vorzustellen, daß so'n Jüngelchen aus dem UTZ-Jahr dran denkt, wie sie unterm Umhang aussieht", ging Robert auf Julius' Einwurf ein. André erkannte, daß er gerade ins Hintertreffen geriet und nahm schnell zurück, was er Robert an den Kopf geworfen hatte. Julius bemerkte dazu noch:
"Wäre auch sicher eine schwierige Frage gewesen, ob du deinen DQ vor den Prüfungen noch gehalten hättest, wenn ich dir für diese Unverschämtheit Strafpunkte hätte geben müssen. Aber danach ist mir heute nicht. Also paßt beide gut auf. Denn wenn ich von irgendwem dazu genötigt werde, Strafpunkte rauszuhauen, dann gibt's gleich die doppelte Ladung. Die Ansage steht. So, und jetzt laßt das Kindergartenverhalten im Schlafzimmer und macht euch für die Prüfungen fertig!"
"Du bist voll in die Kiste mit der Brosche reingewachsen", grummelte André. Julius beließ es nur bei einem bestätigenden Nicken und verließ seinen früheren Schlafsaal. Unterwegs durch den Jungentrakt dachte er noch einmal daran, wie er damals als Neuzugang mit den fünf anderen Jungen zusammengewohnt hatte. Von denen waren zwei vorzeitig aus Beauxbatons entlassen worden. er und Gérard hatten wegen ihrer anstehenden Vaterpflichten eigene Zimmer mit ihren Frauen zugewiesen bekommen. schon etwas befremdlich.
Beim Frühstück schwiegen Robert und André sich gegenseitig an. Gérard wollte wissen, was die beiden hatten. Julius erwähnte nur, daß André wohl gemeint hatte, Robert wegen seiner anstehenden Hochzeit mit Céline aufziehen zu müssen. "Wenn der sonst kein Problem hat", grummelte Gérard. André sah ihn dafür verbittert an. Kevin wollte Julius was sagen, befand jedoch, daß die beiden sich gerade mit verächtlichen Blicken befeuernden Jahrgangskameraden von Julius das nicht mitkriegen mußten.
Vielleicht bildete er es sich ein. Doch als Julius wie alle anderen den Schwarm der Morgenposteulen durch die Tür zum Speisesaal und die Fenster hereinfliegen sah, dachte er daran, daß das Posteulengeschwader doppelt bis dreimal so groß war wie üblich. Ausnahmslos jedes Mädchen und jeder Junge bekam mindestens einen Brief. Heuler waren keine dabei. Julius bekam Briefe von den beiden Familien Dusoleil, den Porters, sowie seiner Mutter und deren Adoptivmutter Antoinette Eauvive, aber auch von seinen Schwiegereltern und anderen Schwiegerverwandten. Auch die beiden Montferre-Schwestern schrieben ihm, daß sie ihm alles Glück für die UTZ-Prüfungen wünschten und bedankten sich noch einmal für die Babyfotos von Aurore, die er mit Millies Einverständnis an die Montferres geschickt hatte. Dann las er noch einen Brief, bei dem er zusehen mußte, sich so gut er konnte zusammenzunehmen.
Hallo, Honey!
Leider kann ich Glo nicht auch anschreiben, um ihr alles Glück und alles Durchhaltevermögen für eure Prüfungen zu wünschen. Mir ist klar, daß du wegen der ganzen Vorbereitungen und eurer kleinen Tochter keine Zeit mehr gefunden hast, mich in meinem exotischen Exil zu besuchen. Ich möchte dir nur schreiben, daß ich euch weiterhin gut im Blick behalten möchte, da ich mir zu über neunzig Prozent sicher bin, daß all das, was dir bisher passiert ist, womöglich noch nicht alles Ungemach war, daß aus den entsprechenden Richtungen drohen kann. Wo du diese Nachricht liest, beobachte ich gerade eine höchst beunruhigende Frontenbildung im Zusammenhang mit dieser Vereinigung Nocturnia. Aber mir sind auch beunruhigende Nachrichten zugetragen worden, daß sich die überlebenden Verwandten der vereinahmenden Kreatur regen, die deinen Vater auf dem Gewissen hat. Außerdem bin ich sehr beunruhigt über die Dame, die dir zweimal das Leben gerettet hat, weil ich genausowenig wie meine noch frei herumlaufenden Kollegen weiß, welche Ziele sie nun verfolgt. Du mußt jedoch davon ausgehen, daß sie alles, was sie aus den ihr verfügbaren Quellen erfahren hat, wohl im Blick behalten und entsprechend ausnutzen mag.
Genau aus dem Grund will ich dir den bestmöglichen Erfolg für deine Prüfungen wünschen. Denn sollte es nötig sein, daß auch du um der Sicherheit deiner Frau und eurer gemeinsamen Tochter wegen untertauchen mußt, solltest du zumindest gründlich und vollständig ausgebildet sein. Mir liegt nichts daran, dir Angst zu machen, Honey. Mir geht es nur darum, daß du jetzt, wo du Familie hast, noch mehr darauf bedacht bist, das bestmögliche zu können, um dich und deine Verwandten vor unerwünschten annäherungen zu schützen.
Leider darfst du Glo keinen Gruß von mir ausrichten. Aber vielleicht fällt dir ja was ein, um sie aufzumuntern, sollte sie immer noch traurig sein.
Alles liebe und alles erdenklich gute für dich und deine Familie wünscht
Araña Blanca
Kaum hatte Julius diese Zeilen gelesen, verblaßten sie auch schon wieder. Es sah so aus, als hielte er einen leeren Pergamentbogen in der Hand. Er steckte den Brief rasch fort. Sicher, er hatte schon damit gerechnet, daß die, mit denen er so zusammengeraten war, ihn nicht vergessen hatten. Die Bemerkung, daß die Wiederkehrerin aus den ihr verfügbaren Wissensquellen schöpfen und davon Gebrauch machen würde wog jedoch schwerer als die unklare Ankündigung, daß die Abgrundstöchter noch einmal an ihn herantreten mochten. Natürlich hatte er daran gedacht, daß die aus Anthelia und Naaneavargia zusammengefügte Hexenlady das Wissen von beiden besaß und damit gefährlicher war als die beiden getrennten Hexen zusammen. Doch er hatte wegen der Reise Aurores in die Welt und den Prüfungsvorbereitungen nicht mehr daran denken müssen. Warum schrieb Araña Blanca ihm das ausgerechnet am Tag der ersten Prüfung? Wollte sie ihn fertigmachen? So hatte er sie bisher nicht eingeschätzt. Dann mochte es sein, daß irgendwas im Busch war und er gleich nach den Prüfungen zusehen mußte, sich gegen wen auch immer zu wehren. Vielleicht wollte sie ihm aber auch nur den nötigen Tritt in den Hintern geben, bloß nicht durchzuhängen und bloß nicht darauf auszugehen, er könne das Jahr noch einmal wiederholen. Wußte er denn, wie sie ihren Sohn Plinius damals auf seine Prüfungen eingestimmt hatte? Er stellte sich vor, wie die im selbstgewählten Exil ausharrende Hexe, die sich Araña Blanca, die weiße Spinne, nannte, Gloria anschrieb und ihr einschärfte, nicht daran zu denken, wie gut sie aussah oder angezogen war, wenn es dafür bei ihrem Wissen und Können klemmte. Gloria wollte nach den Prüfungen zusehen, sich für das Laveau-Institut zu bewerben. Doch ob sie dort überhaupt ins Personalbüro vorgelassen wurde hing am Zuspruch einer toten, dem Geist von Marie Laveau persönlich. Nur wer von ihr ausdrücklich eingeladen wurde, das Institut zur Fluchabwehr und Bekämpfung dunkler Magie aus allen Kulturkreisen zu betreten, kam über die Türschwelle. Ihm war diese Gunst gewährt worden, weil Maries Geist wollte, daß er den anstehenden Kampf mit Hallitti überstand. Außerdem hatte sie ihn vor den Schlangenmenschen gewarnt, ohne diese mit einem Wort zu erwähnen oder ihm zu erklären, daß sie aus dem alten Reich stammten. Allerdings hatte sie bei der Begegnung mit ihm verheißen, daß Dinge aus tiefer Vergangenheit in Bewegung geraten seien und er bereits damit in Berührung gekommen sei. Das hatte alles gestimmt.
"Dann möchte ich Ihnen, werte ZAG- und UTZ-Kandidaten, Ihre Prüferinnen und Prüfer vorstellen", sagte Madame Faucon, nachdem sie alle ihr zugestellten Zeitungen aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland studiert hatte, um mögliche Entwicklungen in den Heimatländern der unter ihrem Dach lernenden Junghexen und Jungzauberer zu erkennen. Sie blickte zu der Tür, die in jenen zylindrischen Raum führte, in dem die ganz neuen Beauxbatons-Schüler zu warten hatten, bis sie einzeln zur Saalzuteilung hereingerufen wurden. Julius kannte die meisten Prüfer ja schon, weil sie bisher jedes Jahr angetreten waren. Er sah die weißblonde Professeur Champverd, die wohl wieder ihre Alraunenzucht verlassen hatte, um jungen Menschen mit Zauberkräften wichtige Prüfungsaufgaben zuzuweisen. Er erkannte Artos Perignon, den Großvater des Ex-Schülers Gaston, der wohl ein wenig geknickt wirkte, weil sein Enkel offiziell nicht mehr existierte, um seine Prüfungen zu machen. Auch der drahtige, grauhaarige Zauberer Zephyrus Lavalette gehörte wieder zum Oktett der Prüfer. Julius fragte sich, wann Bernadettes und Cyrils Kind auf die Welt gekommen war. Er würde den altgedienten Zauberer jedoch auf keinen Fall danach fragen, falls dieser einer seiner Prüfer sein würde. Sich die UTZs wegen ungehöriger und unerlaubter Privatfragen zu verderben war Bernadette nicht wert, beschloß Julius für sich allein. Alexandre Énas war auch wieder mit von der Partie. Vielleicht durfte der ihn heute noch einmal praktisch prüfen, wenngleich das ja nicht mehr nötig war. Auch die anderen, die jetzt hereintraten erkannte Julius wieder, Leda Dujardin, die Großmutter des Weltmeisterschaftshelden Maurice und dessen großer Schwester Amélie, die in diesem März auch Mutter geworden war, den silberlockigen Balthasar Marat mit seiner Goldrandbrille und den steinalten Professeur Richard Moureau, der in all den fünf Jahren, die Julius ihn bei den Prüfungen zu sehen bekommen hatte, keinen Tag älter geworden zu sein schien. Doch was mochten für den weißhaarigen Zauberer mit dem ebenso schneeweißen Schnurrbart fünf Jahre sein, wo er bereits anderthalb Jahrhunderte auf dieser Welt erlebt hatte? Um das Oktett zu vervollständigen betrat noch die kleine, knochige Hexe Muriel Rivolis den Speisesaal. Sie hatte von 1920 bis 1963 Zauberkunst unterrichtet und seit dem viele Artikel in internationalen Fachblättern veröffentlicht, wie "Interaktion intermittierender Elementarzauber im Bezug zu Holzart und Kernmaterial von Zauberstäben", den Julius mal gelesen hatte, um zu erkennen, wie magiewissenschaftliche Publikationen für Fachleute auszusehen hatten. Sie hatte die These vom Längen, Zauberstabkernverhältnis im Bezug zu sich durchdringender Elementarzauber aufgestellt, die Julius nur wegen seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Vorprägung verstehen konnte. Zumindest hatte Professeur Bellart diesen Artikel nicht als Hausaufgabe vorgelegt, weil es ihr doch eher um die praktische Umsetzung von Zaubern ging als um irgendwelche Gedankenexperimente.
"Alle Kandidaten der ZAG- und UTz-Stufe werden gebeten, alle Hilfsmittel vor Antritt der Prüfungen dem beaufsichtigenden Kollegen auszuhändigen, sofern die Saalvorsteher nicht ihrerseits um die Herausgabe unzulässiger Hilfsmittel ersuchen", wies Madame Faucon die Schüler der Klassen fünf und sieben an. Für Julius hieß das, daß er seine Centinimus-Bibliotheken herausgeben mußte, die genug Bücher enthielten, um jede Prüfung mit "Ohne Gleichen" in der Theorie zu bestehen. Wußte Delamontagne, daß er neben der großen Flasche Antidot 999 auch eine Flasche Felix Felicis in seinem Practicus-Brustbeutel aufbewahrte? Zumindest hatten weder Millie noch er dem Lehrer was davon erzählt, und legilimentisch hatte er es auch nicht herausgefunden, weil beide bei Beginn der Unterrichtseinheit Occlumentie schon fix und fertig ausgebildet und geübt waren. Als habe er mentiloquistisch nach dem Vorsteher der Grünen gerufen kam dieser auch schon an den grasgrünen Tisch und sprach mit jedem der Prüfungskandidaten. Als der Verteidigungslehrer bei Julius anlangte sagte dieser: "Monsieur Latierre, mir ist bekannt, daß Sie einen Practicus-Brustbeutel mit sich führen, der für Prüfungen nützliche Gegenstände enthält. Ich bin mit Madame Rossignol darüber eingekommen, daß Sie vor Antritt der Prüfungen diesen wohl diebstahlsicher bezauberten Brustbeutel in ihrer Obhut zurücklassen und sich von ihr eine Bestätigung geben lassen, daß Sie diesem nichts entnommen haben, was Ihnen unerlaubte Vorteile verschaffen mag." Kevin grinste Julius an. Der wußte ja von der Bibliothek.
"Tja, hättest wohl doch einen Gedächtnisverstärker schlucken müssen, um deine ganzen Bücher auswendig zu lernen, Monsieur Latierre."
"Auswendig lernen kann man alles. Aber zu kapieren, worum es geht ist viel wichtiger bei Prüfungen, Kevin", erwiderte Julius. Dann bestätigte er Professeur Delamontagne, daß er den Practicus-Brustbeutel an Madame Rossignol abgeben würde.
"Wo ich auch bei Ihnen bin, Monsieur Malone, das Zwieschriftnotizbuch, daß Sie sich mit Mademoiselle Duisenberg teilen händigen Sie mir bitte vor der Prüfung aus. Ich möchte Ihre Verlobte nicht in Versuchung führen, Ihnen bei Bewältigung der Theorie heimliche Hinweise zukommen zu lassen. Vielen Dank!"
"Ähm, was bitte?" fragte Kevin ahnungslos tuend.
"Das kleine, rote Buch, daß Ihre Verlobte Ihnen nach Ostern geschenkt hat und über das Sie eulenfreien Schriftverkehr führen, Monsieur Malone. Oder möchten Sie von mir von der Prüfung suspendiert werden, weil Sie meine Anweisungen mißachtet haben? Dies könnte dann auch zur vollständigen Suspendierung von allen anderen von Ihnen abzulegenden Jahresendprüfungen führen." Kevin erbleichte und kramte in seinem Umhang, bis er ein kleines, bordeauxrotes Buch zu Tage förderte, an dem eine Falkenfeder hing. Ohne weiteres Wort gab er das Buch an den Saalvorsteher der Grünen ab und sah, wie dieser das kleine Buch in den weiten Taschen seines himbeerfarbenen Umhanges versenkte. "Sie erhalten das Buch dann von Ihrer Schulleiterin zurück, wenn Sie alle für Sie vorgemerkten Prüfungen hinter sich gebracht haben, Monsieur Malone. Ich sehe von der Zuteilung von Strafpunkten wegen versuchter Irreführung eines Lehrers ab, da mir nicht daran gelegen ist, Ihre Zukunft mutwillig zu gefährden. Vielen Dank für Ihre Kooperation!" Sprach's und ging weiter, um die betreffenden Hilfsmittel von anderen Kandidaten einzusammeln oder zu verfügen, wo diese aufbewahrt werden sollten.
"Woher weiß der Typ das mit dem Buch", knurrte Kevin auf Englisch. Julius kam Gérard zuvor, der Kevin schon Strafpunkte wegen Gebrauchs einer anderen als der offiziellen Schulsprache aufladen wollte. "Sage das bitte auf Französisch, um keine unnötigen Strafpunkte zu kassieren, Kevin!" Dieser erkannte, daß er sich in seiner Wortwahl dann besser korrigieren sollte und fragte auf Französisch: "Woher weiß Professeur Delamontagne, daß Patrice und ich diese tollen neuen Zwieschriftbücher haben. Die Dinger sind erst im März auf den markt gekommen."
"Vielleicht hat er Patrice legilimentiert?" fragte Gérard schnippisch.
"Die kann zumachen", knurrte Kevin. "Mit ihrer kleinen, runden Nichte, die anderer Leute Gefühle mitkriegt hatte die eine geniale Trainingspartnerin, eh", knurrte Kevin.
"Dann hat wer gepetzt", vermutete Julius. "Könnte Mésange oder Jacques eingefallen sein, das Professeur Pallas zu erzählen, daß Patrice so ein Buch hat, falls die beiden sowas nicht haben."
"Wenn das stimmt kriegt der Typ noch heute Zoff mit mir", knurrte Kevin. Julius baute rasch vor und erwähnte, daß Jacques zwar im direkten Zauberstabgebrauch nicht so fit war, aber eben schon eine Klasse höher war und außerdem: "Wenn du Jacques verbeulst oder zerknüllst kriegst du Ärger mit seiner Verlobten und mit seiner großen Schwester. Mach keine Hexen wütend, wenn es nicht sein muß!"
"Drachenmist!" blaffte Kevin. Gérard war jetzt schneller als Julius und brummte Kevin fünf Schimpfwortstrafpunkte auf. Kevin schnaubte darauf nur, daß Gérard es nötig hatte, für sowas Strafpunkte zu vergeben, wo der sicher auch das eine oder andere mal fluchte. Darauf mußte André noch was einwerfen:
"Seitdem der Papa geworden ist muß er ja selbst aufpassen, was er sagt, damit die kleinen Brötchen, die aus Sandrines warmem Ofen gepurzelt sind nicht schon mit zwei Jahren fluchen wie ein Bauzauberer, dem ein Stein auf den großen Zeh geknallt ist."
"Dein Dq wackelt schon genug, André. Im Gegensatz zu Professeur Delamontagne habe ich kein Problem damit, wem die Prüfungsteilnahme zu versauen, wenn der mir dumm kommt. Das sind hundert Strafpunkte wegen der Übereinkunft, daß weder Sandrine, noch Millie, noch Julius noch ich wegen unserer Familienangelegenheiten dumm angeredet werden müssen und du Sandrine und mich zugleich abfällig erwähnt hast. Noch so'n Spruch, und du kriegst zwei Wochen frei und darfst nächstes Jahr mit den Zwischenklässlern im Schlafsaal wohnen."
"Das klären wir dann, sollte ich wegen dir echt in die Ehrenrunde rutschen, Monsieur Stellvertretender Saalsprecher", knurrte André, der das nicht mehr so spaßig fand, was er gerade von sich gegeben hatte. Gérard wetterte diese Antwort mit einem Schulterzucken ab. Er hatte heute frei, ebenso wie André, der ja nur Zauberkunst als Zauberstabfach behalten hatte.
Nach dem Frühstück suchte Julius Madame Rossignol auf und legte seinen Brustbeutel in den Schrank, in dem sie die überzähligen Pflegehelferarmbänder, sowie Julius' gerade ruhenden Herzanhänger aufbewahrte. Julius nutzte die Gelegenheit, sich von Sandrine und Millie bis zum Abend zu verabschieden. "Laß dich nicht runterziehen, Julius! Du bist längst schon so weit", gab Millie ihm noch mit auf den weg.
Mit der schriftlichen Bestätigung, daß er den Practicus-Brustbeutel abgegeben hatte, ohne vorher was herauszunehmen, wandschlüpfte Julius noch zu Professeur Delamontagne, der gerade auf dem Sprung war, seine eigene Prüfungsgruppe aus der sechsten Klasse einzusammeln. "Sie schaffen das, Monsieur Latierre. Sie haben schon schlimmeres überstanden und bei mir und den Kollegen mehr als genug erlernt, um jede Ihrer harrenden Prüfung zu bestehen", nutzte der Saalvorsteher der Grünen die Gelegenheit, Julius persönlich Mut zuzusprechen. Der Kandidat bedankte sich für diesen Vertrauenszuspruch und beeilte sich, zur Aula zu kommen, wo bereits die ersten Prüfungskandidaten aus der ZAG- und UTZ-Klasse einmarschierten. Die Aufsicht führte Professeur Paralax, der Astronomielehrer und Vorsteher des violetten Saales.
Jeder saß an einem kleinen, weit genug von den anderen fort aufgestelltem Tisch. Soweit wie bei den ZAGs. Die mit Landschaftsillusionen ausstattbare Aula wirkte heute wie ein großer Saal mit in warmen Farben gestrichenen Wänden. Die Fenster zeigten die Landschaft um Beauxbatons, und die Decke wirkte wie aus massiven Holzbalken gezimmert. Julius hatte immer noch nicht herausbekommen, wie die Aula ohne eingewirkte Illusionszauber aussah. Am Ende war es nur ein Skelett aus Säulen und Streben, das die für die Illusionen nötigen Vorrichtungen enthielt. Doch darum ging es hier und heute nicht, erkannte Julius früh genug. Julius sah hinüber zu den anderen Pflegehelfern aus seinem Jahrgang. Außer Sandrine und Millie waren alle da und nahmen Platz. Archibald Lambert aus der ZAG-Klasse saß keine zehn Meter von Julius entfernt an seinem Tisch und ruckelte auf dem Stuhl herum. Er wollte es jetzt wohl hinter sich bringen.
Als die Glocke mit nachhallendem Klang den Beginn der Prüfung markierte, teilte Professeur Paralax zusammen mit den acht amtlichen Prüfern die Aufgabenbögen aus. Julius bedankte sich, als Alexandre Énas persönlich die nötigen Unterlagen an ihn weitergab. "Ist mir ein persönliches Vergnügen, Monsieur Latierre", sagte der korpulente Verwandlungsgroßmeister mit einem Lächeln und ging weiter. Dann ging es los. Julius las die Aufgaben durch. Das meiste davon bezog sich auf Verhältnisse zwischen Ausgangsgestalt und Endgestalt. Doch es wurden auch die Regeln von Gamp behandelt. Ebenso wurde gefragt, wie sich teilweise Selbstverwandlungen auf die Ausdauer des Verwandelnden auswirkten und warum es nicht möglich war, das natürliche Alter durch Verwandlung in einen jüngeren Menschen langfristig zu verbergen und in welchem Verhältnis die Dauer der Verwandlung zum Unterschied des natürlichen, zum durch Verwandlung herbeigeführten Alter stand. Im Abschnitt vollständige Selbstverwandlungen ging es um die Schwierigkeitsgrade bei der Zustandsänderung, sowie die Beziehung des Ausführenden zu den von Ihm angenommenen Erscheinungsformen, vor allem bei der gegenständlichen Selbstverwandlung. Hier würde Julius aus dem Buch "Was willst du sein" und der Theorie zur inneren Erscheinungsform zitieren können. Außerdem wollte die Prüfungskommission von den UTZ-Kandidaten eine Erläuterung der wichtigsten Gesetze zur Regelung von Fremd- und Selbstverwandlungen mit Fallbeispielen haben. Das war sicher, um die Kandidaten gleich darauf einzustimmen, daß sie mit ihrem Wissen nicht drauf los hokuspokussen durften. "Schildern Sie die wesentlichen Gegebenheiten des Falles Fontchamp, beginnend bei dem Datum des Prozeßbeginns!" war eine Frage. Der Fall war Julius noch klar im Gedächtnis. Eine Hexe hatte ihren Mann in einen Stier verwandelt und diesen kastrieren lassen, um ihn als Ochsen zu verkaufen. Das war vor zweihundert Jahren passiert und hatte damals für Aufsehen gesorgt, weil der verzauberte Zauberer beinahe geschlachtet worden wäre. Die Hexe war zu lebenslanger Verbannung aus der Zaubererwelt verurteilt und ihrer bereits erworbenen Zauberkenntnisse beraubt worden. Der um seine Manneskraft gebrachte und fast zu Sonntagsbraten verarbeitete zauberer hatte gefordert, sie als Milchkuh oder Legehenne zu verkaufen, damit sie das abbekam, was sie ihm zugedacht hatte. Damals war der bis heute gültige Richterspruch ergangen: "Gleiches mit gleichem bleibt ungleich." Dieser gegen jede gleichartige Vergeltung stehende Spruch hatte dann auch Eingang in andere Prozesse gefunden, die nicht nur mit böswilligen Verwandlungszaubern zu tun hatten. Das alles wußte Julius, zumal Professeur Dirkson den Fall im Zusammenhang mit kriminellen Auswüchsen von Verwandlungen erwähnt hatte, wo auch der Begriff des transfigurativen Kannibalismus und der Mord durch Verwandlung in einen Gegenstand mit anschließender Zerstörung desselben erwähnt wurde.
Julius blendete alles um sich herum völlig aus. Im Moment funktionierte sein Gehirn nur noch als Aufgabenverwertungsmaschine. Einige Aufgaben forderten dazu auf, Zeichnungen anzufertigen, um den Magiefluß bei multipler Objektbeschwörung zu verdeutlichen oder die Schwierigkeitsgrade bei Hin- und Rückverwandlungen gegenüberzustellen. Er dankte seinen Eltern für die strickte Ausbildung im genauen Zeichnen und Claire Dusoleil, die ihn an die magische Malerei herangeführt hatte, bei der er das ihm eingeschärfte Vermögen, zu zeichnen, künstlerisch zu nutzen gelernt hatte. Die verlangten Berechnungen handelte er fast im Vorbeigehen ab. Schwieriger empfand er es dagegen, die Erläuterungen bestimmter Regeln mit eigenen Worten und das, was er daraus verstand, zu pergament zu bringen. Er mußte die Kombination von Zauberstabbewegungen und Zauberformeln erwähnen und darlegen, warum es wichtig war, daß die Geschwindigkeit der Zauberstabbewegungen über Verlauf und Ergebnis einer Verwandlung entschied. Alles in allem deckten die Aufgaben die ganze Bandbreite der Verwandlungstheorie ab. Auf die Frage, warum ein Mensch sich nicht in einen Drachen oder einen Greifen verwandeln konnte, es aber aus Menschen entstandene Kreaturen wie die Quintapeds gebe, erwähnte Julius, daß die in den Zaubertieren strömende Magie nur durch eine absolut zeitgleich ablaufende Verwandlungsaktion mehrerer Zauberkundiger aufgebaut werden konnte und die Anreicherung von Magie bei Kreuzungen mit der Anzahl der einzukreuzenden Eigenschaften multipliiziert und dann im Kubik der Ausgangsmagie berechnet werden mußte. Daß Drachen und Latierre-Kühe eine Menge eigener Magie im Körper trugen machte diese ja unverwandelbar, aber eben auch unmöglich, daß einzelne Zauberer von sich aus zu diesen Tieren werden konnten. Temmie hatte ihm ja schon häufig vorgeführt, daß sie auch ohne Zauberstab verschiedene Zauber in sich aufbauen oder sich damit umgeben konnte. Doch das mußte er hier nicht erwähnen. Zu den Kreuzungsregeln und die Unsicherheit bei neuartigen Kreuzungen würde er sicher in der Prüfung praktische Magizoologie noch genug zu erläutern haben. Jedenfalls schaffte Julius es, alle vorgelegten Aufgaben zu lösen. Er war sogar so schnell, daß er mit allen Fragen und Anforderungen durch war und noch eine halbe Stunde Zeit blieb. Er prüfte noch einmal alle von ihm aufgeschriebenen Antworten, versah eine der Zeichnungen noch mit genaueren Markierungen und legte dann die von ihm verfertigten Lösungen so, daß sie beim allgemeinen Einsammeln problemlos der Prüfungsaufsicht zugehen konnten. Natürlich hatte er jeden Pergamentbogen mit seinem Namen, einer Seitenzahl und dem Datum der Prüfung versehen, wie er es schon bei den ZAGs zu tun gehabt hatte.
Julius blickte sich in der Aula um. Die meisten waren noch mit ihren Aufgabenblättern und den von Ihnen für richtig empfundenen Lösungsniederschriften beschäftigt. Archibald schlug sich immer wieder vor den Kopf, als wolle er irgendwelche lästigen Insekten totschlagen, die sich darauf niedergelassen hatten. Robert hockte auf seinem Stuhl und stierte immer wieder auf seine Unterlagen, als könne er nicht glauben, daß er das wirklich alles mal gelernt haben sollte. Er wiegte den Kopf, als müsse er etwas schweres darin verlagern, womöglich bedrückende Gedanken oder schwer faßbare Formeln, die ihm immer wieder entglitten. Céline wirkte noch blasser als sonst schon, während Laurentine gerade ihre Aufgabenlösungen zurechtlegte und sich zurücklehnte. Sie wirkte entspannt und selbstsicher. Patrice zog gerade mehrere Striche auf einen Pergamentbogen. Julius mutmaßte, daß sie gerade den Schwierigkeitsunterschied zwischen einer Hinverwandlung und einer Rückverwandlung darstellte. Er blickte sich weiter um. Die ZAG-Schülerinnen und -schüler hatten wohl ähnliche Aufgaben bekommen wie er damals. Einige vollführten Handbewegungen, die wohl Zauberstabbewegungen nachempfinden sollten. Ihre wirklichen Zauberstäbe durften sie ja nicht benutzen. Julius erhaschte den Blick von Professeur Champverd, die wie alle anderen Prüfer so behutsam sie konnten durch die Reihen der Prüflinge schritt, um die Arbeiten zu überblicken und mögliche Unregelmäßigkeiten zu erkennen. Die füllige Hexe mit dem weißblonden Haar schritt an Julius' Tisch vorbei. Sie sah, daß er wohl alle Aufgaben für erledigt hielt und deutete auf den Stapel Pergamentbögen. Mit einem fragenden Blick auf die fertigen Aufgaben forschte sie wortlos nach, ob Julius sich sicher war, alles ihm aufgetragene erledigt zu haben. Er deutete auf die Pergamentbögen und nickte heftig. Die Prüferin setzte darauf ihren Weg fort. Sie passierte Laurentine und blieb einige Sekunden bei ihr stehen. Dann nickte sie anerkennend und setzte ihre Runde fort. Auch Professeur Énas kam an Julius vorbei. Doch wie es die Prüfungsregeln vorschrieben wechselten die beiden kein einziges Wort miteinander, solange die angesetzte Zeit noch nicht abgelaufen war. Er lächelte jedoch sehr aufmunternd, als er die Zahl der beschriebenen und mit Zeichnungen ausgefüllten Pergamente sah, bevor er weiterging.
"Noch fünf Minuten, Messieursdames et Mesdemoiselles!" sagte Professeur Paralax mit normaler Lautstärke. Da außer dem Kratzen von Federn auf Pergament und dem leisen Klicken von Federn in Tintenfässern kein Geräusch zu hören war verstand jeder die Vorwarnung. Einige der Schüler schienen nun erst richtig hektisch zu werden. Offenbar hatten sie die schwierigsten Sachen nach hinten geschoben und mußten nun zusehen, zumindest noch halbwegs annehmbare Ergebnisse hinzubekommen. Julius überlegte sich erneut, ob es wirklich sinnvoll war, die einfachsten Sachen zuerst zu machen und dann die schwierigsten. Er hatte die Aufgaben in Blöcke eingeteilt, um durch verknüpfende Gedanken einen guten Fluß in die Bearbeitung zu bringen.
"Letzte Minute!" sprach Paralax die letzte Vorwarnung aus. Er hielt bereits den Zauberstab einsatzbereit, um die gesamten Pergamente mit einem Aufrufezauber zu sich hinzubefördern. Als die Glocke das Ende der zugestandenen Zeit einläutete, rief Paralax: "Accio alle Pergamente!" Wie von einem gewaltigen Magneten angezogen flogen sämtliche Pergamente, leer oder beschrieben, Aufgabenbögen und Lösungsbeschreibungen, zu dem Astronomielehrer hinüber. Archibald schrak sichtlich zusammen, weil ihm ein gerade in Arbeit befindlicher Pergamentbogen unter der Feder weggezogen wurde. Er schüttelte den Kopf und öffnete den Mund. Doch dann fiel ihm wohl ein, daß es nichts brachte, sich zu beschweren. Die Zeit war ja wirklich lange genug gewesen.
"So, habe ich von allen Kandidaten die Unterlagen?" fragte der Vorsteher der Violetten und überblickte die Tische. Die acht Prüfer unterstützten ihn dabei. Sie machten bejahende Gesten, als klar war, daß kein Pergamentblatt auf den Tischen oder dem Fußboden lag. Die verworfenen Lösungsansetze würden dann eben aussortiert, wenn die Kommission die Unterlagen zugeschickt bekam. "Dann möchte ich Ihnen allen für Ihre Leistung und Ihre Disziplin danken und darf Sie alle nun zum Mittagessen entlassen", sagte Paralax, als er die Flut von Pergamentbögen in einer wuchtigen Kiste zusammengestapelt hatte. Mit den entsprechenden Zaubern konnten ja alle Blätter nach denen geordnet werden, die ihre Namen darauf geschrieben hatten. Robert wirkte sichtlich abgekämpft, als er sich von seinem Platz erhob und mit seinen Mitschülern zum Ausgang ging. Julius eilte zu ihm hinüber. Er winkte jedoch ab.
"Mir schwirrt nur die Birne von den ganzen Formeln und Tabellen", knurrte Robert. "Nichts für Madame Rossignol", fügte er noch hinzu.
"Wollte nur fragen, ob alles gut gelaufen ist", grummelte Julius leicht verstimmt. Robert nickte flüchtig. Dann ging es zum Mittagessen.
"Wenn Sie die praktische Prüfung noch einmal machen, die Sie im letzten Jahr schon bestanden haben wird diese Prüfung gezählt", wies Professeur Delamontagne Julius darauf hin, daß er möglicherweise die gute Leistung vom Vorjahr wertlos machen konnte, wenn er heute einen schlechten Tag erwischte. Doch Julius bestätigte das nur und blieb bei seinem Entschluß. Laurentine hingegen, die wie Millie bereits die praktische UTZ-Prüfung auf Anraten Professeur Dirksons abgelegt hatte, verzichtete auf eine Wiederholung.
Diesmal stehen wir nicht zusammen im Vorraum", meinte Gérard zu Julius. Damals hatte er noch mit Nachnamen Laplace geheißen, während Julius bereits als Monsieur Latierre vermerkt worden war. Julius nickte. Patrice gönnte sich die Verwegenheit, sich bei Gérard unterzuhaken und ihn voranzutreiben.
"Die ist echt dreist", meinte Belisama Lagrange, die sich gerade neben Julius aufgebaut hatte, um mit ihm in die Aula zu treten, wenn sie aufgerufen wurden.
"Sag das mal Kevin!" meinte Julius dazu nur.
"Neh, dem sage ich das nicht. Der soll das selbst rauskriegen. ER hat ja dann alle Zeit der Welt dafür", schnarrte Belisama. Julius ertappte sich einmal mehr bei dem Gedanken, was gewesen wäre, wenn nicht Millie, sondern sie die Hexe an seiner Seite geworden wäre. Sicher hätten sie sich in vielen Sachen geähnelt und ergänzt. Aber womöglich wäre es mit ihr nicht so wild und kurzweilig gewesen wie es bisher mit Millie war. Und Belisama hätte wohl erst zugesehen, ein eigenes Einkommen zu sichern, bevor sie daran gedacht hätte, ein Kind zu bekommen. Nein, so wie es jetzt war war es für Julius richtig. Belisama hatte es kapiert und ihren Frieden mit Millie gemacht, so wie Pina dies auch schon getan hatte. Julius sah Joseph Maininger, der hinter der kleinen, kugelrunden Astrid Kienspan hereingekommen war. Der Muggelstämmige aus München wirkte kampfbereit, als gelte es, einen Drachen oder einen Feuerlöwen zurückzudrängen. Astrid mochte gerade daran denken, daß sie in nun bald zwei Monaten Hubert Rauhfels heiraten würde. Anders als Patrices und Kevins Besenwerbung hatte es bei ihr und Hubert keinen Heuler aus der Familie gesetzt. Womöglich gingen die beiden schon so lange miteinander, daß die Familien der beiden mit nichts anderem gerechnet hatten.
Patrice und Gérard wurden zusammen mit Charlotte Colbert in die Aula gerufen.
Belisama Lagrange sollte bei Professeur Moureau geprüft werden. Da Professeur Énas gerade mit Aysha Karim die ZAG-Verwandlungen durchging konnte Julius nicht bei ihm antreten. Professeur Champverd war als Prüferin frei. Julius nickte. Professeur Dirkson schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln. Julius ging durch die Aula und begrüßte die weißblonde Prüferin, die eigentlich eher für Kräuterkunde zuständig war. Diese sah ihn an und grüßte Förmlich:
"Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie noch einmal prüfen zu dürfen, nachdem Sie im letzten Jahr bereits von meinem Kollegen Énas auf UTZ-Höhe geprüft wurden. Sind Sie sich Sicher, daß Sie das damals gezeigte Leistungsvermögen aufrechterhalten werden?" fragte die füllige Prüferin. Julius bejahte es.
Er hätte beinahe seinen Entschluß bereut, die Prüfung zu wiederholen, ohne einen Grund dafür zu haben. Denn Professeur Champverd unterzog ihn Belastungstests, wie schnell er Sachen aus dem Nichts heraufbeschwören konnte, wie zielgenau er Fremdverwandlungen ausführen konnte und wie schnell er sich selbst verwandeln konnte. Zudem jagte sie ihn, als er die Zustandsform von Fest zu flüssig vorführte, durch ein fast strohhalmenges Rohr, um seinen Zusammenhalt zu fordern oder warf sich mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn, als er auf ihre Anweisung hin ein rotes Ledersofa darstellen sollte. Zumindest hatte er keine quietschenden Sprungfedern. Als zehn Minuten zwischen Freude und Leid vorbei waren, sagte die Prüferin: "Sie haben alle meine Anforderungen mehr als erfüllt. Ich bedanke mich bei Ihnen, daß Sie meine Zeit nicht unnütz beansprucht haben. Ich wünsche Ihnen für den weiteren Weg durch die UTZ-Prüfungen allen verdienten Erfolg und das nötige Glück."
"Danke schön, Professeur Champverd. Vielleicht treffen wir uns ja in einer der nächsten Prüfungen noch einmal", sagte Julius höflich.
"Dem sehe ich mit großer Zuversicht und Vorfreude entgegen, junger Mann. Sie dürfen nun gehen." Julius nickte und ging auf den anderen Zugang der Aula zu, durch den die bereits geprüften Kandidaten hinaustreten durften.
Draußen vor der Aula traf Julius Patrice, die mit sich zufrieden war. Auch Gérard wirkte erleichtert, es geschafft zu haben. "Gehst du jetzt zu deiner Süßen?" Fragte Gérard. Julius nickte. "Gut, dann gehe ich in den grünen Saal. Sandrine hat ja heute Muttertag. Ich muß nicht dabei sein, wenn sie sich mit meiner Schwiegermutter drüber unterhält, wer die bessere Mutter ist", grummelte Gérard und schob ab.
Als Julius in das Genesungszimmer trat, in dem Sandrine und seine Frau immer noch die Strapazen der Niederkunft auskurierten, sah Julius seine Mutter in Begleitung von Béatrice Latierre. Der trennende Wandschirm war aufgebaut. Julius sah jedoch noch, daß Geneviève Dumas bei Sandrine stand, und ihre beiden Enkelkinder bestaunte.
"Hi, Mum, wußte nicht, daß du heute nachmittag herkommen wolltest", sagte Julius. Dann begrüßte er noch seine Schwiegertante, die er besser kennengelernt hatte als jeder andere Jungzauberer der Welt.
"Antoinette und Chloé haben ihr freigegeben. Sie kam dann zu uns, weil meine Mutter sie zum Kaffee eingeladen hat. Da sind wir dann mal eben per Flohpulver hergekommen", sagte Béatrice. "Und, bei wem wurdest du geprüft?" wollte sie dann noch wissen.
"Oleande Champverd", antwortete Julius. Béatrice verzog das Gesicht. Dann erwähnte sie, daß die ehrwürdige Hexe auch ihre UTZ-Prüferin gewesen sei und sie ziemlich heftig drangsaliert hatte. Julius bestätigte das. "Immerhin hat mir das das O im Verwandlungs-UTZ nicht verdorben", grummelte Béatrice. Dann unterhielten sie sich über den Prüfungstag und wie Millie ihn verbracht hatte.
"Langweilig wurde es nicht. Erst war Camille mit der kleinen Chloé und dem Rabauken Philemon da, dann kam noch Jeanne mit ihren drei Kleinen rüber. Ist schon faszinierend, wie zwei- und dreijährige auf gerade erst geborene Babys fliegen", schwärmte Millie. Julius hörte es wohl, daß sie sich und ihm Mut zusprechen wollte, daß sie beide nicht mit einem einzigen Kind alleine weiterleben sollten.
"Ja, und dann bin ich schon hergekommen", sagte Martha Eauvive. "Wäre fast in Geneviève reingerannt", flüsterte sie noch. Der schalldichte Wandschirm schützte nicht nur vor unerwünschten Blicken, sondern auch vor freiwilligem oder unfreiwilligem Mithören.
"Die hat im Moment andere Gedanken, Mum", erwiderte Julius darauf. Seine Mutter war da nicht so sicher. "Also, was mich angeht, so steht jetzt fest, daß ich die UTZs mit deiner Frau und Sandrine zusammenmache", sagte sie. "Meine Kollegin Madame Grandchapeau ist heute aus ihrem Mutterschutz zurückgekehrt. Ihre und meine Vorgesetzte hat mir dann bis Weihnachten Bildungsurlaub verordnet, damit ich die Prüfungen im ersten Ansatz bestehen kann, ohne mich kaputtarbeiten zu müssen. Gut, bei Madeleine und Antoinette wird's auch nicht langweilig, zumal die beiden Hexen mich mit ihren Lieblingssachen oder Fachkenntnissen bedenken. Womöglich brauchte ich die Auszeit vom Büro auch."
"Bis weihnachten? Oh, dann kommt die werte Geneviève auch nicht an dich ran", erwiderte Julius.
"In den großen Ferien darf ich noch einmal verreisen, hat Antoinette mir gestattet. Danach kämen die wirklich intensiven Lerneinheiten dran, zumal sie sich in den Kopf gesetzt hat, mir die Ersthelferqualifikation beizubringen. "Wenn dein Sohn das mit dreizehn schon konnte, kannst du das in deinem Alter erst recht", hat sie gesagt. Offenbar hätte ich das mit der Adoption noch einmal genauer nachlesen und bedenken sollen", grummelte Martha Eauvive.
"Die geht davon aus, daß du Millie vielleicht mal helfen möchtest, wenn Aurores Geschwisterchen zur Welt kommen", vermutete Béatrice. "Abgesehen davon ist das für deine spät erworbenen Zauberkräfte sehr gut, wenn du die Ersthelferzauber lernst. Da du ja nicht nach Beauxbatons mußt brauchst du dir keine Gedanken zu machen, daß meine erfahrene Kollegin Florence Rossignol dich in ihre Truppe holt. Aber ich hörte das schon, daß Antoinette alle ihre leiblichen Kinder zu magischen Ersthelfern ausgebildet hat oder hat ausbilden lassen. Das sei Tradition, seitdem Viviane Eauvives Sohn Ascanius Lavinia Delourdes geheiratet habe, daß alle Eauvive- und Delourdesnachkommen zumindest die einfachen Heilzauber beherrschen müssen."
"Ja, das ist mir nun auch klar, Béatrice. Na ja, um den Führerschein zu machen habe ich auch einen Erstehilfekurs gemacht. Zum Glück mußte ich davon bis heute keinen Gebrauch machen", erwiderte Martha Eauvive. "Apropos, Julius - Okay, durch die Zaubererwelt bist du ja schon sehr mobil. Aber wirst du, wenn du die Prüfungen geschafft hast, auch das Autofahren lernen? Ich meine, Bele hat das ja gleich nach Beauxbatons gelernt, um für ihre neue Vorgesetzte flexibler arbeiten zu können."
"Catherine hat es ja auch gelernt. Aber durch Millemerveilles wüßte ich nicht, wo ich ein Auto fahren oder parken sollte", erwiderte Julius darauf. Durch das Apparieren und das Besenfliegen war er gar nicht mehr auf die Idee gekommen, ein gewöhnliches Muggelweltfahrzeug fahren zu lernen. Wäre er gerade mit Eton fertig geworden, hätte er wohl einen Führerschein gemacht, um möglichst bald das erste eigene Auto zu kriegen, auch wenn es kein Bentley sein würde, wie sein Vater ihn von seinen Eltern zur überragend bestandenen Prüfung geschenkt bekommen hatte.
"Dann bauen wir aber in so einen Wagen alles an Schutzzaubern ein, was geht", grummelte Millie. "Ich denke nicht, daß ich Aurore und ihre noch in mir gelagerten Geschwister in so ein unsicheres Ding reinsetzen will, wie es diese Autos in Paris sind. Du kannst ja nicht mal nach oben oder unten ausweichen, wenn die Straße voll ist, und der Gestank ist widerlich."
"Demnächst gibt es bestimmt auch Elektroautos", sagte Julius seiner Frau. Béatrice warf ein, daß die Maschinen der Muggel nur dann bezaubert werden durften, wenn sie ausschließlich in ministeriellem Besitz und zur ministeriellen Verfügung standen. Millie grummelte, daß sie das wußte und verzog das Gesicht.
"Also, Mum, im Moment will ich erst mal zusehen, mit den Prüfungen hier durchzukommen. Dann möchte ich lernen, wie es als Familienvater im Alltag so klappt. Das könnte noch anstrengender sein als die Schulprüfungen hier. Außerdem wollte ich ja zusehen, daß ich bei der Tier- oder Zauberwesenabteilung reinkomme, falls mich nicht doch der Teufel reitet, daß ich in die magische Heilzunft eintrete."
"Suchst du Streit, Julius?" schnarrte Béatrice. "Glaub's mir, daß an dem Tag, wo du alle UTZ-Ergebnisse hast, Antoinette eine offizielle Einladung zu einem Berufsberatungsgespräch verschicken wird. Das hat sie zumindest bei mir gemacht, als meine kinderreiche Mutter ihr mal gesagt hat, ich könnte mich dafür interessieren."
"Huch, da war sie aber noch nicht die Hauptsprecherin der Heilzunft", wunderte sich Julius.
"Das nicht. Aber die leitende Direktrice der Delourdesklinik. Damit war sie auch für die Ausbildung von neuen Heilern zuständig", erwiderte Béatrice. Aurore, die bis dahin in Millies Armen gelegen hatte, schlug die Augen auf. Sie waren immer noch hellblau, wie die von Julius. Einen winzigen Moment dachte Julius, die Augen seines Vaters zu sehen. Doch das war nur eine Vermutung. Jedenfalls quängelte die kleine Latierre-Hexe ungehalten, dann immer aufdringlicher, bis sie einen fordernden Schrei ausstieß. Millie lupfte den seidigweichen Umhang und schob Aurore darunter. "Den Rest findest du ja schon von selbst, Kleines", säuselte sie.
"Noch mal zu den ganzen Anfragen, du könntest bei uns anfangen", kam Béatrice auf Julius provokanten Einwand, nur wenn ihn der Teufel reite würde er zu den Heilern gehen. "Ich denke doch, daß du bei uns mit dem, was dir von allen möglichen Seiten aufgeladen worden ist besser zurechtkämst, da wir ja auch erweiterte Fluchabwehr und kurative Zauberkunst erlernen, von Verwandlung und Kräuterkunde ganz zu schweigen. Aber das haben dir ja eben schon genug Leute erzählt."
"Nur mit der Flexibilität ist es dann nicht so weit hin", antwortete Julius. "Ich müßte zusehen, eine Niederlassung zu kriegen oder in der Klinik selbst arbeiten. Mit großen Reisen ist da nur was, wenn ich einen triftigen Grund dafür anführen kann, wie Aurora Dawn damals, als sie für ihr Buch "der kleine Hexengarten" nachforschen wollte." Béatrice mußte das eingestehen. Daß sie es hinbekommen hatte, als niedergelassene Heilerin des Château Tournesol zu arbeiten, verdankte sie wohl dem Umstand, daß Antoinettes Kinder alle in der Klinik oder im Ausland arbeiteten und die altgediente Heilerin froh war, eine junge Kollegin in Reichweite zu haben, wenn sie selbst zu sehr mit anderen Sachen beschäftigt war. Immerhin konnte Béatrice als freiberufliche Hebamme alle betreuen, die im Loiretal wohnten oder sie gezielt mit der Betreuung einer werdenden Mutter und ihrem Nachwuchs beauftragte.
"Du mußt deinen Weg finden, Julius! Wir können dich nur beraten", sagte Martha Eauvive. Millie nickte zustimmend, während Aurore ihre Nachmittagsration Muttermilch trank.
"Na ja, du steckst ja erst am Anfang der UTZ-Prüfungen. Wir reden dann noch mal drüber, wenn die amtlichen Ergebnisse vorliegen", sagte Béatrice. Dann fragte sie Martha, ob sie noch hierbleiben wolle.
"Ich wollte noch in meine offizielle Wohnung, um dort nach E-Mails zu sehen. Bin ja jetzt seit über sieben Monaten nicht mehr an den Rechner gekommen. Das Postfach ist bestimmt schon bis zum letzten Kilobyte gefüllt."
"Okay, wenn du um sieben bei uns im Château bist kein thema", sagte Béatrice.
"Ich weiß, deine Mutter will wissen, ob die Vierlingsgeburt ihre Schachfähigkeiten verändert hat oder nicht, bevor sie ihren Titel in Millemerveilles verteidigen will", sagte Martha Eauvive. Béatrice grinste mädchenhaft. Dann verabschiedete sie sich von Millie, Martha und Julius. Sie verließ das Genesungszimmer, wechselte noch ein paar Worte mit ihrer älteren Fachkollegin und rauschte dann durch den Kamin ins Sonnenblumenschloß ihrer Eltern davon.
"Dann werde ich jetzt auch mal zusehen, wieder nach Hause zu kommen. Hoffentlich wollte keiner aus der magielosen Verwandtschaft was von mir und hat mich schon für tot erklären lassen, weil ich den Anrufbeantworter ausgeschaltet habe", sagte Martha Eauvive. Sie sah noch einmal auf die immer noch mollige Millie und die unter ihrem Stillumhang verborgene Enkeltochter. Dann verabschiedete sie sich von den jungen Eltern und verließ das kleine Erholungszimmer. Geneviève Dumas eilte ihr hektisch hinterher, offenbar, um sie hier und jetzt noch einmal wegen der möglichen Lehranstellung in Millemerveilles anzusprechen. Doch Sandrine rief Ihrer Mutter nach, daß sie noch was wegen einer Anzeige gegen den Wirt des Gasthauses von Martinique bereden müsse. Von dem wollte sie wohl Galleonen einklagen, um die beiden Zwillinge sorgenfrei großzuziehen. Offenbar wollte Sandrine ausloten, ob sie es nötig hatte, einen eigenen Beruf zu ergreifen oder sich in die Rolle einer die Kinder pflegenden Haushexe hineinzufügen. Geneviève paßte das wohl nicht, jetzt darüber reden zu müssen. Doch sie ließ von Julius' Mutter ab und verschwand wieder hinter dem Wandschirm.
"Der Typ wird sich rausreden", meinte Millie. "Aber wo jetzt in der Monde des Sorcières drinsteht, daß drei alleinstehende Hexen, die bei dieser Babymacherparty dabei waren, erfolgreich auf Unterstützung für die ungewollt bekommenen Kinder geklagt haben will Sandrine das zumindest versuchen."
"Ja, und wenn sie dem Wirt dieses illustren Vergnügungshotels nachweisen können, daß er die Regenbogencocktails angerührt hat, darf der seinen Laden verkaufen, um für alle davon auf den Weg gebrachten Kinder aufzukommen", sagte Julius dazu.
"Wie gesagt, der wird sich da rausreden können, Monju. Wenn der und wer noch alles die Sache durchgeplant und abgezogen haben, dann haben die auch vorgesorgt, daß längst nicht jeder bei denen abkassieren kann. Die Unterstützung wird den Hexen ja auch nur gezahlt, weil die unfreiwilligen Väter die Kinder nicht anerkennen wollten und sich gerichtlich von der Verantwortung auf Grund zeitweiliger Unzurechnungsfähigkeit freisprechen lassen konnten."
"Oha, das wäre was für die Muggelwelt. Jemand säuft sich einen ordentlichen Pegel zusammen, schwängert ein beliebiges Mädchen und kommt vor Gericht damit weg, daß er die im nüchternen Zustand nicht mal mit dem Allerwertesten angesehen hätte. Da würden aber viele Männer nur noch im besoffenen Zustand Liebe machen."
"Ist ja schön, daß du und ich vollkommen nüchtern waren, als wir Aurore ins Leben getanzt haben, Süßer", grummelte Millie, mußte dann aber lachen. Das brachte Aurore wohl aus dem Saugrhythmus. Deshalb nuckelte die wohl etwas heftiger, was Millie ein kurzes Zucken ins Gesicht brachte. "Ja, ich weiß, du magst es nicht, wenn Maman lacht, während du trinkst, Kleines. Aber dein Papa ist manchmal so ein Lümmel, daß ich den noch süßer finden muß als dich."
"Das beruhigt mich", erwiderte Julius.
"Ich habe gerade mit meiner Tochter geredet, Julius. Wenn ich was von dir will sage ich das früh genug", erwiderte Millie.
"Ja, deine Tochter. Und wenn sie was anstellt, was dir nicht paßt ist sie nur meine Tochter", erwiderte Julius.
"So steht es in unserem Ehevertrag, mon Cher", konterte Millie. Julius tat verlegen und meinte, daß er den Vertrag besser noch einmal durchlesen sollte. Millie zog ihn dafür so nahe an sich, daß er gerade so noch verhinderte, die kleine Aurore zu erdrücken. "Wir zwei kriegen das hin, Monju. Wir haben das ganze Leben Zeit." Julius hätte beinahe gesagt, daß Claire das auch einmal gedacht hatte. Doch er hütete sich davor, es laut auszusprechen. Er bejahte es dann noch, daß er sich sehr wohl fühlte, daß er schon gut untergebracht war und bereits etwas hinbekommen hatte, von dem andere junge Männer nur heimlich zu träumen wagten, weil sie nach außen hin die auf Erfolg ausgehenden Macher mimen mußten, die erst mal beruflich durchstarten wollten, bevor sie sich ein Kind zulegten.
"Hämm-ämm, Julius, sage deiner Mutter bitte, mein Antrag sei bereits eingereicht. Was auch immer Madame Grandchapeau einwenden mag könnte widerrufen werden", sagte Geneviève Dumas, als sie leise um den Wandschirm herumgekommen war und die beiden Eheleute in einer beinahe innigen Umarmung fand, während ihr gemeinsames Kind wohl verstaut unter Millies Umhang lagerte.
"Du gibst nicht auf, Geneviève", meinte Julius, als er sich behutsam aus Millies Armen freimachte. "Aber ich denke, meine Mutter hat immer noch Widerspruchsrecht. Du kannst nicht hingehen, und Leute zwangsverpflichten. Bei allem schuldigen Respekt, das soltest du immer bedenken."
"Nur wenn sie alle Vernunft bei dieser Chaotin L'eauvite verlernt hat, für dieich sie bewundere", knurrte Sandrines Mutter.
"Madeleine L'eauvite ist keine Chaotin", widersprach Julius. "Sie weiß, was sie will und wie sie es anstellen muß und ist dabei sehr zielstrebig."
"Zielstrebig, aber nicht immer mit dem nötigen Ernst bei der Sache", grummelte Geneviève Dumas. "Die hat lange genug bei uns gewohnt, daß ich das ein wenig besser beurteilen kann als du, Julius. Denke auch daran, daß eure Tochter in sechs Jahren bei uns in die Schule kommt und dort die bestmögliche Grundausbildung erwarten darf!"
"Es gibt genug kompetente Leute, Geneviève", sagte Millie. "Janine spielt mit dem Gedanken, nach der Quidditchkarriere außerhalb der Sport- und Spielabteilung zu arbeiten."
"Was noch zehn Jahre oder mehr dauern kann. Dann wäre eure Kleine schon im Alter für Beauxbatons", wußte Sandrines Mutter die passende Antwort. Dabei beließ sie es dann.
"Sowas nennt man in der Psychologie wohl eine fixe Idee", flüsterte Julius, als Sandrines Mutter laut rauschend im Kamin verschwunden war. Millie mußte ihm da zustimmen. Doch zu weit wollte sie sich da auch nicht aus dem Fenster lehnen. Denn sie hatte ja auch ihre unveränderlichen Absichten, von denen eine war, daß Aurore nicht ihr einziges Kind mit Julius bleiben sollte.
Nach dem Abendessen trafen sich die Schachinteressierten zum letzten Termin, wo das über das Jahr hinweg ausgetragene Turnier stattfand. Im Moment führte Julius vor seiner Schwiegertante Patricia. Da sie an diesem Abend nicht im direkten Duell aufeinandertrafen, entschied es sich anhand der Fähigkeiten der jeweiligen Gegner. Im Fall von Julius war es Gloria Porter, mit der er sich bis nach Saalschluß eine spannende Partie lieferte. Am Ende gewann er nur deshalb, weil Gloria einmal übersah, daß auch ein Bauer den König bedrohen konnte. Patricias Partie endete in einem Remis, weil es weder ihr noch ihrem Gegner Ingfried Glockenstuhl möglich war, den gegnerischen König in ein Schachmatt zu treiben. Da ein klarer Sieg mit vier und ein Unentschieden mit je zwei Punkten gewertet wurde, konnte Julius den Turniersieg für sich beanspruchen. Patricia meinte dann zu Gloria, daß sie ja wohl absichtlich verloren hätte. Gloria erwiderte darauf:
"Du hättest eben gewinnen müssen, Patricia. Aber Ingfrieds Draufhauen-und-Abhauen-Taktik hat dir alle wichtigen Figuren vom Brett geluchst. Der mußte nicht auf Sieg spielen. Ich hätte noch an dir vorbeiziehen können. Abgesehen davon habe ich echt andere Sorgen, als daß ich mich jetzt darüber aufrege, ob Julius, du oder ich ein Schulschachturnier gewinnen. Vielleicht hat deine große Halbschwester dir das auch geschrieben, daß sie uns Champions morgen für eine Vorbesprechung der dritten Runde einbestellt hat. Falls nicht, hat's dich auch nicht zu kümmern."
"Ui, jetzt hast du es mir gegeben", feixte Patricia. Julius wollte schon einwenden, daß seine Schwiegertante den Zank angefangen hatte, als Professeur Paximus dazwischentrat und daran erinnerte, daß sie bereits zwanzig Minuten über die Saalschlußzeiten seien und er den Spielern entsprechende Bescheinigungen ausstellen müsse, um sich für die Verspätung zu rechtfertigen. Bei Julius war das zwar überflüssig, weil er ja der Saalsprecher der Grünen war. Aber der Ordnung halber bekam er auch eine Bestätigung, daß er wegen der zu Ende zu spielenden Partie entschuldigt war. "Das kann ich Gérard zeigen, damit er das bezeugen kann", sagte Julius, als er mit Gloria den Schachraum verließ. Patricia hatte sich schnell abgesetzt, um Leonie die Entschuldigung unter die Nase zu halten.
"Ich weiß nicht, was das jetzt sollte", setzte Julius an. "Wußte nicht, daß Pattie jetzt so scharf drauf war, das Turnier zu gewinnen. Die ist noch drei Jahre hier. Da kann die alle drei Turniere gewinnen, wenn sie so drauf abfährt."
"Ja, aber nicht gegen dich oder mich oder Laurentine", warf Gloria ein. Dann verwies sie darauf, daß sie in das fliegende Zelt der Hogwarts-Abordnung müsse, da Professor McGonagall sicher schon auf sie warte. Julius verabschiedete sich von seiner früheren Schulkameradin. Sie gab ihm wohl eher aus Höflichkeit als von Herzen einen Gruß für Millie mit, bevor sie in Richtung Hauptportal ging. Hoffentlich lief sie dem Schuldiener nicht über den Weg, der manchmal pingeliger als Madame Faucon war, was Zeiten und Benimmregeln auf den Gängen anging. Aber wenn sie Filch überlebt hatte, dann kam sie mit dem alten Bertillon auch zurecht, erkannte Julius und wandschlüpfte in das Sprechzimmer Madame Rossignols. Seine Frau und Sandrine schliefen jedoch schon. Offenbar strengte das Stillen genauso an wie die vorangegangene Schwangerschaft. Da Julius von dem Spiel noch zu sehr aufgedreht war, um gleich ins Bett zu gehen, nahm er die Einladung der Heilerin an, sich mit ihr noch auf ein Glas Kürbissaft hinzusetzen.
"Gérard weicht Sandrine aus, wo er kann. Am besten übernimmst du ab morgen alle Saalsprecherverpflichtungen für den Rest der Woche", flüsterte sie ihm zu, während sie aus einer scheinbar unleerbaren Karaffe einschenkte.
"Sie meinen, er will mit Sandrine und den Kindern nichts zu tun haben?"
"Na ja, womöglich war es doch nicht so ganz richtig, ihn mit maximalem Nachdruck die Bedürfnisse neugeborener Kinder nahezubringen", seufzte die Heilerin. "Andererseits hat er wohl im Moment mehr Angst davor, bei den Prüfungen zu versagen. Es wäre daher aus psychomorphologischen Erwägungen günstig, wenn er erfährt, daß da jemand ist, die ihn unterstützt und jemand, für den sich die ganzen Anstrengungen lohnen. Ich habe es mit deiner Frau besprochen. Sie pflichtet mir da bei, daß Gérard lernen muß, seine Familie als nun zu ihm gehörig und nicht als Belastung anzunehmen. Du hast morgen Zauberkunstprüfung und dann zwei freie Tage, richtig?"
"Ja, wobei ich am Mittwoch und Donnerstag mit allen, die da auch frei haben an unserem Abschiedsfest arbeiten werde", sagte Julius. Die Heilerin nickte bestätigend. Dann fragte sie leise, was denn so geplant sei. Er schilderte ihr im Flüsterton, was sie schon vorbereitet hatten und was sie in den beiden freien Tagen konkret umsetzen wollten.
"Die vier Tage an Belles Seite laßt ihr ja aus. Aber wie empfindest du es, daß ihr die Schlangenmenscheninvasion einfügen wollt."
"Na ja, mir Céline vorzustellen, die sich durch Selbstverwandlung auf Madame Maximes Größe aufbläst und mich dann an getürkten Walpurgisringen hinter sich herzieht ist schon gewöhnungsbedürftig, weil ja gerade das echte Ereignis so viel in mir aufgewühlt hat."
"Insofern schon wichtig, daß wir zwei uns darüber unterhalten, bevor dich bei der Aufführung irgendwelche Erinnerungen übermannen, die deine Selbstbeherrschung angreifen können", sprach Madame Rossignol, ganz die fürsorgliche Heilhexe. Julius erwähnte, daß er ja alles aus der Zeit mit Madame Maxime in sein Denkarium ausgelagert hatte.
"Da du es aber nicht als vollständig extrahierte Erinnerung, sondern als Kopie deiner Erinnerungen getan hast, trägst du die betreffenden Ereignisse noch in dir. Gut, wir beide werden übermorgen früh eine Sitzung mit dem Denkarium machen. Ich bestelle deine Schwiegertante Béatrice als offizielle Betreuerin deiner Frau ein, damit ich den Rücken frei habe, sofern niemand bei der Wahrsageprüfung eine Kristallkugel auf den Fuß fallen läßt."
"Ist das schon mal passiert?" fragte Julius.
"Einem ZAG-Schüler vor zwanzig Jahren, weil er meinte, die Kugel drehen zu müssen, um was darin zu sehen und ihm das gute Stück dabei voll auf den rechten Fuß gefallen ist. Hat ihm leider neben den Schmerzen auch eine Aberkennung der Prüfung eingebrockt, weil er es ja hätte vorhersehen müssen, daß er die Kugel fallen lassen würde und nicht rechtzeitig den Fuß aus der Falllinie gezogen hat, so die allen Ernstes niedergeschriebene Begründung von Professeur Tourrecandide."
"Die hat mal Wahrsagen geprüft?" wunderte sich Julius.
"Wie das bei den Prüfungen so ist. Wer frei ist prüft den nächsten Kandidaten, auch wenn es nicht das eigentliche Fachgebiet des Prüfers ist."
"Gut, was das Vorhersehen angeht brauchte der Junge wohl keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, daß eine Kristallkugel leicht vom Tisch rollen kann", sagte Julius. Dabei fragte er sich, was ein angebläuter Fuß gegen eine unfreiwillige Rückverjüngung zur Ungeborenen war und ob Tourrecandide nicht auch etwas wichtiges hätte vorhersehen können. Doch das wollte er hier garantiert nicht laut aussprechen.
"Wenn die Prüfungen durch sind darfst du deinen Herzanhänger wieder umhängen. Ich hoffe, daß du mit den dir dann wieder zufließenden Gefühlswellen deiner Frau zurechtkommst. Meine junge Kollegin Béatrice Latierre und ich haben errechnet, daß es bei den künftigen Kindern von euch sinnvoll ist, den Anhänger abzunehmen, sobald eine Schwangerschaft Millies bestätigt ist. Wir wissen immer noch nicht, bis wann die Verbindung ohne eine neuerliche Untrennbarkeit gelöst werden kann. Je nachdem, was ihr beide nach Beauxbatons macht könnte es für dich wichtig werden, ganz eigenständig zu denken und zu empfinden."
"Warum ich die Verbindung gelassen habe wissen Sie ja", sagte Julius. Die Heilerin nickte bestätigend. "Außerdem hat sie mir auf der Reise gut helfen können, von der ich die alten Zauber mitgebracht habe", flüsterte er Madame Rossignol zu. Diese nickte erneut. Offenbar ging ihr auf, daß Julius trotz der übermäßigen Gewichtszunahme eher Vor- als Nachteile aus der bestehenden Verbindung geschöpft hatte. Außerdem schlug die Abspecktherapie der Latierres gut an. Seit Aurores Geburt hatte Julius bereits zehn der vierzig überschüssigen Kilogramm abgenommen. Somit konnte er in zwei Monaten auf das nur noch von den Muskeln und dem gesunden Körperfettvorrat gebildete Gewicht zurückgeführt werden. Also wog dieser Nachteil der Herzanhängerverbindung auch nicht so schwer, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Es war halb zwölf, als Gérard aus dem grünen Saal zurückkam. Er war nicht traurig, daß Sandrine schon schlief. So konnte auch er schnell ins Bett, um sich für die morgen anstehende Zauberkunstprüfung auszuschlafen. Julius bedankte sich bei Madame Rossignol für den Ausklang des ersten Prüfungstages und zog sich ebenfalls in das ihm zugewiesene Zimmer zurück.
zauberkunst war für Julius ein Zwischending zwischen Rechnen und Rezitieren, was die Theorie anging. Er sollte alle Elementarzauber in Stufen einteilen und beschreiben, welche Zauber gegen welchen anderen Zauber wirkten. Additive, subtraktive, komplementäre und fusionierende Zauber, alles über die Sinnesbeeinflussungszauber, dann noch alle Gesetzmäßigkeiten höherer Zauberkunst bis hin zu Zaubererweltrechtlichen Grundlagen. Julius schaffte es jedoch auch diesmal, mehr als zwanzig Minuten vor der zugestandenen Zeit fertig zu werden. Diesmal führte Professeur Laplace die Aufsicht. Daher wunderte es ihn nicht, daß Gérard noch nervöser und angespannter war als sonst schon. Sylvie Rocher, die zwei Tische von Julius entfernt über ihrem ZAG-Prüfungsbogen brütete, war wohl eher froh, daß sie nicht von Beauxbatons geflogen war. Schließlich war ja herausgekommen, daß Endora Bellart das Duell angefangen hatte, durch das beide zu Fällen für Madame Rossignol geworden waren. Endora hatte daraufhin neben dem Putzdienst noch eine Rückstufung zur Drittklässlerin angedroht bekommen, wenn sie bis zum Schuljahresende noch einmal mehr als einhundert Strafpunkte durch eine Missetat einhandeln würde. Ob Louis, der im nächsten Jahr auf einem dieser Stühle sitzen würde das den beiden Hexenmädchen wirklich wert war? Julius hätte da wohl mit Sylvie oder Endora den Körper tauschen müssen, um zu fühlen, ob Louis eine bestimmte Wirkung ausübte. Doch sowas hatte er schon hinter sich.
Am Nachmittag durfte er bei Professeur Dujardin die praktische Prüfung ablegen. "Wir hatten ja noch nie das vergnügen", sagte die kleine Hexe. Julius bestätigte das und ssagte dann: "Ich hoffe, daß Sie es am Ende dieser Prüfung als Vergnügen sehen", sagte Julius. Die zierliche Hexe, die eher auf Zaubertiere und Zauberwesen spezialisiert war, nickte. Dann ging sie die Prüfungsaufgaben durch, die sie Julius stellen wollte. Jeder Prüfer hatte einen gewissen Spielraum, was er oder sie von dem gerade antretenden Kandidaten sehen wollte. Doch bestimmte Standards mußten erfüllt werden, um eine objektive Benotung zu ermöglichen, wußten Prüferin und Prüfling.
"Mansiordinifacta können wir hier leider nicht verwenden, weil die Halle zu groß ist und der Ablauf der parallel stattfindenden Prüfungen gestört würde", seufzte die amtliche Prüferin. "Aber wenn Sie mit sieben simultanen Zaubern ihr übliches Maß erreicht haben, dann können Sie den auch. Auf jeden Fall sind sie sehr gewandt und bewandert", sagte sie noch. Julius nahm das Kompliment hin und führte weitere höhere Zauber aus. Einmal mußte er sich sogar unsichtbar machen. Das hatte er jetzt gut heraus. Die Prüferin bekam nur heraus, wo er war, weil sie den Vivideozauber verwendete, der seine Lebensaura aufleuchten ließ.
"Gut, eine Minute Verschnaufpause. Dann möchte ich noch ihre Befähigung in schneller Abfolge prüfen", sagte Professeur Dujardin.
Julius blickte sich um. Alle anderen waren noch mitten bei der Prüfung. Jacques Lumière hatte sichtlich damit zu kämpfen, die von seinem Prüfer Énas vorgegebenen Zauber zu schaffen, zumal Énas ihm immer wieder kleine Hindernisse in den Weg zauberte. Julius ging davon aus, daß Jacques die aus dem Nichts beschworenen Würfel, Vasen und Flaschen, die vor ihm in der Luft zu kreisen begannen, nur mit Zauberkunstsprüchen überwinden sollte. Als er es dann schaffte, alle Würfel zu einem großen zusammenzubacken, die Flaschen und Vasen in ein großes Netz einzuwickeln und dieses unter der Decke anzubringen, konnte er endlich die Bezauberung der eigentlichen Ziele fortsetzen. Wie das ausging bekam Julius nicht mit, weil Professeur Dujardin ihn zu einem Art Wettzaubern anhielt, wobei er möglichst schnell auf dünnen Beinen herumlaufende Teetassen, echte fliegende Untertassen und auf dem Rand rotierende Suppenteller zu bändigen, einen Wasserschutzwall aufzubauen, bevor ihn ein eiskalter Aguamenti-Wasserstrahl erwischte und ein Wölkchen aus Feuer, das ein gewisses Eigenleben besaß, in einen Glaszylinder hineinzuzwingen.
"Übungen für Leute, die Feuerdschinns bannen wollen?" Fragte Julius die Lehrerin, die hauptamtlich mit Zauberwesen zu tun hatte.
"Darüber zu reden ob ja oder nein ist mir während einer laufenden Prüfung untersagt", erwiderte Professeur Dujardin. Julius entschuldigte sich für seine Neugier.
"Neugier ist anders als Habgier eine meistens sehr konstruktive Eigenschaft des Menschen. Insofern ist sie schon sehr willkommen, vor allem, wenn es um das Erlernen magischer Vorgänge geht. Sie darf nur nicht dazu führen, das Leben anderer Menschen zu gefährden oder zu vernichten", philosophierte Professeur Dujardin.
Als Julius mit Belisama, Aysha und Jacques wieder aus der Aula hinaustrat suchte Jacques schnell das Weite. Er war mit seiner Prüfung höchst unzufrieden.
"Morgen üben wir die Szene, wo du drei Monate hinter Madame Maxime herlaufen mußtest, flüsterte Céline Julius zu, als er mit ihr das Treiben im grünen Saal beaufsichtigte.
Abends, beim Zauberwesenseminar, sollte Hubert Rauhfels einen Vortrag über die Feuerdschinnen halten. Seitdem er bei der zweiten Runde des trimagischen Turniers einen solchen Feuerdämon eingekerkert hatte, wollten doch viele wissen, woher diese aus purem Feuer bestehenden Geisterwesen stammten und ob das Einsperren oder verscheuchen die einzigen beiden Möglichkeiten waren, mit so einem Wesen fertig zu werden. Julius fühlte kurz einen leichten Stich im Herzen, als Hubert sagte: "Auch, wenn ihr die arabischen Zauberer dafür wohl noch immer böse sein könnten verdanken wir der weltreisenden Hexe Aurélie Odin eine Menge Wissen über die Dschinnen aller Formen. Sie hat auch erwähnt, daß ein erfolgreich gefangener Feuerdschinn ähnlich wie in den Märchen der Muggelwelt dazu veranlaßt werden kann, seinem Bezwinger und damit Meister mehrere Wünsche zu erfüllen. Allerdings ist die Macht eines Feuerdschinns nicht unbegrenzt. Ihnen liegt das Element Feuer. Damit können sie vieles, wo Licht und Wärme einbezogen sind, wie es auch der Stoffwechsel eines Menschen ist. Es gab einen Feuerdschinnmeister, der sich von seinem gefangenen Sklaven mehr Kraft und Gewandtheit gewünscht hat. Die hat er auch erhalten. Allerdings glühte seine Haut danach, und jeder, den er berührte, erlitt Verbrennungen. Ich selbst werde den Feuerdschinn, den ich idiotischerweise eingetopft habe, nicht mehr freilassen. Denn wenn ich ihn freispreche, muß ich damit rechnen, daß der sich irgendwann an mir oder meiner Familie rächt. Wann das ist weiß dann nur er, da diese Gespensterwesen jahrtausende lang existieren, sofern ihnen keiner mit Witterwasser, dem Devorunda-Fluch oder untaubarem Eis den Garaus macht."
"Damit, werte Herrschaften, dürften alle Ihre Fragen zu diesen Wesen beantwortet sein", schloß Professeur Delamontagne den Seminarabend. "Sie erhalten für ihren sehr gründlich und umfangreich dargelegten Vortrag fünfzig Bonuspunkte, Monsieur Rauhfels. Vielen Dank für ihre Einsatzbereitschaft!" Alle applaudierten.
"So, morgen darfst du die kleinen Hosenkacker wickeln", grummelte Gérard, als Julius nach dem Saalsprecherdienst in den Ehegattenschlaftrakt neben dem Krankenflügel zurückkehrte. "Wenn ich bedenke, daß das Stinkzeug mal in Sandrine dringesteckt hat kübel ich ja schon von alleine."
"Ich dachte, ihr zwei hättet euch geeinigt", sagte Julius verdrossen.
"Ja, daß ich an die nur drangehe, wenn sonst keiner da ist", grummelte Gérard.
"Millie hat Aurore aber sicher nicht von dir wicklen lassen, oder?" Fragte Julius.
"Neh, dafür hatte die wohl zu viel Angst, ich könnte die runterfallen lassen. Sandrine hat das zwar auch wohl gedacht. Aber die ist ja auf dem Pfad, daß ich mich an die kleinen Schreibündel und Hosenkacker gewöhnen soll. Immerhin hätte ich die ja in sie reingeschubst."
"Ob du die jetzt um dich hast oder in einem oder zwei Jahren ist doch unwichtig. Gérard. Sandrine will eben, daß du es miterlebst, wie die kleinen aufwachsen. Irgendwann können die alleine aufs Klo. Dann kannst du deinem Sohn zeigen, wie er seinen Namen in den Schnee pullern kann. Ich kann das meiner Tochter nicht beibringen", erwiderte Julius.
"Lustig, Julius. Gut, ich weiß, die können nix dafür und die fühlen sich auch voll elend, wenn sie im eigenen Kack liegen müssen. Aber irgendwie komme ich mir so vor, als wenn ich nur noch dafür gut wäre, die beiden Plärrbälger sauber zu halten. Vielleicht darf ich dann noch für Sandrines Milchbar Nachschub anschaffen, bis die Kleinen eigene Zähne haben und feste Sachen essen können."
"Madame Rossignol hätte dich auch noch eine Woche länger umsorgen können", raunte Julius. Gérard erstarrte und erbleichte. Dann knurrte er: "Noch mal so'n Spruch, und Aurore bleibt dein einziges Balg!"
"Na, nicht dem Drachen am Schwanz ziehen, Gérard! Abgesehen von der Regel, keinen Saalsprecher oder Pflegehelfer angreifen zu dürfen hättest du ein arges Problem mit dem Echo, wenn du mir was tust. Frag mal unseren Ex-Mitschüler Hercules!"
"Neh danke, der würde mich zur Belohnung in die Arme dieser Grünhaut werfen, damit die sich an mir neu auffüllen kann. Einmal unfreiwillig wen ins Leben gestoßen langt mir", grummelte Gérard. Dann schob er ab.
Toll, die einen wachsen auf, um in den Kindergarten zu dürfen, der andere benimmt sich so, als wäre er da nie rausgekommen, dachte Julius für sich. Doch er mußte zugeben, daß Madame Rossignols Therapie anschlug. Gérard war es nicht egal, was mit seinen Kindern passierte. Denn sonst hätte er nicht so angenervt reagiert. Zumindest schloß Julius das aus den Äußerungen seines Mitschülers.
"Ui, jetzt kapiere ich es, wie Madame Maxime uns alle gesehen haben muß", dröhnte Célines Stimme aus über drei Metern Höhe. Wie es die ausgearbeitete Dramaturgie für den Festabend vorsah spielte Céline Madame Maxime, während Julius mit ihr über die Walpurgisnachtringe verbunden war. Hierfür benutzten sie natürlich keine echten Walpurgisnacht-Ringe. Céline hatte sich jedoch durch Verwandlungszauber auf ihre doppelte Körpergröße anwachsen lassen. Sie wirkte zwar immer noch sehr dünn für ihre natürliche Größe, sah jetzt jedoch richtig bedrohlich aus. Imitate von Opalringen zierten ihre Finger. Sie trug einen schwarzen Satinumhang und hatte ihr nachtschwarzes Haar zu einem eleganten Knoten hinter dem Nacken gewunden. Ihre smaragdgrünen augen hatte sie vor der Größenveränderung mit Hilfe eines frei in die Luft gehängten Spiegels nachgedunkelt. Jetzt sah sie der früheren Schulleiterin zumindest ähnlich.
"Wir hätten auch die Perspektive verschieben können und uns alle halb so groß zusammenschrumpfen können", warf Caroline Renard ein.
"Na klar", erwiderte Céline. "Gut, bevor mir hier oben die Luft ausgeht ziehen wir unsere Proben durch. Julius, baust du bitte die entsprechenden Illusionen auf?"
"Jawoll, Madame", erwiderte Julius und bewegte den Zauberstab. Die kleine Illusionshalle, die sonst für das Zauberwesenseminar herhielt, wurde zum Besprechungszimmer der Schulleiterin. Julius half noch mit, das Schlafzimmer so zu gestalten, wie er es damals mitbekommen hatte. Das war ja mittlerweile eh alles wieder anders, wußten sie alle. Patrice Duisenberg, die ihre eigene Nichte Corinne spielte, sagte beim Anblick des mit einem stabilen Dach versehenen Gitterbettes: "So ähnlich sah der Laufstall aus, in dem ich zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr herumgeturnt bin, bevor mir wer einen Kleinhexenbesen geschenkt hat."
"Und ich habe da drei Monate drin geschlafen", sagte Julius. Dann stellte er die Jahreszahl auf 1998 ein und begann den vorgeprobten Dialog mit Céline, bei dem es nicht so ernst zuging wie damals in echt.
Als Céline zum Mittagessen wieder ihre gewohnte Körpergröße zurückgewann meinte sie, daß sie es jetzt nachempfinden konnte, wie Madame Maxime sich zwischen ihnen allen gefühlt haben mochte.
"Nur, daß sie sich dafür geschämt hat, warum sie so war", sagte Julius. Er hatte Céline längst nicht alles erzählt, was er in der Obhut der halbriesischen Schulleiterin erfahren hatte, vor allem nicht, was sie ihm von ihren Erinnerungen gezeigt hatte.
"In drei Jahren hast du mindestens einen um dich rumlaufen, der im Vergleich zu dir winzig ist", stichelte Irene gegen Céline.
"Nur kein Neid, Irene, weil du dich nicht getraut hast, wen auf den Besen zu rufen", erwiderte Céline. Sie zählte offenbar schon die Tage, bis sie aus Beauxbatons heraus war.
Nach dem Mittagessen erwähnte Kevin, daß Patrice und er am dreißigsten Juli in Calais heiraten würden. Seine Cousine Gwyneth, seine Mutter und noch ein paar Verwandte und Freunde der Familie würden den fahrenden Ritter vorbuchen. Das mochte bereits eine Menge Galleonen verschlingen. Von der Feier ganz abgesehen. Doch die, so Patrice, würden ihre Eltern komplett übernehmen. So war es schließlich Tradition. Julius nahm das mal so zur Kenntnis. "Kriegst du das hin, dann nach Calais zu kommen", fragte Kevin.
"Wenn ich die genaue Adresse habe kann ich da hinflohpulvern. Aber ich möchte eine schriftliche Einladung haben, wenn ihr alles klar habt", sagte Julius noch. Kevin nickte.
Am Nachmittag gingen die Proben weiter. Die Szene mit der Zeit nach den Schlangenmenschen war nun sicher. Die Kreaturen Voldemorts waren als grauenerregende Illusionen eingeblendet worden. Jetzt ging es um Unterrichtsszenen, immer wieder unterbrochen durch Erinnerungen der beiden Schüler aus der Zukunft, die den Alltag damals mit dem Alltag in ihrer Zeit verglichen.
Nach dem Abendessen ging es dann noch an die Musik und die Tänze. Julius und Laurentine hatten beschlossen, den Moonwalk von Michael Jackson zu einem Schwebetanz weiterzuentwickeln, der dann beim Abschlußball der Zukunft aufgeführt werden sollte. Hierzu würden sie die Bühne in einen Nullogravitus-Zauber einhüllen. Nur die gerade nicht tanzten konnten sich mit dem Deterrestris-Fluch ein kleines eigenes Schwerefeld erschaffen. Normalerweise warf der Fluch jeden nach oben, weil die auf ihn einwirkende Schwerkraft umgepolt wurde. Doch wie in der Mathematik ergab ein Schwerkraftaufhebungsfeld gegen ein Schwerkraftaufhebungsfeld minus mal minus gleich plus.
Sichtlich geschafft von den Tanzübungen und dem lauten Gesang der aus dem Chor freigestellten Schüler kehrten alle für die Feier zuständigen UTZ-Kandidaten in ihre Wohnsäle zurück.
"Irgendwie müssen wir das mit uns noch einbauen, Julius", meinte Millie, als Julius sie um zehn Uhr noch besuchte.
"Hmm, wir wollten das kurz einfügen, während eine lustige Babymusik läuft, wer in den sieben Jahren alles hier geboren wurde. Das machen wir dann mit Bildern", sagte Julius.
"Sonst hätte ich wohl fragen müssen, ob Pattie meine Rolle spielt", sagte Millie.
"Das geht leider nicht, weil die Schulregeln vorschreiben, daß am Abschlußfest nur volljährige Schüler mitwirken dürfen. Aber irgendwie bekommen wir das schon klar", sagte Julius. "Im Zweifelsfall zupfe ich dir ein Haar aus und rühre damit einen Vielsaftt-Trank an", flüsterte er so leise, daß es außer Millie keiner hören konnte.
"Sähe dir ähnlich, Monju, mal fühlen, ob dir mein Körper paßt. Aber so wie wir das schon mal herausgefunden haben gefällt mir das doch besser, und dir auch", wisperte sie zurück. Julius konnte dem nur zustimmen.
"Gérard könnte glatt zu den beiden da in die Wiege rein, so wie der sich anstellt", grummelte Millie. Julius wollte dazu keinen Kommentar abgeben. "Wird Zeit, daß ich wieder zu euch in den Speisesaaal rüberdarf", murrte sie noch. "Ich komme mir langsam so vor, als wollte Madame Rossignol mich solange hierbehalten, bis Aurore aus den Windeln raus ist. Immerhin kann ich hier gescheite Gymnastikübungen machen, und das mit der Gebärmutterrückbildung klappt auch schon besser."
"In drei Wochen ist das alles hier vorbei", sagte Julius. Millie widersprach ihm. "Für Gérard und dich. Aber Laurentine muß dann im Sommer noch mal zur Einzelprüfungsrunde antreten, und ich darf mit Sandrine und deiner Mutter im Dezember die Prüfungen ablegen. Aber das muß dann nicht mehr hier sein. Aber genau deshalb möchte ich gerne noch mal ganz raus aus dem Zimmerchen hier. Nur durch den Gang laufen und in den Parks herumlaufen, während ihr Prüfungen habt ist mir langsam zu wenig. Beim zweiten Kind machen wir das anders."
"Sagen viele Eltern, wenn sie die Fehler beim ersten Kind beim zweiten nicht wiederholen wollen und dafür andere machen", wußte Julius die passende Antwort.
"Ja, das ist doch genau das, was die Sache so spannend macht. Du kannst nicht lernen, wie es richtig geht. Niemand fragt dich ab und keiner verlangt eine Prüfung von dir, ob du Kinder großziehen kannst", erwiderte Millie. Julius konnte dem nur beipflichten.
"Ist Julius noch bei dir drüben, Millie?" klang Sandrines Stimme aus dem Pflegehelferarmband. Millie tippte den weißen Schmuckstein an und erwiderte: "Ja, ist noch bei mir. Soll er deinen Süßen grüßen?">
"Neh, den soll der morgen nach dem Frühstück bei mir abliefern. Und wenn er nicht auf eigenen Beinen kommt, kann Madame Rossignol den gerne noch mal intensiv betreuen. Der hat bei mir zu sein, damit er mitkriegt, wie die beiden sind und wie die groß werden. Nachher haut der mir ganz ab und läßt mich mit den beiden sitzen."
"Kann er nicht, der ist mit dir verheiratet", sagte Julius in Richtung von Millies Armband.
"Dann soll der mir das zeigen und da sein, wenn ich ihn brauche", grummelte Sandrine. Millie grinste. Dann deutete sie auf den Wandschirm. "Geh bitte mal zu ihr hin und bleib da für ein paar Minuten. Die wird sonst noch ganz traurig." Julius wußte nicht, wie ernst seine Frau das meinte. Doch er nickte und lief einmal um den Wandschirm herum, bis er in Sandrines kleiner Wohnecke war.
"Ich dachte, der wollte bei dir sein, wenn ich im grünen Saal bin."
"Hast du aber auch nur gedacht, Julius. Der geht den Kleinen aus dem Weg. Als hätten die das alles kaputtgemacht, was er und ich zusammen angefangen haben. ich möchte eben, daß wir das beide durchstehen und ich nicht das Gefühl habe, als hätte ich was verkehrt gemacht. Mehr ist das nicht, Julius."
"Ich denke, er weiß das. Aber die reden ihm alle noch dumm nach, weil ihr diese Party besucht habt. Dabei konntet ihr das nicht wissen. Céline hat Irene mal richtig runtergemacht, weil die Gérard gesagt hat, der hätte auch mit Oleande Champverd die Party gefeiert. Sie hat ihr dann gesagt, daß Irene wohl auch locker auf dieser Party Anschluß gefunden hätte und dann womöglich das Kind von einem uralten Zauberer hätte kriegen müssen. Dann hat sie ihr noch Strafpunkte verpaßt. Fast hätte es ihren DQ verhauen. Aber das ist eben das, womit Gérard jetzt rumläuft, daß er ohne es zu wollen was angestellt hat, was sein ganzes Leben umgeworfen hat. Ja, und bevor du es sagst, du hast damit mehr zu tun als er und hast auch dein Leben neu zu planen. Deshalb verstehe ich das auch nicht, daß er dich so hängen läßt, wo ihr beide dasselbe zu tun habt und das zusammen besser hinkriegt als jeder für sich."
"Das will der mir nicht glauben. Weißt du, was Béatrice, also die aus meinem Saal, mir gesagt hat, daß Gérard Robert gestanden hat, er hätte das alles noch mal umgeworfen, von der Besenwerbung bis zur Hochzeitsreise, wenn er gewußt hätte, daß er dadurch schon so verplant wurde."
"Moment, woher hat eure Béatrice das denn?" wollte Julius wissen, ohne gleich auf diese Äußerung einzugehen.
"Die hat's von Armin, der es wieder von André hat, der das angeblich auf dem Jungenklo bei euch mitgehört hat. Ich hoffe mal, daß das nicht stimmt."
"Sagen wir es so, er könnte es nicht mehr ändern, selbst wenn er es wollte. Denn wenn ja, dann wüßte er ja nicht, warum er es ändern sollte, weil es ja nicht passiert wäre. Aber wenn es nicht passiert wäre ... Okay, ist jetzt nicht so doll, dich so zuzutexten."
"Gut, das du das merkst", grummelte Sandrine. "Also hat er sowas gesagt?" fragte Sandrine.
"Womöglich aus einer dummen Anwandlung heraus, weil ihm alles auf den Kopf zu fallen scheint, Sandrine. Der ist jetzt noch mit den Prüfungen zugange."
"Genau wie du. Das ist keine Entschuldigung, vor allem nicht, wenn er es mir nicht selbst sagen will", stieß Sandrine aus. Julius nickte. Natürlich war das jetzt unsinn, Gérard zu rechtfertigen. Denn der hatte ja wirklich erwähnt, daß er gerne in die Vergangenheit zurückreisen und alles ungeschehen machen würde.
"Kriegst du es hin, daß Gérard wieder zu mir kommt?" fragte Sandrine fast wie ein kleines Kind klingend.
"Solange ich ihn ohne Gewalt zu dir bringen kann möchte ich es versuchen."
"Ansonsten soll der mir offen und ehrlich ohne Umweg über Posteulen oder Zweiwegespiegel ins Gesicht sagen, daß er mich nicht mehr will. Dann soll er aber sehr schnell sehr weit verreisen, am besten zurück nach Martinique. Womöglich darf er da eine andere, auf Kinderreichtum ausgehende Hexe beglücken. Aber bei mir muß er dann nicht mehr ankommen. Sage ihm das bitte so!"
"Vielleicht war es verkehrt, was Madame Rossignol mit ihm gemacht hat", vermutete Julius.
"Wenn sie es nicht gemacht hätte hätte ich es wohl mit ihm gemacht, bevor die beiden aus mir raus wollten. Ob zwei oder drei hätte mir dann wohl auch nichts mehr ausgemacht. Auch das kannst du dem gerne sagen.""Werde ich wohl machen müssen", sagte Julius. "Aber wenn es euch vieren hilft, miteinander klarzukommen ..."
"Ich will es jetzt wissen, und zwar nur von ihm persönlich, Julius. Wenn er nicht dazu fähig ist, mit mir das alles durchzustehen, dann kläre ich mit dem ab, was ich für die Kleinen von ihm kriege. Den Rest hole ich mir von diesen Leuten in Martinique. Dann soll der aber weit genug von mir wegbleiben. Die Kleinen können dann auch ohne einen solchen Schlottergnom auskommen, selbst wenn ich für Roger gerne einen Zauberer als Ausrichtungshilfe hätte."
"Er müßte alles wegwerfen, auch das geerbte Haus, weil er ja nur als Ehemann dort wohnen darf", sagte Julius. "Ich sage ihm das, damit er drüber nachdenken kann." Sandrine bedankte sich.
Mit einer Zentnerlast auf der Seele kehrte Julius zu seiner Frau zurück. "Sie will es jetzt wissen, ob sie ihr Leben mit oder ohne Gérard führen kann. Hoffentlich kapiert er das, was ihm alles entgeht, wenn er nicht bei ihr bleiben will."
"Die hätte nicht mit ihm wetten und ihn dann am langen Arm hungern lassen sollen", wisperte Millie ihrem Mann ins Ohr. Dieser nickte. Im Grunde trug Sandrine an der Misere eine gewisse Mitschuld. Denn wenn es wirklich für Gérard zu früh war, derartig festgelegt zu werden, dann hatte sie auch ihren Teil dazu beigetragen. Julius küßte seine Frau noch zur guten Nacht und blickte in die Wiege, wo seine und ihre gemeinsame Tochter friedlich und völlig frei von den Problemen junger Hexen und Zauberer schlummerte.
Als Gérard in den Schlaftrakt kam fragte Julius ihn, ob er Sandrine noch besuchen wolle, die sei noch wach. "um mir anzuhören, wie alleingelassen die sich fühlt? Neh, komm! Nicht vor dem Schlafengehen."
"Ja, schlaf gut. Vielleicht träumst du ja davon, was alles gelaufen wäre, wenn es Sandrine nicht gegeben hätte."
"Was soll denn der Drachenmist jetzt", knurrte Gérard.
"Der Drachenmist soll, daß Sandrine keinen außer mir hatte, um mir ihre Ängste und Sorgen zu erzählen. Denkst du, der machte das Spaß, sich mir auszuliefern? Denkst du, mir macht das Spaß, mir das alles anzuhören und es dann mit mir ins Bett zu nehmen, wo ich nichts dafür kann, was mit ihr und dir los ist?" zischte Julius sichtlich verärgert. "Ich weiß, wir haben UTZ-Prüfungen. Aber ich habe trotzdem Zeit, meiner Tochter den Hintern abzuwischen, sie neu zu wickeln und mich mit meiner Frau, die sich fast zu Tode langweilt zu unterhalten. Krieg das endlich mal in deine Birne rein, daß Sandrine dich auf ihren Besen rufen wollte. Die hätte auch André, Gaston oder ihren Saalkameraden Armin Wiesner haben können. Daß sie dich wollte solltest du als Ehre sehen, nicht als Strafe."
"Ich habe ihr gesagt, wir sollen noch warten. Sie wollte es ja so schnell. Die hat mich doch hingehalten, weil ich nicht gleich auf ihre Mädchenträumereien eingegangen bin. Ich dachte, gut, wir ziehen die Hochzeit durch, machen dann das letzte Jahr so wie die Jahre davor und suchen uns dann was, womit wir beide gut leben können. Aber diese verdammten Typen mit ihrer Zaubererweltbabyzuchtmixtur haben unser Leben voll versaut. Sandrine will mich bei sich haben? Klar, weil sie mit den beiden Braten alleine nicht klarkommt und merkt, was sie alles nachzuholen hat. Gut, wir wollten verhüten. Wir hatten genug von dem blauen Zeug mit. Hat leider nicht geklappt. Aber ich werde doch wohl noch sagen dürfen, daß mir das alles zu früh war und ist."
"Und ihr damit höllisch weh tun", erwiderte Julius. "Oder hat sie es darauf angelegt, die UTZs nachholen zu müssen? Hat sie es darauf angelegt, sich von den meisten Mädchen aus ihrem Jahrgang abgesehen von Millie und Béatrice Dummheit vorwerfen zu lassen? Und sie hat die beiden tragen müssen, Angst gehabt, denen könnte was passieren und hat die beiden unter heftigen Schmerzen zur Welt gebracht, wo du schon beim hingucken fast aus den Latschen gefallen bist. Die hat ein Recht darauf, daß du ihr hilfst, damit klarzukommen."
"Ja, in guten wie schlechten Zeiten. Bla bla bla!" knurrte Gérard.
Madame Rossignol kam aus dem Sprechzimmer. "Gut, ich habe euch lange genug diskutieren lassen. Sandrine ist noch wach. Gérard, geh bitte zu ihr und wünsch ihr wenigstens eine gute Nacht. Und dann, Jungchen, wirst du dich in dein Bett legen und die Nacht drüber nachdenken, wie du dir dein Leben als erwachsener Mann vorstellst, wenn du es nicht ertragen kannst, daß eine Hexe wie Sandrine dir zwei gesunde Kinder geboren hat. Anderenfalls kann ich dich für den Rest der Prüfungen krank schreiben. Dann darfst du gerne noch einmal das Jahr alleine hier wiederholen und das an Reife aufholen, von dem du selbst meinst, es noch nicht zu haben. Julius, du gehst bitte jetzt ins Bett. Auch wenn du morgen einen freien Tag hast wird es für dich sicher nicht weniger anstrengend." Julius nickte gehorsam und zog davon. Er hörte noch, wie Gérard sagte: "Bevor Sie mich noch mal selbst zum Hosenscheißer zusammenfalten und meinen, für mich mitessen und trinken zu müssen gehe ich eben zu ihr hin, in drei-Gorgonen-Namen."
"Denkst du, mir hat es Spaß gemacht, dir den Allerwertesten sauberzuhalten und dich nicht verhungern zu lassen? Aber vielleicht würde Sandrine dich neu großfüttern, wenn du nicht akzeptierst, das du in der Welt der Erwachsenen angekommen bist und dich da nicht mehr wie ein ängstliches Kleinkind benehmen darfst. So, und jetzt komm bitte!"
"Sie haben das längere Ende vom Besenstiel in der Hand, nur deshalb meinen Sie, auf mir herumtrampeln zu dürfen", grummelte Gérard. Julius schloß schnell die Badezimmertür. Er hatte für einen Abend genug seelischen Müll aufgeladen bekommen.
Julius hatte heute auch keine Prüfungen. Robert hatte Zaubereigeschichte am Vormittag. Laurentine hätte mit den anderen Muggelkunde am Nachmittag gehabt, wenn sie nicht wegen des Turniers von diesen Prüfungen freigestellt worden wäre.
"Gérard bleibt mit mir und Sandrine heute hier", sagte die Heilerin. Wir werden alles besprechen, was ansteht. Habt ihr heute noch Prooben?" fragte Madame Rossignol noch.
"Ich helfe da als Illusionsmeister und technischer Berater für Muggelweltsachen. Wieso?" wollte Julius wissen.
"Weil ich Millie und Aurore gerne für diesen Tag freigeben würde."
"Okay, Nachmittags könnte ich. Da finden Tanzproben und Gesangsabstimmungen statt. Die Raps, die ich für die Feier geschrieben habe können Laurentine und Apollo auch ohne mich einsingen. Was was bedeutet habe ich ja lange erklärt", sagte Julius.
So kam es dann, daß Julius seine von der Niederkunft erholte Frau und seine kleine Tochter am Nachmittag aus dem Krankenflügel abholte. Madame Rossignol hatte sich mit den Noch-Eheleuten Dumas in das Schlafzimmer von Sandrine und Gérard zurückgezogen. Die Zwillinge lagen friedlich in ihrer Doppelwiege. Wenn was war und sie schrien, würde ein darauf abgestimmter Meldezauber direkt an Sandrines Armband senden.
"Das ist genau das, was ich vermißt habe, Monju", sagte Millie. "Mit dir im Pavillon sitzen, uns über deine und meine Sorgen unterhalten und dazwischen die kleine Aurore im Park herumtragen, damit sie schon mal riecht und hört, wie der Sommer ist", schwärmte Millie. Sie lebte richtig auf. Julius genoß es, auch wenn er seinen Herzanhänger im Moment nicht trug. Das war es, was er immer schon gewollt hatte, mit einem ihn liebenden Menschen zusammen sein, nicht über die Verpflichtungen der Welt nachdenken müssen und diesen Menschen selbst so innig lieben, daß beide zusammen mindestens ein Kind haben wollten.
"An und für sich kann Chloé Eauvive Gérard neu großfüttern, wenn der noch so verängstigt ist, weil ihm so früh so viel zugemutet wurde", seufzte Millie, als sie mit Julius wieder auf den Palast zuging. Mayette kam mit ihrer älteren Schwester Patricia herbei. Beide kannten die kleine Aurore ja schon längst. Aber sie mal im freien zu sehen fand Mayette richtig süß.
"Warte ab, wenn wir wieder zu Hause sind und wir Mamans und Papas vier neue dauernd schreien hören", meinte Patricia dazu. Das wirkte. Mayette verzog das Gesicht. Sie hatte sich umstellen müssen, daß noch zwei Jüngere Geschwister angekommen waren. Das dann noch vier ganz kleine Geschwister auf die Welt gekrabbelt waren empfand Mayette wohl als sehr gewöhnungsbedürftig. Und wenn die großen Ferien waren, würde sie wohl jeden Tag zählen, wann sie Wieder in den streng geregelten Betrieb von Beauxbatons zurückkehren durfte.
"Darfst du jetzt auch wieder am roten Tisch sitzen, Millie?" Fragte Patricia.
"Erst wenn die Prüfungen rum sind, weil ich mich ganz in Ruhe mit Aurore beschäftigen soll, um dann, wenn sie ein paar Kilo mehr wiegt und ich ein paar Kilo weniger, die ganzen Prüfungen machen zu können, die Julius und die anderen aus meiner Klasse gerade machen", sagte Millie.
"Ich glaube, das rede ich Marc besser aus, daß wir uns noch hier in Beaux ein Baby zulegen", seufzte Patricia.
"Dann mußt du den aber erst auf deinen Besen rufen, bevor du dir von dem was Kleines unter deinen Rock legen läßt", erwiderte Mayette.
"Eh, Schwesterchen, nicht frech werden. Sonst sage ich Maman, daß du die vier ganz kleinen jeden Tag saubermachen und wickeln willst."
"Brrr", erwiderte Mayette und lief einfach weg.
"also, Pattie, du kennst das ja, was Madame Rossignol Sandrine und mir aufgehalst hat. Ich durfte heute nur länger raus, weil Julius ja bei mir sein konnte. Wenn was gewesen wäre hätte er mich sofort in den Krankenflügel zurückbringen können, ohne daß ich wen hätte rufen müssen. Und ob Marc zu dir auf den Besen und dann noch woanders hin will mußt du mit dem klären, wenn ihr zwei euch ganz sicher seid, daß ihr auch zusammen bleiben wollt. Ihr müßt das ganz sicher wissen. Sonst macht ihr euch gegenseitig die Tage kaputt", sagte Millie.
"Ach, dann stimmt's, daß Gérard seine Mutter fragen will, ob er sich nicht von Sandrine scheiden lassen kann, weil ihm das mit den beiden Plärrpüppchen zu viel auf einmal wurde?" wollte Patricia wissen.
"Ich habe ein Alibi, wie die Strafverfolgungsleute das nennen. Ich habe diesen Unsinn nicht rumgereicht. Wer erzählt denn sowas?" wollte Millie wissen.
"Nadine hat's von zwei älteren Mädchen aus ihrem Saal, und die haben es wohl von Jungs aus dem Saal von Gérard und Julius, daß der wohl lieber abhauen würde."
"Ui, dann sollte ich mal mit den Jungs aus meinem und Gérards Saal reden, daß das ziemnlich gemein ist, sowas rumzutratschen, wo Sandrine das vielleicht auch mitkriegt", sagte Julius. Er wußte ja schon, daß Sandrine es wußte. Die ganze Parkparade mit Millie diente ja vordringlich dem Zweck, Madame Rossignol den Rücken freizuhalten, damit sie dieses und andere Mißverständnisse aufdeckte und aus dem Weg räumte.
"Dann stimmt das nicht, daß Gérard mit seiner Mutter geredet hat."
"Also, zum einen gilt ja hier, daß Kinder oder Neffen und Nichten von Lehrern nicht zu denen hinlaufen dürfen, wenn ihnen was nicht paßt, weil die Lehrer ja für alle Leute hier gleich gut da zu sein haben", sagte Julius. "Zum zweiten hat seine Mutter ihm geraten, die Sache mit Sandrine durchzustehen, wenn er ein Mann werden will. Das war an seiner Hochzeit. Deshalb wird er wohl kaum zu ihr hinlaufen, wo halb Beaux mithört und alles verdreht weiterplaudert."
"Und falls doch, dann wohl, damit sie ihn wieder unter ihren Umhang krabbeln läßt, um ihn nochmal richtig ins Leben reinzuschaukeln", mußte Millie jetzt noch eine Gehässigkeit anbringen.
"Echt, geht sowas?" fragte Patricia.
"Das kannst du deine Maman fragen, wenn die meint, daß du noch nicht lange genug in ihr herumgeturnt hast", erwiderte Millie. Patricia verzog das Gesicht. Dann fiel ihr wohl was ein. "Ach klar, stimmt, dieses Iterapartio-Ding, von dem Trice mir was erzählt hat. Aber dann müßte Gérard ja unter ganz anderem Namen neu aufwachsen. Außerdem dürfte dann nicht die eigene Mutter den noch mal kriegen, wenn Trice da nix vom lila Einhorn gesagt hat."
"Also ich bin froh, daß ich groß genug bin, um ein eigenes Baby zu haben und nicht von wem herumgetragen werden zu müssen", sagte Millie. Julius nickte bestätigend. Patricia grinste nur und sagte dann, daß sie das wohl in fünf oder sechs Jahren auch mal sagen könnte. Dann zog sie ab, um mit ihren beiden Nichten Callie und Pennie noch was zu klären, bevor es zum Abendessen ging.
Nach dem Abendessen half Julius noch bei den für heute angesetzten Proben aus. Er durfte das Farbenlied mitspielen, das sich seit der Abschiedsfeier von Jeannes Jahrgangsstufe zum festen Bestandteil der Festlichkeiten gemausert hatte, ebenso wie das Abschiedslied für Beauxbatons. Das Farbenlied wurde noch durch die magische Entsprechung von Lasereffekten aufgepeppt, und aus den Instrumenten schlängelten sich die Textzeilen für alle die, die mitsingen wollten und das Lied noch nicht richtig drauf hatten. Spät abends war Julius sichtlich erschöpft. Er besuchte seine Frau noch einmal. Sie bedankte sich für den netten Nachmittag und wünschte ihm viel Glück bei der Prüfung Schutz vor zerstörerischem Zauberwerk.
Madame Rossignol errichtete einen Klangkerker, als Julius aus dem Wandstück mit Verbindung zum grünen Saal purzelte. Sie deutete auf einen freien Stuhl und ließ ihn sich hinsetzen.
"So, Julius", setzte sie an. "Die beiden haben sich ausgesprochen, lautstark, manchmal ungehörig schrill oder brüllend. Aber sie haben sich ausgesprochen. Gérard hat bestätigt, daß er mal gesagt hat, er würde am liebsten die Reise nach Martinique ungeschehen machen, um wie ursprünglich geplant das letzte Schuljahr in getrennten Sälen noch ihre eigenen Schulsachen zu Ende zu bringen. Sie hat ihm dann vorgehalten, ich hätte ihn dann ja gleich als neue Ziehmutter großziehen dürfen, wenn er so viel Angst vor einer eigenen Familie habe und sich noch für zu klein halte. Ich mußte dann einwerfen, daß es nicht mein Beruf ist, durch einschneidende Erlebnisse aus der geistigen Balance geratene Schüler neu großzuziehen, sondern daß ich nur vorführen wollte, wie hilflos ein neugeborenes Kind ist. Es ist nicht der Ekel vor vollen Windeln oder Säuglingsspeichel, sondern die ständige Erinnerung, von anderen benutzt worden zu sein. Ähnliche Traumata erleben Imperius-Opfer. Daß du so schnell von deiner Begegnung mit Halliti kuriert wurdest mag daran liegen, daß sie dich noch nicht wirklich gefügig gemacht hatte. Aber du kannst dir zumindest gut vorstellen, wie sich jemand fühlt, der gegen seinen Willen zu ihm unangenehmen Dingen getrieben wird. Ich habe ihn gefragt, ob er Sandrine die Schuld an der frühen Lebensumstellung gebe. Er hat erst überlegt und das dann verneint. Sandrine, die ja ihre beiden Kinder auf jeden Fall bekommen und großziehen wollte, wollte dann wissen, ob er den beiden Kindern die Schuld für ihre Existenz gebe. Das hat er auch verneint. Aber er wolle nicht ständig daran denken, wie sie entstanden seien. Ich versuchte dann, ihm zu raten, sich vorzustellen, daß es die Kinder der Frau seien, die er aus Liebe geheiratet hat. Damit, so Gérard, habe er sich ja die halbe Schwangerschaft Sandrines lang aufrechthalten können. Doch nun, wo die beiden auf der Welt seien, stürze nun alles über ihm zusammen, was er sich als sicheres Leben vorgestellt habe. Natürlich wollte ich dann wissen, was genau er als sein sicheres Leben ansah. Darauf hat er mir und Sandrine erzählt, wie er sich seine Zeit nach Beauxbatons vorstellte. Sandrine mußte dann auf mein Insistieren auch erwähnen, wie sie sich ihr Leben vorgestellt habe. Ich übernahm es dann, mit den beiden einen Weg zu suchen, der ihrer beiden Ziele und die ihnen vorzeitig auferlegte Fürsorgepflicht für gleich zwei Kinder auf einen für alle erträglichen Weg bringe. Über die Einzelheiten möchte ich nichts näheres ausführen,da es dich und den grünen Saal von Beauxbatons nicht betrifft. Wenn Gérard dir in dieser Hinsicht Auskunft erteilen möchte steht ihm das frei. Gleiches gilt für Sandrine. Jedenfalls sind wir darüber eingekommen, daß die beiden in dem Haus, daß Gérard geerbt hat, erst einmal getrennte Schlafzimmer beziehen mögen, bis sie einander wieder nahe genug sind, um auch das Bett zu teilen, in jeder Hinsicht. Das könnte eine gewisse Zeit dauern, und es wäre sinnvoll, eine neutrale, nicht aus der Schule bekannte Mittelsperson einzubeziehen, mit der sie anstehende Probleme erörtern und lösen könnten, bevor sie zu einem unumkehrbaren Zerwürfnis führen würden. Um das Gefühl, des einander annäherns ohne die Verbindlichkeit, die Nächte im selben Zimmer verbringen zu müssen zu vermitteln, wird Sandrine auch nach den Prüfungen im Wochenbettzimmer übernachten. Millie kehrt auf jeden Fall zu dir in euer gemeinsames Zimmer zurück. Ich habe ganz bewußt provokant angeboten, daß Gérard ja die letzten Wochen seiner Schulzeit im Siebtklässlerschlafsaal des grünen Saales verbringen kann. Natürlich hat er das abgelehnt, weil er ja dann als Versager gelten würde, der zu früh geheiratet hat und noch zu schwach für die Verantwortung als Familienvater sei. Jedenfalls sind die beiden darüber eingekommen, daß eine Heilerin aus der Delourdesklinik, die sich auf die seelischen Verletzungen auf Grund magischer Manipulationen versteht, die beiden betreut, ohne daß der restliche Bekanntenkreis davon erfährt. Dir und nur dir sage ich das, weil ich dich darauf einstimmen wollte, daß Gérard jetzt eine schwierige Phase durchmacht, in der du ihm unaufdringlich helfen kannst, solange ihr zusammen in Beauxbatons seid. Damit meine ich nicht, daß du ihm alle Verantwortung aus der Hand nimmst. Ich meine jedoch, daß du ihm genug Gelegenheiten geben mußt, sich mit Sandrine auszusprechen, um noch vor dem letzten Schultag einen sicheren Ausgangspunkt zu finden. Für die beiden Kinder wäre es auf jeden Fall sehr hilfreich, wenn sie mit zwei einander anerkennenden, vertrauenden und ja auch liebenden Eltern aufwachsen würden. Denn die beiden können ja nun am wenigsten für ihre Existenz."
"Gut, ich kläre das mit Gérard, wie wir die letzten Wochen zubringen und ob er mehr Freiraum für Sandrine und die Kinder haben möchte. Mehr darf ich dann ja wohl nicht tun."
"Ja, doch. Da ist noch was, Julius. Gérard könnte sich in die fixe Idee hineinsteigern, Rache an den Leuten von Vita Magica zu nehmen, die ihn und Sandrine derartig ausgenutzt haben. Wir wissen nicht, wie viele Mitglieder dieser höchst dubiose Bund hat, geschweige denn, wo deren Hauptquartier liegt oder ob sie ein Netzwerk unterhalten, bei dem es nicht reicht, einzelne Knoten zu zerschlagen oder ob es nur eine kleine Gruppe von fanatischen Hexen und Zauberern ist, die sich zum Ziel gesetzt haben, der ihrer Meinung nach ungehemmten Vermehrung der magielosen Menschen durch gezielte Nachzucht magisch begabter Menschen auch gegen den Willen der magisch begabten Eltern entgegenzuwirken. Im Grunde müssen wir jene Weltmeisterschaftsfeier auf Martinique als Spitze eines Eisberges oder als kurzes aufflackern eines hinter dicken Wänden brennenden Feuers ansehen. Selbst wenn Gérard über jemanden Kontakt zu jemandem bekäme, der oder die Leute von Vita Magica kennt, würde er sich in große Gefahr begeben. Bestenfalls findet man ihn ohne Erinnerungen irgendwo auf der Welt wieder. Schlimmstenfalls verschwindet er für immer aus der Welt, ob tot oder nur lebenslänglicher Gefangener der Bande."
"Oha, wenn die denken, der könnte sie auffliegen lassen, könnten sie ihn entweder umbringen, imperisieren, sein Gedächtnis komplett umstricken oder ihn als Zuchtexemplar in einen geheimen Befruchtungsstall einsperren. Keine nette Vorstellung", erwiderte Julius. Madame Rossignol nickte. Dann sagte sie: "Hmm, das Wort "umstricken" möchte ich mal lieber mit "Umformen" oder "Umändern" ersetzen, da so etwas produktives und beruhigendes wie Strickarbeit nicht im Zusammenhang mit brutaler Erinnerungs- oder Persönlichkeitsverfremdung angebracht ist." Julius mußte grinsen, als sie auf ihre Stricknadeln deutete, die in einem dickenWollknäuel steckten. Dann fügte sie noch hinzu: "Wenn er dich fragt, ob du ihm helfen willst, male ihm das alles aus, was ihm passieren kann. Deine Phantasie und die Geschichten aus der utopischen Literatur der Muggel geben dir genug Werkzeuge, um ihn hoffentlich von seinen Plänen abzubringen. Lebe ihm vor, wie schön es ist, ein eigenes Kind zu haben. Vielleicht solltest du ihm anbiten, die beiden Kinder unter deinem Namen aufzuziehen, falls er ihnen nicht seinen Namen geben will. Er wird darüber nachdenken, es womöglich erst gutheißen. Doch dann, wenn es konkret wird, wird er hoffentlich davon zurücktreten. Und sollte er darauf beharren, kannst du ihm immer noch sagen, daß deine Frau dir gedroht hat, mit Aurore das Weite zu suchen, wenn du andere als die von ihr selbst ins Leben geborene Kinder großziehen willst."
"Was heißt, daß ich Millie zumindest in diesen Abschnitt ihres Psychomanövers einweihn muß", raunte Julius.
"Als wenn das für dich und sie ein Hindernis wäre, wo du sie fast in alles eingeweiht hast, was das Zaubereiministerium gerne als sein eigenes, streng verwahrtes Geheimnis hüten würde."
"Altaxarroi ist aber meine Sache. Und wen ich darin einweihe bestimme ich, auch wenn ich weiß, daß jeder Mitwisser weiterplaudern könnte. Aber davor schützt mich und Millie die Magie des Sonnenblumenschlosses, die wichtige Geheimnisse hütet."
"Gut, das kannst du dir überlegen. Die Nacht fängt ja jetzt an. Schlaf drüber, wie Gérard jetzt über die heftige Aussprache heute schlafen wird. Es wäre nicht gut, wenn du ihm begegnest, wenn er aus dem grünen Saal zurückkommt. Also Abmarsch in deine traute Unterkunft!"
"Jawohl, Madame", erwiderte Julius gehorsam und verließ das Sprechzimmer. Er schaffte es, weit vor Gérards Rückkehr in seinem Schlafzimmer zu sein. Immerhin wußte er jetzt, daß das zwischen Sandrine und Gérard noch nicht verloren war. Mit dieser beruhigenden Gewißheit schlief er dem nächsten Prüfungstag entgegen.
In der Theorie zur Abwehr dunkler Kräfte ging es im wesentlichen um dunkle Kreaturen, verheerende Elementarzauber und Situationsflüche und ihre Aufhebung. Die Oberaufsicht führte Professeur Dirkson.
Am Nachmittag durfte Julius bei Professeur Perignon die praktische Prüfung ablegen. Zuerst duellierten sie sich in einem magisch eingefriedeten Bereich, bis Perignon sagte, daß er wohl noch zwei Stunden so hätte weiterfechten können. Julius sei wohl gut genug für direkte Auseinandersetzungen gewappnet. Er sollte dann den magischen Mittelpunkt des Raumes bestimmen, die Aufhebungszauber gegen Situationsflüche vorführen und am Ende noch fünf Minuten Occlumentieübungen machen. Julius fühlte, daß Perignon bewandert war, in den Geist seines Gegenübers vorzudringen. Er dachte sich, daß es um sein Leben ginge, wenn er sich eine Blöße gab und hielt mit aller bereits erprobten Stärke gegen. Er hatte Anthelia auf Abstand halten können. Doch die hatte wohl längst noch nicht ihre volle Kraft eingesetzt. Ganz zum schluß durfte er noch einmal seinen vollgestaltlichen Patronus herbeirufen. Als nach den Zauberworten "Expecto Patronum!" eine gewaltige, silberweiß leuchtende Kuh mit Flügeln aus Julius' Zauberstab heraustrat und einmal durch die Aula trottete, klatschten nicht wenige Beifall, als sie sahen, woher das aus reiner Magie bestehende Ungetüm kam. Professeur Fixus, die in diesem Prüfungsabschnitt die Oberaufsicht führte, gebot unverzüglich Ruhe und sagte nur: "Jene, die heute ihre ZAGs erwerben möchten dürfen diese Demonstration als ein Ziel sehen, daß sie zu erreichen lernen mögen. Jene, die die UTZs zu erwerben wünschen dürfen versichert sein, daß sie ebenfalls eine derartige Vollendung eines Patronus-Zaubers erlernen können, auch wenn Sie alle durch die schon oft besungene Tür zur weiten Welt hinausgetreten sein werden. Aber bis dahin bewahren Sie Disziplin und setzen Sie die von Ihnen erwartete Arbeit fort! Vielen Dank!"
"Gut, dann ist von meiner Seite her nichts zu beanstanden. Die Kampfgefährten Faucon und Delamontagne haben nicht übertrieben. Das beruhigt mich und darf Ihnen vorerst als ausreichendes Lob dienen. Näheres zu Ihren Leistungen werden Sie dann von der Prüfungskommission erfahren. Noch einen erholsamen Abend!" Julius bedankte sich bei dem Prüfer und verließ die Aula.
"Ich habe mich jetzt entschieden", sagte Gérard. "Ich bleibe bei Sandrine. Womöglich bekomme ich keine zweite Chance wie diese. Aber diese Mistkäfer, die uns zwei zur frühen Elternschaft getrieben haben, sollen sich wundern, wenn wir erst mal aus Beaux heraussind. Die denken sich, denenkäme keiner auf die Spur. Wenn es das ist, was ich aus meinem Leben machen soll, dann daß ich unschuldige Leute davor bewahre, von denen zu unfreiwilligen Bruteltern gemacht zu werden."
"Hoffentlich übernimmst du dich da nicht", sagte Julius, der fühlte, wie Gérards Ärger über das, was ihm in diesem fast beendeten Jahr alles aufgeladen worden war, in wilde Kampfeslust umgeschlagen war.
"Ich denke nicht, Julius. Die arbeiten mit schmutzigen Tricks und zeigen sich nicht so offen wie eure Todesser oder Didiers Handlanger. Wenn denen wer draufkommt und das an den richtigen Stellen erzählt, wer die sind, dann sind die erledigt."
"Ja, und genau deshalb werden die, ähnlich wie die sizilianische Mafia, jeden stumm machen, der zu viel reden will", warnte Julius Gérard. Er war kein Feigling. Aber er hielt auch nichts von unvorhersehbaren Risiken.
"Die wollten Sandrine und mich fertigmachen. Wenn ich rauskriege, wer die sind, mach ich die fertig, und wenn die mich dabei über den Haufen fluchen."
"Nicht bevor die nicht alle ihre weiblichen Mitglieder von deinem Samen abgegeben haben, damit du noch mal hundert Babys ohne deinen Willen auf den Weg bringst. Die pferchen dich in einen plüschigen Schlafsaal mit riesengroßer Matratze ein und schicken dir alle zehn Minuten eine rein, die mit dir zusammen unter dem Einfluß des Regenbogentänzers den kleinen, bunten Vogel ruft. Das machen die dann solange, bis du vor Erschöpfung krepiert bist oder du kapiert hast, daß es dir nichts bringt, alle von denen auffliegen lassen zu wollen. Am Ende willst du auch nichts anderes mehr sein als deren fleißiger Deckhengst, eine ständig einsatzbereite Drohne für hunderte von willigen Bienchen. Wenn Sandrine das gut findet, so einen Mann zu haben, der hundertfünfzig Babys über die ganze Welt verteilt hat, dann suche die Leute von dieser Gruppe. Aber laß dir gesagt sein, die sind rücksichtslos. Du hast ja Venus Partridge kennengelernt. Die kann dir ein Lied davon singen, wie das war, sich mit diesen Leuten anzulegen. Die hätte fast so geendet, wie ich dir das gerade ausgemalt habe", sprach Julius. Er mußte sich anstrengen, seine innere Genugtuung nicht nach außen sichtbar werden zu lassen. Gérard erbleichte bei dem reinen Entwurf eines möglichen Schicksals als Befruchtungssklave der Vita Magica. Dann nickte er.
"Echt, das könnten die bringen? - Öhm, ja, könnten die, wenn die eine ganze Festgesellschaft wie die Kanickel zusammentreiben können, dann können die das mit jedem einzelnen machen. Drachenmist! Aber was können wir dann gegen die machen?"
"zusehen, das deren Wundertränke nicht in allen möglichen Zaubererweltwirtshäusern landen. Mehr geht wohl nicht in der Richtung. Aber wenn du Probleme mit euren Kindern hast, dann können Millie und ich die adoptieren, sobald Sandrine die beiden abgestillt hat."
"Weiß Millie, daß du sowas vorschlägst?" knurrte Gérard.
"Wie gesagt, wenn Sandrine sie nicht mehr direkt füttern muß oder will. Millie hat da ihre Prinzipien, was die direkte Säuglingsfütterung angeht. Aber die will auch nicht, daß du vor den beiden abhaust und Sandrine ohne Hilfe zurückläßt. Ich könnte noch mal mit ihr reden."
"Neh, nachher sagt die ja, dann hängt die raus, daß sie meine Kinder großziehen mußte, weil ich so'n Schlappschwanz wäre. Komm, die hat ein halbes Jahr mit mir zugebracht. Die würde glatt behaupten, daß du wesentlich erwachsener seist, weil du ihr beim Großfüttern ihrer Kleinen hilfst und ich angeblich Schiß vor vollgekackten Windeln habe. Neh, das fangen wir nicht an, Julius. Danke für das Angebot."
"Ja, aber wenn du das nicht willst, dann mußt du Sandrine irgendwie helfen, die beiden großzukriegen, allein schon um deine besserwisserischen Onkels und Großtanten stillzuhalten und wer sonst noch getönt hat, es sei zu früh für dich zum heiraten. Denn denen war ja klar, daß du spätestens ein Jahr nach der Hochzeit ans Kinderhaben denken mußt, weil Sandrines Eltern und Großeltern darauf bestanden hätten. Na ja, aber da hänge ich mich wohl in was rein, was mich ja nichts angeht."
"Stimmt, du hast die ganzen Anstandskrämer und -krämerinnen ja mitbekommen, Julius", grummelte Gérard. "Stimmt, die wissen das nicht, daß ich dran gedacht habe, Sandrine mit den Bälgern sitzen zu lassen."
"Jetzt muß ich doch noch mal klugscheißern, Gérard", setzte Julius an. "Wenn du deine und Sandrines Babys als auch deine Kinder annehmen möchtest, nenne die nicht Bälger oder Hosenscheißer oder wie auch immer. Respekt vor einem Menschen fängt bei der Bezeichnung an."
"Ja, stimmt, das ist Klugscheißerei", knurrte Gérard, mußte dann aber nicken. Dann zog er sich in das gerade nur von ihm bewohnte Schlafzimmer zurück.
Der Freitagvormittag war für Julius wieder Freizeit. Eigentlich hätte er Astronomie behalten können. Dann hätte er jetzt eine leichte Endprüfung. Am Nachmittag waren dann die alten Runen dran. Julius hatte noch einmal alle Machtrunen und die fortgeschrittenen Logogramme geübt, ja sogar Sandrine einen Brief in Runenschrift geschrieben. Sie hatte sich sehr für die geistige Herausforderung bedankt und ihm für diesen Prüfungsabschnitt viel Glück gewünscht.
Tatsächlich bestand der Großteil der von Professeur Paximus beaufsichtigten Prüfungsarbeit daraus, alte Texte zu übersetzen und die Reihenfolge von Machtrunen und Wirkungsrunen bei gewünschten Zaubern zu ordnen. Am Ende der vierstündigen Prüfung waren alle froh, endlich zum Abendessen gehen zu können.
"Sandrine meint, du solltest Gérard die wichtigsten Runen für nette Liebesbriefe beibringen", scherzte Millie. Sandrine, die gerade ohne den trennenden Wandschirm auf dem Nachbarbett saß sagte dazu nur:
"Runen sind nützlich für dauerhafte Zauber. Könnte Gérard nicht schaden, wenn er einige davon machen könnte."
"Mir war das damals zu viel Theoriekram, wo ich schon Arithmantik und Muggelkunde genommen habe", sagte Millie mit gewissem Bedauern. Julius hörte heraus, daß sie doch was versäumt zu haben glaubte, nachdem sie mitbekommen hatte, wie viele dauerhafte Zauber durch Runen an Orte oder Gegenstände gebunden werden konnten. Sandrine winkte Julius noch einmal herüber. Der kleine Roger lag unter ihrem Stillumhang an.
"Danke, daß du Gérard davon abgebracht hast, hinter diesen Leuten von der Zaubererbrutbande herzujagen. Ich sehe zu, daß ich noch eine Entschädigung von dem Wirt kriege, weil unter dessen Dach dieses zeug verkauft wurde. Ob der da mit drinhängt oder nur ausgenutzt wurde kann mir dann egal sein."
"Ich weiß vielleicht besser als alle anderen Leute hier in Beauxbatons, wie bescheuert es sich anfühlt, von Leuten oder Monstern ausgenutzt zu werden und das alles bei klarem Bewußtsein mitzukriegen. Dieses Abgrundsflittchen hätte mich fast einverleibt, und wenn Madame Rossignol nicht die Wahnsinnsidee gehabt hätte, Madame Maximes Blut in mich reinzupumpen, hätte ich als bissiger und unkaputtbarer Schlangenmensch dich oder Gérard oder Millie in die Reihen dieses Irren eingegliedert, der meinte, eine ganze Welt beherrschen zu können, indem er die bereits vorhandene erst einmal kaputtschlägt. Deshalb bin ich wohl einer der wenigen, die das ungefähr nachempfinden können, was in Gérard herumspukt."
"Na ja, ein bißchen hänge ich ja auch mit drin, weil ich ihn ja noch vor dem siebten Schuljahr heiraten wollte", seufzte Sandrine. "Wir hätten es ja auch wie Robert und Céline machen können, erst die Besenwerbung, wenn die UTZs anstehen. Das habe ich jetzt davon. Ich darf mir die UTZs als persönliches Weihnachtsgeschenk verdienen, weil ich auf einer Sommerparty an einem mir total unbekannten Getränk genascht habe. Immerhin ist Gérard mir nicht mehr böse, weil ich ihm manchmal doch heftig Angst gemacht habe und er meinte, ich würde ihn mit den beiden nur in den Wahnsinn treiben wollen." Ein leiser Rülpser klang unter ihrem Umhang hervor. "Ja, du bist satt, kleiner Mann. Dann kannst du jetzt auch wieder in eure große Heia und weiterschlafen", säuselte Sandrine mit erhöhter Stimmlage und praktizierte den satten Roger in die große Wiege zu seiner Zwillingsschwester.
"Geht das mit der Doppelwiege?" Fragte Julius.
"Hera und Madame Rossignol meinen, daß die besser schlafen, wenn sie sich aneinanderkuscheln, weil die das aus meinem Unterbau so und nicht anders kennen. Zwillinge halt."
"Da darfst du dir von meiner Tante Barbara was drüber vorsingen lassen. Die kennt Lieder über Zwillingstöchter und -söhne", mischte sich Millie ein.
"Sollte ich wohl mal machen, mich mit Jeanne, Madame Montferre und deiner Tante Barbara unterhalten. Was macht denn deine Oma und ihre vier Neuzugänge?"
"Julius, holst du mir bitte meinen Schmetterlingsboten rüber. Ich darf jetzt wieder mit meinen Leuten schreiben, wo Sandrine aus der heftigsten Erholungsphase raus ist", sagte Millie.
"Wie Mylady wünschen", sagte Julius und eilte schnell in sein und Millies Zimmer, wo er ihren Pappostillon nahm und ihn seiner Frau brachte. Millie textete schnell noch eine Nachricht an ihre Großmutter. Darin fragte sie keck: "Was machst du mit den vieren. Das fragt meine Bettnachbarin, die gerade damit warm wird, Zwillinge zu haben." Es dauerte keine Minute, da trompetete der gemalte Zauberschmetterling, daß er eine Antwort mitgebracht hatte. Diese schlängelte sich aus dem Rüssel des bunten Boten. Millie ließ Sandrine und Julius mitlesen.
"Immer gut trinken und genug Vitamine essen, beide Brüste zuteilen. Bei mir erst die Mädchen dann die Jungen, bis alle vier satt sind. Gute Nacht euch sechsen!" las Julius laut vor. Sandrine grummelte, ob Julius das wirklich hatte lesen müssen.
"Wir machen da kein Geheimnis draus, wozu die Schöpfung die Körperteile der Hexen gemacht hat", sagte Millie. Das mußte Sandrine wohl einsehen.
"So, die jungen Mütter, ich möchte gerne auch Heia machen und eine Stunde länger schlafen, weil ja morgen Samstag ist. Wird eh wieder anstrengend, weil unser Programm jetzt in die heiße Testphase eintritt, wo nur noch die Routinen sortiert und winzige Abweichungen behoben werden müssen. "
"Dann schlaf dich gut aus, Julius", sagte Millie. Sandrine wünschte ihm auch noch eine gute Nacht. Die würde Julius jetzt haben, wo der ganze Seelenmüll der Dumas anständig entsorgt war.
"Also, irgendwie kann ich dieser Art, Lieder vorzutragen, nicht so recht was abgewinnen", sagte Leonie, als sie zusammen mit Belisama und Céline einen Rap geprobt hatte, in dem die Saalvorsteherinnen von Rot, Grün und Blau ihr Leid über die Schüler geklagt hatten. Apollo, der die bei den Muggelmusikern beliebte Form des Beatboxings, Rhythmusinstrumente und tiefklingende Instrumente mit Mund und Stimme zu imitieren, liebgewonnen hatte, meinte dazu: "Alles eine Frage des Rhythmusgefühls, Leonie."
"Daß die Art von Musik bei den Muggeln in unserem Alter so ankommt weiß ich ja. Aber mit Gesang hat das ja dann doch nichts zu tun", erwiderte Leonie. Julius hantierte schweigend mit einigen Zaubern, die er sich aus den vielen Zauberkunstbüchern abgeschrieben und eingeübt hatte, die er von Catherine Brickston und Dumbledores altehrwürdiger Cousine Sophia Whitesand geschenkt bekommen hatte. "So, Leute, die Bewegungssimulation in den Stühlen steht jetzt. Hoffentlich muß keiner sein Mittagessen ausspucken, wenn wir das anfahren", sagte er und rief mit Apollo und Laurentine eine Folge bewegter Illusionen auf, die in Abstimmung mit den aufgestellten Stühlen den Eindruck erzeugten, jemand würde tatsächlich durch eine Landschaft fahren. Julius hatte sich an die entsprechenden Fahrgeschäfte in Vergnügungsparks erinnert, wo vor allem Raumflüge auf diese Weise simuliert wurden.
"Ich fahre das mal probe", meldete sich Xavier Holzmann aus dem violetten Saal und nahm auf einem der Stühle Platz. Jetzt ging der wilde Besenflug los, über ein Quidditchfeld, mit entsprechend verrutschenden Perspektiven. Um sie herum erklang das Johlen der Zuschauer.
"Jauuuu! Können wir in die große Aula einbauen, wenn die Prüfungen durch sind!" frohlockte Xavier. "Julius, ich glaube, die Thaumaturgen werden sich gegenseitig aus dem Weg fluchen, um dich für ihre Werkstätten zu sichern. Ich habe echt gedacht, mit dem Stuhl wie auf dem Besen über dem Feld herumzufliegen und gerade so noch einem Klatscher auszuweichen. Stark!"
"In Ordnung. Dann können wir jetzt die Szene mit der zweiten Runde proben", sagte Céline, die von allen als Regisseurin anerkannt wurde.
Beim Mittagessen sprachen die Mitglieder der Festtagsgruppe nicht über die geplante Vorstellung vor dem Abschlußball. Kevin versuchte zwar, Julius einige Informationen zu entlocken. Doch er erwähnte darauf nur, daß die Vorstellung aus Gesang, Tanz und gespielten Szenen bestand, so wie immer. "Ja, toll, wo wir in Hogwarts sowas nicht machen", sagte Kevin darauf nur.
"Jede Schule hat ihre Tradition", bemerkte Julius dazu.
Am Nachmittag ging Julius mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter spazieren. Millie hatte den zusammenschrumpfbaren Wickeltisch in einer großen, rosaroten Tragetasche. Aurore steckte in einem flauschigen, ebenso rosaroten Tragetuch auf dem Rücken. Sie sprachen über die vergangenen Tage. Julius hatte seiner Frau einen Zettel mit den geplanten Szenen und die Liedertexte auf Pergament notiert. Sicher hätte sie bei der Vorbereitung des Abschlußballs mithelfen wollen. Unterwegs trafen sie das Mädchentrio Babette, Armgard und Jacqueline. Die drei hatten die kleine Aurore noch nicht in Natura gesehen. Babette wirkte dabei gelassen, als bekäme sie jeden Tag gerade einen Monat alte Säuglinge zu sehen, während Armgard und Jacqueline große Augen machten und jauchzten: "Sieht die süß aus."
"Klar, weil die schläft", bemerkte Babette dazu kalt. "Aber wenn die losplärrt ist die sicher nicht mehr süß."
"Babette, die kleine ist doch niedlich", meinte Armgard verzückt.
"Sie ist ein Baby, die sind nun mal klein", erwiderte Babette drauf.
"Babette hat eine kleine Schwester, die kennt das schon, daß kleine Kinder auch anstrengend sein können", sagte Julius zu Armgard und Jacqueline. Babette funkelte ihn dafür saphirblau an.
"Die wollten wir doch auch mal sehen. Aber meine Eltern wollen mit der Zaubererwelt nix zu tun haben, auch wenn Babette in einem Normalohaus wohnt", grummelte Armgard und sah Millie an. "Kann ich die Kleine mal auf den Arm nehmen, oder kriegt die dann Angst?"
"Eher ich, wenn ich nicht weiß, ob du sie richtig gut halten kannst, Armgard", erwiderte Millie grinsend. Sie löste das Tragetuch und wickelte ihre kleine Tochter in ihrem flauschigen, rosaroten Strampelanzug mit lachenden Sonnengesichtern heraus. Sie gab die noch immer friedlich schlummernde Aurore vorsichtig in Armgards Arme. Diese faßte mit einer Freien Hand nach dem großen, runden Kopf mit dem hellblonden Flaum mit leichtem Rotstich und stützte ihn ab. Aurore schlug die hellblauen Augen auf und zwinkerte, weil ihr das Sonnenlicht einen Moment zu hell war. Armgard begann sofort, ein altes Wiegenlied zu summen, während Aurore sich wand und leise ggluckste.
"Wo hast du denn das gelernt?" staunte Babette, weil Armgard die kleine Latierre sicher und geborgen hielt.
"Ich habe das im Fernsehen gesehen, in einer Sendung für werdende Eltern und habe mit neun mal auf meine kleine Cousine Lilian aufgepaßt. Daher kann ich das." Millie lächelte sie wohlwollend von oben herab an. Aurore empfand die fremden Arme offenbar als nicht gefährlich oder beängstigend und beruhigte sich wieder. Es dauerte keine Minute, da schlief sie wieder tief und fest.
"Das möchte ich auch können, auf Knopfdruck einschlafen", grummelte Jacqueline.
"Vielleicht hat Millie ihr was zu schlucken gegeben, daß sie total müde ist", unterstellte Babette der sie um mehr als einen Kopf überragenden Saalsprecherin der Roten. Diese verzog erst verärgert das Gesicht. Doch dann mußte sie lachen.
"Babette, soweit ich das mitgekriegt habe, hat deine Maman deine kleine Schwester in den ersten sechs Monaten mit nichts anderem gefüttert als mit der eigenen Milch. Was anderes kriegt unsere Tochter auch nicht von mir. Dann müßte ich ja selbst den Trank des nahen Todes schlucken, damit Aurore vom Saugen tranig wird. Aber sie ist gerade satt und trocken und wurde von mir gerade durch den halben Park geschaukelt. Da sie das schon von der Zeit vor ihrer Geburt kennt, hat sie eben geschlafen."
"Ähm, tut das weh oder ist das anstrengend, sie zu stillen?" fragte Armgard. Millie ging darauf ein und unterhielt sich mit der Zweitklässlerin über die bisherigen Erfahrungen. Babette und Jacqueline interessierte das nicht sonderlich. Julius nahm die beiden Mädchen bei Seite und sprach mit ihnen über die Prüfungen. Babette hatte bei Professeur Dirkson die volle Punktzahl und bei Professeur Delamontagne vierzehn von fünfzehn Punkten geholt. Wie Zaubertränke liefen würde sie erst am Montag herausbekommen. Sie fragte, ob Julius ihr da noch einiges erklären konnte, was das mit der Zusammenstellung beim Schwelltrank sollte. Er versprach ihr, vor dem Abendessen noch mal mit ihr drüber zu reden. Abends würde ja noch eine Probe der Festtagsvorstellung sein. Den morgigen Tag wollten die UTZ-Kandidaten als Erholung vor der letzten Prüfungswoche nutzen.
"Ui, die ist echt schwer", murrte Armgard, als sie fünf Minuten später die kleine Aurore an ihre Mutter zurückreichte.
"Tja, da kannst du sehen, daß die bei mir gut satt wird", grinste Millie und wickelte Aurore in das mit Gewichtserleichterungszauber belegte Tragetuch ein. Dann sah sie Julius an, der verstand. Er nahm seiner Frau das kleine Bündel Leben ab und befestigte das Tuch mit dem immer noch friedlich schlummernden Inhalt auf seinem Rücken.
"Ach, wechselt ihr euch beim Tragen ab?" fragte Babette. Julius und Millie nickten. Millie sagte noch: "Eigentlich müßte Julius sie jetzt die ganze Zeit mit sich herumtragen, wo ich sie vierzig Wochen am Stück herumgetragen habe. Aber wenn sie Hunger kriegt kann er sie nicht so füttern wie ich."
"Joh, danke, daß wir die kleine mal sehen durften", sagte Armgard.
"Kein Problem, Armgard", sagte Millie. Jacqueline meinte dann noch:
"Aber ihr wolltet die kleine schon jetzt, nicht so wie bei Gérard und Sandrine?"
"Wir wollten die schon jetzt", sagte Julius. "Wir haben das besprochen, daß wir es darauf ankommen lassen, ob wir schon in diesem Jahr oder erst nach Beaux ein Baby haben. Babette, ich rausche nachher noch mal in den grünen Saal rein. Such mal raus, was für Tränke ihr in der zweiten Hattet. Ich bin ja als Quereinsteiger gleich in die dritte Klasse reingekommen, als ich herkam."
"Okay, Julius. Bis dann. Danke!" erwiderte Babette und zog mit ihren beiden Freundinnen weiter.
"Babette ist wohl von Claudine angenervt", grinste Millie. "Gut, mit Miriam hatte ich auch so meine Probleme. Aber jetzt, wo ich selbst so'n Krähmäuschen ausgeliefert habe verstehe ich, warum Ma und Pa so auf sie eingegangen sind."
"Das mit Claudine ist wie Miriam oder Norbert und Nestor was, was Babette nicht so gefällt, Millie", begründete Julius Babettes offen geäußertes Desinteresse.
"Meinst du, mir hat das damals gefallen, daß auf einmal so viele von meiner Verwandtschaft was Kleines in Aussicht hatten? Aber dafür können die kleinen ja nix. Na ja, wollen wir noch ein wenig durch den Westpark laufen, bevor du dich nach deinem ganz großen und deinem ganz kleinen Mädchen um die Prüfungsaufgaben mittelkleiner Mädchen kümmerst?"
"Meinst du, Aurore hält das aus, wenn wir dauerlaufen?"
"Martine hat die Quidditchflugeinlagen von Ma ausgehalten, als sie noch nicht an der Luft war. Außerdem kannst du dann gleich ausprobieren, wie gut das Tragetuch hält." Julius nickte.
Im lockeren Lauf, mit den Füßen nicht zu hart auftretend, trabten Vater und Mutter Latierre durch den Westpark. Dann wollten sie noch durch das Teleportal zum schuleigenen Strand. Doch vor dem Bereich, wo das magische Ferntor aufgerufen werden konnte, stand ein Schild mit wie Neonleuchtbuchstaben rot leuchtender Schrift:
ZUGANG ZUM STRAND AUF ANORDNUNG DER SCHULLEITUNG BIS ZUM 24. JUNI VERBOTEN!
"Dann bauen die da wieder was hin, was in der dritten Runde drankommt", erkannte Julius. Er dachte kurz daran, zu testen, ob er als Saalsprecher das Teleportal öffnen konnte. Doch nachher war in dem Schild ein Petzzauber, der Madame Faucon auf den Plan rief. Kurz vor den drei letzten UTZ-Prüfungen mußte er sich keine den DQ verderbenden Strafpunkte einfangen. Millie deutete auf die Stelle, wo normalerweise das magische Durchgangstor zum Strand stehen konnte und sagte: "Sicher ist Ma mit Monsieur Chaudchamp am Strand. Bin gespannt, was die für Laurentine, Gloria und Hubi Rauhfels aushecken."
"Ach, haben die den Strand wieder blockiert?" hörten sie Gérards Stimme von weiter hinten. Julius drehte sich behutsam um, um die kleine Aurore nicht zu erschrecken. Gérard und Sandrine kamen gerade hand in Hand herangeschlendert wie ein frisch verliebtes Paar. Gérard trug beide Zwillinge auf dem Rücken. Sandrine strahlte mit ihrem noch immer mondrunden Gesicht, als sie Julius mit seiner Tochter sah.
"Lustig, du darfst auch mal gucken, wie schwer dein Fleisch und Blut schon ist?" fragte sie.
"Das Tuch zieht das gewicht auf ein Viertel runter. Ich merke nur, daß ich was sich bewegendes und warmes hinten drauf habe", erwiderte Julius leise, als Sandrine in gewöhnlicher Sprechweite war. Gérard blickte auf das Schild.
"Machen die mal wieder was wie bei der zweiten Runde?" fragte er.
"Ist nur eine Vermutung", sagte Julius. "Nachher ist das Schild da ein Bluff, also eine Täuschung, und die echte aufgabe muß anderswo gelöst werden. Doch ich will das nicht austesten, ob da am Strand was ist. Nachher steckt in dem Schild ein Alarmzauber, der mir ungesagt zweihundert Strafpunkte ins Wertungsbuch stanzt. Dann kann ich das Jahr noch mal machen."
"Wo ich mich dann frage, wem das peinlicher sein müßte. Dir oder Madame Faucon und allen Lehrern von Beauxbatons", bemerkte Millie dazu. Gérard nickte.
"Ich habe das ABJ-Trio gesehen, die haben Sandrine angeguckt, als wenn sie noch nie 'ne mollige Hexe gesehen hätten. Ich hatte die Kleinen da schon auf dem Buckel. Armgard meinte, sie hätte eure Kleine auch schon gesehen und daß unsere zwei ja dagegen ziemlich winzig aussehen. Da hat Sandrine denen gesagt, daß die für sie schon groß genug waren."
"Wonach Babette ziemlich biestig gekichert hat", knurrte Sandrine. "Schade, daß wir nicht zum Strand hindürfen. Ich habe von Hera, daß Meeresrauschen so gut einlullt wie Herzschläge und Atemgeräusche."
"Wäre nicht so schlecht gewesen. Die zwei werden langsam wieder wach. Wenn die losplärren wollen die sicher was", erwiderte Gérard. Wie auf ein Stichwort setzten die beiden Dumas-Geschwister zu einem Plärrduett an, wobei der kleine Roger versuchte, das schrille Schreien seiner Schwester mit schnarrendem Gebrüll zu übertönen. "Pulleralarm", grummelte Gérard. Sandrine sah die beiden an und nahm sie von Gérards Rücken. "Ja, stimmt, wir müssen rein, um sie trockenzulegen", seufzte sie enttäuscht. Millie fischte den verkleinerten Wickeltisch aus ihrer Utensilientasche und ließ ihn auf Gebrauchsgröße anwachsen. Julius und Sandrine übernahmen es, die beiden um frische Windeln schreienden Kinder erst freizulegen, die vollen Winden in einem Geruchsabschließenden Behälter zu versenken und dann mit sanften Reinigungszaubern die beiden zu säubern, bevor sie sie wieder ordentlich wickelten. Gérard stand dabei und machte große Augen, weil Julius Sandrine in der Routine glatt überbot. Dann durfte er die beiden wieder auf den Rücken nehmen.
"Ach, ihr auch hier!" rief Patrice Duisenberg, die mit Kevin ebenfalls das schöne Wetter ausnutzte. Julius nickte. Seine Tochter wachte auf und begann zu quängeln. Millie pflückte Aurore ohne Ankündigung von Julius' Schultern und prüfte, ob sie was nötig hatte. Da der Tisch noch einsatzbereit stand reichte es, ihn mit einem extra für Säuglingspflege hergestellten Reinigungselixier abzuwischen, so daß Millie ihre Tochter bedenkenlos darauf ablegen konnte. Kevin fiel hinter Patrice zurück, als er sah, daß Julius' und Millies kleines Mädchen halbnackt auf dem Tisch lag.
"Sieht irgendwie eklig aus, das Sauzeug", meinte er, als er Aurores volle Windel sah. Julius sagte, daß das zu den wenigen unangenehmen Sachen gehörte, die junge Eltern zu erledigen hatten. Patrice strahlte die Kleine an, die immer noch quängelte, bis sie wieder warm und weich verpackt war. Da sie offenbar wieder Hunger hatte, verstaute Millie sie unter ihrem Umhang.
"Strand verboten? Och nöh! Wollte noch mal schwimmen gehen, bevor die alle morgen dahinwollten", grummelte Kevin. "Die bauen da wohl ein Drachengehege hin."
"Genau, und wer gegen das Verbot durch das Teleportal geht wird sofort vom ersten dort rumliegenden Drachen zerbrutzelt und gefuttert. Wuff! Mampf!" ging Julius auf Kevins Vermutung ein.
"Erspart einem die Strafpunkte für die Verbotsmißachtung", mußte Patrice dazu loswerden.
"Okay, Leute, wir sollten hier nicht alle herumstehen", sagte Millie. "Der Strand ist bis zur dritten Runde zu. Kann man nix machen." Sie ließ den Wickeltisch wieder zusammenschrumpfen, packte ihn fort und hängte sich die Tasche mit dem Säuglingspflegezubehör um. Dann ging sie mit den anderen zum Palast zurück.
Wie Julius es Babette versprochen hatte half er ihr und ihren beiden Freundinnen noch mit Tipps für die Zaubertrankprüfung aus. Dann war auch schon wieder Abendessenszeit.
"So, Leute. Jetzt müssen wir die ganzen Sachen nur noch üben, bis alle Texte und Zauber und Tänze sitzen", beschloß Céline die am Abend stattfindende Probe. Sie hatte in einer Szene durch ein sich zufällig immer wieder ausbeulendes Kissen unter dem Umhang ihre eigene Schwester Constance gespielt. "Wir sehen uns dann am Donnerstag morgen wieder", legte sie den nächsten Termin fest. Alle nickten ihr zu.
"Dann kann Céline auch uns beide spielen", meinte Millie zu Julius, als er ihr erzählte, was sie am Abend geprobt hatten. Da der bei Besuchern sonst übliche Wandschirm im Moment nicht da war hörte Sandrine das mit.
"Ob sie dich spielen will weiß ich nicht. Bei mir wird sie wohl Krach mit ihrem Besengeworbenen kriegen, weil der trotz der Geschichte in der Zeitung immer noch eifersüchtig auf Gérard und mich ist."
"Na ja, ob Céline dich spielen will, Millie, nachdem, was sie in den ersten Jahren mit dir erlebt hat, weiß ich nicht. Und ob sie Sandrine darstellen will weiß ich nicht. Nachher kriegt Robert krach mit Gérard, weil der sich von den beiden doch noch veralbert fühlt."
"Er hätte ja bei euch mitmachen können", meinte Sandrine dazu. Julius ließ diese Äußerung unbeantwortet.
"Es ist sommer, Leute. Genießt das schöne Wetter heute", jubelte Louis Vignier, als er zu den Latierres und Sandrine ins Sprechzimmer Madame Rossignols wandgeschlüpft war.
"Werden wir auch", sagte Millie. "Das ist herrlich, das Wetter draußen." In der Tat strahlte eine weißgoldene Sonne vom wolkenfreien Himmel. Kein Windhauch regte sich. Außer den Pflegehelfern waren alle zeitweiligen und ansessigen Schüler draußen in den Parks oder am Fluß, um sich an Frischer Luft und Sonnenschein zu erfreuen. Madame Rossignol begrüßte ihre Pflegehelfer und hoffte, daß sie alle mit den laufenden Prüfungen bisher gut zurechtkämen. Dann ging es um die Prüfungen. Nicht nur Gérard war in dieser Woche wegen Überlastung und in körperlichen Streß ausartender Prüfungsangst zu behandeln gewesen. Darüber hinaus durften Sandrine und Millie über ihre bisherigen Erfahrungen als junge Mütter berichten. Als dritten Tagesordnungspunkt hatte Madame Rossignol Louis Vignier und die ihn umgarnenden, ja umkämpfenden Mädchen gesetzt. Denn neben Sylvie Rocher und Endora Bellart hatten sich weitere junge Hexen aus den Klassen vier und fünf um ihn bemüht. Er selbst hatte sich offenbar dazu entschlossen, mit Sylvie Rocher zu gehen. Dieser Entschluß war noch dadurch bestärkt worden, daß Patrice Duisenberg Kevin Malone, also einen eine Klasse unter ihr lernenden, auf ihren Besen gerufen hatte.
"Wir sind zwar gehalten, uns nicht in Privatangelegenheiten von Schülerinnen und Schülern einzumischen, solange deren Angelegenheiten keine gesundheitlichen Auswirkungen auf sie und ihre Mitschüler haben", setzte die Heilerin an. "Aber wenn ich daran denke, daß es bereits zu einem unerlaubten Duell zwischen zwei jungen Hexen kam, die als Grund anführten, die jeweils andere unattraktiv zu machen, möchte ich eindeutig wissen, ob sowas weiterhin zu befürchten ist."
"Ich weiß nicht, was das mit mir und Sylvie Rocher wird", sagte Louis. "Ich habe das meinen Eltern auch noch nicht gesagt, weil die ja grundsätzlich nicht wollen, daß ich eine Hexe zur Freundin haben könnte oder eine Hexe meint, mich als Freund haben zu wollen. ich habe denen nicht gesagt, die sollen sich wegen mir prügeln oder zu schleimigen Ghulen mit Eselsohren durcheinanderfluchen. Ich habe Sylvie gesagt, daß ich von Beziehungskisten keinen Dunst habe und ich nix machen will, was sie denken macht, ich wollte sie voll ver..., ähm, verulken. Sie hat mir dazu nur gesagt, daß die keine Probs damit hat, mir das klar anzusagen, wenn ich was mache oder sage, was ihr hochkommt. Deshalb möchte ich das jetzt wissen, ob das was wird, ohne gleich was anzustellen, was die Schulregeln nicht wollen. Endora hatte immer Probs damit, rauszulassen, wenn ihr was nicht paßte und hat wegen ihrer Familie so hochgezüchtet geredet. Wenn die nicht klarkriegen konnte, warum mir das an Weihnachten und Silvester mit der Kreuzfahrt wichtiger war als das Getanze hier in Beauxbatons, dann soll die sich wen neues suchen, mich aber nicht weiter annerven", gab Louis eine kurze Erklärung ab. Jede und Jeder hier im Raum sah und hörte ihm an, wie sehr ihn dieses Thema mißfiel. So wunderte es auch keinen, daß er Julius ansah und sagte: "Mit Julius haben Sie wohl klar gekriegt, daß der nur dann heiratet, wenn Sie sich das Mädel vorher angesehen haben. Auch wenn ich das Armband umhabe heißt das nicht, daß ich Sie brauche, um mir zu sagen, mit wem was gehen könnte oder nicht."
"Achtung, junger Mann, Sie tanzen gerade sehr verwegen auf einem haardünnen Seil über einem tiefen Abgrund voller Strafpunkte", schnarrte die Heilerin. "Zum einen, Louis, bitte ich dich in aller gebotenen Form darum, dir endlich eine erwachsenere Ausdrucksweise anzugewöhnen, wenn du mit offiziellen Mitarbeitern oder älteren Mitschülern sprichst. Zum zweiten geht es mich sehr wohl was an, ob einer meiner Pflegehelfer auf Biegen und Brechen Erfahrungen mit seinem Körper und dem eines ihm genehmen Geschlechtspartners machen möchte oder seinetwegen Streitigkeiten mit magischen oder manuellen Körperverletzungen ausbrechen, weil er oder sie gewollt oder ungewollt dazu anregt. Drittens muß ich mir kein Mädchen ansehen, um zu befinden, ob ein Pflegehelfer es heiraten darf und auch keinen Jungen, um zu wissen, ob ich einer Pflegehelferin raten oder abraten kann, ihn zu heiraten. In letzter Folge kann es ja wie bei Millie und Sandrine passieren, daß sie ihr letztes Jahr in Beauxbatons wegen einer Schwangerschaft an vielen Unternehmungen gehindert sind und ich die vor- und nachgeburtliche Betreuung übernehme. Das gilt auch für alle anderen jungen Hexen, die meinen, vor dem letzten Jahr Mutter werden zu müssen oder auf Grund unbeherrschter Neugier und Unachtsamkeit dazu gezwungen sind, sich entsprechend umzustellen. Insofern geht es mich etwas an, wer mit wem eine rein freundschaftliche oder geschlechtspartnerschaftliche Beziehung anfängt, führt oder beendet. Da ich es nötig hatte, dich noch einmal auf diese mir auferlegte Verantwortung hinzuweisen erhältst du zwanzig Strafpunkte. Leg es nicht darauf an, daß ich dich wieder für Tage auf deinen Schlafsaal beschränke!" Alle anderen sahen von der Heilerin zu Louis hinüber und wieder zu Madame Rossignol. Louis straffte sich und sagte:
"Ich leg's nicht drauf an, mir vor den letzten Prüfungen noch wegen Strafpunkten das Schuljahr zu versauen. Doch was ich gesagt habe habe ich gesagt und sag's nicht noch mal so, wie Endora Bellart das wohl sagen würde", grummelte er.
"Wir haben noch ein paar Jahre miteinander zu tun, Louis. eines Tages wirst du verstehen, warum mir das so wichtig ist, wie ihr von der Pflegehelfertruppe bei euren Mitschülern angesehen seid", schnarrte Madame Rossignol. Mehr wollte sie nicht dazu sagen. Es ging dann noch um die Betreuung der ZAG- und UTZ-Kandidaten während der letzten Prüfungswoche und daß die entsprechenden Schüler aus der Pflegehelfergruppe weiterhin auf Posten bleiben sollten, um unerlaubte Hilfsmittel im Vorfeld der Prüfungen aufzuspüren und zu beschlagnahmen. Dann war die Konferenz vorbei, und die für heute eingeteilte Pflegegruppe konnte noch einige wichtige Notrettungsübungen machen, wobei es auf richtige Abfolge und Ausführungsgeschwindigkeit von Zaubern ankam.
Nach der Übungsstunde holte Millie ihre Tochter aus dem kleinen Genesungszimmer und ging mit Julius in den Ostpark. Zum Mittagessen trafen sich die Schüler wieder im Palast. Den Nachmittag verbrachten sie alle wieder draußen. Julius lieh Sandrine etwas von der Sonnenkrauttinktur aus, um die Haut ihrer Kinder damit einzureiben. Das Mittel konnte bereits bei Neugeborenen benutzt werden, stand auf der Flasche. Denn die Sonne war so stark, daß die noch sehr empfindliche Haut weniger Wochen alter Säuglinge leichter geschädigt werden mochte als die von jungen Erwachsenen.
Nach dem Abendessen winkte Céline Julius zu sich hin.
"Ich wollte von dir wissen, ob das stimmt, daß die Familien der Champions bei der dritten Runde dabei sind", wisperte sie Julius zu. Dieser bestätigte ohne Nicken, weil Laurentine gerade mit Gabrielle Delacour über irgendwas sprach, was wohl nur für Mädchen wichtig oder interessant war.
"Madame Faucon hat versucht, Laurentines Eltern anzuschreiben. Es ist nichts zurückgekommen. Deine Mutter sollte die Hellersdorfs über dieses Fernsprechtelefon oder diese Computersache namens Internet erreichen. Aber die ist wohl gerade nicht in Paris in dem Haus von den Brickstons. Ich würde gerne mit denen reden und denen erklären, wie wichtig das dann ist, daß die auch kommen. Die können doch abgeholt und hergefahren werden."
"Ich würde dir gerne helfen, Céline. Aber dazu müßte ich aus dem Palast zum Apfelhaus oder nach Paris zu den Brickstons ins Haus. Außerdem fürchte ich, daß die sich weiter sturstellen. Und wenn sie hören, daß sie gesondert abgeholt werden, werden sie davon ausgehen, daß man sie entführen und verschwinden lassen will. Die sind sowas von paranoid, was die Zaubererwelt angeht."
"Gut, sowas ähnliches hat mir Laurentine auch erzählt, als ich wissen wollte, ob sie Ihren Eltern geschrieben hat, daß sie beim Trimagischen mitmachen darf. Aber wenn Glorias und Huberts Familienangehörigen auflaufen und die von Laurentine nicht, sieht das doch peinlich aus."
"Harry Potter hatte keine Eltern, als er am Turnier teilnahm. Deshalb kamen die Eltern und Geschwister seines besten Freundes zum Turnier", erwähnte Julius.
"Und das hat keinen gestört?"
"Die Eltern müssen ihre Kinder nicht in die dritte Runde schicken. Das macht der jeweilige Spiele-und-Sport-Leiter, bei uns also Aurores Oma mütterlicherseits."
"Verstehe. Gut, Daß Harry Potters Eltern tot waren war ja allen in der Zaubererwelt bekannt. Deshalb ging das wohl. Aber vielleicht ist das doch die bessere Idee. Ich kläre das. Bitte nichts davon zu Laurentine!"
"kein Wort", erwiderte Julius. Céline bedankte sich mit einer flüchtigen Umarmung und ging dann zu Robert, der wohl wissen wollte, was sie von Julius gewollt hatte. Als er das wohl erfuhr, lächelte er Julius nur an.
Vor dem Schlafengehen trafen sich die jungen Ehepaare Latierre und Dumas noch einmal bei Madame Rossignol und wünschten sich viel Erfolg für die zweite Prüfungswoche.
Der Montag war erneut Probentag. Céline war sehr gut gelaunt, als erwarte sie etwas sehr schönes oder habe etwas wunderbares angeleiert. Auf jeden Fall konnten sie nach diesem Tag festhalten, daß zwei Drittel des Bühnenprogramms standen. Es ging jetzt nur noch um die Szenen, wo Verwandlungsunterricht und Quidditch auf die Schippe genommen wurden.
Der Dienstag war ebenso sonnig wie das Wochenende. Eigentlich ein Tag für den Strand. Doch die Kandidaten der ZAG- und UTZ-Prüfungen hatten zu arbeiten. Häute war Kräuterkunde an der Reihe.
Julius empfand es als eine Art Heimspiel, als er die Fragen las. Zwar wurde hier auch nach Beschaffenheit von Böden und genauer Anatomie von Pflanzen gefragt, doch damit kam er gut klar. Er fertigte Zeichnungen von Snargaluffs an und erwähnte auch, daß man die Kokons mit einer Adlerfeder dazu kitzeln konnte, sich zu öffnen und so schnell nicht zuzugehen, um die darin gelagerten Knospen herauszunehmen. Als Quelle gab er "der kleine Hexengarten" an. Über die Schreckensbäume, die Tiere und Menschen mit ihren beweglichen Ästen einfangen, erwürgen oder durch Saugstachel aller Körperflüssigkeiten berauben konnten, schrieb er auf die Frage zu den Ursprüngen, daß die ersten Dinodendren bereits von den steinzeitlichen Schamanen gekannt wurden. Denn es seien in magisch versperrten Höhlen Malereien mit dämonischen Bäumen gefunden worden, die Menschen umklammert hielten. Diese Höhlen geheimzuhalten war eine heikle Angelegenheit des Zaubereiministeriums im Jahre 1890 gewesen. Auf die Frage, welche außereuropäischen beweglichen Zauberpflanzen er kenne vermerkte er die Sonnenkrautstaude aus Afrika, den kalifornischen Spendebaum und weitere Pflanzen, die er im australischen Zaubergarten Hidden Groves und Viento del Sol kennengelernt hatte. Natürlich erwähnte er auch die wissenschaftlichen Namen und welche Nutz- oder Schadwirkungen sie besaßen. Eine Aufgabe bestand darin, eine kalendarische Tabelle für die erfolgreiche Aussaat von Grünstauden zu verfassen, da die Pflanzenart nur bei Neumond gesäht, und bei einem Vollmond abgeerntet werden durfte, um ihre geschmeidigen Fasern zu gewinnen. Julius dachte an die Festkleidung, die Millie sich und ihm vorletztes Weihnachten besorgt hatte. Am Ende mußte er noch eine Tabelle anfertigen, wie viele Springschnapper auf welcher Fläche mit welchem Material zurückgehalten werden konnten. Er notierte die Bezeichnungen der Tabellenspalten mit Anzahl, Fläche, Metallart. Dann überlegte er noch einmal, wie viele Springschnapper mit Eisen, wie viele mit Kupfer, Zink, Silber, Gold und Platin am herausschnellen und Zuschnappen gehindert werden konnten. Als er alle Einträge vorgenommen hatte waren zwanzig weitere Minuten der zugestandenen Zeit vergangen. Dann sollte er noch die gängigen Zauber zur schnellen Begrünung von Grundstücken, zur Heilung kranker Bäume und zur Bekämpfung von Lauerbüschen aufschreiben. Die letzte Aufgabe verlangte von ihm, eine Wertung über den Einsatz von Sperrdornhecken in Übereinstimmung mit den Gesetzen zur Haltung und Nutzung magischer Pflanzen und Pilze niederzuschreiben. Dabei mußte er daran denken, wie Camille seinen Vater einmal in seinem Haus mit Sperrdornhecken eingeschlossen hatte, weil er ihre Posteule mit Farbe besudelt hatte. Sie durfte es - das wußte er schon längst, weil er als Angehöriger eines registrierten Zauberers den angerichteten Schaden nicht begleichen wollte und Camille und ihre Familie zudem beleidigt hatte. Das diese Pflanzenart auch elektronische Geräte lahmlegen konnte schrieb er auch noch auf und erwähnte auch, woher er das wußte, ohne den Namen seines Vaters zu nennen. Dann war er auch fertig. Vor ihm lagen fünf Pergamentrollen, drei beschriebene und zwei mit Zeichnungen von Pflanzen mit Markierungen ihrer Nährstoffleitungen, Organe und Drüsen. Es blieben noch zwanzig Minuten bis zum Ende der eingeräumten Zeit. Er sah Professeur Fourmier an, die heute die Prüfungsaufsicht führte. Die Hexe mit den magischen Gliedmaßen stand so spindeldürr wie sie war so aufrecht, als sei sie selbst eine besondere Pflanze. Sie konnte nicht so leicht ermüden. Höchstens im Rücken mochte sie spüren, wenn sie zu lange zu stramm stand. Ihre Beine konnten wohl das zwanzigfache ihres Körpergewichtes tragen. Professeur Champverd wanderte auf einer von außen nach innen führenden Spiralbahn immer wieder zwischen den Tischen herum. Als sie bei Julius vorbeikam und sah, daß er schon fertig war verhielt sie einen Moment, blickte kurz auf die fünf großen Pergamentrollen und ging dann weiter. Julius hatte nicht sehen können, ob sie mit ihm zufrieden war oder nicht.
"Noch fünf Minuten!" verkündete Professeur Fourmier. Laurentine legte ihre Prüfungsbögen und die Pergamente mit ihren Lösungsmöglichkeiten auf zur Seite und lehnte sich zurück.
Als die Glocke das Ende der Zeit markierte, holte Professeur Fourmier alle Pergamente mit ihrem Aufrufezauber zu sich hin.
"So, damit sind wir auch durch", freute sich Belisama Lagrange, die drei Tische hinter Julius gesessen hatte. "Wenn du ein unterstrichenes O in dem Fach kriegst wird Madame Dusoleil dich gleich nach der Abreise fest in ihre Gartenbautruppe einspannen."
"Wenn sie schneller ist als Heilerin Matine oder Aurora Dawn", sagte Julius.
"Wundere mich, daß Professeur Trifolio nicht persönlich die Oberaufsicht geführt hat", sagte Laurentine, die gelassen wirkte, als habe sie weder Angst vor Fehlern noch große Freude wegen leicht zu lösender Aufgaben empfunden.
"Ich denke, Madame Faucon hat den Dienstplan extra so gemacht, daß er uns nicht dauernd umlaufen kann, um sicher zu sein, daß wir auch alle korrekt arbeiten", sagte Belisama.
"Auf das naheliegendste kommt ihr nicht", setzte Julius an. "Trifolio wird heute Nachmittag, wenn es ans praktische Umsetzen geht, dabei sein."
"Mann, ruf den Drachen nicht", grummelte Belisama. Laurentine mußte Julius aber zustimmen.
"Die Blätter darf er nicht korrigieren. Aber wenn jemand in der praktischen Einheit danebenhaut kann er dem oder der das gleich nach der Prüfungswoche um die Ohren hauen", sagte Laurentine Hellersdorf.
Gloria wirkte gut erschöpft, als sie beim Mittagessen am Grünen Tisch saß. Kevin feixte, daß sie offenbar heute gemerkt hatte, daß gut aussehen keine guten Noten bringt.
"Das sagst du der bitte ins Gesicht, wenn ihr in eurem Zirkuszelt seid", erwiderte Julius.
"Wir hatten heute Fluchabwehr. Euer Hauslehrer ist ja echt schnell wie ein springender Kniesel. Ich wäre fast in so'n silbernen Fächer reingesprungen, den der auf mich abgefeuert hat. Habe den aber eine Sekunde lang ausgetrickst, in dem ich mich in eine von innen durchsichtige Nebelwolke gestellt habe. Da konnte er nicht zielen, bis der Typ den Meteolohex Recanto gemacht hat. Brr, da war es, als klatschten mich kalte Geisterhände von oben bis unten ab. Ich konnte den aber nicht aus den Schuhen hauen."
"Ja, der ist auf Zack, unser Professeur Delamontagne", sagte Julius.
Am Nachmittag erfüllte sich, was Julius den beiden Mitschülerinnen vorhergesagt hatte. Professeur Trifolio übernahm die Oberaufsicht, zumal er dafür die Schlüssel zu den Gewächshäusern nicht aus den Händen geben mußte. Er teilte je vier Prüfer so ein, daß sie die beiden Gewächshäuser der höchsten Gefahrenstufe betreten konnten und reihte die Schüler in achtergruppen auf, wobei die ZAG-Schüler in das Haus mit den etwas weniger gefährlichen Zauberpflanzen gehen konnten und die UTZ-Schüler in das Haus mit den brandgefährlichen Fleischfressern geschickt wurden. "Jeder Prüfer wird unterschiedliche Pflanzen heranziehen, um die Prüfungen abzunehmen. Die alphabetisch geordnneten Gruppen werden entsprechend der Art ihrer Prüfung nach Aufruf der Nachnamen in die Gewächshäuser eintreten. Ich bitte mir höchste Disziplin und volle Aufmerksamkeit aus. Vor allem den Kandidaten für den UTZ Herbologie weise ich darauf hin, daß Sie es mit tödlichgefährlichen Exemplaren der magischen Flora zu tun bekommen werden. Jede Nachlässigkeit kann zu schwerwiegenden Verletzungen oder Vergiftungen führen. Sie sind hiermit gewarnt."
"Als wenn wir das nicht schon längst wüßten", raunte Edith Messier, die in Julius Nähe stand.
Als habe sie daran gedreht schaffte es Professeur Champverd, Julius als Kandidat für die Prüfung zugeteilt zu bekommen. Er trug bereits Handschuhe und Schutzmaske und den reiß- und Säurefesten Arbeitsumhang.
"Wir werden uns drei Pflanzen zuwenden, und ich gehe sehr zuversichtlich davon aus, daß Sie die von mir erteilten Anweisungen problemlos und ohne Rückfragen ausführen können", begrüßte ihn die korpulente Prüferin. Dann führte sie Julius zur ersten Pflanze, einer Venomosa tentacula. Dieser mit wehrhaften Fangranken und nagelspitzen Zähnen aus besonders hartem Holz bewaffneten Pflanze mußte er erst sieben Blätter mit einem silbernen Messer abschneiden, ohne von den nach ihm ausschlagenden Fangranken gepackt zu werden. Er behalf sich, indem er mit seinem zauberstab grüne Funken auf die ihm zugedachten Fangranken abfeuerte. Grünes Licht vereitelte die Zielausrichtung und verzögerte die Fangbewegungen. Nach nur zwei Minuten hatte er die sieben größten und saftigsten Blätter, aus denen er wohl gleich das besonders reaktionsfreudige Blattgrün herausfiltern sollte, daß in einer Verteilung von eins zu hundert im stärksten Bluterneuerungstrank der Zauberheilkunde verrührt wurde, wobei galt, daß es genau um die Mittagszeit in den entsprechenden Kessel eingefüllt werden mußte.
"Wie alt ist die Pflanze, die wir hier gerade vor uns haben?" wollte die Prüferin wissen. Julius zählte die Fangranken und schätzte deren Länge ab.
"Sie hat zwanzig bewegliche Fangranken, von denen die längsten zwei Armlängen haben. Jedes Jahr wächst eine Basisranke aus und teilt sich nach einem weiteren Jahr in zwei Fangranken. Jede Fangranke wächst in einem Jahr um eine Viertel Armlänge. Das heißt, daß wir es hier mit einer neun Jahre alten Pflanze zu tun haben."
"Sind die Venomosa tentacula zwittrig oder eingeschlechtlich?" wollte die Prüferin wissen. Julius sagte, daß die Pflanzen eingeschlechtlich seien und durch Flugsamen und Windbestäubung Nachkommen erzeugten. Er wollte es schon sagen, daß diese Pflanze hier ein Männchen war, weil nur die Männchen dunkelgrüne Blätter besaßen. Doch er wartete auf die entsprechende Frage und antwortete so, wie er es als richtig ansah.
"Gut. Dann brauchen wir dieses Exemplar nicht mehr am Leben zu erhalten. graben Sie es aus und ziehen Sie alle Zähne aus dem Phytostom!" Julius hatte ein wenig Bedenken, eine so bewegliche Kreatur umzubringen. Doch es war und blieb eine Pflanze. Und er hatte auch schon Alraunen ausgeggraben. Also dann! Er zielte auf den Grund des Steinbeckens, in dem die Pflanze wurzelte und dachte "Effodio!" Als stießen unsichtbare Schaufeln und Spaten mit der Geschwindigkeit niedersausender Preßlufthämmer in die Erde, wurde diese aufgewühlt und das sternförmige Wurzelwerk freigelegt und nach oben gezerrt. Die Pflanze fühlte den tödlichen Angriff und schwang ihre Fangranken wie Peitschen herum. Es klackerte unheilvoll, weil die zwei Reihen der zahnstocherdicken, spitzen Zähne aufeinanderschlugen. Sie versuchte, den Feind zu erwischen, seinen Angriff zu stoppen. Vergeblich. Julius' Ausgrabezauber hob die Venomosa aus ihrem Beet und kippte sie um. Da ihre Wurzeln nicht so beweglich waren wie ihre Fangapparate konnte sie sich nicht mehr im aufgewühlten Boden vergraben. Die Fangranken schlugen noch einmal, ließen die ausgehobene Pflanze Purzelbäume schlagen. Eine Minute dauerte es. Dann lag das magische Gewächs, das Muggel glatt als Weltraumunkraut hingenommen hätten, mit schlaffen Fangranken und weit geöffnetem Pflanzenmaul da. Julius prüfte mit dem Vivideo-Zauber, ob die Pflanze endgültig erledigt war. Das grüne Zauberlicht wurde zu keiner wie auch immer glimmenden Aura.
"Warum haben Sie die Pflanze nicht nach dem Ausgraben mit einem Pflanzenfaserzerstörungszauber abgetötet?" wollte die Prüferin wissen. Sie klang so, als tadele sie Julius. Doch der erkannte die Fangfrage und erwiderte ruhig:
"Ein Zauber wie Herbarupto hätte auch das Material der Zähne angegriffen. Außerdem können aus Wurzeln von selbst abgestorbener Venomosa tentacula wichtige Pulver gewonnen werden, die in Augentropfen gegen Netzhautüberreizungen verwendet werden. Herbaruptus hätte diese Mittel unwirksam gemacht, weil der Sterbeprozeß die gewünschten Wirkstoffe konzentrieren muß.
"Gut, dann trennen Sie nach der Extraktion der Zähne auch die Wurzeln vom Vegetationskern und übergeben sie mir!" erteilte Professeur Champverd eine weitere Anweisung. Julius griff erst nach einer silbernen Zange und zog der Pflanze alle fünfzig Hartholzzähne. Das Holz wurde von magischen Zimmerleuten geschätzt, weil es härter als ein Stahlnagel war und somit zur klebstoff- und schraubenlosen Verbindung von Holzbauteilen geeignet war. Er legte die ausgezogenen Zähne in eine kleine Dose, die die Lehrerin ihm hinhielt, wobei sie auf die Zeiger einer kleinen Armbanduhr blickte. Offenbar stoppte sie die Zeit, die Julius für die Aufgabe brauchte. Sie nickte, als er alle Zähne ausgezogen und verstaut hatte. Dann trennte er mit seinem goldenen Messer die Wurzeln ab, die wie dicke, weiße Regenwürmer aussahen. Diese legte er in einen wasserdichten Behälter, den die Prüferin aus einer ihrer Umhangtaschen förderte. Dann ließ sie die geplünderte Pflanze mit "vanesco Solidus" verschwinden. Danach befahl sie Julius, das Beet wieder zu glätten. mit "Planihumus" und dem Erdreichspendezauber "Fertilihumus" machte er das Beet wieder einsatzbereit. Die Prüferin sprühte aus einer kleinen Spritzflasche eine goldgelbe Flüssigkeit auf das Erdreich und ließ mit "Vertico!" die Erde noch einmal umwälzen. Julius hielt die Luft an. Er hatte einmal konzentrierten Drachenharn gesehen, aber nicht gerochen. Doch wenn er an Merkaptan oder Buttersäure dachte, wollte er das auch nicht wissen. Die Prüferin war wohl auch nicht scharf darauf, das Zeug einzuatmen. Sie reinigte die Sprühdüse mit "Ratzeputz" und setzte dann aus einer Kiste, die sie aus ihrer Einsatztasche zog, ein winziges grünes Etwas wie eine kleine Stachelkugel auf das Beet.
"Reiner Drachenharn?" Fragte Julius besorgt.
"Dann hätte ich alle in diesem Haus vorgewarnt, sich gegen die lungenschädlichen Dämpfe zu wappnen, Monsieur Latierre. Das ist eine eins zu fünfzig verdünnte Mischung, die das zehnfache an festem Dünger aufwiegt. Aber weiter zu Exemplar Nummer zwei auf meiner Liste!"
Mit der amazonischen Blutwurz hatten sie es gleich in der ersten Stunde der sechsten Klasse zu tun gehabt. Julius konnte sich noch genau daran erinnern, weil Edith erwähnt hatte, daß Schamanen aus dem Ursprungsgebiet Menschen dieser vampirischen Wurzelpflanze opferten, was Professeur Trifolio nicht behagt hatte. Der Herr der Gewächshäuser von Beauxbatons überwachte die vier Prüfer und ihre aktuellen Kandidaten von einer Plattform im Wipfel eines harmlos wirkenden Baumes aus. Doch der Baum war nicht harmlos, wußte Julius. Ein Vetter von dem stand in den Gewächshäusern von Burg Greifennest. Doch zunächst mußte Julius mehrere Fangtriebe der Vampirwurz abschneiden und noch einmal erklären, wie viel Frischblut diese Pflanze pro hundert Gramm Lebendmasse erhalten mußte. Dann ging es zur dritten Pflanze, jenem scheinbar harmlosen Baum, der wie eine Buche aussah. Julius prüfte nach, ob an den Zweigen irgendwelche kleinen Skelette hingen. Er sah keine. Doch er konnte erkennen, daß fünf der dickeren Äste leicht wellenförmig gekrümmt waren. Offenbar waren sie bei auftreffendem Sonnenlicht in der Haltung erstarrt, die sie kurz zuvor bei ihrer Suche nach Beute eingenommen hatten.
"Was können Sie mir über dieses Buchengewächs sagen, Monsieur Latierre?" wollte die Prüferin wissen.
"Daß es keine Buche ist, sondern ein eine Rotbuche imitierendes Exemplar von Dinodendron vampyroidis. Die wellenförmig gebogenen Äste verraten, daß die Äste vor kurzem noch biegsam und beweglich waren", sagte Julius. Der im Baumwipfel postierte Trifolio zeigte keine Regung, ob diese Aussage stimmte oder falsch war.
"Dann möchte ich von Ihnen wissen, wie alt diese Pflanze ist", sagte die Prüferin. Julius schätzte an Stammesdicke, Höhe und Beschaffenheit der Rinde ab, wie alt der Baum sein mochte. Schreckensbäume wie dieser wuchsen fünfmal so schnell wie die von ihnen imitierten Baumarten, wenn sie genug von eigenen Verdauungssäften verflüssigtes Fleisch in sich aufsaugen konnten. So rechnete er schnell im Kopf durch, wie alt die Pflanze war, wenn Trifolio sie jede Nacht mit Vögeln oder anderen Wirbeltieren wie Ratten, Echsen oder Mäusen fütterte. "Höhe und Umfang des Stammes im Bezug zur leicht gefurchten Rinde verraten mir, daß dieses Exemplar zwanzig Jahre alt ist", sagte Julius.
"Moment", erwiderte die Prüferin und sah wohl auf ein Merkblatt, das sie so hielt, daß der Prüfling es nicht lesen konnte. "Oh, Können Sie es noch präziser?" fragte sie ihn. Julius sagte, daß er die genaue Höhe und die Dicke messen müsse, um das Alter auf den Monat genau zu berechnen. "In Ordnung, das ist nicht nötig. Sie haben das Alter mit nur einem Prozent Abweichung richtig erkannt und liegen somit in der von der Kommission zugestandenen Toleranz von zehn Prozent", sagte die Prüferin. "Geben Sie mir in vier kurzen Sätzen alle wichtigen Merkmale dieser Pflanze an!"
"Dinodendron vampyroidis imitiert bei Tag gewöhnliche Laubbäume. Nachts werden seine Äste beweglich und suchen nach Beutetieren, die sie einschnüren. Über aus den Ästen dringende Hohlnadeln wird fleischauflösendes Sekret in die Beutetiere injiziert und die Beute damit verflüssigt. An im Baum hängenden Skeletten kann die Pflanze leicht erkannt werden."
"Besteht eine Möglichkeit, sie auch nachts unschädlich zu halten?" wollte die Lehrerin wissen. Julius nickte und antwortete, daß am Tag die dünnsten Zweige abgetrennt werden mußten, um die Äste zu lähmen. "Dann trennen Sie bitte so viele Äste ab, daß diese Pflanze für die nächsten zwei Wochen keine Fangbewegungen mehr ausführen kann!" wies sie Julius an. Dieser suchte bereits nach dünnen Zweigen und wendete den Muscapedeszauber an, um an der Rinde hinaufzuklettern. Dabei sah er nicht, wie die Prüferin etwas notierte. Julius trennte von jedem dicken Ast fünf dünne Zweige ab. Dann turnte er immer noch mit Hilfe des Kletterzaubers Muscapedes hinunter und übergab die abgetrennten Zweige.
"Wieso fünf Zweige pro Ast?" wollte die Prüferin wissen.
"Weil jeder abgetrennte Zweig den ihn hervorbringenden Ast für drei Tage bewegungsunfähig macht. Da sie zwei Wochen erbeten haben, mußte ich Material für fünfzehn Tage Bewegungsunfähigkeit abtrennen", erwiderte Julius. Trifolio stand auf der Plattform. Doch irgendwie wirkte er so, als sei er überwältigt.
"Gut, um dieses Exemplar für die Prüfung ordentlich abzuschließen nennen Sie mir bitte alle Baumarten, die Dinodendron vampyroidis imitieren kann!" Julius zählte die zwanzig möglichen Baumarten auf und erwähnte, daß diese ausgewählt wurden, wenn der Sämling in einem Bestand landete, bei dem über die Hälfte der Bäume der gleichen Art entsprachen. Damit war diese Pflanze auch erledigt. Weil sie laut Zeiteinteilung noch drei Minuten hatte winkte ihn die Prüferin noch zu einem Beet mit Snargaluffs. "Bitte holen Sie mir in den Ihnen noch verbleibenden Minuten so viele Hülsen aus den Kokons, wie Sie ohne übergroßes Risiko erlangen können!" forderte die Prüferin Julius auf. Dieser nickte und stellte sich kampfbereit vor den ersten wie ein dicker Baumstumpf aussehenden Kokon. Er nahm den Zauberstab und apportierte eine Adlerfeder. Dann kitzelte er die Pflanze, bis sie aufklaffte. Er zog ohne Kraftanstrengung die darin verborgene Hülse heraus und übergab sie der Prüferin. Dann ging er zur nächsten Pflanze, machte da das selbbe und übergab ihr die Hülse. Dann noch eine dritte, eine Vierte und eine fünfte Pflanze.
"Woher haben Sie diese Vorgehensweise?" Fragte die Prüferin. Er zitierte aus dem "kleinen Hexengarten" und erwähnte auch, daß die Verfasserin diese Methode bei ihrer Kräuterkundelehrerin Professor Sprout erlernt habe.
"Gut, da ich ja gesagt habe, so viele wie möglich muß ich diese Aufgabe wohl als mehr als erwartet werten, da ich Ihnen keine Hilfsmittelbeschränkung auferlegt habe", sagte die Prüferin. "Aber damit sind wir jetzt durch. Wenn Sie in der theoretischen Prüfung auch so schnell wie vollständig gearbeitet haben dürften Sie diesen UTZ erfolgreich erworben haben. Hätte mich auch sehr gewundert, bei Ihrem fachkundigen Bekanntenkreis", erwiderte die Lehrerin. Dann wollte sie noch wissen, wo Julius die Adlerfeder herhatte. "Die lag in meiner Schultasche, als Schreibgerät, aber auch für Fälle wie diesen", gab Julius auskunft und schickte die Feder per Teleportationszauber wieder dorthin, wo er sie weggezaubert hatte.
"Rauhfels, Hubert! Wunderbar, ich freue mich schon", sagte die Prüferin, als sie Julius mit einem Wink aus der Prüfung entließ und mit der anderen Hand Hubert zu sich heranwinkte.
"Die hat sich voll die Rosinen rausgepickt", meinte Belisama, die vor den Gewächshäusern gewartet hatte, bis Julius rauskam. "Offenbar hat die die UTZ-Liste durchgeguckt und sich so gestellt, daß sie dich und Hubert drannehmen konnte."
"Lass ihr den Spaß. Jeder Wissenschaftler hat das recht, zu erleben, wer in seinem Fachgebiet nachwächst", sagte Julius.
"Wieso stand unser Saalvorsteher auf dem Baum?" Fragte Belisama.
"Wohl, damit kein Prüfer verlangt, den Baum umzuhauen. Diese Monsterpflanzen sind nicht so leicht zu ziehen, wenn sie in einem Gewächshaus mit vielen Zauberpflanzen stecken. Die müssen als Setzlinge aus den entsprechenden Wäldern herausgesucht und transportiert werden. Wie auch der Apfel fällt auch bei D. v. die Frucht nicht weit vom Stamm. Das ist dann gefährlich für die Setzlingsucher, weil sie dabei von einer großen Pflanze erbeutet werden könnten."
"Klingst so, als wolltest du diese Arbeit machen", grinste Belisama.
"Die Zweige sind gut für den Abspecktrank zwei, der mich fast zerkocht hätte", erwiderte Julius darauf. Belisama kannte ja die Geschichte. Sie nickte.
"So, den habe ich jetzt auch. Die dünne Dujardin hatte ja heftigen Bammel, als ich fast ohne Vorkehrung auf das Springschnapperbeet zugelaufen bin", sagte Laurentine. "Erst einen Schritt vor der Todesgrenze habe ich mein Goldmesser gezogen und es ins Beet geworfen. Dann konnte ich ihr eine Knolle ausbuddeln und in den bruchsicheren Eimer legen."
"Wolte die das?" Fragte Julius Laurentine.
"Sie meinte, ich sollte ihr zeigen, ob wirklich eine Pflanze unter der Erde ist. Da bin ich eben hin und habe ihr eine Knolle ausgebuddelt. Dann hat die aus dem Nichts den dicken Eimer mit Deckel in der Hand gehabt, wo ich die Knolle reinlegen sollte. Aufgabe erledigt."
"Das hätte die werte Professeur Champverd auch glatt bringen können. Aber die wollte wohl wissen, wie ich gefährliche Pflanzen abernten kann, die auch was bringen", sagte Julius. "Kann sein, daß die mit dem von mir geernteten Zeug ihre eigene Apotheke aufrüstet."
"Vor allem mit den Dinodendrenzweigen", feixte Belisama. Dann sahen sie Gloria, die gerade dabei war, mit dem Reparozauber ihren Umhang zu flicken. Julius fragte sie, mit wem sie sich angelegt habe.
"Meinst du Professeur Perignon oder fünf Lauerbüsche, die eine Kiste mit der nächsten zu schaffenden Pflanze bewacht haben?" knurrte Gloria.
"Hast du die geschafft, bevor die dich ganz ausgezogen haben?" fragte Belisama.
"Drei mit Herbaruptus, eine mit Duro auf die Erde unter den Wurzeln und die fünfte hat mich erwischt, bevor ich ihr den Herbaruptus auferlegen konnte. Da mußte ich mit kämpfen. Ringen ist kein Sport für eine anständige Hexe. Irgendwann hatte ich sie so, daß ich den Zauberstab bewegen und ihr den Herbaruptus genau in den Vegetationskegel setzen konnte. Dann war ruhe. Aber mein Umhang war ramponiert. Das war eine Angelegenheit von zehn Sekunden. Fast hätte mich das grüne Biest mit seinen Giftdornen erwischt. Dann hätte mich dieses Ungeheuer in zwei Minuten verzehrfertig unter den Wurzeln gehabt. Ich hätte mir den Durodermistrank nehmen müssen."
"Das hätten sie dir als unerlaubte Hilfe angekreidet", wußte Julius. Gloria zischte, daß ihr das auch klar sei. Dann nickte sie und sagte, daß sie besser noch zu Madame Rossignol hingehen wolle, um sicherzustellen, daß nicht doch was von dem tückischen Nervengift der Lauerbüsche auf ihre Haut geraten war. Julius überlegte, ob das Antidot 999 dagegen half. Doch das Lauerbuschgift gehörte zu dem tausendstel aller Gifte, die nicht damit kuriert werden konnten. Deshalb brachte er seine frühere Schulkameradin per Wandschlüpfsystem zur Schulheilerin. Diese untersuchte Gloria hinter einem Wandschirm und besprühte sie wohl. "So, deine Haut ist wieder makellos, Gloria. Du hattest mehr Glück als Verstand, und das will was heißen. Ein Dorn hatte dich schon am Bauch gekratzt. Er ist nur nicht tief genug eingedrungen, um in deinem Fleisch abzubrechen. Aber ich gebe dir trotzdem eine verdünnte Dosis des Gegengiftes", sagte die Heilerin. Als Gloria wieder anständig bekleidet hinter dem Wandschirm hervorkam, bekam sie ein Wasserglas, in dem ein winziger Tropfen einer beigen Flüssigkeit eingefüllt und dann durch langsames Schütteln gelöst wurde. Gloria trank und schüttelte sich. Sie warf Ihre Arme hoch, sprang und vollführte Streck- und Beugefiguren, als spanne jemand ihr andauernd den Rücken auseinander und drücke ihn wieder zusammen. Dieser Anfall dauerte fünf Sekunden. "Huch, war doch nicht nötig", sagte die Heilerin, als Gloria keuchend und mit angstgeweiteten Augen zur Ruhe kam.
"Was war das? Sabberhexenspucke?" keuchte Gloria.
"Julius, was ist der zentrale Wirkstoff des Lauerbusch-Antidots?" gab Madame Rossignol die Frage weiter.
"Eine Milliunze pulverisiertes Wichtelblut und ein Zehntel Fingerhut Drachenblut verteilt auf einen Kessel der Normgröße zwei mit diversen anderen Sachen", sagte Julius.
"Neh, das schlucke ich nicht noch mal, auch wenn mir wer das zehnfache des trimagischen Gewinns anbietet", stieß Gloria angewidert aus. "Das hat ja alle Muskeln in mir durcheinandergeknetet."
"Dann leg dich bitte noch mal hin, damit ich untersuchen kann, ob du bei der Wirkung innere Verletzungen hingenommen hast!" sagte die Heilerin kühl. Gloria stierte sie mit ihren graugrünen Augen an. "Hopp! Auf den Tisch mit dir!" wiederholte die Heilerin ihre Anweisung
"gut, verstanden", knurrte Gloria und legte sich auf den Tisch. Die Heilerin nahm einen Einblickspigel und den Zauberstab und untersuchte Gloria. Dann tippte sie ihr knapp unter den Bauchnabel den Stab auf den Leib und konzentrierte sich. Es ruckelte einmal. Gloria stieß einen unterdrückten Schmerzenslaut aus. "Julius, geh schon mal zu deiner Frau. Die wollte ja schon wissen, bei wem du geprüft wurdest!" sagte die Heilerin. Julius verstand, daß er was nicht mitbekommen mußte und nickte. Bei Millie und Sandrine berichtete er seine Erlebnisse mit Professeur Champverd und wie er Gloria herübergebracht hatte.
"Hui, das Antidot gegen das Muskelerstarrungsgift der Lauerbüsche kann ohne das Gift selbst alle Körpermuskeln verkrampfen oder verschieben", sagte Sandrine, während die kleineEstelle unter ihrer Schürze lag.
"Ui, könnte eine neckische Abart von Stimulanz sein", meinte Millie. Julius nickte ihr zu, während Sandrines Ohren rot anliefen. Millie sagte dann: "Aber das Zeug ist schon gefährlich. Ohne die Vergiftung selbst ist es selbst ein Gift, wie die meisten Antidote außer 999." Julius nickte.
"Eine Alarmglocke läutete. Madame Rossignol rief Gloria zu, sie könne nun zu ihren Kameraden hin. Dann hörten sie nur das kurze Rauschen, daß sie durch ein Wandstück verschwunden war. Im selben Moment verstummte die Alarmglocke.
"Alles wieder da, wo es hin soll?" rief Millie Gloria zu, die sich von Julius verabschieden wollte.
"Mußt du nicht wissen. Aber ja, das wichtigste ist wieder so, wie es sein soll", grummelte Gloria. Sie errötete und wirbelte herum, um nicht zu lange in die Gesichter der Jahrgangskameraden zu sehen. Dann eilte sie aus dem Krankenflügel. Millie grinste, während Sandrine verunsichert dreinschaute. Julius machte sich seine Gedanken, sprach sie aber nicht aus. Er erwähnte schnell, um von Gloria abzulenken, daß Champverd noch Hubert Rauhfels zur Prüfung gebeten hatte.
Eine Minute später rauschte es wieder, und Madame Rossignol kam mit einem sichtlich verstörten Zephyrus Lavalette und einem auf der Trage liegenden Archibald Lambert zurück.
"Julius, gut, daß du noch da bist. Du hast das AD 999 mit?"
"Das liegt bei Ihnen im Schrank im Brustbeutel von mir", sagte Julius. Millie sprang ein und zog eine ähnliche Flasche aus einer kleinen Umhängetasche, da sie ihren Practicus-Brustbeutel während der Stillzeit nicht umhängen wollte.
"Was hat ihn denn erwischt?" Fragte Julius, während die Heilerin aus der Flasche einen Tropfen auf Archibalds dunkelblau angelaufene Zunge träufelte.
"Mir war nicht bewußt, daß zwischen den Sumpfblasenblütlern eine Rotstachelschnecke sitzen könnte. Oh Merlin, Belenus und alle Hüter der hohen Mächte, hoffentlich kommt er noch durch."
"Ui, das Biest ist fast so tödlich wie eine Kegelschnecke. Eine Minute länger, und Sie hätten wohl eine Klage wegen fahrlässiger Tötung an den Hals gekriegt", erwiderte Julius.
"Wieso sitzt eine giftige Wasserschnecke in einem Schulgewächshaus?" fragte Sandrine sehr entrüstet. Seitdem sie Zwillingsmutter war, reagierte sie wohl noch sensibler auf Sachen, die Kindern gefährlich werden konnten.
"Vielleicht wurde sie als Ei mit dem Setzling eingeschleppt, Sandrine. Trifolio hat die Pflanze so wie sie ankam in das Wasserbecken gesetzt", vermutete Julius. Dann sah er Archibald. Er trug keine Handschuhe. "Ähm, Prüfung oder nicht, Professeur Lavalette, Sicherheitsvorkehrungen sollten schon gefordert werden", sagte Julius. Da sprach wohl auch der Familienvater aus ihm, aber auch der, der von seinem Vater im Umgang mit gefährlichen Stoffen immer auf besten Eigenschutz ausgerichtet worden war.
"Es steht Ihnen wohl nicht zu, mich zu maßregeln, junger Mann", knurrte der Prüfer.
"Doch, als Pflegehelfer und Vater einer zukünftigen Schülerin steht es Monsieur Latierre eben doch zu, Professeur Lavalette. Sie hätten darauf bestehen müssen, alle im Umgang mit Zauberpflanzen der Gefahrenstufe zwei angeratenen Sicherheitsvorkehrungen anzufordern. Die Pflanze selbst kann einem mit ihren Kugelkelchen die Finger festhalten und mit der rauhen Innenseite die Haut bis aufs Fleisch abraspeln. Das lernen Schüler schon in der zweiten Klasse."
"Dann frage ich mich jetzt, warum Archie die Handschuhe weggelassen hat", sagte Julius. Da wachte der erwähnte auf. Er wandt sich noch einmal. Dann war er offenbar wieder vollständig wach. Die Heilerin drückte ihn auf den Tisch und vollführte noch einige Zauber, bis sie ihn losließ. "So, Frage eins, wo waren deine Handschuhe?"
"Ähm, oh, ähm, - öh - Oh, Drachenmist! Was hat mich erwischt?"
"Das Nervengift der Rotstachelschnecke Erythrohelix aquaraptor", sagte die Heilerin. "Warum hattest du keine Handschuhe an?"
"Weil die mir an dieser blöden Messerdistel angerissen sind und sich mit Wasser vollgesaugt haben, als ich die Kugelblüten abknipsen wollte. Ich habe einen leichten Pieks gefühlt, und dann war es auch schon Nacht. Habe irgendwie die Stimme meiner Uroma Élise gehört, die was zu mir gesagt hat. Aber verstanden habe ich sie nicht."
"Du hast dich mit einem gefährlichen Untermieter dieser Pflanzen angelegt, Junge. Die Rotstachelschnecke sucht gerne den Schutz der Sumpfblasenblütler, solange sie nicht auf andere Weichtiere Jagd macht. Sie ist zwar langsam, aber hat dafür ein sehr tödliches Gift. Ohne die schnelle Hilfe wärest du nach nur einer Minute mausetot gewesen", belehrte ihn die Heilerin.
"Mausetot?! Deshalb habe ich Oma Élise gehört. Die ist vor zehn Jahren gestorben."
"Wir konnten dich wieder zurückholen. Vielleicht wollte deine Urgroßmutter dir das sagen, daß du noch nicht zu ihr hin sollst", sagte die Heilerin und gab Millie die Flasche mit Auroras Gegengiftflasche zurück. Julius dachte daran, daß das Gift der Kegelschnecke in diesem Wunderelixier verarbeitet war. Deshalb konnte es das Gift der Rotstachelschnecke restlos aufheben."
"Was ist denn jetzt mit meiner Prüfung?" fragte Archibald.
"Ich werte sie als erfolgreich bestanden, allein, weil ich es hätte bedenken müssen, daß Sie mit defekten Handschuhen kaum unter Wasser hantieren können. Ich werde die Kollegen entsprechend unterrichten. Ihnen darf aus meinem Versäumnis kein Nachteil erwachsen", erwiderte Professeur Lavalette. Archibald lächelte. Daß er die Prüfung bestanden hatte war ihm wohl wichtiger, als daß er gerade noch dem Tod von der Schippe gehoben worden war.
"Gut, Archie, du bleibst eine Nacht bei mir. Das AD 999 ist zwar hinreichend dokumentiert. Aber ich möchte sicherstellen, daß deine Kreislauf- und Nervenfunktionen wirklich nicht nachhaltig geschädigt sind", sagte die Heilerin und wies Archibald ein Bett im Schlafsaal des Krankentraktes zu.
"Das darfst du deiner großen Brieffreundin schreiben, daß ihr Geschenk alle Galleonen in Gringotts wert ist", sagte Millie zu Julius. Dieser bejahte es. Er ging zwar davon aus, daß Serenas Bild-Ich dem Auroras einen Bericht abliefern würde. Doch wenn er auch was schrieb war das persönlicher. Madame Rossignol wandte sich dann auch prompt an Serenas Bild-Ich: "Bitte richten Sie der bildhaften Daseinsform der Kollegin Dawn aus, ich werde eine ausreichende Menge AD 999 anfordern. Es hat sich erwiesen, daß dieses Elixier in meiner Apotheke dringend benötigt wird."
"Ich eile, Florence", erwiderte das Bild-Ich der Mitgründerin von Beauxbatons.
Am Abend war es schon zweimal durch Beauxbatons, das geflügelte Schiff der Greifennestler und das bunte Flugzelt der Hogwartianer gelaufen, was bei der ZAG-Prüfung passiert war. Denn es hatte einige Zeugen gegeben, die Archies Unfall beobachtet hatten. Professeur Trifolio trat auf Anweisung Madame Faucons vor die Schüler und erklärte, was passiert war und daß er die betreffenden Becken abgesucht und fünf dieser gefährlichen Schnecken gefunden und beseitigt hatte. Ein lautes Raunen hob an, weil nicht wenige Schüler entrüstet über diese Nachlässigkeit waren. Trifolio hatte knallrote Ohren und blickte immer wieder auf den Boden vor seinen Füßen. "ZAG-Kandidat Archibald Lambert erholt sich auf ausdrückliche Anweisung unserer kompetenten Heilerin Madame Rossignol im Krankenflügel. Im Rahmen der Saalschlußregeln darf er Besuch empfangen", fügte die Schulleiterin noch hinzu. "Professeur Lavalette hat mich und die anderen sieben Prüfer gebeten, Monsieur Lamberts praktische Prüfung als bestanden zu werten. Die maximale Punktzahl mag er wohl nicht erreicht haben, aber wenn er im theoretischen Teil sorgfältig und korrekt gearbeitet hat wird er wohl einen brauchbaren Zauberergrad erreichen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!"
Um dem Trubel der ganzen ZAG-Schüler zu entgehen die zu Archibald wollten, wichen die Dumas' und Latierres mit ihrem Nachwuchs in ihre zugewiesenen Zimmer aus. Julius hatte ja noch das Zauberwesenseminar. Dort sprachen sie über Zwerge, weil es ja doch einige gab, die damals bei Millies Vortrag und dem Besuch ihrer reinrassig zwergischen Großmutter väterlicherseits noch nicht dabei waren. "So'n Zwerg hätte diese Rotstachelschnecke wohl mit Stachel gefressen und wäre danach noch fröhlich pfeifend herumgelaufen", meinte Hubert Rauhfels. Er kannte Zwerge ja auch aus Deutschland.
"Das ist wohl zu vermuten, weil Zwerge wie erwähnt eine sehr hohe Gifttoleranz besitzen", erwiderte Professeur Delamontagne. Dann bedankte er sich bei den Seminarteilnehmern.
"Also, wenn mal wieder eine Herboko stattfindet, kann sich der Fachidiot Trifolio auf was gefaßt machen", knurrte Hubert, als sie aus Delamontagnes Reichweite waren. "Voll alle Pflanzen rauf und runterbeten, aber kein Funke ahnung von den Tieren, die mit den Pflanzen zusammenleben. Das wird meine werte Großtante aber sehr wütend machen, daß der so sorglos mit den Wasserpflanzen umspringt."
"Schreibst du der das?" Fragte Julius.
"Nöh, das macht die Gräfin sicher mal, wenn sie den Wochenbericht nach Greifennest eult", erwiderte Hubert. Dann gingen sie ihrer Wege.
"Millie und Sandrine, ihr bleibt wie angewiesen bis Prüfungswochenende bei mir", sagte die Heilerin. Julius wollte schon einwenden, daß er doch langsam den Schlaf-Wach-Rhythmus seiner Tochter kennenlernen mußte. Doch die Heilerin würgte den Einwand schon vor Verlassen des Mundes ab. "Gérard und Julius müssen allen Schlaf erhalten, den sie zur Erholung für die Prüfungen brauchen. Danach dürft ihr mit euren Männern auf die kleinen aufpassen, wenn es nacht ist." Millie und Sandrine grummelten leise, aber nichts, wofür sie Strafpunkte bekommen hätten.
"Ich wundere mich", hörte Julius Aurora Dawns Stimme aus dem Bild, "daß Madame Rossignol kein AD 999 da hat. Na ja, die Bitte um Zustellung ist bei meiner Vorlage angekommen und wird bearbeitet. Bis ihr aus Beaux weg seid hat die gute Madame Rossignol genug davon bei sich."
Professeur Dirkson führte die Oberaufsicht bei der theoretischen Prüfung Praktische Magizoologie. Julius und seine Jahrgangskameraden hatten über alle Zaubertiere zu schreiben, die sie in den letzten beiden Schuljahren durchgenommen hatten. Auch eine anatomische Zeichnung des Verdauungstraktes eines Abraxas-Pferdes zur Herleitung der Alkoholumwandlung in Stärke war dabei. Das kannte er ja schon. Als er über die größten domestizierten Zaubertiere überhaupt was schreiben mußte, setzte Julius die Latierre-Kühe an oberster Stelle und erwähnte dann die Abraxas-Pferde, die Asgardschwäne, die geflügelten Arbeitselefanten in Indien und die Hippocampi. Als er die Frage las, ob die sardonianischen Entomanthropen zu den Zaubertieren oder den Zauberwesen gehörten, überkam ihn ein kurzer Schauer. Wurde er diese Biester wirklich nicht los? Er erwähnte, daß sie von ihrer Züchterin her als intelligente Zaubertiere ausgelegt waren, es aber durch Einkreuzung halbafrikanischer Bienen, die über ein höheres Aggressionspotential verfügten, zu eigenständig handelnden, hochintelligenten Nebenformen kommen konnte, wie in den vereinigten Staaten im Jahre 1997 vorgekommen. Er erwähnte dann auch, daß eine derartige unkontrollierbare Form sogar Magie von magisch begabten Lebewesen in sich konzentrieren konnte, was sie im Endeffekt zu eigenständig magisch handlungsfähigen Zauberwesen mache.
Er erwähnte bei der Abhandlung gefährlicher Zaubertiere die Feuerlöwen und Drachen und teilte gemäß Aufgabenstellung alle reinrassigen Drachen ihrer Gefährlichkeit nach ein, wobei er die Körpergröße, Revierverhalten, Feueratem und bevorzugte Nahrung in Beziehung brachte. Dabei schnitt der ungarische Hornschwanz noch vor dem bretonischen Blauen ab. Der "harmloseste Drache" war der walisische Grünling. Zumindest, wenn man ihm nicht näher als zehn Meter kam. Denn soweit reichte dessen Flammenatem.
Am Nachmittag trat er bei Professeur Dujardin an, die sich freute, weil sie eine Prüfung in Ihrem Fach abnehmen durfte. Julius hatte zwei Thestrale zu rufen, um mit ihr einen kurzen Ausflug zu machen. Dann mußte er den Beruhigungszauber auf Pyrois, den Leithengst der Abraxas-Pferdeherde anwenden, ihr erzählen, wie er ein Rudel Feuerlöwen verwirrt hatte. Dujardin kannte sogar die Tribbles, da sie sich wegen der immer wieder zu prüfenden Muggelstämmigen auch für erfundene Tiere aus Muggelgeschichten interessierte. "Oh, damit haben Sie den Plurimagines-Zauber um mindestens eine Größenordnung verstärkt, möchte ich meinen. Würden Sie diese zum glück rein fiktiven, vermehrungsfreudigen Pelztiere bei einer ähnlichen Aktion erneut als mentale Komponente in ihren Zauber einbeziehen?"
"Nachdem, wie er gewirkt hat nicht noch einmal", erwiderte Julius. Er durfte dann mit Genehmigung der Gräfin Greifennest eines der Asgardschwanweibchen füttern, um zu demonstrieren, wie mit diesen majestätischen Zaubervögeln umzugehen war. Dann wurde er noch zum orientalischen Felsenvogel befragt und ob es möglich sei, auch diese Vögel zu domestizieren. Julius verneinte das, weil die Felsenvögel keine menschlichen Laute verstehen konnten und gegen fast alle Beruhigungszauber immun waren. Zum Schluß führte ihn Professeur Dujardin zu einer zehn Meter großen Blockhütte. Durch vergitterte Fenster konnte Julius die drei gewaltigen Mäuler eines riesengroßen Hundes erkennen. Das Ungetüm knurrte bedrohlich, als Julius sich ihm näherte.
"Was ist das für ein Tier?" fragte Dujardin über das dreistimmige Knurren hinweg.
"Ein Hadesianerhund", sagte Julius und beschrieb, seit wann diese dreiköpfigen Wach- und Bluthunde bekannt waren. "Können Sie mir die kleine Kiste holen, die zwischen den Vorderpfoten des Hundes steht?" fragte Professeur Dujardin und deutete auf die mächtigen Pranken des dunkelbraunen, zottigen Zaubertieres.
"Mit oder ohne Hilfsmittel?" fragte Julius.
"Alles, außer Waffen", legte die Prüferin fest. "Bedenken Sie, daß Orcus eine hohe Fluchresistenz und eine hohe PTR besitzt. Ähm, wie hoch genau?"
"sechshundertsechsundsechzig", erwiderte Julius und mußte einmal mehr grinsen. Denn als er jene Fremdverwandlungswiderstandskraft zum ersten mal erfahren hatte, hatte er sich daran erinnert, daß genau diese Zahl für den Teufel oder das Böse an sich stand, zumindest bei besonders endzeitfürchtenden Christen.
"Will Sagen, mit Schrumpf- oder Entzahnungszaubern kommen Sie ihm nicht bei. Also, wenn Sie davon ausgehen, ihn überwinden zu können, ohne ihn mit einer Waffe verletzen oder töten zu müssen, dann bitte!" trieb die Prüferin ihn an. Julius nickte und schwenkte den Zauberstab. Er stellte sich sein Zimmer und seine Schultasche vor. In ihr steckte eine Altblockflöte. Diese holte er sich vor sein geistiges Auge und vollführte ungesagt den Apportationszauber. Mit einem Plopp erschien das Instrument frei in der Luft vor seinem Gesicht. Er griff mit der freien Hand zu, steckte den Zauberstab fort und setzte die Flöte an. Erst blies er sie warm. Dann spielte er ein langsames Stück: "Kleines Kind, was bist du müd'" Die Töne schwebten durch die Luft, drangen in die Hütte ein und glitten in die sechs scharfen Ohren des Hadesianerhundes. Dieser blickte in seine Richtung. Das dreistimmige Knurren ebbte ab. Der Hund starrte auf den Freizeitmusiker, der nun langsam auf die Tür der Hütte zuging. Mehr und mehr blinzelte der gewaltige Hund. Dann gähnte er mit allen drei Mäulern zugleich. Er torkelte auf seinen vier Pranken, ging einmal einen Kreis ab und plumpste dann der Länge nach auf den Bauch. Julius nahm eine Hand von der Flöte und entriegelte die Tür. Dann spielte er weiter, während er in die Hütte eintrat. Er ging auf die Kiste zu und bückte sich, dabei den Hund nicht aus den Augen zu lassen. Das Ungetüm fing gerade an, dreistimmig zu Schnarchen. Das laute Rassen übertönte fast die Melodie aus der Altflöte. Julius blies nun sanfte Töne, für die er nur eine Hand brauchte und stemmte mit der anderen die Kiste, die verhältnismäßig leicht war. Damit zog er sich, immer noch die paar Töne mit einer Hand greifend, aus der Hütte zurück. Er stellte die Kiste ab. Dann verriegelte er die Tür von außen. Er spielte noch ein paar Töne, während er die Kiste unter den Arm klemmte und sich behutsam zurückzog. Erst zehn Meter von der Hütte entfernt hörte er zu flöten auf.
"Alle Punkte für diese Teilaufgabe. Ich habe es meinen drei Kindern immer wieder eingeschärft, mindestens ein Musikinstrument zu erlernen. Wie sind Sie an die Musik herangeführt worden?"
"Durch eine leider nicht mehr lebende, ehemalige Schülerin von Beauxbatons und Madame Faucon, die ja selbst Cellistin ist. Außerdem habe ich im Laufe der Jahre viele Leute kennengelernt, von denen die meisten mindestens ein Musikinstrument spielen können, wie meine Ehefrau, die im Chor singt und Klavier spielt."
"Jedenfalls wissen Sie nun, wofür es gut ist, daß Sie ein Musikinstrument spielen können. Ist die Flöte Ihr Eigentum?" Julius bejahte es. "Dann brauchen Sie sie nicht zurückzuteleportieren. Ich habe mitbekommen, daß Sie in Materialisationszaubern überragend sind."
"Na, hat Tante Babs Temmie geschickt, damit sie dir den Ohne-Gleichen-UTZ in Tierkunde möglich macht?" fragte Millie ihren Mann, als der sie nach der Prüfung besuchte.
"Ich durfte Thestrale reiten, eine Asgardschwänin füttern, Professeur Dujardin die Kiste mit den Feuerlöwen erzählen und am Ende einen dreiköpfigen Hund in den Schlaf musizieren", faßte Julius seine Erlebnisse zusammen.
"Was, hier auf dem Gelände ist einer von diesen Mörderhunden, die sie damals um das Gelände postiert haben, als Didier und Pétain unsere schöne Zaubererwelt in den Abgrund schubsen wollten?" fragte Millie leicht erzürnt. Julius beschrieb die Hütte und vermutete, daß das Holz mit dem Durolignumelixier behandelt worden sein mußte und das Ungetüm sicher gleich nach der Prüfung abtransportiert worden war.
"Will ich hoffen. Aber wenn die mit Musik eingelullt werden können kriege ich so'n Dreimaul auch unter. Was hast du dem denn vorgespielt?" Julius sang das Lied an. Millie lachte. Aurore schrak aus dem Schlaf und plärrte los. Millie trat an die Wiege und schaukelte sie sanft. Julius sang noch einmal "Kleines Kind, was bist du müd' ..." Millie stimmte ein und sang eine zweite, etwas tiefere Stimme. Eine Strophe weiter hatte sich Aurore wieder beruhigt. Madame Rossignol blickte herein und lächelte. Sie sagte jedoch nichts, um die beiden nicht aus ihrem Duett zu reißen. Erst als sie alle bekannten Strophen durchgesungen hatten und Aurore wieder schlief sagte die Heilerin: "Das dürft ihr nach der Prüfungswoche wohl jeden Tag einmal machen.
Der Donnerstag war wieder frei, und zwar für alle ZAG- und UTz-Kandidaten. Die Klassen eins bis vier und sechs waren noch zu prüfen. Kevin hatte an diesem Tag Zaubertiere und war sichtlich stolz, da wohl die höchste Punktzahl abgeräumt zu haben.
Ansonsten verlief der Tag mit weiteren Proben für den Schuljahresabschluß.
"Morgen noch Zaubertränke, Millie. Dann ist der Streß um", freute sich Julius.
"Nix da, dann fängt der erst an, Süßer. Denn dann kommen Aurore und ich wieder zu dir rüber, und du darfst mir bei allem helfen, was mit Händen und Füßen erledigt werden kann."
"Stimmt, Gérard würde am liebsten noch mal alle Prüfungen machen, um in seinem Zimmer allein zu bleiben."
"Das muß Sandrine dann mit dem aushandeln. Julius", sagte Millie darauf schnippisch. Julius nickte seiner Frau zu.
Golpalott, in den Pott", knurrte Apollo Arbrenoir, als die theoretische Prüfung Zaubertränke überstanden war. "Die ganzen Gesetze von dem. Ich hab' sicher welche durcheinandergebracht."
"Hauptsache, du kriegst den UTZ hin", sagte seine Verlobte Leonie. Jacques strahlte alle an wie der legendäre Schneekönig. Er fühlte sich absolut sicher, diesen Teil der Prüfung überragend geschafft zu haben. Julius hoffte, daß er alle Fragen beantwortet hatte und nicht überflüssiges Zeug dazwischengeschrieben hatte, was nicht gewertet wurde. Besonders die ganzen Nebenformen von Bicranius' Mixtur der mannigfachen Merkfähigkeit oder die Auswirkungen von Psychopolaris. Die Rezepturen von Vielsafttrank und dem Bluterneuerungstrank Nummer 3 hatte er fast im Vorbeigehen aufgeschrieben. Auch die Gesetze zum Einsatz hochpotenter Zaubertränke wie Veritaserum oder Felix Felicis hatte er fast im Handumdrehen zu Pergament gebracht. Doch war das wirklich genug, um zumindest einen E-UTZ zu erreichen?
Am Nachmittag bekam jeder einen anderen Zaubertrank zugeteilt, der in drei Kesseln zugleich angerührt werden mußte. Oberaufsicht führte Professeur Fixus persönlich. Julius studierte die Anforderungen, stellte fest, daß für den Zieltrank die Rezeptur absichtlich fehlerhaft war und schrieb erst die korrekten Zutaten und Zubereitungseinzelheiten nieder. Dann ging er daran, seinen Trank der vollkommenen Schmerzunempfindlichkeit zu brauen. Den hätte Constance am liebsten unter der Geburt ihrer Tochter Cythera getrunken. Doch Madame Rossignol hatte ihr das nicht erlaubt. Die kleine Cythera war mittlerweile vier Jahre auf der Welt und Constance als Reporterin bei Quaffel & Co. fest etabliert. Wenn irgendwas über die Quidditchliga zu lesen war, hatte sie jeden drittten Hintergrundbericht beigesteuert. Er würde die beiden gerne noch einmal sehen, wo sie jetzt wohnten. Constance suchte nicht nach einem Mann, mit dem sie Cythera großziehen konnte. Dafür war die Kleine häufig bei ihren Großeltern und auch - was Céline nicht immer freute - bei ihrem Großonkel Baudouin, der für Felix Forcas arbeitete, den Scherzbolden der französischen Zaubererwelt.
Julius konzentrierte sich auf seine drei Kessel, funktionierte eher als zu komponieren. Als es noch fünf Minuten vor Schluß war hatte er aus den drei Kesseln den einen zu brauenden Trank abgemischt. Dann läutete die Glocke. Alle Feuer gingen aus. Die acht Prüfer sammelten die Ergebnisse und auch die angefertigten Notizen. Professeur Énas kam zu Julius. "Es ist bedauerlich, Sie nicht noch einmal in Verwandlung erlebt zu haben. Aber wenn Sie mit den Zaubertränken ebenso umfangreich klarkommen sollten Sie sich schon einen großen Briefkasten und am besten sieben Posteulen zulegen, um auf alle Einstellungsangebote einzugehen, die Sie erhalten mögen."
"Nur, wenn der Trank hier nicht nach einer Stunde in die Luft fliegt", erwiderte Julius. Der altgediente Lehrer und amtliche Prüfer mußte darüber lachen. "Das würde Ihnen meine junge Kollegin Professeur Fixus sicher nicht erlauben, derartig riskante Tränke zu studieren und sie ausgerechnet während der UTZ-Prüfung zu brauen." Er füllte mit einer Schöpfkelle und einem Trichter eine große Flasche des Zaubertrankes ab, etikettierte sie mit "UTZ-Kandidat Julius Latierre, geb. Andrews, Totalanalgetikum nach Alvaro Luciano Gotaclara" und ließ sich von Julius unterschreiben, daß der mit der Prüfungsnummer auf dem Etikett bezeichnete Zaubertrank von ihm erstellt worden war. Damit endete die letzte UTZ-Prüfung für Julius Latierre geborener Andrews. Wenn er keinen Murks gemacht hatte, dann war er jetzt ordentlich ausgebildeter Jungzauberer, bereit, seinen Weg in die Zaubererwelt zu vollenden. Wichtige Schritte hatte er ja schon getan, gelernt, was er konnte, wichtige Erfahrungen gemacht, auch sehr unangenehme und den Grundstein für eine eigene Familie gelegt, für etwas, daß eindeutig von ihm stammte.
"Énas könnte mit seiner Lobeshymne recht haben, Julius. Wenn du echt alle UTZs mit mehr als Akzeptabel hinbekommen hast, werden sich alle möglichen Leute um dich reißen, vor allem die Heiler", sagte Millie. Sie knuddelte ihren Mann. "Aber sieh zu, daß du dich nicht kaputtarbeitest, und daß du immer genug Zeit für uns hast!" säuselte sie ihm ins Ohr. Dann küßte sie ihn innig. Julius fühlte die Flut aus Wärme und Begehren in sich aufkommen. Doch er mußte sich beherrschen, durfte nicht zu weit gehen. Noch war er Schüler der Beauxbatons-Akademie. Erst wenn Madame Faucon ihm die goldene Brosche abnahm und Madame Rossignol ihm das silberne Armband löste, dann konnte er wirklich seinen Weg gehen. Wohin der ihn führte wußte er noch nicht. Dann fiel ihm ein, daß ja vorher noch zwei große Ereignisse stattfanden, die dritte Runde des trimagischen Turnieres, sowie das Abschiedsfest der Siebtklässler, bei dem er mitwirken durfte.
"So, ich glaube, die beiden Sachen hier gehören dir, Julius", sagte Madame Rossignol, als Julius mit Millie auf losziehen wollte, um das verdiente Abendessen zu genießen. Er sah auf den Schrank, auf den Madame Rossignol deutete. Dort sah er den Brustbeutel, in dem seine wichtigsten Besitztümer steckten und die silberne Kette mit dem halben rubinroten Herzen. Er nahm erst den Brustbeutel und hängte ihn sich um. Dann nahm er das rote Herz an der Kette. er fühlte nach, ob es noch so war, wie er es unmittelbar nach Aurores Geburt abgelegt hatte. Er zog die Kette über den Kopf und ließ den Anhänger unter sein Unterhemd gleiten. Sofort begann das Schmuckstück, sanft zu pulsieren. Es wurde warm und etwas weicher. Er fühlte die in seinen Körper fließenden Ströme aus verbindender Magie. Millie strahlte ihn an. Der Kontakt war wieder hergestellt. Er fühlte, wie ihre Freude und Zuneigung auf ihn überflossen. Sie waren jetzt wieder zusammen, so wie sie es sich gewünscht hatten.
"Alles wieder so, wie es sein soll?" Fragte die Heilerin. Julius nickte. Er prüfte, ob er den Anhänger wieder abnehmen konnte. Ja, es gelang. Also hatte es an der verstärkten Verbindung gelegen, die das kleine Bündel Leben hergestellt hatte, das Aurore Béatrice Latierre hieß.
"Wir können", sagte Millie und hakte sich bei ihrem Mann unter. "Wir holen die Sachen von mir und Aurore nach dem Essen ab, Madame Rossignol."
"Laßt euch Zeit. Ihr habt jetzt genug davon", erwiderte die Heilerin von Beauxbatons freundlich lächelnd. Sie setzte sich und nahm ihre Stricknadeln auf, um an etwas weiterzuarbeiten, was sie irgendeinem ihr wichtigen Menschen zum Geburtstag, zum Hochzeitstag oder Weihnachten schenken würde.
"Jau, Monsieur Latierre, jetzt bist du mit den UTZs durch. Mann, die hätte ich jetzt auch gerne", sagte Kevin.
"Du hättest das machen können", wwarf Gloria ein und umarmte Julius. "Wir haben es. Wer immer uns umbringen wollte hat es nicht verhindert, daß wir mit der Schule fertig wurden."
"Du hast noch die dritte Runde zu überstehen", sagte Julius.
"Ja, stimmt. Ich hätte sie gerne mit dir zusammen durchgezogen. Aber irgendwer wollte das nicht."
"Im Zweifelsfall ich", sagte Julius. Er deutete auf Millie und dann auf sich. "Kann sein, daß der Kelch das gemerkt hat, daß ich zu sehr auf meine kleine Familie bezogen war."
"Mal wieder tiefstapeln", knurrte Gloria. "Ja, der Kelch hat dich nicht ausgewählt. Aber daß du weniger wert sein sollst als Laurentine, Hubert oder ich stimmt ja wohl nicht."
"Ich habe nicht gesagt, weniger wert, Gloria. Ich habe gesagt, daß ich auf meine kleine Familie bezogen war", korrigierte Julius seine frühere Schulkameradin.
"Sei froh, Glo, dann kannst du den Titel für Hogwarts einheimsen, ohne auf irgendwelche Freunde Rücksicht nehmen zu müssen", erwiderte Kevin.
"Als wenn du schon wüßtest, was dran kommt, Prahlhans", schnarrte Gloria.
"Es sind nur noch ein paar Tage, dann wissen wir es", meinte Millie, bevor sie losging, um zu ihren Saalkameraden an den roten Tisch zu gehen. Sie strahlte. Julius fühlte ihre Freude, wieder mit den Mädchen aus ihrem Saal zusammenzusein, vielleicht auch, weil sie im Mittelpunkt stand.
Madame Faucon bedankte sich nach dem Abendessen bei den Prüfern und den Kandidaten für ihre disziplinierte Zusammenarbeit und sprach ihre Hoffnung aus, daß alle Kandidaten ehrenvolle Ergebnisse erzielt hatten. Dann sagte sie:
"Nun steht das letzte große Spektakel dieses Jahres an, die dritte Runde des trimagischen Turnieres. Ich hoffe, die Champions haben die Mußestunden während der Prüfungswochen genutzt, um sich auf diesen großen Tag vorzubereiten. bis dahin drücken wir alle unseren drei Champions die Daumen, daß wir ein spannendes, faires und freudiges Finale erleben werden."
Abends nach dem Duellierkurs fand Julius Millie und Aurore im gemeinsamen Schlafzimmer wieder. "So, die darf noch mal nuckeln. Dann schlafen wir hoffentlich bis vier Uhr durch."
"Okay, dann wickel ich sie, wenn sie fällig ist", bot Julius an. Millie nickte. Während sie Aurore säugte fühlte Julius, wie eine innere Ruhe von ihm Besitz ergriff, ein Gefühl der Behaglichkeit, aber auch der Hingabe und Fürsorge. Diese so sehr beruhigenden Empfindungen trugen ihn weiter und weiter in das Reich des erholsamen Schlafes hinüber. Er schlief bereits, als Millie die kleine, satte Aurore in ihre Wiege zurücklegte. "Ist ja lustig. Offenbar hast du deinen Papa in den Schlaf genuckelt", grinste sie das kleine Mädchen an, das zurückgluckste. Dann legte sie sich hin und kuschelte sich behutsam an Julius. Von seinem sanft schlagenden Herzen getrieben pulsierte ihr Herzanhänger und half ihr, den Streß der letzten Wochen abzustreifen und sich auch in die wohlige Leere des Schlafes hinabsinken zu lassen.
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