DAS ERBE DER TANTE

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Vorige Story

P R O L O G

Seit ihrer Rückkehr hat die dunkle Hexenführerin Anthelia verschiedene Gefahren bestehen müssen und sich mit ihrer Schwesternschaft der schwarzen Spinne eine weltweit tätige Organisation aufgebaut. Ihr Widersacher Nummer eins ist der auch bei allen anderen Bewohnern der magischen Welt gefürchtete Schwarzmagier Lord Voldemort, mit dem sie sich im Verlauf ihres zweiten Lebens bereits einmal duellieren mußte und fast dabei unterlegen wäre und mit großer Enttäuschung und auch Furcht hat zusehen müssen, wie dieser ihr das mächtige Schwert des Feuermeisters Yanxothar vor der Nase weggeschnappt hat. Voldemort war und ist jedoch nicht der einzige gefährliche Gegner. Nachdem sie eine der neun Abgrundstöchter besiegen konnte, muß sie auf der Hut vor deren schier übermächtigen Schwestern sein, aber auch gegen die Macht des skrupellosen Magiers Igor Bokanowski bestehen. Dieser überzieht seine Heimat Russland mit von ihm geschaffenen Schreckenskreaturen, um den amtierenden Zaubereiminister dazu zu zwingen, ihm die Macht zu überlassen. Ein mit Voldemort geschlossener Burgfriede bricht bereits kurz nach dem er geschlossen wurde, weil Voldemort das alle Feuerquellen und Feuerwesen beherrschende Flammenschwert Yanxothars benutzt, um einen Schwarm Drachen nach Russland zu schicken, um Bokanowski zu beweisen, daß er nun mächtiger als dieser sei. Da Voldemort aus eigener Überheblichkeit das Schwert jedoch nicht lange behalten hat, und Bokanowski den Drachenangriff als Angriff auf ihn persönlich deutet, kommt es um die Burg des russischen Hexenmeisters zu einer heftigen Schlacht, bei der Bokanowskis Burg in einem gewaltigen Flammenwirbel zu verglühen scheint. Anthelia bedient sich Bokanowskis von unheimlichen Willensunterdrückern kontrollierten Doppelgänger, um dessen Basis zu finden und wird Zeugin der wilden Schlacht, bei der die Burg scheinbar restlos verglüht. Doch sie durchschaut den Feuerzauber und den Ortsversetzungszauber Bokanowskis und weiß, daß der russische Dunkelhexer sich abgesetzt hat, um irgendwann neue Macht zu gewinnen. Um sich auf diesen Tag vorzubereiten und um auch gegen andere Widersacher bestehen zu können, beschließt sie, endlich das alte Erbe ihrer Tante Sardonia zu suchen und an sich zu bringen. Doch dies, so weiß sie, wird nicht leicht sein.

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Niemand wußte, daß sie da waren, obwohl keine zehn Meter von ihnen entfernt jeden Tag mehrere hundert Menschen aus aller Welt vorüberliefen. Granit und Kalkstein, Jahrmillionen alt, verbarg sie vor allen Augen und umschloss sie fest und sicher. Sie selbst konnten für versteinerte Kreaturen aus uralten Zeiten gehalten werden, so starr und unbeweglich sie in ihrem steinernen Versteck lagen. Tatsächlich war es gerade einmal drei Jahrhunderte her, daß sie die ferne Stimme ihrer Meisterin gehört hatten, die ihnen befahl, sich hier zu versammeln und solange zu ruhen, bis sie wieder zu ihnen rufen würde. Doch dieser Ruf war nicht erklungen, und so ruhten sie in einem Zustand zwischen Leben und Tod und überdauerten damit die Zeit. Sie warteten, ohne wach zu sein. Sie lauerten, ohne die Beute wahrzunehmen. So würden sie noch ganze Millennien verbringen können, ohne diese zu bemerken. Nur wenige Meter von ihnen entfernt ergossen sich tagtäglich Ströme neugieriger Besucher in das mehrere Dutzend Meter unter der Erdoberfläche gelegene Höhlensystem im Süden der Bretagne. Hätte auch nur einer der Touristen geahnt, was da hinter massivem Gestein verborgen war, er hätte in wilder Panik die Flucht ergriffen. Doch es sah so aus, als seien die in ihrem Steinversteck ruhenden vergessen und würden niemals wieder aufwachen.

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Das vermaledeite Gefühl piesackte sie, seitdem sie sich dem magischen Friedhof von New Orleans näherte. Es war jenes Stechen und Prickeln, daß ein Pacifilocus-Zauber ausübte, der einen vollen Tag lang jedes magische Wesen mit verborgener oder offener Feindseligkeit auf Abstand hielt. Zehn mächtige Zauberer, die sich frei von jedem dunklen Gefühl oder Gedanken halten mußten, konnten diesen vorübergehenden Bann wirken, der wie eine unsichtbare Glocke über dem zu schützenden Ort lag. Anthelia wußte, daß sie gut daran getan hatte, nicht auf den Friedhof zu apparieren, sondern in ihrer Animagus-Gestalt dorthin zu fliegen. Allerdings konnte sie nun nur aus einer Höhe von zwanzig Metern beobachten, was geschah und nicht näher heran. Zudem hatte der Zeremonienmeister das Versammlungshaus gegen magische Fernbeobachtung versiegelt. Dennoch war die Führerin der Spinnenschwestern höchst zufrieden mit dem was sie beobachten konnte. Sie verfolgte den Einmarsch der Trauergäste, die der vor wenigen Tagen in einer magischen Glutentladung vergangenen Jane Porter die letzte Ehre erweisen wollten und zählte durch, welche Hexen und Zauberer zu ihren möglichen Gegnern gehörten. Sie sah Professor Albus Dumbledore, den der größenwahnsinnige Waisenknabe Tom Riddle als einzigen wirklich fürchtete, einen hochgewachsenen Burschen, der eindeutig zur Pumphut-Sippe gehören mußte und erkannte verschiedene Mitglieder des Laveau-Institutes, sowie die französische Lehrerin Professeur Faucon, die zusammen mit ihrer in freudiger Erwartung befindlichen Tochter, Martha Andrews, einer blondgelockten Junghexe, wohl noch einer Schülerin und Julius Andrews an der Trauerfeier teilnahm. Sie verfolgte den Marsch mit der großen, sargähnlichen Kiste, von der sie nicht wußte, was sie enthielt, wo es von Jane genauso wenig sterbliche Überreste gab wie von der zeitgleich mit ihr gestorbenen Ardentia Truelane. Sie gewahrte, daß Julius sie einige Male sah, in ihr jedoch eben nur eine große Krähe sah. Sie konnte auf ein Grabhaus niedergehen, das gerade so außerhalb des bezauberten Bereiches lag. Dann wartete sie, bis die Trauergäste den Friedhof wieder verließen. Sie folgte ihnen zum betrunkenen Drachen, wo jedoch auch ein Pacifilocus-Zauber aufgerufen worden war. So konnte sie nicht weiterbeobachten, was passierte. Sie kehrte in Krähengestalt zum Ausgang des Weißrosenweges zurück, wo sie unbeobachtet, weil die meisten ja im betrunkenen Drachen waren, ihre eigentliche Gestalt annahm und disapparierte.

Zurück in der Daggers-Villa in der Nähe des nun wieder aufgebauten Stätchens Dropout traf sie auf Pandora Straton.

"Dido ist mit Schwester Patricia unterwegs, um ihre Flugübungen zu machen, höchste Schwester. Konntest du alles beobachten, was wichtig war?" Forschte Pandora vorsichtig nach.

"Sie haben einen mittelstarken Schutzbann gewirkt, der mich auf Abstand gehalten hat. Aber ich konnte die Gedanken der Anwesenden auffangen und mitbekommen, wer alles dort war. Diese Jane Porter hatte für wahr einflußreiche und mächtige Bekannte. Außerdem war noch der Junge Julius Andrews zugegen, wie ich es erwartet habe. Er kam in Begleitung seiner magischen Hüterin und seiner Mutter und war sowohl traurig als auch mißgestimmt über den zu frühen Tod Jane Porters. Viele der Gäste hielten ihren Geist verschlossen, sodaß ich ohne sie ansehen zu können nicht an ihre inneren Stimmungen und Gedanken rühren konnte. Ich wage jedoch die Mutmaßung, daß einige die Zusammenhänge ahnen, ja daß diese Jane Porter vor dem gescheiterten Versuch, mein Geheimnis zu ergründen mögliche Vermutungen weitergegeben hat. Mich dünkt, wir müssen bald entscheiden, ob wir bis auf weiteres untätig verborgen bleiben oder uns offenbaren müssen." Pandora Straton nickte beipflichtend, während Anthelia sich kurz das strohblonde Haar glattstrich und dann abschließend sagte: "Übermorgen werden wir uns hier alle versammeln. Ich werde unserer jungen Schwester Dido einen Schlaftrunk beibringen, auf daß sie unsere Versammlung nicht belauschen mag. Da werde ich euch allen kundtun, was ich vorhabe."

"Wie du es willst, höchste Schwester", stimmte Pandora ehrfürchtig zu.

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Elysius Davidson genoss die Ruhe in seinem Haus nahe des Pontchartrain-Sees in New Orleans. Hier fühlte sich der amtierende Leiter der angesehenen Einrichtung zum Kampf gegen bösartige Magier und Zauberkreaturen so sicher wie es ein Zauberer seines Ranges und der damit verbundenen Nachstellungen tun konnte. Seine Gedanken waren noch auf dem Friedhof am Weißrosenweg, jener versteckten Straße nur für Hexen und Zauberer, wo sie heute seine fachkundige Mitarbeiterin Jane Porter verabschiedet hatten. Er drehte mit den Fingern der linken Hand an seinem langen, schwarzen Schnurrbart herum, während er sich die Bilder und Worte der Feier noch einmal ins Bewußtsein rief. Mächtige Hexen und Zauberer waren da erschienen, Freunde, Weggefährten und Verwandte der Verstorbenen. Leute wie der legendäre Albus Dumbledore oder die weithin gerühmte Blanche Faucon hatten Jane als große, umgängliche Hexe gewürdigt. Andere ausländische Hexen und Zauberer hatten durch ihre Anwesenheit gezeigt, wie wichtig ihnen Jane Porter gewesen war. Wie nebensächlich war ihm dagegen die zwei Tage zuvor abgehaltene Trauerfeier für die mit Jane zusammen gestorbene Ardentia Truelane vorgekommen. Knapp hundert Personen, die meisten davon Verwandte, hatten sich am Wohnort Ardentias eingefunden und um die Dahingegangene getrauert. Doch für ihn, Elysius Davidson, war der zeitgleiche, so spektakulär eingetretene Tod der beiden Mitarbeiterinnen nach wie vor bedrückend. Wieso mußten die beiden sterben? Was war genau passiert? Er hatte es bisher nicht gewagt, Jane Porters geheime Aufzeichnungen zu lesen, die sie in einem der magischen Schließfächer im Institut aufbewahrt hatte. Sie hatte ihm zwar das Passwort gegeben, aber irgendwas hielt ihn davon ab, diese Unterlagen herauszuholen und gründlich zu studieren. Er wußte zwar, daß darin wohl die meisten Fragen beantwortet würden, aber etwas in ihm sträubte sich dagegen, in Janes geheimen Aufzeichnungen zu stöbern. Dabei hatte sie selbst ihn durch den im Raum des Friedens gefundenen Abschiedsbrief ausdrücklich dazu eingeladen, auch und vor allem, um ihn darauf zu bringen, dem Rätsel ihres plötzlichen Todes nachzugehen. Morgen, so beschloss er für sich, würde er sich die Aufzeichnungen holen und sie lesen. Er fürchtete sich zwar davor, wieder einmal eine unliebsame Wahrheit zu erfahren, die ihm schon längst hätte klarwerden müssen und vielleicht den Tod der Mitarbeiterinnen verhindert hätte, wußte aber durch seine langjährige Arbeit im Institut, daß unliebsame Wahrheiten auch dann noch enthüllt werden mußten, wenn bereits unumkehrbarer Schaden angerichtet worden war. Er würde Janes letzten Willen befolgen und herausfinden, was los war. Eines hatte sie ihm jedoch schon verraten: Offenbar gab es in den Reihen des Laveau-Institutes mindestens einen Verräter. Das erschien ihm nun, wo er Janes Abschiedsbrief kannte so plausibel, daß es ihm schon wehtat. Denn woher sonst sollten jene verkleideten Hexen gewußt haben, wo der Sohn des von Hallitti abhängig gehaltenen Muggels hingebracht worden war? Er vermutete sogar, daß Ardentia Truelane selbst eine solche Spionin der anderen Seite gewesen sein mochte und Jane sie deshalb zur Rede gestellt und sich dabei mit ihr ein magisches Duell geliefert hatte oder ähnliches. Doch näheres sollten besagte Aufzeichnungen enthüllen.

Ein mittelhoher Glockenklang ertönte aus seinem Arbeitszimmer. Jemand hatte den Meldezauber für den Kamin ausgelöst. Also wollte jemand mit ihm sprechen oder zu ihm, kam aber nicht durch die vollständige Sperre. Nur vier Personen wußten, wie dieser Meldezauber ausgelöst werden konnte, eine davon war der amtierende Zaubereiminister persönlich. Davidson erhob sich aus seinem gemütlichen Ledersessel und ging hinüber ins Arbeitszimmer, wo er die Flohnetzsperre zur Hälfte aufhob, so daß jemand seinen Kopf zu ihm in den Kamin schicken konnte. Keine zehn Sekunden später ploppte es vernehmlich, und Barney Davenports Kopf saß in Mitten des kleinen Feuers, daß Davidson angezündet hatte, ohne davon in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

"Eine beeindruckende Feier war das, nicht wahr, Elysius?" Begrüßte der Zaubereiminister den Leiter des Laveau-Institutes. Dieser nickte beipflichtend. "Donata Archstone hat mich gebeten, Sie noch einmal zu fragen, ob Sie nicht doch wissen, wie es zu diesem bedauerlichen Ereignis gekommen ist. Sie fürchtet einen weiteren Anschlag dieses Lord Voldemort aus England."

"Sie meinen wie bei Beryl Corner?" Fragte Elysius Davidson leicht betrübt tuend. Denn er wollte dem Minister nicht auf die Nase binden, daß Jane bereits etwas geäußert hatte, aber auch darum gebeten hatte, daß er dem Ministerium gegenüber nichts davon erwähnte, was immer es auch war.

"Nun, immerhin ist sie zusammen mit einer Mitarbeiterin von Ihnen getötet worden, die eine fragwürdige Vergangenheit hat. Kann es sein, daß diese sie eingeholt hat?" Hakte der Minister nach.

"Dies hieße, das Andenken einer Toten zu beschmutzen, Herr Minister", sagte Davidson leicht ungehalten. "Selbst wenn an dieser Vermutung was dran sein sollte, Sir. Immerhin haben wir und vor allem der Geist Marie Laveaus Ardentia Truelane geprüft, um eben sicherzustellen, daß wir uns keine Laus in den Pelz holen." Innerlich zweifelte er jedoch daran, daß diese Prüfungen so wasserdicht waren wie er immer geglaubt hatte. Der Minister nickte verhalten und fragte:

"Und wie erklären Sie sich dann, daß die beiden an einem Ort den Tod fanden, den offenbar nur Ihre Leute kannten?"

"Ob das so ist will ich jetzt, nachdem Jane und Ardentia tot sind nicht kategorisch behaupten, Sir", erwiderte Davidson um Zeit für eine bessere Antwort herauszuholen, was der Minister jedoch sofort bemerkte.

"Also gehen Sie auch davon aus, daß es trotz Ihrer sonst so unumstößlichen Personenprüfung zur Einnistung von feindlichen Spionen kommen kann", preschte Davenport vor und brachte Davidsons nach außen wirkende Gelassenheit ins wanken.

"Nun, dann hätten Sie erstmalig mehr Informationen über mein Institut zur Hand als ich", versuchte Davidson, den erhaltenen Treffer wegzustecken. "Immerhin verfügt Marie Laveaus Geist über echte seherische Begabungen, die nach ihrem körperlichen Tod ja noch verstärkt wurden, wie Sie vielleicht erfahren haben, Sir. Es wäre also daher sehr merkwürdig, wenn wir tatsächlich feindliche Spione in unseren Reihen hätten, ohne daß deren Tätigkeiten nicht in irgendwelchen Visionen Maries auftauchen würden. Und ich kann Ihnen im Fall von Ardentia versichern, daß Marie uns keinerlei derartige Vorwarnung gegeben hat. Im Gegenteil, sie erwähnte, daß Ardentia uns sehr hilfreich sein und alte dunkle Bedrohungen von uns abhalten helfen würde." Davidson wußte, daß er damit gegen eine ungeschriebene Regel des Institutes verstieß, weil er wenn auch nur andeutungsweise Vorhersagen Marie Laveaus an Außenstehende weitergab. Doch er hatte in den wenigen Sekunden, die ihm geblieben waren befunden, daß die Preisgabe eines nun unbedeutenden Geheimnisses den Minister von weiteren Nachforschungen abbringen mochte. Davenport nickte erneut und sagte:

"Nun, wie mir bekannt ist wissen wirklich begabte Seher um die Macht ihrer eigenen Vorhersagen, daß diese nämlich durch darauf folgendes Verhalten erst ermöglicht werden können. Selbsterfüllende Prophezeiungen werden solche Voraussagen genannt. Ich gehe also davon aus, daß Maries Geist Ihnen nur die Dinge erzählt hat, die sie zu diesem Zeitpunkt preisgeben wollte, um bestimmte Ereignisse nicht zu verhindern, die nötig würden oder bestimmte Verhaltensweisen anzuregen, die zu notwendigen Ereignissen in der Zukunft führen konnten. Aber das wissen Sie wahrlich besser als ich, Elysius."

"Bisher hatten wir stets gut daran getan, den Weissagungen Maries zu folgen und uns darauf zu verlassen, Sir. Ich empfinde trotz Ihres Einwandes keine Veranlassung, daran was zu ändern", erwiderte Davidson, der dem Minister gegenüber unerschüttert bleiben wollte. Davenport nickte erneut und fragte dann:

"Darf ich dieser Äußerung entnehmen, daß Sie eventuelle Erkenntnisse, die Sie aus dem Tod von Mrs. Porter und Ms. Truelane gewinnen mit dem Zaubereiministerium teilen werden? Oder gedenken Sie, Ihre Privilegien zu bemühen, eigene Angelegenheiten nicht äußern zu müssen?"

"Davon dürfen Sie ausgehen", antwortete Davidson, innerlich grinsend, weil der Minister einen rethorischen Fehler begangen und ihm zwei Möglichkeiten in einer Frage angeboten hatte, so daß eine simple Antwort reichen konnte, den Minister doch noch im unklaren zu lassen, ohne ihm die Antwort zu verweigern.

"Wovon?" Bohrte Davenport nach, der seinen Fehler bemerkt hatte und sich nicht darüber freute.

"Das wir vom Institut die bisher gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Zaubereiministerium fortsetzen, wie wir es bisher getan haben, und worauf sich Ihre Vorgänger stets verlassen konnten. Im Gegensatz zu Ihrer Behörde, Herr Minister, pflegen wir wahrhaft bedrohliche Entwicklungen in der Zaubererwelt nicht als persönliche Geheimnisse zu hüten, solange uns nicht ein ministerieller Befehl dazu zwingt", revanchierte sich Davidson für den eben erhaltenen Schlag mit der Vermutung, im Institut könne es Spione geben. Davenports Gesicht verzog sich zu einer verärgerten Grimasse. Davidson legte nach: "Wenn es nach Mrs. Porter und mir gegangen wäre, Sir, hätten wir damals schon die Liga zur Abwehr dunkler Kräfte und die Zaubereiministerien anderer Länder über Hallittis Raubzüge und Richard Andrews unterrichtet. Nur unsere Loyalität dem Zaubereiministerium gegenüber zwang uns dazu, dem Geheimhaltungsbefehl Ihres direkten Vorgängers zu folgen, bis Jane Porter es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, die Angelegenheit weiter so laufen zu lassen und noch dazu Marie Laveau darauf bestand, der Sache durch den Jungen Julius Andrews ein Ende zu machen. Wäre es nach Jasper Pole gegangen ..."

"Schon gut, ich habe verstanden", knurrte Davenport und zählte im Geist noch hundert weitere Todesopfer zu den ohnehin schon zu vielen dazu, die das Wirken der erweckten Abgrundstochter gefordert hatte. "Wenn Sie mir erneut Loyalität bekunden, Mr. Davidson, dann bitte ich Sie darum, mir persönlich sofort jede Erkenntnis mitzuteilen, die nicht ausschließlich Ihre Mitarbeiter betrifft! Danke sehr!"

"Wie Sie wünschen, Sir", bestätigte Davidson. Dann verabschiedete sich der Minister. Sein Kopf verschwand mit leisem Plopp aus dem Kamin. Mit einer Zauberstabbewegung löschte Davidson das Feuer und sperrte den Kamin wieder vollständig für Flohnetzaktivitäten. Er wußte in diesem Moment schon, daß er sich diesmal über die Anweisung des Ministers hinwegsetzen würde. Was er nicht wußte war, daß er gut daran tat.

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Davenport seufzte. Er hatte an diesem Tag erfahren müssen, wie beliebt und wichtig eine Hexe war, die nicht für das Ministerium gearbeitet hatte. Er dachte an die Artikel in den Zeitungen, vor allem im Kristallherold, für den Livius Porter, der Witwer von Jane arbeitete. Die immer zwischen nervig und einschmeichelnd wechselnde Reporterhexe Linda Knowles hatte ihn und seine Stellvertreter mehrmals mit Briefen und direkten Besuchen auf den Zahn gefühlt, was das Ministerium zu tun gedachte, um den Tod Jane Porters aufzuklären und die vielleicht noch lebenden Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. "Kein Kommentar" wirkte bei Leuten wie Lino nicht so gut, wußte Davenport. Besonders nach der Enthüllung jener unsäglichen Sache mit dem in Amerika herumspukenden Succubus Hallitti war die Zaubererweltpresse nun besonders empfindlich, wenn etwas passierte, und sei es, daß die Wahrnehmung von Schwefelgestank als Blähung eines nahen Drachens interpretiert wurde. Die Hoffnung, die Presse würde sich mit Übertreibungen und Trugschlüssen selbst ad Absurdum führen hatte sich bisher nicht bestätigt, und so hatte Davenport alle Anfragen, die den Tod von Mrs. Porter und Ms. Truelane betrafen an die Leiterin seiner Strafverfolgungsabteilung abgewälzt. Donata Archstone war längst nicht so anfällig für Überdruck wie der gerade erst ein halbes Jahr amtierende Davenport. Dieser bevorzugte es seit je her, im Hintergrund zu bleiben. Daß der oberste Richter der amerikanischen Zaubererwelt ihn zum amtierenden Zaubereiminister berufen hatte, nachdem Pole nicht mehr zu halten war, bedrückte Barney Davenport, der sich immer gerne als dienstbaren Helfer im Hintergrund wohlgefühlt hatte. Denn er war davon überzeugt, daß die wahre Macht im Land nicht der Zaubereiminister innehatte, sondern dessen kompetente Helfer, die ihn mit Ideen und Lösungen versorgten, die er dann nur noch abzusegnen und der Öffentlichkeit gegenüber zu vertreten hatte. So wollte er eigentlich die nächsten Jahrzehnte als pflichtbewußter aber allwissender Chefsekretär weitermachen. Nun stand er selbst im Licht der Öffentlichkeit und mußte eigene Entscheidungen öffentlich rechtfertigen und sich auch mit den öffentlichen Reaktionen darauf auseinandersetzen. Sein Chefsekretär, der eigentlich als Türsteher fungieren sollte, schien sich seiner Aufgabe nicht so sicher zu sein wie es Davenport damals gewesen war. Nach dem Mord an Beryl Corner, und dem zeitgleichen Tod von Jane Porter und Ardentia Truelane wußte er, daß er an mehreren Fronten gleichzeitig fechten mußte. Denn die Toten waren alle Mitarbeiter im Laveau-Institut gewesen, sie waren alle drei Hexen und standen miteinander in unmittelbarer Beziehung. Das machte natürlich die Presse sehr neugierig. Wenn Davidson nun eine eigene Untersuchung beginnen würde, ohne ihm, Davenport, darüber was mitzuteilen, so konnte es irgendwann einen weiteren Schlag gegen seine Amtsführung geben. Davenport merkte, daß er dem nicht lange würde gewachsen sein können. Er fühlte sich im gleißenden Licht der Öffentlichkeit nicht sonderlich wohl. Das Schattendasein behagte ihm doch mehr. Er verwünschte seinen Vorgänger, der ihn zwar nach Leibeskräften gefördert hatte aber ihm dann doch dieses Basiliskenei ins Nest gelegt hatte. Er wollte sich dem bald entziehen. Deshalb hatte er der Presse einen fetten Brocken hingeworfen, an dem sie sich einstweilen die Schnäbel wetzen und die sensationshungrigen Mägen vollschlagen konnte: "Am ersten Mai stelle ich mich offiziell zur Wahl!" Hatte er in einer vor kurzem einberufenen Pressekonferenz gesagt. "Ich möchte den Eindruck verwerfen, daß der Schaden, den mein Vorgänger angerichtet hat, nicht mehr zu reparieren sei und mich daher dem Votum der nordamerikanischen Zaubererschaft stellen, um zu klären, ob ich meine Kräfte weiterhin als Minister oder in anderer Funktion zur Verfügung stellen möge."

"Erster Mai ist etwas früh für einen gut organisierten Wahlgang", hatte ein Reporter vom Kristallherold eingeworfen. Davenport hatte dazu nur geantwortet, daß er bereits lange genug im Ministerium arbeite, um zu wissen, wie schnell eine Ressortbesetzung vorgenommen werden könne. Eigentlich, so hatte er dem noch hinzugefügt, hätte er bereits drei Monate nach seiner richterlich verfügten Amtsübernahme Neuwahlen abhalten wollen, jedoch zunächst einmal die Unruhen in der Zaubererwelt bereinigen wollen. Nun kamen die Zeitungen mit Vermutungen über mögliche Gegenkandidaten heraus und zankten sich um Davenports Kompetenzen wie die Geier um frisches Aas. Zwar störte es den amtierenden Zaubereiminister auch, wenn sich die Zeitungen um seine Kompetenz stritten, doch weil sie die Tode der Laveau-Hexen dadurch nicht mehr so intensiv beackerten konnte Davenport sich fürs Erste zurücklehnen und seinen früheren Zeiten als stummer, unbemerkbarer Diener im Hintergrund nachhängen.

Es war schon spät am Abend, als Davenport, begleitet von einem Sicherheitszauberer, zu den Privaträumen des Ministers hinaufging. Er wollte sich gerade bettfertig umziehen, als ihm Donata Archstone gemeldet wurde. Sie hatte, wie sein Chefsekretär die Sondergenehmigung, den Minister zu jeder Zeit auch außerhalb seiner Dienststunden aufsuchen zu dürfen. So bat er die Leiterin der Strafverfolgungsabteilung in die geräumige Bibliothek, die ein dauerhafter Klangkerker war. Davenport hatte diesen Erhabenheit ausstrahlenden Raum, der neben unzähligen Büchern über die amerikanische Zaubererwelt und Chroniken berühmter Hexen und Zauberer auch Statuetten der zehn berühmtesten Zaubereiminister beherbergte sehr gerne, auch wenn er daran denken mußte, wie vor sechzig Jahren Montgomery Southerland das von außen unbelauschbare Zimmer als Schauplatz wilder Liebesspiele mit seiner über die Maßen hingebungsvollen Frau genutzt hatte. Alle vier Kinder des heißblütigen, aber auch sehr gewievten Ministers waren in diesem der Bildung und des Geistes geweihten Raum gezeugt worden. Davenport hatte sich seit seiner Amtseinführung immer wieder gefragt, wo in diesem Raum der rotblonde Hüne, der Southerland war, seine Frau Ladonna so richtig ...

"Haben Sie neue Erkenntnisse gewonnen, Donata?" Fragte Davenport, als seine Besucherin ihn durch das hörbare Schließen der Tür aus seinen leicht anrüchigen Gedanken zurück in die Gegenwart holte. Die unscheinbar wirkende, aber willensstarke Hexe mit dem graubraunen Haar, die in einen taubenblauen Umhang gehüllt war, nickte und stellte sich vor einen der beiden freien Stühle. Davenport bedeutete ihr mit wohlwollendem Lächeln, sie dürfe sich darauf setzen und nahm auf dem zweiten Stuhl, ihr gegenüber, Platz. Donata sah ihn an und sagte ruhig:

"Frühling kommt in meinen Sinn,
wenn in der Sonn' schmilzt Schnee dahin!"

Davenport schien diesen Auszug aus einem frühen Gedicht des Zaubererpoeten Gernod Wiesenrain nicht sonderlich zu beachten. Doch Donata Archstone wußte es besser. Sie sah, wie Barney Davenport immer entspannter wurde, ja von einem zum anderen Moment eingeschlafen schien. Dann befahl sie ihm, ihr zu berichten, was er von Davidson erfahren habe. Er antwortete monoton wie im Tiefschlaf sprechend, daß Davidson keine neuen Erkenntnisse für ihn hatte und auf die Vermutung, im Institut hätte es Spione gegeben nur widergegeben habe, was Marie Laveaus Geist ihm zu Ardentia gesagt hatte. Das schien Donata neu zu sein. Sie verzog für einen winzigen Moment den Mund, als wolle sie etwas sagen. Doch sie ließ ihn weitersprechen. Als er dann mit seiner Schlafwandlerstimme sagte, daß er nicht mehr erfahren habe, nickte sie ihm zu und wiederholte die Zeilen aus dem Gedicht von eben. Das wirkte auf Davenport wie ein Aufwecktrank. Ruhig, als habe sie sich gerade erst hingesetzt sagte Donata Archstone:

"Ich habe unsere Leute noch einmal zu diesem Plateau geschickt, Herr Minister. Dieser Raum ist mit einem sehr starken Multifluchabwehrzauber versehen, der wie ein materialisierter und auf einen winzigen Bereich fokussierter Sanctuafugium-Zauber mit diversen anderen Dunkelschreckzaubern wirkt. Es wäre schön gewesen, wenn die Damen und Herren vom Laveau-Institut uns die Existenz dieses Raumes mitgeteilt hätten. Wir hätten dann selbst derartig sichere Räume erbauen können und damit bestimmt vielen Menschen das Leben retten können. Zumindest hat sich meine Vermutung bestätigt, daß Mrs. Porter und Ms. Truelane durch einen heftigen Fluch ums Leben gekommen sein müssen und daß der Raum wohl Teil eines Gebäudes war, das dem Fluch selbst nicht widerstehen konnte. Können Sie sich vorstellen, welche Art Fluch ein solches Inferno auslöst?"

"Eine Art von Vergeltungszauber, wenn jemand den Tod vor Augen hat und die verbliebene Lebenskraft in Zerstörungskraft umsetzt", vermutete der Minister, der nicht zu wissen schien, daß er Donata Archstone schon etwas über sein Gespräch mit Elysius Davidson erzählt hatte. Diese fragte ihn noch einmal, ob er sich bei dem Leiter des Laveau-Institutes erkundigt habe, was dieser wisse. Davenport sagte dazu nur, daß Davidson ihm gegenüber nichts neues erwähnt habe, nur daß sie nun noch besser aufpassen wollten.

"Haben Sie ihm nicht klargemacht, daß es besser sei, wenn er und seine Leute offen und ehrlich mit uns zusammenarbeiten sollten?"

"Ich gehe davon aus, er weiß, daß er sich keinen Gefallen damit tut, wenn er nun selbst anfängt, wichtige Kenntnisse zu verbergen", sagte Davenport. Donata Archstone nickte schwerfällig. Dann sagte sie:

"Ich möchte nur, daß das in mich gesetzte Vertrauen nicht dadurch ungerechtfertigt wird, daß ich auf Grund mangelnder Kenntnisse nicht gründlich und wirksam genug vorgehen kann, Sir. Vielleicht sollte ich selbst noch einmal mit Direktor Davidson sprechen."

"Ich fürchte, seitdem Mr. Swift seine fähigste Mitarbeiterin auf seine Anzeige hin gejagt und festgenommen hat ist er der Strafverfolgungsbehörde gegenüber noch zugeknöpfter als mir gegenüber, Donata. Ich möchte Sie bitten, ihm die Zeit zu lassen, abzuwägen, wie er seine Geheimhaltungsprivilegien mit der Loyalität zu unserem Ministerium vereinbaren kann. Lassen wir ihm erst einmal die Zeit, seine eigenen Untersuchungen anzustellen!"

"Wie Sie meinen, Herr Minister", stimmte Donata nicht ganz so bereitwillig zu. Dann gab sie dem Minister noch einen mündlichen Kurzbericht zur Lage in den Staaten. Handlanger des britischen Schwarzmagiers Voldemort seien bisher nicht zu finden gewesen. Aber die Strafverfolgungszauberer würden wachsam bleiben. Davenport gab die Anweisung aus, den Ausgangskreis für die Reisesphärenverbindung nach Europa bis auf Widerruf zu blockieren, nun, wo es einstweilen keinen mehr gab, der die direkte Verbindung mit der alten Welt benutzen würde. Auch sollten in der Grenzstation für das Flohnetz weitere Strafverfolgungszauberer postiert werden.

"Sollen wir auch die Apparitionsüberwachung wieder auf das Niveau vom Juli und August des letzten Jahres anheben?" Fragte Donata Archstone.

"Ja, aber nichts davon an die Presse, Donata. Ich möchte mich nicht als Totalüberwachungsminister im Geschichtsbuch wiederfinden. Richten Sie bitte eine Unterabteilung zusammen mit dem Chef der Personenverkehrsabteilung ein, um nur auf verdächtiges Apparieren zu prüfen, beispielsweise zur Nachtzeit und wenn Gruppen von mehr als drei Personen apparieren!"

"Alle anderen sollen dann unbehelligt bleiben?" Fragte Donata.

"Sofern nichts passiert, was meine Anordnung unterläuft, wenn also einer appariert und am Zielort großen Schaden anrichtet. Hmm, ach Ja, alles was von unserem Kontinent disappariert ohne in Amerika zu reapparieren gilt auch als verdächtig."

"Versteht sich", sagte Donata Archstone nickend. "Leider ist es schwer, die Herkunft eines Apparators zu bestimmen, der zwischen den Kontinenten wechselt."

"Klären Sie nur, ob vorher jemand disapparierte, wenn jemand von außerhalb ankommt!"

"Verstanden, Herr Minister. Ich werde diese Anweisung sofort weiterleiten, wenn Sie sie mir bitte schriftlich mitgeben würden ..."

Davenport nickte und griff zu einem Pergamentbogen und einem Fäßchen mit königsblauer Tinte, in dem eine volle Adlerfeder steckte, zog die mit Tinte getränkte Feder heraus und schrieb die gerade erteilten Anweisungen nieder, zeichnete dann mit seinem Namen und machte das Pergament damit zum Dokument, das er Donata in die Hand drückte, die sich vorsah, die noch feuchte Tinte nicht zu verwischen. Dann verabschiedete sie sich von Minister Davenport und verließ dessen Privaträume. Davenport ließ seinen Blick noch einmal durch die Bibliothek schweifen, sah und hörte in seiner Phantasie Montgomery Southerland mit seiner rank und schlank gebauten Frau sich leidenschaftlichen Vergnügungen hingeben. Als er fühlte, daß die Gedanken daran auch bei ihm eine Regung auslösten, zuckte er mit den Schultern. Wie lange war es her, daß er die Nähe einer Frau verspürt hatte? Nein, wenn er jetzt noch daran dachte, wie mönchsgleich enthaltsam er die letzten Jahre gelebt hatte, würde es seine ohnehin schon angespannte Stimmung richtig eintrüben. Er verließ die Bibliothek und ging ins Schlafzimmer, wo er nicht über wilde Liebesspiele und dergleichen nachgrübelte. Denn jedem neuen Minister, ledig oder verheiratet, wurde für die Zeit, die er hier wohnte ein neues Schlafzimmer eingerichtet. Anrüchige Erinnerungen fanden hier also keinen Nährboden.

"Ich sollte mir überlegen, meinen eigenen Gegenkandidaten aufzubauen und den glorreich gegen mich gewinnen zu lassen", dachte der Minister. Die Macht schmeckte ihm nicht mehr so süß und wohltuend wie noch im Juli. Damals hatte er sich immer wieder ausgemalt, wie es sein mochte, wenn er Jasper Lincoln Laurentius Pole im Amt beerben würde. Doch als er ihn dann schließlich beerbt hatte, waren ihm die Umstände und die Folgen immer bitterer aufgestoßen. Er hätte dem Richter den Ministerring gleich vor die Füße werfen und ihm zurufen sollen, er möge sich einen anderen Idioten dafür suchen. jetzt, gerade ein halbes Jahr und einige Tage nach seiner Amtseinführung, wollte er diesen Posten, nach dem viele Hexen und Zauberer gierten, möglichst bald und elegant wieder loswerden, ohne als Versager oder Feigling dazustehen. Er dachte an Pole, der um seines Posten willen die Zaubererwelt dumm gehalten hatte, um selbst nicht als unfähig dazustehen, dem weiblichen Ungeheuer Einhalt zu gebieten, das seinen Sklaven zum Beutemachen durch die Staaten gescheucht hatte. Dann schlief er endlich ein und überließ sich seinen Träumen.

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"Diese Jane Porter wird ihren Vorgesetzten angehalten haben, nichts mehr nach außen dringen zu lassen, Schwester Donata", sagte die strohblonde Hexe, die wie selbstverständlich auf dem geblümten Sofa in Donata Archstones gemütlichem Wohnzimmer im Haus bei Cloudy Canyon saß. Donata Archstone nickte ihr zustimmend zu und meinte:

"Dein Zauber kontrolliert Davenport immer noch, höchste Schwester. Vielleicht können wir Davidson damit ebenso beherrschen?"

"Das wird nicht gelingen, Schwester Donata", erwiderte die Besucherin mit ihrer warmen Altstimme. "Dieser Zauber kann nur auf solche Hexen und zauberer gelegt werden, von denen sieben Haare genommen werden können, ohne daß es ihnen auffällt und die arglos den Initialtrank einnehmen. Davidson trägt, soweit ich es von unserer bedauerlicherweise dahingegangenen Mitschwester Ardentia erfahren habe einen diebstahlsicheren Ring mit einem bezauberten Rubin, der einen heimtückischen Trank bei Berührung des ihn enthaltenden Behälters durch wildes Zittern verrät. Solange ich nicht weiß, wie genau dieser Aufspür- und Meldezauber funktioniert, werde ich nicht wagen, diesem Zeitgenossen den Initialtrank zu reichen, geschweige denn die benötigten Haarstücke von ihm zu erlangen. Im Moment würde es auch schwierig sein, da eben durch das bedauerliche Ende unserer Schwester Ardentia niemand mehr von uns in seiner Nähe sein kann."

"Willst du mir nicht verraten, wie der Initialtrank geht?" Fragte Donata Archstone.

"Besser nicht, Schwester Donata. Was du nicht weißt, kannst du nicht verraten", sagte die höchste Schwester. "Es war bei dem Minister schon sehr gewagt, ihm die sieben Dosen zu verabreichen, damit der Zauber ihm unbemerkbar in den Tiefen seines Unterbewußtseins haftet."

"Auf jeden Fall schon sehr unheimlich, daß Imperius auch auf diese Weise gewirkt werden und dadurch noch mächtiger wirken kann", gestand Donata Archstone. "Wenn ich nicht deinem Ruf gefolgt wäre und auf andere Weise von diesem Zauber erfahren hätte, müßte ich fürchten, niemandem mehr trauen zu können, am wenigsten mir selbst."

"Da du dich jedoch für den Bund mit mir entschieden hast, brauchst du vor derlei Behandlungen keine Angst zu haben", versicherte die Besucherin. Donata nickte. - "Ardentia wurde also von jenem Geist der alten Ritualhexe vorhergesagt, düstere Bedrohungen aus alter Zeit abzuwehren. Immerhin, das ist ihr ja auch gelungen", fügte die blonde Besucherin nach einer halben Schweigeminute hinzu. "Immerhin hat sie uns noch helfen können, Hallitti zu besiegen und auch gegen diesen Emporkömmling Front zu machen, der die britische Zaubererwelt tyrannisiert."

"Darf ich wissen, ob es noch mehr solcher alten Artefakte wie dieses Schwert gibt, an die der herankommen will?" Fragte Donata vorsichtig.

"Ich fürchte, es gibt sie, Schwester Donata. Aber mehr wirst du dazu von mir nicht erfahren, solange ich es nicht für geboten ansehe, daß du davon Kunde erhältst."

"Wie du meinst, höchste Schwester", seufzte Donata Archstone. Sie wußte, daß ihre sehr mächtige Besucherin keinem verriet, was sie an großen Sachen vorhatte, außer denen, die sie unmittelbar darin einbeziehen wollte. Sie hoffte nur, daß die höchste Schwester sie rechtzeitig vorwarnte, wenn etwas im Busch war, was auch in Donatas Zuständigkeitsbereich hineinschlagen konnte. Sicher, sie hatte das mit Hallitti durch Antehlia sehr früh erfahren. Doch ihr waren damals die Hände gebunden gewesen, weil sie gerade nur eine Mitarbeiterin der inneren Sicherheitsabteilung im Ministerium gewesen war und nicht einfach mal in den Außeneinsatz gehen und wie selbstverständlich Leute zur Jagd auf das Monstrum ansetzen konnte. Doch nun war sie die ranghöchste Hexe in der magischen Strafverfolgungsbehörde Amerikas und besaß die damals fehlenden Befugnisse. Sollte Anthelia, die höchste Schwester, ihr mit einem Wink bedeuten, wo Feinde lauerten, die auch der um die eigene Sicherheit bangenden Zaubererwelt gefährlich werden konnten, würde sie ganz offiziell und vom Ministerium abgesegnet dagegen vorgehen können. Sie hoffte nur, daß die Öffentlichkeit nicht von ihr verlangte, gegen Anthelia oder eine der Mitschwestern vorgehen zu müssen, also daß keine der anderen auffiel, am wenigsten sie selbst.

"Also will dein offizieller Dienstherr die Verkehrswege wieder schärfer überwachen lassen. Nun gut, Schwester Donata. Morgen findet die Vollversammlung statt. Du wirst da die Pläne des Ministeriums erläutern und bis dahin eine Liste mit Ausweichmöglichkeiten für uns erarbeitet haben! Ich werde euch allen mitteilen, was ich zu tun gedenke", sagte Anthelia.

"Natürlich werde ich kommen", sagte Donata Archstone ergeben. Anthelia nickte ihr wohlwollend lächelnd zu und verließ zu Fuß das Haus der Mitschwester in so strategisch günstiger Stellung. Wenige Dutzend Meter davon entfernt disapparierte sie mit leisem Plopplaut.

Sie apparierte im auf natürliche Weise unbetretbaren Weinkeller der Daggers-Villa und blieb dort, solange sie mit ihrem telepathischen Gespür mitbekam, wie Dido Pane von Patricia Straton in der Invivo-ad-Vivo-Verwandlungskunst unterwiesen wurde. Sie spürte die Angst des schmächtigen Hexenmädchens, das vor einem Jahr und einigen Monaten noch ein Junge gewesen war. Patricia hatte Dido einmal heftig bestraft, weil sie sich verweigert hatte. Zwei volle Stunden als Putzlappen, mit dem Patricia die Böden auf allen Stockwerken gesäubert hatte, hatten Dido von weiterem Ungehorsam kuriert. Anthelia hatte ihren Mitschwestern erlaubt, notfalls drastische Strafen zu verhängen, wenn Dido nicht lernte und gehorchte. Sie wollte nicht, daß das im Körper eines Jungen geborene Mädchen zu früh zu eigenwillig wurde. Sie wußte zwar auch, daß sie sich damit auf lange Sicht eine potentielle Widersacherin heranzüchten konnte, doch dies ließ sich durch ein ausgewogenes Maß von Lohn und Strafe vermeiden, fand sie. Anthelia dachte daran, was in den letzten Monaten passiert war, wie sie gegen Hallitti gekämpft hatte, wie sie zuerst den Stein der großen Erdmutter zu erbeuten versucht hatte, was wegen der in ihrem Seelenmedaillon gefangenen Seele Sarah Redwoods mißlungen war, wie sie die anderen Hexen der sogenannten entschlossenen Schwestern von ihrer Rückkehr überzeugt hatte, wie sie beinahe von Voldemort in den unterirdischen Gängen des alten Inkatempels getötet worden wäre, ja, es nur dessen Überheblichkeit verdankte, noch zu leben, weil er sie zusehen lassen wollte, wie er mit Yanxothars Schwert seinen Traum von der Weltherrschaft wahrmachte. Sie dachte an Beryl Corner, die ihr unfreiwillig das alte Buch über Dairons magische Hinterlassenschaften zurückgeholt hatte, bedauerte, sie töten zu müssen und erinnerte sich an die Suche nach Bokanowskis Burg, den Kampf gegen dessen Kreaturen und wie die Burg scheinbar in einer Feuersbrunst verglüht war, als hunderte von Dementoren und Golems sie bestürmten. Sie dachte daran, daß Bokanowski sich nicht all zu lange zurückziehen würde. Wahrscheinlich würde er bald schon wieder von sich hören lassen. Sie dachte daran, daß er andere Formen des Simulacrums gezüchtet hatte, perfekte Doppelgänger von sich selbst, die beinahe so eigenständig wie er handeln konnten. Ihr fiel in dem Zusammenhang etwas ein, was sie den Erlebnissen und Kenntnissen des von ihr geführten Nichtmagierjungen Cecil Wellington entnommen hatte. Die Forscher der nichtmagischen Welt brüsteten sich damit, in den Zellen lebender Wesen einen komplexen Baustein gefunden zu haben, dessen Beschaffenheit vorgab, wie das ganze Lebewesen beschaffen sein sollte und daß dieser Baustein, der als DNA bezeichnet wurde, perfekte Doppelgänger eines Wesens erzeugen konnte, gelang es, ihn gegen den Kern einer bereits befruchteten Eizelle auszutauschen. Das war wahrlich etwas umständlicher als die magischen Methoden, die sie kannte, aber konnte von diesem Bokanowski als Ansatz für seine Methode benutzt worden sein. Außerdem würde dieser wohl eine neue Armee von Mischwesen erschaffen, mit der er erst seine Heimat Russland, und dann die restliche Welt heimsuchen würde. Mit einem gewissen Unbehagen hatte sie erkannt, wie schwach sie selbst einer solchen Bedrohung gegenüberstand. Sicher, ihr persönlich konnten Bokanowskis Bestien nichts anhaben, weil der Gürtel der zwei Dutzend Leben sie vor Fraß- und Giftschäden schützte. Aber wenn sie die große Mutter einer geheilten Welt unter Leitung der Hexenheit werden wollte, durfte sie nicht zulassen, daß diese Welt vorher von Wahnwitzigen wie diesem Waisenknaben und diesem vom Weg abgekommenen Heiler aus Russland verwüstet und unbewohnbar gemacht wurde. Sie selbst mußte mehr Macht erringen. Treue Mitschwestern, mächtig und wichtig in der Zaubererwelt, reichten nur aus, wenn es galt, kleinere Störungen zu beseitigen. Gegen einen lebensverachtenden Feind mit einer Armee von Bestien bei der Hand würden die treuen Mitschwestern nicht all zu lange widerstehen können. Sie dachte an ihre Tante Sardonia, die gegen die Abgrundstöchter und die Dementoren gekämpft hatte. Sicher, gegen die letzteren hatte sie nicht lange bestanden, weil diese sich alle auf einmal auf sie geworfen hatten. Immerhin hatte sie durch einen Vergeltungszauber mehrere von ihnen vernichten können. Doch Sardonias Macht war weit größer gewesen, und Anthelia kannte die Erzählungen ihrer Mutter, daß Sardonia alles wirklich wichtige irgendwo aufbewahrt hatte. Sie mußte davon ausgehen, daß es in Millemerveilles zu finden war, wo weder sie selbst noch ihre Mitschwestern hingelangten. Selbst Cecil Wellington kam dort nicht hinein, weil der auf ihm liegende Fluch der Bindung und die nachhaltige Verwandlung seines Körpers ihn gegen die magische Abwehrglocke hatten prallen lassen. Mit einer Mischung aus Verlangen und Abscheu dachte Anthelia daran, was ihre Tante alles geschaffen und erreicht hatte. Wie dieser Bokanowski hatte Sardonia Kreaturen erschaffen, die ihr treu und furchtlos gedient hatten. Mit einer Armee dieser Wesen würde sie weitaus sicherer dastehen als ohne. Andererseits war sie auch keine Befürworterin beliebiger magischer Kreuzungen, besonders wenn dabei lebende Menschen direkt mit tierischen Wesen verschmolzen wurden. Sie hatte es einmal mit angesehen, wie ihre Tante eine Entomantrhopenkönigin erschaffen hatte. Hierzu hatte sie eine Bienenkönigin und eine Junge Frau in einer geheimnisvollen Vorrichtung zusammengesperrt, in der es dann laut gezischt, geknistert, gebrodelt und gefaucht hatte, während die Gefangene unter Schmerzen schrie, als pendele sie zwischen Geburt und Tod. Als der magische Prozess durchlaufen war, war eine an die vier Meter große, dickleibige Kreatur aus der Apparatur gekommen, die sofort angefangen hatte, ein eigenes Nest aus Wachs und Erdreich zu bauen, in das sie die ersten Eier einer neuen Generation ablegte. Ihre Tante hatte ihr damals verraten, daß sie diese Wesen nur erschaffen und befehligen konnte, weil sie dazu einen bezauberten Gegenstand benutzte, dessen Aussehen und Wirkungsweise sie ihrer Nichte jedoch nicht preisgeben wollte. Auch Anthelia hatte sich vor Sardonia zu hüten, und so hatte sie es nie gewagt, ihrer Tante das Wissen um diese Wesen und ihre Beherrschung gewaltsam zu entreißen. Einige tote Mitschwestern, die sich derlei zugetraut hatten sagten eindeutig, daß Sardonia niemanden an ihrer Macht teilhaben lassen wollte, wenn dieser Jemand ihr selbst dadurch gefährlich werden konnte. Deshalb war Anthelia ja auch nach England übergewechselt, angeblich um ihrer Tante die aufmüpfigen Angelsachsen Untertan zu machen, aber wohl eher deshalb, um außerhalb der Machtsphäre Sardonias eigene Ziele verfolgen zu können. Sie dachte an Sycorax Montague, die sie entmachtet hatte, um die Anführerin der britischen Nachtfraktion zu werden, wie sie nach Sardonias Fall allen Versuchen, ihre Erben zu beseitigen abgewehrt hatte und immer wieder davon hörte, daß die dunkle Matriarchin nicht wahrhaftig ausgelöscht war, solange jemand Macht und Wissen besaß, ihr Erbe anzutreten. Anthelia war damals der festen Überzeugung, diese würdige Erbin zu sein. Doch bis zum Tod ihres ersten Körpers war es ihr nicht gelungen, nach Millemerveilles hineinzugelangen, um dort nach Hinterlassenschaften Sardonias zu suchen. Immerhin hatte sie selbst ja einige wichtige Entdeckungen gemacht und mächtige Gegenstände erbeuten können. Der Zauber, mit dem sie gerade den Zaubereiminister Nordamerikas an einer sehr langen, aber bei Bedarf strammen Leine führte gehörte dazu. Dairons Wissen über den Willen und die Gefühle verändernde Zaubertränke hatten sie auf die Idee gebracht, einen Trank zu brauen, mit dem sie einen Menschen ohne dessen Wissen zu einem gehorsamen Diener machen konnte. In verbindung mit dem Imperius-Fluch konnte sie das Ritual, das sie Servus-Dormitor-Ritual nannte wirken. Wer ihm unterworfen wurde, führte sein oder ihr Leben wie bisher weiter, ohne auch nur zu ahnen, was ihm oder ihr zugefügt wurde. Um es zu wirken mußte ein bestimmter Trank, dessen Rezeptur nur Anthelia herausgefunden hatte, in sieben Dosen aufgeteilt werden. In jede kam ein erbeutetes Haar des zu behexenden Menschen oder Tieres. Nun galten zwei Probleme, zum einen mußte das gewählte Opfer des Fluches arglos den geschmacksneutralen Trank schlucken. Fühlte es sich bedroht oder argwöhnte es einen Angriff oder eine Vergiftung verflog die Wirkung des Trankes sofort wieder. Ansonsten fiel das Opfer für genau eine Minute in einen tranceartigen Zustand ohne eigenen Willen. Wurde ihm in der Zeit per Imperius-Fluch ein Befehl erteilt, der mit einem Bestimmten Auslöser, einem Wort, einem Satz, einem Duft oder einem Bild verbunden wurde, so vergaß das Opfer nach Abklingen des Trankes, daß es den Trank getrunken und den Befehl erhalten hatte. Dies mußte einmal täglich, sieben Tage lang wiederholt werden, um sicherzustellen, daß die Wirkung dauerhaft vorhielt. Das Opfer tat von da an alles, was ihm befohlen wurde, wenn es mit dem Auslöser konfrontiert wurde wie in Tiefschlaf, bis der Auslöser erneut benutzt wurde. Was es in der Zeit getan hatte, vergaß es. Neben der Dauerhaftigkeit und der Ahnungslosigkeit dieser Bezauberung hatte Servus-Dormitor noch einen Vorteil gegenüber dem direkten Imperius-Fluch: Jeder der den Auslöser kannte und benutzen konnte konnte dem Opfer einen beliebigen Befehl zur Ausführung geben, bis der Auslöser zum zweiten Mal benutzt wurde. Anthelia begrüßte es sehr, daß Minister Davenport sowohl ledig als auch sehr arglos gegenüber seiner Dienerschaft war. So hatte Donata Archstone einen der Hauselfen beauftragt, dem Minister jeden Tag frischen Fruchtsaft zu bringen, wartete im Vorzimmer, bis der Minister getrunken hatte und ging hinein, um ihm unhörbar für andere per Imperius den Auslösesatz und den Anhang: "Tue alles, was dir befohlen wird, wenn du den Satz gehört hast!" suggeriert hatte. Anthelia hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, sich andere Zaubereiminister auf diese Weise Untertan zu machen. Doch ihre Mitschwestern hatten ihr berichtet, daß die Zaubereiminister ständig auf der Hut vor Angreifern und Giftmischern waren und jedes Getränk vorkosten ließen oder mit einem Neutralisierungstrank von üblen Wirkstoffen freimachten. Somit hätte sie nur die Wahl gehabt, die Minister direkten Imperius-Befehlen zu unterwerfen oder sie auf andere Weise in ihre Richtung zu bugsieren. Sie zog die zweite Möglichkeit vor, weil auch sie die Macht der Überzeugung höher einschätzte als den Zwang. Denn wer bei klarem Bewußtsein dem Imperius-Fluch unterworfen wurde entwickelte mit der Zeit einen gewissen Widerwillen dagegen und war in der Lage, ihn abzuschütteln. Servus-Dormitor dagegenwirkte, weil sein Opfer sich nicht bewußt war, verhext zu sein.

"Wie gelange ich in die Heimat meiner Tante, um ihr Erbe zu finden?" Fragte sich Anthelia. "Es muß einen Weg geben, den ich gehen kann. Jede Festung birgt eine Schwachstelle. Ich muß sie nur auffinden."

"So, fein hast du das gemacht. Du hast eine Zigarrenkiste in eine Erdkröte verwandelt, obwohl ich eine Maus von dir verlangt habe, Dido", hörte Anthelia Patricia Straton.

"Öhm, aber Amphibien gehen bei mir immer noch besser", quängelte Dido Pane.

"Das weiß ich, und deshalb will ich ja jetzt, daß du kleinere Säugetiere hervorbringst, Mädchen", schnarrte Patricia. Anthelia erfaßte aus Didos Gedanken, daß Patricia mit schnellen Zauberstabbewegungen aus einer anderen Zigarrenkiste eine Spitzmaus machte, wobei sie noch einmal die Beziehung zwischen zu bezaubernder Materie und magischer Wirkung erläuterte wie eine Lehrerin von Thorntails. Dann war Dido wieder dran und schafte es tatsächlich, aus einer Zigarrenkiste eine Maus zu machen, allerdings eine mit grünbraunem, etwas schleimigem Fell, die kurz das Mäulchen öffnete und eine lange, klebrige Zunge herauspeitschen ließ. Patricia lachte darüber amüsiert und bat Dido nun weniger streng, nicht mehr an Kröten oder Frösche zu denken. Tatsächlich schaffte es die Privatschülerin der Spinnenschwestern, eine vollständige Maus zu zaubern.

"Wenn sie bei der Sache ist kann sie es doch", dachte Anthelia. Patricia Straton lobte ihre Schülerin und beendete die Unterrichtsstunde für heute. Als Dido dann mit ihrem Besen ausfliegen durfte apparierte Anthelia im Salon, wo die Übungen stattfanden. Zu ihrer großen Zufriedenheit war keiner der im Haus herumspukenden Geister da.

"Ah, höchste Schwester!" Begrüßte Patricia Anthelia erfreut. "Hast du lange warten müssen?"

"Nicht zu lange, Schwester Patricia. Ich hatte einiges mit unserer Mitschwester Donata zu besprechen. Ich denke, wir müssen langsam entscheiden, ob wir nur beobachten oder wahrhaftig lenken wollen. Die Ereignisse der letzten Zeit haben mich nachdenklich gestimmt, ob die bisherige Strategie des heimlichen Handelns noch lange weitergeführt werden kann."

"Willst du, daß wir offen gegen die Ministerien und die magischen Bünde kämpfen?" Fragte Patricia leicht erschrocken.

"Zumindest will ich nicht mehr so tatenlos zusehen müssen wie bei der Schlacht um Bokanowskis Burg", grummelte Anthelia verbittert. "Wenn dieser russische Lebenspfuscher erneut aus der Deckung kommt und seine gierigen Pranken nach der Welt ausstreckt will ich genauso wirksam gegen ihn vorgehen können wie der Waisenknabe."

"Nun, höchste Schwester, nachdem, was du uns erzählt hast konntest du den Schlupfwinkel dieses Bokanowski aufspüren, eine wirksame Methode gegen diese Monstermuffs erfinden und feststellen, daß er nicht vernichtet worden ist. Das ist nicht wenig", fühlte sich Patricia Straton zu einer anerkennenden Bemerkung veranlaßt. Anthelia nickte.

"Ich hätte ihn am liebsten noch selbst aufgesucht und mit eigener Kraft niedergerungen oder ihm gleich den Garaus gemacht. Doch leider rückten die Kreaturen des Waisenknaben an, und mir blieb die fragwürdige Ehre, dem magischen Gemetzel zuzuschauen, daß beide Lebensverächter sich lieferten. Wenn dieser Bokanowski wieder hervortritt wird er aus seinem Fehler gelernt haben und mit einer schlagkräftigeren Armee dreinschlagen."

"Schlagkräftiger als diese Selbstmordkäfer oder die Monstermuffs?" Fragte Patricia Straton beklommen.

"Sicher arbeitet er bereits an neuen Züchtungen. Vielleicht wird er seine Abscheu gegen Vampire verdrängen und sich ihrer auf irgendeine Weise bedienen oder andere Zauberkreaturen schaffen. Außerdem besaß er die Kenntnis über Willensunterdrücker, die wirksamer als der Imperius-Fluch sind."

"Ja, das stimmt wohl", sagte Patricia. Sie kannte Anthelias Bericht über Bokanowskis Kreaturen wie die anderen noch verbliebenen Schwestern der ersten Stunde, die an Anthelias Wiederverkörperung beteiligt gewesen waren. Dieses und daß Voldemort wohl einen Großteil seiner Golemarmee aufgebraucht hatte war den Spinnenschwestern nun bekannt. Es war jedoch eine Frage der Zeit, wann beide Hauptfeinde sich von der mörderischen Schlacht erholen würden. Bokanowski mochte die Welt noch über Jahre im Glauben halten, getötet worden zu sein. Von Voldemort wußten sie, daß er nicht zögern würde, sofort zuzuschlagen, wenn er eine günstige Gelegenheit sah. Anthelia hatte ihren Mitschwestern jedoch eine Sache nicht offenbart, nämlich daß sie nun, wo sie den Stein der großen Erdmutter und das Flammenschwert des Feuermeisters Yanxothars gesehen hatte davon ausging, daß auch die anderen legendären Machtartefakte aus Atlantis irgendwo auf der Erde verstreut waren und Voldemort nun auch danach jagen würde. Doch Patricia und ihre Mutter Pandora konnten sich denken, daß es außer dem Stein und dem Schwert noch andere mächtige Gegenstände geben mußte, deren Besitzer schier unbesiegbar wurde.

"Morgen werdet ihr von mir hören, was ich vorhabe", sagte Anthelia noch einmal, was sie bereits Pandora und Donata gesagt hatte. Dann verschickte sie mehrere Eulen an wichtige Schwestern ihres Spinnenordens, um das Treffen anzukündigen und verbrachte den restlichen Tag mit Dido Pane, der sie Unterricht in Zaubereigeschichte und Zauberkunst erteilte.

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"War viel los da?" Fragte er mit gehässiger, kalter Stimme. Ein schadenfrohes Grinsen gab seinem fahlgrauen Gesicht noch mehr dämonischen Ausdruck als es ohnehin schon bot. Ihm zu Füßen kräuselte sich eine große Schlange. Anteros Sikes wußte nicht, wer der beiden grauenvoller aussah. Sicher war nur, daß sein Herr und Meister der gefährlichere von beiden war. So blickte er mit seinen tiefgrünen Augen von unten her zu dem hageren Geschöpf im langen schwarzen Umhang empor und sagte:

"Soweit mein Neffe es mir geschildert hat waren tausend Leute in der Kapelle. Die haben wohl einen Bann gewirkt, daß nur friedliche Hexen und Zauberer da hineingehen konnten, Herr."

"Wären ja auch schön einfältig gewesen, die Elite der sogenannten guten Zaubererschaft an einem Ort zusammenzubringen und sie damit mir oder netten Zeitgenossen auszuliefern. Was weiß dein Neffe denn noch über dieses Weib, Jane Porter?"

"Das keiner richtig weiß, wie sie gestorben ist, Herr", erwiderte Sikes beklommen, weil er dachte, daß diese Antwort seinem Herrn und Meister nicht gefallen würde. Tatsächlich funkelte dieser ihn mit seinen roten Augen an und fauchte:

"Die lügen, Anteros! Die wissen, wie diese dicke Samariterin gestorben ist, wollen das aber nicht jedem auf die Nase binden."

"Einige behaupteten, ... daß ..." druckste Sikes herum. Jetzt, wo er dem von ihm so bewunderten Meister einen Bericht erstatten durfte, ausgerechnet jetzt mußte er mit fast leeren Händen kommen. So jung wie er noch war wollte er nicht gleich von Lord Voldemort aus Wut heraus getötet werden.

"Was behaupten einige?!" Schrillte der meistgefürchtete Zauberer der Gegenwart.

"Öhm, daß Ihr sie und diese Ardentia Truelane getötet habt, Herr", brachte Sikes heraus und dachte, daß dies wohl seine letzten Worte gewesen waren. Wie hatte er sich auch auf ihn einlassen können, jetzt wo er wußte, daß der doch auch nur ein Schlammblut war?

"Hoh, du zweifelst dran, daß du dem richtigen Herren dienst, Terry Sikes", knurrte Voldemort. "Aber wenn ich diese beiden Laveau-Huren getötet hätte, wüßte das jeder auf der Welt, weil ich gewollt hätte, daß das jeder weiß! Also was denken die anderen noch?!" Dröhnte er mit der Kälte und Zerstörungswut einer Kreissäge.

"Ein Fluch, Herr. ... Sie vermuten einen mächtigen ... sehr mächtigen Vergeltungsfluch oder sowas", sagte Sikes. "Ihr wißt, ich kann meinen Neffen nicht gezielter fragen, damit er keinen Verdacht schöpft. Die in den Staaten sind zu gut in der Verfolgung von Unsereinem."

"Das soll doch nicht etwa eine billige Ausrede werden, Anteros Sikes?" Schnarrte Lord Voldemort sehr gefährlich. Sikes, der früher gerne damit angegeben hatte, was für ein toller, reinblütiger Zaubererbursche er doch war, zitterte am ganzen Leib. Angst trat aus allen Poren seines Körpers, die blitzblanke Todesangst. Voldemort sog die Luft laut fauchend in seine kaum hervortretende Nase ein, als wolle er einen Appetit anregenden Duft genießen und grinste noch breiter:

"Gut, Vergeltungsfluch. Vielleicht auch ein Verhinderungsfluch, damit jemand nicht mehr erfährt als nötig ist. Das kann also nur heißen, daß jemand dort drüben so unvoreingenommen mit Zauberei hantieren kann wie ich. Wie immer dieser Fluch ausgelöst wurde, eine der beiden muß diesem Jemand gedient haben. die Frage ist nur, Wer?"

"Herr, das weiß ich nicht", jammerte Sikes.

"Du bist der einzige, der jemanden da drüben kennt, der nicht auf der Liste dieser sogenannten Anstandszauberer steht und wagst es, nicht richtig nachzuforschen! An und für sich müßte ich dein jämmerliches Dasein hier und jetzt beenden. Aber ich gebe dir noch eine Chance, weil ich heute so einen guten Tag habe. Finde raus, was da genau passiert ist und wieso! Es macht mich wütend, daß da jemand einen so mächtigen Fluch kann, ohne daß ich weiß, wer das ist und wozu dieser Fluch sonst noch taugt!"

"Sehr wohl, Herr", seufzte Sikes, der immer noch damit rechnete, in den nächsten Sekunden tot auf dem Boden zu liegen, falls der dunkle Lord ihn nicht vorher lange und mit Genuß folterte.

"Steh auf und geh nach Hause, du Wurm. Schreibe deinem Neffen, du hättest dich schlau gelesen und erfahren, daß etwas ähnliches vor zweihundert Jahren passiert sei. Ich will wissen, was das Zaubereiministerium in Washington weiß. Schreibe ihm, die hier in England glauben, daß der, den man nicht beim Namen nennen darf, ähnliche Zauber auf Lager hat! Dann werden die Ameisen noch mehr aufgescheuchtt." Voldemort lachte lauthals. Sikes nickte und trat gebückt aus dem Zimmer des dunklen Lords. Als er sich endgültig von dem alten, zerfallenen Haus der Riddles entfernt hatte, zischte Voldemort der Schlange zu:

"Dairons guter alter Treuefluch. Es gibt ihn also doch, Nagini." Er streichelte die schuppige Haut der Schlange, die sich behaglich wand und zurückzischte:

"Ist dasss sssehr stark, Meisssster?"

"Ich hatte bisher keine Möglichkeit ihn zu erlernen. Das einzige Buch, in dem er detailgenau aufgeschrieben wurde befand sich in der Bibliothek dieses irren Iren O'Sullivan. Aber da ist es wohl nicht mehr. Ich war einfach zwanzig Jahre zu spät auf dessen Spur gekommen."

"Isssst der andere jetzzzzzt stärker alssss du?" Fauchte Nagini.

"Es ist eine Die, Nagini. Deshalb ist sie auch nicht stärker als ich. Offenbar haben die Laveau-Schlampen dieses Buch an sich gebracht und die, die die Frechheit hatte, einen Angriff von mir vorzutäuschen, hat es sich geholt, weil sie einen Spion in diesem vermaledeiten Gutmenschenstall hatte. Ich hätte gerne gewußt, wer das war. Aber jetzt, wo eine ihrer Nachläuferinnen von diesem Fluch getötet wurde, weiß ich, daß ich die nicht einfach so verhören kann, wenn selbst eine dieser Laveau-Luder den Fluch nicht aufheben konnte, bevor sie die enttarnte Spionin verhören konnte."

"Ich habe Hunger!" Fauchte Nagini.

"Dann geh raus und friss was! Vielleicht erwischst du ja einen stinkenden Muggel. Aber verdirb dir an dem nicht den Magen!" Parselte Voldemort zurück. Die Schlange glitt lautlos aus dem Zimmer und stahl sich unhörbar aus dem Haus.

"Sie kann nur eine der beiden alten Matriarchinnen sein, Sardonia oder ihre machtgierige Nichte Anthelia", dachte Voldemort. Das bisher einzige echte Duell mit der geheimnisvollen Widersacherin steckte ihm immer noch in den Knochen. Weil sie eine Frau war hatte sie es nicht übers Herz gebracht, ihn zu töten, wo sie die Gelegenheit hatte. Sicher, als er ihr mit der Feuerklinge Yanxothars in der Hand wiederbegegnet war, war er es, der sie hatte laufen lassen, aber nur, um sie schlimmer zu treffen als Cruciatus und Avada Kedavra es hätten vollbringen können. Doch das Schwert hatte er nicht mehr. Dieser Werdrache Vientofrio hatte es ihm abgejagt und bestimmt wo versteckt, wo nur ein Drache dran konnte, also in einem von Feuer oder Lava und Schwefeldunst durchzogenem Versteck, bestimmt einem Vulkan. Nur von denen gab's so viele auf der Erde, daß der dunkle Lord bei dem Gedanken, alle auf irgendeine Weise durchsuchen zu müssen schauderte. Es gab Zauber, die einen für eine weile gegen Feuer und Höllenhitze abhärteten. Doch wenn das Schwert, das selbst gegen alle Wirkungsarten des Feuers immun war in einem mit Lava gefülltem Krater verborgen lag, konnte er nicht hinein, weil der Kopfblasenzauber nur begrenzt die Glut aus der Atemluft abhielt. Er mußte diesen Drachenmann dazu bringen, das Schwert wiederzuholen. Dann wollte er das Wissen nutzen, daß ihm Juri Petrov verschafft hatte, der Ex-Strafverfolgungsleiter im russischen Zaubereiministerium. Jetzt, wo Bokanowski sich selbst im Höllenfeuer zu Asche verbrannt hatte stand ihm im Osten keiner mehr im Weg. Dann fiel ihm noch etwas ein. Wo er es mit einer Widersacherin aus der Zeit Sardonias zu tun hatte dachte er daran, daß es in Millemerveilles, wo selbst er nicht hineingelangte etwas geben sollte, daß einem wirklich mächtigen die Macht Sardonias brachte. Er konnte nicht nach Millemerveilles. Er nicht! Ein triumphales grinsen legte sich für eine ganze Weile auf das schädelartige Angesicht dessen, dessen Name keiner in der europäischen Zaubererwelt auszusprechen wagte.

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Seine Beine schienen ihn nicht so recht zu tragen, als er aus der geheimen Kammer hervortrat. Ein leichtes Zittern ließ seinen Körper vibrieren. Er fühlte sich nicht wohl. Das dauerte ihm zu lange. Seit Weihnachten wartete Draco Malfoy darauf, daß eine bedauerliche Mitteilung in Hogwarts die Runde machte. Doch diese Nachricht war bisher nicht herumgegangen. Im Gegenteil. Jeden Mittag und Abend mußte er sehen, wie der alte, verhaßte Tattergreis auf seinem goldenen Stuhl Platz nahm und alle wohlwollend angrinste. Er hasste ihn nun mehr denn jeh, denn dieser alte Zausel wollte nicht einfach so sterben. Draco lief ein kalter Schauer nach dem anderen den Rücken hinab, wenn er sich vorstellte, ihn mit eigenen Händen umbringen zu müssen, ihm die letzten zwei Worte hinzurufen, die der viel zu lange am Leben gebliebene, hagere Mistkerl im Leben hören sollte. Doch immer dann, wenn er dachte, wie einfach es doch sei, als Vertrauensschüler in das runde Zimmer mit dem ganzen Silberkrimskrams zu gehen und ihm ohne groß nachzudenken den Zauberstab hinstrecken und ihm "Avada Kedavra!" entgegenzurufen. Er konnte den Fluch. Er hatte ihn von seiner Tante gelernt, weit ab von allen Ortschaften, da wo kein Spürstein fremde Zauber verpetzen würde. Er dachte an Brutus Pane, der ja auch versucht hatte, den Fluch zu wirken, gegen ein altkluges, überkandideltes Schlammblut. Doch das war danebengegangen. Draco wußte, er hatte nur die Chance, Dumbledore zu töten, wenn er ihn aus dem Hinterhalt erwischen konnte ... und ihm beim Sterben nicht in die Augen sehen mußte. Denn eines hatte er seiner Tante Bellatrix verheimlicht, weil er von ihr auch Okklumentik gelernt hatte: Als er ein weißes Kaninchen totfluchen sollte und sie ihm zurief, das sei Hermine Granger, hatte er den Fluch zwar tadellos gewirkt und das Kaninchen war auf den Rücken gefallen. Doch dabei hatte er die rosafarbenen Augen des Tieres gesehen, die ihn leer und doch irgendwie anklagend angestarrt hatten. Dieser Anblick hatte sich in sein Unterbewußtsein gebrannt. Von da an hatte er gewußt, daß er es nicht so leicht haben würde, den Auftrag des dunklen Lords, der ihm und seinen Eltern das Leben retten sollte, zu erfüllen.

"Ey, Draco, wann können wir endlich damit aufhören!" Schnarrte ihn jemand mit der Stimme eines elfjährigen Mädchens von links an. Draco schrak zusammen, wandte sich um und sah eine der Erstklässlerinnen, die sichtlich geknickt aussah. Einige Schritte hinter ihr stand ihre Kameradin.

"Bis alles Erledigt ist, Goyle", schnarrte Draco in auflodernder Wut. Dann sah er auf seine Uhr und grinste schadenfroh. "Oh, die Stunde ist gleich wieder um. Seid zwei brave Mädchen und trinkt Onkel dracos Wundermedizin, bevor euch wieder so übel wird!"

"Ey, weißt du eigentlich wie brutal weh das tut", knurrte das Mädchen, das Draco Goyle genannt hatte. "Hättest du nicht Pensy das Zeug unterjubeln können, Mann?"

"Um der zu stecken, was ich vorhabe? Nöh, ihr beiden! Das ziehen wir durch und sonst keiner hier."

"Ausgerechnet die blöden Hühner mußtest du ...", knurrte das zweite Mädchen. Doch Draco, sich nun in seiner Macht sonnend, blickte es nur drohend an. Sie zuckte zusammen und sagte kein Wort mehr. Doch die Erste begehrte auf:

"Sauf du dieses Dreckzeug und sag uns dann, ob du das so toll findest, da, wo ein Junge seinen Piephahn hat nur in ein glibberiges Loch reinzulangen und nicht gescheit pinkeln zu können."

"Ey, gehört sich das für die Tochter einer anständigen Reinblüterfamilie?" Feixte Malfoy. Dann gab er den beiden zwei kleine Phiolen und sagte: "sauft das Zeug, damit es noch vorhält! Ich brauche die Stunde noch."

"Du hast Weihnachten gesagt, wir müßten das nicht mehr lange machen. Jetzt is' schon bald Ostern", knurrte das Mädchen namens Goyle.

"Och, zählst du die Monate?" Fragte Draco Malfoy hinterhältig dreinschauend. Goyle verzog das Gesicht, während die andere wild nickte. Draco grinste noch breiter und zog sich in den Raum zurück, aus dem er gekommen war. Dieses Gefühl, die beiden nach Belieben zu schikanieren, jetzt und vor allem, wo sie kleine, brave Mädchen sein mußten, hatte seine Angst vorübergehend vertrieben und ihm neuen Mut gegeben, zumindest die Sache zu erledigen, die er in diesem Raum erledigen wollte.

Einige Minuten später, auf dem Weg zum Slytherin-Kerker, begegnete Lea Drake, eine Viertklässlerin mit kastanienbraunen Rattenschwänzen als Frisur einer der Erstklässlerinnen, Morighan Redsword, deren Eltern sie von ihrer Großtante Ursina her kannte. Ihr fiel auf, das das seidenweiche, fuchsrote Haar der Erstklässlerin wieder ziemlich zerwühlt aussah und sprach sie an:

"Hi, Morry, wie geht's?"

"Och, gut, Lea", kam es nicht ganz so überzeugt von Morighan. Da fiel Lea auf, daß das Haar der Hauskameradin nicht nur zerwühlt sondern an einer Stelle kürzer war als an einer anderen Stelle. Sie fragte sie:

"Was hast du denn mit deinen Haaren gemacht, Morry? Soll das 'ne neue Mode sein?"

"Ach, hör doch auf", quängelte Morighan und legte ihre kleine Hand auf die Steinwand, die den Eingang nach Slytherin versperrte:

"Nigellus!" Sagte Morighan betrübt. Die Wand tat sich auf. Lea folgte ihr nicht. Sie blieb stehen und fragte sich, was mit der los war. Setzte ihr etwas der Körper zu? Einmal hatte sie Morighan in einer Ecke kauernd gefunden, auch mit zerwühlten Haaren und irgendwie bedröppelt. Als sie sie gefragt hatte, was sei, hatte die ihr nur erzählt, daß bei ihr wohl jetzt auch diese Monatssache angefangen habe, von der ihre Mutter ihr erzählt habe. Lea hatte es dabei belassen und hatte nicht sonderlich drauf geachtet. Doch merkwürdig war ihr schon, als sie kurz danach Morighan mit Kelly Greyrock im Treppenhaus auf dem Weg nach oben gesehen hatte, zwar noch ziemlich betrübt aber doch entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Jetzt dachte sie daran, durch das Schloß zu wandeln, sich vielleicht mit der gemalten Lady Medea zu unterhalten und dann noch einmal in die Bibliothek zu gehen. Sie dachte daran, daß es irgendwo im Schloß einen Raum geben sollte, in dem immer die Einrichtungsgegenstände waren, die der, der hineinging gerade dringend brauchte. Angeblich habe Harry Potter dort die Treffen mit seiner kleinen Zauberkampftruppe abgehalten. Aber nichts genaues wußte auch sie nicht. Nur, daß der besagte Raum auf einer der oberen Etagen sein sollte hatte sie genau mitbekommen. Irgendein komisches Bauchgefühl veranlaßte sie, heute noch einmal nachzusehen, wo dieser Raum war. So lief sie so leise es ging durchs Schloß und suchte den sagenhaften Raum. Unterwegs flog eine gemalte Quidditchspielerin im blauen Ravenclaw-Umhang durch die Bilder. Lea nahm nur flüchtig zur Kenntnis, daß es die naturgetreue Bild-Form der früheren Ravenclaw-Schülerin Aurora Dawn war, die heute in Australien Heilerin sein sollte. Irgendwas hatte Lady Medea über die gesagt, was ziemlich geheimnisvoll klang, daß sie das Ding, das Draco im letzten Jahr angezettelt habe vermasselt hatte, zusammen mit jemandem, von dem Medea nicht rauslassen wollte, wer es war. Lea lief weiter und wollte gerade in einen kleinen Seitengang einbiegen, als sie die Stimmen zweier noch ganz junger Mädchen hörte, die sich angenervt unterhielten. Eine davon erkannte sie als die von Morry Redsword. Die andere war Kelly Greyrock. Sie verstand es nicht, daß die beiden, die sich sonst wie Hund und Katze verhielten freiwillig in einem stillen Gang zusammenstanden und miteinander redeten. Lea blieb stehen und lauschte. Dann überkam sie die Versuchung, und sie griff unter ihren Umhang, wo hauteng und von außen nicht zu sehen eine Umschnalltasche aus Drachenhaut anlag. Sie schlich einige Meter zurück und öffnete im Zeitlupentempo die Tasche, nahm so leise sie konnte ein zusammengefaltetes Stück ganz feinen silbrigen Stoffes heraus, entfaltete es und schlüpfte mit vielfach eingeübten bewegungen unter dem Tarnumhang, den sie entfaltet hatte. Unvermittelt war sie nicht mehr zu sehen. Unsichtbar näherte sie sich nun wieder dem Ort, wo die beiden Mädchen standen. Beim Näherkommen hörte sie, wie Morighan gerade sagte:

"Langsam könnte der da drinnen fertig werden oder uns sagen, wie das Ding zu reparieren geht. Sonst kann der mal ..."

"Psst, nicht so laut", zischte Kelly, eine noch ziemlich kleine Elfjährige mit schwarzem Haar. "Mich kotzt das auch an, fast jeden Tag hier rumhängen, noch dazu so ..." Sie deutete mit einer verächtlichen Miene auf ihren Körper. "Wenn der da drinnen noch länger braucht kann ich auf Hebamme oder so'n Frauenheilzeug umsatteln, ey!"

"Der soll das mal selber reinwürgen", zischte Morighan. Lea sah den Ausdruck der Angewidertheit in den Augen des Mädchens. Komischerweise hatte sie aber ganz glattes Haar. Sie sah genauer hin und stellte fest, daß die fuchsrote Mähne keine Macke hatte, wie sie sie eben bei Morighan noch gesehen hatte. Und dann fiel ihr noch was auf. Morighan trug einen schlichten Arbeitsumhang, der ihr ein wenig zu groß zu sein schien, wo die Erstklässlerin doch immer Wert auf korrekte, adrett angemessene Schulbekleidung legte. Die Redswords machten ja auch was her in der nordirischen Zauberergesellschaft, wußte Lea. Dann sah sie Kelly an und stellte fest, daß sie ebenfalls einen Arbeitsumhang für draußen anhatte.

"Sollen wir jetzt noch 'ne Stunde hier rumhängen und über irgendwelches Kleinmädchenzeug quatschen, wo ich von sowas null Ahnung habe?" Fragte Kelly. Lea mußte leise grinsen, weil sie das erst nicht kapierte, wie ausgerechnet Kelly, die den älteren Mädchen gegenüber schon mit Schminkzeug und Modeklamotten zu imponieren versucht hatte keine Ahnung ... Sie hätte fast geschrien, so weh tat ihr die Erkenntnis. Das Grinsen verging ihr schlagartig. Eine Mischung aus Unbehagen, Abscheu und dann einem Gefühl von Angst überkam sie für einige Sekunden. Dann wußte sie, was sie tun mußte. Was die beiden gesagt hatten war für sie sonnenklar. Was sie hier sollten auch. Sie standen Schmiere, weil jemand, ein ganz gewisser Er, in der besagten Kammer herumhantierte und seine sonstigen Schatten nicht einfach so vor die Tür stellen konnte, weil die ja wirklich jedem verraten hätten, daß er da drin war. Sie schlich zurück, nun leicht grinsend, weil sie sich vorstellte, wie die beiden thumben Fleischberge sich in den anbefohlenen Körpern fühlen mochten. Angst machte es ihr nur, weil sie nicht wußte, welche Gaunerei ihr hiesiger Herr und Gebieter mal wieder ausheckte. Beim letzten Mal, so hatte ihr die Lady verraten, hätte der fast die ganze Zaubererwwelt zu einem großen Goldfischglas gemacht, in das der Emporkömmling jederzeit hätte hineinglotzen können, weil er fast die alten Bilder Slytherins mit den Willen unterdrückenden grünen Würmern aufgehängt hatte. Was auch immer Malfoy vorhatte, es war bestimmt wieder was für diesen Irren, diesen Waisenjungen, der sich mit seinem Halbblutdasein nicht abfinden wollte. Ihre Mutter und die Großtante, bei der sie die Ehre erfahren hatte, in Okklumentik ausgebildet zu werden und demnächst wohl auch die Legilimentik erlernen würde, wenn der Mentiloquismus hundertprozentig funktionierte, hatten ihr nach der anstrengenden Übungstortur einiges mehr über jenen erzählt, der sich darin suhlte, Du-weißt-schon-Wer genannt zu werden. Sie mußte ihre Erkenntnis sofort weitergeben, und sie wußte auch schon an wen.

Sie lief noch immer unsichtbar durch die Gänge, wich älteren Schülern aus und fand das Stammbild von Lady Medea. Adora, eine der drei Schützlingsmädchen der Lady war gerade da.

"Ist Mylady Medea im Haus?" Fragte Lea und legte kurz ihren Kopf frei.

"Sie ist doch bei euch in Slytherin, Jungfer Lea", sagte Adora. "Aber ich kann sie rufen", sagte das Mädchen mit dem roten Kopftuch. Sie legte ihre Hände an die Stirn, schloß die Augen und verharrte für zwei Sekunden in konzentrierter Starre. Dann sagte sie: "Sie kommt sofort."

Keine halbe Minute später schwirrte etwas großes Weißes in das Bild, ein majestätischer Schwan. Lea atmete durch. Sie wußte, daß es Lady Medea war. Leise sagte Lea:

"Draco Malfoy macht wieder etwas, was für den Emporkömmling sein soll. Er hat seine zwei Kameraden Crabbe und Goyle wohl mit Vielsaft-Trank in zwei Erstklässlerinnen verwandelt, die vor einer Tür Schmiere stehen, die zu diesem Raum der Ausrüstung oder wie der heißt führen könnte." Der Schwan nickte wie ein Mensch. Dann verwandelte sich das schöne Tier in eine Frau mit schwarzem Haar im roten Kleid.

"Welche Jungfern hat er sich ausgeguckt, die Vorlage für die Täuschung zu geben?" Fragte die Hexe.

"Morighan Redsword und Kelly Greyrock, Mylady", antwortete Lea und lauschte. Jemand kam. Sie tauchte wieder vollends unter den Tarnumhang. Lady Medea flüsterte nur noch:

"Ich gehe dem nach und melde es weiter, wenn mir gewahr wird, was der Spitzbube wieder treibt." Wieder verwandelte sich die Lady in den weißen Schwan und flog davon.

"Irgendwo muß der doch sein", hörte Lea die schon umbrüchige Stimme Harry Potters. Der Junge, der überlebt hatte, den die Zeitung nun den Auserwählten nannte, suchte jemanden. Lea blieb unsichtbar vor der Wand stehen und ließ Harry und seine beiden Freunde Ron Weasley und Hermine Granger vorbeigehen.

"Wenn die Malfoy suchen kriegen die beiden Mädchen gleich was zu tun", dachte sie und tauchte unter dem Umhang hervor. Schnell faltete sie diesen wieder zusammen und verstaute ihn.

Als sie in Slytherin zurückkehrte, saß Pensy Parkinson gelangweilt über einem Stapel Bücher. Ihr sonst so verfügbarer Freund Draco Malfoy war wohl immer noch nicht wieder zurückgekommen. Sollte sie sie mal ärgern und fragen, ob Draco neuerdings auf kleine Mädchen stand? Doch sie besann sich, daß sie hier nicht gerade den besten Stand hatte und jede Andeutung, daß sie was mitbekommen hatte, daß überhaupt keiner mitkriegen sollte könnte ihr sehr übel bekommen. So entschied sie sich dafür, nun alles der Lady zu überlassen. Sie hatte durch Zufall was entdeckt, das sofort weitergegeben und konnte nun warten, ob was nachkam und wenn ja was. Sie wußte nur, daß es nichts angenehmes sein würde. Sie überlegte, ob sie wirklich nur ihrer mächtigen Großtante berichten sollte, was sie mitbekommen hatte. Aber wem sonst konnte, ja durfte sie was davon sagen? Sie entschied sich auch hier, nichts weiter zu unternehmen.

__________

Die alte Villa war gerammelt voll. Dido Pane schlief in ihrem Gemach. Anthelia hatte alle verfügbaren Mitschwestern, die in den nächsten drei Stunden nicht vermißt wurden zur Vollversammlung geladen. Gedämpftes Raunen und Plaudern tönte durch das Haus. Die Geister der hier gestorbenen Nordstaatensoldaten und des korpulenten Hausherren Stanley Daggers waren durch einen sehr rigorosen Geisterbann in einen kleinen Raum getrieben worden. Dort tuschelten sie miteinander.

"Diese Hexe hat ihre verdreckten Schwestern hergerufen. Wahrscheinlich will sie bald die ganze Welt angreifen", knurrte Daggers. einer der früheren Soldaten knurrte zurück:

"Wir können sie nicht hindern. Selbst die Hölle wäre besser als dieses verfluchte Gemäuer, und diese Anthelia kann uns alle grausam quälen."

"Das ist mein Haus, verdammt noch mal! Ich sage hier, wo's langgeht", schnaubte Daggers und versuchte, den Raum zu verlassen. Für einen winzigen Moment schien es, als erstrahle innerhalb des fülligen Geistes ein greller, blauer Stern, der zu einem gleißenden Blitz wurde. Daggers schrie auf und prallte nach hinten gegen zwei andere Geister. Da Ektoplasma nur durch feste Materie drang aber sich gegenseitig bewegen oder fortstoßen konnte flogen die beiden Yankee-Geister zur Seite weg.

"Sklaventreiber, du hast hier schon nix mehr zu sagen gehabt, als sie diese Anthelia hier zusammengebraut haben", feixte einer der anderen Soldatengeister. "Lass uns lieber hören, was die eigentlich vorhat. Auch wenn wir's nicht verhindern können sollten wir's wissen, was die Höllenschlampe vorhat."

"Von 'nem Yankee lass ich mir nich' in meine Sachen reinreden, klar!" Fauchte Daggers und wurde gleichzeitig von drei anderen Geistern gepackt.

"Benimm dich, Bürschchen", zischte ihm einer zu. Dann lauschten sie. Gerade erklang Anthelias Stimme raumfüllend und warm durch das Haus:

"Ich begrüße euch alle, meine Schwestern. Schön, daß ihr meiner kurzfristigen Bitte um eine Versammlung entsprechen konntet. Denn wahrlich möchte ich euch eine wichtige Entscheidung mitteilen und mir dazu eure Meinungen anhören."

Die versammelten Spinnenschwestern lauschten andächtig, auch wenn sie sich nicht sonderlich wohlfühlten. Denn wenn Anthelia einen solchen Aufwand betrieb, dann stand etwas schicksalsträchtiges bevor.

"Ihr wißt aus eigenem Erleben oder aus der Kunde eurer Mitschwestern, welche gefahrvollen Ereignisse wir meistern mußten. Ihr wißt auch, daß ich meine Hand den anderen entschlossenen Schwestern gereicht habe, die sich bisher nicht zu größerem aufschwingen wollten. Die Unterstützung ihrer ersten Sprecherinnen ist mir sicher, jedoch nur solange, wie wir hier stark bleiben und nicht in unseren Zielen nachlassen. Leider, so muß ich erkennen, gilt das Gesetz, daß Furcht und Kraft verbinden noch immer, wie schon zur Zeit meiner ehrwürdigen Tante. Doch ich, liebe Schwestern, schenke der Vernunft und Überzeugung viel Raum, wie ihr wißt. Doch das Ziel, in dem ich mich mit euch einig weiß, verlangt keine Nachlässigkeit und kein Erweichen. Somit müssen die Grundmauern der Idee und der Einigkeit mit dem Mörtel der Beharrlichkeit und Strenge gefestigt werden, auf daß das gemeinsame Haus unserer neuen Ordnung auf festem Grund errichtet werde, in dem dann alle Welt unter dem Dach der Hexenheit friedlich und naturverbunden wohnen werden, Männer und Frauen, magisch begabt oder der Magie unfähig. Ich weiß von euch und anderen, die nach meinem ersten Leben kamen und gingen, daß der Name meiner Tante heute nur mit Furcht und Verachtung betont wird. Wahrlich, sie war gnadenlos und duldete weder Fehl noch Verrat. Doch vieles, was sie ins Werk setzte, hielt allen nach ihr getroffenen Veränderungen stand und gilt auch heute noch. Selbst in der magieunfähigen Welt ist mittlerweile die Einsicht gereift, daß der dem Weibe innewohnende Verstand dem des Mannes gleichzusetzen ist. Immerhin sind sie wieder so weit, einer Frau gleiche Werte zuzumessen. Doch noch fehlt denen, die im Patriarchiat aufwuchsen die Einsicht, daß die Natur jenen, die dazu bestimmt sind, neues Leben zu empfangen, hervorzubringen und auf seinen Weg zu führen mehr Verstand und Übersicht haben müssen als jene, die schlicht nur auf die Weitergabe ihrer Erbanlagen ausgehen und daher nicht mit solch großer Verantwortung behelligt sind und deshalb auch nicht das Talent dazu haben, Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn sie auch immerfort anderes behaupten und ihre Körperkraft als Quelle ihrer Macht ansehen. Wie ihr wißt ist es in der magischen Welt ausgeglichener, was Kräfte angeht. Ein schwächlicher Zauberer kann einen herkulischen Magus im Zauberduell besiegen, wenn sein Geist die Kleinheit des Körpers weit überragt. Ähnlich verhält es sich mit Hexen und Zauberern. Ich möchte nicht übertreiben, ob wie die Schwestern Pandora und Patricia bezeugen können, konnte ich in einem Duell gegen den als schrecklich und unüberwindlich geltenden Zauberer Tom Vorlost Riddle eine wenn auch knappe aber spürbare Niederlage zufügen. Er ging auf mich los mit der brutalen Entschlossenheit des durch Gewalt verdorbenen Zerstörers, während ich an die Zukunft denken und besonnen und vorausschauend zu Werke gehen mußte. Doch auch ich weiß, daß dieses Duell mit einem Gutteil Glück entschieden wurde, Glück, das mir nicht immer hold sein muß. Daher muß ich, will ich mit euch zusammen das große Haus der Ordnung errichten, meine eigenen Stärken mehren und euch an Stellen bringen, von denen ihr aus ihr mir und euch zu größerer Macht verhelfen könnt." Alle Hexen sahen Anthelia an. Jetzt würde also der wirklich wichtige Teil kommen. "Ich weiß aus meinem ersten Leben, daß meine mächtige Tante vieles, was sie erdachte und erfolgreich ins Werk setzte aufzeichnete und versteckte. Da nach ihrem zu frühen Verschwinden von der großen Bühne der Welt nichts davon aufgefunden wurde, muß ich davon ausgehen, daß diese Aufzeichnungen noch in ihrer Heimat, der Gemeinde Millemerveilles zu finden sind. Ich kann mir vorstellen, daß viele, die dort leben lernten, wo diese Aufzeichnungen waren und sie entweder suchten oder schon fanden. Damit muß ich rechnen. Doch es bleibt mir keine Wahl, als dennoch danach zu suchen und was es ist an mich zu bringen, denn ich bin die Erbin Sardonias. Denn ihre beiden Kinder starben weit vor meinem ersten Körper. Nun ist es so, daß um Millemerveilles herum eine magische Glocke liegt, die jeden, der auch nur im Unterbewußtsein feindliche Absichten gegen die Bewohner hegt abweist. So werden wir nicht in eigener Person dort eindringen können. Ich hörte von einem Kundschafter in der britischen Zaubererwelt, daß der Emporkömmling seinerseits die entstellten Klauen nach Sardonias Erbe ausstreckt. Er weiß sich im Gegensatz zu uns gewisser Helfer sicher, die genug eigene Macht errangen, um durch die Abwehrglocke zu brechen und unbehelligt in die Ortsgrenzen einzudringen, wie sie es bereits getan haben."

Alle schwiegen. Doch jede wußte sofort, was gemeint war. Alle erschauderten. Wenn Voldemort die Dementoren einsetzte, konnte er sich Sardonias Erbe holen. Das Problem das Voldemort wie auch die Spinnenschwestern hatten: Wo hatte Sardonia ihre Aufzeichnungen verborgen? Denn Anthelia berichtete auch, daß die Gemeindegrenzen nach Sardonias Fall verschoben wurden. Gab es also alte Aufzeichnungen, so mußten sie mit den neuen Gegebenheiten verglichen werden. Anthelia sagte nun noch:

"Ich werde die Herausforderung annehmen und für uns alle Sardonias Erbe antreten, wie es meine Bestimmung war, ist und sein wird."

"Entschuldigung, höchste Schwester", sprach Romina Hamton, nachdem Anthelia ihre Rede beendet hatte und fragend in die Runde blickte.

"Wie willst du die Dementoren dazu bringen, dir aus Millemerveilles zu holen, was du suchst, wenn du erst einmal wissen mußt, was es ist und wo es ist?"

"Aus der alten Zeit leben noch viele Nachfahren, die Teilstücke des alten Wissens haben. Es gilt, es zusammenzusetzen und zu einem Ganzen zu fügen. Dann werden wir ein gewagtes Manöver durchführen müssen, um zu erheischen, was mir zusteht und für euch alle mehr Sicherheit bringt." Anthelia erläuterte ihren Plan und holte die Meinungen dazu ein. Pandora, die Geschichtsexpertin, wollte ihre seriösen Kontakte bemühen, um mehr zu erfahren. Gleichzeitig mußten sie die anderen Schwestern benachrichtigen, die heute nicht kommen konnten. Anthelia warnte alle davor, die eigene Macht ohne Beteiligung der Anderen zu suchen. Sardonia habe wohl damit gerechnet, daß viele sich um ihr Erbe streiten mochten. Dann, nach etwa zwei Stunden, entließ sie die Mitschwestern. Das Ziel war beschlossen, ein grober Plan war auch schon gefaßt. Genaueres sollte dann erwogen werden, wenn klar war, wo Sardonias Erbschaft genau lag und was sie darstellte, Bücher, Schriftrollen oder andere Aufzeichnungen. Anthelia wartete, bis alle Mitschwestern verschwunden waren. Dann ging sie daran, jemandem eine ganz wichtige Nachricht zukommen zu lassen, ohne die jede Planung zu keinem Ergebnis führen würde.

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Narcissa Malfoy räumte mit besorgter Miene das kostbare Geschirr in den dafür bestimmten Schrank zurück. Ihre Schwester Bellatrix war zusammen mit Rodolphus und dem dunklen Lord persönlich zum Abendessen vorbeigekommen. Seitdem ihr Mann wegen der Sache im Ministerium in Askaban festhing und trotz der Desertion der Dementoren noch keine Möglichkeit gefunden hatte, freizukommen, empfand sie das prächtige Landhaus als persönliches Gefängnis. Die wertvollen Möbel und Gebrauchsgegenstände, die ihr früher immer ein Gefühl von königlicher Macht vermittelt hatten, schienen sie nun wortlos zu verhöhnen: "Sieh Cissy, was wir heute noch wert sind, wo sie Lucius eingesperrt haben und mit den Fingern auf dich zeigen!" Zwar konnte man sie nicht behelligen für das was Lucius im Namen des dunklen Lords getan hatte, aber nun, wo er befunden hatte, daß Bellatrix und ihre Verwandten besser anderswo unterkommen sollten, weil ja doch immer wieder mit Hausdurchsuchungen und Befragungen zu rechnen war, war sie hier ganz alleine. Draco hatte auf Befehl Voldemorts nicht über Weihnachten zu ihr reisen dürfen, und so hatte sie die Einsamkeit in diesem leeren Prunkhaus mehr als einmal zum weinen gebracht. Stolze Narcissa! Da hockte sie nun in einem für sie selbst viel zu großen Haus ohne ihr zustehendem Hauselfen - Dumbledore hatte es irgendwie hinbekommen, daß die Hauselfenvermittlung ihr keinen neuen zubilligen wollte - ohne einen starken und mächtigen Mann an Tisch und im Bett und mit großer Angst, ihr Sohn Draco würde bei dem grausamen Auftrag Voldemorts selbst umkommen, aus purer Rache für das Versagen seines Vaters. Sie schloß den geräumigen Teakholzschrank mit den kunstvollen Einlegearbeiten aus Blattgold und schickte sich an, in das große Schlafzimmer zu gehen, in dem ihrer Ansicht nach die ganze Bruchbude der Weasleys hätte unterkommen können. Da hörte sie einen scharfen Knall direkt vor der Tür. Jemand war appariert. Sie zückte den zauberstab und wartete, bis jemand die dreistimmige Türglocke zum läuten brachte.

"Wer immer es ist, ich war heute abend alleine hier", dachte sie und bemühte sich, ihren Geist von allen Gedanken zu reinigen, um sich gemäß der okklumentischen Kunst uneinsehbar zu machen. Zwar war sie in dieser Kunst nicht so bewandert wie ihre Schwester, doch für einfache Laufburschen des Ministeriums genügte es schon.

"Wer ist da?!" Rief Narcissa mit einsatzbereitem Zauberstab hinter der Tür.

"Narcissa, ich bin's, Alecto", wisperte eine Frauenstimme jenseits der wuchtigen Haustür. Narcissa entspannte sich und machte eine von oben nach unten schlenkernde Handbewegung mit dem Zauberstab. Rasselnd entsperrten sich die sechs inneren Türriegel. Klickend sprang das mächtige Türschloss auf, und ohne ein Knarren schwang die Tür nach innen. Die untersetzte Hexe vor der Tür trat ein. Ihr Gesicht verriet Anspannung und Abgehetztheit, als sei sie in großer Eile oder auf der Flucht. Narcissa verzog etwas ihr Gesicht und winkte ihr zu, etwas weiter in die saalartige Eingangshalle zu treten, die von beindicken Marmorsäulen durchzogen war, die die vier Meter hohe Decke trugen. Dann ließ sie mit einem weiteren Zauberstabschlenker die Tür wieder zufallen. Rasselnd sprangen die verborgenen Riegel wieder in ihre Schließstellung und das Schloß klickte zu.

"Du glaubst nicht, was ich gerade gehört habe, Narcissa", sagte Alecto.

"Du machst den Eindruck, irgendwer ist hinter dir her", raunte Narcissa Malfoy. Alecto schüttelte unbeholfen den Kopf.

"Ich hoffe nicht, daß mir wer hinterher ist, Narcissa. Aber ich wollte es dir und dem Meister sofort sagen. Aber am Treffpunkt war keiner. Weißt du, wo der Meister ist?"

"Wenn er nicht in seinem Versteck ist ..." sagte Narcissa Malfoy. Sie wollte nicht damit herausrücken, daß sie den dunklen Lord vor nicht einmal zwei Stunden als Gast zum Abendessen zu Besuch hatte.

"Da war nur diese Trantüte Fagin, der mit Egon Sikes befreundet ist, der mit meinem Bruder ... Ach lassen wir's", erwiderte Alecto immer noch etwas abgehetzt klingend. "Bin auf jeden Fall froh, da noch weggekommen zu sein."

"Von wo?" Wollte Mrs. Malfoy wissen.

"Meine Cousine, Auberge ist aus Frankreich rübergekommen und hat so geheimnisvoll getan, als sei sie in einer verdammt wichtigen Sache unterwegs", sagte Alecto. "Du weißt, die gehört zu den sogenannten Schweigsamen."

"Ach, und die hat dir was wichtiges erzählt?" Wunderte sich Narcissa Malfoy.

"Neh, mir nich', is' klar", erwiderte Alecto. "Die sagte nur was, daß sie in London in die Winkelgasse müsse, weil sie da geschäftliches mit wem zu regeln habe. Amycus war gerade in der Winkelgasse, vielleicht auch in der Nokturngasse. Der sagt mir seit der Rückkehr des dunklen Lords ja auch nicht mehr alles, was er so tut, weil der nicht will, daß jeder von den anderen weiß, was er ihnen so zu schaffen aufgibt. - Jedenfalls hatte Auberge es ziemlich eilig und wollte nur wissen, ob sie die Nacht bei mir wohnen könne. Ich habe natürlich ja gesagt und ihr das Gästezimmer hergerichtet. Ich sagte ihr, sie könne ihr Nachtzeug schon mal unterbringen. Dann habe ich ihr das Bad gezeigt und dabei heimlich eine von Prazaps Mithörmuscheln untergejubelt, in den Saum ihres Reiseumhangs habe ich das ding ... Also die ist dann los, mit Flohpulver durch den Kamin, weil die Auroren in der Winkelgasse sofort anspringen, wenn da wer appariert, wie du ja weißt." Narcissa nickte bestätigend und blickte die Kameradin im Bund der Todesser an, sie solle weitererzählen. Denn ihr kam der Gedanke, daß sie gleich eine ungeheuere Nachricht zu hören kriegen würde. Alecto nickte zurück und fuhr fort: "Tja, und dann habe ich mit dem Gegenstück zu der Muschel gelauscht. Sie hat sich im tropfenden Kessel mit dem alten Tom unterhalten, ist dann wohl in die Winkelgasse rein und dann, weil es leiser wurde, wohl auch in die Nokturngasse. Ich war schon drauf und dran, Amycus anzudenken, er solle sie da suchen und ihr nachschleichen. Dann hörte ich, wie sie durch eine Tür ging. Stimmen von Frauen, wohl anderen Hexen. Klappern von Füßen auf Treppenstufen. Ich ärgere mich, nicht irgendwie hinter ihr hergeschlichen zu sein. Aber diese Heimlichtuerinnen haben es ja raus, direkte Verfolger abzuschütteln. Der Impersecutio-Zauber, du weißt?"

"Komm zur Sache, Alecto!" Drängte Narcissa die Kameradin.

"Verstehe, Narcissa. - Sie ist also irgendwo rein und eine Treppe rauf oder runter. Dann hat sie sich wohl auch hingesetzt. Mir wäre fast das Ohr abgefallen, weil sie ihren Umhang wild weggeworfen hat. Ich dachte schon, die hätte gemerkt, daß ich ..." Narcissa funkelte sie unheilvoll an. "Okay, hingesetzt hat sie sich und dann mit den anderen Weibern da gesprochen. Im wesentlichen ging's darum, daß die wohl vor kurzem einige Mitschwestern verloren haben und Angst haben, daß der dunkle Lord die getötet hat. Doch Auberge sagte dann, daß sie nicht glaube, daß er, den sie sehr arrogant als Emporkömmling bezeichnet, das getan hätte, weil ja seine Leute hier bei uns bei dem Versuch deren Bande zu erledigen böse auf die Nase gefallen wären, weil ... und jetzt kommt's, eine Hexe, die sich als Erbin Sardonias bezeichnet alle sogenannten Schweigsamen an die Kandarre nehmen will, um gegen ihn, also den dunklen Lord, zu kämpfen und daß sie dabei keine Rücksicht auf Zauderer oder Abweichlerinnen nehmen würde. Auberge sprach so, als habe sie heftige Angst vor dieser Hexe. Sie erwähnte dann, daß es in ihrem Land ja noch welche von der alten Bande gebe, die im Auftrag dieser Sardonia alte aufzeichnungen aufbewahrten, aber auch einiges nach England ausgelagert worden sei, wo ja deren Nichte gewirkt habe. Dann sprach sie mit den anderen darüber, wer davon was wisse und daß die Sachen wohl bald geholt und besser vernichtet würden, bevor diese neue Hexe genug Macht habe, sich die Dinger zu holen und vielleicht noch was rauszukriegen, was diese Sardonia hinterlassen habe. Ich hörte mir das eine halbe Stunde an. Dann ist mir klargeworden, daß das wichtig sei und der dunkle Lord das wissen sollte. Eine sagte was, daß sie genau wisse, daß in dem Haus der Withers' ein Buch läge, in dem was über das Erbe Sardonias stehe, das aber im Moment nicht gelesen werden könne, weil die letzte Erbin, Lucretia, ja gestorben sei. Auberge hat dann noch erwähnt, daß es in Frankreich drei Familien gebe, die ebenfalls über Aufzeichnungen verfügten, aber nichts komplettes hätten. Ich habe mir die Namen notiert. Hier sind sie", sie reichte Narcissa einen Zettel und sprach weiter. "Ich habe dann überlegt, daß der dunkle Lord sicher wissen wolle, ob sie noch mehr von denen wisse. Ich habe dann ein paar Krümel Schlummersalz in eine halbleere Weinflasche geschüttet und kurz bevor sie zurückkam das vorbeugende Gegenmittel getrunken. Dann haben wir noch ein paar Minuten zusammengesessen, bis sie so müde wurde, daß sie ins Bett mußte. Ich habe dann eine Viertelstunde gewartet, dann bin ich leise in ihr Zimmer. Sie ist in ihren Tagessachen auf dem Bett eingeschlafen. Ich habe die Mithörmuschel dann entfernt, ohne daß sie das mitbekam. Die wird jetzt noch fünf Stunden so tief schlafen, daß keiner sie aufwecken kann. Bis dahin sollte der dunkle Lord sie aufsuchen und zum Verhör mitnehmen. Am besten läßt er sie dann auch verschwinden."

"Du bist sicher, daß diese Huren sich über Sardonias Erbe unterhalten haben?" Fragte Narcissa aufgeregt.

"So mächtig war die doch nicht", erwiderte Alecto. Narcissa Malfoy wußte es jedoch besser. Ihre Schwester hatte ihr vor ihrer Festnahme damals Geschichten über die Grausamkeit Sardonias erzählt, die bald so groß war wie die des dunklen Lords. Das sagte sie Alecto.

"Ich hörte auch, daß das meiste von ihrem Wissen damals in Millemerveilles verbrannt ist, als sie sich mit mehreren Dementoren übernommen hat", sagte Mrs. Malfoy noch. "Kann also nichts großes sein, was da noch zu finden ist, außer einigen Tagebüchern von Leuten, die mit ihr zu tun hatten."

"Ich denke nicht, Narcissa. Diese Weiber aus der Schwesternschaft haben so wichtig getan, als hinge von diesem Erbe ihr aller Leben ab. Es ist ja auch wahr, daß einige der hochrangigeren Schwestern verschwunden sind."

"Ja, Lady Ursina, zum Beispiel. Bella hat's mir erzählt, daß der dunkle Lord sie ausradiert hat", zischte Narcissa Malfoy. Alecto zuckte mit den Achseln. Dann nickte sie.

"Ich denke, wir sollten es ihm zumindest berichten. Wenn nichts dahinter ist, dann wird er eben ein paar von denen mehr ausradieren, wenn die nicht zu uns überlaufen wollen."

"Die laufen nicht zu uns über, Alecto. Wenn das echt stimmt, daß jemand in deren Reihen mehr Macht errungen hat, werden die entweder dieser neuen Hexe nachrennen oder sich ängstlich zusammendrängen und warten, ob sie oder der Meister übrigbleiben. Keine von denen hat sich ihm damals angeschlossen. Die halten sich doch für was besseres."

"Ja, und er hat sie auch nicht ..." Alecto erschrak über das, was ihr da beinahe rausgerutscht wäre. Denn beinahe hätte sie vor Narcissa Malfoy zugestanden, daß sie den auch von ihr gefürchteten Lord Voldemort, den auch die Todesser nicht bei seinem Namen nannten, für zu schwach hielt, mit ein paar selbstherrlichen Hexen aufzuräumen. Sicher, zum einen wußte ja niemand genau, wer dazugehörte. Daß sie von ihrer Cousine Auberge wußte, daß sie zumindest der übergeordneten Schwesternschaft angehörte, hatte sie sich durch jahrelanges, heimliches beobachten und Zusammenreimen hergeleitet. Zum anderen konnten die sich schnell abstimmen und eine große Streitmacht gegen ihn losschicken, wenn er offen angriff. Also konnte er nur eine nach der Anderen suchen und erledigen.

"Ich werde es weitergeben, Alecto. Gehe du besser wieder nach Hause und warte da auf ihn!" Befahl Narcissa Malfoy. Alecto sah sie erst komisch an, nickte dann aber.

"Kann man von hier aus disapparieren?" Fragte sie.

"Nein, dazu mußt du raus. Das Haus selbst läßt nur Träger des Namens Malfoy disapparieren und apparieren."

"Dann mach die Tür bitte auf!" Bestand Alecto darauf, daß Narcissa sie rausließ. Als das geschehen war konzentrierte sich Narcissa auf Bellatrix Lestrange und mentiloquierte ihr, was sie gerade gehört hatte und daß der dunkle Lord dem besser nachgehen möge. Bellatrix mentiloquierte zurück, daß sie ihn morgen früh aufsuchen würde, weil der jetzt bestimmt schliefe.

"Bella, wenn das wirklich stimmt, was Alecto mir erzählt hat, kann der dunkle Lord jetzt eine von denen kriegen und aushorchen", schickte Narcissa Malfoy zurück. Bellatrix erwiderte über die große Entfernung und nur für ihre Schwester vernehmbar, daß sie ihn jetzt gleich aufsuchen würde.

"Vielleicht kann der dunkle Lord dieses Erbe finden. Vielleicht kann aber nur eine hexe es benutzen", dachte Narcissa. "Dann können Bella oder ich beweisen, wie treu wir ihm sind, und er ruft Draco vielleicht zurück."

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"Habt ihr es bemerkt, die hatte eine Mithörmuschel dabei", wisperte eine hagere Hexe, als die dunkelhaarige, in ein veilchenblaues Seidenkleid und einen mitternachtsblauen Samtumhang gehüllte Besucherin aus Orleans wieder gegangen war.

"Prazaps Spielsachen gegen uns zu verwenden", knurrte eine rank und schlank gewachsene, noch sehr jugendlich wirkende Hexe mit dunkelblonder Ringellöckchenfrisur und blickte aus ihren grauen Augen in die Runde.

"Dann hat Lady Ursina also tatsächlich recht gehabt, daß die Schwester von Amycus auch zu der Bande des Emporkömmlings gehört."

"Ja, dann weiß der jetzt, was wir besprochen haben", wandte eine weitere Hexe ein.

"Hmm, könnte sein, daß Lady Ursina das sogar wollte. Gut, daß wir nicht über sie geredet haben. Aber sie hat uns gesagt, daß wir im Moment keinen ausländischen Mitschwestern verraten dürfen, daß sie nicht getötet wurde, warum auch immer", wandte die dunkelblonde Hexe wieder ein. Dann meinte sie noch: "Auf jeden Fall ist es gut, wen bei Prazap in der Entwicklungsabteilung zu haben", wobei sie sehr überlegen lächelte, weil sie wußte, daß die anderen es wußten, daß sie das eingefädelt hatte.

"Ihr glaubt das mit der Erbin Sardonias?" Fragte eine untersetzte Hexe. "Ich meine, wer solte das bitte sein, wo wir doch alle Stammbäume kennen und außer den Hexen aus den Gründerfamilien und deren Töchtern oder Nichten keine aufnehmen?"

"Eine, die außerhalb der Schwesternschaft lebt. Ihr habt es doch mitgekriegt, daß in den Staaten eine hochrangige Hexe aus dem Laveau-Institut zusammen mit einer Kollegin gestorben ist", warf die Hagere Hexe ein und strich sich ihr braunes Haar glatt. Alle nickten. Die dunkelblonde Hexe nickte nur zustimmend und sammelte die Ohrringe und Broschen ihrer Kameradinnen wieder ein, mit denen sie alle Fernhörartefakte von Prazap sofort wahrnehmen konnten, sobald sie näher als zehn Meter herankamen. Dann verabschiedeten sie sich voneinander. Die hagere Hexe mit dem braunen Haar wartete, bis alle aus dem Haus waren und ging in ein kleines Zimmer, wo sie unter einem altersschwach aussehenden Holztisch nach einem mottenzerfressenen Läufer griff und übergangslos in einen Wirbel aus Farben stürzte, in dem sie dahinraste, von einer gewaltigen Kraft wie an ihrem Bauchnabel vorangezogen. Als sie mit einem unsanften Plumpser neben einem hohen Schreibtisch aufschlug, an dem eine ältere Hexe in einem roten Rüschenkleid saß, wußte sie, daß sie nun in Rainbowlawn angekommen war, dem heimlichen Stützpunkt der englischen Gruppe der entschlossenen Schwestern.

"Mylady Ursina, Ihr hattet recht, daß Auberge mit Todessern verwandt ist. Oder könnt ihr euch vorstellen, daß sie zu den Todessern übergelaufen ist?" Begrüßte sie die Anwesende, Lady Ursina Underwood.

"Soso, woher weißt du es, Drusilla?" Erkundigte sich Ursina Underwood.

"Weil sie eine Prazap-Mithörmuschel dabeihatte. Du weißt doch, daß wir neuerdings Schmuckstücke haben, die uns zeigen, wenn jemand damit in unserer Nähe ist oder so ein Ding versteckt."

"Ja, diese Erfindung ist schon sehr brauchbar", warf Ursina ein. "Und ich bin mir sicher, daß Auberge nicht übergelaufen ist. Dann wäre sie nämlich schon tot."

"Immerhin wurde sie doch von unseren Mitschwestern da zu uns geschickt. Nicht, daß sie uns viel erzählt hätte. Aber was sie uns erzählt hat ist schon sehr bedrückend."

"Wegen der Erbin Sardonias?" Fragte Lady Ursina. Drusilla nickte zustimmend. Dann berichtete sie, was besprochen wurde, und was der Mithörer wohl mitbekommen hatte.

"Ich gehe davon aus, daß der Emporkömmling die nette Auberge so schnell es geht angreifen und gefangennehmen will. Den dicken Happen, Geheimnisse von uns zu erlangen, wird er sich nicht entgehen lassen."

"Dann ist sie in Gefahr", bemerkte Drusilla dazu, aber ohne sich groß aufzuregen. Denn in Gefahr waren sie seit Voldemorts Rückkehr allesamt.

"Ich gehe davon aus, daß Auberges Cousine Alecto, die damals nicht zu uns kommen wollte, weil wir nicht die rechte Entschlossenheit hätten, Auberge das mithörding zugesteckt hat. Dann wird sie wohl schon bei ihm vorsprechen oder bei anderen selbstherrlichen Hexen, die meinen, was besseres zu sein, weil sie diesem Waisenknaben nachlaufen", erwiderte Lady Ursina mit großer Verachtung. Drusilla nickte. Lady Ursina sagte dann noch: "Nun, dann müssen wir Auberge schnellstmöglich in Sicherheit bringen."

"Das würde doch auffallen", meinte Drusilla. "Immerhin schläft sie wohl bei ihrer Cousine, diese Närrin."

"Dann müssen wir sie sogar in Sicherheit bringen oder beim Versuch töten, damit der Emporkömmling unsere Geheimnisse nicht in die Finger bekommt", sagte die Hexenlady unbeeindruckt.

Knapp zehn Minuten später rückten fünf Mitschwwestern aus, um auberge zu suchen. Doch als sie an der Stelle eintrafen, wo das Haus von Amycus und Alecto stand, bot sich ihnen ein unerwarteter Anblick.

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Schlummersalz! Alecto hatte es doch tatsächlich gewagt, ihr in Wein aufgelöstes Schlummersalz zu verpassen. Die höchste Schwester hatte also tatsächlich recht behalten, und Alecto hatte ihr nachspioniert. Ja, da hörte sie auch, wie die nette Cousine das Haus verließ. Dieser Amycus würde wohl um Mitternacht wiederkommen, wußte Auberge D'anglar. Zum Glück hatte sie vor ihrer Reise nach England den Wachhaltetrank eingenommen, der als universelles Gegengift gegen alle Formen der Erschöpfung und Betäubung wirkte, also auch gegen das heimtückische Schlummersalz, das bei der Destilation hochwirksamer Lähmgifte ausfiel und feingemörsert in kleinsten Mengen einen leichten bis todesnahen Schlaf bewirken konnte. Sie hatte gefühlt, wie der Wachhaltetrank dagegen angekämpft hatte, die bleierne Schwere abzuwerfen, die sie beim Weintrinken überkommen hatte. Sie hatte sich bekleidet aufs Bett gelegt, gewartet, bis Alecto sich an ihrem Reiseumhang zu schaffen gemacht hatte und dann verschwunden war.

"Wahrscheinlich wird es nicht lange dauern, und er steht vor mir", grummelte sie. Dann erhob sie sich und blickte zum Fenster hinaus. Die Höchste Schwester wollte in der Nähe warten. So mentiloquierte sie "Höchste Schwester!" in die Unendlichkeit und erhielt sofort die gedankliche Antwort:

"Bin schon in der Nähe, Schwester Auberge. Harre noch eine Minute aus! Das Haus ist gegen unbefugte Apparatoren gesichert."

"Ich weiß nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt, bis der Emporkömmling selbst hier auftaucht", mentiloquierte Auberge. Darauf bekam sie keine Antwort. Statt dessen klopfte etwas ans Fenster. Sie trat näher und sah eine große Krähe auf der Fensterbank. Sie öffnete das Fenster, und der Vogel flog herein.

"ich gehe davon aus, daß dieses Haus über Warnzauber verfügt, wenn jemand ungeladenes durch diese Tür tritt", krächtzte die Krähe, bevor sie auf einen der Stühle flatterte und sich dort in eine Frau mit strohblondem Haar im rosa Umhang verwandelte.

"Das hat Alecto mir zumindest erzählt, daß nur, wer von ihr hörbar eingeladen wurde, in dieses Zimmer kann, zumindest durch die Tür. Welche Alarm- und Abwehrzauber sie noch eingerichtet hat weiß ich nicht."

"Das ist jetzt auch unerheblich, da die Hausbewohner wohl beide ausgegangen sind", sagte Anthelia mit ihrer warmen Altstimme, die um ein vielfaches schöner klang als das Krächtzen der Krähe.

"Nun, womöglich werden die Zauber jeden Eindringling festnageln oder betäuben oder gar töten", sagte Auberge, wobei sie mit Anthelia Französisch sprach. Dann sah sie gespannt, wie die höchste Schwester ihren in der neuen Schwesternschaft der Spinne so berühmt gewordenen silbergrauen Zauberstab zückte und damit die Tür aufspringen ließ. Schlagartig peitschten blaue und rote Blitze vor der Tür nieder, und ein schriller Heulton erklang.

"Sieh an, dieses Zauberwerk spricht sogar schon auf von fremden gewirkte Bewegungsmagie an", stellte Anthelia trocken fest und beobachtete das irritierend rasche Zucken der Blitze, die vor der Tür tobten. Dann feuerte sie einen Fluch durch die offene Tür, der krachend an der gegenüberliegenden Wand zersprühte und den magischen Warnton laut und nervtötend wimmern ließ.

"Wozu war das jetzt gut, höchste Schwester?" Fragte Auberge, als sie sah, wie eine blaue Flamme sich zu einem Feuerball verdichtete, losflog ... Rums! Anthelia hatte die Tür rasch zufallen lassen. Es ploppte davor, und der Heulton ging in ein stetiges Tuten über, wohl als Signal, daß jemand im Zimmer war, der oder die nicht erwünscht war, aber sich nicht vor die Tür traute.

"Dachte ich es mir, daß sie ihr Haus nicht mit den eigenen Wehrzaubern ruinieren wollten", meinte Anthelia mit mädchenhaftem Grinsen. "Mein Murattractus-Zauber war eine Probe, ob Zauberflüche aus dem Zimmer gelangen. ich gehe sogar davon aus, daß willkommene Besucher sich trotz der Verteidigungsbereitschaft unversehrt im Haus bewegen können. Aber das ist nicht nötig. Du hast den englischen Mitschwestern die Namen der drei genannt, die ich als Hüterinnen der drei Schlüsseltexte enthüllt habe?"

"Ja, habe ich", sagte Auberge.

"Dann komm, wir verlassen dieses gastliche Haus. Schön, daß Alecto dieses Abhörartefakt bei dir unterbrachte."

"Als wäre ich nicht darauf gefaßt gewesen", knurrte Auberge. "Meine Verwandte hält noch treu zu diesem Emporkömmling. Deshalb habe ich sie nie gefragt, ob sie ..."

"Keine unnötigen Worte verlieren!" Fauchte Anthelia. "Ich schrumpfe dich für eine Minute ein, damit ich dich in meiner Tiergestalt hinausbringen kann. Du weißt sicherlich, daß du von nun an nicht mehr in der Öffentlichkeit auftauchen darfst."

"Ich habe es ja mit dir abgesprochen, höchste Schwester", sagte Auberge. Anthelia nickte und vollführte an Auberge einen Verkleinerungszauber, der sie auf knapp ein fünftel ihrer Normalgröße einschrumpfte. Anthelia holte aus ihrem Umhang eine große Phiole, stellte sie unter das Bett und stubste sie mit dem Zauberstab an, wobei sie "Retardo decanto!" Murmelte. Dann verwandelte sie sich in ihre Tiergestalt, bugsierte ihren Bürzel so, daß Auberge rasch über die Schwanzfedern hinaufklettern und sich im Rückengefieder festhalten konnte. Dann flog Anthelia auf, die verkleinerte Reiterin zunächst ausbalancierend, und rauschte dann mit schnellem Flügelschlag durch das immer noch offene Fenster hinaus. Sie flogen so etwa eine halbe Minute, da gab es hinter ihnen ein Mordsgetöse. Als Auberge sich umblickte sah sie dort, wo das Haus ihrer Base Alecto gestanden hatte eine doppelt so hohe Feuerwand, ja einen Flammendom, der alles in sich einverleibte, was das Haus beherbergt hatte.

"Was ist das?" Fragte Auberge mit winzigem Stimmchen.

"Eine neue Kreation, die ich zusammen mit einer alchemistisch bewanderten Mitschwester ersann und in kleinsten Mengen zu wilden Reaktionen bringen konnte. Wir nennen es Höllenglutgas", krächtzte Anthelia. Von hinten war eine große Hitze zu fühlen, und es rumpelte aus der Ferne.

"Heftig", konnte Auberge dazu nur sagen. Sie stellte sich gerade vor, daß der Inhalt der winzigen Phiole dieses flammende Inferno da hinter ihnen ausgelöst hatte und der magisch verzögerte Entkorkungszauber das wahrhaftige Teufelszeug gerade spät genug freigesetzt hatte. Wie verheerend mochte das Zeug in größeren Mengen wirken?

Nachdem sie eine halbe Minute weiter geflogen waren landete Anthelia und verhalf Auberge zu ihrer natürlichen Größe zurück. Dann nahm sie sie bei der Hand und disapparierte mit ihr.

__________

Die fünf Nachtfraktions-Schwestern standen mit offenen Mündrn vor einem großen Krater, aus dem es immer noch hellrot glühte und dicker Rauch quoll. Von Alectos und Amycus' Haus waren nicht einmal Trümmer geblieben.

"Was war das denn?" Fragte eine der Hexen.

"Siehst du doch. Jemand hat an dieser Stelle eine Art Vulkanausbruch beschworen, der das Haus einfach weggeblasen hat", sagte die Führerin der Truppen.

"Ja, aber Auberge?" Fragte eine andere Hexe.

"Überlege doch mal", meinte die Anführerin, Megara Nightfall.

"Entweder tot oder geflüchtet", grummelte die Fragerin.

"Richtig", erwiderte Megara. Dann befahl sie den sofortigen Rückzug. Keine zwei Sekunden später waren die fünf, die eigentlich auf eine Rettungsmission ausgegangen waren unverrichteter Dinge disappariert. Als die Bewohner des nun völlig verglühten Hauses wieder eintrafen, waren da bereits Muggelfeuerwehrleute, die von Vergissmichs des Zaubereiministeriums bearbeitet werden mußten, da diese von einem magischen Unfall oder Anschlag ausgingen.

"Das gibt's nich'! Wo is' unser Haus hin?!" Schnarrte Amycus. Seine Schwester starrte nur in den immer noch glimmenden Krater hinab. Die Vergissmichs hatten gerade die Feuerwehrleute soweit behandelt, daß sie die feurige Öffnung im Erdboden mit Zuschüttzaubern und Gefrierzaubern bearbeiteten. Amycus ging vor und sah einen der Zauberer an.

"Weiß wer von Ihnen, wie das passiert ist?"

"Sind Sie der Besitzer dieses Grundstückes?" Fragte der Vergissmich. "Dann kommen Sie besser gleich mit uns, um zu protokollieren, was geschehen ist!"

"Ey, Mann, ich war den ganzen Abend nicht hier. Ich kann Ihnen nichts dazu sagen", brach es aus Amycus heraus, dessen übermächtige Trübsal über das restlos zerstörte Haus mit Inhalt in ohnmächtige Wut umgeschlagen war. "Da sollten Sie meine Schwester fragen. Die war den ganzen Abend hier, ey!"

Alecto starrte immer noch in den langsam durch Magie wieder aufgefüllten Krater. Dann, als hätten die Worte ihres Bruders so lange gebraucht, um bei ihr durchzukommen, wandte sie sich ihm zu und sagte:

"Ich habe das nicht angerichtet, Amycus. Aber ich kann mir denken, warum das passiert ist."

"Ach ja?!" Herrschte Amycus seine Schwester an und ignorierte die Umstehenden einfach.

"Das erzähle ich dir später", zischte Alecto. So mußte sie sich nicht wundern, daß einer der Vergissmichs sich umwandte und meinte:

"Nun, dann werden Sie uns das gleich im Büro erklären", sagte er ruhig, als gelte es nur, eine Formalität von geringer Bedeutung zu erledigen. Amycus, der sich dachte, daß dabei nicht gerade herauskommen mußte, daß die beiden zu den Todessern gehörten, sah seine Schwester verdutzt an, wagte jedoch nicht, irgendwas anderes zu tun oder zu sagen. Jedenfalls rückten die Vergissmichs mit den Geschwistern ab, bevor die Feuerwehrleute befanden, das hier überhaupt kein Haus gestanden hatte und mit ihrem Gerät wieder abrückten. Dabei ahnten sie nicht, wie viel Glück sie hatten. denn kaum daß sie einen halben Kilometer von der Unglücksstelle entfernt waren, apparierte eine große, hagere Gestalt in einem langen, schwarzen Umhang: Lord Voldemort persönlich. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte mit seinen glutroten Augen auf die wie planiert wirkende leere Fläche, wo vor einigen Tagen, wo er hier zu Besuch gewesen war, das kleine aber feine Haus der untersetzten Geschwister gestanden hatte. Doch das Haus war nicht mehr da! Er sog mit seiner schlitzartigen Nase die Luft ein und fing gerade so noch einen Hauch von Holzkohlenrauch ein. Doch das konnte auch aus den in einigen hundert Metern stehenden Muggelhäusern stammen. Das Haus war jedenfalls nicht mehr da, nicht mal ein Keller. Es wirkte so, als sei hier ein freies, unbebautes Grundstück.

"Wer hat es gewagt, mich so zu veralbern?!" Brüllte er in die Nacht hinaus. "Ich finde das raus, und dann ...!" Den Rest schluckte er hinunter. Es hatte ja keinen Zweck, hier herumzuschreien, daß noch irgendwelche Muggel ihn hörten. Nicht daß er damit Probleme hatte, die mal eben so zu töten. Doch die Sache in Peru, wie er nur wegen eines ihm an den Körper geprallten Spielballs ein ganzes Stadtviertel aufgescheucht hatte gemahnte ihn, hier besser nicht die Beherrschung zu verlieren. So tat er das einzige, was er noch tun konnte und disapparierte.

_________

Alecto gab einen Bericht ab, daß sie am Abend eine Besucherin, ihre Verwandte Auberge D'anglar, zur Übernachtung eingeladen habe und ihr einen Hausschlüssel gegeben hatte, weil sie selbst noch was zu erledigen hatte. Als sie wieder zurückgekehrt war habe sie nur noch den glühenden Krater gesehen. Von ihrer Verwandten war keine Spur mehr zu erkennen. Das gab sie so zu Protokoll. Warum das mit dem Haus passiert war begründete sie mit den Vorfällen in Amerika, die ja auch durch den Tagespropheten gegangen waren. Da waren ja gleich zwei Hexen in einer gewaltigen Feuersbrunst umgekommen. Das gab sie auch zu Protokoll, um dem Unfallumkehrungszauberer was zum notieren zu geben. Nach geschlagenen zwei Stunden durften sie dann endlich abrücken. Sie wollten bis auf weiteres im tropfenden Kessel wohnen, bis an der Stelle, wo ihr Haus gestanden hatte, ein neues Haus hingebaut werden konnte. Allerdings wurde ihnen erzählt, daß sie dort wohl kein neues Haus hinbauen durften, weil die Leute von der Muggelfeuerwehr jetzt davon ausgingen, daß dort nie ein Haus gestanden habe, was Amycus ziemlich aufbrachte, er aber einsehen mußte, daß es wohl günstiger war, anderswo zu bauen. Den Hausrat mußten sie eh neu anschaffen. Zum Glück hatten sie eine Versicherung gegen jede Art natürlicher oder magischer Zerstörung ohne eigenes Verschulden und in ihren Gringotts-Verliesen lag auch noch genug Zauberergold. Das einzige, was ihnen Sorgen bereitete war, daß das Ministerium nun nachhaken würde, warum jemand es auf die beiden abgesehen haben konnte, oder ob es wirklich dieselbe Verheerung war wie in Amerika. Dann würden die zwei und zwei zusammenzählen und davon ausgehen, daß es jemand auf Hexen abgesehen hatte.

Die beiden Geschwister kehrten jedoch nicht gleich im tropfenden Kessel ein, sondern apparierten in der Nähe des Friedhofs von Little Hangleton. Sie liefen zu Fuß die wenigen hundert Meter bis zum Grab von Tom Riddle Senior. Dort hatte sich bereits der Meister des Schreckens und der Mordlust in Positur gesetzt. Lord Voldemort funkelte sie aus seinen roten Augen an. Daß dem einfiel, daß die beiden Geschwister nun ihre ganzen Habseligkeiten verloren hatten wunderte Alecto nicht.

"Na, euer Haus weg?!" Knurrte Voldemort. Amycus nickte nur. In Gegenwart des Meisters wollte er besser keine übermäßige Wut zeigen. Alecto warf sich demütig vor den dunklen Lord in den Staub und flehte ihn an, ihr nichts zu tun. Dann berichtete sie, was passiert war.

"Ach, und ihr denkt, es war genau dasselbe?! Dann muß diese Auberge D'anglar tot sein. Ich werde mich umhören, was die ihren Leuten erzählt hat, wieso die in England war", knurrte der dunkle Lord. Insgeheim dachte er daran, daß diese Auberge D'anglar wohl demselben Vernichtungsfluch zum Opfer gefallen war, der bereits die beiden Laveau-Hexen in den vereinigten Staaten erwischt hatte. Dann fragte er die beiden Helfer noch, was sie über diese sogenannte Erbin Sardonias mitgehört hatten. Alecto schilderte es noch einmal, wie sie es gehört hatte und sagte, daß Narcissa Malfoy den Zettel mit den drei Namen habe, die für Leute in Frankreich stünden, die noch mehr Unterlagen oder dergleichen hätten.

"Ich werde mir diesen Zettel nachher noch holen", knurrte Lord Voldemort. "Auf jeden Fall ist da wohl was dran, oder jemand will uns hereinlegen. Bist du dir sicher, daß deine Cousine diese Mithörmuschel nicht bemerkt hat und wirklich tief und fest schlief?" Wandte er sich an Alecto. Diese beteuerte, daß sie die Mithörmuschel so im Reiseumhang befestigt hatte, daß Auberge das unmöglich hätte bemerken können. Auch habe sie tief und fest geschlafen, als Alecto sie zum letzten Mal aufgesucht habe.

"Du hättest mich sofort anrufen sollen", schnaubte Voldemort nun sichtlich zornig. Doch Alecto beteuerte auch, daß sie das versucht habe, er aber nicht zu erreichen gewesen sei. Voldemort nickte wild und wünschte den beiden dann noch viel Glück mit dem neuen Haus, bat sogar darum, zu einer möglichen Einweihungsparty eingeladen zu werden, wobei er verschmitzt grinste.

Als Alecto und Amycus sich wieder entfernt hatten stampfte Voldemort auf. Er war wütend, weil er eine günstige Gelegenheit verpasst hatte, eine wirklich informative Zeugin verhören zu können, weil ihm wohl diese wiedergekehrte Hexe dazwischengefuhrwerkt hatte und er nicht wußte, was er mit den erhaltenen Informationen anfangen sollte oder nicht. Einerseits konnte es ein Ablenkungsmanöver gewesen sein, daß die Nachtfraktions-Hexen mit ihm durchzogen, aber dann hätten die ja mitkriegen müssen, daß diese Auberge D'anglar belauscht wurde, oder es war tatsächlich eine ernste Sache mit Sardonias Erbschaft, und die Hexen spalteten sich nun in jene, die dieser "neuen Hexe" das Erbe streitig machen wollten und solchen, die ihr dabei helfen wollten, es anzutreten. Hatte er nicht auch immer und immer wieder daran gedacht, daß er an Sardonias Hinterlassenschaften kommen wollte? Als er noch ein junger Zauberer war und alles, was ihm schnell Macht bieten konnte mit offenen Armen begrüßt hatte, da hatte er mit dem Gedanken gespielt, diese mysteriöse Erbschaft anzutreten. Aber als er selbst mächtig genug war, daß ihn niemand wirklich gefährden konnte - außer vielleicht ... Aber der würde bald Geschichte sein - da hatte er auf alles vor ihm gepfiffen. Außerdem kam ja kein Zauberer, der die dunklen Künste anwendete nach Millemerveilles. Doch seine Dementoren, die konnten hinein. Vielleicht sollte er sie noch einmal losschicken. Doch nein, er wollte zuerst wissen, was genau er suchen mußte. Der letzte Einmarsch hatte die Leute da wachgerüttelt, und die Dementoren waren auch zu schnell zurückgeschlagen worden. Eine Armee zu schicken, um einer fixen Idee von einer versteckten Erbschaft nachzujagen ... Er wollte erst nachprüfen, ob das belauschte Gespräch ihm wirklich etwas in die Hand spielte, daß seiner neuen Widersacherin einerseits sehr wichtig war und ihr andererseits den Garaus machen konnte, wenn er es in die Hände bekam. Wer würde dann noch von Sardonia reden, wenn es nur einen wirklich größten Zauberkundigen in der Geschichte gab? Doch was, wenn die wiedergekehrte Hexe wirklich Sardonia war. Dann konnte das alles auch nur eine Geschickte Falle sein, um ihn, den dunklen Lord, auszuschalten. Er nahm sich vor, zunächst erst einmal nachzuprüfen, ob überhaupt irgendwas an geheimen Aufzeichnungen existierte oder nicht doch alles eine Propaganda war, eine Erfindung der Nachtfraktion, um ihre Mitschwestern bei Laune zu halten, wie die Christen immer was von der Auferstehung faselten oder die Juden immer noch auf ihren Messias warteten, der sie von allen irdischen Plagen befreien würde.

"In zwei Wochen feiern die in Millemerveilles ihr Jubiläum. Wäre doch schön, wenn ich dann auch einen Grund zum feiern hätte", dachte Voldemort bei sich, bevor er in das Riddle-Haus zurückkehrte.

__________

Der britische Zaubereiminister Rufus Scrimgeour bekam sofort die Mitteilung, daß ein ganzes Haus in einem glühenden Krater verschwunden war und daß dabei eine ausländische Besucherin, Auberge D'anglar aus dem französischen Zaubereiministerium ums Leben gekommen sei. Da der Vorfall dem Vorfall ähnelte, bei dem vor ungefähr vierzehn Tagen zwei Mitarbeiterinnen des renommierten Laveau-Institutes den Tod fanden, berief er seine wichtigsten Sicherheitsexperten zu einer Dringlichkeitssitzung ein. Er schickte sogar ein Schreiben an Albus Dumbledore, um ihn mit einzuspannen. Doch Dumbledore entschuldigte sich per Eule, daß er gerade in wichtigen Hogwarts-Angelegenheiten in seiner Schule zu verbleiben habe, den Vorfall jedoch als ernste Angelegenheit sähe.

"Die beiden Hausbewohner, wurden die vor sechzehn Jahren nicht angeklagt, sie hätten mit ihm, dessen Name nicht genannt werden darf zusammengearbeitet?" Fragte der Leiter der Strafverfolgungsbehörde. Scrimgeour nickte. Als ehemaliger Aurorenkommandant waren ihm sämtliche Fälle bekannt, wo Hexen und Zauberer wegen gemeinsamer Machenschaften mit dem Unnennbaren angeklagt worden waren vertraut. Doch die beiden Geschwister, deren Haus nun nicht mehr da war hatten stichhaltige Gründe vorlegen können, warum sie nicht mit ihm zusammengearbeitet hatten.

"Wir wissen von Dumbledore, daß die echten Todesser ein magisches Stigma am linken Arm trugen, daß bei der Rückkehr des Unnennbaren wieder deutlich wurde. Wurden die beiden dahingehend geprüft, ob es bei ihnen vorhanden ist?" Fragte Scrimgeour. Der Leiter seiner Unfallumkehrtruppe lief knallrot an und schüttelte schwerfällig den Kopf.

"Wir haben uns zu sehr auf die Unfallursache konzentriert, und weil das dunkle Mal nicht über dem Ort auftauchte, gingen wir sogar von einem tragischen Ausbruch von Zauberkraft aus. Wir wissen ja auch nicht, ob Madame D'anglar überhaupt im Haus war als ..."

"Idiot!" Fauchte Scrimgeour. "Williams, Taggert, Sie holen das Versäumnis sofort nach! Finden Sie die beiden, prüfen Sie sie und falls sie das verfluchte Brandmal tragen, festnehmen!" Zwei durchaus kräftige Auroren nickten bestätigend und verließen den Sitzungssaal.

"Könnte es nicht sein, daß diese Hexe nicht Sie-wissen-schon-wem in die Quere kam, sondern jemand anderem?" Fragte Dawlish, der durch die Umbesetzungsmaßnahmen im Ministerium eine Rangstufe nach oben geklettert war und nun stellvertretender Leiter des Aurorenkorps war. Scrimgeour warf ihm einen mißbilligenden Blick zu und fuhr sich mit einer wilden Handbewegung durch die dichte Mähne, als wolle er diese Frage wie eine lästige Strähne glattstreichen. Dann grummelte er:

"Deshalb habe ich ja schnelle Eulen nach Paris und Washington geschickt. Ich hoffe, mein Kollege Grandchapeau wird mir heute noch eine Antwort schicken. Mein amerikanischer Kollege Davenport könnte erst morgen antworten. Ich weiß, daß er im Moment wegen der Sache an diesem Rocky Peak sehr beschäftigt ist."

"Was ist, wenn wir es nicht nur mit dem Unnennbaren zu tun haben, sondern mit einer weiteren Macht, die uns genausowenig gewogen ist?" Fragte Dawlish.

"Dann haben wir zwei Möglichkeiten: Wir kämpfen an zwei Fronten oder resignieren und warten, wer von den beiden Mächten am Ende gewinnt", schnaubte Scrimgeour. "Die zweite Möglichkeit ist aber inakzeptabel, Ladies and Gentlemen."

"Was wissen wir über diese Auberge D'anglar?" Wollte Percy Weasley, der Untersekretär des Zaubereiministers wissen.

"Daß sie vor zwanzig Jahren die Beauxbatons-Akademie mit UTZs in Zauberkunst, Zaubereigeschichte, Verwandlung, Verteidigung gegen die dunkeln Künste und Arithmantik abgeschlossen hat, nach einer dreijährigen Ausbildung im Zaubereiministerium als Unfallumkehr-Hexe angestellt wurde und seitdem dort tätig war. Sie war nicht verheiratet und hinterläßt auch keine Kinder", rasselte Scrimgeour die Angaben herunter, die wichtig waren. Dann diskutierte er mit seinen Leuten Maßnahmen, wie solche Anschläge künftig vereitelt werden konnten, wenngleich er wußte, daß das so gut wie unmöglich war. Dann warf er noch ein, daß sie sich auch auf die mysteriöse Hexenschwesternschaft Sororitas Silenciosa konzentrieren sollten, da diese sicherlich auch gegen den allseits gefürchteten Schwarzmagier, dessen Name nicht genannt werden durfte vorging.

"Wen kennen wir denn daher?" Fragte Dawlish knurrig.

"Es gibt bisher nur vage Verdächtigungen, zumal die meisten dieser Schwesternschaft sich ja untadelig betragen", sagte Cornelius Fudge, der hier und jetzt zum ersten Mal das Wort ergriff. Seitdem er selbst kein Minister mehr war hatte er sich mit seiner Rolle im Hintergrund wohl oder übel angefreundet und sprach in der Öffentlichkeit nur noch, wenn er einen konkreten Anlass hatte. "Aber ich weiß von einer Hexe, die ziemlich sicher dazugehört. Sie weiß auch, daß ich es weiß. Deshalb bitte ich darum, daß ich sie befragen darf, falls wir näheres erfahren wollen."

"Die werden uns nicht die Mitgliederliste und wer was bei denen zu schaffen hat hinlegen, Cornelius", knurrte Dawlish. Die existieren schon seit mehreren Jahrhunderten. Wenn was rauskam, dann erst, wenn jemand von denen gestorben ist."

"Nun, es ist mir klar, daß ich nicht einfach hingehen und fragen kann: "Gehören Sie zufällig zu den schweigsamen Schwestern?" Es hat genug Leute gegeben, die mir Idiotie unterstellt haben, aber ..." Viele sahen ihn vorwurfsvoll an. Fudge hatte ja darauf hingearbeitet, daß sie alle erst im letzten Sommer erfuhren, daß der Unnennbare doch und wahrhaftig zurückgekehrt war. Eine kleine, krötengesichtige Hexe in einem rosafarbenen Umhang erhob sich, gab ein leises "Hämm-ämm" zum besten und sprach mit einer honigsüßen Kleinmädchenstimme:

"Nun, wenn wir nun alle davon ausgehen, daß wir nicht nur gegen den Unnennbaren stehen sondern auch gegen angeblich anständige Hexen, so wird es doch Zeit, dieses Schweigen ein für allemal zu brechen und denen, die verdächtig sind Sanktionen anzudrohen. Ich meine, wir haben die Pflicht und die Macht dazu, das beste für das Allgemeinwohl zu tun."

"Wir sind hier nicht in Hogwarts, wo Sie sowas einfach so mit Fudges Unterstützung durchboxen konnten, Dolores", knurrte Ranulf Gray, ein ranghoher Vergissmich. "Oder haben Sie etwa während ihrer Zeit da echte Verschwörer gegen die Zaubererwelt gefunden?"

"Wir wollen uns nicht an vergangenen Sachen aufhängen, Leute", warf Dawlish ein. Doch Gray schüttelte den Kopf:

"Die werte Dame hätte meinen Sohn fast von der Schule verwiesen, weil er sich in ihrem Unterricht einmal zurecht beklagt hatte, nicht richtig auf Gefahrensituationen vorbereitet zu werden und es doch möglich sei, daß Sie-wissen-schon-wer wiederkommen könnte, nicht wahr, Dolores?"

"Der damalige Zaubereiminister gab mir strickte Anweisung, die destabilisierende Panikmache Dumbledores und Potters zu unterbinden ...", schnaubte die krötengesichtige Hexe nun nicht mehr honigsüß sondern reibeisenrauh.

"Ja ja, wir haben alle nur Befehle ausgeführt", würgte Gray den drohenden Redeschwall ab. "Dabei hat Ihr werter Vorgesetzter diesem Mörder in die Hände gearbeitet, und Sie haben nicht nur dazu beigetragen, daß er wieder Tritt fassen konnte, sondern auch noch viele anständige Jungen und Mädchen wie persönliche Gefangene behandelt. Daß Minister Scrimgeour Sie beide noch hält muß ich akzeptieren, aber loben muß ich das nicht. Aber ich betrachte die von mir gestellte Frage als beantwortet: Sie haben keine echte Verschwörung aufgedeckt, lediglich ein einmaliges Treffen von frustrierten Schülern auffliegen lassen, die endlich mal was lernen wollten und wußten bei wem.

"Schluß damit!" Bellte Scrimgeour. "Es ist richtig, daß Fehler gemacht wurden, die aus purer Angst resultierten. Aber wir haben einen realen Feind, der real foltert, unterdrückt und mordet. Streit über vergangene Fehlhandlungen führt zu nichts, Ranulf und Dolores. Sie alle hier in diesem Raum sind von mir in die Ränge berufen worden, die Sie innehaben, weil ich auf ihre Kompetenz und ihren Fleiß bauen kann, um das auch noch zu klären." Dabei sah er Gray mit einem sehr vorwurfsvollen Ausdruck an, daß dieser es gewagt hatte, danach zu fragen, warum Fudge und Umbridge noch im Ministerium arbeiten durften.

"Wie kommen Sie darauf, daß Sie leichteren Zugang zu dieser Hexe haben, Cornelius?" Fragte Scrimgeour.

"Weil ich mir sicher bin, daß sie eine der gemäßigten ist und ganz bestimmt nicht tatenlos zusieht, wie die böswilligen in ihren Reihen sich womöglich auf die Seite von Sie-wissen-schon-wen schlagen könnten", sagte Fudge. Gray grinste abschätzig. Scrimgeour bedachte ihn mit einem warnenden Blick aus seinen gelben Raubtieraugen.

"Nun gut, Cornelius, dann dürfen Sie und Dolores den Kontakt herstellen. Ich autorisiere Sie, die betreffenden Hexen zu befragen und eigene Nachforschungen zu betreiben."

"Besser als das Zentaurenverbindungsbüro", feixte Gray, der offenkundig alles andere als zufrieden mit dieser Entscheidung war. Scrimgeour warf ihm einen erneuten warnenden Blick zu und grummelte:

"Sehen Sie sich vor, daß Sie nicht dort landen, Ranulf!" Dann erklärte er die Besprechung für beendet. Viel war zwar nicht dabei herumgekommen. Aber die Leute sollten an ihre Arbeit zurück, bevor noch wer dachte, das Ministerium lasse nach.

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Megara nightfall hörte gerade, was ihre Tochter Proserpina Drake berichtete. Sie selbst hatte es ja auch schon gehört, denn die Botin hatte zuerst Ursina Underwood und dann sie und dann Proserpina aufgesucht.

"Soso, dieser Bengel will irgendwas anstellen und nötigt seine willfährigen Kumpane, unter Vielsaft-Trank für ihn Wache zu stehen", sagte Megara zu ihrer Tochter. Diese nickte und meinte:

"Vielleicht sollten wir Lea doch von der Schule nehmen. Im Moment wären wir ja nicht die einzigen, die ihre Kinder aus Angst vor diesem Bastard von Hogwarts zurückholen. Wenn er diesen verhätschelten Malfoy-Bengel schon zu heimlichen Untaten anstiftet, ist die Schule für keinen mehr sicher, noch weniger für Lea."

"Deine Tochter hat gesagt, sie will nicht von der Schule weg", sagte Megara. "Außerdem fühlt sie sich wohl im Moment sehr toll, für uns zu spionieren, wo die doppelzüngige Dolores Umbridge sie ja im letzten Jahr in ihre Spitzeltruppe eingespannt hat. Außerdem lassen die anderen sie größtenteils in Ruhe, seitdem sie denen, die sie offen oder mit Worten angegriffen haben die gebührende Abreibung verpasst hat."

"Was nicht lange vorhalten dürfte, Mutter. Sollte der Emporkömmling über grüne Jungen wie diesen Malfoy einen Weg finden, Hogwarts anzugreifen, wird Lea die erste sein, die von den dann ermutigten Nachläufern niedergemacht wird. Mir wäre es lieb, Tante Ursina erlaubt mir, das Mädchen von einer oder mehrerer von unseren Schwestern ausbilden zu lassen oder sie in eine andere renommierte Schule zu schicken, Thorntails oder Beauxbatons zum Beispiel."

"Ich fürchte, die hohen Damen und Herren in der Beauxbatons-Akademie würden sich schön bedanken, eine Schülerin aufzunehmen, die aus einer nach ihren Vorstellungen zweifelhaften Umgebung kommt. Thorntails ist ein wenig weit weg, auch für die Zaubererwelt. Du müßtest dich damit anfreunden, deine Tochter dann nur noch zu den Sommerferien zu sehen."

"Ich sage das nur, weil jeder Tag, den Lea in diesem Irrenhaus Slytherin zubringen muß ihr letzter sein kann und mein Mann und ich nicht wollen, daß sie stirbt, bevor sie richtig zu leben anfängt, nur weil Tante Ursina oder du ihr einreden, sie täte was ganz wichtiges. Sie kann die Gefahren doch nicht abschätzen."

"Da du hier vor mir sitzt, weißt du, daß ich selbst eine Mutter bin", sagte Megara Nightfall ziemlich verstimmt. "Hast du denn in Leas Alter eingesehen, was richtig oder falsch ist? Abgesehen davon zwingen weder Ursina noch ich sie dazu, für uns Augen und Ohren offenzuhalten. Andererseits wirst du nicht von der Hand weisen können, daß die Information, die sie uns geschickt hat sehr wichtig ist, wenngleich wir nicht wissen, was genau Malfoy vorhat."

"Du hättest Tante Ursina gerne beerbt, oder?" Fragte Proserpina.

"Gemäß den alten Gesetzen, die die Französin damals mit Blut geschrieben hat, hätte ich sie nie beerben können, weil direkte Verwandte wie Schwestern oder Töchter nicht die Nachfolge antreten dürfen. Du hättest sie beerben können, Proserpina", knurrte Megara.

"Wir können froh sein, daß diese Frage sich für's erste doch nicht stellt", erwiderte Proserpina Drake. Dann meinte sie: "Was die Absichten des Jungen Malfoy angehen, so habe ich da zwei Vermutungen, die Tante Ursina schon von mir gehört hat und für durchaus zutreffend hält: Entweder will Malfoy eine Invasion von Todessern vorbereiten und lotet alle Schwachstellen der Schule aus oder schafft eine Möglichkeit, heimlich einzudringen, oder er plant einen Anschlag auf die erwisenen Feinde des Emporkömmlings, also Dumbledore, Potter und dessen Freunde."

"Kann mir vorstellen, daß Ursina das für möglich hält. Ich tue das auch", erwiderte Megara. "ich kann mir sogar vorstellen, daß er beides gleichzeitig vorbereitet und deshalb so lange braucht. Der Anschlag mit dem verfluchten Schmuckstück deutet ja darauf hin, daß jemand Methoden ausprobiert, jemanden heimlich zu töten."

"Einerseits ist Dumbledore nicht gerade ein Freund unserer Sache. Andererseits wage ich auch nicht, mir vorzustellen, wie die Zaubererwelt ohne ihn aussehen mag", sagte Proserpina.

"Falls ein Angriff auf Hogwarts geplant ist, dann fürchte ich, daß sich sehr vieles in der Zaubererwelt ändern wird. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß Dumbledore so taub und Blind ist und nicht bemerkt, was sich zusammenbraut."

"Er würde niemals einem seiner Schüler unterstellen, gegen ihn Verrat oder Mordpläne zu hegen, und falls doch, würde er sein eigenes Leben zu Gunsten des betreffenden Schülers opfern, falls es so ist, daß der Schüler gezwungen wird, ihn umzubringen. Deshalb werden wir ihn kaum dazu überreden können, was gegen Malfoys Heimlichtuerei zu unternehmen."

"Vielsaft-Trank entsteht nicht aus dem Nichts. Das müßte diesem feisten Klüngelzauberer Slughorn doch auffallen, wenn Zutaten verschwinden."

"Falls die nicht auf anderem Weg von außen hereingeschleust werden", meinte Proserpina. Wenn jemand die festen Bestandteile in unverfänglichen Lebensmitteln wie Gebäck oder Süßigkeiten versteckt ... Lea hat von mir einige Tricks gelernt, wichtige Trankzutaten aus harmlosen Dingen herauszulösen."

"Welche zum Beispiel? Hast du ihr Liebestrankzutaten oder fertige Tränke zugespielt?" Fragte Megara.

"Du meinst wegen der Weasleys, die solches Zeug heimlich vertreiben? Habe ich nicht nötig", sagte Proserpina Drake. "Aber andere Sachen wie Antidote oder Heiltränke habe ich ihr schon auf diese Weise zugespielt. Man weiß ja nie, wann jemand ihr was schädliches unterjubeln will."

"Verstehe. Hätte ich ja bei dir auch so gemacht", sagte Megara Nightfall lächelnd.

"Ein weiterer Mordanschlag, Ron Weasley wurde vergiftet!" Durchzuckte es Megara gerade. Sie sah ihre Tochter an und gab die eben erhaltene Nachricht ihrer Schwester weiter. Proserpina zuckte zusammen, entspannte sich dann aber und nickte.

"Damit dürften zwei Sachen klar sein: Es geht tatsächlich um Mordpläne, und derjenige, der sie ausführen soll ist zu feige, die erwählten Opfer direkt anzugreifen. Er kann es einfach nicht."

"Wie soll Malfoy dem Jungen Weasley ein tödliches Gift beigebracht haben?" Fragte Megara. Proserpina grinste nur überlegen:

"Hilfe von außen, Mutter. Nichts einfacheres als das."

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Auberge D'anglar wußte, daß ihr bisheriges Leben vorbei war. Nachdem die höchste Schwester sie zunächst in das Hauptquartier mitgenommen hatte leitete sie alles in die Wege, was für den vorhergesehenen Fall vorbereitet worden war. So bekam sie von Anthelia vor mehreren Wochen über ihre ausgeworfenen Spinnenfäden herbeigeschaffte Unterlagen, die sie als Madeleine LaCrois aus dem französischen Teil Kanadas auswiesen, eine Hexe, die zurückgezogen lebte und nicht weiter auffiel. Anthelia half Auberge dabei, die in ihrer Berghütte bei Quibeck lebende Hexe zu überwältigen und in einen tiefen Zauberschlaf zu versenken, der vorhalten sollte, bis Anthelia ein bestimmtes Losungswort sprechen würde. Da der Schlaf sie gegen alle natürlichen Widrigkeiten immun machte, auch gegen das Ersticken, konnte Anthelia die scheintote Hexe, die ihr keinen nennenswerten Widerstand geboten hatte in einem Kellerraum einmauern und dort Jahre lang zurücklassen. Mit präzisen Verwandlungszaubern verschaffte sich Auberge das Aussehen der Einsiedlerin und bekam von Anthelia alle relevanten Unterlagen über ihre Schulzeit, Bilder ihrer damaligen Freunde, sowie die Zeugnisse, die sie sich erworben hatte. Auberge fühlte sich in der Rolle der einsamen Hexe zwar nicht sonderlich wohl, sah jedoch ein, daß nun, wo sie offiziell tot war und der Emporkömmling den von ihr ausgelegten Köder vor der Nase hatte in höchster Lebensgefahr schwebte lange Zeit unsichtbar sein mußte. Anthelia überwachte derweil die Vorgänge in Frankreich und England. Denn sie wollte so nahe es ohne aufzufallen ging dabei sein, wenn Voldemort nach Sardonias Erbschaft suchte. Diesem durfte zu keinem Zeitpunkt klarwerden, daß Anthelia sich seiner bedienen wollte, um zu kriegen, was ihr gehörte. Ja, sie mußte sogar den Tod einiger Mitschwestern riskieren, wenn ihr Plan aufehen sollte. Doch so, wie sie es eingerichtet hatte, mußte niemand sterben. Aber sie wußte auch, daß Voldemort keine Achtung vor dem Leben hatte. Er hätte Madeleine LaCrois nicht in Zauberschlaf versenkt, sondern getötet.

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Madame Eleonore Delamontagne fühlte sich wegen der weit fortgeschrittenen Schwangerschaft sehr unwohl. Sie saß in ihrem extragepolsterten Sessel am Tisch des Rates im Rathaus von Millemerveilles und sah alle Mitglieder an. Roseanne Lumière tauschte gerade einen Blick mit Edmond Pierre aus, der wiederum Monsieur Renard ansah, der endlich seinen Traum vom Dorfrat für Besucher und Unterbringung erhalten hatte, nachdem der Rat, der damals nur aus sieben Leuten bestanden hatte, befunden hatte, daß nach der Zuteilung der nächsten Quidditch-Weltmeisterschaft ein Hauptverantwortlicher für Herbergen und Anreisemöglichkeiten benötigt wurde, hatte der Wirt der einzigen Herberge im Dorf den Posten natürlich erhalten, ohne daß groß abgestimmt werden mußte. Einige Außenstehende mochten das als Interessenwirtschaft empfinden, wenn der, der am meisten davon profitierte, die Organisation und Betreuung der auswärtigen Gäste übernahm. Monsieur Delourdes, der für Gesundheitsfragen zuständig war, nickte dem amtierenden Ratssprecher. Dieser wurde jedes halbe Jahr aus ihren Reihen bestimmt, denn Millemerveilles besaß keinen eigentlichen Bürgermeister oder Dorfschulzen.

"Dann sind wir uns also einig, daß die Vorbereitungen alle zur vollsten Zufriedenheit abgeschlossen sind", sagte Monsieur Charpentier, der außer amtierender Ratssprecher Dorfrat für Handel und Handwerk war. Alle nickten dem kleinen, schwarzhaarigen Zauberer mit dem pinselartigen Oberlippenbärtchen zustimmend zu.

"Gut, Roseanne. Dann können wir morgen anfangen. Geht es Ihnen soweit gut, Eleonore?" Fragte er, die werdende Mutter ansehend. Diese nickte und sagte:

"Ich kann meine Rede wohl halten, Gilbert. denn ich gehe davon aus, daß mein Kind bis dahin auf der Welt ist. Ich habe mich das ganze Jahr auf diese Rede gefreut und werde sie halten", sagte Eleonore Delamontagne.

"Das wird ja wohl in drei Tagen da sein", erwiderte Monsieur Delourdes. Die anderen nickten.

"Da wir die nun klaren und angenehmen Dinge abgehandelt haben", wandte sich Monsieur Pierre an seine Ratskollegen und wirkte dabei sehr ernst, "möchte ich euch noch etwas mitteilen, was mir persönlich Unbehagen bereitet, zusätzlich zu der Besorgnis des Sicherheitsverantwortlichen."

"Was ist es. Die Dementoren?" Fragte Charpentier.

"Nun, wir müssen damit rechnen, daß sie uns wieder einen ungebetenen Besuch abstatten, besonders weil ja jetzt viel "Futter" für sie in Millemerveilles zu finden ist. Am liebsten hätte ich eine Ausgangssperre nach Einbruch der Dunkelheit gehabt, wie ihr wißt." Monsieur Renard öffnete den Mund, doch Pierre sprach weiter: "Ich weiß, das wäre den Gästen sehr abträglich, auch wenn sie dafür sicherer wären. Da wir hier kein Gefängnis haben habe ich davon abgesehen. Zumindest habe ich die Dementorenspürer besser verteilt."

"Die nur anschlagen wenn mehr als zwei Dementoren reinkommen", warf Renard ein. Pierre nickte, sagte aber dann, daß diese Bestien seit der Desertion von Askaban nie in Gruppen unter drei umherzogen. Dann fuhr er fort:

"Ich wollte eigentlich was anderes vorbringen. Wir wissen alle, daß die dunkle Matriarchin noch immer Anhängerinnen in der französischen Zaubererwelt hat. Ich habe einen Brief des Leiters der Strafverfolgungsbehörde erhalten, daß eine gewisse Auberge D'anglar in England bei einer Glutentladung in einem Haus gestorben sein soll, daß Leuten gehört, die mal im Verdacht standen, für den britischen Dunkelmagier, dessen Name keiner nennen möchte zu arbeiten, was sich bei Gerichtsverhandlungen nach seinem scheinbar endgültigen Verschwinden als Auswirkung des Imperius-Fluches erwiesen haben soll. Diese D'anglar gehörte zu denen, die wußten, wo außer hier Sardonia noch Schriften und Hinterlassenschaften aufbewahrt hat. Wir befürchten nun, daß jemand versucht hat, an das Wissen dieser Hexe zu kommen und es womöglich geschafft hat."

"Wir wissen doch, daß die Familien LaNuage, Villefort und Graminis diese Aufzeichnungen hüten. Bisher ist aber niemand auf die Idee gekommen, sie zu verwenden, zumal ja keine böswillige Person in das Dorf eindringen kann", sagte Madame Delamontagne.

"Außer den Dingen, die wir alle kennen und über die wir hier also nicht noch einmal reden müssen soll es noch Sachen geben, von denen wir nichts wissen, obwohl unsere Vorfahren lange danach gesucht haben. Was ist zum Beispiel mit den Gegenständen, die im versunkenen Haus der dunklen Schwestern liegen?"

"An die sind bis heute keine herangekommen", sagte Eleonore Delamontagne. "Es ist davon auszugehen, das sie nur für Sardonia gewogene Hexen erreichbar sind. Ausgraben konnten wir das Haus nicht, weil es mit dem Quellstein der Willenskraft verbunden ist, der mit den anderen Steinen unseren Schutzdom erhält."

"Ja, aber wenn die Dementoren auf die Idee kommen, danach zu suchen, könnten sie vielleicht an die Insignien der Macht Sardonias heran", sagte Pierre. "Immerhin sind sie von der Barriere nicht aufzuhalten."

"Edmond, wir wissen doch, daß in das Haus der dunklen Schwesternschaft nur Hexen hinein konnten, schon damals", sagte Monsieur Terred'or, der Dorfrat für Bau und Besiedlung, der neben Monsieur Pierre hauptverantwortlicher für das nach Sardonias Vernichtung wie ein Stein im Wasser untergegangene Haus war. Es war wie ein Makel des Dorfes, ein inneres Geschwür, das ruhte, aber jederzeit wieder aufbrechen konnte. Die einzige Beruhigung war, daß der Schutzdom keinen böswilligen Zauberer oder eine Nachfolgerin in Millemerveilles duldete. Doch einiges von dem, was Sardonia so mächtig gemacht hatte, ruhte in diesem Haus, um vor ihren Feinden geschützt zu sein.

"Die verfluchten Sachen liegen da seit dreihundertfünfzig Jahren. Sie werden dort wohl noch liegen, wenn unsere Urenkel nur noch staub sind", sagte Eleonore Delamontagne. Als fühle es sich angesprochen regte sich das ungeborene Kind in ihrem Leib und brachte sie dazu, für einen Moment ihr Gesicht zu verziehen.

"Leute, diese Auberge kannte alle Familien persönlich, die wie wir wissen, daß es das alte Haus noch gibt. Sie werden es nur deshalb nicht finden, weil unsere Vorfahren damals alle Straßen und Häuser eine halbe Meile nach norden verlegt haben, was nur berufene Dorfräte wissen dürfen und ... aber das wißt ihr ja eh."

"Was soll das also, Edmond?" Fragte Monsieur Delourdes. "Müssen wir ernsthaft Angst haben, daß ausgerechnet zum Jubiläum jemand Sardonias Erbe suchen und an sich bringen will?"

"Aus meinem Bauch heraus muß ich das bejahen", sagte Monsieur Pierre.

"Die sogenannte Nachtfraktion hat es doch schon ständig versucht, an diese Dinge heranzukommen. Ergebnis: Null."

"Nun, ihr habt sicherlich auch von den Vorfällen in den nordamerikanischen Bundesstaaten gehört, wo vor allem Hexen involviert waren. Die schlimme geschichte mit der Tochter des dunklen Feuers, die ja im Sommer allen hier bekannt wurde, bis zu den drei Toden von Laveau-Instituts-Hexen. Ich werde den Verdacht nicht los, daß da mehr dahintersteckt als wir uns vorzustellen wagen", warf Pierre ein. Der Berufsparanoiker hatte gesprochen. Doch keiner wollte ihn beruhigen und seine Befürchtungen zerstreuen. Alle nickten nur. Erst nach einer Minute ergriff Eleonore Delamontagne wieder das Wort und sagte ruhig:

"An diesem Problem wird doch schon gearbeitet. Ich habe vor einigen Tagen noch einmal mit Catherine Brickston gesprochen. Sie hat das bestätigt, was du sagst, Edmond, nämlich daß wohl jemand aufgetaucht ist, die mächtig genug ist, um die Anhängerinnen der Nachtfraktion hinter sich zu scharen, ja womöglich mächtig genug ist, den mordlüsternen Magier aus England in seine Schranken zu weisen, auch wenn wir uns darüber nicht freuen sollten, wenn sie dies schafft."

"Tolles Stichwort, Eleonore, denn ich habe auch Kenntnisse, daß jener Magier nach ehemaligen Verbündeten hier sucht. Zwar hat das Ministerium viele vorsorglich unter Überwachung gestellt, aber was heißt das schon?" Sagte Pierre. "Könnte es sein, daß er jetzt, wo er lernen mußte, daß auch er besiegt werden kann, nachholt, was er zu unserem Glück bisher nicht geschafft hat? Er könnte jetzt darauf verfallen, Sardonias Erbschaft an sich zu reißen."

"Könnte er nicht, weil eben nur Hexen das können", knurrte TerreD'or. Er sah Eleonore an, die ihm zunickte. Doch dann sagte diese:

"Er könnte seine weiblichen Anhänger wie Bellatrix Lestrange dazu bestimmen, als Statthalterin für ihn Sardonias Erbe zu nutzen."

"Womit du meine Befürchtungen ausgesprochen hast", erwiderte Pierre. Als Terred'or das hörte sagte der wieder:

"Hier kann keine Hexe herein, die böswillig genug ist, um die Abwehr auszulösen."

"Sehr richtig", sagte Eleonore Delamontagne. Damit schien die Besorgnis doch nicht so gerechtfertig zu sein. Sie stellten noch einmal fest, daß gegen einen neuen Dementorenüberfall genug getan wurde. Zusätzliche Sicherheitszauberer, die neben dem wirksamen Patronus-Zauber auch die Dementorenvernichtungszauber nach Balder beherrschten, würden in Zivil im Dorf wohnen und immer dort sein, wo viele Gäste waren, die als Angriffsziel der düsteren Kreaturen verlockend genug waren.

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Es hatte sie nicht allzuviel Überzeugungskraft gekostet, Estelle Graminis zu beweisen, daß sie Sardonias Nichte Anthelia war. Denn einige der alten Zaubersprüche, die sie selbst von ihrer Tante gelernt hatte, waren auch der über siebzig Jahre alten Hexe bekannt. Als sie dann am neunten März eine neue Spinnenschwester wurde, auch wenn sie vorher nicht zu den Schweigsamen oder gar der Nachtfraktion gehört hatte, weihte Anthelia sie in den Plan ein.

"Mein Wissen über die große Sardonia ruht in einem Denkarium, das ich von meinen Vorfahren geerbt habe. Glaubst du wirklich, der größenwahnsinnige Zauberer aus England wird danach suchen?"

"Ich habe ihn mehr oder weniger dazu eingeladen, Schwester", sagte Anthelia, während sie im geräumigen Salon der nach außen liebenswürdigen Großmutter und Großtante saßen. Der Mann Estelles war gerade im Zaubereiministerium und wollte danach seinen Neffen in Millemerveilles besuchen, bevor das große Fest dort losgehen würde.

"Wieso ist er dann noch nicht hiergewesen?" Fragte Estelle Graminis.

"Weil ich ihm die Möglichkeit entzogen habe, so schnell es geht an euch drei heranzukommen. Ich gehe davon aus, daß auch die respektable Minette Villefort sowie die in der französischen Gruppe entschlossener Schwestern beheimatete Véronique Lanuage ihr Wissen um meine ehrwürdige Tante in Erinnerungsgefäßen aufbewahren, deren Verwahrungsort nur sie kennen. Es wird dem Emporkömmling schwerfallen, euch zu finden, denn Auberge hat auf mein Geheiß hin nur die Nachnamen verraten. Welche Familienzwweige gemeint sind muß er herausfinden."

"Das ist aber sehr riskant, höchste Schwester. Denn er könnte darauf verfallen, alle zu foltern und zu ermorden, die den richtigen Namen tragen."

"Nun, die Gefahr besteht zwar, aber er weiß auch, daß in Frankreich schon seit mehr als einem Jahr nach ihm und seinesgleichen gefahndet wird. Außerdem habe ich genügend treue Schwestern aus allen Landen um die Häuser der unzutreffenden Familien verteilt, die ihn sofort abwehren sollen. Selbst er kann nicht gegen zwanzig gut ausgebildete Hexen gleichzeitig kämpfen, ohne geschwächt zu werden. Er ist eine Schlange, die anschleicht und zubeißt, wenn die Beute ahnungslos ist. Kann sie eine Ratte töten, sind mehr als zwanzig zugleich ihr Verderben. Da ich über einen Spion, den ich bei ihm unterbringen konnte eine fingierte Mitteilung des Ministeriums an ihn bringen ließ, daß jene Familien gesondert überwacht würden, die etwas mehr über Sardonia wissen könnten, gerade um mich, wo jetzt viele davon wissen, daß es eine rechtmäßige Erbin gibt, daran zu hindern, die Macht meiner Tante zurückzugewinnen. Er wird also nicht offen vortreten, sondern wie ein Dieb in der Nacht anschleichen und heimlich an das zu gelangen versuchen, was ihm einen großen Vorteil bringt. Allerdings, jetzt da wir beide Schwestern im Gedenken meiner ehrwürdigen Tante Sardonias sind, möchte ich mein Recht auf das von dir gehütete Wissen geltend machen und jenes Erinnerungsgefäß für eine Stunde benutzen."

"Du darfst die darin gelagerten Erinnerungen nicht herausnehmen. die große Sardonia hat es mit einem Fluch belegt, der jeden um den Verstand bringt, der eine darin ruhende Erinnerung dauerhaft herauszulösen wagt", warnte Estelle Graminis.

"Damals kannten sie noch keine Kunst, Erinnerungen zu verdoppeln und an zwei Ortenzugleich zu lagern", sagte Anthelia. "Selbst ich mußte es neu lernen, hatte aber überragende Lehrmeister." Sie dachte dabei an Bartemius Crouch, der diese Kunst von seinem Vater und von Bellatrix Lestrange gelernt hatte, sowie Sarah Redwood, deren Seele sie in ihrem Medaillon gefangengehalten hatte, bis der Stein der großen Erdmutter sie befreite und sie mit der diesem innewohnenden Wächterin verschmolz. Doch sie hatte das, was Sarah gekonnt und gewußt hatte nicht vergessen.

"Wenn du dir sicher bist, diesem Fluch nicht zum Opfer zu fallen ... du kennst die Macht deiner Tante schließlich am besten", stimmte Estelle zu. Ihr war nicht so ganz geheuer dabei, daß Anthelia sich das ihr nicht verfügbare Wissen Sardonias aneignete. Doch sie gewährte ihr den Zugang zu dem Denkarium. Die höchste Schwester betrachtete das mindestens einen Meter große Steingefäß, in dem eine silbrig leuchtende Substanz enthalten war, die aussah wie gasförmiges Mondlicht. Sie bestrich mit ihrem silbernen Zauberstab das Gefäß und nickte. Sie hatte den verborgenen Fluch erkannt und wußte, daß sie jede entnommene Erinnerung nur für eine Minute auslagern durfte. Danach würde sie dem Wahnsinn verfallen. Sie bewunderte wieder einmal die Macht ihrer Tante, sich derartig abgesichert zu haben und ging nun schnell und zielstrebig vor, indem sie eine verknüpfte Erinnerung nach der anderen hervorholte, in ihr eigenes Gedächtnis überführte und mit Hilfe eines Erinnerungsverdopplungstrankes verstärkte, so daß sie eine gleichstarke Erinnerung der aufbewahrten Gedanken und Erlebnisse zurück in den Behälter übertragen konnte. Es verging zwar mehr als eine Stunde, doch dann sagte Anthelia:

"Es ist wie ich mutmaßte. Meine Tante hat ihr Vermächtnis in vier Teile aufgespalten. Drei wurden an ihr getreue Mitschwestern ausgehändigt, die zusammen in ihrem Sinne regieren sollten, wenn sie einmal auf natürliche Weise starb. Jedoch liegt wohl ein viertes Erinnerungsgefäß im alten Haus der Schwesternschaft, dem Zentrum ihrer Macht in Millemerveilles. Ich weiß von Kundschafterinnen, die damals dem Inferno entrinnen und zu mir überwechseln konnten, daß es nicht vernichtet wurde sondern lediglich im Boden versank. Also ist es noch in Millemerveilles, und die Leute dort dürfen es nicht zerstören, weil es einen Feiler der sie schützenden Macht beherbergt." Sie grinste überlegen. "Nur wenn die drei damaligen Erbinnen zusammenwirkten konnten sie im Sinne meiner Tante weiterherrschen, aber niemals die vollständige Macht erlangen. Denn dann hätten sie meine Tante ja vorher schon entthronen können."

"Ich wußte dies. Aber aus der Chronik meiner Vorfahren geht hervor, daß meine Urahnin fliehen mußte und sich mit diesem Denkarium lange zeit versteckt halten mußte, weil die rachsüchtigen Zauberer alle Bestrebungen brutal vereitelten, Sardonias Erbe weiterbestehen zu lassen."

"Dies ist mir geläufig, denn ich war da ja schon am leben", sagte Anthelia. Estelle Graminis nickte. Dann brachte sie das Denkarium wieder in sein geheimes Versteck zurück. Als das geschehen war verabschiedete sich Anthelia.

Estelle Graminis dachte daran, daß sie nun wohl in großer Gefahr schwebte, wenn der Unnennbare hinter ihr her war.

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Voldemort versuchte einmal, in die Behausung eines Antoine Lanuage einzudringen, dessen Frau vielleicht zu den Geheimnisträgerinnen gehörte. Doch als er in der dunklen Nacht vor dem Gebäude ankam stürzten sich zwanzig durch Unsichtbarkeitszauber geschützte Gegner auf ihn, die er fast nicht gewittert hätte, weil sie sich bis kurz vor dem Angriff mit Okklumentik gegen ihn abgeschottet hatten. Er versuchte zwar den Todesfluch gegen die Angreiferinnen, mußte sich jedoch schnell unter einer Serie von Flüchen wegducken. Er versuchte den Mondlichthammer, um zehn zugleich niederzuwerfen, schaffte aber nur vier zu treffen, weil die anderen eben unsichtbar waren und er nicht schnell genug auf reine Gedanken zielen konnte, zumal er sich auch nicht auf so viele gleichzeitig konzentrieren konnte. Außerdem dachten sie lautstark an Musikstücke, die er beim Versuch, in ihre Geister hineinzuwirken störend laut hörte. Fast wäre er einem Schockzauber zum opfer gefallen. Doch er hatte sich mit einem Bereitschaftsaufweckzauber belegt, der dann griff, wenn ein Schocker traf. Er befand, daß er im offenen Angriff gegen so viele Gegnerinnen keine Chance hatte, weil sie sich zu weit auseinanderzogen als daß er mehr als eine mit einem Feuerball oder dergleichen hätte treffen können. So verschwand er wütend.

"Die beschützen die Hüterinnen", knurrte er. "Ich muß mehr treue Todesser zusammenziehen und angreifen." Dann dachte er daran, daß genau das von ihm erwartet wurde. Offenbar hatte sich Auberges Tod in der französischen Zaubererwelt ausgewirkt. Man hatte mitgedacht und nun eine Schutzmannschaft für die drei Familien aufgeboten, da die Nachtfraktionäre ja wußten, daß hier einige lebenswichtige Geheimnisse aus Sardonias Zeit bewahrt wurden. Er ärgerte sich, daß er nicht schon wesentlich früher, vor zwanzig Jahren schon, daran gedacht hatte, diese Geheimnisse an sich zu reißen. Doch dann fiel ihm immer wieder ein, daß diese Sardonia es eingerichtet hatte, daß nur Hexen daran rühren konnten. Wollte er Sardonias Erbe haben, mußte er eine Getreue vorschicken, die ihm vollständig ergeben war.

"Herr, es ist eine Falle. Sie wollen dich ködern und dann überwältigen und töten", sagte Bellatrix Lestrange, als Voldemort ihr seinen Plan darlegte, von dem die übrigen Todesser nichts wissen durften. Denn eines war ihm noch klargeworden: Jeder der wußte, was er vorhatte, wußte zuviel. Daß er Bellatrix einweihte lag nur daran, daß sie als Hexe die Garantie für den Erfolg seiner Pläne war.

"Diese Nachtfraktions-Huren haben sich mit dem Zaubereiministerium verbündet, weil sie glauben, ich habe eine von ihnen getötet", sagte Voldemort. Insgeheim dachte er daran, daß die Wiederkehrerin selbst nach dem Erbe jagte, jetzt wo er ihr gezeigt hatte, daß er ihr zu mächtig war. Wenn es Sardonia war, dann wollte diese endlich ihre alten Sachen wiederhaben, an die sie selbst aber nicht herankam, weil der magische Schutzdom nun alle feindseligen Magier abwehrte. Wenn es Antehlia war gierte diese nach dem Erbe ihrer Tante, weil sie nun, wo sie es irgendwie geschafft hatte, ihren ersten Tod zu überdauern, davon ausging, die rechtmäßige Nachfolgerin zu sein. Doch er würde sich nicht von ihr aufhalten lassen. Er wußte jetzt, daß sie ihn erwarteten, ihm wohl Fallen aufgestellt hatten. Aber er war sich auch sicher, daß die Nachtfraktions-Schwestern arglos gewesen waren, als sie über die drei Familien in Frankreich gesprochen hatten. Wäre es nämlich nur darum gegangen, in ihn einen Hinterhalt zu locken, hätten sie behaupten können, daß Sardonias Erbe bereits entdeckt und angetreten worden war und sie darauf hoffen durften, daß er, der dunkle Lord, bald entmachtet würde. Doch so wie es Alecto widergegeben hatte waren die belauschten Schwestern nicht gerade von der Vorstellung angetan, daß eine Erbin Sardonias ihre Macht brechen und sie vor die Wahl stellen konnte, treu folgen oder sterben. Er wollte wissen, was dran war. Deshalb plante er ein anderes vorgehen.

Phase eins dieses Planes bestand darin, das er Nachforschungen anstellen ließ. Er sagte jenen Todessern, die noch nicht in Verdacht geraten waren, welche zu sein, in den Bibliotheken nachzuschlagen, was über frühere dunkle Imperien bekannt war, da er davon ausgehen mußte, daß Leute wie Bokanowski ihr Wissen aus alten Quellen bezogen. Auch er verfügte über eine umfangreiche Bibliothek und verbrachte mehrere Tage damit, die Ereignisse des 17. Jahrhunderts nachzuvollziehen. Er kam sich dabei wieder wie der Musterschüler Tom Vorlost Riddle vor, der sich auf seine UTZ-Prüfungen vorbereitete, ehrgeizig, verbissen, erfolgsorientiert. Dabei erkannte er, daß er seine eigenen Geschäfte in England vernachlässigte. Der Phönixorden schaffte es zweimal, Einsickerungsversuche seiner Todesser in bedeutende Institutionen zu vereiteln, und beinahe hätte er dabei einen wertvollen Verbündeten verloren. Er forschte nach, wo Alcara abgeblieben war und erfuhr, daß dieser in Brasilien beinahe getötet worden war, was ihn erst in wilde Wut versetzte, ihn dann aber noch verbissener nach Sardonias Erbe suchen ließ.

"Wissen ist Macht", dachte er. Letztendlich erfuhr er am zwölften März, welche noch lebenden Familien in Frankreich etwas über Sardonia wußten, was er bisher nicht wußte, obwohl er schon diverseZauber von ihr kannte, die abtrünnige Schwestern dieser Anthelia damals heimlich aufgezeichnet und in dunklen Bibliotheken verborgen hatten. Doch einen Teil der Macht zu besitzen reichte ihm nicht aus. Seine eigene Macht war groß. Doch das größere war immer stärker als das Große selbst. Auch und vor allem nach der dreimaligen Schmach, die ihm der schlammblütige Bengel Harry Potter bereitet hatte, sowie der gleichgroßen Schmach, die ihm diese Wiedergekehrte zugefügt hatte, gierte er nach aller Macht, die seinen Interessen diente.

Am fünfzehnten März griff er zum ersten Mal heimlich zu. Er belauerte eine finstere Lokalität in einem der berüchtigsten Viertel von Paris. Er hatte sich selbst unsichtbar gemacht und wartete darauf, daß ein veritabler Kleinkrimineller ihm zielgenau vor den Zauberstab lief. Er wußte, daß er eventuell keinen unter Imperius stehenden Helfershelfer ausschicken konnte. Aber er hatte sich eine andere Methode ausgedacht. Mit dem Unterwerfungsfluch belegte er den Ganowen und befahl ihm, eine Bande von Gleichgesinnten zusammenzutrommeln und zu einer Adresse in ein Dorf etwa fünfzig Kilometer außerhalb der mit stinkenden Abgasen geschwängerten Metropole zu schicken, um in ein bestimmtes Haus, das Haus der Lanuages einzubrechen und dort nach alten Büchern und wertvoll erscheinenden Gefäßen zu suchen. Wenn diese Gefäße und Bücher verflucht waren, würde es keine Unschuldigen treffen, dachte Voldemort, als er seinen Befehl an den mehrfach vorbestraften Jean Monier, genannt die Stechfliege übermittelt hatte. Dann beobachtete er den Verbrecher aus sicherer Entfernung und verfolgte, wie er fünf Kumpane anheuerte und sie zu der bezeichneten Adresse schickte. Vielleicht kamen sie nicht ins Haus, wenn die Bewohner es magisch verschlossen hatten. Aber dann würde ihm schon was anderes einfallen.

In der Nacht zum sechzehnten März begaben sich die fünf von Monier geheuerten Einbruchsspezialisten zu dem Haus, das zwischen gewöhnlichen Muggelhäusern stand. Wie konnte diese dumme Hexe sich dazu verdammen, unter Muggeln zu leben? Dachte Voldemort, der es gewagt hatte, mit dem Exosenso-Zauber in die Wahrnehmung eines der fünf einzudringen, ohne jedoch gänzlich in ihn zu fahren. Tatsächlich waren die Türen und Fenster gut verschlossen. Da die Gauner keine Alarmanlage fanden, waren sie etwas irritiert. Dann sah einer zum Kamin hinauf.

"Okay, wer ist der dünnste Weihnachtsmann?" Fragte einer. Jean Monier hielt sich, wie Voldemort es ihm befohlen hatte in einem kurz vorher gestohlenen Lieferwagen etwa hundert Meter entfernt auf. über eine mit Zerhacker bestückte Funkverbindung hörte er alles mit, was seine unfreiwillig angeheuerten Leute sagten. Der kleine Jacques, ein struwelhaariger Mann wie mit langen Armen und der Geschicklichkeit eines Affen kletterte auf einen Baum in der Nähe des Hauses, schwang sich mit einem strammen Seil à la Tarzan zum Haus hinüber, konnte dort leise genug auf den Dachziegeln Halt finden, klemmte das Seil an einem Haken unter eine Dachpfanne fest und robbte zum Kamin. Dann glitt er leise hinunter und verschwand im Hausinneren. Die Gangster warteten eine Weile, dann öffnete sich ein Fenster im Erdgeschoss, das wohl zu einem Wohnzimmer oder dergleichen gehörte.

"Los!" Befahl Monier über die Funkverbindung. Seine Leute schlichen in ihren drei Paar Socken, um weder Schuhsohlenklappern noch quietschendes Leder zu riskieren ins Haus, achteten darauf, daß sie nicht auf knarzgefährliche Holzdielen traten und durchstöberten das Haus mit kleinen Taschenlampen, bis sie in einem Kellerraum einen alten Schrank fanden, der eine doppelte Rückwand besaß. In dem kleinen Geheimfach ruhten vier alte Bücher und ein schüsselartiges Gefäß mit Bronzedeckel, in das merkwürdige Verzierungen eingraviert waren. Da der Auftrag lautete, alles was ungewöhnlich oder wertvoll aussah zu klauen wanderte die Steinschüssel von einem zum Anderen. Keiner sagte ein Wort. Sie blinkten sich mit den Taschenlampen zu, was sie wollten. Monier hatte wahrlich die besten ausgesucht. Dann verließen sie mit den Büchern und der Schüssel das Haus. Draußen schlug einer eines der Bücher auf und wisperte:

"Komisches Buch! Die Buchstaben sind ja handgeschrieben und irgendwie nich' französisch."

"Deshalb sollten wir's ja mitnehmen", knurrte Monier, der langsam fühlte, daß diese eindringliche Idee, die er hatte, mehr war als nur ein einfacher Einbruchsplan. Doch er wollte, ja konnte seinen Leuten nicht verraten, was ihn umtrieb.

Als die Einbrecher abrücken wollten wurden sie unvermittelt aus den Büschen heraus angegriffen. Schockzauber schlugen auf die vier Banditen ein und lähmten sie. Voldemort knurrte wütend. Dann apparierte er hinter einem großen Schild aus silbernem Licht am Schauplatz und rief: "Accio Denkarium!" Als er das Steingefäß in den Händen eines der Gangster sah. Ein Schocker krachte wirkungslos gegen seinen Schild, als das Gefäß auf den dunklen Lord zuflog, der sich noch einmal duckte und dann verschwand.

"Er hat nur das Denkarium erwischt", sagte eine Hexe. "Mehr braucht der nicht."

"Was machen wir mit denen hier und den Büchern?"

"Die Bücher wieder reinbringen, die da irgendwo hinlegen und Gedächtnismodifizieren. Der Anführer sitzt noch im Wagen und ..." Laut dröhnte ein Motor auf. Eine der Hexen disapparierte und kam vierzig Meter vor dem gerade flüchtenden Wagen an. mit "Impedimenta!" stoppte sie das Fahrzeug und eilte hinzu, um den Fahrer, den Anführer der Diebesbande, herauszuholen. Doch als sie ihn erreichte, krachte es ringsumher. Ministeriumszauberer erschienen. Die Hexen zogen sich unabgesprochen zurück und apparierten in einem Haus, dasß gegen Apparitionsspürer gefeit war. Dort wartete Anthelia schon auf sie.

"Hat er es wirklich geschafft, in das Haus einzudringen?" Fragte sie.

"Wir haben gesehen, wie eine Bande von Berufsverbrechern das Haus betrat und mit den Büchern und dem Denkarium wieder herauskam. Madame Lanuage dürfte sich wundern, wenn sie wieder heimkehrt, was passiert ist", sagte eine der Hexen, die die Einbrecher überwältigt hatten.

"Habt ihr den Emporkömmling mit dem Denkarium entwischen lassen?" Fragte Anthelia.

"Ja, haben wir", sagte eine andere Hexe. "Beim nächsten Mal sollte das Haus aber besser gesichert sein, damit er keinen Verdacht schöpft", sagte Louisette Richelieu, eine muggelstämmige Hexe, die an der Aktion beteiligt war.

"Passt nur auf, daß er nicht den Sensofugatus-Zauber wirken kann, wenn er sich seine Beute holt. Er wird wohl weitere gewöhnliche Diebe verdingen. Aber du, Schwester Luisette, wirst dafür sorgen, daß sich die Falle rumspricht, so daß keiner aus freiem willen heraus für den Emporkömmling stehlen wird!" Sagte Anthelia.

So gestaltete sich der Einbruchsversuch bei der renommierten Villefort-Familie sichtlich schwieriger. Denn da sowohl Monsieur Villefort als auch seine Frau im Zaubereiministerium arbeiteten, hatten sie ihr Haus gegen alle Einbruchsarten der magischen und nichtmagischen Welt abgesichert. Doch Voldemort fand auch hier einen Weg, sich zu holen, was er so dringend haben wollte. Er schickte seine Schlange Nagini aus, durch das Lüftungsgitter zu kriechen, das in den Keller führte. Im Haus selbst stöberte das Reptil leise in allen Räumen herum und fand nach einiger zeit einen Raum, der wohl wertvolles Zeug aufbewahrte. Die Schlange legte eine kleine Phiole an die Tür und verließ das Haus wieder. In sicherem Abstand vom Haus wartete Voldemort und bedankte sich bei Nagini. Dann hob er seinen zauberstab und dachte: "Liberato Effectum!" Ein blauer Lichtstrahl leuchtete auf, der das Haus traf. Dann krachte es vernehmlich. Der eingekapselte Sprengzauber, den Voldemort in die Phiole eingelagert hatte, war nun losgegangen und das Betäubungsgas in der Phiole wurde nun freigesetzt. Es würde sich nun ausbreiten. Welche Meldezauber es auch immer gab, ihre Besitzer würden nicht reagieren. Außerdem war die Tür nun offen, und Voldemort konnte in den geheimen Raum eindringen. Unsichtbar schlich er an das Haus heran. Er hatte sich mit dem Kopfblasen-Zauber vor den immer noch darin lauernden Gasschwaden abgesichert und suchte das Lüftungsgitter, durch das seine Schlange gekrochen war. Er fand es und zerstörte es der Einfachheit halber. Drinnen plärrten nun Alarmzauber los. Voldemort war darauf gefaßt, in Abwehrzauber hineinzulaufen, wie sie die Redwoods gegen seine Todesser benutzt hatten. Doch er war Lord Voldemort. Und es gab keinen Abwehrzauber, den er nicht einfach so niederkämpfen konnte. Das hatte er schon hundertfach bewisen, zuletzt auf der Suche nach dem Flammenschwert Yanxothars. So kletterte der hagere Zauberer durch den freigesprengten Luftschacht, gerade unter zwei Schockzaubern hindurch, die aus dem Buschwerk abgefeuert wurden. Sie kamen zu spät, die Närrinnen, die das Haus bewachten. Nagini war unter ihren Nasen hindurchgeschlüpft, und gleich würden die nun freikommenden Betäubungsgasschwaden sie erwischen. Er beschwor einen tragbaren Elementarschild um sich herum, der einen Feuer-, Wasser-, Erd- oder Luftzauber, sowie elektrische Schläge zurückprellen würde. Dann stürmte er in das Haus hinein, umwabert von schwefelgelben Dunstschleiern. Er fand die aufgesprengte Tür, vor der nun eine blaue Feuerwand loderte.

"och, nöh", knurrte Voldemort und wirkte einen gegenläufigen Feuerzauber, der die Flammenwand mit lautem Wuff zerstieben ließ. Dann warf er sich nach vorne und sprang in den Raum hinein, genau in einen Strahl aus Winteressenz, einem Zaubertrank, der bei Kontakt mit toten oder lebenden Objekten diese sofort auf die Gefriertemperatur von Quecksilber abkühlte, wenn sie nicht durch einen vorher eingenommenen Gegentrank dagegen immun waren oder einen tragbaren Elementarschild benutzten. Dieser prasselte die alchemistische Attacke zurück, flackerte dabei jedoch bedrohlich blau und rot. Dann sah Voldemort das Denkarium und zwei Bücher. Da er nun davon überzeugt war, daß Sardonias Wissen in Denkarien aufbewahrt wurde, holte er es einfach mit einem Aufrufezauber zu sich, wobei eine Flammenfontäne auf ihn zufauchte, die den Schild zusammenbrechen ließ. Doch Voldemort bekam das Denkarium zu fassen und stürmte hinaus. Da Abwehrzauber mindestens einige Sekunden brauchten, um sich wieder zu erholen konnte er unangefochten aus dem Haus entkommen. Draußen sah er mit großer Genugtuung vier Gestalten in weiß auf dem Boden liegen, die Gesichter nach unten. Auch hier war ein gewisser Nebel aufgekommen, der jeden Betäubte, der oder die in ihn hineingeriet, noch bevor die Schwaden sichtbar wurden. Der dunkle Lord rannte lachend davon und holte seine Schlange. Außerhalb der Grundstücksumgrenzung disapparierte er, um bei seiner dritten Station anzulangen. Sein Trick hatte glänzend gewirkt und mußte in dieser Nacht schnellstens wiederholt werden, bevor er sich rumsprach. So deutete er auf das dritte Haus, dem er einen Besuch abstatten wollte und sandte Nagini aus, einen Weg hinein zu finden und wieder dort, wo ein geheimer Raum sein konnte eine Gasphiole mit eingekapseltem Sprengzauber zu platzieren.

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"Bevor die vom Ministerium hier sindd", zischte Anthelia, die in sicherer Entfernung das Husarenstück des Emporkömmlings beobachtet hatte. Ihre Schwestern, die gerade noch den Kopfblasen-Zauber gewirkt hatten, saßen auf ihren Besen auf und rasten über die Grundstücksgrenze. Aus dem Haus plärrte und jaulte es immer noch. Dann fanden sie die vier hier wachenden und nun betäubten Mitschwestern und schrumpften sie kurzerhand ein, um im nächsten Moment auf ihren Besen davonzubrausen. Da apparierten auch schon die Zauberer vom Desumbrateurkorps des französischen Zaubereiministeriums. Einige rückten vor und klappten zusammen. Die anderen wichen zurück und bezauberten sich mit der Kopfblase. Dann rückten sie wieder vor und umstellten das Haus. Einer fand den freigesprengten Lüftungsschacht und drang mit zwei Kollegen in das Haus ein, wo sie die betäubte Familie fanden. Als dann feststand, daß ein geheimer Raum hinter der Küche aufgebrochen worden war, beschloss der Führer der Einsatztruppe, die betäubten Bewohner in die Delourdes-Klinik zu bringen, um sie aufzuwecken. Bald würden sie wissen, was in diesem Raum gelagert worden war. Eine Eilmeldung an den Leiter der Strafverfolgungsbehörde traf um ein Uhr früh am dreiundzwanzigsten März 1997 ein. Als es gelungen war, den Leiter der Behörde aus dem Schlaf zu holen und er wütend und erschrocken zugleich die Berichte seiner Leute hörte und fragte, ob die Villeforts wohlauf seien schwirrte die nächste Unheilsnachricht herein.

"Noch ein Einbruch, Monsieur Chevallier. Diesmal bei der Familie von Estelle und Ignatius Graminis. Die Meldezauber haben das Aufbrechen einer Tür angezeigt, und offenbar wirken auch Abwehrzauber auf einen Eindringling. Außerdem wurden mehrere Schockzauber erfaßt", meldete einer aus der Magieüberwachungsabteilung.

"Morgen früh will ich mit den Sardonia-Expertinnen und -experten sprechen. Ich fürchte, das war gerade der Auftakt zur Neuauflage der düsteren Epoche", sagte Belenus Chevalier.

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"Na, dann bastel dir mal alles zusammen, Waisenknabe!" Dachte Anthelia, als sie erfuhr, daß Voldemort sich auch das dritte Denkarium geschnappt hatte. "Vielleicht wirst du dabei noch verrückter als du es eh schon bist."

"Was passiert mit den Denkarien, wenn der Emporkömmling ihnen alles wichtige entnommen hat?" Fragte Pandora Straton, die auf Anthelias Geheiß hin zu ihr nach Frankreich gekommen war, wo sie bei Louisette Richelieu Quartier bezogen hatte.

"Sie sind unzerstörbar, Schwester Pandora. Ich denke, daß er sie zu seinem Versteck auf dem Friedhof bringt oder in ein anderes Versteck, das er ausgesucht hat. Du hast mir ja den Hinweis gegeben, er habe sein Dasein mit dunklen Artefakten erhalten, die er gewiss nicht an ein und demselben Ort aufbewahrt. Mag sein, daß er die Denkarien auch verteilt, wenn er Bellatrix oder einer anderen Hexe deren Inhalt eingeflößt hat."

"Warum ausgerechnet einer Hexe?" Fragte Pandora.

"Weil nur eine Hexe die wirklich mächtige Hinterlassenschaft berühren und an sich nehmen kann. Dies gelingt ihr aber nur, wenn sie die drei ersten wichtigen Kenntnisse erlangt hat. Sie muß das Zutrittswort für das Haus kennen, den Namen des verborgenen Raumes wissen und der geheimen Wand gewahr sein, hinter der das liegt, was meine ehrwürdige Tante zurückgelassen hat. Das einzige Problem dabei ist, daß keine Hexe mit feindseliger Gesinnung mein Heimatdorf betreten kann. Da wird der Waisenjunge noch was zu denken haben."

"Weißt du denn, wie er es anstellen kann?" Fragte Pandora. Anthelia nickte. Sie sagte:

"Es ist wahr, daß eine den Bewohnern feindlich gesinnte Hexe nicht auf eigenen Füßen in das Dorf hinein kann. Aber der Emporkömmling hat ja seine Kälte und Dunkelheit verströmenden Dämonen, die durch die geraubte Essenz meiner Tante fähig sind, hineinzugehen."

"Ja, aber die kommen doch nicht an das versunkene Haus der wahren Schwesternschaft heran", wandte Pandora ein. Anthelia lächelte.

"Das werden sie, wenn sie es schaffen, eine Dirne dieses Waisenknabens, die alle wichtigen Kenntnisse besitzt auf eine Weise mitzunehmen, die sie selbst unbeweglich und schmerzunempfindlich macht. Nur dann können sie hinein. Sie müssen dem Haus vorgaukeln, eine Hexe betrete es und suche nach der Hinterlassenschaft der großen Sardonia. Mehr ist nicht nötig."

"Klingt zu einfach, höchste Schwester. So hätte er doch schon zu seiner ersten Schreckenszeit an alles herankommen können."

"Eben nicht, weil ihm die ganzen Kenntnisse fehlten, Schwester Pandora. Denn er muß ja noch herausfinden, wo das versunkene Haus der wahren Schwesternschaft verborgen ist, ohne selbst nach Millemerveilles hineinzugelangen. Schwester Louisette hat berichtet, daß jemand, der unter Überwachung des Ministeriums steht versucht hat, heimlich in die große Bibliothek in der Rue de Camouflage einzudringen. Offenbar will er recherchieren, wo das Haus einmal gestanden hat."

"Bist du sicher, daß er findet, was er sucht?" Fragte Pandora Straton.

"ich hoffe, daß der Waisenknabe die Gerissenheit aufbringt, das Versteck zu finden, seine Diener dort eindringen zu lassen und die machtvollen Habseligkeiten meiner Tante herauszuholen. Da nur eine Hexe daran rühren kann, muß diese nach Verlassen des Dorfes wieder aktionsfähig sein. Außerdem, so entnahm ich es den drei Denkarien, darf in der Nähe des besonders gesicherten Behälters kein Sardonia feindlich gesinnter Zauberer sein, um ihn zu öffnen. Tja, und ob die gedungene Helferin des Emporkömmlings dann die alles entscheidende Probe besteht wage ich zu bezweifeln", sagte Anthelia und lächelte wieder überlegen.

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"Ich hoffe, Ihnen geht es soweit gut, Madame Brickston", sagte Monsieur Chevallier, als er seine fünf Gäste in einem mit dauerhaftem Klangkerker bezauberten und auf Anraten von Professeur Faucon imperturbierten Raum begrüßt hatte. Der Kalender an der Wand zeigte den 24. März.

"Uns beiden geht es gut, Monsieur Chevallier, Danke der Nachfrage", sagte die in guter Hoffnung befindliche Catherine Brickston und strich sich leicht über den kugelrunden Bauch. Ihre Mutter, die Lehrerin aus Beauxbatons, sah zu ihrer Kollegin, Professeur Fidélie Pallas, ihrer Vorgängerin und Mentorin, Professeur Austère Tourrecandide, Monsieur Phoebus Delamontagne und Monsieur Scipio Lumière.

"Der Höflichkeit halber sollten Sie mich auch nach meinem Befinden fragen, Belenus", warf Professeur Tourrecandide ein. "Immerhin ist es in meinem Alter nicht mehr so einfach, in einem solchen Tempo zu einer kurzfristig einberaumten Besprechung zu reisen. Aber danke der Nachfrage, ich befinde mich auch wohl." Belenus Chevallier lief leicht rot an. Er hätte alle im Raum fragen sollen und niemanden bevorzugen sollen. Doch dann kam er auf den Punkt:

"In den letzten vier Tagen ist in drei Zaubererhäuser eingebrochen worden. Bei den Lanuages waren gewöhnliche Einbrecher am Werk, weil das Haus unzureichend gesichert war. Sie konnten durch den Kamin eindringen, weil der keine Einbruchsabwehr besaß. Dann wurde die Familie Villefort Opfer eines heimtückischen Einbruchs, bei dem irgendwie eine Ladung Schlafdunst freigesetzt wurde, so daß darauf hin einer oder mehrere ohne Beachtung der Alarmzauber eindringen und etwas stehlen konnten. In derselben Nacht noch vollzog sich auf gleiche Weise ein Einbruchsdiebstahl im Haus der Graminis' aus Cannes. Auch hier wurde eine bestimmte Tür aufgesprengt und etwas entwendet, von dem wir noch nicht wissen, was es ist. Ich fürchte, die Gerüchte um die drei Vermächtnisfragmente der dunklen Matriarchin sind alle wahr."

"Wir haben die drei Familien doch häufig befragt, ob sie was davon wüßten, ob ihre Vorfahren Habseligkeiten aus Sardonias Besitz hatten", sagte Monsieur Lumière. Hätte ja sein können, daß sie die Sachen loswerden wollten."

"Natürlich nicht", grummelte Austère Tourrecandide. "Diese Familien standen früher schon zu Sardonia. Zumindest wissen wir von Hexen, die ihr geholfen haben. Aber die sind über die Landesgrenzen geflohen und nach England hinüber, wo sie sich Sardonias nicht minder skrupelloser Nichte Unterstellt haben."

"Ja, und dann haben die was auch immer irgendwann, vielleicht nach Jahrzehnten, wieder nach Frankreich zurückgebracht?" Wunderte sich Phoebus Delamontagne.

"Das war doch wohl jetzt unter Ihrem Niveau, diese Frage zu stellen, Phoebus", tadelte ihn Professeur Faucon genervt. Dann bat sie offiziell ums Wort und sagte: "Wie ich Ihnen kürzlich mitgeteilt habe, steht zu befürchten, daß dieser Voldemort nicht der einzige Unhold ist, der seinen eigenen Tod überlisten konnte, sondern auch jemand aus Sardonias Dunstkreis, vielleicht sogar sie persönlich. Ich erwähnte Ihnen gegenüber ja die Erkenntnisse, die die vor einem Monat verstorbene Madame Jane Porter erlangen konnte und deshalb wohl auch getötet wurde. demnach stehen die Ereignisse der vergangenen anderthalb Jahre wie sie sowohl in den Zeitungen berichtet als auch nur in geheimen Archiven des Laveau-Institutes und des amerikanischen Zaubereiministeriums verborgen wurden eindeutig für eine Wiederkehrerin mit sardonianischer Gesinnung und großer Macht."

"Nun, das ist ja der Grund, warum ich Sie alle zu dieser Besprechung zitierte, Messieursdames", warf Chevallier ein. "Die Frage ist, wenn es Sardonia persönlich ist, die den Kampf gegen die Dementoren irgendwie überstanden hat und Jahrhunderte später wiederkehren konnte, warum ging sie nicht gleich daran, sich ihr gesamtes Vermächtnis zu sichern?"

"Weil ihr vielleicht deuchte, sie bräuchte bestimmte Sachen nicht mehr oder würde sie in aller Ruhe wieder anfertigen können", warf Professeur Pallas ein. "Wir wissen ja alle hier, was Sardonia an magischen Verheerungen geschaffen hat. Ich denke da an die Entomanthropen, die Quellsteine in Millemerveilles und den Mantel der Unangreifbarkeit, der selbst den modernen Drachenhautpanzern überlegen ist, weil er nicht nur körperliche, sondern auch magische Attacken abwehren kann, sogar vermutet wird, er habe den Todesfluch schon einige Male abgewehrt."

"Sie glauben, daß die betreffenden Gegenstände nicht mit ihr vernichtet wurden?" Fragte Chevallier. Die Professorinnen Faucon und Tourrecandide verzogen ihre Gesichter, während Monsieur Delamontagne den Kopf schüttelte.

"Ich weiß doch noch, wie wir bei der Recherche für das Buch über ihren Aufstieg und Fall diskutiert haben, was sie alles zurücklassen mußte, Belenus", sagte Catherine Brickston ruhig. "Ich denke, daß einige der Dinge nicht mit ihr vernichtet wurden. Sie hat wohl in weiser Voraussicht einiges versteckt, falls sie gefangen und verschleppt würde. Immerhin hatte sie es mit mehrenen Dutzend Dementoren zu tun. Aber ich frage mich, wozu diese Wiedergekehrte, von der ich nicht vermute, daß es Sardonia persönlich ist, einbrechen muß. Sie brauchte doch nur anzuklopfen und zu fragen, ob die Hexen des Hauses für die heutige Zaubererwelt sind oder nicht und falls nicht dann einfach die ihr nicht genehmen zu töten und zu holen, was sie versteckt hielten."

"So, wen vermuten Sie denn, wenn nicht Sardonia persönlich?" Fragte Scipio Lumière. Offenbar gefiel es ihm nicht, daß Catherine und ihre Mutter Informationen hatten, die er gerne haben wollte.

"Ich fürchte, wir haben es mit Sardonias Nichte Anthelia zu tun", sprach Catherine etwas aus, daß sie und ihre Mutter bis dahin für sich behalten wollten. Diese Enthüllung wirkte wie ein kollektiver Bewegungsbann. Keiner sagte was. Niemand rührte sich für die nächsten dreißig Sekunden. Dann nickte Professeur Faucon.

"Woher wollen Sie das wissen, Catherine?" Fragte Belenus Chevallier. Catherine sah ihre Mutter an, die ihr zustimmend zunickte.

"Als der mir anvertraute Zauberschüler Julius Andrews ohne meine ausdrückliche Genehmigung eine Einladung zu einem Besuch in den vereinigten Staaten annahm", Professeur Faucon verzog verärgert das Gesicht, "geriet er, wie alle Mitglieder der Zaubererwelt wissen in die Gefangenschaft seines von der Abgrundstochter Hallitti versklavten Vaters, ja von dieser selbst und wurde von einer Gruppe Hexen in Weiß befreit, deren Anführerin in Rosa auftrat und ihn nach erfolgreicher Vernichtung Hallittis legilimentisch ausforschte. Die Spuren dieser Ausforschung konnten meine Mutter und ich finden und daraus herleiten, daß sie wissen wollte, ob er schon von ihr gehört hatte. Damals dachte ich auch, es sei Sardonia persönlich, die sich da auf eine für uns unbekannte Weise zurückgemeldet hat. Immerhin zählen die Abgrundstöchter ja zu deren Erzfeindinnen." Monsieur Delamontagne nickte beipflichtend. "Aber als Professeur Faucon und ich genauer darüber nachdachten erschien es uns doch eher unwahrscheinlich, daß Sardonia ihre Seele in einen anderen Körper gerettet hatte. Denn sonst wären die Dementoren nicht in der Lage, nach Millemerveilles zu gelangen, die seit drei Jahrhunderten die Essenz Sardonias unter sich aufteilen. Also ist es wohl eher ihre Nichte, die es irgendwie geschafft hat, ihren ersten, belegbaren Tod zu überdauern, womöglich in Form einer Seelenruhe in einem materiellen Fokus, den wir nicht kennen, bis sie Dank Voldemort einen entseelten, aber lebendigen Körper fand, in den sie überwechseln und darin neu erwachen konnte, natürlich als Hexe, weil die sardonianische Misandrie es ihr wohl unmöglich machte, in einem Zauberer wiederverkörpert zu werden. Dessen magische Natur und ihre geistigen Fähigkeiten verhalfen ihr dann zu einer guten Ausgangslage, um den Wiederaufstieg zur sardonianisch gesinnten Führerin zu schaffen."

"Klingt phantastisch und doch irgendwie glaubwürdig", sagte Scipio Lumière. "Dann stellt sich mir aber eine Frage: Wie kam diese aus dem lebendigen Körper abgeschiedene und konservierte Seele an den neuen Körper?"

"Da möchten Sie doch nicht wirklich eine Antwort drauf erhalten", knurrte Professeur Tourrecandide und sah den Mann, der sicher einmal einer ihrer Schüler war tadelnd an.

"Sie wird einen Weg gehabt haben, mit lebendigen Menschen zu kommunizieren, wohl auf einer rein gedanklichen Ebene", formulierte Chevallier die ihm einzig logisch erscheinende Antwort. "Dann brauchte sie nur noch einen willigen Helfer zu finden, womöglich eine Sardonianerin, und fertig."

"Womöglich vermochte ihr Seelenruheartefakt sogar, eine suggestive Kraft auf davon berührte Menschen auszuüben", feilte Professeur Faucon die Annahme Chevalliers noch etwas zurecht. Dieser nickte. Phoebus Delamontagne nickte beipflichtend.

"Das ist so ähnlich wie bei den Medaillons der Abgrundstöchter. Wer sie trägt kann von ihnen kontrolliert werden. Seelenfangflüche auf Gegenstände zu legen ist ja leider nichts wirklich neues."

"Ich finde, wir sollten uns zunächst mit der Frage nach den Einbrüchen befassen", warf Professeur Faucon ein. "Es ist durchaus fraglich, warum diese Wiedergekehrte, nennen wir sie zunächst Anthelia, weil mir sonst auch niemand anderes einfällt, wie eine Diebin in der Nacht in Häuser einbrechen muß, wo vielleicht treue Gesinnungsgenossinnen wohnen, bei denen sie doch ganz willkommen durch die Haustür eintreten kann. Außerdem sind die Häuser apparitionssicher gewesen. Will sagen, jemand muß das Gas auf eine Weise hineingeschmuggelt haben, die für einen uneingeschrumpften Menschen unmöglich ist. Magisches Eindringen als Nebelgestalt wäre wohl durch Spür- und Meldezauber aufgedeckt worden. Also muß jemand nichtmagisches, der über große Gewandtheit oder geringe Körperhöhe verfügt in die beiden magisch gesicherten Häuser eingedrungen sein. Welche nichtmagischen Wesen besitzen sowohl große Gewandtheit wie geringe Körperhöhe?"

"Wie viele Bonuspunkte erhalte ich, wenn ich diese Frage beantworte, Blanche?" Fragte Scipio Lumière leicht angenervt. Professeur Tourrecandide nickte ihrer Nachfolgerin und früheren Musterschülerin zu. Catherine blickte auf und nickte dann. Dann sagte sie:

"Mutter, du hast recht. Das muß jemand anderes getan haben. Die Antwort auf deine Frage, falls Scipio mir nicht böse ist, daß ich die fünf Bonuspunkte bekomme: Eine Schlange, das bevorzugte Haus- und Nutztier Slytherins und aller in seinem Sinne handelnden, also auch Voldemorts. Daß der Psychopath eine Schlange sein eigen Nennt wissen wir von Dumbledore, der es wiederum von Harry Potter weiß, der, anders als in seiner Heimat früher böswillig kolportiert, kein geistesgestörter Junge ist. Die Schlange, Messieursdames kann eine kleine Phiole mit einer Sprengladung und Schlafdunst unter Druck in die Häuser geschmuggelt und irgendwo deponiert haben, vielleicht sogar da, wo ihr Herr und Meister schnellstmöglich hinwollte. Dann brauchte sie nur noch davonzuschleichen, und der Größenwahnsinnige konnte aus sicherer Entfernung, womöglich mit dem Incarceratus-Liberatus-Zauber einen Sprengzauber bis zum Abruf ins Haus bringen und dann freisetzen."

"Setzen, bestnote", sagte Professeur Faucon anerkennend lächelnd.

"Können Sie dieses Lehrerinnengetue nicht in Beauxbatons lassen, wenn Sie verreisen?" Knurrte Scipio Lumière. Phoebus Delamontagne grinste jungenhaft, Professeur Tourrecandide verzog das Gesicht und Catherine nickte leicht.

"Moment, das kann stimmen. Dann würde der englische Massenmörder jetzt die Geheimnisse Sardonias in den Händen haben und ...", setzte Belenus Chevallier an. Seine Gäste nickten. Dann stand Professeur Tourrecandide auf und straffte sich:

"Es ist eine gewagte Hypothese, die ich dazu habe, und ich möchte Sie alle um meines guten Rufes willen bitten, sie nicht aus diesem Raum zu lassen, aber ich gehe stark davon aus, daß der britische Zaubereiverbrecher Nummer eins benutzt wird, um dieser Wiederkehrerin zu besorgen, was sie schon lange haben will. Sie hat ihm sicherlich geholfen, die Informationen zu bekommen, die er damals noch nicht hatte, um bereits vor Jahren Sardonias Geheimnisse zu stehlen und zurecht darauf gesetzt, daß er nun, wo er sich nicht nur unter den ehrbaren Hexen und Zauberern Todfeinde gemacht hat, mit aller Gier darauf losgeht. Ich begründe meine Hypothese damit, daß jener britische Massenmörder Gewalt über die Dementoren besitzt, die, wie wir hier schon festgestellt haben, nach einbruch der Dunkelheit unbehelligt in Millemerveilles umhergehen können, was ihm selbst und auch jener Wiedergekehrten unmöglich ist. Also spielt sie ihm die gewünschten Informationen zu, wartet darauf, daß er sich die notwendigen Artefakte oder Aufzeichnungen beschafft und dann seine Dementoren losschickt, nach Millemerveilles zu gehen, um das noch fehlende Fragment des sardonianischen Erbes zu beschaffen."

"Hmm, dann müßte die Machtgier des Psychopathen größer sein als sein Verstand", warf Phoebus Delamontagne ein. Catherine Brickston erhob sich nun auch, wobei das in ihr wachsende Kind sie leicht nach vorne zog.

"Ich teile Ihre Ansicht, Professeur Tourrecandide. Womöglich hat Anthelia dann schon längst die für sie wichtigen Informationen gesichert und wartet nun darauf, daß der von ihr angesetzte Widersacher ihr den Gefallen tut, auf dieses Spiel einzugehen. Im Grunde hat er keine andre Wahl, selbst wenn ihm klar wird, daß er ausgestochen werden soll. Er muß jetzt alles daransetzen, Sardonias Erbschaft in seine Gewalt zu bringen, obwohl er das eigentlich nicht kann." Wieder schwiegen die übrigen. Catherine setzte sich nach einem besorgten Blick ihrer Mutter wieder hin. Phoebus Delamontagne sagte:

"Mädels, ich fürchte, ihr habt alle recht. Dann ist jetzt die Frage, was wir tun sollen?"

"Das Mädeln verbitte ich mir", knurrte Professeur Tourrecandide. Belenus Chevallier sah Catherine an und sagte:

"Ist diese Askaban-Ausbrecherin Bellatrix Lestrange diesem Verbrecher nicht treu ergeben, ja regelrecht hörig? Dann wird sie seine Statthalterin sein, weil sie an Sardonias Erbe herankommt und als Hexe damit walten und schalten kann, wie er es ihr befiehlt. Ich werde gleich mit Monsieur Pierre in Millemerveilles sprechen, daß wir innerhalb und außerhalb mehr Wachpersonal stationieren, nur Zauberer, weil ich nicht weiß, wem von meinen weiblichen Mitarbeitern ich in der Angelegenheit vertrauen darf. Die Dementorenabwehrleute bleiben auch dort, obwohl die mich schon gefragt haben, ob sie nicht wieder abziehen können, nachdem das Jubiläum dort vorbei ist."

"Eine weise Entscheidung", lobten die Teilnehmer dieses kurzfristig einberaumten Krisengespräches. Dann kamen sie überein, daß alles hier besprochene vorerst nur noch dem Minister persönlich mitgeteilt werden durfte, aber sonst keiner etwas davon wissen durfte. Dann verabschiedete Chevallier seine Gäste.

Draußen vor der Tür mentiloquierte Catherine ihrer Mutter: "Ich fürchte, es ist bereits zu spät. Wenn der Verbrecher alle Teile des verfügbaren Erbes hat, könnte er schon zugeschlagen haben."

"Hat er nicht, weil ich das sofort erfahren hätte", antwortete Blanche Faucon auf gedanklichem Weg. "Also beruhige dich und kehre heim. Hoffentlich hast du keine Belüftungen außen."

"Ich habe keine gitter, die weit genug sind, daß eine Schlange, auch keine Kreuzotter, da durchkriechen kann, Maman", erwiderte Catherine und folgte ihrer Mutter mit leicht schaukelnden Beckenbewegungen. "Ich kapiere nie, wie Ursuline sich so grazil mit zwei Kindern gleichzeitig bewegen konnte", knurrte sie nun für alle hörbar. Ihre Mutter sagte dazu:

"Sie war oft genug in Übung." Sie sah im Vorbeigehen noch einmal auf die große Standuhr auf dem Flur: Es war nun zwei Minuten vor elf Uhr Morgens. "Ich komme noch rechtzeitig zum Mittagessen nach Beauxbatons zurück", bemerkte sie noch. "Leider darf ich keinen von dir grüßen", mentiloquierte sie ihrer Tochter noch zu. Dann trennten sich ihre Wege.

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"Ja, ich kann wohl kurz vorbeischauen, wenn ich in Washington bin. bin eh gespannt, wie die mich da unterbringen, Muggel- oder Hexenmäßig", sagte Martha Andrews gerade in den Telefonhörer. "Aber Morgen ist ja erst Elternsprechtag. Vielleicht möchte der Junge wieder nach Millemerveilles, solange ich bei euch zu tun habe. auch wenn wegen Claire ..." Eine Männerstimme sagte darauf:

"Du meinst, nach dem Ding mit Richard und ihrem völlig unsinnigen Tod will er da nicht mehr hin. Wollen die ihn denn nicht mehr da haben?"

"Doch, sicher. Camille will ihn immer noch adoptieren, wohl jetzt erst recht, weil ja ihre Tochter nicht mehr als Ablehnungsgrund dazwischensteht."

"Oh, das ist aber jetzt sehr böse, Martha", kam eine belustigte Antwort.

"Ich sage, wie ich das sehe. Im Grunde geht's jetzt darum, in wessen Familie der Junge einheiratet. Gut, mit Denise wird er sich wohl nicht einlassen, dafür ist die Konkurrenz in seiner Schule und außerhalb zu groß, denke ich."

"Wo wir dabei sind, Livius Porter hat mich im Namen von Melanie und Brittany gefragt, ob du ihn mitbringen könntest, wenn du mal wieder bei uns reinschaust. Die beiden möchten mit ihm wieder Quodpot spielen."

"Ich fürchte, die beiden Mädchen möchten nach der Sache mit dem Alterungszauber bei ihm was anderes mit ihm spielen, obwohl dabei auch Bälle im Spiel sind", feixte Martha.

"Neh, ich denke, das geht denen nicht im Kopf rum", erwiderte der Mann am anderen Ende der Leitung.

"Lass es dir von einem ehemaligen Mädchen sagen, daß ihr Jungs nicht das Monopol auf schmutzige Gedanken in der Pubertät habt", erwiderte Martha. "Abgesehen davon, wie gesagt, die Konkurrenz ist groß, und wenn ich mir so ansehe, welche Auswahl er jetzt trotz der schlimmen Sache mit Claire hat ..."

"Du hast mir noch nicht erzählt, wie es in Millemerveilles war", wurde sie abgewürgt.

"Was soll ich sagen. Viel konnte ich mir nicht ansehen, weil ich offiziell nicht dahin durfte. Ging ja nur, weil Madame Delamontagne gerade andere Dinge zu erledigen hatte."

Uäää", immitierte ihr Gesprächspartner den Schrei eines Babys.

"Genau", erwiderte Martha grinsend.

"Das wirst du ja demnächst wohl häufiger zu hören kriegen, wenn deine Vermieterin Besuch vom Klapperstorch kriegt."

"Da werde ich wohl nur was mit zu schaffen haben, wenn sie das will. Abgesehen davon, seit wann glaubt ein welterfahrener, erwachsener Mann noch an den Klapperstorch?"

"Habe ich vor kurzem in einem Science-Fiction-Roman gelesen: Storch & co. Retortenkinder nach Maß."

"Haha. Naja, dann will ich dir das nicht zu teuer machen. Wenn ich rüberkommen kann klingel ich noch einmal durch, wie es bei euch heißt."

"Yep", kam eine kurze Antwort. Dann tauschten sie noch Abschiedsgrüße aus und legten auf.

Catherine Brickston kam herauf. Ihre ungeborene Tochter Claudine beeinträchtigte sie jetzt, wo es auf den achten Monat zuging doch schon sichtlich.

"Hast du wieder über den großen Teich geflirtet, Martha?" Fragte sie mädchenhaft grinsend. "Wie geht's ihm denn?"

"Er hatte vor kurzem Probleme mit einem sogenannten Matrosenpolizisten, weil die einen toten marineleutnant gefunden haben, nackt und kahlgeschoren. Da der betroffene in einer Gegend war, in der auch viele Zivilisten verkehren gab es einen Behördenzank, wer für den zuständig ist. Ansonsten nichts neues."

"Die Leute kenne ich. Da sind auch Zauberer bei, bei der Kriminalermittlungsbehörde der US-Marine. Kann ja durchaus passieren, daß Seeleute mit Meermenschen oder Seeungeheuern zu tun kriegen oder Opfer von Magieunfällen werden", sagte Catherine. "Aber sonst? Bahnt sich da was an oder ist das nur eine aus der gemeinsamen Not geborene Freundschaft?"

"Hmm, so konkret haben wir das bisher nicht behandelt. Ich weiß auch nicht, ob ich für einen neuen Mann schon bereit bin, Catherine. Ich sage mir, daß Julius erst einmal Vorrang hat, wenn ich auch mit meiner eigenen Beobachtungsgabe und meiner Logik erkenne, daß ich mir da zu viele Gedanken mache, ja ihn als Schutzschild gegen die neuen Herausforderungen im Leben nutze: Tut mir leid, ich habe einen schulpflichtigen Sohn, über den ich nicht viel erzählen darf und so. Geboren ist übrigens ein gemein zutreffender Begriff. Er hat diesen Einlagerungsapparat ja nicht so bewußt mitbekommen wie ich. Wenn ich mich nicht auf das Experiment mit Ursuline eingelassen hätte wüßte ich heute noch nicht, wann ich wieder durchdrehe.""

"Solltest du noch einmal diese Therapie benötigen denke ich, hat Claudine nichts dagegen, wenn du mal bei ihr reinschaust, Martha", sagte Catherine und tätschelte ihren prallen Bauch. "Und was den Jungen angeht, so denke ich, wird er bald schon neuen Anschluß finden. Meine Mutter hat ja schon Alpträume, daß sie Kinder von ihm und einer der Latierre-Mädchen unterrichten muß." Sie grinste. "Falls er nicht mit Belisama oder einer anderen zusammenfindet. Ich könnte mir auch vorstellen, daß er wegen der Gemeinsamkeiten auch mit Laurentine gut klarkäme."

"Bei den Eltern keine Chance, Catherine. Selbst wenn er in einem gewöhnlichen Haus mit gewöhnlichen Geräten und Möbeln wohnen würde wäre er denen ein Monstrum, ein Mutant, der ihrer Kleinen nur Mutantenkinder machen würde. Öhm, ich sollte mich weniger gossenhaft ausdrücken, sonst denkt Claudine noch, sie müßte in einer heruntergekommenen Gegend aufwachsen." Sie lächelte und blickte auf Catherines Unterleib, als könne sie dem ungeborenen Mädchen in die Augen sehen.

"Das denkt die eh schon, wenn Joe wie ein altenglischer Droschkenkutscher rumflucht", erwiderte Catherine amüsiert. Es tat den beiden Frauen gut, sich mal ohne Männer und Familienangehörigen zu unterhalten. Martha tankte dabei Zuversicht, nicht in eine leere Welt geflüchtet zu sein, und Catherine genoss es, mit einer nichtmagischen Frau genauso über ihre Zaubererangelegenheiten und ihre Meinung dazu reden zu können. Joe hatte sich in sein Arbeitszimmer eingeschlossen. Babette war zu Mayette Latierre gefloh-pulvert. Seit sie die Brautjungfern für Jeanne gewesen waren waren die beiden Mädchen immer bessere Freundinnen geworden. Das führte natürlich auch dazu, daß sich Ursuline Latierre und Catherine auch häufig trafen, was Catherines Mutter nicht so gefiel.

"Was ist eigentlich mit deinen Schwiegereltern. Haben sie es gut verdaut, daß sie noch eine Enkeltochter kriegen?" Fragte Martha frei heraus.

"James meinte, daß Joe wohl zu häufig geflogen sei oder der Computer seine Erbanlagen auf Mädchen gepolt habe und Jennifer findet sich damit ab, noch einmal rosa Sachen zu kaufen."

"Bei Julius habe ich von meiner Schwiegermutter aber selbstgestricktes bekommen", warf Martha ein und mußte lachen. "Ich habe den blauen Strampler sogar noch. Der liegt in der Erinnerungstruhe im Keller hier."

"Klar", sagte Catherine. Dann überlegte sie, ob sie Martha was wichtiges über Julius sagen sollte, daß er womöglich in großer Gefahr schwebte, wenn sich das mit der Wiedergekehrten bestätigen würde. Doch dann fiel ihr ein, daß Julius dann schon längst tot oder unkenntlich verhext worden wäre. Die hätten ja doch der Einfachheit halber auch ihn mit dem Infanticorpore-Fluch belegen können, das Gedächtnis auslöschen und ihn dann mit seinem Vater zusammen irgendwo aussetzen oder abgeben können, dachte sie immer wieder. Also was wollte diese Wiederkehrerin, von der sie jetzt stark annahm, daß es Anthelia war? Ihr war bange vor der Antwort auf diese Frage, wenngleich sie sicher war, die Antwort irgendwann suchen zu müssen.

Um sich von diesen trüben Gedanken abzubringen sprach sie mit Martha noch über den morgen stattfindenden Elternsprechtag in Beauxbatons und scherzte, daß ja da alle aus dem sogenannten Club der guten Hoffnung erscheinen würden.

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"Ist es nicht riskant, daß du schläfst, wenn der Emporkömmling jetzt hinter dem Erbe deiner Tante her ist, höchste Schwester?" Fragte Patricia Straton, kaum daß Anthelia an diesem Sonntagmorgen um sieben Uhr hiesiger Ortszeit in den Salon herunterkam. Louisette Richelieu hatte das Radio angestellt.

"Auch dir einen schönen, guten Morgen, Schwester Patricia", begrüßte Anthelia wohlgelaunt die junge aber zauberkräftige Hexe mit den dunkelbraunen Haaren und den grünen Augen, die bei Licht einen leichten Graustich besaßen. Eine weiße Katze lag zusammengerollt auf einem Stuhl und schien zu schlafen.

"Wieso ist sie in dieser Gestalt?" Fragte Anthelia und deutete auf die Katze.

"Weil ich so besser auf kleinstem Raum schlafen kann", schnurrte die Katze mit Pandora Stratons leicht maunziger Stimme, enttrollte sich, setzte sich auf den Stuhl und verwandelte sich in ihre menschliche Erscheinungsform zurück. Anthelia setzte sich und beschwor frische Muffins, Toastbrot, Marmelade, Fruchtsaft, gebratene Eier mit Schinken und eine würzig duftende Käseplatte herauf. Dann landeten noch eine große Kanne Kaffee und ein Milchkännchen auf dem Tisch.

"Der Emporkömmling, meine besorgten Mitschwestern, muß seine Dirne doch erst einmal mit allen Erinnerungen versehen. Ich wußte, wonach ich suchen mußte, aber meine Tante hat hunderte von belanglos scheinenden Gedankensplittern eingelagert, um unbefugte in die Irre zu leiten. Sie wird nicht umhinkommen, sich diesen ganzen Ballast in ihr Hirn zu flößen. Dann muß sie das wesentliche vom unwesentlichen trennen, solange die Gefäße sie lassen. Denn wenn diese nach vierundzwanzig Stunden von selbst zu ihren Eigentümerinnen zurückkehren müßte er erneut auf Raubzug gehen, und diesmal werden die Gitter sicher imperturbiert", sagte Anthelia mädchenhaft grinsend. Auch Patricia grinste daraufhin. Da sie wie Anthelia eine geborene Telepathin war, was auch bei Zauberern sehr selten vorkam, wußte sie, wieviel geistigen Müll es abzuschöpfen galt, wenn sie wichtige Sachen mitbekommen wollte. Wenn sich dann jemand den dreifachen Unrat und Ballast in sein Bewußtsein kippte konnte dies genauso zum Wahnsinn führen wie der Fluch, der verhindern sollte, daß eingelagerte Erinnerungen dauerhaft entfernt wurden.

"Ich kann mir vorstellen, daß die nette Bella-Tricks einen Kater wie nach einer zünftigen Sauferei hat, wenn sie mit dem ganzen Kuddelmuddel im Kopf herumläuft", warf Patricia Spöttisch ein. Ihre Mutter nickte nur, sagte aber nichts. Louisette saß nur stumm dabei und hörte zu. Für sie, die sie allein zu leben gewohnt war, waren drei Gäste, die mehr als einen Tag blieben etwas belastend. Sie dachte an den Spruch, daß Besucher und alter Fisch nach drei Tagen zu stinken begönnen, wagte aber nicht, gegen die Einrichtung ihres Hauses als Ausgangsbasis für Anthelias Streich gegen den Emporkömmling etwas einzuwenden.

"Ich rechne damit, daß er frühestens in der nächsten Nacht seine Schergen losschicken wird. Ich rechne auch damit, daß die Damen und Herren vom Zaubereiministerium damit rechnen, daß er zuschlägt, was er sich sicher auch vorstellen mag, wenn sie ergründen, warum ausgerechnet diese drei Einbrüche stattfanden und was das ganze möglicherweise mit unserer nun im Exil lebenden Mitschwester Auberge zu tun hat", sagte Anthelia.

"Oh, dann wird es aber für uns schwer, ihm das abzujagen, was in deinem Heimatdorf liegt", sagte Pandora. "Denn dann werden vielleicht mehrere Dutzend Zauberer auf uns warten, wenn er keiner Hexe über den Weg traut."

"Falls es nur Zauberer sind, dürfen wir sogar mutmaßen, daß die Leute im Ministerium unser Manöver durchschaut haben, vielleicht auch der Emporkömmling."

"Hmm, dann wird er wohl nicht zuschlagen", sagte Patricia Straton nachdenklich. "Wenn er den Braten doch noch riecht wird er sich schön zurückhalten."

"nein, wird er nicht. Er ist von seinem von Größenwahn durchdrungenem Charakter her und vor allem nach den Begegnungen mit mir und Bokanowski regelrecht gezwungen, den Weg zu Ende zu gehen, auf den wir ihn gelockt haben, Schwestern. Jetzt muß er sich Klarheit verschaffen, ob er einen großen Sieg oder eine weitere Schmach erleiden wird."

"Hoffentlich gilt das nicht für uns", sagte Patricia Straton.

"Wir sind Hexen, Schwestern. Nur Hexen können das Erbe meiner Tante antreten. Auch wenn der Waisenjunge seine handzahme Magd damit betraut, in seinem Namen Hand an meiner Tante Vermächtnis zu legen, wird sie doch scheitern, weil sie gerade dies vereiteln wollte, daß eine einem Zauberer hörige Hexe ihr großes Erbe antritt und diesem Zauberer damit unverdiente Macht zuträgt. Aber er wird es nicht wahrhaben wollen, bis er es erkennen muß", sagte Anthelia. Sie hatte den sogenannten dunklen Lord auf einen Weg gelotst, von dem er nicht mehr abweichen konnte. Früher oder später mußte er es riskieren, an das Versteck in Millemerveilles heranzukommen. Es galt nun, jede Nacht auf der Lauer zu liegen und aufzupassen, daß sie dabei keinen Wächtern des Ministeriums über den Weg liefen. Für Anthelia und Pandora war das ein leichtes. Sie waren Animagae und damit so gut wie unsichtbar.

"Ich fürchte, wenn du nachts rumstromerst muß ich dein Fell schwärzen", sagte Patricia zu ihrer Mutter, als sie mit Anthelia Blicke austauschte.

"Wag dich, mein schneeweißes Paradefell mit deinen Färbezaubern zu verunzieren, Tochter und Schwester!" Knurrte Pandora wie eine gereizte Katze.

"Aber sie hat recht, Schwester Pandora. Mit weißem Fell bist du zu auffällig", wandte Anthelia ein. Pandora nickte.

"Dann muß ich eben üben, mich dunkler zu färben", raunzte sie dann. "Patricia, du assistierst mir, falls ich mich dabei nicht zurückverwandeln kann!"

"Gewährt", stimmte Anthelia zu.

"Wie lange möchtest du bei mir warten, bis der Emporkömmling etwas unternimmt, höchste Schwester?" Fragte Louisette vorsichtig.

"Ich denke, er wird bis Ende dieser Woche den entscheidenden Vorstoß wagen, Schwester Louisette. Ich verstehe dein Unbehagen, mit uns dreien deine Vier Wände zu teilen. Doch ich weiß, daß du mich verstehst, wie wichtig es ist, das Erbe meiner Tante zu bekommen. Wenn die Würfel gefallen sind werden wir deine Gastfreundschaft nicht länger strapatzieren. Falls du möchtest, kannst du uns ja dann in den vereinigten Staaten besuchen."

"Ich wollte nicht den Eindruck vermitteln, daß ihr mir lästig seid", wehrte Louisette mit leicht geröteten Ohren ab. "Ich wollte nur wissen, ob das Vorhaben nicht vielleicht erst in einem Jahr oder so durchgeführt wird, wenn keiner mehr nach den Einbrüchen fragt, also Gras über die Sache gewachsen ist."

"Der Waisenknabe ist nicht dafür bekannt, über alles Gras wachsen zu lassen, wenn es etwas gibt, das seine Macht steigert", sagte Anthelia. Dabei sah sie zu, wie Pandora sich mehrmals in eine Katze verwandelte, dabei immer ein dunkleres Fell bekam, bis sie dunkelgrau wie eine Regenwolke gefärbt war. Sie verwandelte sich zurück und meinte, das müsse reichen. Anthelia nickte. Sie lauschten der Musik aus dem Radio. Sie spielten gerade Edith Piaf: "Nein, ich bedauere nichts", sang die große Dame des französischen Chanson. Louisette hoffte, daß sie das selbst weiterhin würde behaupten können.

"Was unternehmen wir heute eigentlich, bis es dunkel wird?" Fragte Patricia. Louisette bot an, den Schwestern die Stadt zu zeigen. Anthelia wollte vor allem in ein bestimmtes Viertel von Paris, das sie bisher nicht aufgesucht hatte. Sie wollte wissen, ob sie das Haus sehen konnte, bevor sie in den es umgebenden Wehrzauber geraten und sich davon abwenden mußte. So fuhren sie in Louisettes Auto durch Paris, wobei sie häufig haarscharf an einer Kollision vorbeischrammten und Louisette häufig auf die Bremse treten mußte, um einen wie todessüchtig ohne hinzusehen über die Straße laufenden Fußgänger nicht zu überfahren.

"Ich vergesse das immer wieder, daß das hier so läuft", fauchte sie. "Fußgänger, die hingucken sind Freiwild für die Autofahrer, weil die denken, daß die ja sehen, wo die Autos sind."

"Nicht anders als in einer amerikanischen Großstadt", sagte Patricia. "Vielleicht sollte ich meinen Wagen herholen. Der kann von alleine ausweichen, wenn's sein muß."

"Du fährst Auto? Ich dachte, du wärest eine Zaubererweltstämmige", wunderte sich Louisette und schlenkerte gerade so noch an einem aufdringlich hupenden Lastwagen vorbei. Dann brummte ein Bus vor ihnen dahin und warf seine blaue Rauchfahne aus.

"Ich habe das gelernt, wobei ich nicht weiß, was mich da geritten hat", erwiderte Patricia. "Immerhin kann ich das jetzt und habe damit schon einiges für unsere Schwesternschaft hingebogen."

"Wenn das Erbe meiner Tante in meinen Händen ist, Schwestern, werden wir diese Luft vergiftenden Vehikel abschaffen und den Menschen nahelegen, entweder mit Magie bewegte Fahrzeuge zu nutzen oder auf altbewehrte Dinge wie Pferd und Wagen zurückzugreifen."

"Na toll, wie im Mittelalter", rutschte es der aufgebrachten Louisette heraus. "Ich will mir das gar nicht vorstellen, wie das dann hier stinkt, wenn überall Pferdeäpfel rumliegen. Die Hundehaufen sind ja schon übel genug."

"Ich habe eine Weile in dieser Stadt gelebt, Schwester Louisette. Es ist wahr, daß die Unfähigen es nicht mit der Sauberkeit der Straßen hielten oder gar selbst zum höchsten Himmel stanken ... Da vorne geht's in die Straße", sagte Anthelia. Da rumorte es unter ihrem Umhang. Das Seelenmedaillon zitterte wie wild. Sie kamen an einem Haus vorbei, als Anthelia und Pandora von stechenden Schmerzen im ganzen Körper gepeinigt wurden. Louisette fühlte nur einen leichten Druck auf den Kopf, während Patricia einen Übelkeitsanfall hatte und krampfhaft den Brechreiz unterdrückte. Louisette trat voll aufs Gas, jagte ihren Wagen an dem Haus vorbei, bis die unangenehmen Auswirkungen abklangen.

"Wohl wahr, sie haben ihn in Vollendung aufgerufen", stöhnte Anthelia, während sich ihr Medaillon, das unter ihrem Umhang heiß wie ein Bügeleisen geworden war wieder beruhigte.

"Da wohnt Julius Andrews mit seiner Mutter und den Brickstons", meinte Patricia, nachdem ihr Würgeanfall endlich abklang.

"Ja, und ich muß erkennen, daß ich so nicht an ihn herankommen kann", gestand Anthelia ein.

"So wichtig ist der doch nicht mehr. Ein Ruster-Simonowsky wohl, aber sonst", meinte Louisette.

"Dies zu befinden überlasse bitte mir, Schwester Louisette", erwiderte Anthelia leise aber sichtlich ungehalten. Louisette glaubte zwischen den Worten "Pass auf, was du sagst!" herauszuhören. Konnte es sein, daß Anthelia diesem übertalentierten Muggelstämmigen gegenüber genauso fixiert war wie der Emporkömmling auf Harry Potter?

"Nein, ich bin nicht auf den Jungen so fixiert wie der Emporkömmling auf Harry Potter", klang Anthelias Stimme in Louisettes Geist. Sie erschrak und verriss beinahe das Steuer. "Ich hasse ihn nicht und will ihn nicht töten, sondern erhoffe mir von ihm, mir bei der Neuordnung der Welt zu helfen, weil er eben sehr stark und begabt ist und das Schicksal seines Vaters uns verbindet."

"Wollte nichts böses sagen oder denken", dachte Louisette, ohne es zu mentiloquieren. Anthelia nickte nur.

__________

Er wollte es wissen. Er hatte sich stunden lang mit Bellatrix Lestrange hingesetzt und ihr ausgeschöpfte Erinnerungen überreicht, die er, kaum daß sie sie im Kopf hatte und die sich dort verstärkten wieder herausholen mußte. Denn die drei Geisteszerstörungsflüche, die auf den erbeuteten Denkarien lagen waren nicht zu löschen, ohne die Behälter zu zerstören und die aufbewahrten Erinnerungen damit in alle Winde zu zerstreuen, ohne daß sie irgendwem noch was nützten. Dabei hatte er sich wieder und wieder überlegt, ob er nicht ein Hampelmann war, der an Fäden hing, die jemand zog und ihn springen ließ, wie er oder sie es wollte. Sicher wollte er Sardonias Erbschaft. Sicher wollte er auch das, was sie in Millemerveilles versteckt hatte und wo er persönlich nicht herankam. Aber er wurde den Eindruck nicht los, daß ihn da jemand an seinem berechtigten Wunsch nach Macht hielt wie an einer langen Hundeleine. Doch auch wenn das so war wollte er die ihm so schön präsentierte Gelegenheit nicht ungenutzt lassen. Wenn jemand ihn foppen würde, und er hatte da schon einen gewisse Ahnung, würde derjenige sich wundern, wie rasch er zuschlagen und wieder verschwinden konnte. Außerdem würde er ein heilloses Durcheinander veranstalten, in dem er alle vielleicht auf ihn lauernden Widersacher ineinanderjagen und sich gegenseitig massakrieren lassen konnte. Ja, das wollte er.

"Oh, diese verdammten Gedankensplitter machen mich schwindelig", grummelte Bellatrix. "Babyerlebnisse, nicht von ihr, sondern von anderen, alberne Mädchenträumereien, Lieder und Bilder. Das kann unmöglich ihr Vermächtnis sein, Meister."

"Natürlich hat sie die wirklich wichtigen Sachen nicht für alle sichtbar eingelagert, Bella. Ich fürchte, du mußt dich da durchwühlen, bis du hast, was wichtig ist", sagte Voldemort harsch.

"Nehmt Ihr doch alles das auf!" Knurrte Bellatrix. Sie wirkte wie eine Frau, die einen starken Migräneanfall hatte und für nichts und niemanden die rechte Laune hatte. Endlich waren alle Erinnerungen aus den Denkarien ausgeschöpft und verstaut. Doch nun begann das quälende Nachdenken. Überall in ihrem Kopf schwirrten die abstrusesten Gedankn, Geräusche und Bilder herum. Sie fühlte, wie ihr Kopf unter dem Druck der eingesaugten Erinnerungen zu platzen schien. Doch sie kämpfte sich durch und fand endlich nach langer Suche im Wirrwarr der geraubten Erinnerungen einen dünnen Faden, an dem sie sich entlanghangeln konnte. Es ging um ein altes Haus, das immer wieder auftauchte, mal durchmengt mit Babygeschrei, mal erfüllt von Lichterglanz. Doch das waren diese überzähligen Verhüllungsgedankensplitter. Sie mußte sich weiter durchhangeln. Nach sieben Stunden hatte sie endlich alle relevanten Gegebenheiten erfaßt und niedergeschrieben, um den kompletten Zusammenhang ohne störende Geräusche und Bilder zu überblicken.

"Ich weiß nicht, was von dem Unsinn da noch wichtig ist, Herr. Sonst würde ich Euch bitten, mir den unnötigen Ballast wieder fortzunehmen. Ich habe drei Leben, ach vier Leben in meinen Erinnerungen. Das kann nicht gesund sein."

"Gesund soll es auch nicht sein, sondern nützlich", knurrte Voldemort. Auch er, der zwischendurch, weil Bellatrix vor lauter Erinnerungssalat keine Okklumentik anwenden konnte mitverfolgt hatte, was da so alles in ihrem Geist herumwirbelte, sich verzweigte und dann wieder auseinanderriss, bewunderte Sardonia wieder einmal. Sie hatte ihren Erben eine sehr hohe Hürde hingestellt. Andere Hexen oder Zauberer würden unter der Last so vieler verwirbelter Gedanken zusammenbrechen. Sogesehen war es eine ausgeklügelte Falle für Erbschleicher. Doch jetzt würden sie daran gehen, das erbeutete Wissen umzusetzen.

"Sollen wir nicht noch ein paar Tage warten, bis sicher ist, daß niemand wegen der Einbrüche auf der Lauer liegt, Meister?" Fragte Bellatrix, der der Kopf immer noch brummte wie ein voller Bienenstock.

"Ja, Bella! In der Nacht vom Sonntag auf den Montag werden wir es wagen. Ich will es endlich wissen, ob das ganze eine geschickte Falle von Sardonia und ihren Nachfolgerinnen ist oder mir einen großen Schritt weiterhilft, wenn ich mit dir zusammen die unreine Welt säubere."

"Halt, ich komme doch gar nicht nach Millemerveilles hinein. Diese Abwehr, die ich immer wieder gesehen habe wird mich abweisen."

"Wenn du dich eigenständig bewegen und große Qualen verspüren könntest, Bella. Aber wenn ich deinen Kampf mit den Gedanken richtig verfolgt habe, dann genügt es zunächst einmal, wenn die Aura einer Hexe in die Nähe des Versteckes kommt. Das kann ich einrichten. Außerdem wirst du von zwei Helfern hineingebracht, die dich an das Ziel bringen. Ich muß ihnen nur das aufschreiben, was du mir mitgeteilt hast, daß sie es auch verstehen", fauchte Voldemort, dessen rote Augen nun immer mehr glühten. Bald würde er wissen, wie mächtig er war. Ja, und dann würden es auch alle anderen wissen, daß niemand ihn verlachen durfte. Dann würden sie selbst bei den Gedanken an seinen Namen vor Schreck tot umfallen.

"Die warten doch schon auf uns", sagte Bellatrix Lestrange.

"Darauf bin ich gefaßt", schnarrte Voldemort. "Wenn die vom Ministerium in Frankreich oder diese vermaledeite Nachtfraktion davon ausgeht, ich würde ihnen ins Netz gehen, dann werden sie erleben, wie schnell und gründlich Lord Voldemort zuschlagen kann. Schlafe noch ein wenig, Bella. Ordne deine Gedanken!"

"Wie Ihr meint, Herr", grummelte Bellatrix, die die schadenfrohe Anspielung wie eine bittere Pille hinunterschluckte und sich zurückzog.

Am Sonntagabend, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, startete Voldemorts Angriff auf Millemerveilles. Das hieß, eigentlich griffen Dementoren in verschiedenen Städten Frankreichs und Englands an. Sie sollten die Abwehrtruppen der Zaubereiministerien ausdünnen. Grandchapeau und Chevallier hatten nun ein schweres Dilemma. Bündelten sie ihre Kräfte wie geplant um Millemerveilles, so blieben die anderen Städte schutzlos zurück. Ließen sie sich auf den plötzlichen Überfall an mehreren Stellen ein und hielten dagegen, konnte ein Pulk Dementoren ungehindert in Millemerveilles eindringen. Keine Feuerwehr konnte zehn Brände gleichzeitig löschen, wenn sie nicht mehrere auswärtige Löschmannschaften bekam. So sendete Grandchapeau einen Hilferuf in die Nachbarländer Spanien, Italien und Deutschland. Sein dortiger Amtskollege Güldenberg sagte ihm sofort Hilfe zu und schickte seine besten Abwehrzauberer, die auch schon mit den Balder-Techniken vertraut waren. Außerdem griffen heimlich aber wirksam die verschiedenen Zaubererbruderschaften und Hexenschwesternschaften ein. So fiel Anthelias Spinnenorden im Getümmel der schweigsamen Schwestern nicht weiter auf.

"Das könnte ein Versuch sein, die Schlagkraft der Zaubererwelt zu schwächen", meinte Pandora Straton, als sie mit Anthelia in der Nähe von Millemerveilles Posten bezog. "Wenn der Emporkömmling sich sicher ist, daß er mit einer solchen Taktik mehr Chaos und Zerstörung bewirken kann wird er von nun ab jede Nacht diesen Spuk heraufbeschwören."

"Das werden wir ihm vergellen. Unsere besten Schwestern greifen die Dementoren in Paris und Marseille an. Ich denke, von diesen Unholden werden viele die aufehende Sonne nie wieder sehen. Außerdem habe ich ein ähnliches Manöver schon vorhergesehen. Die Dementoren müssen über den Kanal, wenn sie nach Frankreich wollen. Auch in der Normandie stehen Welche von uns bereit. Cecil hat vor kurzem im Geschichtsunterricht eine Invasion einstudiert, die entscheidend für das Ende des sogenannten zweiten Weltkrieges war. Deshalb werden wir gerade dort, wo es unwahrscheinlich ist, daß Dementoren einsickern, gesonderte Stellungen haben. Außerdem habe ich Verbindungen spielen lassen, daß auch Abwehrhexen und Zauberer aus Amerika herüberkommen. Dieser Emporkömmling wird mit seiner Taktik der kleinen Brandherde nicht durchkommen. Im Gegenteil, er wird damit nur noch mehr Einigkeit gegen ihn und seine Kreaturen schmieden."

"Dahinten sind wieder welche", raunte Patricias Gedankenstimme in Pandoras Kopf. Patricia war mit einigen Bundesschwestern in sicherem Abstand von Millemerveilles auf Beobachtungsposten. Sie hatte ihren bezauberten Maserati aus der Villa geholt und flog mit diesem unsichtbar über dem Geschehen, weit genug über der Dunkelheit und Kälte verströmenden Nähe der Dementoren.

"Woran erkennen wir, wann unsere Gäste kommen und wo sie einmarschieren?" Stellte Pandora die entscheidende Frage. Anthelia mentiloquierte:

"Weil ich sofort erkenne, wenn Gedankkenfragmente auftauchen, die eindeutig aus den Denkarien stammen. Das hat der Emporkömmling nämlich nicht einbezogen, daß jemand auch ohne Geistforschen Gedanken aufnehmen kann."

Es vergingen geschlagene vier Stunden, in denen die Bürgerwehr von Millemerveilles mit Patroni und Balder-Zaubern die immer wieder einrückenden Dementoren zurücktrieb. offenbar hatte der Zaubereiminister doch befunden, daß mehr Leute dort warten und kämpfen sollten. Denn wenn Millemerveilles überrannt würde und Sardonias Erbe gestohlen wurde, dann kam das dem Fall von mehreren Großstädten gleich. Dann flog Anthelia auf.

"Sie kommen. Hmm, zwei Dementoren wohl, weil die ihnen entströmende Verzweiflung wohl gedämpft ist."

"Wen bringen sie?" Fragte Pandora.

"Meine nette Gespielin Bellatrix Lestrange", schnarrte Anthelias Gedankenstimme. Dann flog sie als große Krähe bis kurz an die Dorfgrenze, die im Licht des Mondes seltsam schimmerte wie eine Glocke aus Nebel. Offenbar versuchte der Millemerveilles überspannende Abwehrzauber, die Eindringlinge zu vertreiben. Anthelia horchte auf ferne Gedanken. Ja, Lord Voldemort war auch da, aber schön weit fort von Bellatrix und ihrer Begleitung. Also hatte sie erkannt, daß er nicht in der Nähe sein durfte. Er stand da, lauerte wohl auf die Gelegenheit, Ministeriumszauberer oder Hexenschwestern mit dem tödlichen Fluch zu erwischen. Doch Anthelia dirigierte ihre Spinnenschwestern über Gedankenrufe so, daß sie ihm nicht in den Weg kamen. Auch die Ministeriumszauberer schafften es wohl wegen der eher zu erwartenden Invasion des Dorfes, aus der Reichweite des grausamen Magiers zu bleiben.

"Jetzt ist er fort", stellte Patricia Straton fest. Mentiloquistisch hielt sie Kontakt mit ihrer Mutter, die in Tiergestalt wesentlich schärfere Sinne besaß und daher nicht zu nahe an die Szene heran mußte, um genug mitzubekommen. So sah sie, wie mehrere Dementoren über die für sie durchlässige Grenze glitten und in Richtung Dorf jagten wie Schatten der Vernichtung. Pandora fragte sich, wie Bellatrix diesen Abwehrdom unbeschadet durchbrechen konnte.

__________

Es war widerwärtig, wie sie in das Dorf hineingelangte. Der dunkle Lord hatte nur gegrinst, bevor er seinen Zauberstab geschwungen und sie in einen großen Putzlumpen verwandelt hatte. Unbeweglich und den klammen Händen der zwei Dementoren ausgeliefert, die auf den Befehl des Meisters hin ihre eigene Aura merklich reduzierten, so daß nur noch ein Hauch von Dunkelheit und Kälte um sie herumfloss, wurde sie über die Grenze getragen. Tatsächlich überkam sie ein unbeschreiblich heftiger Druck, als wolle etwas sie mit Urgewalt zusammenquetschen oder plattdrücken. wirklich qualvolle Schmerzen verspürte sie nicht. Doch sie wußte, ja, sie fühlte, obwohl sie äußerlich gesehen weder Hirn noch Herz hatte, daß etwas sie nicht mochte, sie sobald es ging mit aller Kraft davonschleudern würde. Doch in dieser Gestalt fühlte sie nur den Druck. Die Dementoren, die nun in die äußeren Gassen der Stadt einrückten, während ihre Geschwister anderswo die größere Aufmerksamkeit auf sich zogen, zitterten leicht. Lag das daran, daß auch sie der Abwehrmagie nicht ganz unbeeindruckt gegenüberstanden? Oder lag es daran, daß sie ihre volle Kraft nicht entfalten durften? Bellatrix wußte es nicht. Was sollte sich auch ein hellgrauer Putzlumpen Gedanken machen?

"Hier, unter dieser Wiese muß es sein", klang es hohl von einem der Dementoren. Der andere gab zurück, daß dies der Ort sei, wo das alte Zentrum gelegen haben mußte. Dort hatte Sardonia wohl ihr Hauptquartier gehabt. Bellatrix dachte daran, daß sie sich jetzt wohl trennen mußten. Denn nur wenn ein Dementor mit völlig eingeschränkter Kraft über der Stelle schwebte und Bellatrix' trotz der Verwandlung noch nachprüfbare Lebenszeichen überwogen, dann konnte der Dementor den Boden aufwühlen, das Haus finden, dessen Eingang mit dem Losungswort öffnen und dann wohl unbehelligt hineingehen. So geschah es. So wie Lord Voldemort es aufgeschrieben hatte geschah es auch. Der Dementor wühlte mit seinen moderigen Pranken den Boden auf, grub ein mehr als drei Meter breites und fünf Meter tiefes Loch, bis sie an eine Dachkante stießen. Die Geschwister des Dementors beschäftigten derweil alle Leute von der Bürgerwehr. Sie versuchten, die Angegriffenen zu küssen. Doch irgendwas hielt sie davon ab, die Seelen der Angriffsopfer auszusaugen. Als dann eine Wand freigelegt war, hob der Dementor, der den grauen Stofflumpen von etwa fünfzig mal fünfzig Zentimetern größe trug diesen an und sprach mit einer merkwürdig hohen Stimme: "Asaguan", was in einer uralten Sprache "Getreu" hieß. Da rumpelte die Erde. Das versunkene Haus drängte weitere Erdmassen zurück und gab einen Eingang frei, der sich auftat. Der Dementor glitt hinein, umzüngelt von blauen Flammen, die Bellatrix trafen und sofort zurückwichen. Der Trick hatte tatsächlich funktioniert. Der dunkle Lord war einfach unschlagbar genial. Die zweite Hürde war der verborgene Raum. Diesen fand der Dementor erst im dritten Anlauf. Als er hier ein anderes Passwort sagte, presste er Bellatrix vor seine Brust. Sie fühlte inneren Widerwillen, konnte sich jedoch absolut nicht bewegen. Die Tür ging auf und ein Strahl aus silbernem Licht traf sie von vorne. Dann durften sie eintreten.

"Diese Sardonia war nicht so gut wie alle erzählen", dachte Bellatrix bei sich. "Denn dann hätte sie ihre Spürzauber auf mehr als eine Aura ausrichten müssen."

Der verborgene Raum rotierte, als sie in ihm waren. Wie ging es jetzt weiter? Eine Wand mußte gefunden werden, die Wand, hinter der das gesuchte Geheimfach lag.

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"Verdammt, der hat uns alles an diesen Bestien geschickt, was er zusammentrommeln konnte", knurrte Monsieur Pierre, der gerade ein weiteres Dementorenpulk mit dem Patronus verscheuchen wollte. Doch sein Patronus war nur ein breiter Silberstrahl. Der wirkte zwar schon, aber nicht so gründlich, wie er gehofft hatte. Dann schoss ein gigantischer Adler aus silberweißem Licht herab, fegte mit lautem Schrei durch die heranrückenden Dementoren und ließ diese wie Fett auf einer heißen Herdplatte davonspritzen.

"Ich dachte, die wäre in Beauxbatons geblieben", dachte Monsieur Pierre, als er eine Hexe auf einem Besen herabstoßen sah: Professeur Blanche Faucon.

"Ich hoffe, die Leute bleiben ruhig in ihren Häusern", sagte Monsieur Pierre zu seinem Mitarbeiter.

"Die sind alle in den Kellern und haben die von uns empfohlenen Friedensbanne gewirkt. Da kommt auch kein Dementor durch, verdammt noch eins!"

"Die sagten, die könnten es auf Sardonias altes Versteck abgesehen haben. Aber wir kommen da nicht hin, wenn diese Monstren sich genau da aufgebaut haben, wo es liegen soll. wir hätten uns gleich da hinstellen müssen."

"Du weißt doch, Edmond, daß wir bis heute nicht wußten, wo das sein soll, nachdem die damals alle alten Pläne vernichtet haben, als sie das Dorf umgelegt haben."

"Wir brauchen echt mehr Leute, um die zu vernichten. Dann ist Ruhe hier!" Rief Edmond und dann sofort: "Expecto Patronum!" Doch weil er keinen glücklichen Gedanken fassen konnte, blieb der Zauber aus. Sein Kollege schickte eine Fontäne aus silbernem Licht gegen die herangleitenden Dementoren, bevor sie in deren Sog aus Zweifeln und Kälte geraten konnten. Dann bekam auch Edmond Pierre seinen Patronus hin, weil er sich aus purer Verzweiflung die erste Liebesnacht mit seiner Frau vorstellte. Tatsächlich quoll nun eine große Wolke aus silbernem Licht aus dem Zauberstab und blieb lange genug, um sämtliche Dementoren in der unmittelbaren Umgebung zu vertreiben. Der Kampf ging weiter.

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Wie war das noch einmal? Wer die verborgene Wand im rotierenden Raum erblicken will, darf nicht an goldene Fledermäuse und rote Eulen denken! Konnten Dementoren Denken wie Menschen? Denn dieser merkwürdige Befehl bedeutete doch nichts anderes als gerade an diese Dinge zu denken. Denn wer dachte schon an goldene Fledermäuse und rote Eulen, auch wenn es ihm oder ihr befohlen wurde? Tatsächlich tauchte vor der verwandelten Bellatrix ein goldenes Mauerstück auf. Dementoren waren eigentlich blind. Sie konnten diese Wand unmöglich sehen. Aber weil sie Gefühle aufnehmen konnten spürte der Bellatrix haltende Dementor, daß die Wand nun vor ihm lag. Bellatrix konzentrierte sich auf die Anweisung: "Denke nicht an goldene Fledermäuse und rote Eulen!" Dann erstrahlte die Wand und Bellatrix erfaßte ein Dementoren als Lieblingsfutter bekanntes Gefühl des großen Glücks und Triumphes. Deshalb rief er mit seiner auf hoch verstellten Stimme das dritte und entscheidende Passwort. Die Wand klaffte auf, der Raum rotierte nicht mehr. Ein etwa ein Meter mal zweimeter großer Geheimraum lag dahinter. Der Dementor beugte sich vor und wollte an die alte, mit verzierten Silberbeschlägen geschmückte Truhe greifen, als ihn etwas fast zurückwarf. Dann warf er, auch einer Anweisung des Meisters folgend, den mitgebrachten Putzlumpen nach vorne, legte ihn über die Truhe, daß Bellatrix glaubte, alle Glieder in ihrem Leib und sämtliche Eingeweide würden in die Länge gezogen, jedoch ohne ihr die dabei zu erwartende Höllenqual zu bereiten. Dann hatte der dementor die Truhe gepackt, zog sie hervor und verließ den Raum, der sich hinter ihnen schloss. Dabei bebte die Erde. Der Dementor jagte durch das Haus, durch die immer noch offene Tür hinaus und hinauf in den Himmel. Unmittelbar danach schien die Erde zu Wasser zu werden und einen Strudel zu bilden, der das alte Versteck Sardonias einsaugte und dann begrub. Ob es nun zerstört wurde, weil es seinen Dienst getan hatte oder nicht war der immer noch in der unwürdigen Daseinsform als Putzlumpen über der Truhe ausgebreiteten Bellatrix egal. Das eigentliche Hindernis lag noch vor ihnen. Denn sie mußten die Truhe öffnen, und wer wußte schon was dabei noch geschehen würde. Bellatrix hatte in ihrer wüste Kopfschmerzen bereitenden Sitzung mit den erbeuteten Erinnerungen etwas von einer letzten Prüfung gehört, die sie ablegen mußte, wenn sie das letzte und wichtigste Teilstück des verstreuten Erbes an sich nehmen wollte. Außerdem konnte die Truhe eine Finte sein, und das wahre Erbe war nun unauffindbar, und Sardonia hatte sie alle genarrt. Das würde auch die nur auf die Aura einer Hexe reagierenden Spürzauber erklären.

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"Sie sind draußen!" Rief Anthelia in Gedanken zu Pandora. "Komm zum südlichen Teil der Begrenzung. Aber sei auf der Hut vor dem Emporkömmling! Er will dort auch hin."

Pandora Straton verwandelte sich zunächst in ihre menschliche Gestalt zurück und apparierte. Dann nahm sie die Gestalt einer dunkelgrauen Katze an und verschmolz mit dem dunklen Grau eines am Tag wohl grünen Busches. Würde Anthelia jetzt schon auftauchen und Bellatrix die Truhe abjagen? Sie hörte ein leises Ploppen, roch erdverdreckte Kleidung, Schweiß und leicht fauligen Atem und sah ... ihn, Lord Voldemort! Sie hielt ihren Geist verschlossen, blieb so geduckt wie möglich. Schon zweimal war sie diesem Zauberer begegnet. Jetzt stand er da, wartete wohl auf seine Mannschaft. Da kam auch schon der erste Dementor. Dann der zweite mit der Truhe, auf der ... Pandora hätte vor lauter Schadenfreude fast ihre Konzentration auf die Okklumentik verloren, lag ein ramponiert wirkender grauer Lumpen. Sie konnte sich denken, wer das in Wirklichkeit war. Voldemort befahl den Dementoren, noch einmal ins Dorf zu gehen und sich nach Möglichkeit sattzufressen. Diese Aufforderung ließen sie sich nicht zweimal geben. Mit einer schnellen Zauberstabbewegungsabfolge verwandelte der dunkle Lord den Putzlumpen in die dunkelhaarige Hexe Bellatrix Lestrange. Sie zuckte mit Armen und Beinen, bewegte den Kopf ruckartig und glitt dann von der Truhe herunter.

"Herr, wenn ich sie öffnen soll müßt ihr mindestens zwanzig Schritt entfernt sein", keuchte Bellatrix. Pandora blieb wo sie war. Sie hörte nur ein leises Rauschen wie Wind in den Schwungfedern ausgebreiteter aber starr gehaltener Flügel. Sie sah nach oben und entdeckte eine große Krähe, die im Gleitflug über die Szenerie hinwegsegelte, weit genug über dem Boden um keinen Schatten zu werfen. Anthelia war gekommen und würde sich wohl in die richtige Stellung bringen. Von ferne waren Rufe und Angstgeschrei zu hören. Die Dementoren wollten nun ihren Lohn für die Hinhalteschlacht und würden gnadenlos die Seelen jedes Zauberers im Dorf in sich hineinsaugen. Doch Pandora blickte mit ihren Augen, die bei Tag so grün waren wie in ihrer menschlichen Erscheinungsform, auf die glitzernde Truhe. Voldemort schritt mit gewissem Widerwillen zurück, postierte sich etwa dreißig Schritte von der Truhe entfernt und sah zu, was Bellatrix machte. Sie stand eine Weile vor der Truhe, schien sich auf irgendwas wichtiges zu konzentrieren und griff dann nach den Riegeln. Sie ließen sich mühelos öffnen. Dann klappte sie den Deckel auf. Sofort begann die Truhe in einem überirdischen Blauton zu erstrahlen, von innen nach außen. Pandora konnte aus ihrer Deckung heraus nicht hineinsehen. Doch als Bellatrix Lestranges Gesicht gespenstisch blau angeleuchtet über der Truhenöffnung erschien wußte sie, daß der alte Behälter wahrlich etwas wichtiges beherbergte.

Dann langte Bellatrix mit ihrer rechten Hand vorsichtig in die Truhe und verschmolz augenscheinlich mit dem blauen Licht. Es zeichnete ihre Konturen wie eine dreifache Vergrößerung ihrer selbst nach. Pandora hörte sie keuchen, als müsse sie etwas sehr anstrengendes oder aufwühlendes tun. Dann verschwand auch die linke Hand der Verräterin an der wahren Hexenheit in der Truhe, und Bellatrix wirkte nun wie eine Gestalt ganz aus blauem Licht.

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Sie griff in die Truhe, aus der ein einladendes blaues Licht erglühte und eine weibliche Stimme in ihrem Geist sagte: "Schwester, komm zu mir und lass dich prüfen!" Sie gehorchte, weil in ihr etwas nachklang, daß diese Stimme als vertraut ausgab. Sie griff in die Truhe und fühlte etwas warmes, pulsierendes, wie feinen Sand, der von einem starken, aber eng begrenzten Sandsturm auf- und niedergewirbelt wurde. Dann fühlte sie, wie etwas sie mit großen, warmen Händen berührte, sie in etwas wohltuendes einhüllte. Sie ließ nun auch die linke Hand in die Truhe gleiten, in der sie nun ein weiteres Denkarium, einen großen, im Licht grünlich schillernden Stein und etwas wie eine Robe aus glitzerndem Stoff sah. Dann fühlte sie, wie sie im blauen Licht badete, als treibe sie genau unter dem Himmelsgewölbe dahin. Dann hörte sie die tiefe Stimme einer Frau in ihrem Kopf:

"Ich fühle, du bist stark. Ich sehe, du bist eine Schwester der Hexen. Doch was höre ich. Gelobe mir deine Treue, Bellatrix Lestrange und erweise dir und mir die Sicherheit, niemals im Dienste eines machtgierigen Zauberers zu handeln!" Sie fühlte, wie alle Gedanken, ihre eigenen und die geraubten, durch diese Worte aufgewühlt wurden. Dann sah sie sich strahlend und mächtig. Doch im nächsten Augenblick kniete sie vor Lord Voldemort, den größten Zauberer, den die Welt kannte, der ihr alles beigebracht hatte, dem absoluten Herrn und mei... Ein langer Schmerzensschrei entfuhr ihrer Kehle, der fast die zornige Stimme in ihrem Kopf übertönte:

"Du schmutzige Dirne wagst es, im Namen eines Widerlings mein heiliges Vermächtnis zu berühren?! Verstoßen seist du Lügengeist! Vergiss nun alles, was du von mir weißt!" Dann krachte etwas mit der Urgewalt eines sie rammenden Erumpenten gegen ihren Kopf, und wie von jenen mörderischen Zaubertieren üblich, erfolgte eine Explosion, die sie in der Luft zu zerreißen schien und davonwirbelte, in ein Meer aus absoluter Dunkelheit.

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Pandora sah, wie Bellatrix für einige Sekunden behaglich lächelnd über der Truhe stand. Dann sah sie, wie das Licht um sie herum zu einem armdicken Strahl zusammenfuhr, hörte sie ohrenbetäubend laut schreien, während der blaue Strahl sie wie die Sehne eines Riesenbogens davonschleuderte. Sofort darauf klappte die Truhe krachend zu und verriegelte sich wieder.

"Das war wohl ein Satz mit X", dachte Pandora und vermutete nun, daß Anthelia hervortreten und die Truhe an sich nehmen würde. Doch sie ließ auf sich warten. Bellatrix fiel aus einem Meter zu Boden, etwa zehn Meter von der Truhe entfernt. Voldemort eilte heran. Da knisterte es in der Truhe, als spanne sie all ihre Fasern an.

"Bella, was ist dir passiert!" Knurrte er. Das konnte man bestimmt nicht als besorgt durchgehen lassen, fand Pandora. Das war schlicht weg Wut und Enttäuschung, weil die Gehilfin eindeutig abgewiesen worden war, sprichwörtlich abgeblitzt. Der hagere Hexenmeister beugte sich über die reglose Gestalt, während aus der Ferne Laute wie Schreie und Rufe herüberwehten. Kilometerweit entfernt beharkten sich Zauberer und Dementoren, nur für Pandoras Katzenohren hörbar, und das auch schon sehr sehr schwach.

"Was hat dieses Ding mit dir angestellt?" Knurrte Voldemort. Doch Bellatrix blieb reglos liegen. Pandora hörte jedoch noch ihr Herz schlagen. Sie war nicht tot.

"Du warst ihr nicht gut genug, wie? Diese alte Puffmutter hat dich nicht als ihre Erbin haben wollen, was?!" Brüllte Voldemort und sprang vor. "Tu dich auf, du wurmstichige Kiste Drachenmist! Lord Voldemort befiehlt es dir!" Doch die Truhe tat sich nicht auf. Der schwarze Magier hob seinen Zauberstab und deutete auf die Truhe. "Alohomora Truhe!" Rief er. Selten mußte man beim Öffnungszauber das zu öffnende Ding laut ausrufen, wußte Pandora. Außerdem war Voldemort bestimmt gut in ungesagten Zaubern, und der Öffnungszauber war als Stoff der ersten Klasse einer der leichteren davon. Doch die Truhe gehorchte nicht. Statt dessen flogen grüne Blitze aus den Riegeln und fegten Voldemort fast den Zauberstab aus der Hand.

"Ich kriege dich schon auf!" Rief der dunkle Lord in wilder Wut. Er rief: "Reducto Amplifico!" Mit einem für Pandoras empfindliche Ohren todesqualvollem Getöse krachte ein Sprengfluch aus dem Zauberstab, traf die Truhe und federte mit einem metallischen Knall wie ein durchreißendes Drahtseil davon. Die Truhe selbst blieb unbeschädigt. Voldemort hieb mit weiteren Flüchen auf die Truhe ein, die jedoch unbeeindruckt war. Als er dann zwei Dutzend Meter zurücktrat, wobei er Bellatrix mit einer lässigen Zauberstabbewegung aufsteigen und hinter sich herschweben ließ, um dann den Feuerball zu schleudern, reagierte die Truhe. Sie erstrahlte in jenem blauen Licht, das von ihr ausstrahlte und die Flammenkugel wie mit einem Fangnetz aufhielt, die dann nicht zerplatzte wie üblich, sondern in sich zusammenfiel und mit leisem Plopp erlosch. Pandora hatte von diesem großen Elementarschild schon was gehört. Doch daß er auch auf einen toten Gegenstand gelegt werden konnte erstaunte sie. Diese Sardonia hatte mehr Macht besessen als die Aufzeichnungen über sie verrieten, mußte sie nun anerkennen. Sie bangte etwas, wenn sie daran dachte, daß Anthelia die Quelle dieser Macht genauso begehrte wie Voldemort, aber vielleicht eher Zugang dazu bekam als Bellatrix Lestrange.

Der böse Magier versuchte nun alle Sorten von Fluchbrechern. Doch diese zerstoben. Dann, ganz zum Schluß einer Serie von Zaubern rief er "Avada Kedavra!" Die truhe erzitterte unter dem gleißenden Blitz aus grünem Licht. dann sprang der Deckel auf. Nichts war darunter zu sehen. Voldemort triumphierte. Die Truhe war also auf irgendeine Weise lebendig gewesen, und jetzt hatte er sie getötet. Er ging mit breitestem Lächeln auf die Truhe zu, blickte hinein, hob den Zauberstab und rief: "Accio Denkarium!" Doch nichts geschah. Offenbar wirkte doch noch eine gewisse Magie. Er vermutete wohl, daß der zu holende Gegenstand nicht herausgezaubert werden konnte. Er versuchte es mit "Accio Mantel!" Doch ein Wirbel aus Funken war die Antwort auf diesen Zauber. "Accio Bernstein!" Rief er. Doch hier passierte überhaupt nichts.

"Dir wird wohl nichts anderes übrigbleiben als selbst hineinzugreifen, Waisenknabe!" Erscholl Anthelias Stimme keine zehn Meter von der Truhe entfernt. Sie hatte sich wohl während des Spektakels, daß Voldemort veranstaltet hatte zurückverwandelt und war nähergekommen.

"Du schon wieder. Sei verflucht, Sardonia oder Anthelia!" Brüllte der dunkle Lord.

"Sieh mich an, Waisenknabe. Ich bin bereits verflucht", lachte Anthelia. "Mein Körper ist das Produkt eines Fluches. Nochmals meinen Dank dafür, daß du ihn mir verschafft hast. Mein Ich fuhr in ihn durch die Macht eines noch mächtigeren Fluches. Wer bereits von mehreren Flüchen durchdrungen ist, kann weder aus Nähe noch Ferne mit einem nachhaltigen Fluch getroffen werden. Außerdem mußt du dich entscheiden, wer ich eigentlich bin", lachte sie noch. "Du kannst nur Dinge oder Wesen verfluchen, wenn du ganz genau weißt, wie sie heißen. Aber das solltest du doch längst gelernt haben."

"Ich töte dich, Flittchen!" Brüllte Voldemort. Er hob den Zauberstab an.

"Das hast du schon einmal versucht, Tom Riddle. Ich bin aber noch immer da, weißt du noch?" Spottete Anthelia. Die sich ihrer Sache offenbar zu sicher war. Voldemort sah sie an. Wenn der Fluch tatsächlich wieder von ihr abprallte würde er ihn treffen. Er hatte sich zwar den Schutz von Harry Potters närrischer Muggelmutter verschafft. Doch würde ihm das bei seinen eigenen Flüchen viel helfen.

"Du kannst mich genausowenig töten. Ich bin unsterblich!" Brüllte Voldemort, dem es offenbar egal war, daß er damit ungebetene Zuhörer fand.

"Ich sollte es darauf ankommen lassen. Aber ich weiß ja, daß du dir geraubtes mit dem Sacrificium-Amoris-Zauber geweihtes Blut einverleibt hast. Ja, ich kenne dein Geheimnis, Tom Vorlost Riddle. Ich danke dir dafür, daß du mein Erbe freigelegt hast. Jetzt kann ich endlich zu voller Macht zurückkehren", sagte Anthelia, wobei dem dunklen Lord immer noch nicht klar wurde, wer sie nun war.

"Ich hätte dich töten sollen, als ich die Waffe hatte, es zu tun", schnaubte Voldemort. Anthelia grinste.

"Moment. Hst du das Schwert nicht mehr? Hat es dir jemand gestohlen? War bestimmt ein diebischer Drache, die steheln wertvolle Gegenstände und verschleppen sie dann ..."

"Halt's Maul! Crucio!" Rief Voldemort. Doch Anthelia ließ sich gerade hinter die immer noch offene Truhe fallen. Der Fluch knackte laut am Truhendeckel. Mehr passierte nicht.

"Du wirst niemals dieses Hexenimperium aufbauen, solange ich unsterblicher Lord Voldemort alle Macht der Welt zusammenrufen und dich in das Dreckloch zurückstoßen kann, aus dem du gekrochen kamst!" Rief Voldemort. Er warf sich vor und langte in die Truhe. Krach! AAAARRRG!!! Mit einem häßlichen Knall war der Deckel zugeschlagen und klemmte Voldemorts linken Arm bis fest zum Ellenbogen ein. Mit Schaudern sah Pandora, das aus dem Deckel und dem Truhenrand nadelfeine Zähne gewachsen waren. Wild schreiend hing Voldemort an der Truhe fest.

"Ich würde den Arm nicht zurückreißen, sonst ist der Unterarm weg!" Rief Anthelia über die Schmerzenslaute des in die Falle getappten Zauberers hinweg. Dieser sprang hin und her. Der Deckel schloss sich langsam aber unaufhaltsam weiter. Bald würde er dem dunklen Lord den linken Unterarm mit Hand glatt abgebissen haben.

"Du gewährtest mir Gnade, als du es in der Hand hattest, mich zu töten. Auch wenn die Welt ohne dich besser dran ist werde ich nicht wie du ein Feigling sein und einen wehrlosen Feind töten. Dafür, daß du mein Erbe herausgebracht hast schulde ich dir Dank. Den werde ich dir jetzt beweisen", sagte Anthelia und legte ihre Hand sacht zwischen Deckel und Truhenrand, wobei sie einige fremdklingende Laute ausstieß. Der Deckel schwang zurück. Voldemorts Unterarm kam blutend frei. In der Truhe erglomm wieder das blaue Licht, das den Frevler unvermittelt genauso fortschleuderte wie Bellatrix. Doch Voldemort wurde nicht bewußtlos. Die Truhe klappte noch einmal auf und fiel dann wieder zu.

"Du solltest den Arm behandeln lassen, Waisenknabe, sonst fault er dir ab!" Sagte Anthelia streng. Doch Voldemort schnaubte vor Schmerz und Wut und zielte mit dem Zauberstab auf sie: "Fahr zur Hölle! Avada ..." Sein Zauberstabarm flog zur Seite. Er verriss den Zauberstab, ließ ihn fallen und sah, wie kleine grüne Funken darauf hüpften und dann erloschen. Blitzschnell tauchte er wieder danach, drehte sich dabei und disapparierte. Bellatrix erwachte, als Anthelia die Hand auf die Truhe legte. Sie sah Anthelia und erschrak. Dann sah sie sich um. Wo war der Meister?

"Dein Lehensherr hat dich im Stich gelassen, Bellatrix Lestrange. Er hat dich mir und der gerechten Strafe für Verrat an der Hexenheit überantwortet", sagte Anthelia. Doch Bellatrix wollte nicht abwarten, was Anthelia mit ihr anstellte. Sie griff in ihren Umhang, bekam wohl den Zauberstab zu fassen, wobei sie herumwirbelte und verschwand.

"Wie ein Vampir das Sonnenlicht flieht", amüsierte sich Anthelia. Sie blickte sich um, wo Pandora war. Als sie sie unter dem Busch ausmachte sagte sie: "Tritt in deiner angeborenen Gestalt heraus. Die Feinde sind geflohen!"

"Glaubst du das ehrlich, höchste Schwester?" Fragte Pandora, noch in Tiergestalt, bevor sie sich zurückverwandelte.

"Er konnte Sardonias Erbe nicht erbeuten und nicht zerstören", sagte Anthelia. Nun werde ich die Prüfung ablegen, die Bellatrix verfehlte."

"Ist das wirklich so gut?" Fragte Pandora.

"Ja", sagte Anthelia und kniete vor der Truhe nieder. Sie berührte sie, und sie klappte ruhig auf. Wieder erfasste blaues Licht die vor der Truhe kniende Hexe, hüllte sie ein und schien mit ihr zu einer Einheit zu verschmelzen. Anthelia sprach dabei ruhig: "Ich bin deine Nichte, großartige Tante, mächtigste Hexe aller Zeiten. Ich möchte deine Gunst erbitten, dein großes Vermächtnis zu erlangen, um deinen und meinen Traum zu verwirklichen." Das Licht erstrahlte immer heller. Dann hoben Truhe und Hexe zusammen ab, blieben eine kurze Weile in der Luft stehen und senkten sich wieder herab, wobei Pandora glaubte, einen Ausdruck höchsten Glücks im blau leuchtenden Gesicht der Hexe zu sehen, die sie ins zweite Leben gebracht hatte. Ja, was nun geschah und geschehen würde, das war ihr, Pandora Stratons, Werk. Nun gab es kein zurück mehr. Sie hatte Anthelia geholfen, das Erbe der Tante anzutreten. Denn Als die Truhe wieder gelandet war, hielt Anthelia einen hellen Stein in der linken hand, den sie wohl aus der Truhe gezogen hatte.

"Oh, wir bekommen besuch", sagte Anthelia. "Pandora komm zu mir!" Pandora rannte zu Anthelia, während vom Dorf her das Schnauben der Dementoren zu hören war. Als Anthelia Pandora bei der Hand ergriff und mit der rechten hand in die Truhe langte, umfloss sie beide das blaue Licht, hüllte sie ein und sog sie einfach ins Truheninnere. Dann klappte der Deckel zu. Die Dementoren stürmten auf die Truhe zu. Doch als einer von ihnen sie berührte, zuckte er von einem grellen Blitz getroffen zurück. Gleichzeitig breitete sich violettes Licht ausund traf die Dementoren. Aus der Truhe klangen Worte von Anthelias Stimme gesprochen, die in der alten Sprache der Druiden gesprochen wurden. Das Licht hielt die Dementoren fest. Dann zuckten von diesen rote, blaue und grüne Blitze. Dann krachte es, und zwischen den fünf Dementoren und der geschlossenen Truhe spannte sich je ein farbiger Lichtbogen, der immer heller und weißer wurde und dabei einen immmer höher ansteigenden Sirrton erzeugte. Die Dementoren schrien. Ja, diese Wesen konnten also doch leiden. Dann fielen die fünf Lichtbögen mit lautem Knall in einem einzigen Blitz in sich zusammen. Die Dementoren wurden fortgeschleudert. Die Truhe klappte erneut auf. Anthelia und Pandora wurden wie zwei blaue Wolken ausgespieen und erhielten im Flug ihre feste Form zurück. Die Dementoren, deren Dunkelheit und Kälte verströmende Kraft für einen Moment völlig erloschen war, zitterten. Dann flogen sie davon. Dann erfolgte ein lautes Schreien, als weitere Dementoren aus dem Dorf heranflogen, dabei von farbigen Blitzen umtost wurden, an die Umgrenzung stießen und dann wie von einem Katapult weit ins Land hinausgeschleudert wurden. Immer mehr dieser Monster wurden so aus dem Dorf herbeigeholt und dabei von diesen Blitzen umzüngelt, bis sie von der Begrenzung davongeschleudert wurden.

"Sie haben meine Heimat das letzte Mal heimgesucht", knurrte Anthelia. Immer mehr Dementoren flogen aus der Umgrenzung. Jeder der fortgeschleudert wurde flog weiter. Die herausgezogenen kamen immer schneller herbei. Dann, es mochten wohl einhundert Dementoren gewesen sein, erstrahlte für einen Moment eine hellblaue Glocke über Millemerveilles, nur für einen Sekundenbruchteil. Doch Anthelia und Pandora sahen es.

"Die Essenz Sardonias, die sie an diese Wesen verlor, ist nun von diesen in ihren Schutzdom zurückgeflossen und hat sie alle die hier verweilten abgewehrt. Jeder dieser Unholde, der von heute an versucht, hineinzugelangen, wird den winzigen Funken, den er von meiner Tante geraubt hat hierlassen."

"Achtung, Besen aus dem Dorf, höchste Schwester!" Empfing Anthelia Patricias Warnung.

"Komm und hol uns ab!" Befahl Anthelia der jüngeren Mitschwester. Sie feuerte eine Wolke grüner Funken nach oben, die wie eine dreischnürige Perlenkette zu ihr hinabreichte. Da hörten sie auch schon die schwirrenden Besen. Doch gleichzeitig surrte etwas von oben heran, das klang wie der Motor eines Flugzeuges. Dann landete etwas unsichtbares mit quietschenden Reifen neben Anthelia. Pandora verwandelte sich in ihre Animagus-Gestalt. Anthelia sah die Truhe an, die mit einem Satz wie von einer unsichtbaren Sprungfeder geschnellt auf sie zuflog, hinein in das für wenige Sekunden sichtbar werdende Automobil. Pandora war mit einem Satz auf dem Rücksitz neben der Truhe, Anthelia in Krähengestalt auf dem Vordersitz. Die Tür schlug zu, der Wagen wurde unsichtbar und stieg senkrecht nach oben.

"Verdammt, wir sind zu spät, Blanche!" Rief Edmond Pierre. Die vor ihm auf dem Ganymed 8 fliegende Hexe knurrte:

"Ich wußte, daß die Magie, die die Dementoren vertrieben hat kein Grund zur Freude war. Die Wiederkehrerin hat ihr Erbe angetreten. Hoffen wir, daß die von unseren Vorfahren verbesserte Abwehr lange genug vorhält, um sie uns vom Hals zu halten."

"Was war das für ein weißes Gefährt. Das war doch kein Muggelautomobil, oder?"

"Genau so eins. Die Bundesschwestern dieser Wiederkehrerin benutzen auch technische Erzeugnisse der Muggelwelt. Allerdings hat jemand daran viele unzulässige Zauber gewirkt, schwant mir. Komm! Wir müssen zurück zum Dorfzentrum und den Leuten dort sagen, daß der Angriff vorbei ist!"

"Zum Glück gab's keine Toten oder schlimmeres", sagte Edmond Pierre.

"Das verdanken wir auch Camille, als sie mit ihrem Talisman ihrer Mutter heraustrat und die Dementoren mit dieser Zauberformel besang. Sie konnten deshalb nicht ihre volle Macht entfalten. Wenngleich ich nachher mit meiner früheren Schülerin noch einmal ein paar ernste Worte sprechen werde, sich so offen als Ziel anzubieten."

"Dann mal zurück. Ich fürchte, wir werden diese Hexe heute nicht wiedersehen."

"Sei dir gewiß, daß wir viel zu früh wieder von ihr hören werden, Edmond", raunte Blanche Faucon bedrückt.

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Voldemort war wütend und mit schmerzendem Arm in sein Versteck zurückgekehrt. Einige Minuten später tauchte auch Bellatrix Lestrange dort auf. Sie sah den Meister blaß und blutend dastehen, verwundet wie ein gejagtes Raubtier.

"Ich muß meinen Arm heilen und den Keimbanntrank trinken. Diese Truhe hätte mir fast den Arm abgebissen", knurrte Voldemort. "Aber wenn diese Schlampe jetzt glaubt, sie hätte mich schon besiegt, dann hat sie sich getäuscht. Ich habe noch ein Eisen im Feuer, daß Sardonias Macht zu einem Haufen billiger Tricks verkommen läßt. ich gehe davon aus, daß sie erst einmal lernen will, wie ihre neue Macht funktioniert. Bis dahin werde ich Zugang zu einem Wissen erhalten, daß Sie sich nicht aneignen kann und ... wenn mein Kundschafter aus Indien zurückkehrt und mir sicher die Nachricht bringt, die ich erhoffe, wird dieses Weib das sardonianische Erbe nicht lange genießen."

"Herr, behandelt eure Wunden!" Sagte Bellatrix vorsichtig. Voldemort nickte und ging daran, die tiefen Bissverletzungen nach und nach zu säubern und zu heilen. Dann trank er noch einen Trank, der ihn vor Blutvergiftung und anderen Infektionen schützte. Wieder einmal hatte ihm diese Hexe, deren Namen er immer noch nicht kannte eine Niederlage zugefügt. Sie hatte ihn dazu getrieben, durch ihren Feuerreifen zu springen und ihn verhöhnt, weil er sich dabei verbrannt hatte. Dann fragte er Bellatrix, was eigentlich mit der Truhe war. Bellatrix fragte:

"Herr, welche Truhe. Ich bin mit euch nur losgezogen, um einen Dementorenangriff auf einen Ort zu beobachten, dessen Namen ... ich weiß nicht wo wir waren. Ich konnte nur disapparieren." Dann fiel ihr ein, daß sie um ihr Leben Willen nicht verraten durfte, daß sie eine andere Hexe gesehen hatte. Sie wußte zwar nicht, wer das war. Aber sie wußte, daß sie ihr einmal grausam wehgetan und sie unter einen schrecklichen Bann genommen hatte. Voldemort legilimentierte Bellatrix, die es sich gefallen ließ, um vielleicht zu erfahren, was ihr passiert war. Doch er fand keinen Hinweis, weder auf die Denkarien Sardonias, noch auf die Truhe. Ja, sie hatte offenbar alles vergessen, was in irgendeinem Zusammenhang mit Sardonia und ihrem Werk stand.

"Dieses Drecksmöbel hat dein Gedächtnis ausgebrannt, was mit seiner Erbauerin zu tun hat. Aber ich werde dir alles wieder beibringen, Bella. Keine Sorge! Du wirst alles wieder lernen."

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Louisette verabschiedete sich von den Mitschwestern, nachdem sie Patricias Maserati bestaunt hatte. Dann sah sie ihnen nach, wie sie davonflogen. Sie atmete auf. Die Wohnung gehörte wieder ihr allein.

Anthelia hatte noch in der Nacht, kurz bevor sie zu Bett ging das neue Denkarium nach wichtigen Erinnerungen durchforstet und dabei das Geheimnis des Steines erfahren. Sie sah den Bernstein an, den sie aus der Truhe geholt hatte. Er war so groß wie eine Kinderfaust. Ein beeindruckendes Stück versteinertes Baumharz, befand Anthelia. Doch was in ihm steckte war noch beeindruckender. Innerhalb des honigfarbenen Minerals lag, alle sechs Beine und die Fühler lang ausgestreckt, eine urwelthafte Kreatur, ein vorzeitliches Insekt, einer modernen Honigbiene nicht unähnlich. Das war der Entomolith, der Fokus ihrer Tante, mit dem sie die von ihr geschaffenen Insektenmenschen, aber auch jede andere Sorte natürlicher Kerbtiere nach ihrem Willen lenken konnte, von der winzigsten Ameise bis zum afrikanischen Goliathkäfer, von der Kleidermotte bis zum Admiralsfalter, von der Honigbiene bis zur Hornisse. Aus dem Denkarium ging auch hervor, wo sie noch hundert in tiefster Starre liegende Kreuzungen zwischen Bienen und Menschen finden würde. Zwar widerte sie es etwas an, auf unnatürliche Züchtungen zurückzugreifen wie es Bokanowski getan hatte. Doch wie sie schon einmal erfaßt hatte würde dieser irgendwann wiederkommen.

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Sie warteten. Jahrmillionen altes Gestein verbarg sie vor den Augen der mehr als hundert Besucher pro Tag, die durch das mehrere hundert Meter unter der Erdoberfläche liegende Höhlensystem geführt wurden. Für sie verlief keine Zeit. Denn in ihren Kokons der tiefen Ruhe verrann ihr Leben mit solcher Langsamkeit, daß damit verglichen ein kapitaler Eichenbaum in einer Minute wachsen und bald darauf schon wieder niederstürzen würde. Doch was war das? Etwas tippte sie an, brachte ihre Kokons zum Erzittern. Erst hoch und viel zu schnell und undeutlich, dann immer tiefer klingend und immer besser verständlich kam bei ihnen eine Stimme an, die sie zwar nicht kannten, die aber in ihre einfachen Gedanken hineinwirkte:

"Im Namen meiner großen Tante Sardonia, die euch einst befohlen hat zu schlafen: Wacht wieder auf und meldet euch!" Dieser Befehl wurde so oft wiederholt, bis er alle Lebensgeister wiedererweckt hatte. Mit mechanischen, dann immer fließender werdenden Bewegungen ritzten sie das halb versteinerte Gespinnst auseinander, in dem sie die Zeit, die für sie nicht vergangen war überdauert hatten. Laut rumorend begannen ihre vier Flügel zu vibrieren, während sie mit unbändigen Kräften die um sie lagernden Gesteinsmassen beiseitedrückten, sich herausgruben wie Würmer aus der feuchten Erde. Dann waren sie frei! Sie krochen hinaus in den breiten Gang, der keine zwei Meter von ihrem Versteck entfernt gelegen hatte. Es waren mehr als zwei Meter große Abscheulichkeiten, gigantische Insektenkörper mit menschlichen Köpfen, in deren Gesichtern Facettenaugen saßen und aus denen armlange Antennen mit feinen Tasthaaren herauslugten. Sie krabbelten aus der Höhle hinaus und blickten in den Himmel. Die Sonne ging gerade auf und zauberte für diese Ungetüme sichtbar konzentrische Ringe an den Himmel. Sie richteten sich auf die Stimme aus, die sie immer noch hörten und flogen los, mit einem Geräusch wie schwere Jagdbomber aus dem zweiten Weltkrieg. Doch dieser Vergleich wäre diesen Wesen völlig unbedeutend vorgekommen. Denn in ihrem Versteck war Geschichte, schon gar die der nichtmagischen Menschen, völlig bedeutungslos gewesen.

Ganz zum Schluß quälte sich eine fast eiförmige Kreatur heraus, die die anderen an Größe und Groteskheit überragte. Doch ihr Kopf war menschlicher als der der anderen, und sie wirkte eher wie eine junge, kraftstrotzende Erscheinung als wie eine vom Leben gezeichnete Erscheinung. Das war die letzte noch lebende Brutkönigin, die hoffte, die tausende von Eiern, die sie in sich trug, doch noch in ein sicheres Nest legen zu dürfen, wenn die neue Herrin ihr das erlaubte.

Nach einigen Minuten Flug trafen sie auf eine Menschenfrau, die nicht mit Flügeln sondern auf einem langen Holzstab mit einem ausfasernden Ende flog. Sie tippte mit einem dünnen Stab an einen gelben Stein und befahl:

"Folgt mir alle nach! Ich zeige euch, wo ihr euch neu einrichten könnt."

Anthelia schüttelte für einige Momente das nackte Grauen, als sie sah, welche Geister sie gerufen hatte. Sicher erinnerte sie sich noch an die fliegenden Ungeheuer, die ihre Tante nach Vorlagen Slytherins kreiert hatte. Doch nun selbst die Herrin dieser Monstren zu sein bereitete ihr zunächst ein gewisses Unbehagen. Sie hoffte, daß sie nicht immer den Stein benutzen mußte, um diese Bestien zu beherrschen. Doch dann gewann die Überlegenheit Raum in ihrem Verstand. Mit dieser Streitmacht, die sich nun, wo noch eine Königin dabei war, innerhalb der nächsten Monate verfünf- bis verzehnfachen ließ, würde sie neuerlichen Angriffen Bokanowskis oder Voldemorts mehr als ebenbürtig begegnen können. Doch die Streitmacht war nur ein kleiner Teil der neuen Macht, die Anthelia, die wiedergekehrte Nichte Sardonias, aus dem Erbe der Tante gewinnen wollte. Irgendwann, so schwor sie sich, würde sie nach Millemerveilles zurückkehren und das beschauliche Dorf wieder zum Zentrum der wahren Bestimmung erheben.

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In der Nähe der Höhlen arbeitete ein Bauer auf seinem Acker. Als er das wilde Gebrumm am Himmel hörte, fühlte er sich für einen Moment in seine Kindheit zurückversetzt, wo er die großen Flugzeuge erlebt hatte, die Feuer und Vernichtung über seine Stadt gebracht hatten. Als er jetzt nach oben sah, glaubte er zu träumen, allerdings einen Alptraum. Er sah Wesen, die wie Honigbienen aussahen. Doch die Köpfe wirkten wie die von Menschen, denen Insektenfühler gewachsen waren. Er ließ die Holme seines Schubkarrens los und zitterte am ganzen Leib. Dann lief er in sein Haus und rief die Polizei. Die kam und ließ sich die Geschichte von einem Bienenschwarm erzählen, der jedoch so hoch am Himmel flog, daß die Bienen wohl größer als Menschen waren. Die Beamten fürchteten, es mit einem geistig verwirrten Mann zu tun zu haben und brachten ihn zunächst in ihre Wartezelle, bis ein Nervenarzt sich seiner annehmen würde. Als jedoch an Stelle des Gerichtspsychiaters zwei Männer in wichtiger Aufmachung erschienen wunderten sich die Revierbeamten nicht schlecht. Als sie dann verkündeten, daß die gesehenen Insekten neuartige Testflugzeuge waren, die jedoch noch geheim sein mußten und sich durch besonders beeindruckende Ausweise als hohe Amtsträger legitimierten, mußten die Polizisten den verwahrten Bauern wieder freilassen. Dieser begleitete die beiden Männer widerstandslos, auch wenn er fürchtete, sie würden ihn ins Irrenhaus stecken.

"Wir glauben Ihnen die Sache", sagte er, als sie das Polizeirevier verlassen hatten und auf einen großen Wagen zuhielten.

"Ach ja? Was war das denn, bitte?"

"Etwas was wir in diesem Land nie wieder sehen wollten", sagte der eine Mann orakelhaft. Der zweite bat den verwirrten Zeugen, einzusteigen. Dann fuhren sie los. Eine Stunde später stand der Bauer wieder auf seinem Acker und dachte daran, daß die Saison für diese verdammten Düsenjäger doch schon ziemlich früh angefangen hatte. Beinahe hätte ihm ein Tiefflieger den Hut vom Kopf geweht.

Als Monsieur Chevallier die Nachricht aus der Bretagne erhielt, dort habe ein Muggel fliegende Monster gesehen und eine grobe Beschreibung beigefügt worden war, ging er sofort zum Zaubereiminister.

"Herr Minister, ich fürchte, ich habe verdammt schlechte Neuigkeiten, sagte Chevallier.

"Sie möchten mir die Geschichte von den Riesenbienen, die menschliche Köpfe haben erzählen, Belenus? Die hat meine Frau mir gerade erzählt. Im Muggelkontaktbüro geht die Sache schon herum, und ich mußte so gut und so schnell es ging den Deckel draufmachen. Falls sie möchten, begleiten Sie mich gleich zu einer Bekanntgabe für die Presse. Ich werde da bekanntgeben, daß eine uralte Bedrohung wieder aufgetaucht ist und wir wohl wieder mit Monstern im eigenen Land rechnen müssen."

"Das war zu erwarten, daß diese Biester auftauchen, nicht wahr?" Fragte Chevallier resignierend.

"Ja, leider. Sie hat nicht zu lange gewartet. Offenbar wollte sie ihre Streitmacht formieren. Das heißt, sie will entweder bald gegen uns oder einen anderen, ebenso mächtigen Feind kämpfen."

"Herr Minister, eine Eule kam soeben an", meldete ein bote und gab dem Minister den Brief. Er bedankte sich bei dem Boten und öffnete den Umschlag vorsichtig. Er las den Brief, verzog ein ums andere Mal das Gesicht und nickte dann:

"Jemand, die sich "Sardonias rechtmäßige Erbin" nennt ist so freundlich uns darauf hinzuweisen, daß die Entomanthropen wieder aufgeweckt worden sind. Sie beteuert jedoch, daß sie diese Kreaturen nicht gegen uns einsetzen will, solange wir ihr nicht den Anlass dazu geben. Sie behauptet, nicht unsere Feindin zu sein, beklagt sich jedoch über Zustände, die ihrer Meinung nach nicht so bleiben dürfen. Sie appelliert an meine Verantwortung, mit ihr friedlich und gedeihlich zusammenzuarbeiten, um diese "Mißstände" zu beseitigen, ohne dabei jemanden verletzen oder töten zu müssen. Die Würfel sind gefallen, Belenus. wir haben jetzt noch einen Widersacher mehr auf der Welt."

ENDE

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