ERÖFFNUNGSSPIELE

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

E-Mail: hpfan@thorsten-oberbossel.de
http://www.thorsten-oberbossel.de

Copyright © 2011 by Thorsten Oberbossel

__________

Was bisher geschah | Vorige Story

P R O L O G

Julius und seine Frau Mildrid kehren nach dem sechsten Schuljahr in das Apfelhaus in Millemerveilles zurück. Sie freuen sich auf die im Magierdorf in Frankreich stattfindende Quidditch-Weltmeisterschaft, bei der Hippolyte Latierre eine der hauptverantwortlichen Organisatorinnen ist. Ursprünglich sollte dieses Großereignis ja schon im Jahr 1998 stattfinden, wurde aber wegen der Ereignisse in der Zaubererwelt um ein Jahr nach hinten verlegt. Millie und Julius erklären sich bereit, trotz der von ihnen privat erwarteten Gäste bei der Betreuung ausländischer Besucher mitzuhelfen. Doch zunächst dürfen sie das junge Ehepaar Brocklehurst aus Viento del Sol bei sich willkommen heißen. Julius empfängt die englischsprachigen Besucher außerhalb der magischen Schutzglocke um Millemerveilles. Er trifft seine ehemaligen Schulkameraden Gloria, Betty, Jenna und Lea, aber auch Harry Potter und dessen beiden Freunde Hermine und Ron. Die US-amerikanische Reporterhexe Linda Knowles bemüht sich sichtlich, ein umfangreiches Interview von ihm und Millie zu kriegen. Er kann es damit abwettern, daß seine Frau und er keine direkten Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses sind und geht verdrossen darauf ein, daß sie bei der Anreise ausländischer Gruppen anwesend sein darf. Als eine irische Reisegruppe zusammen mit Kevin Malone und seiner Familie ankommt, geraten Julius und sein ehemaliger Schulkamerad in Streit. Grund dafür ist Kevins Ansicht, Julius würde von allen hier nur vorgeführt und herumkommandiert. Julius fragt sich ernsthaft, ob er Kevin noch als Freund ansehen und ihn zu seinem siebzehnten Geburtstag einladen soll. Er möchte darüber noch einige Tage nachdenken. In dieser Zeit findet die große Eröffnung der Weltmeisterschaft statt.

__________

Die Nacht war angenehm kühl und sternenklar. Die Bäume warfen lange, dunkle Schatten auf die Wiesenstücke, die im Licht des Mondes dunkelgrau wirkten. Zwischen den Bäumen huschte lautlos etwas dahin, das im Schein des Mondes widerschien, als bestehe es aus dem Licht des großen Nachtgestirns selbst. Auf leisen Pfoten, mit steil erhobenem Schweif, an dessen Spitze eine buschige Quaste saß, streifte Dusty, der Knieselkater, um das runde Bauwerk herum, indem seine menschlichen Hüter wohnten. Er empfand es sehr angenehm, daß er nur dann in dieses Haus hinein mußte, wenn er es wollte. Meistens trieb er sich im das Haus umstehenden Obstgarten herum. Er umwanderte die noch sehr jungen Apfel- und Kirschbäume, wetzte seine scharfen Krallen beim erklettern einer Eiche, in deren ausladender Krone er Posten bezog, um mit seinen empfindlichen Sinnen die Nacht zu durchdringen. Die Nacht war seine Tageszeit. In ihr kamen all die Tiere aus ihren Verstecken, die ihm Futter und Vergnügen boten. Julius, das starke Männchen und der Gefährte des jungen, starken Weibchens, dem er sich anvertraut hatte, hatte ihm ein kleines Haus aus hartem Holzgras an drei festen Lederriemen an den dicksten Ast einer Eiche gehängt. Hier konnte er sich hineinlegen, wenn ihm die Sonne zu hell und zu heiß wurde. Ansonsten genoß der Kniesel die Umgebung. Er lauschte auf die Geräusche der Nacht. In der Ferne knallte es, weil eines der Menschenmännchen dieses Schnellbewegungsding mit der Kraft machte, um nicht laufen zu müssen. Er hörte den Atem der schlafenden Tiere und fühlte einen leichten Hunger, weil in seiner Nähe einige arglose Vögel in ihrem Nest saßen. Er hatte schon herausgefunden, daß es hier Weibchen gab, die ähnlich wie er aussahen. Eines davon würde bald in Stimmung kommen, Junge zu bekommen. Da er nicht wußte, ob er dann noch hier sein würde empfand er eine gewisse Wehmut, daß er dieses Weibchen nicht beglücken könnte. Aber es gab noch andere Weibchen, etwas kleiner als die seiner Art aber durchaus fähig, seine Kinder zu bekommen. Vielleicht würde er die erzwungene Enthaltsamkeit an einem dieser Weibchen abreagieren können. Er hörte ferne Stimmen, die über das große Wasser heranwehten, in dessen Nähe der große, runde Bau stand. Dort hatte er sich einmal kurz umgesehen. Da gab es auch einige der Artverwandten, aber nicht artgleichen. Eines der Männchen hatte ihn verwegen angefaucht. Doch weil dort gerade nichts war, worum es sich zu kämpfen gelohnt hatte, war Dusty mit erhobenem Schwanz abgezogen. Der Kniesel lauschte weiter auf die Laute der Nacht. Seine Augen sahen im Mondlicht so gut wie bei hellstem Sonnenlicht. Seine feine Nase nahm die Gerüche von essbarem auf, von Vogelgefieder, von gebratenem Fleisch oder Fisch. Er hörte das für Menschenohren unhörbare Flattern eines Nachtfalters, der zwischen den Zweigen nach verlockendem Nektar suchte. Seine Ohren richteten sich genau auf die Quelle dieses Geräusches aus. Dusty hatte schon häufig fliegende Insekten gefangen und gefressen, einfach so, um seine Jagdinstinkte abzureagieren. Der Nachtfalter konnte nicht einmal ahnen, daß er in wenigen Sekunden tot sein würde. Doch was war das. Dusty zuckte zusammen, weil er kurze aber schmerzhaft hohe Schreie hörte, die aus Sonnenaufgangsrichtung herankamen. Ja, da hörte er auch das andere, lautere Flattern. Die schrillen Schreie hallten von den Bäumen wieder. Der Kniesel konnte den Falter nicht mehr genau hören. Da segelte der schnelle Schreiflügler auch schon heran. Fledermaus sagten die Menschen zu diesem gleichwarmen Flugtier, daß keine richtige Maus und auch kein Vogel war. Sowas konnte er nicht fangen, weil die mit ihren Schreien und den davon zurückkommenden Echos hören konnten, wo er gerade war. Und jetzt stieß der andere Nachtjäger herab. Doch der Falter hatte sich sofort stillverhalten und klebte wohl auf einem der Blätter. Die Fledermaus konnte kein klares Echo von ihm hören und schwirrte mit schnellen Schlägen ihrer lederartigen Flughäute weiter. Ihre Suchschreie und Klicklaute, die Menschenohren nicht hören konnten, verklangen mehr und mehr. Bald konnte Dusty nicht mehr klar orten, ob es die Schreie selbst oder ihre Echos waren, die er auffing. Er entspannte sich wieder. Die Geduld des Lauerjägers half ihm. Denn er harrte lange genug aus, um zu hören, wie der Falter sich wieder aus dem Laubwerk löste, um nach Futter zu suchen. Dusty peilte mit augen und Ohren an, wo der nachtaktive Schmetterling gerade war, erfaßte ihn nun auch mit seinen Katzenaugen und spannte alle Muskeln an. Jetzt war der Falter nur noch acht Längen vor und zwanzig Längen unter ihm. Er hüpfte los, landete auf einem federnden Ast weiter unten und fuhr die Krallen bis zum Anschlag aus. Er rannte den rauhen Stamm hinunter, ließ die letzten vier seiner Körperhöhen aus und sprang auf den Boden. Er sah den Falter, wie er gerade zwischen zwei hohen Wedeln verschwand und hörte ihn leise mit den Flügeln an die Grashalme stoßen. Jetzt hing der Schmetterling über einem Blütenkelch. Womöglich saugte er gerade den Nektar. Dusty klappte seine Krallen wieder ein und lief unhörbar über die Wiese. Dann sprang er vor. Im Sprung schnellten die Krallen seiner rechten Vordertatze wieder nach draußen. Dann hieb die kräftige Vordertatze in den Blütenkelch und erwischte den saugenden Nachtfalter. Die Krallen durchdrangen die feste Hülle des Kerbtieres und spießten es auf wie auf fünf spitze Reißnägel. Dusty zog die Pfote heran und schnappte den beim Fang bereits getöteten Nachtfalter davon herunter. Gegen den Hunger war es nichts. Aber zur Übung seiner Jagdkünste war es immerhin ein Erfolg.

Dusty kehrte wieder auf seinen Erkundungsposten zurück. Ganz in der Ferne hörte er noch die Echos der Suchrufe der Fledermaus. Womöglich war sie gerade hinter einem fliegenden Insekt her, eines dieser sirrenden, lästigen Blutsauger, die er auch gerne aus dem Flug heraus fing, bevor sie ihm ihre Saugrüssel in die Haut bohren konnten. Jetzt verstummten die schrillen Schreie für einige Sekunden, um dann weniger pro Zeit wieder zu erklingen. Der geflügelte Nachtjäger hatte ebenfalls Beute gemacht.

Dusty lauschte auf den runden Bau. Seine Hüter konnte er nicht hören. Sie schliefen in einem Nest, das von einer leise wimmernden Kraft umflossen wurde und keinen Laut rausließ. Aber er hörte die vier anderen menschen, die beiden jungen Weibchen, die in einem der Schlafhöhlen zusammenlagen und das einige Jahre ältere, so groß wie seine Hüterin gewachsene Weibchen mit dem hellgelben Kopffell und seinen Gefährten. Das war in der letzten Nacht noch anders gewesen. Da hatte das Weibchen, das Brittany gerufen wurde, mit einem Wort die Form der Kraft wachgemacht, die jeden Laut in einem leisen Singen versteckte. Am anderen Tag hatte sie einen Geruch verströmt, als habe sie in der Nacht ihre Stimmung ausgelebt. In der gerade über diesem Land liegenden Nacht geschah das wohl nicht.

Als der Hunger größer wurde fing sich Stardust eine schlafende Amsel und scheuchte deren Verwandtschaft auf, die mit schnellen Flügelschlägen das Weite suchte. Diese Vögel würden wohl nicht mehr in ihr Nest zurückfinden. Auch hörte er weitere Fledermäuse mit ihren Suchrufen die Nacht durchdringen. Hier gab es weniger fliegende Kerbtiere in der Nacht. Die Fledermäuse hatten sichtliche Mühe, ihre Beute zu finden. Dusty hatte ein gewisses Erinnerungsvermögen und konnte erkennen, daß hier auch kein einziges sirrendes Blutsaugertier herumflog. Etwas in den hier aufgestellten Pflanzen scheuchte sie früh genug fort. So gab es hier auch nicht so viele Fledermäuse. Das war für den Kniesel sehr angenehm. Denn so konnte er sich ganz auf die für Menschen unhörbaren Geräusche konzentrieren und das runde Haus bewachen, in dem seine menschlichen Gefährten wohnten.

__________

Millie und Julius hatten am Samstag vor dem Eröffnungsspiel frei. Sie genossen den Trubel, der sich in Millemerveilles ereignete. Tausende von Hexen und Zauberern zogen durch die sonst so ruhigen Straßen. Viele trugen Nationaltrachten ihrer Länder oder wurden von frei fliegenden, sich selbst schwenkenden Landesfahnen umschwirrt. Als Julius in die Nähe des südlichen Zeltplatzes kam, erstarrte er für einen Moment vor Schreck. Ein lautes, wild durcheinanderdröhnendes Gebrumm ließ ihn an einen wilden und riesenhaften Hornissenschwarm denken. Dieser kurze Eindruck ließ ihn an sein einschneidendes Erlebnis mit den Wespen im Sanderson-Haus denken. Millie merkte, daß er Angst hatte. Sie saßen beide auf dem Familienbesen, den sie zu Julius' sechzehntem Geburtstag bekommen hatten. Sie fragte ihn, ob ihm das Geräusch Angst mache. Das holte ihn in die Gegenwart zurück. Er erkannte nun, daß es keine Hornissen waren, sondern wild durcheinanderklingende Lärminstrumente.

"Habe erst gedacht, irgendwer hätte riesige Hornissen oder die Entomanthropen reingeschmuggelt. Aber das sind Tröten", sagte er. Millie erwiderte darauf:

"Sowas haben wir doch letzten Sommer schon mal gehört. Aber das sind wohl die ursprünglichen Krachgeräte. Ich hörte sowas, daß die aus Südafrika diese Lärmtuten mitgebracht hätten. Die stimmen sich wohl gerade auf ihr Spiel am Mittwoch gegen die Tiroler ein."

"Meine Güte, das klingt echt wie ein Riesenhornissenschwarm", grummelte Julius. Millie, die gerade den Besen lenkte, steuerte daraufhin die Quelle des ohrenbetäubenden Getöses an. Julius sah im Tiefflug über den Zelten mehrere dunkelhäutige Hexen und Zauberer, die mit eigener Lungenkraft oder durch Selbstblaszauber lange, trompetenartige Blasinstrumente zum klingen brachten. Da die Erstspielgegner, die Mannschaft von Alois Schneetaler aus Tirol, ebenfalls hier untergekommen waren, konnte er aus dem Gebrumm und Gesumm heraus auch kleine und große Glocken hören, die wohl per Sonorus-Zauber schallverstärkt worden waren, umm das Getöse der südafrikanischen Tröten zu übertönen, was jedoch nicht ganz gelang.

"Da freuen sich die Heiler, wenn sie den Besuchern dieser Partie nach dem Spiel Ohrentrosttropfen verschreiben dürfen!" Rief Julius über den Lärm hinweg. Einige der Tröten gaben naturgetreue Trompetenlaute angriffslustiger Elefanten zum besten, während einer der Fans der Tiroler nationalmannschaft eine männerkopfgroße Glocke mit beiden Händen schwang, die schon eher wie eine Kirchen- als wie eine Kuhglocke klang. Millie nahm Höhe und flog mit Julius weiter, während sie antwortete:

"Könnte noch ein Thema werden, wie laut Anfeuerungsinstrumente sein dürfen. Am besten frage ich mal Ma, ob da schon was entsprechendes abgeklärt wurde. Nachher krachen die Stadien noch zusammen, weil die da unten zu laut sind."

"Auf jeden Fall schon ziemlich viel Getöse. Na ja, eine von denen fährt ja am Donnerstag schon wieder nach hause", bemerkte Julius dazu.

"Öhm, oder am Freitag, Samstag oder Sonntag, Julius. Beim Quidditch ist das Spiel erst aus, wenn der Schnatz gefangen ist. Das kann sogar mehr als fünf Tage dauern, wie du eigentlich wissen solltest." Julius erkannte, daß seine Frau recht hatte. Daher fanden die Spiele der Weltmeisterschaft ja schon vom Beginn an im K.-O.-System statt und lagen mehrere Tage auseinander, damit mögliche längere Spiele den Zeitplan nicht zu arg durcheinanderbrachten. Millie meinte dann noch, daß sie doch Waltraud bei der Ankunft zusehen wollten. Julius bestätigte das.

Die Zaubererschule Greifennest wurde mit ihrer Abordnung am nordöstlichen Portschlüsselsammelpunkt erwartet. Heute würde Laurentine Hellersdorf ihren ersten Einsatz als Besucherbetreuerin haben. Millie und Julius hatten sie am Morgen noch bei den Lagranges besucht und gefragt, ob sie Waltraud Eschenwurz schon am Ankunftsort begrüßen dürften. So trafen die Latierres knapp eine Minute vor dem geplanten Anreisezeitpunkt am vereinbarten Sammelpunkt ein.

Wie alle von den WM-Organisatoren angestellten Besucherbetreuerinnen trug Laurentine einen blau-weiß-rot quergestreiften Rock. Darüber trug sie eine himmelblaue Bluse, an der das silberne Abzeichen mit dem Wappen der Quidditch-Weltmeisterschaft befestigt war. Ebenso trug sie das von weitem gut lesbare Namensschild "Melle. Laurentine Hellersdorf" auf der linken Seite der Bluse. Sie begrüßte Millie und Julius freundlich und bedankte sich bei Madame Pierre, die bis gerade eben die Anreisenden aus dem belgischen Raum begrüßt hatte. Diese sah die Latierres, die gerade nicht in Dienstkleidung waren an und meinte:

"Ich hörte das, daß ihr die Abordnung aus Greifennest begrüßen wollt. Aber laßt der lieben Laurentine bitte das Wort und das Kommando!" Julius hätte fast gesagt, daß das für ihn selbstverständlich sei. Doch er hütete sich davor. Millie war da nicht so behutsam. Sie erwiderte:

"Wenn Laurentine das Kommando nicht haben will wird sie uns das schon früh genug sagen." Die erwähnte verzog zwar das Gesicht. Doch dann nickte sie. Madame Pierre waarf Millie einen kritischen Blick zu. Doch Laurentines zuversichtliches Gesicht sagte ihr wohl, daß sie sich keine Sorgen machen müsse. Sie saß auf ihrem schon leicht angejahrten Ganymed 4 auf und flog in Richtung Millemerveilles davon.

"Die hat's gerade nötig, zu sagen, daß mir keiner dreinzureden hat", grummelte Laurentine, als die ältere Hexe weit genug fort war. "Wenn Seraphines Mutter nicht mit mir zusammen hergekommen wäre und der werten Dame gepredigt hätte, bloß vor der ankunft der Greifennestlinge den Posten zu räumen, säße die sicher jetzt hier und würde aufpassen, daß ich bloß nix verkehrtmache. Dabei kann Madame Pierre gerade mal auf Deutsch "guten Tag", "Auf Wiedersehen" und "Danke schön" sagen. Na ja, aber gleich ist's elf."

"Okay, dann lassen wir dich erst die Begrüßungsroutine machen, bevor wir Waltraud begrüßen", sagte Julius und winkte seiner Frau, mit ihm ein Dutzend Schritte zurückzutreten, damit Laurentine im Vordergrund blieb. Doch die Latierres waren wohl nicht das Problem. Denn zehn Sekunden vor elf Uhr schwirrten mehrere Besen aus dem Dorf heran. Auf einem saß Linda Knowles. Auf einem anderen Besen hockte ein feister Zauberer im lindgrünen Umhang mit einem fuchsroten Schopf und gleichfarbigem Schnurrbart.

"Ich habe die Erstverwertung, Linda", hörten Julius und Millie den Zauberer in einem sehr akzenthaften Englisch einfordern. Linda beantwortete diese Klarstellung mit ihrem gefürchteten Augenkullern und zuckersüßem Lächeln. Julius ertappte sich einmal mehr dabei, daß er dieser Frau verfallen konnte, wenn sein Verstand ihn einmal im Stich lassen sollte. Er hoffte, daß das niemals passieren mochte.

"Fritz, Sie wollten ein Interview mit Fluglehrer Windspiel. Ich hingegen hoffe auf eine erste Stellungnahme von Schulleiterin Greifenberg", erwiderte Linda in ihrem kalifornischen Englisch. Dann sah sie die drei Beauxbatons-Schüler und steuerte auf Laurentine Hellersdorf zu, die jedoch eine wegscheuchende Handbewegung machte und auf die große Uhr deutete, deren Sekundenzeiger gerade die letzten vier Striche bis zur zwölf abwanderte. Die beiden Reporter verharrten im Hintergrund. Julius fühlte den Blick der amerikanischen Sensationsreporterin auf sich ruhen. Doch er tat ihr nicht den Gefallen, sie anzusehen. Er blickte auf den Ankunftspunkt. Als mit einem leisen Ping die Uhr die volle Stunde vermeldete rotierte bereits die blaue Leuchtspirale einer Portschlüsselverbindung. Julius fragte sich, mit was eine so große Gruppe eintreffen würde und erkannte, daß die an die hundert Jungen und Mädchen an einem dicken Tau hingen. Ganz vorne sah er die grauhaarige Hexe, die er bei Dumbledores Beerdigung schon einmal gesehen hatte. Am hintersten Ende hielt sich eine mittelgroße Hexe mit graublonden Haaren und veilchenblauen Augen. In der Mitte des Taus hing ein drahtiger Zauberer mit pechschwarzem Scheitel und hell-graublauen Augen. Auffällig war auch eine Hexe in weißer Tracht, die am vorderen Viertel des Taus festhielt. Sie besaß silbergraues haar und trug eine Goldrandbrille. Über ihrer rechten Schulter baumelte eine große, weiße Umhängetasche mit der roten Äskulapschlange, dem internationalen Symbol der magischen Heilzunft. Also hatten die Greifennest-Schüler auch ihre Schulkrankenschwester mitgebracht. Julius konnte sofort Waltraud Eschenwurz erkennen. Die junge Hexe hatte seit ihrem Austauschjahr in Beauxbatons noch einige Zentimeter Höhenwachstum hingelegt und war nun voll erblüht. Ihre weizenblonde Löwenmähne umwehte den apfelgrünen Umhang, den sie trug. Ihre graubraunen Augen blickten zuerst auf Laurentine, die den Ankömmlingen freundlich zulächelte. Millie und Julius konnten kein Deutsch. So gingen sie davon aus, daß Laurentine das sagte, was sie den Neuankömmlingen bei der Begrüßung zu sagen hatten. Der beleibte Zauberer, der mit Linda Knowles zusammen angeflogen kam, rückte einige Schritte vor und peilte die grauhaarige Hexe im roséfarbenen Rüschenkleid an. Die Schulleiterin von Greifennest erkannte den Reporter mit dem roten Schnurrbart wohl und wandte sich ihren Schützlingen zu. Julius empfand Deutsch als hart klingende Sprache. Das mochte daran liegen, wie die Gräfin ihren Begleitern eine Anweisung gab. Das es eine war hörte er trotz seiner Sprachunkenntnis heraus. Ein Tonfall war in jeder Sprache gleich, ob eine Frage, ein Bedauern, eine Aufmunterung oder eben ein Befehl. Der schwarzhaarige Zauberer, der von der Statur und Bewegungsart einem schnittigen Windhund ähnelte, nickte der Gräfin zu und ließ von dem dicken Tau ab, das als Portschlüssel gedient hatte. Das war für die anderen das Zeichen, die Verbindung mit dem Reiseartefakt zu lösen. Waltraud winkte Julius und Millie zu. Doch diese verharrten. Laurentine sollte erst die vorgegebenen Ansagen und Angebote machen. Dem schnurrbärtigen Reporter war diese Rücksichtnahme offenbar nicht wichtig. Er hielt mit weit ausgreifenden Schritten auf den drahtigen Zauberer im schwarz-rot-gold-quergestreiften Umhang zu. Laurentine meisterte es, dieses Vorpreschen überhaupt nicht zu beachten und spulte die vorgeschriebenen Begrüßungssätze herunter und unterlegte sie mit einem schon professionell wirkendem Lächeln. Dann begrüßte sie die Schulleiterin persönlich. Linda Knowles wollte schon an ihr vorbeischlüpfen. Doch da prallte sie wie von einer unsichtbaren Wand zurück. Julius sah sehr genau, wie sich die Reporterin beide Ohren zuhielt, während sie auf Abstand zurückkehrte und dann aufatmend die Hände von ihren superempfindlichen Lauschern ließ. Laurentine tat so, als habe sie das nicht mitbekommen, als sie die Gräfin Greifennest begrüßte. Diese bedankte sich nach den Gesten und dem Tonfall zu urteilen für die Begrüßung und wechselte einige Worte mit der Besucherbetreuerin. Laurentine nickte ihr zu und deutete dann auf Julius. Ein kurzes Winken veranlaßte Millies Ehemann dazu, zu Laurentine hinüberzugehen. Er sah die Gräfin an und deutete eine kurze Verbeugung an.

"Ah, immer noch ein Royalist wie ich erkennen darf", scherzte die Gräfin, nun akzentfreies Französisch sprechend. Julius begrüßte die Schulleiterin nun auch mit Worten. "Mademoiselle Hellersdorf erwähnte, daß Sie und Ihre Angetraute in der Nähe dieses Sees der Farben wohnhaft seien und uns sicherlich schnell dort hinführen könnten. Wir haben dort ein Areal von zweitausend Quadratmetern für unsere Zeltausrüstung vorbestellt."

"Das wurde mir schon mitgeteilt. Ich habe den Unterbringungsort bereits erkundet, Gräfin", erwiderte Julius ruhig. "Wenn Mademoiselle Hellersdorf es vorgeschlagen hat, Sie dorthin zu führen, kann ich dies tun. Ich hoffe, Sie haben alle Flugbesen mitgebracht, da wir nicht von außen durch die magische Schutzglocke hindurchapparieren können."

"Dies wurde uns frühzeitig genug anempfohlen", erwiderte die Gräfin. Dann deutete sie auf die Hexe in Weiß und winkte ihr zu. "Das ist Fräulein Maiglock, unsere Schulheilerin. Sie spricht ebenfalls Französisch und Englisch und erfuhr, daß Sie und Ihre Angetraute als Mitglieder der Ersthelfergruppe von Beauxbatons von den hier ansessigen Heilern gebeten wurden, sich für mögliche Hilfsmaßnahmen bereitzuhalten", erläuterte Gräfin Greifennest und stellte Julius und Millie Schwester Euphrasia Maiglock vor. Danach lernte Julius noch die mitgereiste Zaubertier- und Kräuterkundelehrerin Gudrun Rauhfels kennen, die ebenso Englisch wie Französisch sprechen konnte. Der drahtige Zauberer mit dem schwarzen Scheitel war Magister Norbert Windspiel, der in Greifennest Besenflug und Quidditch unterrichtete. Außer Waltraud fielen Julius noch mehrere Schülerinnen und Schüler auf. Darunter war eine junge Hexe mit weizenblondem Lockenschopf, der bis knapp zu den Hüften hinabfiel. die Hexe war gertenschlank und mindestens so hochgewachsen wie Mildrid. Als jungem Mann sprangen Julius die herausragenden weiblichen Formen ins Auge. Hinter der gertenschlanken stand ein kleiner, aber sehr dicker Jungzauberer in Dunkelbrauner Lederkluft mit einem breitkrempigen, jägergrünen Zaubererhut auf dem dunkelblondem Kopf. Zwei smaragdgrüne Augen blickten schelmisch aus dem apfelförmigem Gesicht des Schülers. Dann erkannte Julius noch drei schwarzhaarige Hexen mit enzianblauen Augen, die unverkennbar Drillingsschwestern waren. Sie unterschieden sich nur darin, daß sie einen kirschroten, einen zitronengelben und einen grasgrünen Umhang trugen und ein, zwei und drei goldene Bänder in den Haaren trugen. Julius mußte an eine Verkehrsampel denken, wenn er dieses Rot-gelb-grüne Trio ansah. Dann sah er noch einen kleiderschrankartig gewachsenen Jungzauberer mit dunkelbrauner Kurzhaarfrisur, der sehr aufgeregt von einem muskulösen Bein auf das andere tippelte und jede Einzelheit der Umgebung förmlich mit den hellen, leicht bläulichgrauen Augen einzusaugen trachtete. Der jüngste Zauberer des Trosses mochte gerade ein Jahr in Greifennest zur Schule gehen. Zumindest wirkte er noch sehr verschüchtert, aber auch sehr an seiner Umgebung interessiert. Julius dachte einen Moment daran, wie er damals gewirkt haben mußte, als er zum ersten Mal in der Winkelgasse eingekauft hatte und wie er in Hogwarts auf dem Auswahlstuhl gesessen hatte. Dieser Junge mußte sicher eine schriftliche Erlaubnis seiner Eltern vorlegen, um an diesem Ausflug teilnehmen zu dürfen. Dann fiel ihm noch eine mittelgroße, füllige Hexe mit kastanienbraunem Haarschopf auf, die einen wohl gerade vier Monate alten Säugling in einem hellblauen Tragetuch über der Schulter trug. Das Kind hatte die Portschlüsselreise offenbar verschlafen und schlief weiter. Vielleicht hatte jemand ihm einen Schlaftrunk verabreicht, um die Reise zu überstehen. Julius dachte an Constance Dornier. Offenbar galt Mutterschaft im Kindesalter nicht überall als so streng zu ahndendes Fehlverhalten, falls es überhaupt als Fehlverhalten galt. Er konnte sich auch täuschen, und die Hexe war bereits volljährig und verheiratet wie Millie. Sie wirkte auf ihn jedoch gerade erst vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Natürlich fiel Millie die junge Hexe mit dem Kind auf. So hörte Julius sie die Schulheilerin fragen:

"Oh, ist das Mädchen da die Mutter des Jungen?"

"Das ist richtig. Die junge Dame meinte, im Juni letzten Jahres die ersten körperlichen Erfahrungen als Frau machen zu müssen. Die dürfte sie nun reichlich genießen. Ihre Eltern haben ihre Teilnahme deshalb erlaubt, weil sie beide keine Lust hatten, sich um das Kind zu kümmern. Aber ich will nicht zu sehr in Einzelheiten gehen", erläuterte die Heilerin. "Falls es dich interessiert, steht es dir frei, die junge Dame zu fragen. Sie spricht zwar kein Französisch, aber Englisch." Julius bekam es über die Augen und den sanft pulsierenden Herzanhänger mit, daß seine Frau darauf brannte, die junge Mutter zu interviewen, sich jedoch dazu zwang, erst einmal ruhig zu bleiben.

Als Laurentine alle Greifennest-Schüler in eine gescheite Abflugaufstellung bekommen hatte und sich in der Mitte einsortierte, um nach allen Seiten klar verständlich zu sein, saß Julius vor seiner Frau auf dem Familienbesen auf und übernahm die Führung. Die Greifennestschüler flogen mit ihren großen Rucksäcken hinter ihm her. Die erwachsenen Hexen und Zauberer transportierten zudem Mehrere Zelte und andere Ausrüstungsstücke auf ihren Besen. Laurentine wuselte wie eine Schäferhündin zwischen den Fliegenden herum, um ihnen die richtige Richtung klarzumachen. Hinter dem Familienbesen der Latierres flog Gräfin Adalberta Greifennest auf einem schnittigen Besen mit langem Schweif. Auf der Besenspitze wehte eine Flagge mit dem Wappen von Greifennest. Julius betrachtete es sich. In einem goldenen Kreis stand ein goldener Greif. Dessen Löwenschweif war zu einem G gedreht. Außerhalb der Kreislinie befand sich ganz oben ein silberner Halbmond. Rechts auf Höhe des gekrümmten Adlerschnabels des Greifen prangte eine weiße Taube mit ausgebreiteten Flügeln. Unter den Vogelfüßen und Löwenpranken des Mischwesens erstrahlte golden eine zwanzigstrahlige Sonne. Ganz links, auf Höhe des zum G gewundenen Greifenschweifes, befand sich ein bronzefarben schimmernder Amboß, auf dem ein wuchtiger Schmiedehammer lag, dessen Hammerkopf dem Greif zugekehrt war. Julius wußte aus seiner Zeit in Hogwarts, daß die Symbole des Wappens für die Schulhäuser standen. Waltraud hatte ihm auch schon die vier Häuser von Greifennest beschrieben. So nahm er die Darstellung in nur einer Sekunde zur Kenntnis, bevor er sich wieder auf die Flugrichtung konzentrierte und den im Sonnenlicht glänzenden See der Farben voraus ausmachte. Millie überließ es ihm, den Besen zum vorgebuchten Lagerplatz zu steuern. Julius erkannte dabei, daß die Greifennestler nordöstlich des Apfelhauses untergebracht waren. Als er landete winkte er Laurentine zu. Diese konnte nun die letzten Formalitäten der Unterbringung abklären. Hierbei zogen sich Julius und Millie wieder einige Dutzend Meter zurück, um der Mitschülerin und Ferienkollegin den benötigten Freiraum und die Aufmerksamkeit zu lassen. Als Laurentine mit ihren Ansagen durch war teilte sie die Lagepläne der interessantesten Anlaufpunkte in Millemerveilles so wie die Pläne der ersten Spiele aus. Da außer der Gräfin und Magister Windspiel keiner Karten für das Eröffnungsspiel hatte würden die Greifennestler am Sonntag wohl an einem der von Florymont eingerichteten Bildverpflanzungspunkte zuschauen dürfen. Der Zauberschmied von Millemerveilles hatte zwanzig kinoleinwandgroße Gestelle aufgebaut und nach Anregungen von Julius und seiner Mutter Martha Bezauberungen angebracht, um die von einem magischen Auge über dem Stadion aufgefangenen Bilder zu kopieren und in Echtzeit auf die magischen Leinwände zu projizieren. Für die Schallübertragung hielten ähnliche Konstruktionen her, wie Julius sie bei Madame Maxime im Zusammenhang mit den Zweiwegspiegelverstärkern mitbekommen hatte. Hierbei hatte ihm der Erfinder dieser Vorrichtung, Monsieur Agilius Dornier, persönlich geholfen. So war es möglich, daß neben den direkten Stadionbesuchern auch Zaungäste am Spielgeschehen teilnehmen konnten. Allerdings galt das nur für das Zentralstadion.

"Wollt ihr wieder mit zum Anlaufpunkt?" Fragte Laurentine ihre beiden Schulkameraden. Julius und Millie schüttelten ihre Köpfe. Sie waren ja wegen Waltraud hier. So disapparierte Laurentine mit geschultertem Besen. Damit war der offizielle Begrüßungsteil erledigt.

Waltraud winkte nun Julius und Millie zu sich hin und scharte mehrere Mitschüler um sich, darunter den fülligen Zauberer in Lederkleidung und die gertenschlanke Hexe mit der weizenblonden Lockenpracht. Außerdem gesellte sich die junge Mutter noch zu den Schülerinnen und Schülern hin. Waltraud begrüßte erst Julius und dann Mildrid auf Französisch, während die anderen die mitgereisten Lehrer beim Aufbau der Zelte unterstützten. "Wir sind insgesamt hundertfünfzig Leute. Gräfin Greifennest konnte mehrere nichtmagische Eltern davon überzeugen, daß ihre Söhne und Töchter hier sicher und kurzweilig untergebracht sind. Daß euch Gitta Winkels und ihr Söhnchen Lutz aufgefallen sind haben wir ja alle mitbekommen können. Ihre Eltern sind leider keine magischen Mitbürger. Gitta hatte einen Freund in der Muggelwelt. Aber seitdem der Vater ist will der von dem Kleinen nix mehr wissen." Waltraud nickte der jungen Mutter zu und stellte sie Mildrid und Julius vor. Gitta errötete ein wenig. Doch dann sagte sie auf Englisch:

"Ich habe es von Waltraud gehört, daß bei euch in Beaux auch eine junge Mutter gewesen ist, die deshalb ein Jahr noch mal machen mußte. Die Gräfin sagte mir, daß wer Mutter werden kann auch zusehen muß, dem Kind was zu Essen zu verdienen und hat gemeint, daß ich deshalb nicht sitzenbleiben müsse, wenn es nicht an den Noten hinge. Manche Mädels gucken mich und den kleinen so an, als hätte ich was böses getan. Andere glubschen mich so an, als wollten die selbst schon was kleines haben. Schwester Maiglock hat gesagt, daß die ruhig mitkriegen sollen, wie anstrengend das ist, als Schulmädel Kinder zu haben. Die hat mir erst zwei Wochen nach Lutz' Geburt gesagt, daß die per Bilddurchlasserzauber alle Mädchen von Greifennest mitkriegen ließ, wie ich den rausgelassen habe. meine Eltern haben deshalb Terz gemacht, weil das ein totaler Eingriff in mein Privatleben sei und ich ja als Vorführmädchen herzuhalten hätte, weil ich den Kleinen nicht habe abtreiben dürfen."

"Ach, wolltest du das denn?" Fragte Millie mit gewisser Verdrossenheit.

"Sagen wir so, es ist schon ziemlich heftig, die Zwischenprüfung zu packen, wenn ich andauernd dran denken mußte, wie's dem Kleinen geht und wann ich was für ihn zu erledigen habe. Eigentlich wollte ich kein Baby haben. Aber als Schwester Maiglock rausgefunden hat, daß ich eins im Bauch habe hat sie gleich gesagt, daß ich das um jeden Preis zu kriegen hätte und jeder Versuch, es loszuwerden als Straftat angesehen würde. Die hat gesagt, daß der Kleine ja nix dafür könne, was für Eltern er kriegte. Na ja, jetzt ist er da und ich freue mich sogar. Dem sein Vater will ja nix von ihm wissen. Seine Eltern halten mich für eine billige Schlampe, die versucht hat, ihn mit einem Baby abzuzocken. Meine Eltern haben Greifennest verklagen wollen, wegen Nötigung und noch was. Gräfin Greifennest hat daraufhin gesagt, daß zu ihrer Amtszeit schon vier Kinder in der Schule geboren worden wären und sie die Patin aller dieser Kinder geworden wäre. Die will auch was anleiern, daß ich nach den Endprüfungen wo unterkomme, wo ich mit dem Kleinen klarkomme und genug für uns beide verdienen kann."

"Ist 'ne andere Kiste als die Sache bei uns", erwiderte Julius. "Die junge Mutter bei uns wurde während der Schulzeit schwanger. Sowas ist gegen die Schulregeln. Deshalb mußte sie das Jahr noch mal machen, und weil sie nicht früh genug gemeldet hat, daß was mit ihr anders ist."

"Kann ich verstehen", erwiderte Gitta. "Ich wurde auch von unserer Penultimanerin da zu Schwester Maiglock gezerrt, als ich zum fünften Mal in Serie mein Frühstück ausgespuckt habe." Sie zeigte auf die gertenschlanke Hexe mit dem weizenblonden Schopf. Diese verstand wohl kein Englisch. Aber daß sie gerade erwähnt wurde erkannte sie natürlich. Sie wandte sich Waltraud zu und nickte ihr zu.

"Habt ihr es gerade von Bärbel?" Fragte Waltraud und deutete auf die gertenschlanke, die in Erwartungshaltung dastand. Julius nickte. "Hat sich Gitta drüber ausgelassen, daß die sie zu Schwester Maiglock geschleppt hat?" Fragte Waltraud noch. Millie nickte. Waltraud grinste, während die hochgewachsene Hexe mit der weizenblonden Lockenmähne überlegen lächelte und sich zu Millie und Julius hinwandte. "Fräulein Bärbel Weizengold, Madame Mildrid und Monsieur Julius Latierre", stellte Waltraud die drei nun einander auf Französisch vor. Julius erinnerte sich sachte, den Namen Weizengold schon mal gehört zu haben. Gitta glubschte nur auf die hochgewachsene Mitschülerin. Waltraud blickte die jüngere Schulkameradin verwegen an.

"Hat Gitta euch erzählt, ich hätte sie dazu gezwungen, den kleinen Braten auszubrüten, den ihr so'n triebhafter Muggelbengel in den Leib getrieben hat? Aber jetzt ist sie froh, den zu haben", sagte Fräulein Weizengold in astreinem pariser Französisch. Julius vermutete, daß sie das Sprachlernbuch von Babel und Polyglosse benutzt hatte, um so gut zu sprechen. Millie erwiderte darauf:

"Na ja, wir in Beauxbatons haben da heftig strenge Regeln, was das Kinderkriegen angeht. Die möchten nicht, daß die Schule so rüberkommt, als wären die Mädels da Freiwild für die Jungs."

"Wir haben da auch Regeln, die sowas schwer machen, Madame Latierre", sagte Bärbel Weizengold unbeeindruckt. "Allerdings, wenn dann doch mal wer kleines bei uns im Unterricht mithört, der selbst noch nicht atmen kann, gilt, daß das Kind anzukommen und bei der Mutter, und wenn in der Schule mitlernend, dem Vater aufzuwachsen hat. Die beiden werden dann zwei Monate vor dem ersten Schrei in der Schule vor den Zeremonienmagier zitiert, wenn sie älter als vierzehn sind. Sagen die beiden "Ja" zueinander, kriegen die gleich danach ein Zimmer zugewiesen. Die müssen dann aber auf alle Freizeitvorrechte verzichten, also ob sie in der Quidditchmannschaft ihres Hauses mitspielen, Ausgang nach Greifenberg und sonst noch was. Sagen die beiden "Nein" zueinander, bleiben die beiden in ihren Wohnhäusern. Die Freizeitrechte werden dann auch aberkannt und die Eltern des Kindesvaters werden angehalten, für den Enkel ein Verlies in Frankfurt, Zürich oder Wien einzurichten, je nachdem, wo der Kindsvater herkommt. Je nachdem, was die Großeltern väterlicherseits verdienen hat dann da was einbezahlt zu werden, bis das Kind volljährig ist und das Verlies leerräumen darf." Millie hörte gebannt, Julius interessiert zu. Waltraud übersetzte es kurz für Gitta, worum es ging. Diese gab dann auf Englisch zur Antwort:

"Supergut, daß Lutz' Großeltern väterlicherseits keine Zaubererfamilie sind."

"In welchem Haus wohnt ihr in Greifennest?" Fragte Julius. Waltraud hatte ihm erzählt, daß Greifennest wie Hogwarts vier Schulhäuser besaß, von denen jedes einem der klassischen Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde verbunden war.

"Gitta und Bärbel hier wohnen im Haus Sonnengold. Magistra Rauhfels leitet das Haus Mondenquell und ist meine Hausleiterin. Die Drillinge Flavia, Rosa und Euglena wohnen im Haus Taubenflug", erläuterte Waltraud Eschenwurz und deutete auf die erwähnten. Also kam keine der bisher kennengelernten aus dem Haus Erzenklang, dessen Bewohner Erdelementarzaubern und Verwandlung besonders gut zugetan sein sollten, erkannte Julius. Die aus Sonnengold galten als Temperamentvoll, mutig, ja schon draufgängerisch, aber auch ehrgeizig und rücksichtslos und besaßen eine starke Verbundenheit mit der Elementarkraft Feuer, zu dem ja außer dem offenen Feuer auch die Hitze aus der Erde, die in Blitzen entladene Elektrizität und vor allem das ferne, ewige Feuer der Sonne zählten. Magistra Rauhfels leitete das für die mit der Elementargewalt Wasser verbundenen Magier bestimmte Haus Mondenquell. Wie der Mond das Wasser der Erde bewegte, so hatten die Bewohner dieses Hauses eine starke Beziehung zur belebten Natur, den Wasserzaubern und den heilmagischen Zweigen, zu denen auch Zaubertränke gehörten. Das alles erklärte er Millie kurz, damit sie verstand, daß auch in anderen Zauberschulen bestimmte Eigenschaften zu bestimmten Wohngemeinschaften führten.

Magistra Rauhfels kam herüber und gab Waltraud und den beiden anderen Mädchen einige Anweisungen. Dabei sah sie Millie und Julius an und sagte dann in fließendem Französisch:

"Hätte nicht gedacht, außer Bärbel noch eine Hexe anzutreffen, die fast zwei Meter mißt. Natürlich habe ich von Ihnen beiden gehört, natürlich überwiegend gutes. Sie belegen beide Tierwesenkunde und Kräuterkunde für die Endpfüfungen, richtig?" Millie und Julius nickten. Julius konnte das Kompliment, überwiegend gutes von Magistra Rauhfels gehört zu haben, zurückgeben, zumal er ja im grünen Magier, der internationalen Fachzeitschrift für magische Pflanzenkunde, schon einige Artikel von ihr gelesen hatte.

"Ich bin für die Mondenquell-Mädchen zuständig. Weil Waltraud im nächsten Schuljahr zu den Ultimanerinnen ihres Hauses gehört muß sie natürlich dafür sorgen, daß sie die Jüngeren Schulkameradinnen ordentlich in ihre Wohnzelte zuweist. Das gilt natürlich auch für Fräulein Weizengold."

"Ui, in den Ferien?" Fragte Millie herausfordernd.

"Dieser Ausflug wurde unter der Voraussetzung geplant und bewilligt, daß die daran teilnehmenden, zumal überwiegend minderjährigen Schülerinnen und Schüler denselben Verantwortlichkeiten und Verhaltensregeln unterworfen sind wie während der Schulzeit. Dies ist ein notwendiges Zugeständnis an die Eltern, die natürlich darauf wertlegen, daß ihren Kindern nichts ungewolltes oder nachhaltiges widerfährt. Soweit ich weiß gilt diese Übereinkunft auch bei den Abordnungen aus Beauxbatons und Hogwarts." Julius konnte das nicht komplett verneinen und räumte im Bezug auf Beauxbatons auch ein, daß die Leute, die damals zur Weltmeisterschaft gedurft hatten, von Madame Maxime so straff geführt und kommandiert wurden wie während der Schulzeit. Wohl dem Schüler oder der Schülerin, der oder die privat zur Weltmeisterschaft durfte. Doch das wiederum barg die Möglichkeit von Eifersüchteleien in sich. So fragte er Magistra Rauhfels, was denn passiere, wenn ein Greifennest-Schüler privat zur Weltmeisterschaft reiste und sich da nicht an die Schulregeln gebunden fühlte, wo seine Mitschüler nebenan diesen Regeln zu folgen hatten.

"Sie meinen, es könnte zu Unstimmigkeiten kommen, wenn sich ein privater Besucher Dinge erlaube, die den Schulregeln nach unerwünscht bis verboten sind? Dann hat er das mit seinen Begleitern oder Erziehungsberechtigten auszumachen. Wenn unter unserer Aufsicht etwas passiert, sind wir als Veranstalter verantwortlich, zumindest für die minderjährigen Schülerinnen und Schüler. Da Sie, wie ich gerade mitbekommen konnte, mit Gitta Winkels sprachen verstehe ich Ihre Frage so, daß wenn ein Schüler von uns in Begleitung der Eltern oder anderer Vertrauenspersonen hier etwas anstellt, was eine gründliche Umstellung des Lebens nach sich ziehen kann, sind wir von Greifennest nicht dafür verantwortlich. Wer mit uns reist erhält früh genug die Richtlinien und kann diese seinen Erziehungsberechtigten vorlegen. Die meisten von denen unterschreiben die Teilnahmeerlaubnis deshalb, weil wir ihnen versichern, daß wir dieselben Maßstäbe anlegen wie während des laufenden Schuljahres. Die einzige Ausnahme ist die Bekleidungsfreizügigkeit."

"Häh?" Machte Millie. Magistra Rauhfels räusperte sich. Julius übersetzte es so:

"Magistra Rauhfels meint damit, daß die Leute aus der Greifennest-Gruppe hier anziehen dürfen, was sie wollen. Waltraud hat uns erzählt, es gebe vierzehn verschiedene uniformen, je eine pro Geschlecht und Jahrgangsstufe."

"Verstehe", erwiderte Millie. "Dann können die ganz kleinen die ganz Großen gleich erkennen, wenn sie zur Schule kommen." Magistra Rauhfels nickte. Waltraud erwähnte dann noch, daß die ganz jungen, die Prinzipianer, sonnengelb und Weiß trügen und die Farben sich von Jahrgang zu Jahrgang immer mehr abdunkelten, bis die Ultimanerinnen in mitternachtsblauen Blusen und nachtschwarzen Röcken und die Ultimaner in mitternachtsblauen Umhängen und schwarzen Zaubererhüten am Unterricht teilzunehmen hatten. Julius übte sich in der Erinnerung, was Waltraud ihm, Claire und Laurentine kurz nach Beginn ihres Austauschjahres erzählt hatte. "Die Klassen werden nicht gezählt wie in Hogwarts, Thorntails oder bei uns, sondern nach Lernstufen benannt. Prinzipianer sind die Anfänger. Postprinzipianer sind die im Jahr danach. Dann kommen die Triannualer, Präindermedianer und Intermedianer, die die ZAGs machen. Danach haben wir die Penultimaner und die Ultimaner, also die im vorletzten und letzten Schuljahr. Bei den anstehenden Hauptprüfungen heißen die Schüler im entscheidenden Halbjahr Kandidaten wie bei uns. Soweit alles richtig, Magistra Rauhfels, Waltraud?" Die beiden angesprochenen Hexen nickten bestätigend. Millie grummelte nur, daß Julius das ruhig schon hätte erzählen können, wo Waltraud in Beauxbatons war. Waltraud meinte dazu:

"Ihr beiden hattet wichtigeres zu bereden, denke ich. Aber ich fürchte, magistra Rauhfels könnte ziemlich ungehalten werden, wenn Bärbel und ich nicht gleich nachsehen, was die jüngeren Mädchen bei uns anstellen. Nicht das eine von denen bei den Jungs ins Zelt gerät."

"Derlei Fisimatenten dürfen wir nicht zulassen", grummelte Magistra Rauhfels. Dann winkte sie Bärbel und Waltraud, ihr zu folgen.

"Okay, dann haben wir hier wohl nichts mehr zu tun, Millie", erwiderte Julius. Er sah noch, wie die Gräfin Linda Knowles und den rotbärtigen Reporter anhielt, den Fluglehrer Windspiel seine Aufgaben erfüllen zu lassen. Er koordinierte offenbar die Jungen aus dem Greifennest-Tross. Die einzige, die im Moment nichts zu tun hatte war die Schulkrankenschwester Euphrasia Maiglock. Sie hatte bereits ein weißes Zelt mit der Äskulapschlange und vier Fahnenstangen aufgerichtet. Eine Fahne zeigte das Wappen von Greifennest. Die andere war die schwarz-rot-goldene Fahne Deutschlands. Die dritte Fahne war die rot-weiß-rote Flagge Österreichs und die vierte war die eidgenössische Flagge der Schweiz. Die Heilerin winkte den beiden jungen Eheleuten zu. Offenbar wollte sie noch was mit diesen bereden.

"Ich habe den niedergelassenen Heilern hier Eulen geschickt. In unserem Tross sind siebzehn Schüler, die des Englischen und zwanzig, die des Französischen mächtig genug sind, um sie als Übersetzer zu bemühen, wenn den uns anvertrauten Schülern was zustoßen sollte, was ich nicht hoffe. Gitta Winkels ist aus den gröbsten postnatalen Umstellungen heraus und wird von mir nachgeburtshilflich betreut. Das dürft ihr der werten Kollegin Matine gerne ausrichten, bevor sie auf die Idee kommt, das Mädchen auch noch zu beglucken."

"Interessante Formulierung", meinte Julius dazu. Schwester Euphrasia Maiglock lächelte.

"Natürlich kennen wir uns unter Kollegen. Ich weiß daher, daß die hier als Mutter-Kind-Betreuerin tätige Heilerin allzugerne jede junge Mutter betreut, die in ihrem Umkreis in freudiger Erwartung ist oder ein Kind über das erste Jahr bringt. Ich habe kein großes Bedürfnis, mich mit ihr in einem unnötigen Zuständigkeitskonflikt zu ergehen. Das dürft ihr ihr gerne so weitergeben."

"Nur wenn Madame Matine weiß, daß eine Schülerin aus Greifennest gerade Mutter geworden ist", erwiderte Julius.

"Ich habe es ihr mitgeteilt, weil ich davon ausgehen muß, daß sich sowas sofort herumspricht, zumal ihr in Beauxbatons ja selbst vor bald vier Jahren eine minderjährige Mutter einplanen mußtet. Aber ich treffe die Kollegin ja am Montag eh zur informellen Heilerzusammenkunft, wo schon so viele von uns hier in Millemerveilles herumlaufen."

"Ich denke, Madame Matine wäre am Ankunftspunkt gewesen, wenn sie nicht der Meinung wäre, daß Fräulein Winkels bei Ihnen gut aufgehoben sei", übte sich Julius im Komplimentemachen. Millie grinste. Die Heilerin von Greifennest lächelte und sah Millie an:

"Hast du ihm beigebracht, derartige Komplimente auszuteilen?" Fragte sie. Millie grinste und erwiderte:

"Ich bin nicht die einzige, die Julius gut ausbildet, Fräulein Maiglock. Aber ich freue mich immer drüber, wenn mein Mann was nettes zu mir sagt."

"Ich konnte nicht übersehen, daß ihr zwei euch für Gitta und ihr Kind interessiert. Da ihr zwei ja schon verheiratet seid habt ihr euch sicherlich schon mit den für Ehepaare gültigen Verhaltensgrundlagen in Beauxbatons befaßt", erwiderte die Schulkrankenschwester aus Deutschland. Millie und Julius nickten. "Mehr muß ich nicht wissen", bemerkte Euphrasia maiglock noch dazu. Julius nickte. Er sah Linda Knowles, die gerade disapparierte, während ihr Kollege auf den dicken Jungen in Leder zuging, weil Windspiel gerade nicht auf ihn achtete.

"Moment, daß müssen wir schnell klären", sagte die Heilerin auf Französisch und disapparierte aus einer schnellen Bewegung heraus, um keinen Augenblick später zwischen dem Jungzauberer und dem Reporter zu stehen.

"Sah so aus, als wolle der rote Schnurrbart gerade sichere Beute einfahren", sagte Julius seiner Frau. Diese nickte.

"Wenn ich den Burschen vom Gesicht her richtig erkannt habe ist das der Kronprinz von Österreich, Joseph genannt Beperl Rosshufler. Kann sein, daß Rotbart gemeint hat, den mal eben im Vorbeigehen interviewen zu können, um was über seinen Vater rauszuholen. Kein Wunder, daß Madame Rossignols Kollegin da ganz schnell gesprungen ist."

"Der Typ kann englisch, spricht aber mit deutschem Akzent, wie ich den in Fernsehnachrichten von deutschen Politikern mitgekriegt habe. Kommt wohl aus der Gegend."

"Ziemlich sicher. Könnte von der Zeitschrift "Die wilde Jagd" sein, die sich mit Besen und Quidditch befaßt oder von einer deutschen Zaubererwelttageszeitung."

"Haben wir hier noch was zu tun?" Fragte Julius seine Frau. Die Antwort kam in Form von Waltraud Eschenwurz, die eine Kurzstreckenapparition fast vor Julius Füße ausführte.

"Barbarossa wollte sich wohl an Bepperl dranhängen, weil der schon volljährig ist und daher den Nicht-ansprache-Schutz für Minderjährige entwachsen ist. Achso, den kennt ihr wohl nicht. Joseph Rosshufler ist der Sohn des österreichischen Zaubereiministers und wird schon drauf getrimmt, bei Papa im Amt anzufangen. Der spricht neben Deutsch und Wienerisch noch Englisch, Französisch, ungarisch, Italienisch, Serbokroatisch und Tschechisch, wo ich gerade mal mit Französisch, Latein und Spanisch als zusätzliche Fremdsprachen dienen kann, neben Plattdeutsch und Hochdeutsch natürlich. Barbarossa heißt bürgerlich Fridrich Rosenquarz und schafft für die wilde Jagd, unsere Sportzeitung, liefert aber für den Zauberturm und für die Feenstimme Artikel ab, wer so alles wichtiges bei Sportveranstaltungen zuschaut oder mitmacht und was in der Familie von diesen hochgestellten Leuten so abgeht. Könnte dem einfallen, euch zu interviewen, weil ihr mit der Chefin des Organisationskommitees hier verwandt seid."

"Wir haben schon Übung mit Lino und diversen Leuten hier", erwiderte Julius. Dann kam ihm ein Geistesblitz und er sagte: "Aber interviewen darf uns nur Gilbert Latierre von der Temps de Liberté. Wir haben mit dem einen Exklusivvertrag und Erstverwertungsabkommen. Wenn der Rotbart und Lino oder die Giftfeder Kimmkorn was von uns wollen, müssen die das beachten."

"Schon praktisch, einen Reporter in der Familie zu haben", grinste Waltraud. "Bärbels Mutti schafft für die Feenstimme und hat ihr deshalb auch sowas exklusivmäßiges abgehandelt, damit die nicht von Leuten wie Rosenquarz angequatscht werden braucht."

"Wieso, ist Bärbel außerhalb von Greifennest wichtig?" Fragte Millie provokant.

"Ihr Vater ist Chef im Muggelverbindungsbüro und wegen diverser Sachen, die in den beiden letzten Jahren liefen entsprechend begehrt bei den Schreiberlingen." Julius sog Luft zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen ein. Seine Mutter hatte mit einem deutschen Zauberer Weizengold zu tun gehabt. Das war einige Tage vor Millies und seiner Wanderung über die Brücke der Mondburg. Er sagte dazu nur:

"Deshalb kam mir der Name so bekannt vor. Meine Mutter ist ihm dann schon mal begegnet. Du weißt ja, daß sie für das französische Zaubereiministerium arbeitet, Waltraud."

"Ja, weiß ich. Soweit ich mitbekommen habe steht ihr wohl demnächst sogar eine Beförderung in Aussicht." Julius hatte dergleichn nicht gehört. Er vermutete nur, daß Waltraud meinte, daß seine Mutter demnächst als vollwertige Mitarbeiterin ein wenig mehr Gehalt bekommen würde, wenn die ZAG-Nachholprüfungen klappten. So sagte er nur:

"Ich denke, sie freut sich auch jetzt schon, daß sie was nützliches in der Zaubererwelt machen kann, wo erst nicht klar war, ob sie und ich hier in Frankreich gut aufgenommen werden. Flüchtlinge haben ja ein gewisses Mißtrauen gegenüber neuen Orten."

"Sollte Grandchapeau deine Mutter rauswerfen kommt die jederzeit anderswo unter, Julius", erwähnte Millie. "Sandrines Lebensgeberin lauert ja förmlich drauf, die wieder hier einzustellen. Und unsere Verwandtschaft bekäme die im Hui irgendwo neu unter, wo sie sich gut aufgehoben fühlt." Waltraud sah Millie und Julius fragend an. Julius bat darum, darüber an einem Ort zu sprechen, wo sie nicht aus der Ferne abgehört werden konnten. Waltraud zückte ein Notizbuch heraus und gab es Julius. Dieser schrieb auf die oberste freie Seite eine Wegbeschreibung zum Apfelhaus und die Notiz: "Nur, wenn du dich frei bewegen darfst." Sie schrieb darunter: "Ich komme heute Nachmittag gegen fünf vorbei. Dann sind wir wohl alle unterwegs." Julius nickte und sagte laut, daß sie nun wieder nach Hause müßten, weil sie ja Gloria als Gast hätten. Dann flogen Julius und Millie auf dem Familienbesen weiter über Millemerveilles herum. Bei der Grünen Gasse sahen sie Neville Longbottom, der sich gerade von Jeanne Dusoleil verabschiedete. Sie wirkte ein wenig angestrengt. Das lag wohl an der freudigen Last, die sie trug. Neville winkte Julius zu. "War voll genial die Führung. Ich habe jetzt alle interessanten Pflanzen in Englisch und Französisch und mir noch Regenbogenstrauchsamen besorgt. Oma wollte so einen Strauch bei sich hinpflanzen." Besagte Großmutter Nevilles verließ gerade eine der öffentlichen Bedürfniskammern der grünen Gasse und bedankte sich auch noch einmal bei Jeanne und wünschte ihr für die anstehende Zwillingsgeburt viel Glück und Durchhaltevermögen. Dann gingen Oma und Enkel Longbottom davon, um sich noch anderswo umzusehen.

"Das war also der Führer der Widerstandsbewegung in Hogwarts", meinte Jeanne. "Der ist echt gut vorinformiert. Will der mal Heiler, Apotheker oder Herbologe werden?"

"Mit Kräuterkunde hat er es am besten von allen Fächern, weiß ich. Aber ich hörte auch, daß der nach dem Ausbruch von Bellatrix Lestrange einen mächtigen Leistungsschub hingelegt hat. Womöglich ging er davon aus, gegen dieses Biest persönlich kämpfen zu müssen. Irgendwas hat sie mit seiner Familie angestellt, und da sicher nichts gutes."

"Seine Großmutter ist sehr streng mit ihm, aber auch wohl sehr stolz. Die hat ihn wohl alleine großgezogen."

"Passiert leider vielen Großmüttern, daß sie ihre Enkel großziehen müssen", seufzte Julius. Er dachte an Andromeda Tonks, die ihren metamorphmagischen Enkel Ted ohne dessen Eltern aufziehen mußte, weil diese bei der Schlacht von Hogwarts gefallen waren. Jeanne erwähnte, daß sie froh sei, daß sie sich mit ihren Eltern noch über Viviane und die beiden künftigen Kinder freuen konnten. Millie wollte wissen, wie rum die beiden denn jetzt ankommen würden.

"Hera meint, die würden das noch nicht klar ausgemacht haben. Die liegen gerade beide nebeneinander. Wird sich wohl im letzten Monat rausstellen, ob erst der Junge und dann das Mädchen mein kleines Wartehäuschen verlassen möchte, je nachdem, ob die mit ihren Namen zufrieden sind, die sie dann kriegen würden. Wenn der Junge Belenus heißen will muß er zuerst raus. Wenn die Kleine aber unbedingt Janine heißen will wird sie sich vordrängeln. Bruno und ich sind uns da ja einig, daß wir die Namen erst nach der Geburt zuteilen. Andere Zwillingsmamans haben damit kein Problem."

"Sollte mir das passieren, Julius, denke ich doch, daß wir das lange vorher wissen, wie wer heißt", meinte Millie. Julius nickte. Dann sagte er, daß sie zusehen müßten, ob ihre Gäste vor verschlossener Haustür standen. Jeanne lächelte.

"Gloria habe ich vorhin mit Pina über der grünen Gasse herumfliegen sehen können, und Brittany ist beim Farbensee und probiert Papas neues Spielzeug aus."

"Das Unterwasserboot?" Fragte Millie. Jeanne grinste nur und flüsterte: "Nein, den Schutzanzug." Julius grinste und nickte. Dann verabschiedete er sich von der hoffnungsvollen Mutter und flog mit Millie zum Farbensee. Dort bediente Bruno das schlanke, graue U-Boot, daß Florymont nach den Vorgaben aus Jules Vernes Roman "20.000 Meilen unter dem Meer" gebaut hatte. Die Besen der Besucher konnten in einem Frachtraum untergebracht werden. So gingen Julius und Millie darauf ein, eine Fahrt mit der "Nautilus" mitzumachen. Bruno hatte von Florymont gelernt, wie das U-Boot zu fahren war.

Die Passagierräume waren mit großen, gewölbten, unzerbrechlich gezauberten Fenstern ausgestattet. Der Boden wurde von einer rutschfesten Gummimatte bedeckt, die wohl auch Schalldämpfend wirkte. Julius nahm neben seiner Frau in einer der Zweierreihen aus korallenroten Sesseln platz. Weitere Gäste bestiegen das U-Boot, darunter Pina und Gloria. Julius mentiloquierte Gloria, daß sie auch an Bord waren. So setzten sich die beiden Schulkameradinnen zu ihnen.

"Mike und Prue kommen auch noch", sagte Pina. "Kannst du Prue anmeloen, daß wir schon in einem Abteil sitzen?" Julius nickte und gedankenrief Prudence Whitesand, die mit ihrem jungen Mann und dem kleinen Perseus gerade auf dem Markt war. Als sie erfuhr, daß die "Nautilus" in zehn Minuten ablegen würde, kam sie per Apparition mit Mike Seit an Seit an. Für Uneingeweihte war nicht zu erkennen, wer da wen geführt hatte. So stiegen die Whitesands auch noch zu. Das Abteil wurde voll. Insgesamt konnten in den vier wasserdicht schließenden Räumen zweihundert Passagiere Platznehmen. Deshalb brauchten die Ausflügler auch nur fünf Sickel pro Fahrt hinzulegen. Das U-Boot füllte sich. Dann läutete Bruno eine große Glocke. Laut krachend schlugen die vier Zustiegsluken zu. Ratternd rasteten Verriegelungen ein. Julius hatte noch nie in einem U-Boot gesessen. Sowas oder ein Raumschiff gehörten bis dahin zu seinen unerfüllten Wunschträumen. Getaucht war er schon häufiger. Vielleicht war es nicht so prickelnd, wenn sie in einem druckdichten Raum im Trockenen saßen. Doch als die "Nautilus" ablegte und mit dem rhythmischen Tuckern der magicomechanisch betriebenen Schrauben Fahrt aufnahm, dachte Julius nicht daran, sich zu langweilen. Dann gluckerte und gurgelte es, als das Boot die Ballasttanks flutete und sichtlich schaukelnd unter die Wasseroberfläche sank.

"Meine Damen und Herren, willkommen auf unserer Fahrt im See der Farben", hörten sie Brunos Stimme wie von überall her klingen. "ich darf sie im Namen der Abteilung zur Betreuung von Besuchern der Quidditch-Weltmeisterschaft herzlich auf dieser außergewöhnlichen Reise begrüßen. Mein Name ist Bruno Dusoleil und ich werde für die nächsten anderthalb Stunden Ihr Kapitän und Reiseführer sein. Der See der Farben gehört zu den außergewöhnlichsten Sehenswürdigkeiten von Millemerveilles und bietet neben seiner atemberaubenden Unterwasserlandschaft mit vielen magischen und nichtmagischen Pflanzen ein großes Angebot von Unterwasserbewohnern vom Wasserfloh bis zum Meermenschenhäuptling. Sie alle kennen unsere Gemeinde und ihre Sehenswürdigkeiten. Millemerveilles ist jedoch nicht die einzige magische Ansiedlung im Umkreis von zehn Kilometern. Auf dem Grund des Sees haben sich vor mehr als fünfhundert Jahren mehrere Familien von Wassermenschen angesiedelt, die die Fischerei der magielosen Menschen nicht aushalten konnten und ähnlich wie in einem See in Schottland eine größtenteils ungestörte Ansiedlung errichten wollten. Wir werden auf unserer Fahrt im Abstand von zweihundert Metern am Rand der Siedlung entlangfahren, um die Bewohner nicht mehr als nötig in ihrem alltäglichen Leben zu stören. Vorher werden wir die berüchtigten Schlingpflanzenwälder durchqueren, in denen sich mit den Wassermenschen auch eine große Population von Grindelohs angesiedelt hat. Freien Tauchern sind diese kleinen, aber hinterhältigen Wasserwesen wohl sehr bekannt, da sie immer versuchen, arglose Schwimmer, Fische oder Weichtiere zu ergreifen und solange festzuhalten, bis sie erschöpft sind, oder, wie im Falle von Säugetieren, qualvoll ertrinken. Dieses Schicksal kann ihnen in der "Nautilus" nicht widerfahren. Denn unser Antrieb ist zu stark, um von Grindelohs festgehalten zu werden, und der Körper unseres Fahrzeuges ist gegen den dreißigfachen Druck der im See größten Wassertiefe gepanzert. Somit können Sie unbesorgt die Aussicht genießen. Möchten Sie etwas genauer betrachten, empfehlen wir Ihnen die unter ihren Sitzen bereitliegenden Unterwasserfernrohre, die auf Lichtarmut und Wassermenge optimiert sind. Damit können Sie auch näheres in den öffentlich einsehbaren Bereichen der Wassermenschenansiedlung beobachten. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und ein kurzweiliges wie interessantes Erlebnis."

"Die haben sicher ein Abkommen mit den Wasserleuten", vermutete Prudence, während Michael sichtlich aufgeregt aus dem Fenster blickte, weil er bisher keine echten Zaubertiere unter Wasser gesehen hatte.

Das Boot besaß gewaltige Leuchtkristallkörper, die aufleuchteten, als das sie umgebende Dämmergrün der Unterwasserwelt für unbewaffnete Augen undurchdringlich zu werden drohte. Mike Whitesand hatte sein kleines Fernrohr hervorgeholt und blickte in die von den Lichtern nicht ausgeleuchteten Bereiche hinein. Julius tat es ihm gleich und erklärte ihm, welche bunten Pflanzen sie da zu sehen bekamen. Dann ging es über den Schlingpflanzenwald hinweg. Julius konnte mehrere Dutzend grüne Geschöpfe erkennen, die aus dem wogenden Gesträuch hervorlugten. Gehörnte Köpfe schnellten aus den Schlingpflanzen und zogen sich sofort wieder zurück. Offenbar fürchteten die sonst so kampflustigen Grindelohs das Boot oder wußten, daß sie es nicht zu fassen bekamen. Zumindest ging Julius davon aus, bis ein Pulk dieser Wasserdämonen von oben her angriff und dreißig Grindelohs mit Steinen auf das Boot eintrommelten. Mehrere Grindelohs setzten sich auf das Boot und versuchten, es in die Tiefe zu drücken. Bruno tat wohl erst einmal so, als führe er ganz normal weiter. Dann jedoch surrte etwas unheilverkündend, und wie von Katapulten geschnellt verschwanden die Grindelohs von den Deckplatten und wanden sich wie unter Schlägen. Womöglich hatten sie auch einen Schlag erhalten. Mike setzte das Fernrohr ab, während Pina verdrossen dreinschaute.

"Ey, der Kahn hat Starkstromleitungen außen?" Fragte er.

"Sah so aus", erwiderte Julius. "Wir hatten allein dreißig Grindelohs zu sehen bekommen. Wer weiß, wie viele noch da waren, wo wir nicht hingucken konnten", sagte Julius.

"Das ist gemein, die so zu quälen", knurrte Pina. Gloria rümpfte nur die Nase und meinte:

"Die wollen's doch nicht anders, Pina. Wenn du frei im See tauchst und dich ein Grindeloh am Bein packt würdest du dem auch was zufügen, daß er dich wieder losläßt."

"Deshalb waren die anderen Kerlchen so scheu, als wir über die weggetuckert sind", meinte Mike. "Kannst du Monsieur Dusoleil fragen, ob der mir auch so Solargeneratoren bauen kann, wie du einen hast, Julius?"

"Mike, wir brauchen das doch nicht", schnarrte Prudence. "Wenn du diese Internetsachen machen willst gibt es genug Stellen, wo wir dafür hingehen können."

"Prudence, ein paar Sachen könnten uns aber schon das Leben erleichtern", meinte Mike Whitesand. Julius hörte dem aufgekommenen Geplänkel einige Minuten zu und sagte dann: "Ich kann ihn fragen, wenn ihr zwei euch einig seid, daß ihr einen haben wollt, Mike und Prudence."

"Mike hat nur Angst, er könne was aus der magielosen Welt verpassen. Für uns zu Hause brauchen wir keinen Elektrostrom."

"Und kein Telefon, um Onkel Ryan und ... seine zukünftige Frau anzurufen", knurrte Michael Whitesand, der früher mal Leeland mit Nachnamen geheißen hatte. Offenbar wollte er sagen, daß er seine Mutter anrufen oder E-Mails an sie schicken wollte. Doch gerade wohl im letzten Augenblick fiel ihm ein, daß er in der Zaubererwelt keine Mutter hatte. Und Julius hatte ihm ja erzählt, wie Linda Knowles Ohren wirkten. Selbst Metertief unter Wasser mochten sie noch sehr vertrauliche Sachen auffangen. Julius schrieb schnell eine Notiz für Prudence auf: "Für ein Handy-Ladegerät solltet ihr zumindest Strom haben, damit Mike zwischendurch mal mit seiner Mutter und mit Mel reden kann." Prudence nahm den Zettel, reichte ihn an ihren Mann und nickte dann. "Klären wir nach der Weltmeisterschaft, wenn dieses Langohr weit genug weg ist", mentiloquierte sie an Julius.

Die Fahrt ging durch den ganzen Farbensee, rund herum um die Wassermenschensiedlung. Offenbar hatten Florymont und andere mit den Unterwasserbewohnern ein Abkommen, daß die Siedlung nicht überquert werden durfte. Doch für die Passagiere gab es genug zu beobachten. Mike meinte einmal: "Kann mir vorstellen, daß die sich genervt fühlen könnten. Ist ja kein Disney World. Die haben es da wo sie wohnen sicher auch nicht leicht."

"In dem See geht es noch, solange der nicht zugemüllt wird", erwiderte Julius. "Die im offenen Meer haben wohl Probleme mit Unterseevulkanen, Strömungen, Schwert- und Pottwalen und dem ganzen Unrat, der von den Schiffen ins Meer gekippt wird."

"Schon merkwürdig, was auf unserem Planeten alles existiert, ohne daß das wer mit technischen Geräten rausfinden kann", sagte Mike. Pina grinste und erwiderte, daß das ja das schöne an dieser Welt sei, daß da so viel überraschendes zu finden sei. Offenbar kannte sie Mikes Bestreben, irgendwann auch mal in den Weltraum zu fliegen. Doch daran war jetzt wohl nicht mehr zu denken, wo Mike durch Sophia Whitesand magisch aktiviert war und dies wohl nicht mehr rückgängig zu machen war.

Nach der Fahrt im U-Boot kehrten die Latierres mit Pina, Gloria und den Whitesands zum Apfelhaus zurück, wo sie Brittany trafen. Diese mentiloquierte Julius:

"Schade, daß dieser Anzug nur von Ministerien geordert werden kann. Mit dem Teil könnte Mom im Meer Sachen erforschen."

Am Nachmittag saßen Bewohner und Gäste des Apfelhauses auf der Wiese vor dem runden Haus und musizierten. Als Waltraud Eschenwurz auf der Landewiese apparierte lud Millie sie gleich zum Kaffeetrinken ein. Dabei unterhielten sie sich über Greifennest und Thorntails. Gegen abend konnte Julius der ehemaligen Austauschmitschülerin im Schutze eines Klangkerkers erzählen, was mit seiner Mutter passiert war und daß sie wohl gerade die ZAGs nachholte, um unkompliziert weiterarbeiten zu können.

"Ach, das Ritual. Kann aber leicht nach Hinten losgehen. Da hat es eine Hexe mal zu gut gemeint und den, mit dem sie das Ritual gemacht hat zu ihrem eigenen Baby zurückschrumpfen lassen. Da wurde ein Zauberer sein eigener Neffe. Auch keine tolle Vorstellung, obwohl es hieß, daß er bei der Aktion seinen gesamten Erfahrungsschatz eingebüßt hat. Aber womöglich wurde das nur behauptet, um diese Methode nicht als beliebte Verjüngungsmaßnahme rumgehen zu lassen. Denn Iterapartio-Babys sollen angeblich alles im Kopf behalten, eben nur erst einige Zeit vor der Wiedergeburt was damit anfangen können."

"Schon riskant, was Madame Eauvive mit meiner Mutter gemacht hat", sagte Julius. "Mir vorzustellen, daß ich zu Madame Eauvive vielleicht Oma hätte sagen dürfen. Na ja, ist ja noch mal gutgegangen."

"Und du kommst wunderbar mit Millie klar?" Fragte Waltraud Julius. Dieser bejahte es. "Ich habe schon gedacht, daß du nach Claires Tod nicht zu lange warten kannst, weil an dir doch zu viele Mädels dranhingen. Was macht meine selbsternannte Konkurrentin Bernadette gerade?"

"Ui, die Geschichte ist lang und absolut nicht für jeden gedacht", erwiderte Julius. "Nur so viel zum Anfang: Sie hat was ganz ungehöriges angestellt und darf deshalb nicht mehr weiter in Beauxbatons lernen. Das will sie auch nicht mehr."

"Was, die? Die hätte mir am liebsten doch irgendwas ans Bein gebunden, so eifersüchtig die war, weil ich in den ganzen Fächern mithalten konnte. Ich sag's keinem weiter. Aber was ist mit der Schnepfe passiert?" Julius holte tief Luft und erzählte Waltraud die Geschichte, wie er sie mitbekommen hatte. Die Folge war ein lautes Lachen Waltrauds. Dann sagte diese:

"Wegen solcher Pimpfe hat die ihr ganzes Leben weggeworfen und will auch noch das Balg von so einem Großmaul ausbrüten, nur um diesen Kerl gefügig zu halten? Wen will die damit wirklich strafen? Wem will die damit imponieren? ich hätte diesem Cyril gesagt: "So, du hast mir ein Kind gemacht. Loswerden kann ich es nicht. Also kriege ich es. Dein Pech! Dieser Fluch ist doch wirklich grottendumm."

"Denkt sie nicht. Für sie ist es die angeblich gerechte Strafe für Cyrils Mißachtung. Und Gaston ist wegen dieser total dummen Sache auch aus Beaux geflogen."

"Wo der im Jahr davor schon einmal hinausgeworfen wurde? Wie erwähnt, Julius. Das ist wirklich trolldumm, wegen so einem das ganze Leben umzuschmeißen. Mich ärgert bei der ganzen Kiste nur, daß diese Gans einen Riesenaufstand gemacht hat, weil du und ich ihr achso heilig hohes Leistungsniveau locker mitgehen konnten, ohne als totale Streber rüberzukommen. Für was war denn das jetzt gut? Für den Abfall?"

"So gesehen für die Windeln, die ihr unverhofft zugeflogenes Kind demnächst vollmachen darf", grummelte Julius. Dann wies er Waltraud noch einmal darauf hin, niemandem was zu erzählen. Er hatte es ihr auch nur erzählt, weil sie mit zu denen gehört hatte, die von Bernadette dumm angequatscht worden waren. Sie meinte dann noch:

"Zumindest sollte mir das als warnendes Beispiel dienen, mich nicht mit einem jungen Typen ohne doppelte und dreifache Vorsichtsmaßnahmen einzulassen. Ich weiß auch nicht, ob die paar Minuten Bodenturnen das echt bringen. Aber ich merk's, daß ich ja echt wie die meisten anderen Mädels drauf geprägt bin, irgendwann mal mit einem von euch Jungs was anzustellen. Vielleicht kriege ich das dann raus, was an diesem Nackttanz so prickelnd ist."

"Ich wünsche dir bei dieser Forschungsarbeit viel Erfolg!" Erwiderte Julius. Waltraud grinste. Denn sie konnte sich denken, daß Julius ihr da erfahrungstechnisch einiges voraushatte.

Da die Greifennest-Schüler um acht Uhr bei ihrem Lager zu sein hatten mußte Waltraud das Angebot ablehnen, bei den Latierres zu essen. Nach dem Abendessen saßen die derzeitigen Bewohner des Apfelhauses noch einige Stunden im freien. Millie und Julius erklärten, daß sie morgen ab elf Uhr im Einsatz waren und dieser Einsatz bis kurz vor dem eröffnungsspiel um acht Uhr Abends stattfand. Da die Brocklehursts, Gloria und Pina Karten für das Eröffnungsspiel hatten, kam sich keiner ins Gehege. Nur für die anderen Spiele sollte ein Plan aufgestellt werden, daß mindestens einer der Apfelhausbewohner zu Hause war, um die Gäste hinein- oder hinauszulassen. Da Julius sich zu gerne die britischen Spiele und die von Australien ansehen würde, wollte Millie dann die Hauswache übernehmen. Da Millie sich die Spiele der Belgier, Deutschen und spanischsprachigen Mannschaften ansehen wollte, würde Julius zu diesen Zeiten die Wache übernehmen. Als sie das alles soweit geregelt hatten, zogen sie sich in ihre Schlafzimmer zurück. Julius dachte an Kevin. Er wußte immer noch nicht, ob er ihn und seine Familie zu seinem siebzehnten Geburtstag einladen sollte. Vielleicht sollte er noch einmal über einen Mittelsmann versuchen, Kevin zu bewegen, sich bei ihm zu entschuldigen. Denn, das wußte er, ihm alles durchgehen zu lassen, was er sich geleistet hatte, würde das Verhältnis zwischen ihm und Julius nicht reparieren.

__________

Am Sonntag morgen stellte eine Posteule eine kostenlose Ausgabe der Fachzeitschrift "Quaffel & Co." zu. Darin fand Julius das von Connie Dornier geführte Interview mit Aurora Dawn und übersetzte es für die englischsprachigen Hausgäste. Da er ja beim Interview dabei gewesen war, konnte er bestätigen, daß Constance Dornier nichts hinzugedichtet oder wichtiges weggelassen hatte. An das Interview war noch ein Interview mit Hippolyte Latierre angehängt, die Fragen zum Ablauf der Weltmeisterschaft, sowie den Regeln beantwortete. Sie erwähnte, daß jede Nationalmannschaft eigene Besen mitbringen dürfe. Was das Doppelachsenmanöver anginge, so dürfe es wohl ausgeflogen werden, da es den Quidditchregeln nach nur verboten sei, gegnerische Spieler körperlich zu behindern. Sie sei sich dessen bewußt, daß die Anwendung dieses Manövers spielentscheidend sein könne. Doch dies gelte auch für andere Flugmanöver. Der Wronsky-Bluff sei auch nicht verboten worden, obwohl seine Anwendung in den letzten Jahren mehrere schwere Sucher-Unfälle verursacht habe. Dann ging es noch um die Schiedsrichter. Insgesamt waren zweiunddreißig Schiedsrichter angeworben worden, da die erste Runde ja so viele Spiele beinhaltete. Das Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber Frankreich und Tunesien würde die ehemalige isländische Starsucherin Ilva Gudmunsdottir leiten.

"Weißt du schon, ob Frankreich auch irgendwelche Zauberwesen als Maskottchen vorführen wird?" Fragte Brittany leicht ungehalten klingend. Julius schüttelte den Kopf. Ebenso reagierte Milie, als Brittany sie fragend anblickte. Linus Brocklehurst erwähnte dazu:

"Außer meiner Frau lehnt niemand die Vorführung von Zaubertieren oder Zauberwesen als Spielbegleiter ab. Bin mal gespannt, wer so was bringt."

"Die ganzen mitgebrachten Zauberwesen werden gesondert untergebracht", sagte Millie. "Die dürfen nur von denen aus der Mannschaft besucht werden, hat meine Mutter mit den Leuten aus dem Zauberwesenbüro und ihrer Schwester aus dem Tierwesenbüro klargestellt."

"Moment mal, dann kann ich deine Tante wegen Bob Bigfoot anschreiben?" Fragte Brittany. Millie grinste und nickte. Dann sagte sie noch:

"Britt, anschreiben kannst du sie wohl. Englisch lesen und schreiben kann meine Tante. Aber ob sie dir was antwortet, was dir gefällt glaube ich nicht. Du möchtest doch wohl, daß Bob in seine Heimat zurückgebracht wird, oder?"

"Zumindest, daß er nicht während der ganzen Spiele von uns am Spielfeldrand herumtanzen muß, wo Zweihunderttausend Zuschauer mehr als einen Tag lang herumlärmen können. Das Stadion der Peaks faßt nur zehntausend Zuschauer", erwiderte Brittany.

"Es steht zu vermuten, daß meine Tante Barbara heute auch zur Eröffnung kommt. Dann kannst du ihr gerne den Brief selbst in die Hand drücken", schlug Mildrid Brittany vor. Linus grinste. Brittany verzog erst das Gesicht. Doch dann sah sie sehr entschlossen auf alle am Frühstückstisch und nickte.

Da die Hausbesitzer um elf Uhr zusammen zum Einsatz vor der Eröffnung anzutreten hatten, verließen alle Gäste um kurz vor elf Uhr das Apfelhaus. Millie sperrte die Kaminverbindung ab. Gloria und Pina apparierten außerhalb der Zutrittsbegrenzung zu ihren Familien, während Brittany und Linus auf ihren Besen losflogen, um sich unter die amerikanischen Zuschauerinnen und Zuschauer zu mischen. Einen Moment lang hatte Linus Julius merkwürdig angesehen, weil dieser erwähnt hatte, daß sie sich dann wohl erst nach dem Spiel wiedersehen würden. Millie hatte ohne Probleme erzählt, daß Julius und sie von ihrer Mutter für die Spiele mit französischer oder britischer Beteiligung Karten für die Ehrenloge bekommen hatten. Dort würden außer den beiden jeweiligen Zaubereiministern und ihrer Familien auch die Angehörigen der Spieler, sowie die Vertreter der Spiele- und Sportabteilungen Platz nehmen. Eine Ausnahme war die Eröffnungspartie, weil bei dieser hauptsächlich Zaubereiminister aus den Teilnehmerländern in der Ehrenloge sitzen würden. Julius wußte nicht, ob Tunesien ein starker Gegner war. Wenn die französische Nationalmannschaft problemlos die Doppelachsentechnik verwenden konnte, mochte er die Gäste aus Nordafrika schon bedauern. Er konnte nur hoffen, daß die Anhänger der Tunesier nicht wußten, wem Bruno, Janine und die Montferres diese Flugtechnik verdankten.

Zunächst jedoch galt es, die eingegangenen Verpflichtungen so gut es ging zu erfüllen. Dies begann für die Latierres damit, daß sie punkt elf Uhr in der ihnen zugeschickten Dienstbekleidung in der großen Halle des Gemeinschaftshauses antraten, wo die achtundvierzig anderen Besucherbetreuer zusammenkamen. Laurentine Hellersdorf wirkte angespannt, aber motiviert, als Madame Hippolyte Latierre sie alle noch einmal offiziell begrüßte und dann sagte:

"Sie hatten ja schon alle einige Stunden Zeit, sich in die Ihnen zugewiesene Verantwortung einzuarbeiten. Bisher sind mir auch keine Beschwerden von den Offiziellen der angereisten Mannschaften zugegangen, daß die Besucherbetreuung unzureichend oder unerträglich verliefe. Ich möchte Sie alle nur noch einmal darauf hinweisen, daß Sie jeden Gast gleichrangig zu betrachten haben. Seien Sie höflich und provozieren Sie nicht von sich aus! Werden Sie jedoch unstatthaft angeredet oder gar beleidigt, dürfen Sie im verhältnismäßigen Rahmen magische Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Verhältnisse ergeben sich aus der Art der Ihnen entgegengebrachten Fehlbehandlung. Besteht sie nur aus Worten, so sollten Sie alle versuchen, mit besonnenen Worten dagegenzuhalten, ohne Ihrerseits beleidigend aufzutreten. Werden Sie jedoch magisch angegriffen, ist Ihnen unmittelbare Selbstverteidigung ohne Rücksprache mit den Sicherheitsverantwortlichen gestattet, sofern diese die unmittelbare Aggression unterbindet. Dies sage ich vor allem, weil ich einer amerikanischen Zeitung entnehmen durfte, daß es unter den US-amerikanischen Besuchern zwei Zauberer gab, die sich bei der Ankunft hier fast ein Duell geliefert hätten und von Ihrem Kollegen Monsieur Julius Latierre darauf hingewiesen werden mußten, daß er genauso wie Sie alle befugt ist, magische wie rein körperliche Tätlichkeiten sofort zu unterbinden. Falls Sie fürchten, einer derartigen Situation hilflos gegenüberzustehen, wenden Sie sich bitte mit blauen Funken an die Sicherheitsmannschaft! Wir haben uns darauf verständigt, daß wir die Farbe Blau als Ruffarbe benutzen, weil die sonst üblichen roten Funken als internationale Warnung zu bekannt sind und Aggressoren entweder den Rufer schwerwiegend attackieren oder sich durch Flucht der Bestrafung entziehen mögen."

"Ähm, ich kann nur grüne, goldene und rote Funken machen", wandte Lothaire Bouvier verlegen ein.

"Das hatten wir aber alle bei Professeur Bellart", feixte Lothaires Cousin henri, der wegen seiner Kenntnis afrikanischer Sprachen bei den Besucherbetreuern war. "Cyanscintillo, vergleichbar mit Chloroscintillo für die grünen und Rhodoscintillo für die roten Funken. Allerdings mußt du dabei einen Fleck blauen Himmels im Kopf haben. Aber wie erwähnt hat Professeur Bellart uns das alles in der ersten erklärt."

"Was schon zwanzig Jahre her ist, Schlauberger", knurrte Lothaire verdrossen. Hippolyte räusperte sich energisch und verlangte von jedem, diesen Zauber praktisch auszuführen. Laurentine fragte, ob dafür noch Zeit sei. "Dafür muß Zeit sein, wenn es darum geht, ob Hilfe gerufen werden kann oder nicht", grummelte Hippolyte und formierte mit wenigen Worten und Handbewegungen ein Rechteck aus fünf nebeneinanderstehenden Reihen aus zehn Mitarbeitern. Julius stand zusammen mit Millie, Laurentine, Lothaire und dessen Vetter ganz vorne. "Ungesagt, wenn es geht!" Wies die Hauptverantwortliche der Weltmeisterschaft ihre Mitarbeiter an. Dann sollten die ersten fünf blaue Funken versprühen, die sofort zu einem Netz aus winzigen, blauen Lichtern an der Decke wurden. Millie, Laurentine, Julius und Henri feuerten eine regelrechte Fontäne aus blauen Funken ungesagt an die Decke. Lothaire schaffte es gerade, fünf knisternde Funken aus dem Zauberstab herausfliegen zu lassen. Millies Mutter war über Lothaires klägliche Darbietung nicht sonderlich erheitert. Sie bedachte die vier anderen mit einem lobenden Lächeln und ermahnte Lothaire, diesen Zauber am Besten noch in einem geschlossenen Raum zu üben. Dann lieferten die anderen fünfundvierzig Besucherbetreuer ihre blauen Funken ab. Virginie, die wie Julius und Lothaire für englischsprachige Besucher zuständig war, schaffte es wie Laurentine und Julius, einen armdicken Funkenstrahl zu erzeugen. So stellte Hippolyte den Einsatzplan kurzerhand um. Virginie sollte die Gäste aus Neuseeland morgen betreuen, während Lothaire dazu verdonnert wurde, die blauen Funken zu üben. Julius konnte ihm ansehen, daß er nicht begeistert war, wie ein Schuljunge abgemahnt zu werden. Doch auch Hippolyte strahlte keine Begeisterung aus, weil sie einem erwachsenen zauberer Wiederholungsstunden aufbrummen mußte. Offenbar fiel ihr ein, daß es sinnvoller gewesen wäre, das mit den blauen Funken schon bei der schriftlichen Einweisung der Betreuer zu erwähnen, damit die, die damit lange nichts mehr angefangen hatten sich wieder darin üben konnten. Diese Erkenntnis verstärkte sich wohl, als von den fünfzig Betreuern nur dreißig passable Funkenstrahlen erzeugen konnten. So sagte sie, daß die, die morgen frei hätten diesen Zauber auch nacharbeiten sollten. "So schwer ist der ja nicht", bemerkte sie noch ungehalten. Dann teilte sie die Aushilfsmitarbeiter auf ihre Positionen für die Eröffnungsfeier ein und stellte ihnen die Kartenkontrolleure des Hauptstadions und die diesen beigeordneten Sicherheitszauberer vor. Danach ging es per Besen zum Zentralstadion, wo Camille Dusoleil den wenige Millimeter kurzen Rasen inspizierte und ihr Mann gerade die Stadiontüren auf ihre Sicherheit prüfte. Weil das Eröffnungsspiel abends stattfinden sollte, würde der Amplumina-Zauber eingesetzt, der eine große Fläche hell genug ausleuchtete, um genug sehen zu können, ohne geblendet zu werden. Julius testete mit einem schnellen Lauf aus, wie schnell jemand die mit Läufern aus vergoldeten Fasern bedeckten Treppen hinaufeilen konnte. Da die Ehrenloge mit diversen Sicherheitszaubern gegen mögliche Wurfgeschosse und unbefugten Zutritt gesichert war, kamen nur Millie und er durch die Verbindungstür zwischen allgemeiner Tribüne und Ehrenloge, weil sie ihre Vorzugskarten schon mithatten, die wie eine Art berührungsloser Schlüssel wirkten.

Julius überblickte die sechzig Plätze in der ehrenloge. vier Dreierreihen aus je fünfzehn Sitzen wurden von zwei Durchgängen getrennt, die breit genug waren, daß sogar Mademoiselle Maxime bequem hindurchgehen konnte. Auf den höchsten Sitzen würden sich die Ministeriumsleute und ihre Angehörigen niederlassen. Gegen das Hinunterfallen schützte nach hinten eine hauchdünne, aber unzerbrechlich gezauberte Glaswand. Die goldenen, hochlehnigen Stühle besaßen breite Armlehnen. Diese wie die Sitzfläche und die innenseite der Rückenlehne waren mit einem Daunenbettgleichem blütenweißen Bezug versehen. Julius strich vorsichtig über das material, das er für Daunenfedern hielt. Doch es war noch weicher, wenngleich es sich nicht bis zur Sitzfläche durchdrücken ließ. Julius sah Hippolyte, die gerade mit Camille auf dem Spielfeld stand und die letzten Überprüfungen der Torpfeiler und -ringe machte. Als er bemerkte, daß sie gerade zu sehr beschäftigt war, probierte er einen der untersten Sitze aus. Er meinte, knapp über dem Stuhl in der Luft zu schweben, so weich umfing ihn die Polsterung. Er glaubte sogar, frei in einer Wolke zu baden, allerdings ohne die unangenehme kalte Nässe auf der Haut zu spüren. Einige Sekunden gab er sich diesem Gefühl hin. Dann stieß er sich aus dem hohen Lehnstuhl ab und stellte sich auf seine Füße. Er blickte auf die Tribüne hinunter. Stehplätze gab es keine. Die Stühle waren etwas kleiner und schmaler. Wie die Speichen eines Rades durchzogen Längsgänge die unzähligen Reihen der weißen, orangen, blauen, grünen und violetten Stühle, die alle mit kirschroten Polstern bezogen waren. Ob diese Polsterung ähnlich weich war wie die weiße Polsterung der Logenplätze? Julius wollte es wissen. Er verließ die Loge und lief einige Absätze hinunter. Er betrat eine der unteren Reihen und nahm auf einem der Stühle Platz. Die Wirkung war nicht so imposant wie oben. Doch wer hier saß wurde auch gut gepolstert. Allerdings merkte jemand hier noch, daß er oder sie auf einem Stuhl saß. Virginie Rochfort kam auf Julius zu.

"Nah, willst du die Stühle probesitzen? Hat meine Mutter schon gemacht und hier einmal fünf Stunden am Stück gelesen, ohne sich ihr Gesäß oder den Rücken plattzudrücken."

"Ich habe ja für das Englandspiel eine Karte für ganz oben, Virginie. Da konnte ich kurz die Stühle antesten. Wie geht sowas, daß du meinst, zu schweben?"

"Da fragst du besser Madame Arachne und Florymont. Die haben den Bezug hinbekommen. Angeblich soll da eine Kombination von Polsterungs- und Federleichtzauber eingewirkt worden sein, die der Zauberkunst noch nicht so geläufig ist. Runenweberei macht das wohl möglich."

"Ich kam mir vor wie ein Engel auf einer Wolke. Fehlte nur noch die Harfe", bemerkte Julius dazu.

"Hmm, den Vergleich kann ich jetzt nicht ziehen, weil ich dafür ja dieses Himmelreich der Christen kennen müßte, und da kommt ja wohl nur rein, wer tot ist." Julius nickte und entgegnete:

"Gut, der Vergleich ist nicht haltbar. Aber es ist wirklich so, als würdest du auf einer Wolke über dem Stadion schweben."

"Wie erwähnt, das geht wohl mit Runenweberei. Dann ist wohl auch das Material wichtig. Das könnten Betriebsgeheimnisse von Madame Arachne sein. Vielleicht sind die Ehrenplätze eine Art Vorführmodell für interessierte Kunden, die Kissen oder Sitzbezüge aus diesem Gewebe haben möchten. Die ganze Weltmeisterschaft ist ja wenn du es möchtest auch ein Schaulaufen unserer magischen Erzeugnisse und Dienstleistungen."

"Ach, dann wird auf der Anzeigetafel da auch Werbung abgespielt?" Fragte Julius Virginie. Wie Auf Stichwort dunkelte sich die bis dahin mattgraue, auf vier mannsdicken Säulen lagernde Tafel ab. Eine Sekunde später erschien das Bild einer farbenfrohen Wiesenlandschaft, auf der zwei Fliegenpilzhäuser der Varanca-Geschwister standen. Ein Zauberer und eine Hexe in regenbogenfarbigen Umhängen verließen die Häuser und strahlten die Zuschauer an. Aus ihren Stirnen quollen rosarote Blasen, die zu kopfgroßen Sphären wurden, in denen mit leuchtenden Buchstaben die Worte "Herrlich bequem und geräumig, diese Varanca-Ferienhäuser" gebildet wurden. Dann verschwand die Abbildung auch schon wieder. Die Tafel blieb jedoch nachtschwarz, um dann in aus sich golden leuchtenden Zahlen verschiedene Ergebnisse zu simulieren. Dann flogen weitere Werbebotschaften mit und ohne begleitende Bilder über die Tafel. Einmal mußte Julius grinsen, als er die Projektion eines fröhlich grinsenden Babys sah, aus dessen zahnlosem Mund eine rosarote Sprechblase hervortrat, in der stand: "Seitdem meine Maman die Reisewindeln von Pirot & Pirot benutzt, brauche ich eine Woche lang nicht mehr gewickelt werden. Toll, ne?" Das hatte Jeannes und Martines Klasse doch in die Abschiedsvorstellung eingebaut. Also gab es diesen lautlosen Werbespot tatsächlich. Virginie erkannte an Julius' Miene, daß dieser die Anpreisung wohl wiedererkannt hatte und meinte:

"An und für sich hätten Jeanne und Barbara von Pirot & Pirot Gebühren für die Einfügung ihrer Werbung verlangen können. Aber Dann hätten die und andere Firmen wohl drauf bestanden, daß bei jedem Abschlußfest Werbung eingebaut wird. Madame Maxime war da auch nicht sonderlich begeistert, als Jeannes Klasse das in die Szene mit dem Patronus eingebaut hat."

"Oh, haben Jeanne oder Claire mir nie was von erzählt", erwiderte Julius.

"Na ja, hat uns Blanche auch erst erzählt, als wir unsere Abschlußvorstellung geprobt haben. Sie meinte, wir sollten keine echten Werbebotschaften mit einbeziehen, weil wir sonst heftig viele Strafpunkte abbekommen würden. Kein Wunder, daß Jeanne das keinem auf die Nase binden wollte."

"Gut zu wissen, daß ich den aktuellen Renault-Werbespot dann besser nicht mit ins Abschlußklassenkabarett einbauen darf", scherzte Julius.

"Renault ist eine Motorwagenfirma, richtig?" Julius nickte. "Könnte sein, daß eure neue Schulleiterin den nicht kennt, weil ja in der Zaubererwelt keiner diese Automobilwagen fährt."

"Habt ihr's von der Pi-und-Pi-Werbung gerade eben?" Fragte Millie, die von Julius unbemerkt in die Sitzreihe eingetreten war. Julius bejahte es. "Hat Martine mir erzählt, daß sie deshalb einen Mahnbrief von Maxime gekriegt hat, weil keine echte Werbung in Beaux zugelassen ist. Sie hat das nur durchgehen lassen, weil es die Situation, die dargestellt wurde, richtig gut veralbert hat. Aber wenn ich oder Patricia oder Mayette mal irgendwann für die Schulaufführung was machen wollen sollten, müßten wir dran denken, keine echten Werbesprüche oder bekannte Werbebilder einzubauen."

"Na, ob wir in die Verlegenheit kommen?" Meinte Julius.

"Sag das mal lieber nicht zu laut, Julius! Immerhin werden wir abschlußklässler ja am Anfang des zweiten Halbjahres gefragt, wer die Abschlußaufführung hinbekommt. Wer in den Kunst-AGs drin ist kommt für sowas gut in Frage, ob Theater-AG, Musikgruppe oder Ballett. Wird dir also blühen, daß Mademoiselle Bernstein dich fragt, ob du da mitmachen möchtest. Es sei denn, es läuft gerade etwas ab, was uns alle gut beschäftigt."

"Wie, habt ihr das schon raus, ob es im nächsten Jahr wieder eins gibt?" Fragte Virginie. Millie schüttelte den Kopf. Dann sagte sie:

"Jedenfalls dürfen wir keine echte Werbung mehr ins Programm einbauen", wiederholte Millie noch einmal.

"Ich habe mich gerade eben mal auf einen der Ehrenlogenstühle draufgesetzt. Fühlt sich sehr weich an", sagte Julius. "Könnte ähnlich sein wie der Sessel, den ich dir geschenkt habe."

"Echt? Dann probiere ich das mal", erwiderte Millie und lief nach oben. Weil auch sie von ihrer Mutter eine Ehrenlogenkarte bekommen hatte ging die Klapptür für sie auch auf. Julius' Frau setzte sich auf einen der unteren Stühle der sechzig Ehrenplätze und entspannte sich. Eine Minute blieb sie so sitzen. Dann nickte sie und erhob sich. "Stimmt, ist das gleiche gefühl, Julius. Allerdings sind die Stühle wohl anders ausgerichtet als mein Sessel."

"Ach, Julius hat dir den Sessel geschenkt, den Jeanne und Barbara sich zugelegt haben?" Fragte Virginie. "Schon bequem", fügte sie noch hinzu. Millie und Julius nickten.

"In fünf Minuten begeben sich alle Betreuer zu den ihnen zugewiesenen Zelt- und Wohnplätzen!" Kommandierte Hippolyte Latierre mit magisch verstärkter Stimme.

Julius bekam wie seine Frau und die anderen Helfer den Ablaufplan des heutigen Tages. Er las, daß die weltbekannte Musikhexe Hecate Leviata nach dem Besenballett von Bordeaux auftreten würde. Angelique Liberté hatte die aktive Kunstflugzeit beendet und leitete nun eine aus zwanzig Hexen und zwölf Zauberern bestehende Kunstflugtruppe, für die sie Flugchoreographien erstellte und auch magische Leuchteffekte für die fliegenden Besen bestellte. Die zweiunddreißig Kunstflieger würden eine Geschichte der Quidditch-Weltmeisterschaften vorfliegen, unterlegt von einem dreißig Mann starken Orchester. Nach der wohl wilden Schau von Hecate Leviata sollte dann das international besetzte Tanzorchester Melodia Magica die Eröffnungszeremonie im Stadion selbst durchführen. Minister Grandchapeau würde die Weltmeisterschaft feierlich eröffnen und alle teilnehmenden Spielerinnen und Spieler begrüßen. Damit würden sich 896 Spielerinnen und Spieler auf dem Feld treffen. Denn die Mannschaften hatten alle Reservespieler mitgebracht, um Partien über mehrere Tage durchhalten zu können. Ob es wieder ein mehrwöchiges Spiel geben würde, wie bei der zehnten Weltmeisterschaft? Julius fragte sich, wie der Spielplan dann umgestellt werden konnte. Sicher. Durch die fünf bespielbaren Stadien konnten andere Partien neben der längeren Partie laufen. Aber wer für mehrere Spiele Karten hatte bekäme dann ein Problem, wenn er oder sie der wochenlangen Partie zusehen wollte, aber auch die anderen Begegnungen mitverfolgen wollte. Auf mehr als einer Hochzeit gleichzeitig konnte niemand tanzen. Das hätten nur Klone oder Zeitreisende hinbekommen. Erstere waren durch die Vernichtung Bokanowskis eher unwahrscheinlich. Letztere waren wegen der Verfügbarkeit der nötigen Hilfsmittel noch unwahrscheinlicher. Denn ein Zeitumkehrer durfte nur von einem Zaubereiministerium an Personen ausgehändigt werden, die einen eindeutigen und gutartigen Verwendungszweck geltend machen konnten. Julius war sich sicher, daß Hermine Granger auf diese Weise mehrere Fächer gleichzeitig besuchen konnte. Andererseits war ein Zeitumkehrer eine zu große Versuchung, einen unliebsamen Verlauf zu ändern, wie es der in Ungnade gefallene US-Zaubereiminister Jasper Pole vorgeführt hatte. Julius fragte sich, ob ein zeitumkehrer in Millemerveilles überhaupt funktionieren konnte, weil Sardonias magische Kuppel vielleicht in die Struktur von Raum und Zeit hineinwirkte.

Nach der Eröffnungszeremonie würde es jedenfalls das Eröffnungsspiel geben. Frankreich spielte gegen Tunesien. Das mochte eine kurze Partie werden, wenn die Leute um Bruno Dusoleil und Polonius Lagrange den Dawn'schen Doppelachser benutzten. Spannend war die Frage, ob Janine Dupont oder Maurice Dujardin als Sucher im Eröffnungsspiel antreten würde.

"Okay, Julius. Wir sehen uns dann nachher im Stadion bei den Kunstfliegern", verabschiedete sich Millie von ihrem Mann, der zu den Zeltplätzen sollte, wo viele US-Amerikaner, Australier und Briten zu finden waren. Dabei würde er viel herumkommen. So konnte er wunderbar Apparieren üben. Er prüfte den Einsatzplan und teilte sich die Ankunftsorte ein, die er nacheinander aufsuchen wollte. Er würde gleich als erstes am östlichen Zeltplatz auftauchen und die dort wohnenden Leute oder deren Angehörigen, die noch da waren mit den Wegeplänen und Programmen ausstatten. Dabei würde er den Malones begegnen. Julius' Kollege Lothaire würde zuerst den südlichen Zeltplatz aufsuchen, wo Harry Potter und seine Freunde wohnten. Virginie würde zuerst zum nordwestlichen Zeltplatz apparieren, wo die Drakes untergebracht waren. Eine Viertelstunde später ging es dann zur Varanca-Haus-Siedlung und dann zum Zeltplatz nnördlich des Zentralteiches.

"Kommst du erst einmal mit zweihundert Programmen und Wegbeschreibungen hin?" Fragte Hippolyte, als sie die Besucherbetreuer abfertigte. Julius ließ sich den großen Rucksack mit den ersten Beschreibungen und Programmen aufsetzen. "Das ist ein Verschickungsrucksack. Wenn er leer ist mach ihn fest zu und zieh am Signalband rechts. Dann bekommst du die nächsten Programme. Ähm, erinnere die Leute bitte daran, daß sie sich an die in den Beschreibungen erwähnten Verhaltensregeln halten müssen, wenn sie die Spiele besuchen. Wer diese hat kann haftbar gemacht werden, wenn nicht. Also sieh zu, daß du sie möglichst allen Familiensprecherinnen oder -sprechern zukommen läßt."

"Das Programm ist kostenpflichtig?" Fragte Julius noch einmal zur Sicherheit. zehn Sickel wollte das Weltmeisterschafts-Komitee pro Programmheft haben. Das ging ja noch. Aber so schleppte Julius jetzt einen Wert von 2000 Sickeln beziehungsweise 117 Galleonen und 11 Sickel auf dem Rücken. Das entsprach schon mal seinem Feriengehalt plus knapp achtzehn Galleonen. Dafür fühlte es sich aber nicht zu schwer an. Gut, Julius war durch Schwermachertraining und die Bluttransfusion Madame Maximes stärker als durchschnittliche Jungen seines Alters geworden. Aber womöglich erleichterte der Rucksack dem Träger die Last noch.

"In zehn Sekunden ausrücken!" Befahl Hippolyte Latierre und überwachte das Ausschwärmen. Julius hörte das Ploppen und Krachen der anderen nicht. Denn er war gerade selbst im Apparitionstransit. Die Welt wurde wieder zum dunklen, ihn von allen Seiten zusammenstauchenden Gummischlauch. Doch bereits kurz nach dem Absprung entstand sie für ihn neu. Er fand sich im Zugangsbereich zum weitläufigen Zeltplatz. An die tausend kleine und große, ein- oder mehrfarbige Zelte standen in rechteckigen Anordnungen da, vom klein wirkenden Zelt wie bei den nordamerikanischen Indianern bis zu einem grün-gelb-weißen Kuppelzelt, das einem kleinen Wanderzirkus hätte gehören mögen. Musikfetzen schwirrten ihm um die Ohren. Entweder waren das die angeworbenen Musiker, die bei der Eröffnung aufspielen würden, oder Freizeitmusiker aus dem Lager. Julius hörte genauer hin. Er konnte irische und schottische Dudelsäcke unterscheiden und hörte verschiedene Flöten wie aufgeregte Vögel trillern. Hier war er galleonenrichtig.

"Hallo, Julius", grüßte ihn Monsieur Delamontagne, der heute den Zugang überwachte. "Gut, daß du hier bist. Mein Englisch gehört generalerneuert. Konnte denen gerade so noch sagen, daß sie bitte warten möchten, bis wer von euch kommt, um die Ablaufpläne weiterzugeben."

"War sich deine Frau zu schade, hier zu warten, Edouard?" Fragte Julius leise grinsend.

"Im Gegenteil, die ist bei denen am nordwestlichen Zeltplatz und wartet da auf ihre Tochter, bevor sie zu den Ministeriumsvertretern geht, um mit denen zusammen zur Eröffnungsfeier ins Stadion zu ziehen."

"Na dann bist du zumindest jetzt erst einmal erlöst", sagte Julius vergnügt.

"Von wegen. Ich darf gleich die Beauxbatons-Abordnung empfangen. Die landen gleich im Ankunftskreis, wenn Blanche die alle in Beauxbatons zusammenbekommen hat, die herkommen wollen."

"Moment mal, Madame Faucon kennt sich hier doch aus", wunderte sich Julius.

"Ja, aber das Begrüßungsprotokoll verlangt, daß bei der Ankunft vorangemeldeter Reisegruppen offizielle Besucherbetreuer die Ankunft erwarten und die Gruppe oder Gruppen ordentlich zu ihren Unterbringungsstätten führen. Das steht doch in den Regeln drin."

"Stimmt. Aber ich wußte nicht, daß Madame Faucon das so genau befolgen wollte, wo sie weiß, wo die Leute, die ohne ihre Eltern ankommen unterkommen", entgegnete Julius.

"Sie hat gesagt, daß sie keine Ausnahme bilden will. Ist auch kein Problem", sagte Edouard Delamontagne und nickte Julius zu. Die ersten Interessenten kamen bereits an, darunter Gwyneth Malone. Julius winkte dem Mann der amtierenden Ratssprecherin von Millemerveilles zu und sah ihn erleichtert disapparieren.

"Ich dachte schon, der Gentleman will uns hier bis zum Abend nicht weglassen, Julius", begrüßte Gwyneth den ehemaligen Mitschüler ihres Vetters. Dieser lächelte.

"Die wollen eben verhindern, daß ihr euch in Millemerveilles verlauft. die paar Tage, die ihr hier seid reichen ja nicht aus, um jeden Weg zu lernen", entgegnete Julius.

"Die Wegepläne sind schon brauchbar, vor allem, wenn die Sehenswürdigkeiten markante Apparitionsziele bieten", erwiderte Gwyneth. Julius sah an ihr vorbei und suchte Kevin. Sie bemerkte es und sagte: "Onkel Clayton und Tante Dana warten mit kevin in unserem Zelt. Er hat ziemlich heftig mit Onkel Clayton gestritten. Das sind zwei Sturschädel, an denen mancher Troll noch seine Keule zertrümmern kann. Als Monsieur Delamontagne seinen Namen erwähnt hat, meinte Onkel Clay noch, daß der ihm bitte einen Termin bei seiner Frau machen möge. Kevin meinte, daß das nicht nötig sei, worauf der Monsieur meinte, daß Kevin den Termin ja selbst beantragen könne. Die Sprechzeiten lägen ja Montags bis Freitags zwischen neun morgens und fünf nachmittags. Falls er ihr aber eine Private Nachricht mitteilen wolle, dürfe er ihr eine Eule schicken. Sie könne schließlich auch Englisch, habe aber gehört, daß Kevin mittlerweile auch Französisch lerne."

"Ähm, nicht von mir", stieß Julius schnell aus.

"Klar, hat Kevin zuerst auch behauptet. Da hat ihm dieser Monsieur Delamontagne erzählt, daß seine Frau es von Madame Faucon hätte. Und die hätte es wohl von Professor McGonagall. Offenbar schreiben die beiden Lehrhexen sich gegenseitig, wer bei denen die jeweils andere Schulsprache lernt."

"Tja, hat Kevin offenbar zu auffällig gelernt", grinste Julius. Er wußte, daß Kevin Französisch lernte, um bei sowas wie Feiern in Millemerveilles nicht komplett außen vor zu bleiben, wo Pina und Gloria diese Sprache schon so weit konnten, daß sie ohne Übersetzer auskamen.

"Und, wie ist dieser Krach ausgegangen?" Fragte Julius höchstinteressiert.

"Ich habe vermittelt, Julius. Ich habe Onkel Clay gesagt, daß Kevin nur dann wirklich eigenständig wird, wenn er lernt, die Verantwortung für seine Sachen auch alleine zu tragen. Und Kevin habe ich gesagt, daß es keine Ravenclaw-Eigenschaft sei, offen für dumm gehalten werden zu dürfen, und daß er mit seinen Tiraden jedem hier den Anlaß dazu geboten hätte, ihn für einen Idioten zu halten. Jetzt hängen die beiden im Zelt ab und schweigen sich an."

"Und du hängst mitten dazwischen", meinte Julius.

"Hast du immer nur auf das gehört, was dein Vater dir meinte, raten zu müssen?" Fragte Gwyneth leise. Julius wiegte den Kopf und schüttelte ihn sachte. "Eben, weil Söhne meinen, alles irgendwann ohne väterlichen Rat hinzukriegen. Aber hören tun die dabei auf andere, Freunde, Verwandte, jemanden, dem sie nicht beweisen müssen, daß sie groß und stark und eigenständig sind. Das war zwischen Kevin und mir immer schon so, daß ich ihn eher zu was kriegen konnte als Onkel Clayton. Aber das sage Onkel Clayton bitte nicht!"

"Achso, und du denkst .. Hmm, Arbeit!" Julius sah einen Pulk von Besuchern, die auf ihn zuhielten. Er lächelte und winkte sie heran. Locker und ruhig erklärte er, was nun für die Eröffnung vorgesehen war und teilte gegen die festgelegte Gebühr die Programme aus. Das Geld versenkte er in einem Extrafach des Rucksackes. Es würde bei signal an die Verteilerstelle zu dieser hinteleportiert. Die Kobolde in Gringotts würden die Sickel dann in Galleonen umtauschen und in das Verlies des Komitees einlagern. So arbeitete sich Julius durch die Ansammlungen der Weltmeisterschaftsbesucher, sprach hier und da mit interessierten Leuten, die mehr über die Einteilung der Zuschauerränge wissen wollten und verkaufte Programmhefte. Eine Hexe aus Cornwall sagte aufgeregt, daß sie sich auf Hecate Leviata freue. Sie habe sie vor einem Monat in ihrer Heimat erleben dürfen. Dann erreichte Julius Mrs. Finnigan, die für die irische Sektion der Quidditchliga arbeitete.

"Bleibt es dabei, daß der Weltpokal erst im Stadion enthüllt wird?" Fragte Mrs. Finnigan.

"Ich erhielt keine andere Nachricht", erwiderte Julius ruhig. Dann erreichte er das Zelt der Malones, ein grünes Zelt mit einem männerkopfgroßen, vierblätterigem Kleeblatt auf der Spitze. Kevins Mutter saß auf einer hängenden Couch, die bei den Muggeln glatt als Hollywoodschaukel durchgehen konnte.

"Gut, daß du der bist, der uns hier die letzten Sachen mitteilen soll, Julius. Meine beiden Männer stieren sich gegenseitig an, weil keiner dem anderen nachgeben will. Ich hatte es satt, dem zuzugucken. Bleibt es dabei, daß die Feier und die Pokalenthüllung im Stadion abläuft?"

"So ist es, Mrs. malone", erwiderte Julius ruhig und förderte eines der Programmhefte aus dem Rucksack. "Nur zehn Sickel für ein Programm", sagte er leise.

"Hui, in England haben die schon eine Galleone dafür haben wollen", staunte Kevins Mutter und erhob sich von der hängenden Couch. Julius gab ihr drei Programmhefte, als sie eine Galleone und dreizehn Sickel aus einem Geldbeutel genommen hatte. Dann winkte sie ihm, ihr in das Zelt zu folgen.

Mr. Malone und sein Sohn saßen an einem Tisch und blickten Mrs. Malone und Julius entgegen, als sie durch die Zeltklappe schlüpften. Kevin setzte sofort eine versteinerte Miene auf, während sein Vater in einer Mischung aus Verdrossenheit und Beschämtheit dem ehemaligen Mitschüler seines Sohnes entgegensah. Beide sagten keinen Ton. Julius begrüßte die männlichen Mitglieder der Malone-Familie mit berufsmäßiger Höflichkeit und erwähnte, daß die Eröffnungsfeier um drei Uhr im Stadion stattfinden würde und er die letzten Fragen beantworten wolle, die vielleicht noch bestünden.

"Ich habe mitgekriegt, daß du meiner Frau Programmhefte verkauft hast", sagte Clayton Malone ruhig. "Ich denke, da steht dann alles drin, was offiziell wichtig ist." Julius hörte es überdeutlich, wie Kevins Vater das Wort offiziell betonte. Also hatte er keine den Ablauf der Veranstaltung betreffenden Fragen mehr. Kevin sah Julius verbittert an und sagte:

"Mum, Dad und Gwyneth liegen mir in den Ohren, ich soll mich bei dir und den anderen hier entschuldigen, bevor die Eröffnung losgeht, weil Dad mich sonst morgen schon mit dem Portschlüssel zurückschickt und mir das Geld für Hoggy einhält, was dann heißt, daß ich da nicht mehr hin kann. Das ist die blanke Erpressungsnummer."

"Oh, Mr. Malone, heißt das, Sie werfen mir vor, daß Sie deshalb noch ein Jahr in Hogwarts bezahlt haben, weil ich es angeleiert habe, daß Kevin nicht zu Dementorenfutter wurde?" Fragte Julius Kevins Vater. Dieser sah Julius verdutzt an und schüttelte den Kopf. Kevin warf Julius einen verdrossenen Blick zu. Doch als seine Mutter und seine Cousine ihn tadelnd ansahen verging ihm der Trotz. Er sah Julius an und sagte:

"Gwyneth meint, daß du und die anderen mich vor der Umbridge gerettet hätten und du das nicht gekonnt hättest, wenn jemand gemeint hätte, daß du das nicht wert seist, daß man dir hilft und die Leute eben dachten, ich hätte es deshalb verdient, weil ich dein Freund sei. Dad kommt mir immer damit, daß ich mir die Volljährigkeit sonstwo hinschieben kann, solange ich Leute anhauen muß, um Schulbücher bezahlen oder in Hogwarts lernen zu können oder bei der Weltmeisterschaft hier zugucken zu dürfen. Mum findet, ich sei es dir schuldig, daß ich überhaupt noch lebe und hätte deshalb das Maul zu halten, wenn du dich dafür von anderen rumkommandieren ließest, weil du denen ja sonst nichts wert seist." mrs. Malone errötete schlagartig vom Hals bis zur Stirn. Julius tat so, als bemerke er es nicht. Gwyneth grinste mädchenhaft und sagte rasch:

"So hat Tante Dana es nicht gesagt", erwiderte Gwyneth. "Sie meinte nur, daß sie froh sei, daß du wen hattest, der dich aus dem Sumpf in Hogwarts rausgezogen hat und du das auch sein solltest, anstatt immer rumzumotzen. Außerdem hättest du nichts anderes gemacht als die, denen du vorknallst, Julius nach ihren Ansichten rumkommandieren und bereden zu müssen."

"Wie erwähnt habe ich weder Lust noch Recht, dir das abzuverlangen, dich zu entschuldigen. Ich ging nur davon aus, daß du rausgefunden hättest, daß es ohne Hilfe nicht immer geht und du deshalb denen dankbar sein solltest, die dir helfen wollen und richtig helfen können, wie auch immer diese Dankbarkeit gezeigt werden kann. Ich habe jetzt auch nicht viel Zeit, mich mit dir rumzustreiten. Ich habe deiner Mutter drei Programmhefte verkauft und hier noch ein Pergamentblatt auf Französisch und Englisch, wo draufsteht, wie ihr euch so benehmen möchtet, daß ihr keinen Ärger mit den anderen Zuschauern und den Leuten aus Millemerveilles bekommt. Madame Delamontagne und Madame Hippolyte Latierre möchten das gerne von allen Erwachsenen unterschrieben kriegen, daß sie die Regeln zur Kenntnis nehmen."

"Wenn wir das nicht unterschreiben, was dann?" Fragte Kevin herausfordernd.

"Tja, dann bist du entweder nicht erwachsen, nicht eigenverantwortungsfähig oder schlicht nicht erwünscht, Kevin. Such dir das passende aus!" Erwiderte Julius und übergab Mr. Malone einen Umschlag mit den fünf grundsätzlichen Verhaltensregeln, die jeder ohne Angst vor dem Verlust der eigenen Freiheiten einhalten konnte. Kevins Vater nahm das zusammengefaltete Pergament aus dem Umschlag, las es durch und griff hinter sich in einen Schrank, wo ein Tintenfaß und ein Halter mit drei Falkenfedern stand. Kevin blickte verdutzt zwischen Julius, seinen Eltern und seiner Cousine Gwyneth hin und her. Clayton Malone unterschrieb das Pergament und gab es an seine Frau weiter. Diese las die Regeln zweimal und unterschrieb dann auch. Dann wechselte das pergament in Gwyneths Hände über. Kevin verfolgte das Dokument mit seinem Blick. Julius lauerte förmlich auf eine weitere Aufsässigkeit. Doch Kevin wirkte sichtlich verstört, bis er das Pergament in seinen Händen hielt. Mr. Malone sah seinen Sohn an und sagte:

"Jetzt hast du die Möglichkeit, uns zu zeigen, ob du eigenverantwortlich bist oder nicht, Kevin." Dieser blickte seinen Vater verdrossen an und mußte dann lachen:

"Was steht hier: Ich darf zu keiner Zeit unbekleidet auf öffentlichen Wegen oder Plätzen gehen, stehen oder apparieren? Was soll denn der Quatsch?"

"Der Quatsch soll, daß es hier Leute gibt, die Nacktheit als unanständig oder Ärgernis empfinden. Außerdem gilt in der französischen Zaubererwelt die Regel, daß unverheiratete Hexen oder Zauberer, die älter als fünf Jahre alt sind, sich nur ihren Verwandten, einem Heiler oder dem zukünftigen Ehepartner nackt zeigen dürfen. Wenn dich ein Mädchen hier nackig rumlaufen sieht, daß noch nicht verheiratet ist, könnte es glatt von dir verlangen, es zu heiraten. Damit wollen die sicherstellen, daß Jungs und Mädchen nicht andauernd mit anderen Partnern rummachen. Aber wenn du's drauf anlegst, daß eine Witwe von hier dich vor den Zeremonienmagier zitieren darf kannst du ja ohne Klamotten im Dorf herumlaufen. Witwen zählen ja auch als unverheiratet. Madame Faucon ist ja auch Witwe, wie du sicher weißt." Rums! Das saß tief und fest, erkannte Julius mit innerer Genugtuung. Kevin war das alberne Grinsen so heftig vergangen, als habe ihm jemand mit Wucht auf die Nase gehauen. Er schlug die Augen nieder und drehte das Pergament in den Händen. Dann las er schnell weiter und sagte:

"Ach, und ich darf keinen hier dumm anquatschen oder ihm mit dem Zauberstab drohen oder dem ohne Grund was damit aufhalsen. Dann darf ich keine alkoholischen Getränke an Minderjähgige weitergeben, nach zwölf Uhr nachts keinen Krach machen, was Apparieren über kurze Strecken mit einbezieht. Das hatten die bei der letzten Weltmeisterschaft aber nicht drin. Das versaut einem doch den Spaß am feiern."

"Das gilt für draußen, Kevin. Wenn ihr in einem Haus oder schallschluckenden Zelt seid könnt ihr so laut feiern wie ihr wollt. Hier wohnen halt viele kleine Kinder, die nachts Schlaf brauchen und deren Eltern sich nicht mit ihnen anderswo hin zurückziehen können oder wollen", erwiderte Julius.

"Stimmt, die Leute haben bei der letzten Weltmeisterschaft im Wald gefeiert, weit ab von den Zeltplätzen. Da haben die Ministeriumsleute drauf aufgepaßt, daß die Kinder schlafen konnten. Aber hier geht das doch auch, so groß wie das Dorf ist", sagte Kevin.

"Nur, daß hier jetzt schon mehr als dreißigtausend Leute untergekommen sind und es keinen wirklich unbewohnten Platz mehr gibt", sagte Julius. Kevin kapierte es. Dann sagte dieser noch:

"Aber wenn ich das jetzt hier unterschreibe, heißt das doch, daß ich mich mit keinem hier anlegen darf, ohne gleich aus dem Ort rausgeworfen zu werden. Gilt das erst, wenn ich das hier unterschreibe oder könnten mir die dicke Trulla Delamontagne und Madame Faucon noch deshalb was von früher anhängen?"

"Will sagen, wenn du unterschreibst müßtest du dich bei den erwähnten Damen entschuldigen", griff Gwyneth es auf. Julius überlegte. Dann sagte er:

"Du unterschreibst ja, daß du die Regeln zur Kenntnis nimmst und einhältst. Das gilt also erst ab dann, wenn du unterschreibst. Ob Madame Delamontagne dir deshalb noch was abverlangt, was früher angeht oder Madame Dusoleil oder Madame Faucon weiß ich nicht. Das geht mich dann auch nichts mehr an, weil ich genug andere Sachen um die Ohren habe. Ihr seid ja hier nicht die einzigen Gäste."

"Will sagen, netter Vetter, daß du Julius nicht mehr interessierst, wo du ihm so heftig dumm gekommen bist", legte Gwyneth aus, was Julius gesagt hatte. Julius fühlte sich berufen, das ein wenig zu berichtigen.

"Sagen wir es so, offiziell muß ich mit euch gut auskommen. Inoffiziell würde ich es gerne, wenn der ganze Unsinn aus der Welt ist, daß Kevin mir einzureden versucht, ich sollte grundsätzlich gegen alles aufbegehren, was mir jemand hier und in Beauxbatons erbittet oder abverlangt, egal ob es vernünftig oder hirnrissig ist. Das liegt bei Kevin, wie wichtig es ihm ist, mit mir gut auszukommen. Ich renne ihm jedenfalls nicht hinterher. Ich habe hier genug Freunde, die alle genauso lernen mußten wie ich, daß in einer Welt, wo einer heftige Sachen mit Zauberkraft anrichten kann, gewisse Regeln schon Sinn machen und es richtig ist, die früh genug zu lernen und einzuhalten. Meine Mutter, die denen sehr dankbar ist, denen du, Kevin, Rumkommandiererei vorknallst, hat mal gesagt, daß Freiheit ein hohes Gut ist. Aber die Freiheit des einzelnen hört da auf, wo die Freiheit seines Nachbarn gestört oder unterdrückt wird. Und solche Störungen sind in der Zaubererwelt wesentlich leichter als in der Muggelwelt. Deshalb mußte ich schon früh lernen, mich besser zu beherrschen als du. Deshalb legen die mir so viele Aufgaben vor. Aber genau deshalb vertrauen die mir auch soweit, daß ich mit Millie jetzt schon als Ehepaar in einem eigenen Haus wohnen darf. Wenn du mal irgendwann mit einer Frau alleine wohnen möchtest, dann geht das wohl nur, wenn du es dir mit ihren Freunden und Verwandten nicht verscherzt und sie ihr nicht klarmachen, daß du nicht der richtige Umgang für sie bist."

"Da predigst du tauben Ohren, seitdem er sich von Glorias jüngerer Cousine gegängelt gefühlt hat, obwohl er sie dazu gebracht hat, ihm aufdringliche Mädchen in Thorntails vom Hals zu halten", erwiderte Gwyneth darauf. Kevin funkelte sie verärgert an und fauchte:

"Das hab' ich dir nicht erzählt, damit du das jedem auf's Brot schmierst, Gwyneth."

"Außerdem wußte ich das schon längst", erwiderte Julius. Dann deutete er auf das Pergamentstück in Kevins Händen und fragte: "Was ist nun, Kevin. Stimmst du den Regeln zu und setzt deinen Namen drunter? Oder soll ich dem Dorfrat erzählen, deine Eltern hätten befunden, du seist noch nicht erwachsen genug, um so eine hohe Verantwortung zu übernehmen?"

"Und wenn das Ding hier verflucht ist? Die Granger hat das mit den Leuten von der DA gemacht, um klarzukriegen, daß keiner es heil übersteht, der die DA verpfeift", wandte Kevin ein.

"Dann wäre dies ein klarer Verstoß gegen die Gewährleistung der körperlich-seelischen Unversehrtheit und ein grober Verstoß gegen geltendes Gastrecht", bemerkte Gwyneth und nahm das Pergament. Sie hielt ihren Zauberstab daran und vollführte einige magische Gesten damit. Dann sagte sie: "Hätte mich auch gewundert, wenn das Pergament verflucht worden wäre. Und ein bindender magischer Vertrag darf nur dann geschlossen werden, wenn die vertraglichen Leistungen oder deren Verweigerung einen Vermögenswert von mindestens fünfhundert Galleonen oder höher betreffen, die körperliche und geistige Unversehrtheit eines Vertragspartners betroffen wird oder das internationale Ansehen einer magischen Institution berührt wird. Aber dann müßte es entweder durch den den Vertrag schließenden Gegenstand offiziell angezeigt werden oder auf dem Dokument selbst klar lesbar vermerkt sein, um dem Unterzeichnenden die Wahl zu lassen, ob er den Vertragsbedingungen zustimmen will oder nicht. Da dies hier nicht steht und das Pergament nicht mit dunklem Zauber behaftet ist, kannst du das in Ruhe unterschreiben. Es gilt dann als gewöhnliche Anerkenntnisurkunde, wenngleich der darin angedrohte Ortsverweis ohne Rückkehrrecht gültig ist, wenn er verhängt wird." Kevin grummelte. Dann unterschrieb er das Pergament. Sein Vater sagte noch zu Julius:

"Wir klären das mit Madame Delamontagne, wenn sie morgen Sprechzeit hat, was noch ansteht. Ich denke, du hast jetzt genug Zeit mit uns zugebracht." Julius nahm das von Kevin unterschriebene Pergament zurück, steckte es in den Umschlag und gab es an Mr. Malone zurück. "Das behalten Sie, für den Fall, daß Ihnen jemand was vorwirft, was nicht drinsteht", sagte Julius und nickte den Anwesenden zu. Dann verließ er das Zelt.

Da er wirklich mehrere Minuten mit den Malones verbracht hatte beeilte er sich sichtlich, um die anderen Besucher noch mit Programmheften und den allgemeinen Verhaltensrichtlinien zu versorgen. Dennoch brauchte er gut eine Stunde dafür. Er kam erst gegen halb eins vom Zeltplatz fort, um seinen nächsten Anlaufpunkt anzuspringen. Er landete bei den überwiegend aus Australien stammenden WM-Besuchern. Er unterhielt sich kurz über die anstehende Eröffnungsfeier und das erste Spiel. Die australische Mannschaft würde ja heute noch nicht spielen. Allerdings hatten einige der Gäste Eröffnungsspielkarten gekauft. Julius achtete sehr genau auf die Zeit. Noch hatte er einen Zeltplatz anzusteuern. So vergab er die Verhaltensregeln und Programme im Zehn-Sekunden-Takt, erinnerte einige Gäste noch daran, wo das Stadion lag und daß der Einlaß zur Eröffnungsfeier zwei Stunden vor Beginn der Feier stattfand.

Mit Hilfe der Verschickungsbezauberung des Rucksacks konnte er noch einmal mehrere hundert Programmhefte übernehmen und weitergeben. Kurz vor zwei Uhr war er sichtlich geschafft vom herumlaufen, Reden und deuten. Immerhin bekam er es noch hin, in einem Stück zu der Essensausgabe für Mitglieder der WM-Organisation zu apparieren, wo er Laurentine und Millie antraf.

"Und, was sagt Kevin?" Fragte Millie ihren Mann leise.

"Der weiß, was er sich geleistet hat. Aber er will es vor seinem Vater nicht zugeben, um nicht klein zu wirken. mal sehen, ob er die Kurve noch kriegt."

"Wenn die Iren im ersten Spiel rausfliegen ist die Weltmeisterschaft für ihn eh schon gelaufen", meinte Millie. Doch Julius schüttelte den Kopf.

"Irland wird sicher nicht gegen Österreich verlieren."

"Oha, das hätte der Rosshufler-Joseph aber nicht hören dürfen", erwiderte Laurentine. "Der hätte zwar mit seinen Eltern im Ösilager wohnen können, will aber mit seinen Kameraden zusammen die Spiele sehen. Der geht davon aus, daß seine Mannschaft gegen Irland den Schnatz holt und vorher genug Tore schießt, um in die nächste Runde zu kommen. Er hofft auf ein Spiel gegen Deutschland. Aber die Deutschen haben Norwegen vor der Nase."

"Das könnte aber gehen, Laurentine. Die Norweger kamen gerade noch auf Platz sieben in der Nordeuropawertung. Rußland wurde unbestreitbarer Spitzenreiter vor Island und Schottland", erwiderte Millie. "Die Deutschen kamen wegen Hauke Steinbeißer locker auf Platz drei hinter uns und die Schweiz", wußte Millie.

"Ja, die Schweizer. Da steige ich komplett aus, wenn die das sprechen, was die als Deutsch bezeichnen", grummelte Laurentine. "Gut, daß die meisten von denen auch Französisch können, wenngleich die Deutschschweizer dann zu den Greifennestlingen gehen."

"Erst einmal heute Abend wir gegen Tunesien. Die Brüder Omar und Abdul Hamit meinen ja, die Montferres auspunkten zu können, stand in der Temps."

"Wie gut kann deine Mutter tunesisches Arabisch?" Fragte Laurentine Millie.

"Der Zaubereiminister von denen kann Französisch. Aber der hat sich nie mit meiner Mutter unterhalten. Die im nahen und weiteren Orient sind was Hexen angeht noch irgendwo im Altertum hängengeblieben oder sowas", erwiderte Millie verächtlich. Julius stimmte ihr innerlich zu. Die Begegnung mit den Brüdern des blauen Morgensterns hatte ihm schmerzhaft gezeigt, wie ablehnend viele arabische Zauberer Hexen gegenüber eingestellt waren. Aber das, so wußte er, galt auch für die Bewohner des Irans und Teilen Indiens. Doch wie so oft gab es auch Ausnahmen in dieser allgemeinen Haltung. Zu ihnen gehörte der persische Zauberer Mehdi Isfahani, von dem erst Aurélie Odin und nach ihr ihre Enkelin Jeanne einen sehr guten Flugteppich bekommen hatte.

"Dann können wir ja froh sein, daß wir einen Zaubereiminister haben und nicht wie die Australier eine Zaubereiministerin", spottete Laurentine. Millie nickte beipflichtend.

"Hast du schon wen von unserer Schule gesehen, der nicht mit den eigenen Verwandten angereist ist?" Fragte Millie.

"Monsieur Delamontagne hat die aus Beauxbatons abgeholt. Ich weiß nicht, wo Madame Faucon die untergebracht hat, wohl eher nicht bei sich im Haus."

"Wissen wir das?" Fragte Laurentine leicht betreten. Julius schüttelte den Kopf. Sicher wollte er auch wissen, wo seine vorwiegend muggelstämmigen Schulkameraden untergebracht waren. Doch das würde er wohl früh genug herausfinden. Als habe er eine mentiloquistische Anfrage abgeschickt, hob Millie ihren rechten Arm. Sie tippte den weißen Schmuckstein an. Vor ihnen erschien wie eingeschaltet eine räumliche Abbildung Patricia Latierres.

"Millie, Madame Rossignol hat mir gerade gesagt, daß unsere Leute in zwei Varanca-Häusern beim Zentralteich untergebracht wurden. Marc ist auch bei denen. Wir sehen uns dann wohl bei der Eröffnung." Millie bestätigte es und beendete die kurze Fernverbindung.

"Huch, ich dachte, dem seine Eltern wollten den nicht mitreisen lassen", wunderte sich Millie.

"Wahrscheinlich hat Madame Faucon oder Professeur Fixus mit Marcs Eltern gesprochen, daß er als Spieler eurer Saalmannschaft ein echtes Profi-Turnier ansehen möchte", vermutete Julius. "Wenn Madame Faucon seinen Eltern klargemacht hat, daß er nichts anstellen darf, was heftige Folgen haben könnte, haben die ihn halt mitreisen lassen."

"Ist deine Tante immer noch hinter dem her?" Fragte Laurentine.

"bis jetzt hat sie keinen Grund, nicht mehr hinter ihm her sein zu wollen", erwiderte Mildrid Latierre schnippisch. "Seitdem der durch den Abspecktrank und die ihm aufgeschwatzten Übungen richtig stramm geworden ist sieht die gute Pattie den wohl schon vor sich auf einem Besen. Aber das kriegen wir dann wohl nicht mehr direkt mit, ob das auch passiert oder dann doch wer anderes wird."

"Die beiden letzten Jahre haben ja klargemacht, wie schnell sich was ändern kann", erwiderte Laurentine darauf. "Wenn ich überlege, daß ich auch nicht hier sein dürfte, wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre und nur weil ich bei Belisamas Eltern untergekommen bin die Möglichkeit hatte, herzukommen ... Aber lassen wir das. "

"Könnte sein, daß die meiner Mutter den Anrufbeantworter vollgetextet haben, weil sie die Nummer von ihr haben", meinte Julius dazu. "Aber meine Mutter hat im Moment andere Sachen um die Ohren."

"Die erste Woche ist rum. Da müßte doch schon was rüberkommen", meinte Millie dazu. Julius verwies darauf, daß seine Mutter ihm wohl erst was sagen wollte, wenn sie das ganze Programm durch hatte. Millie wußte das zwar schon. Aber Laurentine hatte es noch nicht gehört.

"Wo ist denn das?" Fragte Laurentine. Julius schrieb ihr auf der Hut vor Linos magischen Ohren auf, daß seine Mutter wohl im Zaubereiministerium geprüft würde. Da Descartes und die ihm bekannten Prüfer bisher nicht in Millemerveilles herumliefen, traf das wohl zu.

Hippolyte Latierre ging zusammen mit Monsieur Fontchamp, dem neuen Leiter der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit herum und erkundigte sich bei den Besucherbetreuern, ob sie allen interessierten die Programme und Verhaltensregeln hatten geben können. Julius ritt der Teufel, seiner Schwiegermutter zu erzählen, daß Kevin Malone Angst vor einem bindenden magischen Vertrag hatte.

"Der Gedanke kam mir wahrlich. Aber dann hätte ich auch mit allen teilnehmenden Zaubereiministerien abklären müssen, was die Ahndung für Vertragsmißachtung oder offenen Vertragsbruch sein sollte. Und das war mir doch ein zu heftiger Aufwand, Julius. Ist der Bursche immer noch darauf aus, dir einzureden, du solltest grundsätzlich alles ablehnen, was wir dir vorschlagen oder aus dir und uns bekannten Gründen abverlangen dürfen?"

"Er denkt, er wäre im Recht. Aber wenn der das erlebt hätte, was mir so alles passiert ist würde er zumindest einsehen, daß ich mich Leuten erkenntnlich zeigen muß, die mir geholfen haben."

"Zwischen dir und ihm liegen offenbar zwei Jahre Entwicklung, Julius. Das sage ich nicht nur, weil ich froh bin, daß meine Tochter keinen kleinen Jungen auf den Besen gehoben hat, sondern weil ich das selbst so bei dir empfunden habe und Kevin ja letzten Sommer ein wenig besser einschätzen lernen konnte. Kann sein, daß er erst merkt, wie wichtig gewisse Zugeständnisse sind, wenn er selbst auf Hilfe von anderen angewiesen ist. Das muß ja nicht gleich in lebensgefährlichen Abenteuern enden."

"Ma, der Typ ist nur sauer, weil ihr Julius geholfen habt, ihn da rauszuholen und der deshalb in Hogwarts als Flüchtling oder Feigling runtergemacht wird, weil der den Todessern von der Mistgabel gesprungen ist", erwähnte Millie noch einmal etwas, was Julius und sie erkannt hatten.

"Natürlich, der arme Junge wäre lieber gestorben, als sich von seinen Schulkameraden anhören zu müssen, daß er ein ganzes Schuljahr in einer friedlicheren Umgebung zugebracht hat. Könnte ihm passieren, daß ihm Prinzipalin Wright über den Weg läuft. So weit ich von Madame Delamontagne mitbekommen habe kommt sie mit einer Abordnung aus Thorntails übermorgen mit einem Luftschiff an. Die darfst du dann auch abholen, Julius."

"Auch?" Fragte Julius zurück.

"Wie die aus Hogwarts, die morgen eintrifft, pünktlich zum ersten England-Spiel."

"England gegen Mexiko. Könnte sehr heftig werden. Im Fußball ist das immer ein Knüller, wenn diese Begegnung möglich wird", sagte Julius. Laurentine nickte und wandte dann ein, daß Quidditch wohl doch andere Schlagerspiele habe. Dann schnitt sie ein anderes Thema an:

"Gräfin Greifennest hat mich gebeten, bei Ihnen noch einmal anzufragen, ob es in Ordnung geht, daß die Greiffennest-Abordnung sowohl geschlossen bei den Spielen von Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz in einem Block sitzen kann?"

"Liechtenstein ist morgen früh ab neun im Südstadion gegen Argentinien dran und eine Stunde später beginnt die Partie Schweiz gegen Kanada. Das wird aber dann schwierig. Übermorgen ist es ähnlich. Da beginnt um neun Uhr morgens im Nordstadion die Partie Deutschland gegen Norwegen und ab neunzehn Uhr im Hauptstadion das Spiel Irland Gegen Österreich. Ich dachte, die Gräfin habe den Erstrundenspielplan."

"Doch, den hat sie. Sie meint aber, daß sie die einzelnen Schüler aus ihrer Abordnung nicht unbeaufsichtigt zu den Spielen lassen möchte, weil viele von denen Minderjährig seien und ja auch keine Zaubererwelteltern hätten. Denen hätte sie nämlich versichern müssen, daß sie die Schüler behütet, wenn die Spiele steigen. In Deutschland und Österreich kennen die Leute aus der nichtmagischen Welt Chaoten, die sich während wichtiger Spiele prügeln müssen."

"Sie hat doch zwei Kollegen mitgenommen, Magister Windspiel und Magistra Rauhfels. Dann möge sie die Aufsichtspflicht delegieren! Andererseits kannst du ihr gerne von mir eine schriftliche Bestätigung übergeben, daß wir in Millemerveilles darauf achten, daß sich hier niemand prügelt. Das Debakel von England vor fünf Jahren möchten wir sehr gerne einmalig lassen." Ihr Kollege aus dem Ministerium, der sich bis dahin dezent zurückgehalten hatte, um das Privatgespräch zwischen Hippolyte und ihren Verwandten nicht zu belauschen, hörte wohl Hippolytes laute Bekräftigung und näherte sich wieder.

"Oh, besteht Sorge, es könne zu ähnlichen Ausschreitungen wie vor fünf Jahren kommen, Hippolyte?" Fragte Monsieur Fontchamp, den Julius bisher nur aus der Ferne gesehen hatte. Mit dessen beiden Töchtern Fabienne und Germaine hatte Julius damals die Säulen der Gründer geöffnet.

"Sagen wir es so, daß wir wirklich finstere Zeitgenossen schon nicht zu uns hereinlassen müssen", sagte Hippolyte Latierre. "Aber es kann ja doch den einen oder anderen Zwist geben, vor allem nach einem langen, ausgeglichenen Spiel, deshalb ja die allgemeinen Verhaltensregeln."

"Das war ja auch letztes mal sehr haarig, was da geschehen ist", erwiderte Monsieur Fontchamp. Julius erinnerte sich auch noch zu gut, obwohl er damals genau hier in Millemerveilles seine Ferien verbracht hatte. Er hatte aus der Zeitung erfahren, was sich nach dem Sieg Irlands über Bulgarien zugetragen hatte. Die fliegenden Muggel, die Zerstörungswut maskierter Unruhestifter und das Zeichen der Todesser am Nachthimmel. Hier in Millemerveilles war das so gut wie unmöglich, weil die Glocke Sardonias dunkle Magier und Hexen aussperrte. Aber war es zu hundert Prozent unmöglich? Immerhin hätte fast jemand Giftgas über Millemerveilles versprüht. Das durfte er nicht vergessen.

"Ich kann die werte Gräfin Greifennest zumindest verstehen, daß sie sich um ihre Schutzbefohlenen sorgt", sagte Monsieur Fontchamp. "Wenn meine Töchter mit einer Abordnung ins Ausland reisen wollten, würde ich auch darauf drängen, daß ihnen dort nichts zustieße. Dafür erntete er zustimmendes Nicken der Latierres und Laurentines.

"Ich begleite Sie nachher zum Lagerplatz der Greifennest-Abordnung, Mademoiselle Hellersdorf", bestimmte Hippolyte, nun die förmliche Anrede gebrauchend. "Dann klären wir das zur allgemeinen Beruhigung."

"Das könnte aber eng werden, Hippolyte. Was soll ich dem Minister sagen, falls es bei Ihnen später werden sollte?" Wandte sich Fontchamp an seine Kollegin.

"Die Contesse Greifennest beherrscht Französisch so gut, daß es keine Übersetzungszeiten benötigt, Laurent. Wir werden wohl nur fünf Minuten zur Abstimmung benötigen."

"gut, dann erwarten wir sie wie vorgeplant um drei Uhr an der Ehrenloge des Stadions."

"Ich werde da sein, Laurent", bestätigte Madame Latierre ihrem Kollegen. Dieser ging weiter, um mit den Betreuern über die ersten Eindrücke von den Besuchern zu plaudern. Madame Latierre wandte sich noch einmal an ihre beiden Verwandten:

"Julius, du möchtest nachher mit Monsieur Bouvier den südlichen Eingang zum Stadion besetzen, um die dort hinkommenden englischsprachigen Besucher zu betreuen."

"In Ordnung, Madame Latierre", erwiderte Julius förmlich. Seine Schwiegermutter nickte anerkennend und wandte sich Laurentine zu:

"Sie postieren sich bitte am östlichen Eingang des Stadions zu Madame Pierre, Mademoiselle Hellersdorf!" Laurentine Hellersdorf bestätigte den Erhalt dieser Anweisung. Julius ging im Geist noch mal die Verteilung der Zugangstore durch. Das erweiterte Hauptstadion besaß acht Zugänge, die im Kreis angeordnet waren. Früher hatte es nur vier Zugänge in exakter Himmelsrichtung gegeben.

"Kommst gut um die Ehrenloge herum, wenn du bei den Spielen auch im Dienst bist", meinte Laurentine zu Julius.

"Wir haben ja nicht immer zu tun", sagte Julius. "Die meisten Arbeiten machen die Sicherheits- und Verpflegungsleute. Hätte auch nicht gedacht, mal als Kartenkontrolleur zu arbeiten. Aber wenn ich auf einer magielosen Uni studiert hätte hätte ich wohl auch diesen Job machen können, wenn meine Eltern mich nicht großzügig unterstützen könnten."

"Ja, oder Taxi fahren, wie mein Vater", erwiderte Laurentine. "Immerhin ist er dabei gut in der Stadt rumgekommen und hat verschiedene Leute kennengelernt. Eigentlich hätten dem seine Eltern ihm das Studium locker aus der linken Hosentasche zahlen können. Aber er wollte das ganz alleine hinkriegen und nicht als Sohn reicher Eltern dumm angeblökt werden. Insofern schon eine Tradition, die ich hier fortführe", sagte Laurentine.

"Ehrenamt ist wohl das richtige Wort", erwiderte Julius. Doch dann viel ihm ein, daß ein Ehrenamt eben außer der Ehre nichts eintrug. Da sie jedoch für die Arbeit hier hundert Galleonen bekamen, war es kein eigentliches Ehrenamt. Höchstens eine ehrenvolle Tätigkeit. Immerhin waren sie auf diese Weise mitten drin im Geschehen und konnten an den Ereignissen der nächsten Wochen teilhaben, was längst nicht allen Mitschülern vergönnt sein mochte. Das erkannte auch Laurentine so und erwähnte, daß sie froh war, was nützliches für die Ferien gefunden zu haben und zugleich die Quidditch-Weltmeisterschaft sehen zu können. Bei der letzten hatte sie ja nicht dabei sein wollen. Da galt für sie noch, daß sie mit der Zauberei nichts zu tun haben wollte und froh war, in der Welt der sogenannten normalen Menschen die Ferien verbringen zu dürfen. Seit Claire Dusoleils körperlichem Tod hatte sich diese Einstellung grundlegend gewandelt.

"Bei den Spielen kriegen wir zumindest Sitzplätze für lau, wo andere eine Menge für zahlen müssen", erwiderte Julius.

"Das glaubst du aber, daß deine Schwiegermutter dich bei den Frankreich- oder Englandspielen schon neben sich in die Ehrenloge setzt", erwiderte Laurentine. Dann flüsterte sie ihm zu: "Vielleicht komme ich auch zu diesem Genuß, wenn Spiele deutscher Mannschaften sind und die einen gescheiten Übersetzer brauchen. Madame Pierre ist mit dem deutschen längst nicht so vertraut wie ich." Julius nickte seiner Mitschülerin zu. Immerhin hatte Laurentine die Muttersprache ihres Vaters gelernt und sprach sie bis zu ihrem Endgültigen Bruch mit den Ideen ihrer Eltern wohl auch regelmäßig.

Die Besucherbetreuer postierten sich wie angewiesen um zwei Uhr an den Zugängen zum Stadion. Die meisten Besucher hatten sich über die Spiele- und Sportabteilungen ihrer Heimatländer Karten besorgt. Wer jetzt noch welche zu kaufen hoffte mußte tief in den Geldbeutel greifen. Julius war froh, daß Lothaire den Kartenverkauf übernahm. Denn mißmutigen Hexen und Zauberern erklären zu müssen, daß eine Karte fünfzig Galleonen kostete war nicht seine Sache. Er hoffte nur, daß es keine Zwischenfälle gab. Doch die Sicherheitszauberer und -hexen aus Monsieur Pierres Abteilung, sowie die vom Ministerium abgestellten Ordnungskräfte sorgten durch ihre sichtbare Anwesenheit dafür, daß sich niemand etwas herausnahm, was er oder sie bitter bereuen mochte. Die Brocklehursts erschienen am Eingang. Brittany hatte über den Leiter der magischen Spiele und Sportarten in den vereinigten Staaten mehrere Karten erhalten, darunter die für die Eröffnung, die erste Partie der US-Nationalmannschaft und das Finale. Falls die Amerikaner weiterkamen bestand die Möglichkeit des Kartentauschs an einer vom Ministerium überwachten Börse, bei der die Unterstützer der aus dem Turnier ausscheidenden Mannschaften Karten verkaufen konnten.

"Dritthöchster Rang, Brittany und Linus. Venus ist mit ihrer Familie schon durch."

"Die Gildforks kommen wohl gleich in die Ehrenloge", meinte Brittany verächtlich.

"Nicht bei der Eröffnung. Da hängen in der Ehrenloge nur die Zaubereiminister der Teilnehmerländer und Madame Latierre. Die Verwandtschaft darf im obersten Tribünenrang unter der Ehrenloge sitzen."

Brittany erwiderte darauf: "Dann hängt die dekadente Sabberhexe mit ihrem unerschöpflichen Galleonenbrunnen da herum und darf auf uns andere niederblicken. Ich denk nämlich nicht, daß die sich mit weniger als dem höchsten unterhalb der Offiziellen verfügbaren Sitzplatz begnügt hat. Bedauerlich, daß Madam Hemlock nicht mehr lebt. Die hat die dicke Gildfork immer schön kusch gehalten."

"Für Madam Hemlock sicherlich", grummelte Julius und machte Brittany Zeichen, sie möge weitergehen, weil hinter ihr ein Menschenstau drohte.

"Was wollen die haben?! Fünfzig Galleonen?!" Brüllte Buck Fulbright, der wohl noch keine Karte für die Eröffnung hatte. Lothaire sah Julius an. Dieser hätte die damit unausgesprochen erfolgte Zuweisung dieses Problems gerne abgelehnt. Doch er konnte nun einmal besser Englisch als Lothaire Bouvier. So stellte er sich vor den übergewichtigen Bewohner Cloudy Canyons hin und sagte:

"Sir, das ist wie bei allen anderen Veranstaltungen auch. Im Vorverkauf sind die Karten billiger. Und da das Ministerium hochkarätige Künstler für die Eröffnung verpflichten wollte, mußte es auf hohe Gagen eingehen. Die schlagen sich im Eintrittspreis nieder."

"Fünfzig Galleonen ist zu viel", schnaubte Fulbright. Der hinter ihm stehende Vince McDuffy grinste und sagte:

"Tja, hättest gute Beziehungen haben müssen, Buck. Wenn die echt die Leviata und die Liberté-Truppe hier haben, dann ist das schon was wert."

"Diese frivole Person?" Fragte Buck Fulbright. "Gut, dann gehe ich in den Park und guck mir diesen Zirkus auf der Bildverpflanzungswand an."

"Stimmt, ist billiger. Kostet nur fünf Galleonen", sagte Julius unerschüttert. Fulbright sah ihn herausfordernd an und meinte, daß er locker über die Tore hinwegfliegen könne.

"Dann dürfen Sie sich die Veranstaltung aus dem magischen Absperrnetz über dem Park ansehen, Sir", erwiderte Julius. "Denken Sie echt, wir in Europa lebten noch im Mittelalter, daß unsere Zauberkunstexperten keine magischen Flugsperren bauen können, Sir?"

"Ich konnte da gestern noch reinapparieren, junger Mann", knurrte Mr. Fulbright.

"Ein historisches Ereignis. Der Dicke kam mit allen Körperteilen an", spottete McDuffy. Julius räusperte sich und wandte sich Fulbright zu:

"Sir, wenn die Tore in Betrieb sind wirkt ein Locorefusus-Zauber, der Apparatoren nicht näher als an den Rand des von diesem erzeugten Kreises heranläßt. Ich möchte nicht Schuld dran sein, daß die Heiler hier ihre Körperteile zusammensuchen müssen, wenn Sie beim Apparieren gegen diese Abwehr krachen. Soweit ich weiß wurde dieser Zauber auch schon um die Quodpotstadien und andere gebührenpflichtige Zutrittsorte gezogen, um die Eintrittsgelder auch kassieren zu können." Fulbright verzog das Gesicht und schritt ohne weiteres Wort aus der sich langsam unangenehm dicht stauenden Schlange heraus. McDuffy winkte mit mehreren silbern gerahmten Eintrittskarten. Julius und Lothaire überprüften sie und sagten, daß die McDuffys in die dritthöchste Reihe der Westtribüne hinaufsteigen sollten und zeigte ihnen den Treppenaufgang.

"Hi, Julius", grüßte Pina ihn und winkte mit einer ebenfalls silbern umrahmten Karte. "Sage deiner Schwiegermutter noch mal schönen Dank für die Karte!" Sie deutete auf Gloria, die ebenfalls schon eine Karte bereithielt. Julius deutete Mr. McDuffy hinterher und nickte. Fulbright verließ indes den Platz um das Stadion.

Als kein Zuschauer mehr durch den südlichen Eingang wollte, durften Lothaire Bouvier und Julius selbst zu den reservierten Plätzen in der Ostkurve des Stadions hinaufsteigen. Unterwegs fing Julius einen Gedankenruf von Ursuline Latierre auf. "Julius, Millie ist bei uns hier oben. Hipp hat's genehmigt, daß Familien zusammensitzen dürfen!" Julius nickte Lothaire zu, dessen Mutter ihm gerade zuwinkte, die im höchsten Zuschauerrang unterhalb der Ehrenloge saß.

"Hier sitzt man auch sehr gut", begrüßte Millie ihren Mann, als dieser die vielen Treppen hinauf und durch die Reihen der Ostkurve hindurch zum freien Platz links von ihr kam.

"Na gut, das gröbste ist für's erste auch um", sagte Julius. "Wird nachher wohl wieder stressig, wenn die Leute alle wieder nach Hause wollen. Die Hinweisschilder für die Imbißstände und die Toiletten sind ja trollsicher."

"Sicher vor Trollen?" Fragte Patricia Latierre, die links von ihm saß. Wehmütig blickte sie zum westlichen Abschnitt hinüber. Dort saß ihr Freund Marc Armand mit anderen Beauxbatons-Schülern zusammen in einer Reihe. Madame Faucon thronte wie eine alles und jeden überwachende Wächterin über den von ihr beaufsichtigten Schülern, die ohne ihre Eltern hier waren.

"Oder sicher für Trolle", warf Julius eine weitere Deutung ein. Millie kicherte leise. Dann deutete sie zur Westkurve hinüber. "Louis ist auch bei unserer Abordnung, Julius. Aber ich suche Babette."

"Die kommt mit Catherine nicht zur Eröffnung, weil sie wegen Mum in Paris bleibt", erwiderte Julius. Er blickte noch einmal zur Abordnung der Beauxbatons-Schüler hinüber. Tatsächlich waren viele aus den Quidditchmannschaften dabei, vor allem die Muggelstämmigen oberhalb der zweiten Klasse. Er sah, wie viele Omnigläser hervorholten. Das die praktischen Vielzweckferngläser auf dem Platz beim Zentralteich verkauft wurden wußte Julius. Aber er hatte wegen der direkten Betreuung keine Zeit gehabt, sich die Stände anzusehen, die die an den Mannschaften dranhängenden Souvenirhändler aufgebaut hatten.

Millie deutete auf ihre Großmutter Line, die gleich zwei kleine Mädchen auf dem Schoß sitzen hatte. Julius erkannte, wie schnell doch bald drei Jahre vergangen waren. Die jüngsten Töchter Ursulines erkannten ihn von den diversen Familientreffen der letzten beiden Jahre her und strahlten ihn an. Er stellte fest, daß die beiden Kleinen sich schon ordentlich entwickelt hatten. In Gedanken sah er die beiden immer noch als Ursuline Latierres vorgetriebenen Umstandsbauch oder hielt sie als gerade wenige Monate alte Säuglinge in den Armen, während ihre Mutter auf seinen Füßen hockte und ihm über ein magisches Ritual mehr Lebenskraft einflößte. Drei Jahre war das also fast her. Drei Jahre, die sein Vater nun als ein kleiner Junge erlebt hatte, ohne sich an das frühere Leben erinnern zu können.

Julius blickte auf die riesige Anzeigentafel, die eher aus vier zum Würfel geformte Flächen bildete. Auf der für ihn klar zu sehenden Fläche tanzten bereits die ersten Namen der anwesenden Ehrengäste in goldenen Buchstaben. Dann flimmerten Bilder und Texte einer Werbung für Besenpflegemittel über die Tafel. Eine Minute vor drei Uhr erschien eine gewaltige, weißumrandete Uhr mit schwarzem Zifferblatt. Die Ziffern waren in stilisierten arabischen Zahlen dargestellt und glänzten ebenso weiß wie der Außenrand und die drei Zeiger. Der kleine Zeiger stand fast schon auf der Drei. Der Große glitt behutsam auf die Zwölf zu. Der Sekundenzeiger zuckte gerade in fünf Schritten von der Zwölf zur Eins und setzte seinen Weg fort. Die letzte Minute lief also ab. Als der Sekundenzeiger die Acht passiert hatte, begannen vor allem die amerikanischen Zuschauer, die letzten zwanzig Sekunden herunterzuzählen, wie beim Start eines Raumfahrzeugs. Der Sekundenzeiger zuckte von Sekunde zu Sekunde weiter auf den großen Zeiger zu, der bereits senkrecht mit der Spitze auf die Zwölf deutend die letzten Sekunden bis drei erwartete. Eine Sekunde vor der Zusammenkunft von Minuten- und Sekundenzeiger verhielt der schnellere Zeiger einen winzigen Moment, um dann mit einem kleinen Sprung zur Zwölf vorzurücken. In diesem Moment erscholl ein tiefer, weithallender Gong, dessen Standort niemand heraushören konnte. Die Uhr verschwand und machte dem Bild eines Blasorchesters Platz. Im Selben Moment blies das im Stadion verborgene Orchester eine kräftige, mitreißende Fanfare. Auf der Tafel erschien auf Französisch, Englisch und mindestens noch fünf Weiteren Sprachen ein Text. Julius vermutete, daß es in allen Sprachen dieselbe Botschaft war: "Herzlich willkommen zur Quidditch-Weltmeisterschaft 1999 in Millemerveilles, Frankreich!" Das Orchester setzte die mitreißende Fanfare Fort, die in einer Art Tusch ausklang, der auch von den Streichern und Flötisten mitgespielt wurde. Ein Paukenschlag betonte den von den Blech- und Holzbläsern intonierten Schlußakord.

"Wau!" bemerkte Julius zu dieser Eröffnung. Dann verfolgte er mit, wie unter leisen, getragenen Streicherklängen die Hauptverantwortlichen dieser Weltmeisterschaft einmarschierten. Seine Schwiegermutter folgte dem Zaubereiminister. Sie trug ein himmelblaues Kleid mit weißen Wolkenmustern und kleinen, feuerroten Sonnensymbolen und hatte sich blaue, weiße und Rubinrote Bänder durch ihren rotblonden Schopf geflochten. Der Minister schritt im himmelblauen Umhang mit feuerroten Säumen ein. Auf seinem Kopf ritt ein schneeweißer Zylinder. Hinter Hippolyte folgte Laurent Fontchamp. Er trug einen feuerroten Umhang mit weißen Säumen und einen himmelblauen, besonders hoch und spitz gearbeiteten Zaubererhut, auf dem wie ein Weihnachtsbaumstern das goldene wappen der soeben beginnenden Weltmeisterschaft thronte. Hinter den drei höchstrangigen Organisatoren folgte ein Tross aus Mitarbeitern und Mittarbeiterinnen aus den Abteilungen für Spiele und Sport sowie internationale magische Zusammenarbeit. Alle trugen Kleidung, die von den die Farben Blau, Weiß und Rot beherrscht wurden, wie sie in der französischen Flagge zu finden waren. Die Organisatoren wandelten in ihren Umhängen oder Festkleidern in die Mitte des Spielfeldes, wo die große, runde Bühne für die Eröffnungsfeier aufgebaut war. Der Zaubereiminister Frankreichs enterte als erster die mindestens vier Meter hohe Bühne. An seiner rechten Seite nahm Hippolyte Latierre Aufstellung. Links vom Minister postierte sich Monsieur Fontchamp. Die Zuschauer klatschten rhythmisch, als die ihnen untergebenen Ministeriumsleute sich um die Bühne herum aufreihten und ihre Zauberstäbe zogen. Auf einen Wink des Ministeriums zum in der Bühne verarbeiteten Orchestergraben hin erscholl noch einmal ein Tusch. Während dieser durch das weite Oval des Stadions schmetterte, flogen aus den Zauberstäben der Organisatoren blaue, weiße, rote und goldene Funkenfontänen, die bis zur weit über allen hängenden Anzeigetafel reichten. Diese färbte sich komplett schwarz, bekam silberne Punkte wie ein gestirnter Nachthimmel. Mitten im Sternenschimmer glitt die strahlendblaue Erscheinung der Erdkugel ins Zentrum der Anzeigefläche und begann sich zu drehen. Dann blähte sie sich auf. Nun konnten alle, die ein wenig Ahnung von Erdkunde hatten erkennen, wie Europa hervortrat, wie der Bildausschnitt auf den Mittelmeerraum wies und dieser nun so stark vergrößert wurde, daß sie Millemerveilles von oben zu sehen glaubten. Dann hörten alle Madame Latierres Stimme, die magisch verstärkt verkündete: "Hiermit begrüße ich unsere von nah und fern angereisten Gäste zur 423. Quidditch-Weltmeisterschaft in Millemerveilles, Frankreich. Ich freue mich sehr herzlich, daß wir hier und heute alle zusammenkommen konnten, um gemeinsam ein Fest im Namen friedlichen, internationalen Wettstreits zu feiern. Ich bin überglücklich, daß es gelungen ist, die dunklen Zeiten überwunden zu haben und nun dieses erhabene, großartige und weltumspannende Ereignis einleiten zu dürfen, auf das sich so viele gefreut haben. Doch dürfen und wollen wir bei aller Freude und gespannter Erwartung nicht diejenigen vergessen, die durch die Tyrannei dunkler Magier weit vor dem natürlichen Zeitpunkt von unserer Seite fortgerissen wurden. Ich bitte Sie nun alle darum, bevor wir zum feierlichen Auftakt dieser Weltmeisterschaft schreiten, in einer stillen Minute aller derer zu gedenken, die dem Terror der Todesser zum Opfer fielen und diesen zu versichern, daß sie für immer in unseren Herzen wohnen werden." Die funkensprühenden Zauberstäbe wurden gesenkt. Madame Latierre machte eine alle Sitzreihen überstreichende Handbewegung. Schlagartig kehrte totale Stille ein. Die Anzeigetafel wurde leer und dunkel. Alle saßen da. Wohl viele dachten an die, die sie in den Jahren der Todesserherrschaft verloren hatten. Dazu gehörten ja auch die, deren Angehörige bei der Invasion der Schlangenmenschen und deren Niederschlagung ums Leben kamen. Julius fühlte einen Moment lang wieder diese Schuld aufkommen, daß er die in Frankreich zu beklagenden Toten indirekt mitverschuldet hatte. Doch dann erinnerte er sich wieder an Madame Maximes eindringliche Worte, daß es wesentlich mehr Tote gegeben hätte, wenn er nicht die Reise zur Himmelsburg Ailanorars angetreten hätte. Er dachte an seine Mutter, die mitgeholfen hatte, die Gefangenen Didiers aus den sogenannten Friedenslagern zu befreien. Er dachte mit einer Mischung aus Wut und Genugtuung an Ion Borgogne alias Sebastian Pétain, dessen Giftgasanschlag auf Millemerveilles er hatte vereiteln helfen dürfen. Ohne seine waghalsigen Abenteuer gäbe es Millemerveilles wohl nicht mehr. Diese überragende Befriedigung überlagerte die Trauer, die er empfand, weil zu den Toten der Machtkämpfe voldemorts ja auch seine erste Freundin und kurzzeitige Verlobte Claire Dusoleil zu zählen war. Doch diese war jetzt sicher hier und bei allen, die sie geliebt hatte und die sie immer noch liebten. Wohl wahr, sie wohnte in seinem Herzen, wie in denen ihrer Eltern und Schwestern.

Als die Schweigeminute verstrichen war, gebot Madame Latierre den Zuschauern, Applaus für das Organisations- und Ausrichtungskomitee der Quidditch-Weltmeisterschaft zu spenden. Sie bedankte sich bei allen, die mitgeholfen hatten, daß dieses große Sportereignis überhaupt stattfinden konnte und bei denen, die mithalfen, es zu einem hoffentlich gern erinnerten Erlebnis zu machen. Dann kam der erste künstlerische Akt, der Auftritt der Kunstflieger von Angelique Liberté.

Julius hatte für Kunsttanz eher wenig Begeisterung empfunden. Doch was die Hexen und Zauberer in ihren ständig die Farben wechselnden Kostümen darb oten verdiente hohe Anerkennung. Sie formierten eine aus Menschen zusammengesetzte Nachbildung der Erdkugel, flogen in Formationen, die verschiedene Bauwerke der Welt nachzeichneten, die Pyramiden von Giseh, den Eiffelturm, die Freiheitsstatue, berühmte Schlösser wie das von Versailles oder den Buckingham-Palast, aber auch Naturschauspiele wie einen Vulkanausbruch, Meereswellen oder Polarlichter nachbildeten, wobei aus den Besen und den geführten Zauberstäben entsprechende Leucht- und Raucheffekte entstanden. Zu dem allen erklang die passende Musik. Als die Kunstflieger das weltberühmte Riesenrad im Wiener Prater nachbildeten, erklang der Donauwalzer von Johann Strauß dem Jüngeren. Die Truppe flog absolut synchron und ohne sich ändernde Abstände zueinander. Ganz zum Schluß der mehr als vierzigminütigen Vorstellung formierten sie noch einmal die Weltkugel, indem sie so eng es ging zusammenflogen und eine Kugelformation bildeten. Aus den Zauberstäben flutete strahlendblaues, weißes oder grünes Licht und bildete die Meere und Erdteile nach, Dann wurden die Zauberstablichter scharlachrot und bildeten einen einzigen, riesigen Quaffel, auf dem in goldener Schrift "Millemerveilles 1999" flirrte. Das goldene Licht breitete sich nun über die ganze gezauberte Bildillusion aus und wandelte den Quaffel in einen Schnatz um, aus dem unter wilden, silbernen Funkenfontänen je drei Truppenmitglieder die vier Flügel des kleinsten und wichtigsten Balles nachbildeten und diese im schwirrenden Takt von Flöten und Geigen auf- und niederschlagen ließen. Diese Schnatzformation trieb nun nach oben und über die Zuschauerränge hinweg aus dem Stadion hinaus. Madame Latierre bat noch einmal um Applaus für die grandiose Kunstflugtruppe.

"Meine Güte, das muß ja ein wahrer Knochenjob sein, so zu fliegen und das alles taktgleich hinzukriegen. Da war keine Verzögerung, keine fehlerhafte Stellung. Wie lange muß man das trainieren und einüben?"

"Kannst du die gute Madame Liberté ja fragen, wenn du dich bei ihr bewerben willst, Julius", erwiderte Patricia darauf. Ihre ältere Schwester Béatrice grinste darüber jedoch nur und meinte:

"Auch wenn es sehr viel Disziplin, Gruppenarbeit und Phantasie braucht, um das zu machen wäre das für Julius eine totale Verschwendung seiner Fähigkeiten, wenn er Besenkunstflieger würde, Pattie."

"Ja klar, weil du meinst, den für eure Truppe einhandeln zu können, Trice", erwiderte Patricia darauf. Béatrice Latierre nickte verhalten. Julius überhörte und übersah es. Er sah Ursuline Latierre an, die sichtlich erfreut über die gerade vorgeführte Darbietung war. Esperance und Felicité strahlten. Ihre großen, rehbraunen Kinderaugen glänzten von der Flut der schönen Bilder, die die Besenkunstflugtruppe vorgegaukelt hatte.

"Die gute Angelique hat sich von denen nicht unterkriegen lassen, die ihr unterstellt haben, mit einem Kind sei sie aus dem Geschäft heraus. Das zeigt doch wieder, daß Kinder keine Fesseln, sondern Hilfen im Leben sind", bekräftigte Ursuline Latierre mit größter Überzeugung.

"Einen Moment habe ich auch gedacht, daß das was für mich wäre", meinte Millie. "Wie die ihre Besen so hinkriegen, in die gewollte Formation zu kommen, schon sehr stark. Vielleicht wäre das was für Pattie, Callie oder Pennie."

"Die Liberté soll ziemlich heftig sein, was das Hinkriegen von Flugsachen angeht", sagte Patricia. "Das werde ich mir aber gut überlegen, ob ich mir das echt geben will."

"Nächste Saison dürfen wir wieder in die Mannschaft rein und uns vorbereiten", sagte Calypso Latierre. "Nach Beaux suchen wir uns dann die passende Mannschaft aus."

"Ja, aber nur, wenn ihr bis dahin lernt, euch zu benehmen und mit eurer Stärke nicht so anzugeben", mußte nun Barbara Latierre ihrer Tochter die Vorfreude vermiesen. Julius dachte nur daran, daß die nächste Saison wohl erst im Jahr 2000 beginnen würde, sofern es kein trimagisches Turnier gab. Falls es das nicht gab konnte er eben noch einmal für die Grünen Quidditch spielen.

Nach einer Pause von fünf Minuten, die viele nutzten, um sich Getränke zu holen oder drängende Bedürfnisse zu erleichtern, durfte Laurent Fontchamp eine Ansprache halten, in der die internationale magische Zusammenarbeit gewürdigt wurde und das das Gift der Angst, das von den Todessern in die Welt gesprüht worden sei, seine fatale Wirkung nicht lange entfalten konnte. Danach durfte Hippolyte Latierre den Star des Nachmittags ansagen: "Messieursdames, Mesdemoiselles, Ladies and Gentlemen, Señoras, Señores y Señoritas, meine Damen und Herren, gerade von ihrer großen Welttournee zurück und mit großer Freude erfüllt, begrüße ich in unserer Mitte: Mademoiselle Hecate Leviata!" Ein lauter Donnerschlag erfüllte die Luft. Ein greller, gleißendblauer Blitz schlug aus dem Himmel genau auf einen Punkt der Bühne über. Und da stand sie, Hecate Leviata, Haar und Kleidung sprühten Funken in allen Farben des Regenbogens. Weißer Nebel wallte auf, aus dem sich Hecates Band materialisierte, die sofort mit einem schnellen, schwirrenden Lied loslegte, dem Wetterhexenlied, einem der aktuellen Schlager der weitgereisten Musikhexe. Wie bei den Kunstfliegern Angelique Libertés gab es auch hier magische Bildillusionen, je nachdem, ob vom Donnerwetter, tagelangem Regen oder strahlendem Sonnenschein gesungen und getanzt wurde. Die Zuschauer durften den Kehrreim mitsingen, den die Musikhexe einmal auf Französisch, dann auf Englisch und dann wohl auf Spanisch sang. Wie lange war das nun her, daß Julius diese wilde Künstlerin das letzte Mal bewundern durfte? Es war der krönende Abschluß seiner ersten Ferien in Millemerveilles gewesen. Er sah zu Madame Faucon hinauf. Sie hatte ihre Abneigung gegen Hecate Leviata offenbar immer noch nicht verloren. Denn sie rümpfte ein ums andere Mal die Nase und schien kurz davor zu stehen, ihren Schutzbefohlenen zu verbieten, die Lieder mitzusingen und die Künstlerin mit lautem Klatschen, Rufen oder wildem Kreischen anzufeuern. Julius sah die Dusoleils auf dem höchsten Rang unterhalb der Ehrenloge sitzen. Jeanne trug einen weiten Umhang mit magischen Symbolen, die Julius aus der Entfernung nicht genau zuordnen konnte. Er griff zu seinem Superomniglas, das er in weiser Voraussicht mitgenommen hatte und betrachtete Jeanne genauer. Er hatte sich nicht vertan. Die Symbole auf dem Umhang waren Runen für Ruhe und Flüstern, beinahe Schalldämpfungsrunen. Wenn ein magischer Schneider Runen in ein Kleidungsstück einwebte, in dem ein gewisser Anteil Goldfäden verarbeitet war, konnte es damit gegen Feuerschaden, Durchnässung, Überhitzung oder Unterkühlung bezaubert werden. Bei Jeanne war es wohl dazu gedacht, den Lärm der Zuschauer auf ein für ihre ungeborenen Kinder verträgliches Maß zu senken, um diese nicht unnötig aufzuregen. Das war sicher auf Hera Matines Mist gewachsen. Sofort suchte er mit dem Fernrohr die Ehrenloge und erkannte Mrs. Cartridge. Sie trug keinen solchen Umhang. Er suchte die anderen Hexen in guter Hoffnung mit dem Fernrohr. Diese trugen ihren anderen Umständen passend zurechtgeschnittene, aber edle Kleider. Bei einigen konnte er auch die Runen für Flüstern und Ruhe sehen, die wohl mit den entsprechenden Zaubersprüchen aktiviert worden waren. Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf Hecate Leviata, die wilde, ja halsbrecherische Flugübungen vollführte. Mit der Zeitdehnungsfunktion des Omniglases verzögerte er Hecates Bewegungen für ihn alleine auf ein Fünfzigstel der wahren Geschwindigkeit. Er konnte die Funken wie aufblühende kleine Sternchen sehen, die aus der Kleidung herauskrochen und mit sachten Schwenkbewegungen davontrieben, bevor sie flirrend in winzige Bruchstücke aus Licht zerfielen und erloschen. Millie sang Hecates Lied nun laut mit, wie die meisten französischsprachigen Hexen, die es kannten. Es war ein Lied über die untrennbare Verbindung zwischen den Hexen und dem Mond, der in der Nacht treu wachenden Wächterin und großen Himmelsschwester. Sofort stellte Julius das Omniglas wieder auf Echtzeitansicht um und konnte so erkennen, wie Hecate in einem weiten Mantel aus mondlichtfarbenen Funken über der Bühne schwebte, während zwei ihrer Mittänzer kleine Leuchtkugeln in den Himmel schossen, die weit über allen zu einem Sternenregen auseinanderplatzten.

Als das Lied vorbei war dachte Julius an seine und Millies besondere Hochzeit. Die Geschichte der Mondburg war besungen worden, wenngleich auch nicht erwähnt wurde, wo diese zu finden war. Warum hatte er dieses Lied bisher nicht gehört. War es vielleicht neu?

"Kannst du mal sehen, Julius, wie weit Hecate Leviata herumgekommen ist", meinte Millie. Julius nickte nur zustimmend.

Zwanzig weitere Lieder später brachte Hecate Leviata noch einen besonderen Trick. Sie sang von "der großen, weiten Welt, die in sich alles Leben hält". Dabei schien sie immer größer zu werden, wuchs scheinbar innerhalb einer Viertelminute höher als zwölf oder zwanzig Meter, größer als jeder Julius schon begegnete Riese. Ihre Musiker sangen und spielten mit, während sie wie von einem unsichtbaren Karussell getragen um ihre Vorsängerin flogen und dabei auf einer unsichtbaren Spiralbahn immer näher an sie heranrückten, bis sie scheinbar in ihren Beinen, ihrem Bauch und ihrem vor Anstrengung bebendem Brustkorb verschwanden. Kaum war der letzte Musiker auf diese Weise verschwunden, schrumpfte Hecate wieder zusammen. Die Musik klang dumpf und immer höher klingend, als würden die in dem Trugbild oder dem Scheinkörper gefangenen Musiker mit eingeschrumpft. Dann stand die illustere Unterhaltungskünstlerin in ihrer natürlichen Körpergröße da und verbeugte sich tief. "So, ich nehme meine Jungs und Mädels wieder mit. Wer uns wiedersehen möchte kann ja in einer Woche am Musikpark meine Sommernachtsphantasie bewundern." Sie drehte sich auf der Stelle. Aus dem Nichts entstand ein goldener Nebel, der die Bühne und alles darauf verhüllte. Eine halbe Minute später zerfloß der Nebel. Auf der Bühne war niemand mehr.

"Hua, der Trick ist aber gruselig", meinte Patricia. "Könnte ja echt meinen, die saugt ihre Leute in sich ein und verschwindet dann mit denen. Wie geht sowas, Maman?"

"Du, das weiß ich auch nicht. Die Künstler verraten ihre magischen Kunstgriffe nicht", erwiderte Ursuline Latierre.

"Wollen wir hoffen, daß die die nicht echt irgendwie einverleibt hat", meinte Barbara Latierre. "Vorstellbar wäre es bei dieser ausschweifenden Person."

"Sowas geht doch nicht, Babs", knurrte Béatrice. "Ich vermute eher eine Umkehrung des Plurimagines-Zaubers. Anders als bei dem brechen hier nicht mehrere Dutzend Abbilder aus einem echten Lebewesen heraus, sondern verschmelzen die natürlichen Erscheinungsbilder lebender Wesen mit einer illusionären Vergrößerung des Ausführenden. Die Verkleinerung könnte dann mit Geräuschmanipulationen einhergehen, die den Eindruck einer tatsächlichen Verhüllung der Geräusche und der Einschrumpfung ihrer Quellen erwecken."

"so ähnlich hat Connie Dornier doch beim Abschlußfest gezaubert", erinnerte sich Patricia. Julius nickte. "Dann lernen wir den sicher auch in Beaux", fügte seine jüngere Schwiegertante noch hinzu.

"Jetzt kommt der Einmarsch der Mannschaften und ihrer Helfer, wie bei den olympischen Spielen", kündigte Julius den nächsten Programmpunkt der Eröffnungsfeier an. Tatsächlich betrat Madame Hippolyte Latierre die Bühne und ließ das bisherige Orchester einen beschwingten, wenn auch nicht zu lauten Marsch anstimmen. "Nun, werte Freunde des edlen Quidditchsports, ist es Zeit, die Helden der Weltmeisterschaft zu begrüßen. Wie es Tradition ist, treten die Gewinner der letzten Weltmeisterschaft als erste in unsere Mitte. Begrüßen wir also mit einem recht herzlichen Applaus die ruhmreiche Mannschaft von Iiiiiiiiiiiirland!!!" Lautes Johlen und das Tröten unzähliger Lärminstrumente folgte dieser Ankündigung, als vom nördlichen Tor her zwanzig Hexen und Zauberer in den grünen Umhängen der irischen Nationalmannschaft eintraten. Über ihnen schwirrte, wie Satelliten um eine Raumstation, ein Schwarm aus mindestens vierzig Leprechans, die den Schriftzug: "Irland ist Champion!" formte. Aidan Lynch, der Sucher von damals, der im Endspiel jedoch zu viel Pech hatte, trug die Fahne seines Landes. Julius suchte schnell die Malones. Als er endlich weitere rotblonde Schöpfe ausmachte, die nicht zu den Latierres gehörten, benutzte er die Nahbetrachtungsfunktion des Omniglases. Auch Kevin hatte sein Omniglas vor den Augen und jubelte. Dann schien er was lautes zu rufen, womöglich, daß Irland auch diese Weltmeisterschaft gewinnen würde. Die Iren stellten sich vor die Bühne und winkten ihren Anhängerinnen und Anhängern zu. Da Julius noch in Erinnerung hatte, wer die ruhmreichen Endspielhelden waren, fielen ihm die beiden neuen Mitspieler auf, die wohl gerade erst mit Hogwarts fertig geworden zu sein schienen.

Nach Irland ging es alphabetisch zu. Erst kam die Mannschaft aus Ägypten, mit dem Fahnenträger Abdul Alburak an der Spitze der nur aus Zauberern bestehenden Mannschaft, die in sandfarbenen Umhängen aufliefen. Danach traf die aus vielen dunkelhäutigen Spielern gebildete Truppe Algeriens ein, deren Fahnenträger ein schokoladenbrauner zauberer namens Roger Mataburi war. "Aaaaaaandorrrra!!" Rief Hippolyte. Diesen langen Ruf erhörten fünfzehn Zauberer mit geschulterten Besen, die in schneeweißen Spielerumhängen mit einem goldenen A auf Rücken und Brustteil gekleidet waren. Ihre Helfer trugen schneeweiße Hemden und tiefblaue Hosen und Hüte. Der Fahnenträger der Andorraner war ein kleiner, drahtiger Zauberer, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Albericus Latierre hatte. Das fiel Julius auf, und er stupste Millie an.

"Da ist einer unserer Onkels, Julius. Onkel Arminio Arno, Oma Tetis zweitgeborener Sohn, der eine andorranische Kräuterhexe geheiratet hat. Womöglich sind seine drei Söhne irgendwo da im Zuschauerwust verschwunden, weil Carmelita eine Koboldnachfahrin ist. Gut, daß die Gringotts-Spitzohren das nicht mitkriegen."

"Von dem weiß ich ja noch gar nichts", sagte Julius verwundert.

"Weil ich nicht mehr wußte, ob der im andorranischen Trupp mit drin ist. Der spielt schon seit zwanzig Jahren für deren Nationalmannschaft. Der ist wohl immer noch Sucher von denen."

"Oh wird bestimmt interessant, dem zuzusehen."

"Ist erst Freitag, wenn die gegen Indien ranmüssen", erwiderte Millie darauf.

"Hui, das wird dann aber schwer, für die richtige Mannschaft zu sein. Schade, daß Oma Tetie nicht herkommen wollte", sagte Julius.

"Wollen wollte die schon", sagte Ursuline. "Aber im Moment hat sie einiges um die Ohren. Abgesehen davon wollte sie nicht näher an Trice heran als unbedingt nötig. Das hat sie natürlich keinem erzählen wollen."

"Haben die beiden sich in der Wolle?" Fragte Julius.

"Die kleine wird launisch, weil sich einige ihrer Stammkundinnen entschlossen haben, ihre womöglich letzten Kinder unter meiner Aufsicht zu kriegen", sagte Trice. Mentiloquistisch schickte sie an Julius weiter: "Dann hat ihr das noch zugesetzt, daß wohl Madame Rossignol Millies und dein erstes Kind auf die Welt holen darf, wo sie meint, die einzige zu sein, die ihren Enkeln und Urenkeln auf die Welt helfen darf." Julius schickte nur ein "Verstehe" zurück.

Weitere Mannschaften trafen ein. Zu Tangoklängen marschierte Argentiniens Mannschaft ein. Australien wurde von wummernden Didgeridoos ins Stadion begleitet. Julius sah Pamela Lighthouse und Rhoda Redstone wieder, die er schon einmal gegeneinander hatte spielen sehen dürfen. Belgien trat mit einer einzigen Mannschaft an, obwohl es im Vorfeld einige Debatten gegeben hatte, ob die Flamen nicht eine eigene Mannschaft hinschicken sollten. Brasiliens Mannschaft wurde natürlich mit Sambaklängen begrüßt. Tatsächlich liefen die in Grün und Gelb gekleideten Spielerinnen und Spieler auch im Sambarhythmus herein. Julius erkannte, daß die Quidditchnationalspieler ähnlich gekleidet waren wie die weltberühmte Fußballmannschaft. Fahnenträgerin der Brasilianer war eine gertenschlanke, schwarzhaarige Hexe, deren Name auf dem Rückenteil ihres Spielerumhangs sie als Gilberta Torrinha auswies. Überhaupt sah Julius bei den vierzehn grün-gelb gekleideten Spielern acht Hexen und sechs Zauberer. Womöglich war die kleine, zerbrechlich wirkende Hexe mit der fast schwarzen Haut und den rostroten Haaren die Sucherin. Sie hieß Locusta Molinar. Bulgarien erschien, und Victor Krum wurde von vielen jungen Hexen mit lautem Kreischen begrüßt. Der erfolgreiche Sucher des letzten Endspiels und Teilnehmer des trimagischen Turniers war nicht vergessen worden. Julius suchte mit seinem Omniglas Hermine Granger, von der es mal geheißen habe, Krum hätte ein Auge auf sie geworfen. Tatsächlich saß sie mit Ron Weasley zusammen da und klatschte stürmischen Beifall für die Bulgaren. Deutschland wurde mit einer Menge Klarinetten- und Blechblasbegleitung ins Stadion hineingeleitet. Der einem nordischen Helden ähnelnde Berthold Eichenklotz wirkte mit seinen mindestens zwei Metern Höhe und ein Meter fünfzig Breite wie ein wandelnder Kleiderschrank. sein goldblondes Haar fiel in sanften Wellen bis in seinen Nacken. Er winkte mit der schwarz-rot-goldenen Fahne. Die Spieler trugen schwarz-goldene Umhänge mit roten Rücken- und Brustnummern. Als england in fuchsroter Spielerkleidung einmarschierte jubelte auch Julius mit. Er hatte die aktuelle Mannschaft seines Geburtslandes ausgiebig studiert und freute sich, die gerade ins siebte Schuljahr kommende Ginny Weasley unter den Spielern zu sehen, die von Madam Hooch schon als Nachwuchsjägerin der Harpies anempfohlen worden war, obwohl die Harpies viele Spielerinnen aus dem irischen, walisischen und schottischen Raum anwarben. Er suchte nach Ginnys Eltern, die er bisher nicht angetroffen hatte. Er konnte die rundliche Molly Weasley sehen, die mit ihrem Mann Arthur in einer der unteren Ränge saß, flankiert von den ältesten Söhnen William und Charles. George war wohl in London geblieben, um den Scherzartikelladen in Gang zu halten. Percy Weasley, den Julius noch als Schulsprecher mitbekommen durfte, wollte oder konnte auch nicht mit nach Frankreich kommen. Julius freute sich zumindest, daß die Weasleys nach allen Schikanen und Gefahren der beiden düsteren Jahre von Voldemorts Rückkehr endlich genug Grund zur Freude hatten. Julius erkannte Fleur, die mit ihren Eltern hinter William Weasley saß und wohl darauf wartete, die französische Nationalmannschaft bejubeln zu dürfen. Doch diese erschien noch nicht. Julius fand Fleurs Schwester Gabrielle bei den Schulkameraden aus Beauxbatons sitzen. Wieso das so war wußte er nicht. Nach Finnlands Mannschaft kam bereits Griechenland, dessen Mannschaft mit schwirrendem Saitenspiel der Musiker begrüßt wurde. Frankreich hätte vom Alphabeth her dazwischengehört. Doch Julius vermutete stark, daß die Gastgeber den krönenden Abschluß bilden würden. Er nahm die hineinparadierenden und sich um die Bühne aufstellenden Mannschaften zur Kenntnis, die von Liechtenstein ebenso wie die von Luxemburg, Österreich wie Peru. Er sah den braunhäutigen Gabriel Bocafuego, der als Fahnenträger fungierte. So ging es weiter, über die die Schotten in ihren den traditionellen Schottenröcken nachempfundenen Umhängen mit blau-rot-gelben Karos, für die sogar Streicher und Harfenspieler im Orchester einen schottisch angehauchten Teil des Einzugsmarsches intonierten, sowie die Spanier, die in rot-gelben Spielerumhängen zu wilden Gitarrenklängen und den postkartenmusikalischen Kastagnetten ins Stadion geleitet wurden. Er sah die Tunesier, die von ihrem Fahnenträger und möglichen Mannschaftskapitän Hussein Aldari angeführt wurden. Die Tunesier wirkten durch die Reihe weg klein und zerbrechlich, so wie viele Sucher anderer Mannschaften. Doch Julius vermutete stark, daß diese Mannschaft aus Nordafrika den Franzosen einen heißen Abend bereiten würde. Dann sah er die Waliser in grasgrünen Umhängen mit einem goldenen W auf Rücken- und Brustteil, bis zum Schluß tatsächlich eine Truppe in blau-weiß-rot quergestreiften Spielerumhängen hereinkam. "Und hier die Mannschaft aus Frankreich, die dieses Jahr darum kämpfen möchte, den Pokal im eigenen Land zu gewinnen!" Rief Madame Latierre mit unverhohlener Begeisterung. Der Fahnenträger der Gastgebermannschaft war Polonius Lagrange. Hinter ihm liefen die Montferre-Zwillinge, gefolgt von Bruno Dusoleil. Julius sah Janine Dupont, die über ihr ganzes Gesicht strahlte, hier in ihrem Geburtsort in der Nationalmannschaft mitspielen zu dürfen. Er sah aber auch Maurice Dujardin, den überragenden Sucher, der ehemals im gelben Saal gewohnt hatte und über dessen Weggang viele Gelbe traurig waren, bis Sandrine Dumas ihn würdig beerbt hatte. César Rocher winkte in die Menge. Auch er strahlte über sein rundes Gesicht, daß er hier in seinem Geburtsort um den Weltpokal mitkämpfen durfte. Er hatte ja nur dafür zu sorgen, daß die Gegner keine Tore schossen. Die Gastgeber platzierten sich so vor der Bühne, daß sie genau nach osten blickten, dorthin, wo morgens die Sonne über Millemerveilles aufging. Julius vermutete, daß sie damit die Aufbruchsstimmung verdeutlichen wollten, die ihnen innewohnte. Er fühlte das Kribbeln in seinem Körper. Wäre das nicht auch was für ihn gewesen, bei einer Weltmeisterschaft mitzuspielen? Im Fußball hätte er sofort gesagt, daß er alles spielerische dafür tun wollte, um einmal im Londoner Wembleystadion um die Weltmeisterschaft mitspielen zu dürfen. Aber als Zauberer würde ihn Minister Shacklebolt in kein Muggelstadion mehr hineinlassen. Die Versuchung, durch telekinetische Wunschzauber den Ball zu beeinflussen war ja auch zu groß. Die Chance, in Frankreich Quidditch zu spielen hatte er wohl gerade verpaßt, wohl auch, weil er Professeur Beaufort keine entsprechenden Andeutungen gemacht hatte, Profi-Spieler werden zu wollen. Schüler, die nur mal am Ruhm der Nationalmannschaft schnuppern wollten, würde wohl keine Quidditchnation anwerben.

"Die Mannschaften sind alle vollzählig versammelt", sagte Madame Latierre mit magisch verstärkter Stimme. Ein Trommler im Orchester begann einen leisen Wirbel zu spielen. "So brauchen wir nur noch eines, um diese Weltmeisterschaft zu beginnen. Bringt ihn herein!" Pauken untermalten jeden Schritt der drei Zauberer, die in der kleegrünen Kleidung der Iren in das Stadion kamen und einen dreibeinigen Tisch trugen, über dden eine weit herabfallende, weiße Leinendecke gezogen war. Diese verhüllte etwas hohes, das auf dem Tisch stand. Keiner konnte Umrisse oder genaue Formen erkennen, weil das Leinentuch wie ein weites Zelt wirkte. Alle Zuschauer klatschten im Rhythmus der Pauken. Nun stiegen die Trompeter und Posaunisten mit kurzen Akzenten in die Begleitmusik ein. Die Musik und das rhythmische Klatschen steigerten sich, als die Tischträger ihre Last auf die Bühne hinauftrugen. Am Ende glitt die Musik in eine langsame, jeden Ton auskostende Fanfare über. Unter den Klängen dieser Ankündigungsmusik gingen die drei Träger in die Knie und stellten den Tisch genau in der Bühnenmitte ab. Madame Latierre winkte dem französischen Zaubereiminister. Dieser winkte dem britischen Zaubereiminister, der unter einem neuerlichen Paukenmarsch aus der Ehrenloge herabstieg. Er war in Begleitung von Maureen Finnigan von der irischen Sektion der britischen Quidditchliga. Die um die Bühne gruppierten Mannschaften bildeten eine Gasse für die beiden Vertreter von den britischen Inseln. Minister Grandchapeau schüttelte dem dunkelhäutigen Kingsley Shacklebolt die Hand und begrüßte Mrs. Finnigan auf hiesige Landesart. Wieder erklang die Fanfare, mit der der verhüllte Tisch auf die Bühne getragen worden war.

"Auspacken! Auspacken! Auspacken!" Riefen die englischsprachigen Zuschauer. Die Franzosen skandierten "Zeigt uns den Pokal! Zeigt uns den Pokal!" Doch das Eröffnungsfeierprotokoll erlaubte keine vorzeitigen Handlungen. So mußte der britische Zaubereiminister im Namen der letztmaligen Gewinner eine Dankesrede halten, daß sie alle zusammen "in diesem altehrwürdigen, gastlichen Dorf mit vielfältiger Geschichte" willkommengeheißen worden waren. Julius schmunzelte. Mit der vielfältigen Geschichte umschrieb Shacklebolt die düstere Ära Sardonias, die wohl nun doch den Rekord was dunkle Zaubererimperien anging behalten durfte, nachdem Grindelwald, Bokanowski und Voldemort erledigt und verbuddelt waren. Er erwähnte auch, daß es sehr fraglich gewesen sei, daß überhaupt noch einmal eine britische Mannschaft zu einer Weltmeisterschaft würde antreten dürfen und erinnerte daran, daß die Weltmeisterschaft ja eigentlich 1998 hätte stattfinden sollen, es aber aus allen sehr schmerzvoll bekannten Gründen nicht möglich gewesen war, ohne die vier britischen Mannschaften gleich ohne Chancen dastehen zu lassen. Daher bedankte er sich noch einmal dafür, daß die internationale Organisation für magische Spiele und Sportarten IOMSS, sowie die Abteilung für magische Spiele und Sportarten Frankreichs den Termin für die Weltmeisterschaft um ein Jahr nach hinten verschoben hatten. Minister Shacklebolt erwähnte, daß es seit 1473, wo die erste internationale Meisterschaft stattgefunden habe, erst alle zwei Jahre und ab dem 19. Jahrhundert alle vier Jahre eine Weltmeisterschaft ausgerichtet worden sei, da es im Zuge der immer größer werdenden Quidditchweltgemeinschaft schwerer und umständlicher geworden sei, "ein solches großereignis wie eine Quidditch-Weltmeisterschaft" mit dem gebührenden Aufwand und Bedacht zu organisieren. Mit dem Zeitraum von vier Jahren sei die Endrunde der Weltmeisterschaft jenen weltweiten Sportereignissen um Jahre vorausgeeilt, die in der magielosen Welt ausgerichtet würden. Jetzt, wo die in der Quidditch spielenden Zaubererwelt gültige Zeitrechnung das Ende eines Jahrtausends im Blick habe, sei das Jahr 1999 ein passender zeitpunkt, um dieses weltweite Großereignis zu feiern. Er bedankte sich dann noch einmal bei der Organisation in Frankreich und lobte seine Mitarbeiter, die so gut mit den Gastgebern zusammengearbeitet hatten. "So freue ich mich, Mrs. Maureen Finnigan darum bitten zu dürfen, den Weltmeisterpokal zu enthüllen, der von Irland in den letzten fünf Jahren so sorgfältig gehütet und bewahrt wurde. Mrs. Finnigan, bitte enthüllen Sie den Pokal!" Sagte er. Julius übersetzte Patricia schnell die wichtigsten Punkte aus Shacklebolts in Englisch gehaltener Rede. Währenddessen trat Maureen Finnigan an den verhüllten Tisch heran und ergriff langsam, ja ehrfürchtig behutsam die weiße Leinendecke. Ein Trommelwirbel untermalte diesen Akt, während bereits mehrere hundert Fotoapparate blitzten und rauchten, um diesen Moment auf Zaubererfilm zu bannen. Dann erstrahlte er im Glanz der südfranzösischen Sommersonne, der Gegenstand, um den es ging, den vierundsechzig Mannschaften mit allem was sie konnten erringen wollten und den am Ende doch nur eine Mannschaft erobern würde. Unter lautem Jubel und Trompetenklang präsentierte Mrs. Finnigan den gewaltigen Pokal, dessen zwei Henkel so weit gebogen waren, als wollten sie jeden hier anwesenden dazu auffordern, ihn anzufassen, ihn zu erheben. Eine Minute lang überließen die auf der Bühne stehenden den Pokal dem Jubel des Publikums. Dann trat Madame Latierre vor und winkte dem Osteingang mit ihrem Zauberstab zu. Unter lautem Klatschen traten mehrere Dutzend Hexen und Zauberer in schwarzen, hautengen Umhängen ein. Um ihre Hälse baumelten goldene Trillerpfeifen. Das Korps der Schiedsrichter rückte in das Hauptstadion ein und betrat die Bühne. Madame Latierre begrüßte die Spielleiter und gebot Ruhe. Alle schiedsrichter mußten nun eine Hand auf den Rand des Pokals legen und einen feierlichen Eid schwören, jedes von ihnen geleitete Spiel mit aller Umsicht, Gewissenhaftigkeit und ohne jede Parteinahme zu betreuen und sicherzustellen, daß keine Mannschaft einen ungerechten Vor- oder Nachteil erhielt. Dann marschierte Polonius Lagrange zusammen mit Aidan Lynch auf die Bühne. Aidan schwor auf Englisch, Polonius auf Französisch, daß sie im Namen aller Spieler im Rahmen der Regeln spielen und den Kampf um die Weltmeisterschaft ohne Betrug und unerlaubte Mittel führen würden, auf das nur der bessere gewinnen möge. Julius grinste. Als wenn Mannschaften dadurch fairer spielen würden. Das war im Fußball selten und bei Olympia auch so gut wie selten, weil da doch immer wieder unerlaubte Leistungssteigerungen oder Fouls vorkamen. Im Zauberersport war Doping noch leichter. Mit dem Heraklestrank oder dem Altirobur-Zauber konnten sich Leute das vielfache an Körperkraft zulegen. Mit Geschwindigkeitssteigernden Tränken oder Zaubern waren sie reaktionsschneller oder gewandter. Die Krönung war Felix Felicis, der Glückstrank, der Intuition, Reaktionsvermögen und Gewandtheit derartig steigerte, daß dem Trinkenden alles gelang, was er oder sie während der Wirkungsdauer unternahm. Zwar waren alle diese Dinge bekannt und bei Sportveranstaltungen verboten. Doch es mochte immer wieder Leute geben, die meinten, schlauer zu sein als die Schiedsrichter oder die Verantwortlichen im Organisationskomitee.

Nun durfte der französische Zaubereiminister noch die obligatorische Eröffnungsrede halten. Mit magisch verstärkter Stimme bedankte er sich auch noch einmal beim Organisationskomitee, der IOMSS und allen Quidditchfreunden in der Welt, daß er jetzt die große Ehre haben durfte. Dann machte er eine taktische Pause und vollendete seine Ansprache: "Ich wünsche den Spielern, den Schiedsrichtern und allen Zuschauern eine Zeit packender Wettkämpfe, eine Zeit fairer Wettkämpfe und einen würdigen Sieger im letzten Spiel. Hiermit erkläre ich die vierhundertdreiundzwanzigste Quidditchweltmeisterschaft für eröffnet." Ein Jubelschrei wie eine Explosion brachte die Luft im Stadion zum erzittern. Lautes Klatschen und Tröten folgte. Das Orchester spielte noch einmal einen beschwingten Marsch und verkündete damit, daß die Zeit des Wartens nun vorbei war. Dann ergriff Madame Latierre das Wort:

"So laßt uns nun zur großen Eröffnung schreiten. Das Spiel Frankreich gegen Tunesien beginnt in zwanzig Minuten." Dann winkte sie den Musikern, die von ihren Stühlen aufstanden. Diese falteten sich von selbst wie aus Papier zusammen und versanken im Grund des Orchestergrabens. Der dreibeinige Tisch stieg senkrecht nach oben. Der enthüllte Pokal glühte förmlich im Sonnenlicht, während er von unsichtbarer Macht getragen mit dem Tisch davonglitt, wohl in eines der unterirdischen Kellergewölbe unter dem Spielfeld. Wie bei einer Polonese führten die Musiker nun die Würdenträger von der Bühne herunter. Die Mannschaften, die heute nicht spielen würden, reihten sich in die Schlange der um das Stadion herum marschierenden ein, die länger und länger wurde. Als niemand mehr in der Nähe der Bühne stand fiel diese in sich zusammen, als habe es sich um ein gewaltiges Luftkissen gehandelt, das nun schlagartig alle Luft verlor. Auch die Bühne faltete sich zusammen. Julius grinste, als Florymont Dusoleil in einem grün-silbernen Arbeitsumhang erschien, den Zuschauern zunickte und die Bühne dann wie ein luftleeres Wasserspielzeug auf die Arme nahm und davontrug. Sein Abgang wurde mit rhythmischem Klatschen und Pfeifen bedacht.

"So geht's auch", bemerkte Julius.

"Wie lange glaubt ihr, dauert das Spiel?" Fragte Patricia.

"Bis Janine den Schnatz hat, Tante Patricia", sagte Millie.

"Hmm, klar spielt sie die Eröffnung. Aber wenn das Ding über mehrere Tage geht ... Ich meine, die Tunesier sehen quirlig aus", warf Julius ein.

"Eben, sie sehen so aus, Julius. Aber die haben außerhalb von Afrika noch nie mehr als zwei Runden in einem internationalen Turnier überstanden", wu´ßte Millie. "Ägypten hält den ewigen Rekord, als Afrikanische Mannschaft mit dem größten Durchhaltevermögen und dreißig gewonnenen Weltmeisterschaften. Frankreich hat die Meisterschaft schon vierzig mal geholt, wenngleich die letzte auch schon wieder einige Jahre her ist", erwiderte Millie.

"England hat diesen Pokal sechzig Mal gewonnen", sagte Julius. "Okay, nicht den, den wir gerade gesehen haben, weil bei Quidditch auch gilt, wer den Pokal drei mal gewinnt darf ihn behalten."

"Aber du glaubst nicht echt, daß England dieses Jahr Weltmeister wird. Nichts für ungut, Julius. Aber die sind noch nicht wieder so gut, daß die den Pokal mitnehmen dürfen", sagte Millie.

"Okay, frage ich mal so: Um wie viel Uhr fängt Janine den Schnatz?" Versuchte Patricia noch einmal, die Länge des Spieles zu erfragen.

"Das können wir dir leider nicht sagen", bemerkte Julius. "Könnte sein, daß du da schon ins Bett mußt."

"Öi!" Entgegnete Patricia. Sie sah ihre Mutter an. Diese schmunzelte und sagte:

"Wenn das trotz Ampluminazauber zu dunkel werden sollte hören die schon auf. Bei schlechtem Wetter wurden schon häufig Spiele auf den nächsten Morgen vertagt", sagte Ursuline.

"Abgesehen davon können die Stühle zu Schlafsesseln umgemodelt werden", sagte Julius und zeigte Patricia die beiden Runen in den Armlehnen. "Ich vermute, wenn du die Hände hier drauflegst und dich zurücklehnst, wird aus dem Stuhl ein Liegestuhl. Das sind nämlich die Runen für Ruhe, Schlaf und Geborgenheit."

"Du hast ja Runenkunde. Aber ohne Zauberstab sowas zu machen ..." erwiderte Patricia und legte ihre Hände auf die bezeichneten Stellen. Da klappte ihr Stuhl nach hinten und wurde zur Liege. Aus dem Nichts heraus erschien eine dünne Decke und breitete sich über Patricia aus. Sie erschrak, als sie nach hinten kippte und stieß wohl einen Schrei aus. Doch nichts war zu hören. Ihr Kopf landete auf einem unsichtbaren Kissen, wohl einem eingebauten Polsterungszauber. Sie setzte sich auf, wobei sie mit der sie beharrlich einwickelnden Decke rang.

"Jeanne, frag deinen Vater bitte, wie der Bettmodus der Stühle wieder rückgängig geht!" Schickte Julius eine Melo-Nachricht an Jeanne Dusoleil. Statt einer Antwort verließ sie ihren Sitzplatz und eilte über das nun freie Feld hinüber zur Ostkurve.

"Wußte gar nicht, daß Patricia schon so früh ins Bett muß, Tante Line", scherzte Jeanne und zeigte der immer noch gegen die Decke ankämpfenden Patricia, wo sie anfassen mußte, um aus dem improvisierten Bett wieder einen bequemen Zuschauerstuhl zu machen.

"Steht im Programmheft ganz hinten, wie die Sitze bezaubert sind und wie die Zauber ausgelöst werden", grinste Jeanne und sah Julius an. "Solltest du eigentlich wissen, Julius."

"Ich habe nur den Ablauf durchgelesen", murrte Julius, während Patricia zeterte, daß sie so gut wie nichts gehört habe und die Decke sich nicht von ihr wegstoßen lassen wollte. Jetzt war die Decke jedenfalls nicht mehr da.

"Schallabschwächungszauber und eine animierte Decke, die sicherstellen soll, daß sie dem Schlafenden nicht vom Körper runterrutscht", sagte Jeanne und zeigte Julius die Runen für Ausgeruhtheit und Aufmerksamkeit, die unter der Sitzfläche eingraviert waren. "Wenn du da die hände drauflegst wird das Bett wieder zum Stuhl", sagte Jeanne. "Dann werde ich jetzt mal wieder rüberwatscheln, damit zumindest die Kleinen nicht meinen, schon jetzt Quidditch spielen zu müssen."

"Höchstens Boxen", erlaubte sich Julius eine Frechheit.

"Ja, Julius, du auch. Bruno und sein Vater ziehen mich schon damit auf, daß ich bereits die künftigen Gewinner des goldenen Tanzschuhs mit mir herumtrage, weil die den von mir bereitgestellten Raum so sehr ausnutzen. Ich denke, um zehn Uhr darf Tunesien schon wieder nach Hause fahren. Bis dann!"

"Jau, die kann mit zwei Brötchen im Backofen aber noch gut laufen", stellte Callie Latierre fest. Ihre Mutter räusperte sich und ermahnte ihre Tochter, sich nicht so rüde auszudrücken. Doch ihre Großmutter grinste erheitert. Sie sagte:

"Das hat sie wohl damals gehört, als ich das mal zu dir sagte, Babs."

"Gut, daß Callie und Pennie noch eine Oma haben, die ihnen zeigt, wie gesellschaftsbewußte Hexen sich benehmen müssen", grummelte Barbara Latierre.

"Stimmt, als schlechtes Vorbild, wie die beiden sich besser nicht benehmen sollten", bemerkte Ursuline dazu.

"Auch wenn du mit der gestrengen Blanche Faucon die Zauberstäbe nicht mehr kreuzt gibt's da doch genug, was ich meine zwei Töchtern nicht von dir lernen lassen möchte, Maman", knurrte Barbara.

"Stimt, die Liste liegt bei uns im Château als Dielenschoner auf dem Boden, so lang und breit wie sie ist", lachte Ursuline. "Babs, ich will auch haben, daß Callie und Pennie wissen, wie sie sich benehmen sollen, aber eben so, daß sie sich dafür nicht verbiegen, oder den falschen Leuten alles nachplappern sollen. Und es war bestimmt nicht respektlos, was Callie über Jeannes Gewandtheit gesagt hat. Die überholt ihre Mutter doppelt und dreifach, wie die mit zwei Kindern zugleich laufen kann."

"Erzähl das Bruno, und der hört im Traum nur noch schreiende und quängelnde Babys", raunte Julius.

"Genau wie Babs", erwiderte Ursuline. Ihre Tochter errötete an den Ohren und erwiderte:

"Vier reichen mir, Maman. Noch mal zwei auf einmal tue ich mir nicht an, schon gar nicht wenn Trice um mich rumlaufen will, um die sicher zur Welt zu holen."

"Im Vergleich zu Jeanne läuft Frau Zaubereiministergattin Cartridge aber sehr ausladend herum", sagte Patricia. "Die hat gerade nur eins unterm Umhang?"

"Ich habe nicht druntergeguckt", sagte Julius. Barbara Latierre machte anstalten, ihm dafür ans linke Ohr zu greifen. Doch Béatrice fing die Hand ihrer Schwester ab und meinte: "Was für ein Vorbild bist du für unsere Schwester, wenn du wem am Ohr ziehen möchtest, weil er die Wahrheit sagt, Babs?"

"Sehe ich ein", grummelte Barbara. Julius wußte, daß die Hüterin der Latierre-Kühe wesentlich ernster und strenger drauf war als ihre Geschwister oder gar ihre Mutter und ihre namensgleiche Großmutter. Aber so wie gerade eben war es schon ziemlich nervig für ihn und wohl nicht nur für ihn. Callie sagte dann etwas, was Julius für's erste nicht weiter beachten konnte, weil gerade mehrere Musikgruppen in den Zuschauerreihen losmusizierten.

"Ich habe die vorgestern gesehen, da lief die ganz normal herum, als wenn sie gerade nicht schwanger sei. Erst als sie wen anderen weit weg gesehen hat, fing die wieder an zu watscheln. Soll wohl Schau sein, damit jeder merkt, daß sie wieder was kleines kriegt."

Die Musik wurde lauter. Julius hörte orientalische Klänge und Trommeln. Dazwischen dröhnte es laut wie von einem wildgewordenen Hornissenschwarm. Julius erstarrte einen winzigen Moment, bevor er sah, wo das Getöse herkam. Mehr als tausend Hexen und Zauberer aus Südafrika bliesen in trompetenartige Blasinstrumente. Sie trugen die Schals der südafrikanischen Quidditchnationalmannschaft, die im bisher vergeblichen Wettlauf um den Rekord gegen Ägypten ankämpfte, die afrikanische Mannschaft mit der längsten Beteiligung an internationalen Turnieren zu sein.

"Meine Güte! Sind die Dinger laut. Klingen so ähnlich wie bei der Saisoneröffnung vor einem Jahr", beklagte sich Julius.

"Dürften von denen übernommen worden sein, Julius", sagte Barbara. "Eine Unsitte der Muggel in südafrikanischen Sportstadien. In der Masse sind diese Tröten schon unerträglich, mit Schallverstärkungszaubern sind sie wohl schon gemeingefährlich."

"Ich dachte erst, einen Hornissenschwarm zu hören", grummelte Julius.

"Hast du schon mal einen gehört?" Fragte Patricia verwegen.

"Hornissen nicht, aber wie wütende Wespen klingen weiß ich", seufzte Julius zur Antwort. Millie stupste ihm in die Seite und wisperte ihm ins Ohr:

"Ich habe Begonie L'ordoux getroffen. Die meinte, diese südafrikanischenTröten hätten ihre bienen kirre gemacht, weil die wohl auch dachten, gleich von einem Hornissenvolk aufgemischt zu werden. Dabei stecken die diese Biester locker weg." Julius erinnerte sich gut an das Gebrumm und Gesumm von Madame L'ordouxes Bienenvölkern und erwähnte es Patricia gegenüber.

"Bei der letzten Weltmeisterschaft hatten sie Maskottchen", sagte Martine, die bis dahin in Ruhe die Eröffnungsfeier verfolgt hatte. "Haben die das beibehalten?"

"Da sitzt du an der besseren Quelle als wir", sagte Millie ihrer großen Schwester.

Doch Martines Frage wurde beantwortet, als ihre Mutter in der Ehrenloge Aufstellung nahm und die Stadionsprecherin gab. Sie begrüßte noch mal alle zur Weltmeisterschaft und rief: "Begrüßen wir mit feurigem Beifall und sprühenden Zauberstäben die Maskottchen der tunesischen Quidditchnationalmannschaft!" Auf dieses Signal hin fauchten zwanzig orangerote Feuerbälle über die Stadionbegrenzung im Süden hinweg über die Zuschauer hin. Jeder für sich legte eine Schleppe aus goldenen und roten Funken aus, die wie flammende Kometenschweife im noch hellen Tageslicht erschinen. Die Feuerbälle tippten auf den Boden und prallten ab wie lodernde Basketbälle. Als sie dann wieder Bodenkontakt bekamen zerplatzten sie in nach allen Seiten auseinandersprühenden Funkenwolken. Aus ihnen erschienen nun blaßbeige Geschöpfe mit Flughäuten, die gerade einmal einen Meter hoch waren. Julius fielen sofort die schlanken, schräg aus den struppigen Köpfen ragenden Hörner auf. Ihre Hände und Füße zierten lange, breite Krallen, die eher zum Graben als zum Klettern oder Kratzen geeignet waren. Goldene, katzenartige Augen mit senkrechten Pupillen standen den kleinen Wesen im Gesicht. Ihre Ohren waren lang und Spitz. Ihre Nasen waren flach, breit und schwarz und besaßen große Löcher. Die Münder, besser Mäuler, ragten spitz aus dem unteren Teil des Gesichtes und wurden von struppigen Ziegenbärten geschmückt. Außer daß keines dieser Wesen einen Huf an einem Bein hatte stand der Vergleich für Julius fest: Diese Geschöpfe sahen aus wie kleine, sandfarbene Teufel.

"Das sind nordafrikanische Wüstenteufel, Julius", erklärte Barbara Latierre, die nun in ihrem beruflich vorgegebenen Element war. "Die gehören zu den sprachfähigen Zauberwesen und suchen sich ihre menschlichen Vertrauten aus wie die Kniesel es tun. Nur wer gut in Feuerzaubern ist kann sich ihre Anerkennung erwerben. Wer versucht, ihre natürliche Feuermagie mit Wasserzaubern zu bekämpfen, verjagt sie für immer. Sie bevorzugen es, in Wüsten zu leben. Sie gehören zu den Halbdschinnen, magischen Wesen, die zwischen Elementarwesen und organischen Lebewesen angesiedelt sind. Wie wir gerade sehen konnten vermögen sie es, sich in Feuerbällen einzuhüllen. Sie können auch natürliche Feuer beeinflussen oder Funken oder Flammen aus ihren Händen und Füßen schlagen. Die Anführer können sogar echte Blitze aus ihren Mäulern speien, wenn sie wütend sind oder sich von starken Wasserzaubern bedroht sehen."

""Siehst du die auch, Britt?" Schickte Julius eine Melo-Frage an Brittany Brocklehurst.

"Komm, hör auf, Julius! Die auch noch in die für sie zu kalte und wasserhaltige Gegend zu schleppen ist abartig", erhielt er eine nur in seinem Kopf klingende Antwort.

"Na, ob Britt das mag, daß die diese Wesen hierhaben?" Feixte Millie.

"Hab ich gerade gefragt. Sie findet das abartig, die Wüstenteufel in dieser Gegend zu halten", erwiderte Julius. Er sah, wie viele Zuschauer ihre Zauberstäbe hochhielten und Funken in allen Farben daraus versprühten. Dies reizte die gehörnten Wesen, in die Luft zu springen und ihrerseits Funken aus ihren Körpern zu versprühen.

"Die scheinen sich hier aber wohlzufühlen", meinte Julius zu Barbara.

"Ist zwar die Sache meines Kollegen vom Zauberwesenbüro. Aber ich durfte auch wissen, welche Maskottchen hergebracht und wie sie untergebracht wurden. Die Wüstenteufel werden, wenn sie nicht für die Spiele eingesetzt werden, in fahrbaren Kohleöfen gehalten und mit pulverisierter Vulkanasche gefüttert. Aber sie können alles essen, was verbrannt wurde. Deshalb kam es auch schon zu Zwischenfällen, wo ein Wüstenteufel ein ganzes Beduinenzeltlager niedergebrannt hat, um sich und seinem Clan was zu Fressen zu verschaffen. Alles was vom Feuer berührt und verändert wurde ist für sie nahrhaft."

"Wie bei Nepomuk, dem Halbdrachen", meinte Julius und erklärte seinen Verwandten, wer damit gemeint war.

"Wenn Babette das Buch noch hat möchte ich das gerne mal lesen", sagte Patricia. "Ich piek Mayette an, das für mich auszuleihen."

"Hoffentlich macht Mayette dann nicht peng und ist geplatzt", erwiderte Julius. Patricia kniff ihm dafür in den linken Arm.

"Du kannst bessere Feuerzauber machen als die alten Leute da unten, Julius", spornte Millie ihren Mann an. Doch dieser verwies auf ihre Mutter, die gerade wieder zu sprechen ansetzte.

"Ja, was für ein glühender Begeisterungssturm ist das schon, bevor die Mannschaften auf dem Platz sind. Und damit wir auch gleich so weitermachen hier die Gruppe der Maskottchen der französischen Quidditchnationalmannschaft."

"Jetzt bin ich mal gespannt", sagte Julius. Denn er konnte sich trotz Zauberwesenseminar nicht vorstellen, wen die Franzosen als Maskottchen mitbringen mochten. Als dann mit lautem Lärm ein Schwarm rubinroter Vögel ins Stadion hineinflog wußte er es. Frankreich hatte Feuerraben als Maskottchen. Diese Kreuzungen aus Phönixen und Kolkraben vereinigten die Fähigkeiten beider Vogelarten. Sie waren eingeschränkt Sprachbegabt, widerstanden allem Feuer und konnten mit Hilfe des Sonnen- und des Erdkernfeuers ihren Standort ändern. Das zeigten sie auch, als sie wie die Wüstenteufel zu flammenden Bolliden wurden und innerhalb einer Sekunde von einem Ende zum anderen Ende des Feldes hinüberzischten. Die Wüstenteufel freute das wohl oder stachelte es an, mit anderen dem Element Feuer verbundenen Wesen konkurrieren zu dürfen. Sie hüpften hoch und wurden zu metergroßen Flammenkugeln, die wippten und kullerten und dann zu feurigen Wolken wurden. Viele Zuschauer in den Rängen ließen aus ihren Zauberstäben schirmartige Schutzvorrichtungen hervorschnellen, um die niedergehenden Funken abzuwehren. Die Feuerraben sangen als an Unerträglichkeit grenzender Krächzchor die Hymne der französischen Quidditchliga und riefen: "Raab! Raab! Raab! Frrrrankreich hebt voll aab!" Diesen Schlachtruf nahmen die Anhänger der Gastgeber sofort auf und riefen ihn laut und mit voller Überzeugungskraft ins Stadion.

"Sag der da links von dir, sie soll sich schon mal Ohrenschützer rauslegen!" Flutete Brittanys höchst entrüstete Gedankenstimme durch Julius' Kopf. Julius vermutete, daß Brittany Barbara Latierre meinte und wandte sich dieser zu:

"Ich fürchte, dafür könnten dir fanatische Tierschützer den einen oder anderen Heuler schicken, Tante Babs."

"Hat das dir die weizenblonde Tierfreundin zwischen die Ohren gepflanzt, Julius. Ich kriege das schon mit, daß du mit ihr gut mentiloquieren kannst. Schicke der zurück, ihre letzte Anfrage sei bereits im Beantwortungsprozeß, und sie möge sich bitte gedulden, bis sie die Antwort habe, bevor sie sich in eine für sie unangenehme Lage bringen könnte!"

"sie meint, du bekämst mehr ärger als sie, wenn du nicht auf was wartest, was sie noch beantworten muß", schickte Julius an Brittany weiter.

"Ist mir im Moment sowas von egal. Ich spiel echt mit dem Gedanken, hier abzuhauen", gedankenknurrte Brittany.

"Steht dir frei", schickte Julius zurück.

"Linus will unsere Leute sehen, ob sich das echt lohnt, dieses Spiel in den Staaten zu fördern", bekam er eine leicht frustriert klingende Gedankenantwort. Er wandte sich wieder an Barbara Latierre und sagte:

"Die wohnt hier nicht. Ihr ist es also egal, welchen Ärger du ihr hier machen könntest."

"Zumindest könnte ich ihr einen Heuler zurückschicken, wenn sie mir einen zuschickt", erwiderte Barbara Latierre. Dann wurde sie von ihrer Halbschwester Patricia auf die westliche Luke aufmerksam gemacht. Gleichzeitig rief Madame Hippolyte Latierre die tunesische Mannschaft aufs Feld. Julius nahm die arabisch und afrikanisch klingenden Namen genauso flüchtig wahr wie die aus der Luke herausschießenden und über sie alle hinwegfegenden Spieler der tunesischen Quidditchmannschaft. Er erkannte, daß sie alle den Ganymed 10 flogen. Dann wurde die Nationalmannschaft der Gastgeber aufs Feld gerufen. Er hörte die Namen: "Lagrange, Dusoleil, Dornier, Montferre, Montferre, Rocher uuuuuuuuund .... Dupont!!!" Ohrenbetäubender Jubel brach über alle herein, als Janine und César wie von einem Katapult abgefeuert aus der östlichen Luke schossen und über das Stadion flogen, dabei wilde Rollen drehten und winkten. Ja, für die beiden und Bruno ging heute ein Traum in Erfüllung, Eröffnungsspiel im eigenen Land, im Heimatort. Dies konnte nur noch von einem übertroffen werden, dachte Julius: Das Endspiel, mehr noch, den Gewinn desselben. Da er gegen sie alle schon einmal gespielt hatte, sei es in einem Schulturnier oder hier in Millemerveilles, war er mit allen Fasern seiner Seele auf ihrer Seite und wünschte ihnen alles Glück und Geschick, dieses hohe Ziel zu erreichen. Zwar taten ihm die Tunesier leid, weil die dann zwangsläufig als Kanonenfutter herhalten mußten. Doch das war Sport. Es gab keine Gewinner ohne Verlierer, und für die Verlierer blieb dann nur ein schwacher Trost, die Hoffnung, nur gegen den künftigen Weltmeister verloren zu haben. So war es im Fußball. So sah Julius es auch für Quidditch.

Die Feuerraben stimmten noch einmal ihren krächzenden Schlachtruf an. Julius gedankenfragte Jeanne, ob Mademoiselle Rubinia auch dabei war.

"Die ist auch dabei", erhielt er zur Antwort. "Von der haben die anderen den Ruf, den Bruno ihr immer vorgesprochen hat."

"Und hier kommt sie, die wichtigste person der heutigen Begegnung", holte Hippolyte aus. Ein lautes Buhen flutete durch die Menge der Frankreich-Fans. "Leute, ohne Schiedsrichter wird jedes Spiel ungültig. Und das wollt ihr doch wohl nicht", entgegnete Millies Mutter amüsiert auf diese Unmutsäußerung. Lachen aller sie verstehenden Zuschauer war die Antwort. "Das Eröffnungsspiel leitet die langjährige Sucherin der Sneffels Snowballs, Ilva Gudmunsdottir!!"

"Eine goldblonde Hexe, klein, hellhäutig, mit großen grauen Augen, sicherlich schon über vierzig Jahre alt, betrat das Feld. Ihr folgten für jede Mannschaft fünf Medimagier. Julius erkannte auf der französischen Seite Monsieur Delourdes und Clementine Eauvive, sowie einen Heiler der Pariser Pelikane.

"Jau, die ist aus Island, die Schiedsrichterin. Habe die mal in einem WM-Album gesehen, war vor zwanzig Jahren die gefürchtetste Sucherin Nordeuropas", bemerkte Martine dazu. Millie stimmte ihr zu, als sie die Schiedsrichterin erkannte. Julius fiel dazu nur ein, daß sich die Bewohnerin einer Vulkaninsel zumindest mit den aufmarschierten Feuerwesen arrangieren mochte. Dann zählte die Tafel, auf der bisher jede Menge Werbung aus allen Landen in allen Sprachen gehuscht war die Sekunden herunter. Diesmal waren es einfache Zahlen statt der großen Uhr von der Eröffnungsfeier. Julius sah, wie die Schiedsrichterin eine große Kiste öffnete und erst den goldenen Schnatz freiließ. Dann schickte sie die beiden Klatscher auf ihre Flugbahn. Als dann die letzte Sekunde verstrichen war, blies sie in ihre Trillerpfeife. Die beiden Mannschaften flogen auf. Wilder Lärm der Zuschauer trieb sie an.

Julius verfolgte das rasante Spiel, daß von Hippolyte so gut sie mithalten konnte kommentiert wurde. Sie beschränkte sich nur auf die Mannschaft und die Nachnamen der Spieler. Tunesien hatte den Quaffel in der ersten Spielsekunde erflogen. Doch es dauerte keine zehn Sekunden, bis Bruno dem quirligen Jäger den roten Ball abjagte. Die Montferres eroberten die Klatscher und droschen diese unverzüglich gegen die beiden gerade quaffellosen Jäger, die sich daraufhin durchsinken ließen. Hinter den wild herumsausenden schwarzen Bällen raste Bruno dem gegnerischen Torraum entgegen. Der tunesische Hüter wippte auf seinem Besen von links nach rechts. Bruno täuschte den Torwurf in dem Moment an, als einer der Klatscher den Hüter zum Ausweichen zwang. Damit wurden zwei Ringe frei anspielbar. Doch Bruno war nicht in der Idealposition. Deshalb warf er den Ball Michelle Dornier zu, die innerhalb einer Zehntelsekunde den Quaffel durch den linken Ring schleuderte. Mit einem lauten Trompetenstoß verkündete ein Meldezauber den Punktgewinn. Auf der Anzeigetafel stand, daß Frankreich zehn zu null Punkte führte. Der Jubel der Fans wurde lauter und lauter. Die Tunesier gingen jedoch sofort zum Gegenangriff über. Sie wirbelten und schwirrten wie Kanonenkugeln durch den Raum zwischen den Torringen. Eine der Montferres konnte gerade noch durch Abstoppen des Klatschers verhindern, daß Bruno den schwarzen Ball in den Bauch bekam. Die Tunesier gewannen Raum und gelangten bis kurz vor den Torraum. Doch als einer der drei Hamit-Brüder aus der Mannschaft den Quaffel warf, pflückte César ihn schmunzelnd aus der Luft und schlug ihn aus der Fangbewegung heraus ins Feld zurück.

Polonius Lagrange bekam den Quaffel und wollte eigentlich zur 20-Punkte-Führung durchstarten, als er einen der Klatscher voll zwischen Sitzfleisch und Besenschweif abbekam und herumgeschleudert wurde. Der Bergezauber des Ganymed bewahrte ihn vor einem Abwurf. Doch der Quaffel entflog ihm, schlug als scharlachroter Schemen einen großen Bogen und landete in den Händen des mittleren Hamit-Bruders, der prompt seinen Jägerkollegen bediente. Dieser griff César wieder an, während die Montferres den gegnerischen Treibern den Weg verlegten und die schwarzen Bälle umlenkten, daß sie César zu Hilfe kommen konnten. Dieser erwartete den Torwurf. Die beiden direkten Gegner tanzten voreinander herum, suchten Lücken oder eine Erschwernis des Abwurfs. Als der erste Jäger mit dem Rückennamen Hamit gerade den Torwurf ausführen wollte, zischte einer der Klatscher knapp an seinem linken Ohr vorbei. Der Ball raste auf César zu, der sich nicht anders retten konnte, als durch eine Seitwärtsrolle in die Rückenlage zu wechseln. Der Klatscher überstrich den Besen. Hamit eins nutzte seine Chance. Ausgleich!

"Das Ding ist nicht mal eine Minute im Gang", staunte Julius, als die beiden Mannschaften schon das Dritte Tor der Partie anpeilten. Diesmal schafften es die Montferres, die Klatscher so zu spielen, daß sie einen Konter der Franzosen ermöglichten. Michelle führte den Torwurf aus und eroberte damit die 10-Punkte-Führung zurück. Die war jedoch bei einem Spiel dieser Klasse dünner als hauchdünn, erkannte nicht nur Julius. Erst als nach dreißig weiteren Sekunden Bruno das dritte Tor für Frankreich erzielte dachte er schon, daß es doch noch ein vergnüglicher Abend für Frankreich werden würde.

"Die haben bisher nicht gedoppelachsert", stellte Julius fest. "César hätte den Klatscher damit locker ins Leere laufen lassen und gleichzeitig zwei Ringe abdecken können", bemerkte er, nach dem er sich das zweite Tor der Partie in der Zeitlupenwiederholung hatte zeigen lassen.

"Wenn die Tunesier weiter so gegenhalten kommt das noch", meinte Patricia. "Guck, da hat eine der Montferres gerade den Klatscher verpaßt und hätte den fast selbst unten reingekriegt. Das hätte der sicher ziemlich weh getan."

"Die wollte den Schwertfeger-Umlenkschlag bringen, Pattie", erwiderte Callie. "Der geht bei einem Klatscher aus dem Winkel aber nur, wenn ... Oi!!" Gerade soeben hatte Michelle Dornier durch Benutzung der Dawn'schen Doppelachse einen Klatscher-Doppeltreffer von sich abgewendet. Julius wählte schnell Verlangsamungsansicht und Kommentarfunktion und schmunzelte, weil die Kommentarfunktion "Dawn'scher Doppelachser nach Rumbley-Doppel" anzeigte. Das Rumbley-Doppel war ein absichtliches aneinanderschlagen beider Klatscher, damit diese umeinander herumflogen und dabei in einer eng beieinander liegenden Bahn auf ein Ziel zuhielten. Die Tunesien-Fans buhten, weil der sichergeglaubte Doppeltreffer ausblieb und Michelle in der Zeit, die Julius für die Zeitlupenwiederholung gebraucht hatte, das nächste Tor für Frankreich erzielt hatte.

"Das Wendemanöver Dorniers ist als zulässiges Manöver in den internationalen Quidditchregeln gelistet, Messieursdames", bemerkte Hippolyte Latierre ruhig. Aber jetzt wurden die Tunesier wirklich sauer. Sie droschen nicht nur die Klatscher, sondern versuchten, ihre Gegner mit den Besen zu rammen oder hieben mit den freien Armen nach links oder rechts, um ihre Gegner zu treffen.

"Wie beten die Politiker: Amnesie, verlass uns nie", knurrte Julius. "Von wegen Fairness."

"Die Tunesier denken, man veralbert sie voll", wußte Callie die passende Erwiderung. Barbara Latierre grinste. Das tat sie seltenst. Bedauerlicherweise bekam es keiner ihrer Verwandten mit. Denn diese klebten mit ihren Augen am Geschehen über dem Spielfeld. César bekam fast einen Klatscher an den Kopf und mußte das erst zweite Gegentor schlucken. Dafür bauten Dornier, Lagrange und Dusoleil den Vorsprung um drei weitere Tore aus. Vom Schnatz war im Moment nichts zu sehen. Die Jäger und Treiber Frankreichs flogen nun hemmungslose Doppelachsen und ließen Klatscher und Gegner so immer wieder Löcher in die Luft schlagen.

"Ey, blöde Trompete ausmachen!" Brüllte einer der Zuschauer mit magisch verstärkter Stimme. Das war eigentlich gegen die Stadionregeln. Nur der offizielle Stadionsprecher oder ein Medimagier durfte den Sonorus-Zauber benutzen. Sonst würden ja alle auf diesen zurückgreifen und dann allen und sich selbst die Trommelfelle atomisieren. Daher war es nur zu verständlich, daß vier Ordnungszauberer des Ministeriums in die Zuschauerreihen hineingingen und den Lautrufer unmißverständlich zum Verlassen des Stadions bewegten. Hippolyte nutzte die Auszeit, die die Schiedsrichterin wegen des unerlaubt lauten Zwischenrufs anordnete, um den Regelverstoß und die Entfernung des Regelbrechers zu erklären. "Nur jemand wie ich, der oder die das Spielgeschehen oder heilmagische Notfallmaßnahmen für alle verständlich erläutern muß, darf auf den Stimmverstärkungszauber zugreifen." Das sagte sie auch auf Englisch, wohl auch auf Spanisch und noch einer Sprache, die Julius weder erkannte noch verstand. Die Auszeit dauerte nur eine Minute. Die Tunesier nutzten sie, um ihre Taktik zu besprechen. Als das Spiel dann weiterging holten sich die Gäste aus Nordafrika zehn Punkte und verringerten damit den Rückstand. Dann hielten die Spieler Frankreichs mit drei schnellen Toren dagegen und provozierten damit Fouls wie direkte Hiebe mit den Klatscherschlägern gegen die Gegner oder beinahe Aufspießungen. Jedes klare Foul zog einen Strafwurf nach sich. Die kleine Isländerin wuchs dabei scheinbar zu einer zwei Meter großen Walküre an und schien genauso Funken zu sprühen wie die Wüstenteufel, die den immer größeren Rückstand ihrer Mannschaft mit wilden Flammenfontänen und furiosen Funkenwolken untermalten, während die Feuerraben wild krächzend in wilden Formationen flogen. Als Michelle Dornier ihr zehntes Tor erzielte erbat der tunesische Kapitän eine Auszeit und verwickelte die Schiedsrichterin und Polonius Lagrange in eine wilde Debatte über die Spielregeln. Die Wüstenteufel sangen in der Zeit einen geisterhaft schauerlich leiernden Kanon in der tunesischen Landessprache, während die Feuerraben den Schlachtruf des Abends krakehlten.

"Wenn die so weiter feuern kühlen die aus, Julius. Sag das dieser Tierqualbevollmächtigten da links von dir", gedankenzeterte Brittany Julius zu. Dieser wandte sich an seine Schwiegertante und sagte:

"Ich bekam gerade die besorgte Anfrage, ob die Feuerzauber derWüstenteufel diese nicht irgendwann ausbrennen und dann unterkühlen lassen."

"Antwort an deine achso enthusiastische Hausgästin: Die Wüstenteufel unterliegen nicht meiner Zuständigkeit, sondern dem Büro für Zauberwesen. Ich sei daher nicht darüber informiert, wie ausdauernd diese Geschöpfe sind und ob eine Erschöpfung deren Gesundheit nachhaltig gefährdet. Setz das bitte so und nicht anders ab!" Immerhin hatte sie "bitte" gesagt, dachte Julius und befolgte diese Bitte.

"Der Umschlag wird dunkelrot", erhielt er von Brittany zur Antwort. Millie fragte Julius, was Britt ihm da so neckisches unter seinen Blondschopf säuselte. Er erzählte es ihr.

"Klar fühlt die sich von Tante Babs verschaukelt, weil die Tierwesenleute auch von den Zauberwesenleuten mitkriegen, was so passieren kann und umgekehrt. Aber wenn die Wüstenteufel da weiterhin so Feuerballsprünge machen, könnten die am Abend echt noch wie Wunderkerzen ausbrennen. Deren Feuermagie hält nur solange, wie sie genug vom Feuer veränderte Nahrung im Bauch haben, nicht wahr, Tante Babs?"

"Ich habe den Wüstenteufeln nicht befohlen, sich leerzubrennen, Millie. Wenn eure offenbar ihren Anstand auf dem Altar ideologischer Prinzipien opfernde Gastmitbewohnerin mir das zu unterstellen wagt, wird sie drachenfeuerheißen Ärger kriegen. Dann soll sie sich an die Wärter dieser Wüstenkerzen da wenden!" Julius verstand diese Bemerkung als anregung und schickte Brittany zu:

"Schick den Heuler nach Tunis ins Büro für Zauberwesen, sagt meine Schwiegertante. Sie hat die Wüstenteufel nicht angefordert oder zum Ausbrennen angestiftet."

"Ja, aber ihre Einfuhr genehmigt."

"Neh, das hat ihr Kollege vom ZWB, Britt. Zuständigkeiten sind verdammt wichtig."

"Sag mir das, der Tochter einer Lehrerin", gedankengrummelte Brittany. Julius wollte gerade was antworten, als ihm ein eiskalter Wasserstrahl an der Stirn traf. Absenderin dieser Abkühlung war seine Schwiegertante Béatrice.

"Das es nicht zischt wundert mich jetzt", meinte sie. "Das du lange durchhältst wissen wir ja. Aber trotzdem solltest du dich mit deiner Ferienmitbewohnerin nicht in hitzige Gedankendebatten verlieren, sonst verordne ich dir sofortige Bettruhe mit Schlaftrunk."

"Dann mußt du mich aber auch nach Hause tragen, Tante Trice. Und ob Millie dir dann erzählt, wie das Spiel ausging ist höchst fraglich", konterte Julius.

"Das Risiko gehe ich sehr gerne ein, Jungchen", erwiderte Béatrice darauf. Millie fühlte sich dann verpflichtet zu sagen:

"Tante Trice, ohne seinen Schlüssel und ohne daß er den bedient kommst du nicht in unser Haus rein. Wo willst du den denn hinlegen?"

"Hmm, dann muß ich ihn wohl die Nacht bei mir schlafen lassen ... und mich zu Patricia mit ins Bett legen", erwiderte Béatrice. Millies Gesicht blieb regelrecht stehen. Julius mußte einmal mehr erkennen, wie unerwartet schnell seine Schwiegertante vom gestrengen Tonfall auf derben Humor umschalten konnte.

"Mann, Tante Trice, du bist doof", knurrte Millie.

"Ja, weiß ich, Mildrid. Und jetzt kühl ab, sonst kühl ich dich auch ab!"

"Was war denn das jetzt für eine Nummer?" Gedankenfragte Brittany. Julius schickte nur zurück:

"Abkühlung wegen drohender Hirnüberhitzung. Bekam die Heileranweisung, bis auf weiteres keine Melo-Nachrichten mehr zu wechseln."

"Klar, weil die nicht abkönnen, daß ich recht habe."

"Was meintest du mit Idiotenprinzipien, Babs?" Fragte Patricia ihre Halbschwester, als Julius sich ruhig zurücklehnte.

"Lustig, Ideologie mit Idiotie zu verwechseln", grummelte Barbara Latierre. "Ideologisches Prinzip, Pattie. Das heißt, wenn jemand eine ganz bestimmte Ansicht hat läßt er oder sie nichts zu, was gegen diese Ansicht spricht und legt sich gerne mit jedem an, der anders denkt. Brittany hat die Ansicht, daß nichts in ihrem Leben aus Tieren oder mit Hilfe von Tieren hergestellt werden darf und will wohl jedem erzählen, daß es falsch ist, Zaubertiere und denkende Zauberwesen bei unserer Weltmeisterschaft vorzustellen. Dabei vergißt sie wohl gerne, daß das unhöflich sein kann, sich in alles einzumischen, was nichts mit einem selbst zu tun hat."

"Chloe Palmer freut sich sicher schon", grummelte Béatrice. Julius verfiel wieder in Mentiloquismuskonzentration. Doch Béatrice kniff ihm kräftig in den Arm und unterbrach seine Konzentration damit.

"Meine Anordnung ist gültig. Die kann und die werde ich vor jedem magischen Gericht verteidigen können, Julius Latierre."

"Da hast du ein Beispiel, Pattie. Deine Schwester Béatrice meint, Julius vorgeben zu müssen, was er machen darf, weil sie das als Heilerin gelernt hat, allen Zauberern und Hexen zu sagen, wie sie sich verhalten sollen, um nicht krank zu werden", meinte Millie. "Dabei hängt sie sich auch in Sachen anderer Leute rein."

"Hallo, das fangen wir hier und jetzt nicht an, Mädchen", schritt nun Ursuline ein. "Trice hat damit recht, daß Julius nicht in einer Tour meloen kann, weil Britt nicht mit mir oder den Eauvives verwandt ist und es daher ganz schön schwer ist, was zu verschicken oder zu hören. Babs hat auch recht, daß die energische Mrs. Brocklehurst über ihre Lebensweise vergißt, anderen ihre Lebensweise zu gönnen. Es gibt Zauberwesen, die wollen Schau machen. Es gibt Tierwesen, die sind glücklich, wenn sie gefordert werden. Pattie und Millie, ihr wart auch unhöflich zu Trice, die euch sehr wichtige Sachen beigebracht hat. Das möchte ich ganz klar festhalten, daß ihr das nicht vergeßt. Also vertragt euch wieder!" Julius wunderte sich einerseits. Andererseits fühlte er sich auf eine gewisse Weise bestätigt. Ursuline konnte, wenn sie meinte, zu müssen, eine sehr strenge Mutter sein. Das mußte sie bei zwölf Kindern sicher können, und bei den ganzen Enkelkindern, die sie schon begrüßen durfte.

"Okay, Julius, bevor ich mit allen hier Krach kriege schlage ich dir vor, wir bereden das was gerade läuft in Ruhe mit Britt, wenn das Spiel vorbei ist und wir wieder bei uns zu Hause sind", bot Millie an. Julius nickte und sah Béatrice an. "Ich schicke Brittany nur noch, daß wir das von gerade eben und alles noch mögliche in Ruhe mit körperlicher Stimme bereden können, bevor sie deiner Schwester fünf Heuler hintereinander schickt. Dann höre ich erst mal auf zu mentiloquieren." Béatrice nickte ihm einverstanden zu. Er schickte Brittany nur: "Wir kriegen das nach dem Spiel in Ruhe beredet" zu. Darauf bekam er keine Antwort. Als er sich umsah, ob Brittany wohl selbst gerade beschäftigt war, sah er, wie sie auf dem Weg durch die Zuschauerreihen war. Die Diskussion auf dem Spielfeld hatte auch noch nicht aufgehört. Julius dachte erst, Brittany würde das Stadion vorzeitig verlassen. Doch sie verschwand in einem der Toilettenhäuschen für Damen.

Das Spiel ging weiter, bevor Brittany auf ihren Platz zurückgekehrt war. Die Tunesier hielten sich in ihrer Hälfte und bombardierten César mit Weitwürfen. Auf diese Weise brachten sie von zwanzig Würfen vier unter, weil der Quaffel in haarsträubenden Sichelkurven oder Schlangenlinien flog. Dann hatten die Franzosen den Dreh raus, den eigenen Torraum abzusichern und im Gegenzug den Vorsprung wieder auf den Stand vor der letzten Auszeit auszubauen. Das brachte die Mannschaft aus Nordafrika wieder dazu, am Rande der Regelwidrigkeit zu attackieren. Das brockte ihnen drei Strafwürfe ein, von denen zwei verwandelt wurden. Die tunesischen Fans bejubelten den einzigen gehalttenen Strafwurf, den Polonius Lagrange zu lasch ausgeführt hatte. Deshalb wurde dieser auch von der Aggression der Tunesier angesteckt und hielt mit Schrammen und Beinahezusammenstößen dagegen. Die beiden daraus entschiedenen Strafwürfe gegen Frankreich hielt César knapp aber sichtbar. Nach nur einer gespielten Stunde führte Frankreich mit 250 zu nunmehr 100 Punkten. Würde Tunesien jetzt den Schnatz fangen, würde ihnen der Sieg zuerkannt, weil der Schnatzfang als Bonusleistung zuerkannt würde, wußte Julius.

"Nur wenn der mal irgendwo auftaucht, Julius", sagte Millie. Doch der kleine goldene Ball blieb verschwunden. Als bei Einbruch der Dunkelheit der Ampluminazauber ein gleichmäßiges, blendfreies Licht über das Stadion ergoß, konnten sie alle sehen, wo der Schnatz war. Er zirkelte gerade um den rechten Torring der Franzosen herum, schwirrte nach oben und sauste dann zur Spielfeldmitte. Janine hatte es gesehen. Auch der tunesische Sucher, der sehr behände zwischen allen Kameraden und Gegnern hindurchschlüpfte. Doch die Montferres hatten es kapiert, daß Janine den Schnatz fangen konnte. So schlugen sie die beiden Klatscher nicht auf die Hamitbrüder, die gerade den Quaffel führten, sondern auf den Sucher der Tunesier, der vor lauter Drang, den Schnatz zu erwischen vergaß, sich nach links und rechts abzusichern. Erst als einer der Klatscher ihm um einen Millimeter an der Stirn vorbeizischte und der andere ihn fast an der linken schulter traf reagierte er mit einer Seitenrolle. Dadurch verlor er den geraden Kurs auf den Schnatz. Janine tauchte unter dem zweiten Klatscher durch, der gerade von einem Treiber aus Tunesien angeflogen wurde und stieß die linke Hand nach oben. Der Klatscher prallte vom Schläger des Tunesiers. Doch der laute Jubelschrei und eine übermütige Fanfare verrieten dem wackeren Treiber, daß jeder Angriff auf die französische Sucherin zu spät kam.

"Das ist der Sieg! Sieg! Sieg! Sieg!" Brüllten die Frankreich-Fans und riefen noch: "Schön schön Janine! Schön schön, Janine!"Die Wüstenteufel formierten auf Grund der Niederlage ihrer menschlichen Vertrauten einen lodernden Vulkan, aus dem eine giftgrüne und violette Feuersäule in den Himmel raste, bevor die gehörnten Feuerwesen regelrecht durcheinanderpurzelten. Die isländische Schiedsrichterin hatte schon längst abgepfiffen, als Sabine Montferre den auf Janine umgelenkten Klatscher mit einem einfach in die Flugbahn gehaltenen Schläger abstoppte und mit der freien Hand umfaßte. "Vierhundert zu einhundert! Was für ein Auftakt!" Rief Julius und fand sich in einer vielfachen Umarmung wieder. Wer ihn zuerst mit Wangenküssen bedachte hätte er später nicht zu sagen gewußt. Sicher war nur, daß Millie, Patricia, Ursuline und Béatrice Latierre ihn zwischen sich zusammenstauchten.

"Habe ich dir ganz umsonst den Schlafmodus der Stühle gezeigt", meinte Julius zu Patricia, die ihren Freudentränen freien Lauf ließ. Frankreich hatte nicht nur eine üble Blamage abgewehrt, sondern einen überragenden Sieg eingebracht. Tunesien durfte schon nach Hause fahren. Das sangen auch viele Franzosen nun lautstark. Julius konnte zwischen die seine Wangen umschmiegenden Gesichter seiner Frau und Ursulines hindurch sehen, daß es wohl die Muggelstämmigen aus Beauxbatons waren, die dieses Spottlied anstimmten. Offenbar hatte die das aus der Fußball-WM im letzten Jahr mitbekommen und nun in den Quidditchsport eingeführt. Die Südafrikaner tröteten auf ihren Lärminstrumenten dagegen an. Offenbar hatten sie sich mit den Tunesiern solidarisiert. Doch die Mannschaft vom Kap der guten Hoffnung hatte noch alle Chancen, Afrikas Ehre zu bewahren, und natürlich die anderen Mannschaften dies- und jenseits des Äquators.

"So, und wir gehen jetzt zu euch nach hause, und ich unterhalte mich in Ruhe mit Eurer Mitbewohnerin, ob das was sie dir zumentiloquiert hat zutrifft und ob es ihr und ihrem Ansehen wirklich gut tut, sich gleich über alles zu beklagen und zu beschweren", sagte Barbara Latierre für Julius ungewohnt ruhig. Dann pflückte sie Patricia von Julius Körper weg. Doch mit ihrer Mutter gelang ihr das nicht.

"Babs, es macht die Sache echt nicht besser, wenn du das unbedingt jetzt noch klären willst", sagte Ursuline und drückte Julius wie einen geliebten Sohn an sich. "Laß sie die Nacht drüber schlafen. Vielleicht sieht sie es ein, daß sie die Gepflogenheiten nicht mit einem Heuler ändern kann."

"mag stimmen, Maman", grummelte Barbara Latierre.

"Wird sowieso noch ein langer Abend", meinte Julius. "Die Franzosen wollen sicher den gelungenen Auftakt feiern."

"Ja, aber gemäß den Verhaltensregeln dürfen sie das nur bis zwölf Uhr und danach nur noch in schalldichten Behausungen", sagte Martine Latierre. Millie erwiderte:

"Dann kuck mal auf die Uhr. Gerade neun. Noch drei Stunden Zeit. Ui, die Tunesier sind platt wie Knuts."

"Die Herren da in den roten Umhängen sammeln die Wüstenteufelchen wieder ein. Die zittern ja richtig", stellte Julius fest. "Die haben sich echt ausgepowert."

"Bitte was, Julius?" Fragte Ursuline.

"Ausgepowert, erschöpft, total verausgabt", antwortete Julius.

"Achso, und ich dachte schon, du hättest unsere Sprache vergessen", grinste Ursuline.

"Fang nicht an wie Madame Faucon, Oma Line!" Grummelte Millie. "Sonst müssen wir zu der Oma sagen."

"Treibe keine Scherze mit älteren Hexen, Mildrid", seufzte Ursuline Latierre. Julius verstand, was seine Schwiegergroßmutter damit sagen wollte. Es wäre ja durchaus fast passiert, daß Mildrids Großvater Roland die junge und lerneifrige Mademoiselle Blanche Rocher geheiratet hätte. Was dann alles anders gelaufen wäre wollte sich Julius nicht ausmalen.

"Bevor es hier zu einem allgemeinen Aufbruchschaos kommt, die Damen und Herren möchte ich allen Zuschauern dafür danken, daß Sie diesen Auftakt mit Ihrem Einsatz so unvergeßlich und spannend gemacht haben", sagte Hippolyte Latierre. "Des weiteren bleibt mir nur übrig, mich bei beiden Mannschaften zu bedanken und den viel zu früh aus dem Wettbewerb ausscheidenden Spielern aus Tunesien zu wünschen, daß Sie ihren Mut nicht verlieren und mit Schwung und Können auf die nächste Weltmeisterschaft hinarbeiten." Lautes Lachen war die Antwort. "meine Herrschaften, das meine ich ganz ernst", tadelte Hippolyte die Zuschauer. Die Tunesier hatten es jedoch sehr eilig, durch den Eingang in ihre Umkleidekabinen zu kommen. Womöglich würden sie schon in der Nacht aufbrechen, um nicht länger als nötig der Hähme und dem Spott der Fans der Siegermannschaft ausgeliefert zu sein. Julius fragte sich, ob es wirklich so geschickt war, ein Turnier vom ersten Spiel an im K.-O.-System auszuspielen, nur um vierundsechzig Mannschaften teilnehmen zu lassen? Vielleicht wäre es doch günstiger, weniger Mannschaften und dafür richtige Vorrunden laufen zu lassen. Vielleicht sollte er das mit seiner Schwiegermutter mal in Ruhe besprechen, wenn die Weltmeisterschaft entschieden war. So blieb ihm nur, sich mit Millie und ihrer Familie zu einem der aufgebauten Festzelte zu begeben, um das Abendessen einzunehmen. Denn er traute es seiner Schwiegertante Béatrice zu, daß sie ihm per Heileranweisung künstliche Ernährung verabreichen mochte. Julius suchte nur Brittany und Linus. Brittany wirkte ermattet und nicht in Stimmung, um sich noch mit wem zu streiten.

"Wir gehen zu Venus und den anderen. Wir sind dann so gegen elf oder zwölf wieder bei euch", sagte Linus zu Julius.

"Meine Schwiegertante bietet dir an, sich mit dir in Ruhe und ohne angedrohte Heuler zu unterhalten, Britt", sagte Julius. Die angesprochene sagte dazu nur:

"Wenn so'n Wüstenteufelchen nicht kapiert, wann es kein Feuer mehr sprühen darf, kann ich das auch nicht verhindern. Ist nur schade, daß unschuldige Zauberwesen zur allgemeinen Volksbelustigung herangezogen werden."

"Dann dürfte es auch keine Zoos geben", warf Linus ein. "Und ohne den magischen Tierpark hätten unsere Leute keinen Respekt vor den Zaubertieren."

"Du hättest meine Mutter heiraten sollen", grummelte Brittany, entschuldigte sich aber sofort für diese Entgleisung. Julius überhörte es einfach und sagte zu Brittany, daß sie ihn anmentiloquieren solle, wenn sie vor dem Haus stünden und keiner auf die Klingel höre.

"Wir sehen uns dann nachher", erwiderte Linus. Dann sah er Phoebe Gildfork, die auf einen der Wüstenteufelwärter zuging.

"Was will dieses Weib noch von denen?" Fragte Brittany und wurde schlagartig wieder munter. Sie lief hinüber um zu lauschen. Julius wandte sich um und sah seine Frau an. Diese wischte sich gerade etwas aus dem Haar. Als Julius näherkam sah er einen kleinen Käfer, der erst torkelnd und dann eilig davonbrummte.

"Huch, sammelst du Insekten ein?" Fragte er Millie.

"Ich habe diesen Brummer erst gespürt, als der mir am linken Ohr entlanggekrabbelt ist. Ist er weggeflogen?" Julius nickte.

"Die werte Ms. Knowles wollte dich interviewen, ob du diesen Sieg genauso genossen hast wie ich", sagte Millie. "Ich habe ihr erzählt, daß wir nur einem Interviews geben, Gilbert Latierre."

"Das möchte sie auch gerne beherzigen", sagte Julius. Doch irgendwie schien das gerade erwähnte in ihm irgendwelche dumpfen Saiten anzuzupfen. Weil Ursuline jedoch ihre Anverwandtschaft aufforderte, sie zu begleiten mußte Julius wieder an etwas anderes denken. "Millie und ich sind wohl noch nicht fertig, Oma Line", sagte Julius. Wie auf Stichwort erschien Hippolyte Latierre.

"Schön, bevor meine Mutter euch beide in das Festzelt entführt möchte ich euch zwei darauf hinweisen, daß ihr den Auszug der Zuschauer noch beaufsichtigt, um eventuelle Fragen zu beantworten, sofern es keine Reporterfragen sind."

"Wieso Reporterfragen, Hipp. Hat dich Mademoiselle Chermot oder diese amerikanische Zuckerhexe Knowles angesprochen?" Fragte Line Latierre.

"Die nicht, aber diese Skandalreporterin Rita Kimmkorn. Wollte doch glatt wissen, warum ich "meinen Schwiegersohn" nicht gleich in die Nationalmannschaft eingegliedert habe, wo es alle Spatzen von den Dächern pfeifen, daß unsere Mannschaft die Doppelachsentechnik direkt oder indirekt von ihm gelernt haben und ich mir dessen bewußt bin, daß er wohl bis auf weiteres keine Einreiseerlaubnis für Tunesien kriegen würde. Unverschämtheit, derartig private Sachen so dreist zu behaupten."

"Rita Kimmkorn?" Fragte Julius alarmiert. "Die läuft also echt hier herum. Wenn die mir über den Weg läuft werde ich der nur sagen, daß ich bis auf weiteres keine Urlaubsreisen nach Tunesien geplant habe. In Australien gibt's mehr Sonne und die französische Mittelmeerküste ist auch schön zum baden."

"Gut, ihr beiden überwacht noch den Ausmarsch der Zuschauer. Dann könnt ihr nach Hause oder ins Festzelt zum essen!" Bestimmte die Leiterin der magischen Spiele und Sportarten. Julius nickte.

Eine halbe Stunde später waren die letzten Zuschauer aus dem Stadion heraus. Julius hatte in der Zeit daran denken müssen, daß die Skandalreporterin Rita Kimmkorn in Millemerveilles war. Was hatten Gloria und er damals über sie vermutet? Daß sie ihre sensationellen Interviews und Enthüllungen nur deshalb bekommen hatte, weil sie eine unregistrierte Animaga war, wohl eine, die klein und flugfähig war. Dann hatte dieser Käfer in Millies Haar womöglich eine tiefgreifendere Bedeutung als es aussah. Ja, das mochte hinkommen. Er peilte, ob ihm jemand zusah und zog sich in das Toilettenhäuschen für Herren zurück. Er legte den Herzanhänger an die Stirn und schickte Millie zu:

"Dieser Krabbelkäfer in deinem Haar könte die Kimmkorn gewesen sein. Gloria und ich haben beim letzten Trimagischen vermutet und es indirekt bestätigt bekommen, daß sie eine unregistrierte Animaga sein könnte."

"Echt?!" Bekam er die Antwort.

"Dann müssen wir ja höllisch aufpassen, daß wir nicht in der Nähe von Krabbelkäfern Liebe machen."

"Stimmt, das würde diese Giftspritze glatt voll ausreizen", schickte Julius verärgert zurück.

"Ey, das ist nicht lustig. Wenn hier eine unregistrierte Animaga rumfliegen kann gehört die zumindest rausgeworfen, wenn nicht sogar wegen Verstoß gegen die Animagus-Richtlinien bestraft. Das ginge dann Tante Babs und den Ausschuß gegen den Mißbrauch der Magie was an."

"Tja, nur wenn sie wer erwischt und festhalten kann", schickte Julius zurück. Dann endete er damit, daß er sie gleich beim Festzelt treffen würde.

Vor dem Zelt, aus dem es verheißungsvoll nach Gebratenem und Gekochtem roch, traf Julius nicht nur auf seine Frau und die angeheiratete Verwandtschaft, sondern auch auf die Familie Malone.

"Wir möchten uns gerne mit Ihnen unterhalten, um die zwischen meinem Sohn Kevin und Ihnen bestehenden Mißverständnisse zu klären", sagte Mr. Malone. Kevin nickte. Gwyneth Malone grinste wie ein Schulmädchen. Béatrice Latierre sah Kevin an und fragte ihn was auf Französisch. Er gab sich einen Ruck und sagte:

"Wenn Sie mir nicht zu schnell sprechen kann ich Sie verstehen, Madame."

"Mademoiselle, noch habe ich keinen Begleiter für den Rest meines Lebens gefunden", erwiderte Béatrice nun auf Englisch. Dann nickte Line ihnen allen zu.

Im Zelt war die Stimmung groß. Hier waren außer den siegreichen Franzosen noch Schotten, Australier und Iren. So fühlten die Malones sich nicht ganz so in der Minderheit. Das lockerte auch die Stimmung auf. Lines jüngste Töchter fanden auf einer langen Bank Platz. Das Zusehen hatte die knapp drei Jahre alten Mädchen sichtlich müde gemacht, und so dauerte es keine Minute, da lagen sie beide auf der Bank und hatten die Augen geschlossen.

Kevin erwähnte im langsamen, Wort für wort gesprochenen Französisch, daß er mit seinen Eltern und seiner Cousine lange darüber gesprochen hatte, daß er Angst habe, Julius könne verheizt werden, weil irgendwer im Ministerium meinen könnte, ihn für irgendwelche Sondersachen einzuspannen. Da er das nicht so einfach vergessen konnte, sei es wohl zu diesen Sachen wie im letzten Jahr gekommen.

"Es ist schon klar, daß ein Freund darauf wertlegt, seinem Freund kein Unheil zustoßen zu lassen", ergriff Ursuline das Wort. "Es ist auch kein Verbrechen, seine Meinung zu sagen. Es ist eben nur der Ton, der die Musik macht. Und viele, die Julius geholfen haben, und damit auch deiner Familie geholfen haben, haben sich schon gefragt, wofür das gut war oder sich gar vor den Kopf gestoßen gefühlt. Ich habe, wie du ja weißt, zwölf gesunde Kinder zur Welt gebracht und von einigen von denen schon Enkelkinder. Da bin ich es gewohnt, daß mir der eine oder die andere Widerworte gibt. Aber alle erkennen doch bald, was sie an und von mir haben und klären ihre Meinungsverschiedenheiten so friedlich es geht."

"Es geht wohl auch eher um die Leute in Beauxbatons und das Ministerium in Frankreich", sagte Kevin darauf. "Die meinen wohl, sich mit Julius einen supertollen Ausführungsgehilfen sichern zu können. Gloria hat erzählt, daß es in Beauxbatons schon sehr straff zugeht. Konnte ich ja auch beim Trimagischen Turnier in Hogwarts sehen, daß die da alle gesprungen sind, wenn Madame Maxime in die Halle kam. So eine Umgebung ist doch eher dafür gut, um Leute kleinzuhalten. Oder stimmen Sie mir da nicht zu?"

"Gut, jetzt müßten wir hier alle außer Julius sagen, daß wir volle sieben Jahre in Beauxbatons waren und daher ja alles verinnerlicht haben, was dort an der Tagesordnung ist", sagte Béatrice Latierre. "Was das Kleinhalten angeht, so gibt es durchaus Leute, die vor lauter Übermut und dem Wissen um ihre Zauberfähigkeiten meinen, ihnen gehöre die ganze Welt. So einen Fall hattet ihr bei euch in England ja leider in den letzten Jahren herumlaufen. Dann gibt es Leute, die sind verunsichert, wissen nicht, was sie tun sollen, um nicht irgendwem weh zu tun oder was sie tun dürfen, um Spaß an ihrem Leben zu haben. Dafür ist es nicht schlecht, wenn es klare Regeln gibt, die einem früh genug sagen, wo bestimmte Grenzen sind. Das heißt aber nicht, daß unser Zaubereiministerium sich willige Erfüllungsgehilfen züchtet. Beauxbatons ist vom Ministerium größtenteils unabhängig. Wer dort arbeitet oder lernt wird von der von den Schulräten eingestellten Schulleitung bestimmt. Julius bekam halt die Chance, über Madame Brickston, die mit Madame Faucon verwandt ist, einen Umstieg zu schaffen, weil Julius mehr als ihr alle anderen in eurer Heimat nicht mehr sicher sein konnte. Das hat sich ja leider bestätigt. Denn sonst wäre wohl niemand darauf gekommen, harmlose Schuljungen und -mädchen mit dem Kuß des Dementors zu bedrohen, nur um einen anderen Schüler aus dem Ausland herbeizuholen. Julius hat auch erst gedacht, in Beauxbatons nicht richtig glücklich zu werden." Kevin erbleichte ein wenig. Seine Eltern nickten sachte. "Aber irgendwie ist es ihm doch gelungen, nicht wahr?" Julius blickte Béatrice verschämt an, nickte dann aber. Kevins Cousine fragte, von woher sie das denn habe? Millie fühlte sich zu einer Antwort berufen. Sie straffte sich und sagte laut genug, um nicht im Gemurmel der Besucher ungehört zu bleiben:

"Das haben wir alle mitbekommen, daß Julius erst mal zusehen mußte, wo er gelandet ist, Ms. Malone. Er hat wohl auch erst geglaubt, er sei in sowas wie einer Armeeniederlassung. Doch dann ging's irgendwie. Liegt wohl auch dran, daß er schon früh gute Freunde da gefunden hat und eine feste Freundin da hatte."

"Ja, ich weiß, Claire. Das du das nicht irgendwie komisch findest, nach ihrem heftigen Tod ziemlich früh bei ihm gelandet zu sein wundert mich jetzt", grummelte Kevin.

"Mich nicht", erwiderte Martine grinsend. Ursuline gebot ihr mit einer sachten Handbewegung zu schweigen. Millie sollte antworten.

"Das ging doch nur, weil Julius nach Claires Tod jemanden suchte, die ihm aus dem tiefen Trauersumpf wieder raushelfen konnte. Ich war da echt nicht die einzige, die meinte, diejenige zu sein. Und es hätten auch andere Hexen sein können. Daß er und ich jetzt zusammen sind liegt wohl daran, daß wir was gemeinsames gefunden haben."

"Ich sehe das so, daß wir das vielleicht morgen oder übermorgen im Schutz eines Klangkerkers bereden können", sagte Julius. "Was Millie sagt stimmt jedenfalls, weil es mir echt geholfen hat, aus diesem Sumpf wieder rauszukommen. Was die Schulregeln angeht, so sind die heftiger als die in Hogwarts. Aber dafür wird jeder oder jede da nach den eigenen Fähigkeiten gefördert oder gefordert. Wenn du da als Ausländer und Quereinsteiger hingehst mußt du erst mal kleinere Brötchen backen. Ist unangenehm, bringt es aber am Ende, wenn die Leute merken, daß du nicht da bist, um denen allen vorzuschreiben, was ganz neues machen zu müssen. Du kennst das jetzt auch, wie es ist, in einer anderen Schule zu sein. Deshalb wundere ich mich, daß du mich in der Hinsicht nicht verstehst."

"Stimmt, du hast ja auch bei uns in Hogwarts erst nicht gewußt, was du da sollst und mit deinen Zaubersachen nicht so recht wohin gewußt", sagte Kevin. Dann erkannte er, daß das für unabgeschirmte Räume wirklich zu privat werden konnte, zumal er Linda Knowles' Ohren bestimmt kannte. Gwyneth Malone sagte dann noch:

"sicher würde ich auch nicht wissen, womit ich es verdiene oder was von mir verlangt würde, wenn ich mal eben den Standort wechsel. Ich bin in Hogwarts auch an manchen Stellen angeeckt, wo ich mich später mal gefragt habe, ob das wirklich so nötig war, mich mit den einen oder den anderen zu verkrachen. Kann sein, daß Julius in der Hinsicht weiter ist als ich damals oder Kevin heute oder sonst wer. Kann auch sein, daß die Angst vor den eigenen Fähigkeiten einen davon abhält, gleich vorauszulaufen und dieses oder jenes anzustoßen. Doch dabei dürfen so sachen wie Kameradschaft oder Freundschaft nicht kaputtgehen. Das ist es, was mein Onkel und ich Kevin zu erklären versucht haben, daß jemand in einer anderen Umgebung erst zusieht, daß er da nicht gleich vom Besen runterfliegt und die umstehenden klatschen, wenn das passiert. Warum Julius in Beauxbatons ist wissen wir. Daß wir alle deshalb noch leben, weil er da jemanden wie Sie oder die Dusoleils gefunden hat wissen wir auch. Aber weiteres geht wohl nur in einem Klangkerker." Sie sah Kevin an. Dieser straffte sich, entspannte sich, atmete tief ein und wieder aus. Dann sagte er:

"Ich möchte mich zumindest dafür entschuldigen, daß ich behauptet habe, Sie und die anderen wollten Julius total umkrempeln und rumschupsen. Falls er das will, habe ich kein Recht, ihm das zu verbieten. Falls das nicht passiert, habe ich mich wohl vertan. Ich wollte und will eben nur, daß er niemandem außer denen, die ihm wirklich wichtig sind, irgendwas rechtfertigen muß oder lernt, nur wegen seiner Zauberkräfte anderer Leute Eigentum zu sein."

"Ihr Iren glaubt doch an den Gott der Katholiken. Dem nach gehört ihr alle diesem Gott, weil er euch gemacht hat", sagte Millie provokant. Kevin verzog das Gesicht. Seine Eltern verstanden Millie nicht recht. Gwyneth antwortete:

"Das gilt für die Muggel, die alle Magie für verderblich und abartig halten und unser Feenvolk, die Druiden und die magischen Orte für auszurottenden Aberglauben halten, um ihre eigene Meinung als einzig richtig durchzudrücken. Was hat das gebracht. An Magie glaubt bei denen so gut wie keiner mehr. Dafür bekriegen die sich mit Leuten, die denselben Gott anbeten, aber das ganz anders tun und andere Ansichten vom Leben und Lieben an sich haben. Wir sind keine Katholiken, weil's nicht damit zusammenpaßt, über magische Fähigkeiten glücklich zu sein. Ob wir den alten Druiden nachhängen kann ich so nicht sagen. Von denen gab's auch einige, die ihr-wißt-schon-wem als geniales Vorbild gedient haben dürften. Ob es einen Gott oder mehrere Götter gibt kann ich nicht sagen, nicht bestätigen oder komplett abstreiten. Für mich und meine Familie ist nur sicher, daß wir gut damit leben können, magisch begabt zu sein. Das war es auch, was Kevin zu seinen Äußerungen getrieben hat." Julius und Kevin blickten einander an. Man redete über sie beide, obwohl sie im selben Raum saßen, als wenn sie nicht da wären oder unfähig seien, ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu erklären. Sie saßen auf demselben Besen, der stur geradeaus flog, ohne sich von dem einen oder anderen in eine andere Richtung steuern zu lassen. Millie merkte das wohl und wandte sich an die beiden jungen Zauberer:

"Ich weiß, daß Julius sehr wichtig ist, daß es dir gut geht, Kevin. Ich habe ihm auch schon gesagt, daß die Schlange der Leute, die ihm raten wollen, wie er sein Leben lebt für mich zu lang sei. Aber offenbar hat das nicht gestimmt. Denn sonst wäre ich ja nicht mit ihm zusammen und könnte von ihm was lernen und er von mir oder wer sonst noch von wem anderen. Julius, ich weiß auch nicht, wie ich Kevin das erklären kann, warum ich trotz der ganzen Schwierigkeiten in Beauxbatons gerne da bin. Kann sein, weil ich nichts anderes kenne. Kann auch sein, daß wir da alle irgendwie aufeinander eingehen, ob Schüler und Lehrer oder wer sonst. Eben weil es die Regeln gibt, die irgendwann jeden mal annerven, sind wir da alle gleich. Und trotzdem kann jeder seinen Weg machen."

"Na ja, das ist meinem Sohn leider nicht so bewußt, daß es Orte geben kann, an denen es erst einmal wichtig ist, zu beobachten und zuzuhören, wie die anderen gestimmt sind", sagte Mr. Malone, nachdem seine Nichte ihm eine Übersetzung geliefert hatte. "In Hogwarts gab und gibt es die Hauskameradschaft. Jeder da kann für sein oder ihr Haus Punkte sammeln oder verlieren. Die meisten sehen deshalb zu, immer zu denen zu gehören, die Punkte sammeln."

"Obwohl Kevin in Hogwarts auch oft Punkte für Ravenclaw verspielt hat", wandte Gwyneth ein. "Aber das ist mir ja bei Bitterling und Genossen auch andauernd passiert. Da hat's auch einige gegeben, die meinten, mir irgendwie klarmachen zu müssen, daß ich nicht andauernd Punkte verjuxen soll. Das ist nämlich die Kehrseite der tollen Kameradschaft, daß es da schnell Leute gibt, die dem einzelnen, der aus irgendwelchen gründen immer Punkte verjubelt beibringen zu wollen, zu spuren. Und dann sind wir genau da, wo du, werter Vetter Kevin, Julius gerade siehst, in einer Ecke mit Leuten, die ihm sagen, was richtig und was falsch ist. Das vergessen die meisten in Hogwarts nur gerne, weil sie das so toll finden, daß sie in einem Haus zusammenleben und für das Haus Punkte holen können. Aber ihr zwei habt diesen Henry Hardbrick erlebt, der ja, lieber Kevin, nicht das Glück hatte, wen zu kennen, der ihn rechtzeitig aus Großbritannien rausbringen konnte. Der hat sich doch mit allen und jedem verkracht, weil er meinte, er dürfe nicht in Hogwarts sein, weil seine Eltern was gegen Zauberei hatten." Sie hatte Englisch gesprochen. Die Latierres verstanden es alle außer Patricia und die Zwillinge von Barbara, die wohl die Anweisung hatten, sich schön ruhig zu verhalten. Millie wandte ein, daß solche Mitschüler auch in Beauxbatons immer wieder auftauchten. Aber da wäre es eben so, daß nur diese Leute Ärger hätten, nicht die ganzen Säle, in denen sie wohnten. Zwar gäbe es am Schuljahresende eine Rangfolge der Säle mit den meisten Gemeinschaftspunkten, aber über das Jahr hinweg bekäme jeder und jede eigene Rückmeldungen, was gerade gut oder weniger gut gelaufen sei. Das wußte Kevin bereits von Gloria. Das brachte Millie auf eine sehr entscheidende Frage:

"Du hast Julius' geschrieben, du lernst Französisch, um bei Treffen mit ihm und uns nicht hilflos dabeizusitzen und nichts zu verstehen. Also ist es dir doch wichtig, mit ihm und uns weiter irgendwie was zu tun zu haben, oder?" Kevin nickte schwerfällig. "Das genügt mir zumindest, um zu wissen, daß es irgendwie gehen kann", sagte Millie. Kevin sah Ursuline Latierre an, die ihn die ganze Zeit mit ihrem Großmutterlächeln im Blick behalten hatte. Sie sah im Blickkontakt eine Aufforderung, etwas zu sagen:

"Kevin, ich habe zu jedem meiner zwölf Kinder eine körperliche und seelische Verbindung. Sicher denke ich manchmal daran, ob ich das nicht verbieten soll, wwenn meine Tochter Barbara sich mit Zaubertieren befaßt, wo es auch sehr gefährliche gibt oder ob ich es anderen Kindern verbieten soll, Quidditch zu spielen wie Patricia hier. Aber dann denke ich immer daran, daß die ganze Mühe, sie zu bekommen und großzuziehen sich nicht gelohnt hätte, wenn ich ihnen ihr eigenes Leben verbiete. Du hast, wenn ich das letzten Sommer mitbekommen habe, Julius gesagt, er hätte dann ja nicht zur Welt kommen brauchen, wenn er eh lieber nur herumgetragen und von anderen bestimmt werden wolle. Ich habe meine Kinder, solange sie bei mir aufwuchsen, immer dazu angehalten, herauszufinden, was sie wollen und wie sie es hinbekommen, ohne anderen dabei Schaden zuzufügen. Es kommt auch immer wieder vor, daß Kinder die in Beauxbatons waren oder sind ihre Abenteuerlust verlieren, weil sie zu schnell mit Strafpunkten bedacht werden oder bestimmte Sachen nicht mehr machen dürfen. Doch ich habe bei jedem der Kinder, die schon ihr eigenes Leben führen hinbekommen, daß das kein Hinderungsgrund ist, rauszufinden, was für einen selbst wichtig und richtig ist, ohne anderen dabei weh tun zu müssen. Da bin ich stolz drauf. Da wird auch Julius' Mutter stolz ddrauf sein, auch wenn Julius' ihr im Traum wohl noch das eine oder andere Mal von innen in den Bauch tritt. Wir streiten uns, weil wir den anderen für wichtig genug halten, uns mit ihm auseinanderzusetzen. Wenn jemand für uns nicht wichtig ist, ist es doch völlig egal, was er oder sie von uns denkt oder wir für ihn oder sie tun können. Ich habe deinem Freund - ich gehe zumindest mal in mütterlicher Hoffnung davon aus, daß du noch sein freund sein willst und er deiner - immer wieder geraten, sich nicht nur darauf zu berufen, was andere von ihm erwarten. Lernen alleine macht nicht wirklich weise. Geldverdienen alleine macht nicht wirklich reich. Rauszukriegen, was da noch alles zwischenpaßt ist das spannendste, was das Leben zu bieten hat. Diese einfache und doch so entscheidende Aufforderung habe ich an jedes meiner Kinder und Enkelkinder gerichtet und da wo sie es zuließen auch deren Ehepartnern beizubringen geschafft. Ich bin längst nicht bei allen beliebt. Das zu sein schafft eh keiner. Aber ich habe erreicht, daß meine Familie zumindest geachtet wird. Wenn das mein Vermächtnis ist, dann werde ich irgendwann mal sehr zufrieden aus dieser Welt gehen und wissen, daß ich was bleibendes hinterlassen habe. Wohl jedem, der das kann! Wenn ihr, Julius und du, Kevin, das auch schafft, euer Leben zu erforschen, es nicht nur aus Büchern oder Anweisungen zusammenzusetzen, und ihr habt wen, mit dem ihr das alles teilen und vermehren könnt, dann ist jeder Schmerz und jede Niederlage es wert, wenn sie am Ende zum Sieg über das Vergängliche führt. Meine Familie ist sehr alt. Auch Julius hat magische Verwandte, die auf eine sehr lange Geschichte zurückschauen können. Sowas geht nur, wenn jemand mehr im Leben sucht und findet, als nur, über wen er oder sie Macht ausüben kann oder wie viel Gold er am Lebensende in Gringotts liegen hat. Sicher gab es da viele Leute, die erfolgreiche Hexen und Zauberer waren. Aber diese Erfolge kamen doch nur zu Stande, weil die Leute das gerne taten, womit sie Erfolge hatten. Es gibt in der Muggelwelt einen komischen Ausspruch, jemanden zum Jagen tragen. Das heißt wohl jemanden mit Nachdruck in eine Richtung schieben, in der irgendein Erfolg liegt. Aber ein Jäger, der getragen wird, wird kaum ein wildes Tier erlegen können. Er muß ihm schon hinterherlaufen oder ihm alleine auflauern. Und bevor das ganze jetzt in einem Monolog ausartet möchte ich nur sagen, daß Julius nur herausfinden möchte, von wem er für sein Leben was genau lernen kann oder will. Das kannst du sein, deine Cousine Gwyneth, Camille Dusoleil, Mildrid, Brittany oder ich. Wir dürfen uns nur nicht einreden, wir alleine hätten was wichtiges weiterzugeben." Julius hätte fast erwähnt, daß Kevin ihm ja vorgehalten hatte, er habe ihm wohl noch was beizubringen. Das hatte ihn ja derartig aufgebracht. Gwyneth sagte dann nur noch:

"Den Rest bereden wir echt besser in einem Klangkerker." Alle anderen nickten zustimmend. Dann aßen sie reichlich.

Es war gegen halb zwölf, als Millie und Julius in ihrem Haus apparierten. Brittany hatte bisher nicht mentiloquiert. Das magische Glockenspiel ging erst gegen fünf vor zwölf los. Linus und Brittany kamen zusammen mit Gloria und Pina zurück. Gloria und Brittany stützten Linus, der offenbar einige kräftige Schlucke Feuerwhisky genossen hatte. Gloria meinte zu Julius:

"Ich habe die Kimmkorn gesehen, die war an Pina und mir dran, ob wir ihr nicht etwas mehr über unser Jahr außerhalb von Hogwarts erzählen könnten und wie ich da rausgeholt worden sei. Die schießt sich wohl auf dich ein."

Julius sagte nichts. Er zog nur den Zauberstab und vollführte einen Aufspürzauber, der aus einem von Madame Faucons Büchern stammte. Damit konnten Wesen ermittelt werden, die jemandem heimlich nachspürten. Damit getroffen konnte selbst ein in Tiergestalt auftretender Animagus nicht verborgen bleiben. Der Zauber fand jedoch kein Ziel. So ließ er gloria und die anderen erst in einen kleinen Raum eintreten, wo er einen Klangkerker aufbaute und erwähnte Gloria gegenüber, was am Abend gelaufen sei und daß er einen kleinen Käfer im Verdacht hatte, Rita Kimmkorn zu sein.

"Wäre kein Mord, wenn man einen nichtregistrierten Animagus umbringt", meinte Pina dazu. Gloria und Brittany sahen sie dafür perplex an. "Wieso, die bleiben im Tod verwandelt. Kann also keiner rauskriegen, ob das nicht ein gewöhnliches Tier war."

"Ich dachte, die werden wieder zu Menschen", grummelte Linus.

"Das gilt für Wergestaltige, also Werwölfe, Wertiger und dergleichen", belehrte Gloria Brittanys Mann. "Menschen, die durch Zauberei in Tiere verwandelt wurden, bleiben in der Gestalt, wenn sie einen gewaltsamen Tod sterben. Deshalb gibt es ja den Straftatbestand der trransfigurativen Freiheitsberaubung und auch den des transfigurativen Kannibalismus."

"Moment, das ist diese schauerliche Sache, das wer jemanden in ein Schwein oder eine Kuh verwandelt, ihn oder sie schlachtet und dann das Fleisch ist", sagte Linus nun fast wieder nüchtern. Brittany nickte heftig.

"Man kann aber an toten Tieren Spuren von Magie nachweisen, ob eine Verwandlung vorliegt. Also gilt das auch für totgehauene Krabbelkäfer, Pina", wußte Gloria dazu beizusteuern.

"Jemanden umzubringen ist es nicht wert, Pina. Wenn du die Nervensäge und Giftspritze echt umbringst, und die kommen dir drauf, mußt du wegen der dein restliches Leben im Gefängnis hocken. Das ist kein Mensch der Welt wert", sagte Julius. Brittany, Gloria und Linus nickten sehr heftig.

"Ja, aber wenn die hier herumschwirrt. Millie hatte sie im Har hängen."

"Dann machen wir das, was Hermine wohl gemacht hat. Wir fangen sie ein, packen sie in ein unzerbrechliches Glas und bringen sie zu meiner Schwiegertante Barbara. Wenn Rita Glück hat, wird sie nur des Landes verwiesen. Wenn sie pech hat, könnte sie ihr restliches Leben als Krabbelkäfer im unzerbrechlichen Glas verbringen. Auch wenn Animagi länger leben als die Tiere, in die sie sich verwandeln natürlicherweise leben würden, wäre das für die eine schlimme Strafe. Abgesehen davon, daß das rumgeht, daß sie sowas machen kann und viele ihr dann Schadensersatz für ungewollt mitgeteilte Sachen abverlangen können", sagte Julius. Alle stimmten zu. Doch dann befanden sie, daß sie wohl lange genug ausgeharrt hatten. Frankreich hatte das Auftaktspiel gewonnen. Die Tunesier waren wohl schon unterwegs nach Nordafrika, oder würden morgen früh einen der ersten nach Afrika abgehenden Portschlüssel nehmen. Julius sollte morgen früh die Abordnung aus Hogwarts willkommen heißen. Um das durchzustehen mußte er aber mindestens fünf Stunden Schlaf haben. Also verabschiedete er sich von seinen Ferienmitbewohnern zur Nacht.

In ihrem schalldichten Bett meinte Millie noch zu Julius: "Die Malones haben Kevin breitgeklopft, sich zu entschuldigen, weil es denen tierisch peinlich ist, daß wir denen geholfen haben und jetzt so runtergemacht werden. Am besten schicken wir doch die Einladung zu Kevins Familie hin." Julius erklärte sich einverstanden. Dann drehten sich beide in ihre bevorzugte Einschlafstellung und schliefen dem nächsten Morgen entgegen.

__________

Der neue Tag begann für Julius um sechs Uhr morgens. Millie hatte bis Mittag frei. Dann würde sie zwischen den Zeltplätzen und dem südlichen Portschlüsselankunftspunkt zu tun haben, um weitere spanischsprachige Besucher zu begrüßen oder zu betreuen. Heute fand das Spiel Kolumbien gegen Schweden im Oststadion statt. Das große Hauptspiel war England gegen Mexiko. Beginn war sieben Uhr abends. Julius hingegen würde gleich um neun Uhr die Abordnung aus Hogwarts begrüßen und zum vorgebuchten Zeltplatz geleiten. Er war gespannt, wer aus seiner früheren Schule anreisen würde. Ob sich die Eltern der Muggelstämmigen trauten, ihren Kindern diese Reise zu erlauben? Sicher saß der Schmerz noch sehr tief, daß viele Kinder aus nichtmagischen Familien fast ein ganzes Jahr lang in Askaban eingesperrt gewesen waren. Viele Kinder waren danach erst einmal von den Heilern behandelt worden, um die von den Dementoren immer wieder wachgerufenen Schreckensbilder und Verzweiflung zu überwinden. Er konnte sich nicht oft genug daran erinnern, wie viel Glück er gehabt hatte.

"Wir machen heute eine Führung im magischen Tierpark mit", sagte Linus. Seine Frau nickte dazu nur. Julius wünschte den Brocklehursts viel Spaß dabei.

Die druckfrische Ausgabe der beiden französischen Zaubererzeitungen machten mit dem Auftaktsieg Frankreichs über Tunesien auf und zeigten auch Fotos von wichtigen Zuschauern und freigegebene Bilder aus dem Eröffnungsprogramm. Julius meinte, Hecate Leviata würde gleich aus dem Bild heraus auf ihn zufliegen, so gut hatte der Photograph des Miroirs eine Szene aus ihrer Schau eingefangen. Gilbert Latierre schrieb in der Temps de Liberté, daß die Stimmen, die sich gegen Millemerveilles als Austragungsort ausgesprochen hätten, wohl nun verstummen müßten, da es gelungen sei, die Anreise, Unterbringung und Unterhaltung der Besucher so gut zu organisieren, daß sich bisher niemand wirklich beschweren könnte. Ein paar unversöhnliche Meckerer gab es zwar immer noch, die wegen der hohen Kosten und der weiten Wege lamentierten. Aber alles in allem habe sich die Stimmung zum Eröffnungsspiel hin immer mehr gesteigert. Julius las Brittany einen Abschnitt vor, in dem erwähnt wurde, daß es wegen der von den Mannschaften mitgebrachten Maskottchen wohl besorgte Stimmen gebe. Die einen hielten die Mitführung feuerspeiender Wesen wie den Wüstenteufeln für gefährlich. Andere fragten an, ob es nicht grausam sei, einen echten nordamerikanischen Großfuß, der ja über eine gewisse eigene Empfindung verfüge, in einem winzigen Schuppen zu halten, der selbst als Hundehütte noch zu klein ausfiele. Brittany konnte nicht an sich halten und stieß ein überlegenes "Hah!" aus, als Julius ihr diesen Abschnitt übersetzte.

"Ich habe mit keinem der Reporter geredet. Wird also Lightningflash selbst zugegeben haben, daß Bob in diesem Kleinen Haus nicht richtig untergebracht ist."

"Ganz sicher wird der sich selbst als Typ hingestellt haben, der Großfüße in zu winzige Holzkisten zwingt, Britt", grummelte Linus. "Wahrscheinlich hat der wen aus der Tierwesenbehörde interviewt, dem du den Brief zugeschickt hast."

"Die kriegen heute noch zwei wegen der Wüstenteufel und der Feuerraben. Vielleicht kriegen die das noch raus, die Spiele ohne Tierwesen zu machen. Leprechans und Trolle mögen ja einen Heidenspaß daran finden, vor johlenden Leuten rumzutoben. Aber das mit Bob und den Wüstenteufeln ist zu heftig."

"Meine Schwiegertante hat gestern angeboten, du könntest dich direkt mit ihr darüber unterhalten", erinnerte Julius Brittany daran, was Barbara Latierre ihm gestern noch gesagt hatte. "Immerhin ist sie in der Betreuung der Tierwesen aus dem Ausland hier häufig genug zu finden."

"Die kriegt zwei Heuler von mir. Ich habe genug Wut für die Dinger aufgespart", erwiderte Brittany. Millie tauschte nur einen bedeutsamen Blick mit ihrem Mann aus, während Linus keine Regung zeigte. Pina meinte dazu jedoch:

"Du meinst immer, die Tierwesen oder Zauberwesen würden dazu gezwungen. Aber wissen tust du das nicht, Brittany. Diese Feuerraben da gestern flogen doch ohne von wem herumkommandiert zu werden herum. Keiner ist weggeflogen wo genug Platz war. Ich war schon öfter in einem Zirkus. Wenn da Tiere auftraten, wurden die immer von Menschen herumkommandiert, ob Ziegen, Hunde, Elefanten oder Löwen. Also kann das mit diesen roten Raben doch ganz von denen gewollt gewesen sein oder von diesen Feuerteufeln."

"Ich weiß, daß diese Feuerraben Anteile von Phönixen in sich haben und Phönixe wegen ihrer hohen Eigenmagie nicht mit Imperius unterworfen werden können", setzte Brittany an. "Das könnte aber durch den Kolkrabenanteil abgeschwächt sein."

"Behauptest du oder deine Mutter?" Fragte Gloria provozierend.

"Ich behaupte das. Meine Mutter hat diese Wesen bisher noch nicht auf ihre Magieresistenz untersuchen können. In den Staaten gibt es keinen Feuerraben", grummelte Brittany.

"Das steht aber im Zaubertierkundebuch "Vertraute Tierwesen" und "Die Stufen der Intelligenz in der Magizoologie", daß Versuche mit reinrassig nachgezüchteten Feuerraben erbrachten, daß sie die Imperius-Immunität der Phönixe behalten haben, zumal die hohe Intelligenz der Rabenvögel ihnen bewußt macht, daß jemand in ihre Entscheidungsfreiheit einwirken will. Meine selige Oma Jane hat sogar ein Buch angeführt, daß "Die Fesseln des Geistes" heißt und nur von Leuten gelesen werden darf, die in der Abwehr dunkler Künste arbeiten wollen, weil da alle magischen Möglichkeiten zur Gedankenkontrolle und Bewußtseinsveränderung drinstehen. Unter anderem soll da auch eine Liste der am besten für Imperius zugänglichen Zauberwesen und Tierwesen drinstehen. Die Feuerraben gehören zur Kategorie der unbezauberbaren Tierwesen, denen Imperius nichts abverlangen kann", wartete Gloria mit zusätzlichem Wissen auf. Millie nickte bestätigend. Julius konnte sich nicht an diese Stärke der Feuerraben erinnern, obwohl sie diese Tierwesen im Unterricht und Freizeitkurs Zaubertiere durchgenommen hatten. Er dachte nur mit Schaudern an Goldschweif, und daß diese in Slytherins Bildergalerie nicht gegen Imperius immun gewesen war. Ebenso verhielt es sich mit den Vogelmenschen Ailanorars, was ihm letztendlich das Leben gerettet hatte.

"Es ist eher wahrscheinlich, daß sie den Feuerraben eine Belohnung für ihre Kunststücke angeboten haben", sagte Millie dann zu Brittany. Pina meinte dann zu der hochgewachsenen Quodpotspielerin:

"Hmm, dann ist es wohl besser, wenn du Millies und Julius' Verwandte nicht mit Heulern zuwirfst. Denn die könnte sich total angenervt fühlen, daß wer sich da was herausnimmt, obwohl es in Büchern steht, ob diese roten Vögel vom Imperius gesteuert werden können oder nicht, Britt. Wie die gehalten werden hast du gestern auch nicht sehen können. Nachher dürfen die frei im Dorf herumfliegen."

"Eines der Weibchen wohnt bei Jeanne Dusoleil", sagte Julius. "Ich habe bisher nicht den Eindruck, daß diese Feuerrabenhenne unterdrückt wird, Britt."

"Bleiben die Wüstenteufel. Das hätte deine Schwiegertante echt ablehnen müssen, die aus ihrem eigentlichen Klima herauszubringen, um für das gemeine Volk ihre Feuerwerke abzubrennen und sich dabei ihrer eigenen Wärme zu entledigen", grummelte Brittany. Gloria sah sie sehr genau an und erwiderte:

"Pina hat recht, Britt. Wenn du Julius' Schwiegertante Heuler schickst, in denen du lautstark bekundest, wie wenig Ahnung du von den gezeigten Tier- und Zauberwesen hast, müßte deine Mutter sich schämen, wenn das in allen Zaubererzeitungen rumgeht. Besser ist es, wenn du mit Madame Barbara Latierre direkt unterhandelst."

"Die kann und wird genug Gründe und Ausflüchte finden, nicht mit mir reden zu wollen", knurrte Brittany. Julius wiederholte leicht angenervt, daß seine Schwiegertante es gestern klar gesagt hatte, daß eine Möglichkeit zum direkten Gespräch gefunden werden könnte. Millie nickte. Linus meinte dann noch:

"Britt, dir war doch klar, daß die bei dieser Quidditch-Weltmeisterschaft auch lebende Tierwesen oder Zauberwesen bringen wie bei uns in den Staaten auch. Du hast gesagt, wir wollten uns das so ruhig wie möglich ansehen. Aber jetzt tust du so, als wärest du die einzige, die wüßte, wie diese Wesen richtig gehalten werden können."

"Tu ich nicht, Linus", grummelte Brittany. "Ich stelle nur fest, daß die hier im Namen des Vergnügens keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Tierwesen nehmen."

"Eben das weißt du nicht, ob die das tun", schnarrte Linus. Julius bangte darum, daß die beiden deshalb einen handfesten Streit anfangen mochten. Brittany verzog das Gesicht, atmete mehrmals laut ein und aus und stieß dann aus:

"Linus, die machen das hier genauso wie bei uns drüben, wo sie Wesen wie den Wanzbären der Bugbears oder Bob Bigfoot zur allgemeinen Volksbelustigung einpferchen, ohne sich zu fragen, wie das bei diesen Wesen ankommt."

"Die erwähnten Tiere könnten ähnlich freimütig ihre Möglichkeiten anbieten, wie die Wüstenwollwürmer ihre Felle ablegen", wandte Linus ein. Millie und Julius nickten bestätigend. "Also sollten wir es laufen lassen wie es läuft oder gleich wieder nach Hause fahren, wenn du das nicht aushältst, Britt."

"Achso, du meinst, ich hätte kein Recht, mich darüber zu beschweren, wie diese Wesen behandelt werden?" Fragte Brittany.

"Das Recht hast du. Aber bringen wird es dir nur Spott", entgegnete Linus. "Die machen das schon seit Jahrhunderten so. Wir in den Staaten haben das für Quodpot übernommen. Da lachen die doch nur, wenn denen wer was von artgerechter Haltung oder gar Rücksichtnahme auf nichtmenschliche Wesen erzählt. Aber das hat deinen Vater schon nicht dran gehindert, sich bei der letzten Feier in VDS voll zum Idioten zu machen."

"Ey, das geht jetzt voll zu weit", schnarrte Brittany. Julius wunderte sich wirklich. Früher konnte Brittany vieles lockerer wegstecken oder hatte eine passende, auch intelligente Retourkutsche auf Lager. Die konnte sich in einem halben Jahr doch nicht so verändert haben.

"Das Angebot steht, Brittany. Wenn du wirklich möchtest, daß meine Tante das zumindest zur Kenntnis nimmt, was du vorzubringen hast, rede mit ihr persönlich!" Beschloß Millie diesen Punkt. Denn ein Blick auf die Standuhr in der großen Halle im Erdgeschoß verriet ihr und jedem anderen auch, daß Julius in einer Viertelstunde aufbrechen mußte. Offenbar wollte sie ihm die Möglichkeit geben, in bessere Stimmung zu kommen, bevor er mit einem angespannten Gesicht die Hogwarts-Gruppe abholte.

"Ich schreibe der Briefe, keine Heuler. Stimmt schon, Lino könnte das aufblasen, wenn die mir deshalb Vorhaltungen macht, ich hätte keine Ahnung", erwiderte Brittany mißmutig und sah ihren Mann und die Gastgeber verdrossen an.

Pina bat um die Ausgabe der Temps, um ihr Leseverständnis zu üben und vertiefte sich in einen Artikel über die Aufführungen bei der Eröffnungsfeier. Julius beendete fünf Minuten vor dem letztmöglichen Aufbruchstermin das Frühstück und verabschiedete sich von seiner Frau und den gemeinsamen Gästen.

In der vorgeschriebenen Kleidung der Besucherbetreuer apparierte er knapp hundert Meter von der Innengrenze der magischen Glocke entfernt und durchquerte die Absperrung zu Fuß. Über ihm schwirrten mehrere Pendelkutschen herum. Er sah einen fliegenden Besen, auf dem eine kleine Hexe in scharlachroter Kleidung hockte. Er überlegte kurz, woher er diese Hexe kannte und erinnerte sich, sie zuletzt beim Prozeß gegen die Carrows gesehen zu haben. Er verzog das Gesicht. Das konnte noch was werden. Julius wußte, daß die angereisten Reporter und Reporterinnen das Recht hatten, interessante Ankömmlinge zu interviewen, wenn diese sich darauf einließen. Also galt es nun, Ruhe zu bewahren und seinen professionellen Trott durchzuziehen. Er hoffte nur, daß Professor McGonagal dieses sensationslüsterne Frauenzimmer gut genug kannte, um es rechtzeitig von üblen Schmierereien abzuhalten. Klar wollte diese Giftspritze mitkriegen, wie er die Abordnung aus Hogwarts begrüßte. Vielleicht hoffte sie sogar darauf, mehr als das bereits geäußerte über die Verbindung zwischen Julius und die Ritter des Sonnenlichtes zu erfahren, die Julius' Freunde angeblich aus Hogwarts herausgeholt hatten. Aber den Gefallen würde er ihr nicht tun.

"Hallo, Ms. Kimmkorn", grüßte er mit einer von ihm selbst selten zu erlebenden Scheinheiligkeit. "Hörten Sie auch, daß die Gruppe aus Hogwarts heute ankommt?"

"Selbstverständlich. Ich habe mich ja im Vorfeld informiert, wer alles diesen Ort besucht", erwiderte Rita Kimmkorn und fingerte an ihrer Krokodillederhandtasche herum. Julius wußte, daß sie ihre so gefürchtete Schreibefeder hervorholen wollte. Er verwies sie ruhig darauf, daß sie nur das Recht habe, über die öffentlich gemachten Äußerungen öffentlicher Personen zu schreiben, da sie hier nicht in England sei und die Gäste der Weltmeisterschaft die Zusicherung hätten, nichts über ihre Privatangelegenheiten in den Zeitungen wiederzufinden, wenn sie das nicht eindeutig erlaubten."Denken Sie bitte daran, daß unter den Anreisenden Minderjährige sind, deren Ehre zu schützen ist!" sagte er noch. Natürlich wußte er, daß sie wußte, daß er wußte, daß ihr das völlig gleichgültig war, wo sie beim trimagischen Turnier ja immer wieder über Harry Potter und seine Freunde hergezogen hatte, die zu dem Zeitpunkt ja vierzehn Jahre alt waren. Allerdings konnte und würde er sie später gut darauf festnageln können, wenn sie sich hier nicht daran hielt. Wenn Lino auch in der Nähe war hätte er sogar einen Zeugen dafür, sie früh genug belehrt und gewarnt zu haben.

"Das hängt doch wohl davon ab, wie wichtig das ist, was jemand erlebt, ob es in die Zeitung gehört oder nicht."

"Ich habe nur meine Pflicht getan, Sie darauf hinzuweisen, wie Sie sich hier verhalten müssen, wie ich es mit jedem Besucher hier mache", sagte Julius ganz ruhig. Beinahe hätte er ihr an den Kopf geworfen, daß auch sie ihre Geheimnisse habe, die sie ganz sicher nicht in einer Zeitung enthüllt finden wollte. Doch er beherrschte sich. Diese Keule würde er nur schwingen, wenn sie ihm zu sehr zusetzte. Sie belauerte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln. Doch er tat so, als übersehe er das und habe nur Augen für die Stelle, an der gleich der Portschlüssel oder was auch immer aus Hogwarts ankommen würde. Er blickte immer wieder nach oben, um zu sehen, ob noch mehr Pressevolk herumschwirrte und sah tatsächlich Linda Knowles, die gerade vom westen her anflog. Rita Kimmkorn versuchte es noch einmal, Julius auf sich aufmerksam zu machen, als vor ihnen eine blaue Lichtspirale entstand, die mindestens zwanzig Meter breit und ebenso hoch war. Aus ihr erschien eine Gruppe von Hexen und Zauberern in gewöhnlichen Freizeitumhängen, die an einem langen Tau hingen. Das Tau war in den vier Grundfarben von Hogwarts gefärbt: Scharlachrot, Saphirblau, Smaragdgrün und Kanariengelb. Es waren mehr als fünfzig Jungen und Mädchen, die sich in einer Zweierreihe am Tau festhielten. Als sie landeten purzelten sie jedoch alle durcheinander. Julius besah sich die Ankömmlinge, wen von denen er noch kennengelernt hatte. Da war Holly Lightfoot aus seiner früheren Jahrgangsstufe. Dann konnte er noch Gilbert Hidewoods erkennen, den Sohn von Lady Alexa Hidewoods, der sich in der Nähe von zwei Jungen wohl aus seiner Jahrgangsstufe hielt. Die anderen erkannte er jedoch nicht. Zwei ältere Hexen führten die Truppe an. Er sah Professor McGonagall, die in einem schottisch karierten Umhang am vordersten Ende des dicken Seiles stand und sogleich nach der Ankunft damit begann, ihre Schützlinge zusammenzutreiben. Dann sah er noch Madam Pomfrey, die schuleigene Heilerin von Hogwarts, die eine weiße Tracht und eine große weiße Tasche trug. In dem Moment landete Linda Knowles. Julius warf sich in Pose und wartete, bis die Schulleiterin von Hogwarts ihre Mitreisenden wieder richtig formiert hatte. Dann hielt er seine bereits gut eingeübte Begrüßungsansprache. Danach bedankte er sich bei Professor McGonagall für ihr Hiersein. Die Schulleiterin ging auf Julius' professionellen Auftritt ein und erwiderte förmlich, daß sie sich freue, nun in Millemerveilles zu sein. Sie sah Rita Kimmkorn und scheuchte sie mit einer harschen Handbewegung zurück. Als sie dann noch Linda Knowles mit einem warnenden Blick auf Abstand zwang atmete Julius innerlich auf.

"Mir und den mit mir angereisten Schülerinnen und Schülern von Hogwarts wurde eine Fläche auf jenem Zeltplatz zugesprochen, auf dem auch andere Zauberschulen ihre Abordnungen untergebracht haben", sagte Professor McGonagall mit ihrer gewohnten Strenge in der Stimme. Julius überprüfte seine Unterlagen und bemerkte, daß sie wohl in der Nähe der Beauxbatons-Abordnung untergebracht seien. Dann betrachtete er die Schülergruppe. Sie alle trugen große Rucksäcke. Allerdings konnte er keinen Besen sehen. "Wir müssen mehrere Kilometer zurücklegen. Ich rufe Ihnen deshalb gleich vier große Pendelkutschen her", sagte Julius und vollführte mit seinem Zauberstab das entsprechende Rufzeichen.

Drei Kutschen segelten von je zwei elefanten großen Pferden mit Flügeln gezogen heran. Während die drei Kutschen landeten wandte sich Professor McGonagall noch einmal den beiden Reporterinnen zu:

"Ich setze sehr stark voraus, daß Sie es verstehen, wenn ich Ihnen eindeutig davon abrate, mit einem der mir anvertrauten Schützlinge ein Interview gegen meinen Willen oder den der Eltern zu führen, sie wo und womit auch immer zu belauschen oder sonstwie private oder familiäre Einzelheiten von ihnen zu erheischen und in Ihre Zeitungen hineinzuschreiben. Die Eltern der mir anvertrauten Schüler verlangten zu recht eine Gewähr, daß Ihren Söhnen und Töchtern keine aufdringlichen Presseleute nachstellten. Das gilt auch für Fotos. Vor allem Sie, Ms. Kimmkorn, werden von mir eindringlich dazu ermahnt, jedes Interesse an einem wie und wodurch ermöglichten Erwerb von Informationen zu widerstehen und sich lediglich an mich zu halten, wenn Sie öffentlichkeitstaugliche Aussagen oder Ansichten erfahren möchten. Der Schaden, den Sie im trimagischen Turnier anrichteten und damit dem damals unter Fudge handelnden Zaubereiministerium eine Idealvorlage boten, Mr. Harry Potter und seine Freunde in den Schmutz zu ziehen, ist nicht vergessen worden. Das kann auch durch die von Mr. Potter autorisierte Enthüllung im Klitterer nicht aufgehoben werden. Hinzu kommt meine gerechtfertigte Ablehnung gegen die Art Ihrer Informationsbeschaffung und Interpretation der erhaltenen Aussagen oder Neuigkeiten. Was Sie sich im Bezug auf die Biographie über meinen seligen Vorgänger geleistet haben entbehrt jeden Anstand und verbietet mir und meinen Schülern, Ihnen noch mehr Möglichkeiten zur Schädigung von Ansehen zu bieten. Die mir anvertrauten Schülerinnen und Schüler haben meine klare Weisung, keinem Reporter von welchem Nachrichtenverbreitungsmittel auch immer irgendwas zu erzählen. Erscheint trotzdem was in einer Zaubererweltzeitung, werde ich gegen den Verbreiter dieser Nachrichten klagen. Respektieren Sie endlich einmal den Schutz minderjähriger Hexen und Zauberer. Minister Shacklebolt ist in der Hinsicht wesentlich unnachsichtiger als Fudge. Auch der französische Zaubereiminister stimmt mir und jedem Verantwortlichen für eine Reisegruppe aus einer Zaubererschule zu, daß der Schutz von Privatsphäre und eigenem Bild zu beachten ist und Vertreter der Presse und des magischen Rundfunks diesen Schutz zu wahren haben, wenn sie ihre Zulassung und womöglich ihre Freiheit schätzen. Damit ist von meiner Seite alles gesagt."

"Sie dürfen mich nicht davon abhalten, für die Öffentlichkeit wichtige Nachrichten zu sammeln und weiterzugeben", wagte Rita Kimmkorn einen Widerspruch. McGonagall blickte sie sehr streng an und fauchte:

"O doch, als von den Eltern mit dem Schutz ihrer Kinder beauftragte darf ich meine Schüler vor solchen Machenschaften schützen, wie Sie sie beim trimagischen Turnier betrieben haben. Es sei denn, Ms. Kimmkorn, Sie legen Wert darauf, sich vor dem Ausschuß gegen den Mißbrauch der Magie zu verantworten, auf welche Weise Sie sehr persönliche Einzelheiten aus dem Leben von Schülerinnen und Schülern erfahren haben. Ebenso dürfte es den Ausschuß interessieren, wann genau Sie mit Madam Backshot zusammentrafen, um Details aus dem Leben Professor Dumbledores zu erfragen, da mittlerweile bekannt ist, daß die ehrwürdige Dame kurze Zeit danach den Tod fand. Ich will und kann Ihnen nicht den Tod Madam Backshots anlasten. Aber ministerielle Behörden könnten diese Frage aufwerfen, wenn Sie sich wegen unzulässiger Informationsbeschaffung verantworten müßten. Als Sie in Hogwarts waren zeichneten Sie sich durch Kreativität, Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis aus. Beleidigen Sie nicht Ihre und meine Intelligenz, wenn Sie so tun, als verstünden Sie nicht, welchen schlafenden Drachen Sie da kitzeln würden, wenn Sie gegen meine Anweisung verstoßen und private oder familiäre Begebenheiten der mir anvertrauten Schüler veröffentlichen! Das gilt auch für Sie, Ms. Knowles. Wähnen Sie sich bitte nicht zu sicher, daß der französische Zaubereiminister Sie nicht augenblicklich aus Millemerveilles und Frankreich ausweisen läßt, falls Sie den Schutz von Minderjährigen mißachten. Ich weiß, daß Sie mit diesem jungen Mann hier ein Interview führen durften, als dieser in den Staaten in tödliche Gefahr geriet und dabei seinen Vater verlor. Sie mußten damals die Genehmigung Mrs. Brickstons einholen, die für seine magischen Anliegen zuständig ist. Die Genehmigung, meine Schüler zu interviewen verweigere ich Ihnen. Zudem gilt auch und gerade für Sie, daß sie auf welche Weise auch immer erhaltene Einzelheiten aus der Gruppe meiner Schüler nicht veröffentlichen dürfen."

"Im Klartext heißt das, wir sind hier nicht mehr erwünscht?" Fragte Linda Knowles, ohne ihr zuckersüßes Lächeln aufzugeben.

"Ja, im Klartext heißt es dies", bestätigte Professor McGonagall. Rita Kimmkorn war jedoch noch nicht fertig. Sie warf ein, daß Leute, die einen öffentlichen Raum betraten, für die Dauer dieses Aufenthalts in der öffentlichkeit auftraten und damit zum Gegenstand öffentlichen Interesses würden. Sogesehen dürften die Schüler aus Hogwarts ja dann nicht in eines der Stadien oder zu einem der anderen öffentlichen Angebote hingehen.

"Das mag für Aufnahmen von Zuschauern oder nicht ganz auszuschließenden Hintergrundaufnahmen bei der photographischen Dokumentation von Handlungsorten gelten, aber nur solange keine Namen unter die Bilder gesetzt werden. Seit dem trimagischen Turnier wurden die entsprechenden Richtlinien verschärft und seit der Befreiung Großbritanniens als weiterhin gültige Rahmenbedingungen für die Presse und den Rundfunk verbindlich festgelegt. Seien Sie froh, daß Professor Dumbledore Sie nicht wegen der unerlaubten Interviews mit Schülerinnen und Schülern angezeigt hat. Ich bin in der Hinsicht nicht so nachsichtig", fauchte Professor McGonagall.

"Die Leserinnen und Leser möchten aber Eindrücke aus erster Hand haben, wie sich die Zuschauer bei der Weltmeisterschaft fühlen, für wen sie sind und wie sie den Ausgang einer Partie empfinden", versuchte Rita Kimmkorn immer noch, ihre berufliche Neugier zu rechtfertigen.

"Wir sind nur vierundfünfzig Personen, Ms. Kimmkorn. In den Stadien werden mehr als hunderttausend Zuschauer anwesend sein. Da werden Sie genügende Stimmen zu hören kriegen, die Ihnen all zu bereitwillig die gewünschten Eindrücke liefern", erwiderte die Schulleiterin von Hogwarts nun mit überlegenem Lächeln. Dann deutete sie auf die drei gelandeten Flugkutschen. "Mr. Latierre, wenn Sie uns bitte behilflich sein möchten, so steigen Sie bitte mit zwanzig meiner Gruppe in die erste Kutsche ein! Die zweite Gruppe besteigt mit Madam Pomfrey die Kutsche dahinter. Ich werde mit dem Rest die dritte Kutsche besetzen. Ms. Knowles und Ms. Kimmkorn, Sie werden hier nicht weiter benötigt."

"Sie haben nicht die Befugnis, uns von diesem Ort zu verweisen, Professor McGonagall", protestierte Rita Kimmkorn. Julius sah die Schulleiterin von Hogwarts an und sagte ruhig:

"Der nächste Portschlüssel ist erst in vierzig Minuten hier. Wenn die Dame meint, sich hier langweilen zu wollen kein Problem." Die Schülerinnen und Schüler grinsten, bis auf wenige Ausnahmen, die Julius sehr kritisch ansahen. Das fiel ihm jetzt erst so richtig auf. Er fragte sich zwar, was er denen getan hatte, zumal er keinen von ihnen erkannte? Aber er wollte die Frage nicht stellen, wo Rita Kimmkorn und Lino dabeistanden. So schritt er kurz die drei Kutschen ab und bat die Lenker darum, den gewünschten Zeltplatz anzusteuern. Dann bestieg er die vorderste Kutsche, in die noch achtzehn Schüler und Schülerinnen einstiegen, darunter ein schlachsiger schwarzhaariger Junge, der zu denen gehörte, die ihn schon die ganze Zeit so kritisch angesehen hatten. Holly kletterte ebenfalls zu Julius in die Kutsche. Die Tür schloß von selbst. Als Julius zum einen sah, wie McGonagall in der dritten Kutsche verschwand und Rita Kimmkorn und Lino auf ihren Besen davonflogen atmete er auf. Es wäre eigentlich auch zu dumm von Rita Kimmkorn gewesen, sich vor Linda Knowles in ihre angenommene Animagus-Form zu verwandeln. Selbst wenn sie mit Linda ein Zweckbündnis eingehen würde, die erlauschten Einzelheiten an sie weiterzugeben, würde sich Kimmkorn nur ausliefern. Abgesehen davon brauchte Lino keine Helferin, um heimlich zu lauschen. Als die Schulleiterin von Hogwarts in der dritten Kutsche saß und die Tür verschlossen war gab Julius das Zeichen zum Abflug.

Die drei Kutschen flogen mit hoher Geschwindigkeit über Millemerveilles dahin. Der schlachsige Schwarzhaarige starrte Julius nun noch stärker an und meinte dann: "Du bist also der, wegen dem die Umbridge so rotiert ist. Hast ja früh genug den Abflug gepackt, um nicht in die ganze Drachenscheiße reinzugeraten, die uns um die Ohren geflogen ist." Drei weitere Jungen nickten zustimmend, während die Mädchen erschüttert die Hände vor ihre Gesichter schlugen. Julius verstand einen Moment lang nicht, warum der Schwarzhaarige so verächtlich, ja regelrecht bösartig mit ihm sprach. Doch dann klingelte es bei ihm und er preschte sehr trocken vor:

"Da ich dich nicht kenne, weiß ich nicht, warum du mich jetzt so anredest. Ich vermute mal, du bist einer von den Schülern, die vor bald zwei Jahren von den Dementoren aus dem Express gezerrt und in Askaban abgelagert wurden." Der Schwarzhaarige nickte heftig und bedachte weitere Mitschüler mit einem schnellen Rundblick. Sie nickten auch. "Okay, damit das gleich klar ist", sagte Julius, jetzt nicht auf die professionelle Sprechweise wertlegend. "Zum einen konnte jeder das mitkriegen, was nach dem trimagischen Turnier los war. Die Leute vom Zaubereiministerium hätten euch besser schützen oder vorwarnen können, bevor Thicknesse zur Marionette dieses Massenmörders wurde. Ich hatte halt Glück, daß ich Leute kannte, die mir helfen konnten, noch zwei Jahre vor dem Einmarsch der Todesser ins Ministerium den Umstieg in eine andere Schule hinbekommen zu haben. Das war aber eher Glück als Absicht. Drittens haben weder meine Mutter, mit der ich aus England ausgewandert bin noch ich das angeleiert, daß ihr und die anderen alle aus dem Zug gezerrt und nach Askaban verschleppt wurdet. Das war die Umbridge und ihre Gaunerbande. Und daß diese Kröte versucht hat, mich auch noch zu kassieren habt ihr sicher aus der Zeitung mitbekommen."

"Neh is' klar, weil die Froschfresser so einen wie dich zu gerne in ihren Genpool reinholen wollten und dir das scheißegal war, was in Hogwarts passierte. Hättest ja irgendwen da mal anschreiben können, was da abgeht", blaffte der Schwarzhaarige. Eines der Mädchen, eine Dreizehnjährige mit fuchsrotem Schopf, bedachte den Jungen mit einem verächtlichen Blick.

"Hmm, ich zank mich nicht gerne, schon gar nicht mit Leuten, die ich nicht kenne. Sagst du mir wenigstens deinen Namen!" Versuchte Julius, nach außen ruhig zu bleiben. Sich alles in die Schuhe schieben zu lassen, was in den Jahren von Voldemorts zweitem Leben passiert war schlug jedem Kessel den Boden aus.

"Jack Bradley. Meine Eltern sind beide umgebracht worden, nachdem mich die Monster von Askaban aus dem Zug geschnappt haben. Meine Mum hatte da gerade ein Baby im Bauch. Diese Sausäcke haben meine Eltern und meinen kleinen Bruder umgebracht. Und die, die das vorher gewußt haben haben das Maul gehalten."

"Okay, Mr. Bradley, jetzt ganz ruhig und unmißverständlich", setzte Julius an. "Ich habe das nicht angeleiert, daß Leute eingesperrt oder umgebracht wurden. Ich habe auch vorher versucht, die Leute in Hogwarts zu informieren. Wie lange sind Sie da schon? zwei Jahre, drei Jahre? Ich habe versucht, meine Schulfreunde in Hogwarts anzuschreiben, daß die sich vom Zaubereiministerium nicht für dumm verkaufen lassen sollen. Die Eulen wurden abgefangen. Zweitens hatten meine Mutter und ich alles Recht, aus Großbritannien zu verschwinden, nachdem wir gehört haben, was da passiert ist. Wenn Fudge damals nicht so auf stur gemacht hätte wären alle Kinder nichtmagischer Eltern und deren Familien besser beschützt und bei großer Gefahr aus dem Land gebracht worden. Das hätte aber auch nur solange funktioniert, bis die Todesser das Ministerium übernommen haben. Mir jetzt zu unterstellen, ich hätte alle anderen Muggelstämmigen verraten, weil ich lieber in einem sicheren Land weiterlernen wollte, stellt dich auf dieselbe Stufe wie die Todesser. Denn die meinten auch, ich hätte gefälligst von denen kassiert und massakriert zu werden. Neh, das denkst du doch, Jack Bradley, daß die mich am besten auch kassiert hätten, wo sie dich schon erwischt haben. An dir frißt der Neid, Neid wird zu Haß und wer haßt ist leichte Beute für Verbrecher wie ... Übernimm dich nicht!" Jack war unter Julius' Worten aufgesprungen und stürzte auf den mehrere Köpfe größeren Zauberer zu. Julius stieß ihn nur mit der Flachen Hand und viel Schwung zurück auf seinen Sitzplatz. Die Fuchshaarige grinste breit, als Julius Jack unterstellte, er denke wie die Todesser. Holly sah ihren ehemaligen Schulkameraden mit einer Mischung aus Verwirrung und Beklemmung an. Julius sprach noch einmal mit kräftiger, aber ruhig betonender Stimme:

"Also, wer mir oder anderen, die früh genug die Biege gemacht haben unterstellt, die hätten sich aus purer Kameradschaft mit einfangen zu lassen, denkt wie ein Todesser. Wer deshalb jemanden haßt, nur weil der mehr Glück hatte, denkt wie ein Todesser. Wer wie ein Todesser denkt, kann leicht einer werden. Wer einer wird, hat bald keine Freunde mehr in der Welt. Und gerade die unter euch, die in Askaban gefangen waren sollten es jetzt wissen, wie trübe die Aussichten sind, wenn man keine Freunde in der Welt hat. Ich habe den Dementoren nicht befohlen, euch aus dem Zug zu holen. Ich habe der Umbridge nicht befohlen, Muggelstämmige zu jagen und deren Eltern umzubringen. Denn dazu fehlten mir zwei wesentliche Möglichkeiten, der Wunsch, das zu tun und die Macht, das zu befehlen. Denn wenn ich das hätte anleiern können, wäre ich mächtiger gewesen als der Irre, dem ihr die Hölle auf Erden zu verdanken hattet. Und wäre ich so mächtig, gäb's dich jetzt nicht mehr, Jack Bradley. Denn dann hätte ich dich deinen Eltern und dem ungeborenen Geschwisterchen hinterhergeschickt, weil du es gewagt hast, mich auch nur schief anzusehen. Das du lebst liegt daran, daß ich nicht zu dieser Mörderbande gehört habe und daher auch keine Schuld an der Sauerei habe, die die mit euch veranstaltet haben. Das könnt und dürft ihr den anderen gerne weitergeben. Ich kläre das mit Professor McGonagall noch mal ab, wo sie da noch was zu sagen möchte oder nicht. Ende der Durchsage: Ach ja, das mit dem Genpool muß ich wohl für möglich ansehen. Denn es gibt doch mehr vernünftige Hexen und Zauberer, die gerne Kinder mit Leuten haben wollen, deren Eltern nicht Bruder und Schwester oder Onkel und Nichte sind." Die Schülerin mit dem fuchsroten Haar grinste Julius an und sah eine Kameradin an, die glattes schwarzes Haar besaß. Dann sagte Holly:

"Tut mir leid, Julius, die haben Kevin auch schon so blöd angemacht, weil er keinem anderen gesagt hat, daß er aus Hogwarts abhauen könnte."

"Das liegt auch daran, daß er das wohl erst eine Minute vor seiner Abreise mitbekommen hat, wie es gehen soll", erwiderte Julius kalt. Jack funkelte ihn immer noch an. Das Julius ihn mit den Todessern gleichzustellen gewagt hatte hatte ihn härter getroffen als ein Faustschlag. Doch dieser Junge da war ihm kräftemäßig überlegen. Sich mit ihm zu prügeln brächte ihm nichts außer blauen Flecken oder gar gebrochenen Knochen.

"Den können Sie nicht ändern. Der ist seit dem Jahr in Askaban total durch den Wind. Da konnten den auch die Heiler im St. Mungo nicht von runterholen", bemerkte das Mädchen mit den fuchsroten Haaren. "Ich hätte diesem Goyle gerne alle Haare vom Kopf gerissen, weil der mit seinem tollen Freund gemeint hat, mir die Haare klauen zu müssen, damit der so rumlaufen konnte wie ich. Aber der wurde jetzt in Askaban eingebuddelt. Da konnten den auch die tollen Eltern seines achso tollen Freundes nicht rauskaufen, weil der nicht zu deren Familie gehörte und da eh schon über siebzehn war."

"Oh, du bist eine von denen, deren Körper Crabbe und Goyle sich unerlaubt ausgeliehen haben?" Fragte Julius. Das Mädchen nickte und deutete auf die Kameradin, die einige Meter weiter weg saß.

"Morry Redsword. Die Drachenfürze haben mir und der da die Haare geklaut, um wie wir rumzulaufen", knurrte die angesprochene. Ihre Mitschülerin nickte und stellte sich mit einer kühlen Betonung als "Kelly Greyrock" vor.

"Dafür haben Sie Goyle auch nach Askaban geschickt", erklärte Holly. "Wegen unerlaubter magischer Aneignung eines anderen Aussehens und Verletzung des Rechtes am eigenen Körper von Ms. Redsword zum Zwecke der Unterstützung eines Einbruchs krimineller Hexen und Zauberer. Natürlich auch wegen der Cruciatus-Strafen in Hogwarts und dem Versuch, Harry Potter und seine Freunde umzubringen." Julius nickte.

"Meine Mum hätte den gerne Haare von meiner Uroma im Vielsaftgebräu zum schlucken gegeben und den so mindestens ein halbes Jahr lang als alte Hexe rumlaufen zu lassen. Aber meine Oma hat's ihr nicht erlaubt", erwiderte Morry Redsword. Julius nickte. Er verhielt sich ein Grinsen. Nun hatte er zu den Erwähnungen auch die Namen, Stimmen und Gesichter der beiden Mädchen, deren Körper sich Crabbe und Goyle ausgeliehen hatten, um für ihren Freund und Anführer Draco Malfoy Schmiere zu stehen. Er erinnerte sich noch an den Prozeß gegen die Malfoys, wo Goyle ausgesagt hatte. Das war fast auch schon wieder ein Jahr her, dachte er.

"Was ist denn da unten?" Fragte einer der Jungen, die am Fenster saßen. Julius trat zu ihm und blickte hinaus. Unter ihnen lag die grüne Gasse. Julius erklärte es rasch, daß dort viele Zauberpflanzen aus allen gegenden der Welt gehalten wurden. Dann waren sie auch schon darüber hinweg. Sie passierten das Hauptstadion, in dem am Abend das erste Spiel der englischen Mannschaft stattfinden würde. Sie flogen weiter über Millemerveilles und erreichten den Zeltplatz, wo auch die Beauxbatons-Abordnung untergekommen war. Dort landeten die drei Kutschen nebeneinander. Die Türen schwangen auf. Julius sprang hinaus und beaufsichtigte den Ausstieg der von ihm begleiteten Gruppe. Professor McGonagall zählte alle durch und bedankte sich bei Julius. Da kam auch Madame Faucon aus einem der Zelte herbei und begrüßte die Kollegin. Julius wandte sich an Madam Pomfrey, die ihm zugewinkt hatte:

"Professor McGonagall hat mich für heute nachmittag freigestellt. können Sie mir zeigen, wo das Haus von Madame Matine liegt, Monsieur Latierre?" Fragte sie förmlich. Julius nickte eifrig und bot ihr an, sie dorthin zu führen. Sie holte eine Karte von Millemerveilles hervor und fragte, wo genau sie hinfliegen müsse. Dann beschrieb Julius ihr das Haus noch genauer, so daß sie auch dort vor der Tür apparieren konnte. Nach ungefähr zehn Minuten waren sie damit durch. Julius bemerkte, daß die anderen gerade vier große und zwei kleine Zelte aufgebaut hatten, zwei blaue, zwei rosarote und die beiden kleinen weißen. Über den Zelten wehte eine Fahne mit dem Wappen von Hogwarts.

"Hat dich der junge Jack Bradley unverschämt angesprochen, Julius?" Fragte die Heilerin nun leise und die von ihr gewohnte persönliche Anrede gebrauchend. Julius nickte verhalten. "Habe ich mir gedacht, weil der so zielstrebig mit dir in die Kutsche wollte. Der hat auch Kevin immer wieder provoziert. Die beiden sind mehrmals bei mir im Krankenflügel gelandet. Gut das Jack zu den Gryffindors eingeteilt ist."

"Der hat sich mit Kevin geprügelt?" Fragte Julius.

"Manchmal ist Kevin auch der Zauberstab ausgerutscht. Ich habe den beiden dann nahegelegt, ihren Streit zu vergessen. Kevin meinte, das wäre wegen dir gewesen. Jack hat es bestätigt."

"Er hat mir knallhart an den Kopf geworfen, daß ich mich ja früh genug und ohne ihn und die anderen richtig gewarnt zu haben verdrückt hätte und dann natürlich wegen mir seine Eltern und ein ungeborenes Geschwister gestorben seien und er in Askaban gelandet ist. Das ist zwar eine schlimme Sache, aber sowas lasse ich mir nicht unterstellen."

"Er hat das wirklich so gesagt? Wie hast du darauf reagiert?"

"Ich habe ihm gesagt, daß wer so denkt, daß ich auch hätte eingefangen und womöglich umgebracht gehört hätte ja so denkt wie die Todesser, und wer so haßt locker einer von denen werden könnte, wenn die irgendwann mal neu zusammengetrommelt werden solten, was ich nicht hoffe."

"Oha, damit hast du ihm sicher heftiger zugesetzt als Kevin mit seinen Fäusten und den Flüchen es getan hat. Hat er dann zumindest Ruhe gegeben?"

"Er hat noch versucht, mich anzuspringen. Ich habe ihn dann ohne zu grob zu werden wieder hingesetzt. Dann war Ruhe. Außerdem haben es seine schweigsamen Kameraden kapiert, was ich gemeint habe."

"Reine Frustration, weil die Verbrecher, die ihnen das angetan haben so plötzlich über sie hergefallen sind und nicht nur Jacks Eltern dabei umgebracht haben. Aber dir zu unterstellen, du hättest das verhindern können ist schon sehr hart."

"Tja, der hat es so gesagt, als hätte ich den Dementoren gesagt, die Muggelstämmigen aus dem Zug zu holen und abzutransportieren. Das konnte und durfte ich mir echt nicht bieten lassen", erwiderte Julius.

"Eindeutig nicht. Doch ob deine Antwort für seine verletzte Seele so gut war", wandte die Heilerin ein.

"Sehe ich ein, daß er da nicht drüber wegkommt, Madam Pomfrey. Aber das ist keine Rechtfertigung, jemanden was anzuhängen, von dem man weiß, daß der es selbst nicht getan hat und selbst ein Opfer geworden wäre, wenn ihn diese Bande zu fassen bekommen hätte. Nicht alles darf mit seelischen Problemen rechtfertigt werden", erwiderte Julius.

"Hast du ihn gefragt, wo er jetzt wohnt?" Fragte Madam Pomfrey und sah sich um. Jack Bradley war gerade mit zwei älteren Jungen bei Professor McGonagall. Auch Holly Lightfoot stand bei ihr. Womöglich hatte die der Schulleiterin einen Kurzbericht abgeliefert. Jack schien sie entsprechend verärgert anzustarren.

"Ich fand die Stimmung dafür nicht richtig. Falls er das irgendwann will, wird er mir das wohl erzählen", sagte Julius.

"Seitdem bekannt ist, welche Kindheit der Herr der Todesser erlebt hat gilt ein neues Gesetz, demnach Kinder, bei denen bereits mit der Zaubereiausbildung begonnen wurde, im Falle des Verlustes beider Eltern in einer Zaubererfamilie zur Pflege unterkommen. Das Opferentschädigungs-und-Fürsorge-Komitee des Zaubereiministeriums kümmert sich um die Unterbringung und unterstützung. Wenn du erst von ihm selbst hören möchtest, wo und wie Jack untergebracht ist behalte ich es auch für mich, zumal ich damit meiner Schweigepflicht nachkommen kann."

"Ich kann ihm ungefähr nachfühlen, wie er sich fühlt. Hätte ja nicht viel gefehlt, und ich hätte auch beide Eltern verloren", flüsterte Julius und hoffte, daß sich Lino McGonagalls und seine Ermahnungen hinter ihre Zauberohren geschrieben hatte.

"Wie du sagtest rechtfertigt das aber nicht wissentlich unrichtige Vorwürfe und Schuldzuweisungen", entgegnete die Heilerin von Hogwarts. Dann fragte sie Julius nach seiner Mitgliedschaft in der Pflegehelfertruppe von Beauxbatons aus und lächelte immer wieder. Sie erwähnte, daß sie auch gerne eine solche Truppe haben würde, es aber wegen schwerwiegender Zwischenfälle mit vorgebildeten Schülern verboten worden sei, eine solche Truppe zu unterhalten. Julius hätte fast erzählt, daß Beauxbatons eigentlich auch keine Pflegehelfer mehr haben dürfte, wenn Serena Delourdes damals nicht die Idee mit der Höchststrafe gehabt hätte. Dann wies Julius darauf hin, daß er wieder zum Portschlüssel-Landepunkt müsse und wünschte Madam Pomfrey eine schöne Zeit in Millemerveilles. Er verabschiedete sich kurz von Professor McGonagall und erwähnte das Postfach, wo die Besucher schriftliche Anfragen hinterlegen konnten. Dann apparierte er zur Grenze und durchlief diese zu Fuß.

Vier weitere Gruppen aus dem englischsprachigen Raum trafen ein. Darunter waren auch zwanzig Leute aus New Orleans. So verging die Zeit bis ein Uhr Mittags. Julius erfuhr von den in den Parks aufgehängten Zwischenstandstafeln, wie es um die gerade laufenden Partien stand. Liechtenstein war bereits so weit im Rückstand, daß der Schnatzfang nichts mehr nützen würde. Argentinien führte mit 500:40 Punkten. Die Schweiz hatte Kanada durch einen schnellen Schnatzfang schon nach zehn Minuten aus dem Turnier gekegelt. Die Kanadier hatten gerade einmal zwei Tore erzielen können. Julius pfiff durch die Zähne als er las, daß die Fans der Kanadier darüber mehr als verärgert gewesen waren und ein Trupp Sicherheitszauberer die beiden Fangruppen mit magischer Gewalt hatte auseinandertreiben müssen. Wenn Linda Knowles da mitgehört oder gar zugesehen hatte, dann hatte die genug Futter für ihre Zeitung. Immer wieder auf alles fliegende Getier achtend versah Julius seine Aufgaben als Besucherbetreuer. Solange er Dienst hatte tauchte er in den Zeltlagern auf. Von den Kanada-Fans traf er nur noch einige wenige, die umgehend per Flohpulver zur Grenze wollten. Julius bedankte sich im Namen des französischen Zaubereiministeriums für den Besuch und hoffte, daß sie zumindest angenehme Eindrücke aus dem Magierdorf Millemerveilles mitnehmen konnten.

"Dieser Emil Rheinfels gehört in leerer Luft zerflucht", knurrte ein älterer Zauberer sehr entrüstet. "Unsere Jäger waren heißer als Drachenfeuer und werden dann durch so einen blöden Mauerwürfel geblockt, während dieser Rheinfels sich den Schnatz pflückt. Und diese Alphorntuter und Kuhglockenschwinger aus der Schweiz haben unsere Warnrufe niedergetrötet und gescheppert. Na ja, schön wäre es gewesen, gegen Ihre Leute spielen zu dürfen, junger Mann."

"Welche, die aus Frankreich oder die aus England?" Fragte Julius.

"Von der Sprache und dem Vornamen her sind Sie ja aus England. Aber wenn sie Lines Enkeltochter nur heiraten konnten, wenn sie deren Nachnamen annahmen, sind Sie wohl jetzt endgültig hier in Frankreich angekommen. Bei uns gibt's einige, die gerne gegen die Franzosen gespielt hätten. Die anderen hätten gerne England im Viertelfinale vor sich gehabt. Tja, so geht's jetzt nach Hause."

"Sie wollen nicht noch zwei Tage warten, bis der erste Portschlüssel nach Ottawa abgeht, Sir?" Fragte Julius.

"Ich kriege meinen Eintrittspreis für die beiden kommenden Spiele zurück, wenn ich die Karten abgebe, hat Ihre Frau Schwiegermutter ja erwähnt. Da kann ich mir den Flohsprung über den Wassergraben leisten. Bin ja allein unterwegs."

"Dann wie erwähnt noch ein paar erholsame Tage und danke, daß Sie uns beehrt haben, Sir", sagte Julius höflich. Er war mit seinen Gedanken schon beim Hauptspiel des Tages, England gegen Mexiko. Sollten die Spieler aus den weiten Land zwischen den vereinigten Staaten Nordamerikas und dem Rest Südamerikas auch so einen Blitzsieg hinlegen, mußte er wohl noch ehemalige Landsleute trösten oder mitten hinein in das Gewühl aufgebrachter Fans und womöglich doch einiger Hooligans.

Als Julius mit seiner Frau und Pina alleine beim Mittagessen saß sprachen sie über die Hogwarts-Delegation. Julius hatte Glorias Zauber benutzt, um sich gegen Linos Lauscher abzuschirmen. Außerdem hatte er einen fortgeschrittenen Meldezauber zwischen den Bäumen ausgespannt, der ihm die Annäherung von Rita Kimmkorn anzeigen sollte, egal, in welcher Gestalt sie sich dem Haus näherte. Den Zauber hatte er erst in diesem Jahr bei Delamontagne erlernt. Wer Gesicht und Namen eines unerwünschten Besuchers kannte, konnte ein unsichtbares Netz ausspannen, in dem dieser sich verfing und solange darin hing, bis der Errichter des Zaubers ihn lossprach. Gleichzeitig erfuhr der Errichter vom Eintreffen des ungebetenen Gastes, weil er ein rhythmisches Tuten in den Ohren hörte und sich danach ausrichten konnte, wo der Störenfried war.

"Jack Bradley, den kennen wir", sagte Pina. "Der ist nach dem Ende von ihm zu einem älteren Zaubererehepaar gekommen, weil er keinen Onkel und keine anderen Verwandten hatte. Die leben irgendwo bei Devon."

"Bei Devon? Da wohnen doch auch Aurora Dawns Eltern", erinnerte sich Julius.

"Ja, aber bei denen ist er nicht. Professor Dawn kennt die aber wohl, obwohl die knapp dreißig Kilometer von denen wegwohnt", erwiderte Pina.

"Vielleicht hätten sie den bei Mrs. Priestley unterbringen sollen", meinte Julius. "Da gibt's zumindest Internetanschluß."

"Neh, ich fürchte, die haben Jack für die Muggel für tot erklärt. So wie die Todesser da gehaust haben kaufen die das auch ohne Gedächtnis- und Aktenverzauberung ab", erwiderte Pina. "Meine Patentante überlegt, ob sie nicht auch wen von den elternlosen Muggelstämmigen aufnehmen soll. Aber das Ministerium hat die alle gut untergebracht. Natürlich sind die meisten Sauer, weil sie ein Jahr in Askaban waren. Einige hat es so heftig durcheinandergebracht, daß die Heiler was von Genesungsverjüngerung erwähnt haben, was damit auch immer gemeint ist."

"Eine Neue Therapie, darf aber nur bei minderjährigen Hexen und Zauberern aus der Muggelwelt angewandt werden", sagte Millie. "Dabei passiert das, daß die Betroffenen erst komplett gedächtnismodifiziert werden und dann per Verjüngungstrank auf Neugeborenenalter zurückgeführt werden. Infanticorpore ginge nur bei geistig gesunden Leuten, Julius." Julius wollte schon fragen, warum so umständlich. "Jedenfalls kommen diese Wiederverjüngten erst zu den Ammen und werden dann magischen Pflegefamilien anvertraut. Das hat Tante Trice mir geschrieben, als ich sie fragte, wie Kinder behandelt werden können, die komplett durch den Wind sind, Julius."

"Hattet ihr so einen Fall in Beauxbatons?" Fragte Pina. Millie verneinte es schnell. Julius atmete auf. Dann fragte er jedoch, seit wann diese Therapie zugelassen sei.

"Soweit Tante Trice ihr das geschrieben hat gilt sie seit dem ersten Oktober 1998. Aber wie erwähnt darf sie nur bei durch Magie oder rein seelischen Mitteln hervorgerufene Geisteserkrankungen verwendet werden, wenn die betroffenen keine magischen Eltern haben." Julius hätte fast "soso" gesagt. So beließ er es bei einem Nicken. Dann hatten die Heiler in der Delourdesklinik und anderswo den Fall Hanno Dorfmann als Aufhänger für eine radikale Heilbehandlung genommen und rasch durch die Zulassungsinstanzen gejagt. Pina fragte Julius, ob jemand, der den Infanticorpore-Fluch anwandte auch von der magischen Glocke um Millemerveilles abgehalten wurde. Er schüttelte den Kopf, fragte sich dann aber, wieso dieser Fluch nicht so heftig ins Gewicht fiel wie ein Cruciatus-Fluch. Aber die niederen Flüche, die noch dazu nicht in nachhaltig böswilliger Absicht gebraucht wurden, gingen in Millemerveilles ja auch noch im Unterricht, wußte er. Dann erzählte er Pina noch einmal sein Erlebnis mit dem Infanticorpore-Fluch und erwähnte zum Schluß: "Ich vermute, weil er keine körperliche Verletzung herbeiführt geht der noch so unter der Glocke durch. Sonst hätte sich Madame Faucon ja schon sehr früh eine neue Wohnung suchen müssen."

"Frage die mal, warum der hier geht!" Forderte Millie ihn auf. Julius erkannte, daß sie das auch interessierte und gestand sich ein, daß es ihn jetzt auch interessierte. Jetzt, wo er wußte, wie mächtig diese magische Glocke war, interessierte es ihn schon, warum sie bestimmte Zauber und Zauberkundige passieren ließ und andere nicht. Aus einem ihm nicht ganz klaren Grund sah er einen Sekundenbruchteil lang Leas Mutter mit den Zwillingstöchtern auf dem Besen, wie die Luft um Mutter und Töchter flimmerte, die drei jedoch unangefochten nach Millemerveilles hineingelangten. Vielleicht hatte Leas Mutter einiges angestellt und schrammte gerade so an der Grenze des Zulässigen entlang. Doch Madame Faucon, die in ihrem Leben wohl schon dutzende von Flüchen ausgesprochen hatte, um sich zu wehren oder um Schülern was beizubringen, konnte bedenkenlos durch die Abschirmung gehen. Bei ihr hatte er kein solches Flimmern gesehen.

"Haben Britt und Linus was gesagt, ob sie vor dem Spiel noch mal herkommen wollen oder ob sie das Spiel überhaupt sehen wollen?" Fragte Julius.

"Wüßte ich auch gerne, Julius. Ich muß ja gleich noch wegen der Spanischsprachigen raus ins Getümmel", murrte Millie. "Britt ist von dem Gespräch mit Tante Babs immer noch nicht zurück. Hoffentlich hat Tante Babs mit der nichts unschönes angestellt. Linus wollte erst dann wieder herkommen, wenn Britt das mit Tante Babs geklärt hat. Gloria will ja bis Spielende bei ihren Eltern bleiben", sagte Millie. Julius überlegte, ob er seine Schwiegertante Barbara anmentiloquieren sollte. Doch weil die durchaus in einer dienstlichen Besprechung stecken konnte, war das gegen die Mentiloquismusmanieren. Aber seine Schwiegergroßmutter Ursuline konnte er anmentiloquieren. Sie erwähnte, daß Barbara Latierre noch immer eine Unterredung mit verschiedenen Tierweseninteressenten führte. Linus Brocklehurst war wohl irgendwo in Millemerveilles unterwegs. So blieb Julius nur, auf Abruf im Haus zu bleiben, wo er eine von den Hausaufgaben erledigte, die er bis Ferienende fertighaben mußte. Pina suchte die Hogwarts-Abordnung auf, um sich mit Holly zu unterhalten.

Als Julius die Hausaufgabe für Professeur Dirkson soweit hatte, daß er sie bedenkenlos abgeben konnte, ploppte es im Kamin, und Madame Matines Kopf erschien darin. "ah, gut, du bist zu Hause, Julius. Wir diskutieren gerade den Fall, der kurz nach Schuljahresbeginn bei euch passiert ist. Laura, also Madam Morehead, Aurora Dawn und Madam Pomfrey möchten gerne von dir hören, wie du die Angelegenheit empfunden hast. Erwartest du wen von deinen Gästen?"

"Ja und nein. Ich weiß nicht, ob die Brocklehursts vor dem Spiel noch mal herkommen wollten. Pina und Gloria sind bei ihren Familien", erwiderte Julius. Er sollte über die Sache mit Hanno Dorfmann reden? Das war ihm irgendwie unheimlich. Andererseits verstand er die ausländischen Heilerinnen. So beschloß er, ein Schild für Linus und Brittany vor der Tür aufzustellen, daß sie bitte in einem der Festzelte oder Parks warten mögen. Dann sagte er Hera Matine sein Kommen in fünf Minuten zu und wartete, bis der Kamin wieder leer war. Er sperrte alle drei Anschlüsse im Haus Pomme de la Vie und fertigte das Schild an:

An die Brocklehursts!
Bitte im Festzelt oder Park bis Spielende warten.
Bin in wichtigen Sachen unterwegs.

Julius

Er hängte das Schild draußen an einen der bereits ausgewachsenen Bäume und prüfte seine Kleidung. Dann apparierte er vor das Haus der Heilerin und Hebamme von Millemerveilles.

Nachdem er den interessierten Heilerinnen, zu denen auch die Heilerin von Greifennest gestoßen war erzählt hatte, wie er die Ereignisse um Hanno Dorfmann mitbekommen hatte, von der Einschulung bis zum Verlassen von Beauxbatons, fragte er, wie die Schüler, die Eltern bei den Anschlägen der Todesser verloren hatten, behandelt wurden. Das alles fand in einem Klangkerker statt. Kurz vor sechs brachen Madam Pomfrey, Großheilerin Laura Morehead und Aurora Dawn mit Julius zum Hauptstadion auf.

Die Atmosphäre im Stadion lud Julius regelrecht mit neuer Energie und Vorfreude auf. Da waren die Englandd-Fans, die mit roten Schals, Fahnen und Hüten winkten. Sie alle hatten kleine Hörner, flöten oder Trommeln dabei. Dann waren da die Mexikaner, eine farbenfrohe, fast ein Viertel der verfügbaren Plätze einnehmende Gruppe aus Zauberern und Hexen, die alle diese großen, breitkrempigen runden Hüte trugen und mit Trompeten, Gitarren, Fideln und Trommeln gegen die Musik der anderen Fans lärmten. Julius begrüßte Virginie, die an einem der Zugänge die Karten kontrollierte. Er zeigte seine Karte vor.

"Gleich bei deiner Schwiegermutter. Deine Frau ist schon mit Gloria und Pina durch", sagte Virginie. "so hoch, wie es geht, Julius", ergänzte sie noch und deutete zur Ehrenloge hinauf. Julius seufzte leise und bedankte sich dann. Also doch die Ehrenloge. Er lief die mit goldenen Läufern bedeckten Treppen hinauf bis zur gläsernen Eingangstür in die Ehrenloge. Diese reagierte auf die Berührung mit seiner Eintrittskarte und ließ ihn passieren.

"Na, kam Linus noch?" Fragte Millie ihren Mann, dem sie den Platz zwischen sich und ihrer Mutter freigehalten hatte.

"Weiß ich nicht, weil ich von jemanden gerufen wurde, um was von mir erzählt zu bekommen. Das kriegst du dann zu Hause", sagte Julius.

"Einen wunderschönen guten Abend", sagte eine tiefe Stimme, die einem Soulsänger alle Ehre gemacht hätte. Der zu der Stimme gehörende Mann war groß, dunkelhäutig und besaß kein Haar auf dem Kopf. An seinem linken Ohr baumelte ein goldener Ring. Gekleidet war der Logengast in einen langen, rot-goldenen Umhang mit Rotfuchskragen und purpurnen Stiefeln mit goldenen Schnallen. Julius erhob sich und reichte dem Ankömmling die Hand zum Gruß.

"Einen recht guten Abend, Herr Minister Schacklebolt", erwiderte Julius die Begrüßung. Dann sah er noch einen kleinen, untersetzten Herren mit breitkrempigem weißen Sombrero und grauem Bart. Er trug einen himbeerfarbenen Samtumhang und weiße Halbschuhe. Hinter diesem ging eine noch kleinere, noch rundere Hexe im schneeweißen Satinkleid die vorderste Reihe entlang. Der britische Zaubereiminister wandte sich dem Neuankömmling zu und begrüßte ihn auf Englisch und dann auf Spanisch. Da erst reagierte der kleine Zauberer und freute sich. Es war Minister Andrés Piedraroja, der mexikanische Zaubereiminister und seine Frau Margarita Elena. Millie begrüßte den weitgereisten Zaubereiminister und dessen Frau auf Spanisch. Gut, für die Begrüßung kam Julius mit seinem Benidorm-Überlebenswortschatz noch hin. Doch als Minister Piedraroja mit einer melodischen Betonung auf ihn einsprach mußte er Millie bitten, für ihn zu übersetzen, daß er gerade mal Guten Tag, Danke und auf Wiedersehen sagen konnte. Der Mexikaner lachte erheitert und sprach dann im besten US-Englisch weiter:

"Sie sind noch jung, Señor Latierra, ähm, Latierre. Da haben Sie auch noch genug Zeit, es zu lernen, wenn Sie es brauchen. Ihre Frau kann es Ihnen ja beibringen, so wie meine Frau mir das Gringo-Englisch beigebracht hat." Die erwähnte nickte mit leicht geröteten Ohren. Jetzt konnte Julius zwischen den angesilberten Haaren der Hexe noch einzelne blonde Strähnen erkennen. Wie alt mochten die Piedrarojas sein?

"Wußte ich nicht mehr, daß Sie englisch können, Andrés", brummte Shacklebolt. Julius meinte, eine leichte Verärgerung herauszuhören. Offenbar hatte sich der ehemalige Spitzenauror mit seiner spanischen Begrüßung auch schon so weit er die Sprache konnte abgemüht.

"Ich empfinde es immer wieder sehr schön, wenn jemand mich in meiner Sprache begrüßen kann, Señor Shacklebolt", sagte der mexikanische Zaubereiminister.

"Stimmt schon. Aber beim Treffen in Potsdam vor einem Jahr haben Sie noch einen Übersetzer mitgebracht", erinnerte der britische Zaubereiminister seinen mexikanischen Amtskollegen an eine Begegnung vor einem Jahr. Piedraroja nickte eifrig und räumte ein, bei wichtigen Staatsangelegenheiten lieber einen Übersetzer dabei zu haben, um Mißverständnisse zu vermeiden. Julius kaufte dem Träger des weißen Sombreros das nicht so einfach ab, und an Shacklebolts Gesicht konnte er ablesen, daß dieser das wohl auch nicht tat. Millie mußte wohl noch über Piedrarojas Anregung grinsen, sie könne ihrem Mann Spanisch beibringen. Wäre zumindest ein Projekt, wenn die noch sehr junge Ehe doch mal irgendwo öde zu werden drohte, dachte Julius. Das war zwar im Moment nicht in Sicht. Aber wer wußte schon, was alles hinter dem Horizont der Zeit lag.

"Diese Mariachis da unten sehen so aus wie die, mit denen uns Tante Babs' Zwillinge immer morgens wecken lassen", flüsterte Millie und deutete auf eine Gruppe im mexikanischen Zuschauerblock. Julius setzte sein Omniglas an und holte sich die gezeigten Musiker näher heran. Ja, die mochten echt für die gemalten Mariachis Modell gestanden und gespielt haben. Dabei dachte er darüber nach, wieviele Ableger es von diesem Bild geben mochte. Nachher unterhielten die ein Nachrichtennetzwerk mit jemandem. Sollte er bei Gelegenheit mal mit Callie und Pennie drüber sprechen.

"Ah, unsere Paradetruppe", meinte der mexikanische Magieminister, als er Julius' Aufmerksamkeit für die bunten Musiker bemerkte. "Das die dabei sind vervollständigt dieses Spiel und die kommenden."

"Sie denken, Mexiko kommt weiter?" Fragte Shacklebolt. Piedraroja warf sich in die Brust und stieß ein höchstüberzeugtes "Si Señor!" aus.

"Unsere Mannschaft hat sehr hart gearbeitet und gegen die Nachbarn aus Irland, Schottland und Wales mehrere beeindruckende Siege erzielt", stellte Shacklebolt fest. Das ließ den Kollegen aus Mexiko jedoch kalt. Er erwiderte, daß seine Mannschaft gegen die gesamten Südamerikaner gespielt hatte. Er ließ jedoch dabei weg, wie die Partien im einzelnen ausgegangen waren. Julius entging das nicht. Auch Shacklebolt bemerkte es wohl. Doch außer einem leichten Grinsen kam keine Reaktion von ihm.

Das Durcheinander von Musik, Jubel und gegenseitigen Anheizens der Fans schwoll weiter an. Hier oben in der Ehrenloge klang es wie aus einem großen, weiten Kessel. Dann hörte es sich an, als zählten die mexikanischen Fans. Millie fragte Julius, was das sollte, daß die Leute da unten rückwärts zählten. Julius vermutete eine gemeinschaftliche Aktion der Fans. Als diese bei "Zero" ankamen, rissen die ganz rechts sitzenden beide Arme zugleich hoch und sprangen dabei von ihren Sitzen. Sie blieben nur eine Halbe Sekunde stehen und warfen sich wieder auf ihre Stühle. Dabei ließen sie ihre Arme wieder niedersinken. Im gleichen Moment, wo die Zuschauer ganz rechts sich wieder hinsetzten, sprangen die Sitznachbarn links auf und rissen dabei die Arme hoch. Julius lachte. Er erkannte diese Aktion. Als nun die Sitznachbarn zur Linken der zweiten Gruppe mit dem Aufspringen und Armehochreißen dran waren sagte er laut: "O, La Ola. Ist das jetzt auch im Quidditch angekommen."

"Der Name paßt", lachte Millie. "Das ist 'ne echte Welle. Wo soll die hinlaufen, Julius?"

"Wenn alle mitmachen eigentlich ganz durch das Stadion rum", erwiderte Julius und beobachtete, wie sich la Ola weiter im Uhrzeigersinn fortpflanzte, bis sie am Rand des überwiegend englischen Fan-Blocks zum Erliegen kam. "Tja, das war wohl ein Satz mit x", feixte Julius. Aber da sah er, wie bei den Hogwarts-Schülern, die in einem Block für sich saßen, eine neue Welle angestoßen wurde. Klar, die Muggelstämmigen kannten die Stadionwelle ja schließlich aus dem Fernsehen, wenngleich einige von denen, die mitgereist waren, bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1986 womöglich noch nicht geboren waren. Die Mexikaner zählten erneut an, als die Hogwarts-Gruppe ihre kleine Welle durchgereicht hatte. Nun lief la Ola wieder durch das Stadion und setzte sich diesmal auch durch die Reihen der englischen Fans fort. Als die Welle auf Höhe der Ehrenloge ankam riß Piedraroja seine Arme hoch und rief "Ariba México!!" Seine Frau hüpfte wie ein Gummiball, um ihren Anteil an der Welle zu leisten. Shacklebolt übernahm sie dann. Millie schnellte grazil von ihrem Stuhl und warf die Arme so hoch sie konnte. Dann kam Julius, der sich richtig freute, mal was machen zu können. Währenddessen brandete die Stadionwelle auch weiter durch die allgemeinen Zuschauerkurven. Dann war sie ohne Unterbrechung durch die Ehrenloge durch.

Hippolyte wandte sich an Piedraroja und sagte ihm was auf Spanisch. Wieder einmal mehr mußte Julius erkennen, wie sich eine Stimme veränderte, wenn sie eine andere Sprache benutzte. Millie übersetzte ihrem Mann, daß ihre Mutter den Minister um Verständnis bat, daß sie während des Spiels nicht bei diesem Spektakel mitmachen könne. Das brachte Julius darauf, seine Schwiegermutter in förmlicher Form zu fragen: "Darf ich fragen, in welcher Sprache Sie das Spiel kommentieren werden, Madame Latierre?"

"In der Sprache des Landes, in dem wir uns gegenwärtig aufhalten, Monsieur Latierre", erwiderte Hippolyte ganz ruhig.

Weitere Ehrenlogenbesucher trafen ein, wohl Funktionäre der mexikanischen Quidditchliga, die in ihrem melodiösen Spanisch das Ministerehepaar begrüßten. Auch aus Großbritannien trafen einige ein. Drei erkannte Julius sofort. Es waren Harry Potter und seine Freunde Hermine Granger und Ron Weasley. der Sieger über Voldemort fühlte sich hier oben offenbar nicht so sonderlich wohl, obwohl er bei der letzten Weltmeisterschaft ja auch einmal ganz oben in der Ehrenloge gesessen hatte. Als er Julius sah begrüßte er ihn nach dem Zaubereiminister. Julius stellte Harry Potter seiner Frau vor, die einen Moment lang tief beeindruckt dastand und den Jungen, der lebte kurz und innig umarmte. Julius sah es nicht als Untreue ihm gegenüber. Offenbar war sie überwältigt, denjenigen, dessen endgültigen Sieg sie wie er quasi als Live-Übertragung hatte mitverfolgen dürfen, in Fleisch und Blut vor sich zu haben, ihn kurz aber herzlich berühren zu dürfen. Millie begrüßte Hermine Granger mit einer gewissen Zurückhaltung, wobei sie ausprobierte, ob Hermine Französisch sprach. Das konnte sie zwar, aber mit unüberhörbar englischem Akzent. Ron Weasley, der Millie größenmäßig gerade bis zum Kinn reichte, empfand den Aufenthalt in der Ehrenloge wohl als besondere Auszeichnung. Als dann noch seine Eltern und sein ältester Bruder Bill mit seiner Frau Fleur die Ehrenloge betraten, fühlte Julius sofort die Ausstrahlung der Viertel-Veela. Doch in dieser schwang noch mehr mit als unwiderstehliche Anmut und Anziehungskraft. Fleur machte auf Julius den Eindruck eines kleinen Kraftwerkes, das eine große Menge Energie ausstrahlte. Ja er dachte bei sich, daß Fleur wie eine kleine Sonne Wärme, Licht und Lebenskraft aussandte, an der sich alles und jeder mit neuer Energie aufladen konnte. Millie verfiel nach der Begrüßung Harry Potters in eine sichtlich angespannte Haltung. Ebenso erging es Señora Piedraroja und Hippolyte Latierre. Was Julius als labenden Energiestrom empfand, war für die Hexen offenbar eine Art Abwehrfeuer, dem sie entgegenhalten mußten. Fleur merkte es wohl und machte irgendwas, daß ihre besondere Ausstrahlung spürbar nachließ. Nun wirkte ihre anwesenheit vorwiegend über ihre makellose Erscheinungsform. Bill Weasley schien über diesen nur spürbaren Umschwung seiner Frau etwas beschämt zu sein. Doch Julius entging nicht das verhaltene Strahlen, daß das von unschönen Narben verunzierte Gesicht des rothaarigen Zauberers erfüllte. Offenbar freute er sich, mit seiner Frau bei dieser Weltmeisterschaft dabei sein zu dürfen. Sicher, vor etwa anderthalb Jahren war die Lage ja auch noch alles andere als hoffnungsvoll.

"Ah, Madame Faucon ist mit unseren Kameraden da unten", holte Millie ihren Mann aus seinen Gedanken. Julius blickte durch das Omniglas und sah Madame Faucon, die gerade über einhundert Mitschüler in einen Zuschauerblock einwies. Er sah Louis Vignier und Pierre Marceau. Dieser warf immer wieder kurze und heimliche Blicke zurück, wo Fleurs Schwester Gabrielle in einem Trupp von Beauxbatons-Mädchen mitmarschierte. Das wunderte Julius. Er war davon ausgegangen, daß die Delacours wenn überhaupt als Familie anreisten. So hatte er gerade einen idealen Grund, Fleur zu begrüßen und zu fragen, ob ihre Eltern auch noch kommen würden. Millies unausgesprochenen Unmut übersehend trat er vorsichtig an Fleur heran und begrüßte sie auf Französisch. Als er ihren Mann noch in bestem London-Englisch begrüßt hatte fragte er Fleur, ob sie wisse, ob ihre Eltern auch noch kämen, weil er Gabrielle gerade in der Beauxbatons-Gruppe gesichtet habe.

"Maman und Papa kommen nur zu den Frankreich-Spielen, Julius", sagte Fleur mit ihrer glockenreinen Stimme. Wie gut konnte Bill zaubern, um die heimlichen oder offenen Verehrer seiner Frau auf Abstand halten zu können?

"Wundert mich eh, daß unsere Leute bei diesem Spiel dabei sind", sagte Millie etwas ungehalten. Doch als Julius den Weasleys einen spannenden Quidditchabend wünschte und sich wieder zu seiner Frau setzte, entspannte sie sich sichtlich.

"Ich weiß nicht, für wie viele Spiele Madame Faucon Karten abgeräumt hat. Vielleicht für alle Hauptstadionspiele", sagte Julius. Seine Schwiegermutter hörte es und nahm es als an sie gerichtete Bemerkung.

"Für die Eröffnung und alle Hauptstadionspiele mit europäischer Beteiligung", erwähnte die Leiterin der Abteilung für magische Spiele und Sportarten. Dann erkannte sie, daß wohl gerade ihr Einsatz anstand und trat an die Brüstung der Loge heran. Mit dem Stimmverstärkerzauber Sonorus bezauberte sie sich so, daß ihre Stimme nun im ganzen Stadion zu hören war. Sie begrüßte die Zuschauer auf Französisch, Englisch und Spanisch und wies in allen drei Sprachen darauf hin, daß sie nur die wichtigsten Spielzüge erwähnen und diese auf Französisch kommentieren würde. Johlen und Lärm aus zigtausend Musikinstrumenten war die Antwort. Dann bat Hippolyte Latierre um kräftigen Applaus für die Maskottchen der englischen Nationalmannschaft. Julius war gespannt, wen seine früheren Landsleute als Maskottchen bringen würden. Sicher durfte Britt Brocklehurst, wenn diese irgendwo im Publikum saß, wieder was zum meckern finden. Dann schien ein Regen aus hunderten von Meteoriten vom Himmel zu fallen. Julius erkannte, daß dieser Sternschnuppenschauer aus vielen wirbelnden Feen bestand, die sich zu einer leuchtenden Wolke über dem ganzen Stadion ausbreiteten. Dann vernahmen sie alle den sphärischen Gesang der winzigen geflügelten Zauberwesen. Die Zuschauer verstummten und erstarrten in Ehrfurcht, als der Feenschwarm immer lauter und mit einer unerreichbar scheinenden Schönheit von den grünen Wiesen und alten Prachten des englischen Königreiches sang. Julius hatte diese kleinen, menschenähnlichen Wesen eigentlich immer nur als gern und häufig durcheinanderzwitschernde Geschöpfe erlebt. Daß sie auch die menschliche Sprache konnten beeindruckte ihn sichtlich. Er dachte an Tincabell, die Fee aus der Peter-Pan-Geschichte, die er wie jedes Kind im englischen Sprachraum kennengelernt hatte. In anderen Kindermärchen tauchten Feen auf, die als erwachsene, wunderschöne Frauen mit Zauberstäben auftraten, wie die echten Hexen, die er nun schon seit bald sieben Jahren kannte. Der Feenschwarm segelte und kreiselte über dem Oval des Stadions herum. Einzelne Feen gingen auf dem Spielfeld nieder, wechselten dabei die Farbe von smaragdgrün zu golden und tanzten ohne Bodenberührung einen Reigen zum Gesang ihrer Artgenossen. Das Spektakel dauerte fünf Minuten. Dann sammelte eine doppelt so große Fee wie die anderen ihre Artgenossen am Spielfeldrand. Applaus brandete wie ein Donner durch das Stadion. Die Mariachis spielten auf ihren Instrumenten eine beschwingte Weise. Julius flüsterte Millie zu, daß er hoffte, daß die Mexikaner keine Riesenschaben mitgebracht hätten, weil ja das Lied von der Küchenschabe "la Cucaracha" in Mexiko so häufig gespielt wurde. Millie grinste nur und meinte, daß Mexiko was wesentlich eindrucksvolleres zu bieten hatte. Hippolyte Latierre schien hingegen etwas angespannt, als sie sich bei den englischen Maskottchen bedankte und nun um Aufmerksamkeit für die Glüccksbringer der mexikanischen Nationalmannschaft bat. Auf diese Worte hin trat zunächst ein reinrassiger Indio in einem farbenfrohen Kostüm auf das Spielfeld. Er trug eine Schellentrommel bei sich und begann darauf zu spielen. Dann sah Julius sie. Es waren vier geschmeidige smaragdgrün schillernde, mindestens zwanzig Meter lange und bestimmt anderthalb Meter dicke Schlangen mit golden schimmernden Augen. Außer ihrer imposanten Größe und den goldenen Augen wiesen diese Reptilien noch eine Besonderheit auf. Sie schwangen weite, grüngefiderte Schwingen, zwischen denen sie spielerisch durch die Luft glitten und im Takt der Trommel auf das Feld hinausflogen. Nicht wenige im Publikum stießen verhaltene Entsetzenslaute aus. Julius sah den Trommler, der in einem hektisch wirkenden Tanz sein Instrument bearbeitete und dabei einen leicht leiernden und schnellen Singsang ausstieß. Er mußte an afrikanische und amerikanische Medizinmänner oder Schamanen denken. Dabei fielen ihm die Träume von Ailanorars Flöte ein, wo er von einem Schamanen der Inuit den Rhythmus erlernt hatte, in dem er die magische Silberflöte spielen mußte. Er okklumentierte sofort, damit niemand außer ihm mitbekam, daß er jenes Instrument bei sich im Haus aufbewahrte. Er konzentrierte sich wieder auf die Darbietung der geflügelten Schlangen, die in der Luft zu lebenden Buchstaben wurden, die das Wort "Mexico" buchstabierten. Die Zuschauer blieben weiterhin ruhig. Offenbar hätte man es den Leuten ankündigen sollen, daß die Mexikaner einen besonderen Schlangenbeschwörer mitgebracht hatten. Julius fragte sich nur, wo diese netten Tiere ihr Ferienhäuschen hatten. Womöglich stand außerhalb des Stadions ein hausgroßer Schlangenkorb. Dann fiel ihm etwas ein, was sein Onkel Claude mal erwähnt hatte. Die Azteken, das ursprüngliche herrschende Volk von Mexiko, hatten einen Gott verehrt, der in Gestalt einer fliegenden Schlange auftrat: Quetzalcoátl hieß der seines Wissens nach. Also gab es dort ein magisches Wesen, daß die Erscheinungsform für diese Gottheit geliefert haben mochte. Mit gewissem Grauen dachte er daran, daß sein Onkel ihm auch von blutigen Opferriten der Azteken erzählt hatte, um diesen Gott und den großen Hauptgott zu besänftigen. Der trommelnde Schlangenbeschwörer genoß wohl die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuschauer, um die nach seinen Takten tanzenden Flugschlangen zu dirigieren, bis er ihnen wohl in seiner Sprache befahl, hinter einem der Tore zu landen und sich dort mit zusammengelegten Schwingen zu kleinen Spiralen aufzurollen. Die golden schimmernden Schlangenaugen blieben auf den Trommler gerichtet, der nun mit sanften Trommelschlägen zu seinen schuppigen Vertrauten hinüberging. Julius sah nun auch noch acht weitere amerikanische Ureinwohner in Kostümen, die von ihrem Anführer angeleitet einen kurzen Tanz aufführten, bei dem die Luft zu flimmern begann. Julius erkannte mit dem Gespür für Zaubereien, daß die Indios oder Nachfahren der alten Azteken mit ihrem Tanz einen flirrenden Ring aus Luft und Magie erzeugten, der sich um die nun auf dem Boden ruhenden Flügelschlangen legte. Offenbar wurden diese Tiere magisch eingepfercht. Also waren sie keineswegs harmlos. Andererseits waren es auch keine Geschöpfe der schwarzen Magie. Denn diese hätten die Grenze Sardonias wohl kaum überqueren können. Denn die Skyllianri und Entomanthropen hatten Millemerveilles nicht betreten können, wußte Julius. Er wandte sich an den mexikanischen Zaubereiminister, als die Mariachis wieder losspielten. "Ich wußte gar nicht, daß es echte Wesen gibt, die Quetzalcoátl als Vorlage gedient haben. Ähm, wie halten Sie diese Wesen denn, wenn Sie damit nicht gerade bei Quidditchveranstaltungen auftreten?"

"o, Sie kennen die aztekische Götterwelt, Señor Latierre?" Fragte Piedraroja. "Das Wissen, daß es die gefiderte Schlange gibt gehört zu den ältesten Geheimnissen der mittel- und südamerikanischen Zaubererwelt. Die Priester der Azteken waren auch Magier und vermochten diese Tiere zu rufen, wenn es galt, ihre Feinde anzugreifen. Doch weil die Spanier damals auch zwei Zauberer dabei hatten, konnten diese den Ruf nach der Schlange unterbinden, zumal diese Wesen Zeit brauchen, um herbeizufliegen. Das wurde aus den Chroniken von Cortéz' Feldzug herausgestrichen, daß er vor der Einnahme Tenochtitlans, was heute unsere erhabene Hauptstadt Mexiko Stadt ist, zwanzig Soldaten im Kampf gegen ein kapitales Weibchen dieser Schlangenart verloren hat, bis die in seinem Tross mitgereisten Magier sich offenbarten und dieses Wesen mit dem tödlichen Fluch erledigten. Deshalb konnten Cortéz' Leute auch so scheinbar handstreichartig die aztekische Vorherrschaft brechen, weil diese sich von ihrem Gott verlassen fühlten. Die beiden Zauberer taten gut daran, sich möglichst rasch abzusetzen. Denn Magie gilt den Katholiken ja als Verwerflich, wie Sie ja sicher aus dem Zaubereigeschichtsbuch wissen."

"Ja, aber außer den Azteken hat doch wohl niemand gelernt, diese Schlangen zu rufen und anzuleiten", warf nun Millie ein. Hermine Granger, die dieser kurzen Unterhaltung bis dahin lauschte sprang von ihrem Sitz auf und stieß leise und hektisch aus:

"Das muß sehr schwer gewesen sein, die Einfuhrgenehmigung für die vier Exemplare von Pterophis quetzalcoátlus zu erwirken, Señor Ministre. Ich las in "Domizile der Gottheiten", daß diese Wesen knapp an der Zuteilung zu den Zauberwesen scheiterten, weil sie einen Hang zur Anthropophagie besitzen, der nur durch starke Ungierzauber unterdrückt oder durch auf diese Tiere geschulte indigene Zauberer gebändigt werden kann."

"Wie bitte?" Fragte der mexikanische Zaubereiminister, während Ron stöhnte, weil Hermine sich in Fachausdrücken verlor und Millie die Hogwarts-Schülerin mit einer gewissen Abschätzigkeit anblickte. Julius mußte grinsen.

"Sie meint wohl, daß man menschenfressende Schlangen wohl schwer halten kann und es deshalb wohl ziemlich schwer war, sie hier nach Millemerveilles hinbringen zu dürfen, Señor Ministre", übersetzte Julius Hermines Einwurf. Die ehemalige Gryffindor-Bewohnerin sah ihn erst ungehalten und dann anerkennend an. So meinte er: "Es gibt noch genug Leute, die Fachbücher lesen, Ms. Granger." Das brachte ihm bei Millie einen sichtbaren Punktgewinn ein. Denn sie strahlte ihn an und umarmte ihn sehr innig. Ron mußte grinsen, verbarg es aber schnell hinter seinen Händen, als Hermine sich nun doch etwas verdrossen abwandte und nicht abwartete, was Piedraroja auf ihre Frage antwortete.

"Ja, das war schon eine lange Verhandlung mit dem französischen Tierwesenbüro. Die Leiterin persönlich reiste an, um sich von der Sicherheit der Bändigungszauber und der Wirkung des Rings der Winde zu überzeugen, der die sonst gegen alle bewegungen hemmenden Zauber immunen Federschlangen in einem bestimmten Bereich festhalten kann. Dennoch dauerte es ein ganzes Jahr, um die Einfuhrgenehmigung für eine Paarungsgruppe zu erwirken."

"Oha, hätte uns die betreffende Beamtin gerne vorher mal sagen dürfen, wer was zu den Spielen mitbringt", grummelte Millie. "Nachher sind die Chinesen noch mit Feuerbällen da."

"Ähm, bei allem Respekt vor der Fachkompetenz Ihrer Schlangenbändiger möchte ich doch jetzt fragen, wie diese Tiere außerhalb einer Vorführung gehalten werden. Immerhin wohnen in Millemerveilles viele Kinder", wandte sich Julius noch einmal an den Minister. Dieser erwähnte große Glaskästen aus mehrere Zentimeter dickem, umzerbrechlich gezaubertem Glas und mit Ferrifortissimus bezauberten Stahlrahmen. Denn die Schlangen sollten ja nicht zur Gefahr für die Menschen werden. Gefüttert wurden sie mit Wasserschweinen und kleineren Affen, die extra mitgebracht worden waren. Das stimmte Julius nicht beruhigter, sich vorzustellen, daß eine Menge kreischender Affen in diesen Schlangen verschwanden. Andererseits war das besser, als sich vorzustellen, daß diese fliegenden Schlangen lautlos über arglose Menschen herfielen. Wenn da der Todesfluch die einzig wirksame Waffe war. Immerhin ging der bei diesen Tieren, wo es bei Drachen schon sehr schwer war, sie damit zu töten. Womöglich mußten die damaligen Zauberer diesen Biestern direkt ins offene Maul oder eines der goldenen Augen zielen, um ihnen direkt das Gehirn abzutöten. Hippolyte rief indes mit ihrer verstärkten Stimme die erste Mannschaft aufs Feld, die englische Nationalmannschaft. Die Feen strahlten noch heller als sonst schon, als sieben rote Schemen aus einer Bodenluke am linken Torraum herausschossen und mit wilden Manövern über das Stadion herumflogen: "Stoneball, Crocker, Weasley, Thornapple, Thornapple, Underhill uuuuund Wwwitfield!" Julius erkannte nun Ginny Weasley, deren Haarschopf fast die gleiche Tönung hatte wie der im Flugwind flatternde Spielerumhang. Bei Witfield handelte es sich um einen kleinen, schwarzhaarigen Zauberer mit großen, grünen Augen. Die Thornapple-Brüder waren lang und hager. Doch weil sie die für Treiber nötigen Schläger in den Händen hielten, waren sie sicher kräftig. Der Spieler namens Underhill war hochgewachsen, breitschultrig und besaß braunes, kurzgeschnittenes Haar. Sam Underhill sollte also die Torringe behüten und damit Englands Chance auf ein Weiterkommen wahren, dachte Julius. Ginny formierte sich mit Logan Crocker und der athletisch gebauten Hexe Petra Stoneball zu einem Trio. Was wußte Julius über die englischen Jäger, außer daß Ginny noch in Hogwarts zur Schule ging? Petra Stoneball gehörte zu den dienstältesten Spielerinnen. sie hatte noch die letzte Saison von Ludo Bagman mitbekommen, als sie, damals wie Ginny im letzten Schuljahr, in die Nationalmannschaft aufgenommen worden war. Crocker lag mit seinen fünfundzwanzig Lebensjahren zwischen Ginny Weasley und Petra Stoneball und war als genialer Ballverteiler bei den Tornados bekannt. Ihn wollte Julius gesondert beobachten, weil die Rolle des Ballverteilers und Abfangjägers ja seine Spezialität in Beauxbatons war. Millie, die selbst als Jägerin spielte würde sich da wohl auf die beiden Hexen im Jägertrio konzentrieren. Als der tosende Beifall für die Engländer etwas abebbte und die Mannschaft auf der linken Seite des Spielfelds landete rief Hippolyte die Mexikanische Mannschaft auf das Spielfeld: "Dominguez, Churroverde, Puebloblanco, Riofuerte, Ortega, Marinero uuund Casadorada!!" Ein lautes Tröten aus allen Trompeten aus dem mexikanischen Fan-Block übertönte fast den restlichen Jubel der mexikanischen Zuschauer, als die in grün-gold aufspielende Mannschaft aus der rechten Bodenluke herausflog und mehrere Runden über dem Stadion drehte. Die vier geflügelten Schlangen richteten sich kerzengerade auf, daß sie nur noch auf dem hinteren Achtel ihrer Körper standen und schwangen ihre gefiederten Schwingen fast so schnell wie Schmetterlinge ihre Flügel. Dann schnurrten sie wieder zu den anbefohlenen Spiralen zusammen. Ihre Wärter blickten nur auf den leicht flimmernden Wall aus bezauberter Luft, wohl eine Art feststehender Tornado ohne Wolkenbildung. Die Feen der Engländer hingegen vollführten einen wilden Wirbel, bei dem sie blutrot blinkten und eine Formation einnahmen, die den englischen Schriftzug: "Ihr fahrt nach Hause" buchstabierte. Das brachte Julius auf die Bemerkung: "Ich denke, diese Feen zu dressieren dauert länger als die Schlangen zu bändigen."

"Also langsam verstehe ich Britt, wenn sie sich beschwert, wenn irgendwelche Zaubertiere hier nach Millemerveilles reingebracht werden", grummelte Millie, die den vier Federschlangen zusah, die nun beinahe reglos in ihrer magischen Einfriedung lagen.

"Und nun, werte Damen und Herren, habe ich das Vergnügen, den Leiter der heutigen Partie begrüßen zu dürfen. Es ist der altgediente und als Schiedsrichter bereits zu hohen Anerkennenungen gekommene Anton Kesselschmidt aus Köln am Rhein." Unter rhythmischem Klatschen betrat ein gut genährter Zauberer mit blondem Haarkranz und Ziegenbart das Spielfeld. Der schwarze Schiedsrichterumhang umspannte den Bauch des altgedienten Quidditchspielers, der Julius' Recherchen nach für die Rheinland Riverraiders mehrere wichtige Tore bei Ligaspielen und als Jäger in der Nationalmannschaft geschossen hatte. Doch das war bereits zwanzig Jahre her. Da war an ihn, Julius, ja noch kein Gedanke verschwendet worden. Eine Kiste wurde herangetragen. Der Schiedsrichter gebot den Kapitänen durch eine Handbewegung, einander zu begrüßen. Crocker reichte dem stämmigen Puebloblanco die Hand. Kesselschmidt öffnete nun die Kiste und pflückte mit behandschuhter rechter den Schnatz heraus, der sofort, als der Schiedsrichter ihn losließ, über das Feld flitzte und sich wohl einen sicheren Ort zum verstecken suchte. Dann ließ er die beiden Klatscher auf und zählte den Beginn des Spieles herbei. Als er mit lautem Pfiff und einem beachtlichen Wurf den Quaffel ins Spiel brachte, waren beide Mannschaften auch schon auf den Besen und hoch über dem Feld. Julius heftete seinen Blick sofort auf Daniel Crocker, der den roten Ball gerade so vor dem Mexikaner Puebloblanco erflog und sofort auf Ginny Weasley abspielte, die scheinbar abseits des Geschehens gewartet hatte und nun in einem einzigen schnellen Manöver vor das vom baumlangen Marinero behütete Trio aus Torringen zuflog, den Wurf antäuschte und dann den scharlachroten Ball durch den linken Ring drosch. In Zehn gespielten Sekunden die ersten Zehn Punkte für England. Das brachte Julius darauf zu scherzen:

"Jede gespielte Sekunde ein Punkt. Dann kann England meinetwegen eine volle Stunde spielen." Shacklebolt lachte darüber. Millie grinste spöttisch. Harry Potter sah Julius an, während Hermine nur eingeschnappt den Kopf schüttelte. Offenbar gefiel es ihr nicht, daß da noch wer war, der mit Geistesleistungen angeben konnte. Doch das überging Julius einfach. Er kannte mittlerweile ja genug Leute, die erst meinten, wunders wie erhaben und klug zu sein und dann doch einen heftigen Ausrutscher hingelegt hatten. Das diente ihm als Warnung, nicht zu sehr auf seine Intelligenz zu setzen.

Julius' Rechnung ging nicht auf. Denn nun mauerte Mexiko so erfolgreich seinen Torraum zu, daß England immer wieder gezwungen war, den Quaffel knapp vor dem eigenen Torraum zurückholen zu müssen. Denn die Jäger der Mexikaner warfen so weit und stark ab, daß Underhill immer wieder schnelle Paraden zeigen mußte, um seine drei Ringe sauber zu halten. Die Thornapples erwiesen sich den mexikanischen Treibern als unterlegen. Immer wieder gelang es Riofuerte und Ortega, die schwarzen Bälle zu erfliegen und damit hoffnungsvolle Ansetze der englischen Jäger zu vereiteln. Einmal hätte Ginny einen Klatscher voll an den Kopf bekommen, wenn sie nicht reflexartig eine Rechtsrolle gemacht hätte. Dann stieß der Mexikaner Dominguez pfeilschnell vor und brachte den Quaffel an Underhill vorbei durch den rechten Torring. Ausgleich! Hippolyte kommentierte nur die Namen der Spieler und die Vorstöße. Immer wieder versuchten die Engländer, durch blitzartige Stellungswechsel einen Durchlaß in der mexikanischen Mauer zu finden. Doch erst als einer der Thornapple-Brüder es schaffte, Dominguez und Puebloblanco mit einem Klatscher zum Platzmachen zu zwingen, konnte die von Crocker angespielte Petra Stoneball den roten Spielball zum zweiten Tor für England abwerfen.

Ein Foul von Dominguez an Crocker wurde von Schiedsrichter Kesselschmidt mit einem Strafwurf geahndet, den Ginny schnell und ansatzlos zum dritten Tor verwandelte. Dann gelang es Puebloblanco zehn Sekunden später, Underhill erneut zu überwinden und den Rückstand auf nur noch zehn Punkte zu verringern. Danach folgte eine Minute reines Mittelfeldspiel, wobei die englischen Jäger immer wieder vor den gegen sie geschlagenen Klatschern zurückweichen mußten. Allerdings ließen sie den schnellen Puebloblanco nicht noch einmal durchstarten. Immer wenn er den Quaffel erhielt wurde er von Crocker und Stoneball gedeckt, während Ginny sich für einen Paß bereithielt. Doch auch sie wurde von mindestens einem Jäger in Schach gehalten und obendrein von beiden Klatschern umschwirrt, bis die Thornapple-Brüder wie Satelliten um sie herumflogen und die beiden schwarzen Bälle zu Marinero in den Torraum hieben. Das verschaffte England einen Raumgewinn und die Möglichkeit zum Angriff. Crocker paßte Stoneball den Quaffel zu. Diese flog vor, tat so, als wolle sie werfen und trieb Marinero dazu, ihr in den Weg zu springen. Doch in Wirklichkeit paßte sie den Quaffel zu Crocker zurück, der sofort von zwei gegnerischen Jägern angeflogen wurde. Doch sie kamen zu spät. Ginny hatte den Quaffel übernommen und diesen innerhalb derselben Sekunde durch den rechten Ring geschleudert. Die Feen strahlten noch heller und formten ein Wort: "Perderéis" was Millie mit "Ihr werdet verlieren" übersetzte. Die geflügelten Schlangen schienen nicht darauf abgerichtet zu sein, den Spielstand durch bestimmte Kunststücke zu kommentieren. Sie waren wohl nur für den Auftakt und die Begrüßung der Mannschaft dressiert worden, womöglich noch, um den Sieg ihrer Mannschaft zu unterstreichen.

"Seit wann können englische Feen spanische Wörter in den Himmel schreiben?" Fragte Julius seine Frau.

"Da fragst du besser wen aus dem englischen Tier- oder Zauberwesenbüro, Julius. Uuuiiiii!" Millie würgte sich selbst ab, weil gerade Ginny gerade noch beiden Klatschern entkam.

"Die meinen, die ist zu neu und daher spielendleicht vom Feld zu hauen", knurrte Julius. Das erkannten wohl auch die Thornapples. Sie spielten wieder Abwehrsatelliten und hielten Ginny die Klatscher solange vom Leib, bis Crocker selbst einen Toranflug Marke Brechstange ansetzte. Er schaffte es, knapp vor Marinero den Ball abzuwerfen. Doch der mexikanische Hüter riß das linke Bein hoch und trat den Quaffel wie einen Volleyschuß beim Fußball aus der Gefahrenzone heraus. Sofort hatte Dominguez das scharlachrote Rund und war auf dem Weg zu Underhilss drei Ringen. Tyrus Thornapple, der eine Viertelstunde ältere der Zwillinge, lenkte einen auf Ginny gezielten Klatscher mit wütendem Vorhandschlag auf Dominguez um. Dieser, im Rausch des Toranfluges nicht auf seine Umgebung achtend, bekam den Klatscher voll unter den linken Lungenflügel ab und stürzte zur Seite kippend nach unten. Sofort wurde er mit dem Fallbremsezauber seiner Medimagier aufgefangen. Der Schiedsrichter pfiff eine Auszeit und trieb die beiden Mannschaften zur Landung. Die Heiler kümmerten sich sofort um den angeschlagenen Spieler. Es dauerte jedoch zwei Minuten, bis Dominguez sich wieder hinstellen konnte. Er war käseweiß im Gesicht, was für die leicht braune Hauttönung seines Volkes schon was heißen mochte. Doch als Profi steckte er den Klatschertreffer offenbar gut genug weg, um mit erhobenem Daumen seine Einsatzbereitschaft zu signalisieren. Eine Minute später war die Partie wieder im vollen Gang.

Puebloblanco machte das dritte Tor für Mexiko und mußte zusehen, schnell wieder in die Hälfte seiner Mannschaft zurückzukehren. Denn Underhill katapultierte den Quaffel mit solcher Wucht aus dem Torraum, daß dieser an beiden Mannschaften vorbeisauste und an Marineros Kopf vorbei den mittleren Ring durchschlug. Die Engländer johlten begeistert. Ein Hütertor kam so selten vor, daß dieses sicher einen festen Platz in der Chronik der Quidditch-Weltmeisterschaften einnahm.

"Der hat da seine ganze Wut reingepackt", kommentierte julius dieses Tor.

"Das lassen die sich wohl nicht bieten", meinte Millie und behielt recht. Denn nun änderte Mexiko die Taktik. Statt sich hinten zusammenzurotten und jeden englischen Vorstoß zu vereiteln rückten die Jäger und Treiber nun gemeinsam vor, um sich im englischen Torraum festzusetzen. Dadurch bekamen sie zwei weitere Tore hin, bevor Crockers Mannschaft diese neue Taktik ausnutzte und von Underhill unter Dominguez und den anderen Jägern durchgepaßte Bälle unter Flankenschutz der Thornapples zum gegnerischen Torraum zu spielen und in vier der fünf folgenden Angriffsversuche durch einen der drei Ringe zu schießen.

"Als Maurer waren die besser als als Brechstangenträger", bemerkte Julius dazu, als die Mexikaner sich schnell wieder auf die Abriegeltaktik besannen.

Trotz weiterhin massiver Bedrängnis durch die Klatscher schaffte es Ginny, die mexikanische Mauer zu durchfliegen und Marinero zu einer Glanzparade zu zwingen. Dann wurde sie von Dominguez mit einem Ellenbogenstoß fast vom Besen geschleudert, was Harry Potter einen wütenden Fluch abrang. Als Stoneball den für dieses Foul fälligen Strafwurf verwandeln konnte, jubelten alle England-Fans wieder.

Durch schnelle Staffetten kamen die Mexikaner noch zu zwei weiteren Toren. Im Moment konnten sie durch Schnatzfang noch gewinnen. Da Witfield das wußte, hielt er sich sicher in der Nähe seiner Gegenspielerin Estrella Casadorada. Doch bisher war von dem kleinen goldenen Ball nichts zu sehen gewesen. Mexiko erhöhte das Tempo und rang Underhill zwei Bilderbuchparaden ab, bevor er doch einmal einen Quaffel aus einem der Ringe zurückholen mußte. England nutzte den Umstand jedoch weiter aus, daß die Treiber Mexikos die taufrische Spielerin Ginny Weasley immer wieder aufs Korn namen und trugen in den Sekunden, wo die Klatscher zu ihr hinflogen mehrere Doppelpässe aus. Julius bewunderte die Verständigung zwischen den Spielern, die durch blitzartige Handzeichen abstimmten, wer den Quaffel bekommen sollte. Dabei erkannte er rasch, daß die Mannschaft einen Gestencode ausgemacht hatte, den die Mexikaner nicht so leicht durchschauen konnten. Jedenfalls konnte Stoneball wieder zwei Tore machen, bevor die mexikanischen Treiber sich besannen, daß es nun genug war, die rothaarige Jungspielerin andauernd anzugreifen. Dafür bekam Crocker einen Klatscher vor die Brust, als er gerade einen neuen Einzelvorstoß ansetzte. Auch er kippte vom Besen und wurde von den Heilern aufgefangen und behandelt. In der Zeit versuchten die mexikanischen Fans, ihre Mannschaft durch die Stadionwelle in Schwung zu bringen. Doch die Engländer blieben stur und reglos auf ihren Sitzen, als die Welle bei ihnen ankam. Erst als Ginny ihr nun sechstes Weltmeisterschaftstor erzielte, brandete eine Stadionwelle von den englischen Fans aus durch das Stadion und übersprang die nun ihrerseits stur dasitzenden Mexikaner einfach, was Julius zum lachen brachte.

"So geht's auch", grinste er. Millie fragte, ob das nicht ungültig sei, wenn diese Wellenbewegung nicht durchgängig weitergegeben wurde.

"Da gibt es kein Gesetz. Aber eigentlich gilt eine Welle als totgelaufen, wenn sie nicht weitergereicht wird", sagte Julius. "Zumindest gilt das im Fußball so."

"Und genau das spielen wir hier ja nicht", bemerkte Millie dazu. "Auch wenn Linda Knowles was über dieses Spiel in ihre Zeitung setzen mag, weil du es ihr erklärt hast."

"Crocker wieder auf Weasley gepaßt. Weasley vor Torraum ... Besenriegel!" Dominguez und Puebloblanco hatten Ginny mit quer zu ihrer Flugbahn ausgerichteten Besenstielen am Durchkommen gehindert. Beinahe hätte Rons Schwester den oberen der beiden Stiele voll an den Hals bekommen. Bei dem Tempo hätte ihr das den Kehlkopf zertrümmern können. Das war schon als brutales Foul zu sehen und wurde dementsprechend mit einem Strafwurf geahndet, den Petra Stoneball sicher und gnadenlos durch den rechten Ring feuerte.

"Ich kapiere es, daß das kein Fußball ist. Für das Ding hätte einer der zwei sicher die rote Karte gesehen", seufzte Julius. "Aber Ginny hat geniale Reflexe entwickelt. Wo hat die denn trainiert, wenn sie noch in Hogwarts ist."

"Da hinter uns sitzt wer, den du fragen kannst", verwies Millie ihren Mann an Ron Weasley. Julius nahm diese Anregung jedoch noch nicht wahr. Denn gerade tobte über dem Feld wieder ein wildes Gerangel um den Quaffel. Die Klatscher schlugen dazwischen. Ein Weitwurf Puebloblancos führte zu einem Tor für Mexiko. Dann ging es wieder über mehrere Minuten im Mittelfeld rund. Keinem gelang der Durchbruch. Einmal foulte Stoneball Dominguez und handelte ihrer Mannschaft damit einen Strafwurf ein, den Underhill jedoch hielt. Die Feen schrillten laut und vergnügt und wirbelten wie herumkreiselnde Leuchtkugeln durcheinander.

Mexiko schaffte es durch einen schnellen Doppelschlag, den Rückstand etwas erträglicher zu machen. Danach folgte ein offener Schlagabtausch, bei dem England acht und Mexiko sieben Tore erzielte. Immer noch war für beide der Sieg und damit der Verbleib im Turnier möglich.

Das Spiel ging in die zweite Stunde. Der aktuelle Spielstand lautete 800 Punkte für England und 700 Punkte für Mexiko als Casadorada sich in die Tiefe stürzte. Witfield blieb jedoch auf seiner Flughöhe, bis er ansatzlos nach links lospreshte, sich mit einer schnellen Rolle linksherum unter einem Klatscher durchmogelte und dann im pfeilgeraden Vorstoß flach nach unten brauste. Als Casadorada merkte, daß der gegnerische Sucher ihr nicht auf dem Besenschweif folgte brach sie den Sturzflug ab und blickte sich um. Sofort erkannte sie, daß sie den ungünstigsten Zeitpunkt für einen Wronsky-Bluff gewählt hatte und beschleunigte ihren Besen. Doch die Thornapples hatten aufgepaßt und verlegten ihr den Weg mit beiden Klatschern. Das kostete sie genau die fünf Sekunden, die Witfield brauchte, um einen neben Dominguez glitzernden Punkt zu erreichen. Der mexikanische Jäger warf sich nach links, um den Schnatz aus der Bahn zu treiben. Doch da packte Witfield bereits zu und riß den Schnatz an sich. Die Feen wurden zu einer Lichtfontäne aus Gold, Rot, Blau und weiß. Die Luft im Stadion erzitterte sichtbar unter dem aus zigtausend Kehlen schallenden Freudenschrei der England-Fans. Witfield vollführte wellenförmige Flugbahnen im Springfeldstiel. Der lange Pfiff des Schiedsrichters ging hoffnungslos im Jubel der Fans unter. Die Mariachis schafften es nur, ihren Trompeten und Fideln ein klagendes Wimmern abzuringen. Jetzt begannen die England-Fans zu singen: "Super, Mexiko ist Raus, ist raus, ist raus. Fahrt mal schön wieder nach Haus', nach Haus', nach Haus'!"

"Hätte auch anders ausgehen können", sagte Millie. "Die kleine Casadorada hatte den Schnatz nämlich schon angepeilt. Die wollte Witfield nur zum Abstürzen bringen, um alle Zeit zu haben, den Schnatz zu fangen. Hat aber nicht geklappt."

"Die die weiteste Reise haben müssen am ffrühesten gehen", lamentierte Piedaroja sichtlich enttäuscht. Julius hätte ihm fast gesagt, daß die Australier noch spielen mußten und diese sicher nicht so schnell nach Hause geschickt würden. Doch das übernahm Shacklebolt:

"Nun, die weiteste Reise mußten sie ja nicht machen, Andrés. Und daß England in die nächste Runde kommt liegt wohl nur daran, daß unser Sucher sich nur auf den Schnatz und nicht auf Flugmanöver des gegnerischen Suchers besinnt. Das hätte Ihre Sucherin beachten müssen. Dann hätte sie den Schnatz womöglich erflogen. Aber sie hat es nicht."

"Que lastima", seufzte Piedraroja. "Qué mala suerte." Dann sprach er wieder Englisch mit Shacklebolt: "Wir bewerben uns um die kommende Weltmeisterschaft. Bis dahin sind wir unschlagbar. Adios Kingsley. Ich wünsche Ihnen und Ihren Mannschaften zumindest noch vergnügliche Tage in diesem herrlichen Land."

"Die USA sind doch noch dabei, Andrés", sagte Señora Piedraroja. Ihr Mann verzog darüber das Gesicht. Offenbar hatten sie auch Karten oder Einladungen für die Spiele der US-Mannschaft. Nur ohne Mexiko war das wohl für Piedraroja ein schwacher Trost. Zumindest beeilten sich die Mexikaner, nicht nur die Ehrenloge, sondern auch den allgemeinen Tribünenbereich zu verlassen. Als Shacklebolt sich zu Arthur Weasley umwandte sagte er: "Ich hoffe, die Betreuer lassen Sie zu Ihrer Tochter hin, Arthur. Bitte richten Sie ihr meine herzlichsten Glückwünsche für diesen grandiosen Auftakt aus!" Mrs. Molly Weasley tupfte sich derweil die Augen trocken. Sie wirkte bleich und ausgezehrt, als habe sie das ganze Spiel durchspielen müssen. Julius ahnte, daß sie immer um die Unversehrtheit ihrer Tochter gebangt hatte.

"Nun, ich hoffe, unsere Tochter wird in den nächsten Spielen nicht so heftig bedrängt wie in diesem", sagte Arthur Weasley. Dann winkte er seinem jüngsten Sohn und dessen Freunden zu. Julius wartete mit seiner Frau und dem britischen Zaubereiminister ab. Er sah, wie die Feen unter jubelgezwitscher aus dem Stadion hinausschwirrten und verfolgte mit gewisser Angespanntheit mit, wie die vier geflügelten Schlangen von ihren Wärtern in vier hereingetragene Superterrarien gelotst wurden, die von je einem Dutzend Besenfliegern mit starken Ketten getragen wurden.

"Wird Babs sicher beruhigen, diese Tiere schon morgen nicht mehr im Land haben zu müssen", sagte Hippolyte, nachdem sie ihre Stimme wieder auf Normallautstärke heruntergezaubert hatte. "Sie wollte mir das überhaupt nicht sagen, ob die Mexikaner wirklich diese mit großer Vorsicht zu genießenden Wesen mitbringen würden. Unnötiges Imponiergehabe, wie sich jetzt herausstellt."

"Muß ich da noch mal runter, um die Zuschauer zu verabschieden?" Fragte Millie ihre Mutter.

"Nein, das ist diesmal nicht nötig. Die wissen schon, wo sie hin müssen. Ich kläre das noch mit den Portschlüsselwärtern, daß die ersten Mexiko-Portschlüssel schon in zwei Stunden abgehen. Das kann dann wer anderes von den Spanisch sprechenden Sicherheitszauberern machen, Mildrid. Kümmert euch besser um eure Gäste!"

"War auf jeden Fall ein tolles Spiel", sagte Julius.

"Das geht ja morgen weiter. Du holst die Thorntails-Abordnung ab und bringst sie zum vereinbarten Lagerplatz. "

"Ja, Danke, Madame Latierre", antwortete Julius. Dann wandte er sich an Shacklebolt: "Könnte sein, daß ich Sie morgen Abend dann wieder sehe, Sir."

"Wollen wir hoffen, daß Irland auch weiterkommt. Immerhin sind die Iren ja Titelverteidiger", sagte der britische Zaubereiminister voller Stolz. Dann winkte ihm ein Zauberer aus seinem mitgereisten Gefolge. Er nickte den verbliebenen zu und verließ die Ehrenloge.

"Da werden wir wohl gleich von Britt was zu hören kriegen, wenn die auf einer der Tribünen war", sagte Millie zu Julius, während sie den langen Gang zurück zum Eingang antraten.

"Ich habe mich zu sehr auf das Spiel konzentriert. Wenn Brittany eine Karte für dieses Spiel bekommen hat, dann habe ich sie nicht gesehen."

Brittany hatte keine Karte für das Spiel Mexikos gekauft. Das erfuhren die Latierres, Pina und gloria, als sie eine Viertelstunde später vor dem Apfelhaus zusammentrafen. Als Brittany erfuhr, welche Wesen die Mexikaner mitgebracht hatten verzog sie nur das Gesicht.

"Dann hatte Lino wieder mal richtig mitgehört. Die kam nämlich mit der Schlagzeile raus "Menschenfresser als Maskottchen für Mexiko". Da habe ich mich mit der werten Madame Barbara Latierre heute morgen auch schon drüber unterhalten. Sie hat sich zwar eher kühl und unverhandelbar gegeben, mir aber in einigen Punkten doch zugestimmt, daß nämlich sensible oder superstarke Tierwesen kaum als Massenunterhaltungsprodukte herhalten dürfen. Allerdings sei es jahrhunderte alte Tradition, daß vor internationalen Quidditchspielen magische Wesen auftreten, und sie wolle und dürfe diese Tradition nicht in Frage stellen. Es gebe halt nur Sicherheitsrichtlinien, wie hochgradig gefährliche Tierwesen vor Spielen zu führen seien und wo sie zwischen den Spielen zu halten sind. Zumindest hat sie durchgesetzt, daß die geflügelten Schlangen in gesicherten Glaskäfigen gehalten werden, wo die Nachfahren der aztekischen Zauberpriester die auch locker in diesen reinen Windringen oder gar im Glauben an den magisch auferlegten Gehorsam frei herumfliegen lassen. Die weinen ihrer großen Vergangenheit noch viele Tränen nach, wo der Zauberpriester, der so ein Monstrum rufen und auf seine Feinde hetzen konnte, selbst schon wie ein Gott verehrt wurde. Ich will euch nicht die Nachtruhe verderben, wenn ich euch erzähle, wie die alten Azteken ihre Götter besänftigt haben. Gut, das rechtfertigt nicht die Brutalität der Conquistadores, die dieses Volk niedergemacht haben. Aber in der Zeit hätte ich auch nicht leben wollen." Julius mentiloquierte ihr, was er von diesen Riten gehört hatte und bekam ein "Nicht gerade menschenfreundlich" unter seine Schädeldecke zurückgepflanzt. "Immerhin sind Madame Barbara Latierre und ich uns dahingehend einig geworden, daß wir beide nicht vorschreiben können, wer welche Tierwesen mitbringt und sie nur dann ablehnen kann, wenn die von ihr selbst geprüften Haltungsmaßnahmen die Sicherheit der Zuschauer und Besucher gefährdet. Da hätte ich fast wieder mit ihr wegen Bob Bigfoot Krach bekommen, weil ich fand, daß der in einem zu engen Holzkasten gefangengehalten wird. Doch sie meinte sofort, daß sie den Großfuß eingehend besichtigt habe und von ihrer Seite her keine Anzeichen hätte erkennen können, daß man Bob mit Beruhigungs- oder Fügsamkeitsmitteln zusetzen würde, um ihn zu transportieren. Na ja, Vielleicht darf Mr. Lightningflash seinen Vorführgroßfuß morgen auch schon wieder mit nach Hause nehmen."

"Ey, Britt, das meinst du nicht ernst. Wenn unsere Leute bei diesem Spiel schon mitmachen, obwohl es in den Staaten keine rechte Fangemeinde für gibt, dann sollen die zumindest die erste Runde überstehen. Du lamentierst doch immer, daß die Gildfork für dieses Spiel mehr Geld von der Quodpotliga abzweigen ließ als nötig war. Dann soll sich das auch lohnen", ereiferte sich Linus.

"Ich hab's dir und Venus und anderen gesagt, daß es interessant sei, sich dieses Spiel einmal anzusehen und es schön wäre, wenn Amerika dabei gut aussähe. Aber ich habe auch gesagt, daß es mich nicht todtraurig macht, wenn unsere Mannschaft nicht ins Finale kommt, weil das eine reine Zeit- und Kraftverschwendung wäre, wo denen bei uns zu Hause keiner recht zujubeln würde. Die Mexikaner sind da anders drauf. Die wollten unbedingt ins Finale. Bei denen ist jetzt Staatstrauer angesagt, trotz mitgeführter Götterschlangen", feixte Brittany. Gloria fragte noch einmal, wie Hermine Granger das Spiel verfolgt hatte. Julius konnte dazu nicht viel sagen. Doch wie er ihre Anfrage bezüglich der Einfuhr der geflügelten Schlangen übersetzt hatte erwähnte er noch einmal.

"Schön, da hat die mal gemerkt, daß nicht nur sie in Fachbegriffen reden kann. War ja auch sehr leichtsinnig, wo deine Eltern mit den Naturwissenschaften und den damit verbundenen Fachbegriffen zu tun haben."

"Na ja, mein Vater war Chemiker und hatte es nicht so mit der Tierkunde. Aber diverse Fachbegriffe durfte ich mir im Rahmen des Unterrichts Pflege magischer Geschöpfe aneignen", erwiderte Julius. In Gedanken fügte er hinzu, daß er dies vor allem in den drei heftigsten Monaten seines bisherigen Lebens hatte tun können.

"Jedenfalls sind die Mexikaner und ihre Flügelschlangen jetzt aus diesem Turnier raus", sagte Linus. "Ich habe mir ein ausgestopftes Exemplar davon angesehen. Die lebendig und direkt vor mir möchte ich nicht erleben. Da sollen ja die Basilisken relativ klein gegen sein."

"Ja, aber wesentlich gefährlicher", wußte Julius. Pina nickte. Zwar waren beide erst nach den Ereignissen um die Kammer des Schreckens nach Hogwarts gekommen. Doch was dort passiert war hatten sie von verschiedenen Seiten mitbekommen.

So vertrieben sich die Latierres und ihre Hausgäste den Abend noch mit Essen und Plaudern. Gegen zwölf Uhr zogen sich alle in ihre Betten zurück. Als Julius neben seiner Frau im Bett lag und die schalldichten Vorhänge zugezogen hatte wandte sich Millie an ihn:

"du hast ja gefühlt, daß die achso wunderhübsche Fleur Weasley heute eine besondere Ausstrahlung hatte. Ich dachte, die wollte mich mit Gewalt wegjagen, obwohl sie keinen Ton darüber gesagt hat. So heftig hat mich deren vermaledeite Veela-Aura noch nie angenervt. Dann hat die ihre Ausstrahlung zurückgenommen. Aber ich bin mir sicher, die kriegt im nächsten Jahr auch was kleines."

"Ups, wie kommst du darauf. Die sah nicht schwanger aus. Aber ich habe sowas gefühlt, als strotze sie vor Lebensfreude und Tatendrang und Lebendigkeit", gestand Julius.

"Ja, dann paßt es. Die werte Léto hat auf eine direkte Frage von mir gesagt, daß reinrassige Veelas von den sonst so unauffälligen Männchen empfangene Kinder zwischen zweihundertsechzig und dreihundertfünfzig Wochen in sich liegen haben, weil die Veelas so schon sehr sehr lange leben können, so an die sechshundert Jahre. Allerdings habe sie ihre Tochter Apolline nur drei Jahre ausgetragen. Apolline habe dann noch fünfzehn Monate mit Fleur und Gabrielle unter ihrem Umhang herumlaufen dürfen. Könnte sein, daß Fleur nun ein Jahr braucht, um Bill Weasley das erste gemeinsame Kind vorzustellen. Jedenfalls könnte diese gegen Mädchen wirkende Abwehraura bedeuten, daß sie gerade Mutter wird und keine Konkurrentin in der Nähe ihres Mannes duldet, der ja auf sie aufpassen soll. Ihr Jungs kriegt dann mit, daß sie gerade sehr viel Erfolg hatte oder sowas."

"das war, wo ich diese Nummer mit der Selbstverflüssigung versiebt habe", sagte Julius. Millie bejahte es. "Hui, fast sieben Jahre schwanger. Das muß für eine Veela doch die Hölle auf Erden sein."

"Kommt darauf an, wie das abläuft. Womöglich sind die Auswirkungen bei Veelas nicht so heftig wie bei Menschen. Womöglich merken die es erst im fünften Jahr, daß da wer neues ankommt oder so. Aber das gilt eben nur bei reinrassigen Veelas."

"Ich kann mich nicht erinnern, daß du mir das erzählt hast, wo dich das Thema doch so interessiert", erinnerte sich Julius.

"Stimmt, das habe ich weggelassen, weil mir wichtiger war, daß du aus diesem Streckverband wieder rauskamst. Dann habe ich das erstmal abgehakt, weil wir in der Schule so viel um die Ohren hatten. Aber jetzt, wo Fleur uns mit ihrer besonderen Ausstrahlung berieselt hat, ist mir das wieder eingefallen, was uns ihre Oma damals erzählt hat."

"Hmm, das paßt mit dem Gesicht von Bill Weasley zusammen, als seine Frau ihre Ausstrahlung verringert hat. Der wirkte zwar angespannt, aber auch erfreut. Der wußte es also schon", vermutete Julius.

"Wird ihn wohl eine gewisse Anregung bieten, mit einer besonderen Ehefrau zusammenzuleben."

"Aber Gabrielle wuchs doch normal schnell auf. Ich meine, die habe ich beim Trimagischen als achtjähriges Mädchen gesehen und dann eben bis zur Einschulung in Beauxbatons immer mal wieder."

"Weil sie eine Viertel-Veela ist. Womöglich bekam sie durch die Zeit im Mutterleib eben mehr Veela-Blut ab und wuchs dort nicht so schnell heran. Aber spätestens nach dem Abstillen konnten sich ihre menschlichen Anteile entfalten."

"Man lernt doch jeden Tag was neues", erkannte Julius. Dann merkte er, daß das Gespräch Millie in eine ganz bestimmte Stimmung versetzt haben mußte. Gegen diesen Stimmungswandel hatte er absolut nichts einzuwenden. So dauerte es noch eine geraume Zeit, bis die beiden müde genug waren, um dem nächsten Morgen entgegenzuschlummern.

__________

"Paß nur auf, wenn Ivy bei den Thornys ist, Julius. Die sieht bereits verbandelte Jungen als lohnendes Ziel für ihre sogenannten Charmeoffensiven!" Gab Brittany Julius am Morgen noch mit. Doch Julius grinste nur. Was wollte diese Ivy ihm noch bieten, was er von Millie nicht längst bekommen hatte oder noch kriegen würde? so trat er seinen Morgendienst an. Allerdings mußte er hierzu nicht zu einer Portschlüssel-Ankunftsstelle hin, sondern zum Landeplatz der Luftschiffe. Dort traf er eine Menge mexikanischer Besucher, die die Gunst nutzen wollten, mit den beiden Luftschiffen zurück nach Amerika zu reisen. Zu seiner Erleichterung konnten genug Besucher Englisch, so daß Julius sich mit ihnen bis zur Ankunft des nächsten Luftschiffes unterhalten konnte. Sie hörten ihm zwar den Briten an, waren ihm aber nicht böse, daß seine Mannschaft gewonnen hatte. Es hatte sich bei den Fans herumgesprochen, daß Casadoradas versuchtes Ablenkungsmanöver wahrhaftig das dümmste war, was sie bei Sichtung des Schnatzes hatte anwenden können. Wäre sie in eine andere Richtung losgeflogen, hätte sie Witfield vielleicht hinter sich herlocken können. Aber einen Sturzflug zu machen roch förmlich nach Wronsky-Bluff. Daß sie dadurch wertvolle Sekunden verschenkt hatte war bereits Bestandteil eines Artikels in der mexikanischen Zaubererweltpresse. Womöglich war für die Sucherin die Quidditchkarriere damit schon erledigt. Im Fußball passierte das sehr schnell, wußte Julius. Er erinnerte sich auch noch an jenen Vorfall, wo ein kolumbianischer Spiler ein Eigentor verschuldet hatte und seine Mannschaft durch dieses eine Tor das Spiel und den Verbleib in der Weltmeisterschaft 1990 verlor. Dieser Spieler war später von Killern eines Drogenkartells erschossen worden, das wohl viel Geld verloren hatte, weil es auf ein Weiterkommen Kolumbiens gewettet hatte. Er konnte nur hoffen, daß Casadorada dieses üble Ende erspart bleiben würde. Offen darüber sprechen wollte er jedoch besser nicht. Nachher brachte er noch wen auf solche Ideen.

Eines der beiden Luftschiffe, die den Pendeldienst zwischen Millemerveilles und Viento del Sol betrieben schwebte langsam vom osten her an. Es sank bis auf die ausreichende Höhe, um die Leiter auszufahren. Einer der Piloten arbeitete auch als Schaffner und kontrollierte die Flugkarten der Passagiere. Julius staunte einmal mehr, wie viele Menschen in dieses magische Luftfahrzeug hineinpaßten. Knapp zweihundert Fans aus Mexiko verschwanden in der Gondel des Überschall-Zeppelins. Blieben nur noch an die hundert. Diese wurden fünf Minuten nach dem Start des ersten Luftschiffes mit dem zweiten abtransportiert. Also kamen die Leute aus Thorntails nicht mit einem der schnelleren Luftschiffe an. Erst zehn Minuten nach dem Start des zweiten Überschall-Zeppelins konnte Julius ein flirren am Himmel sehen, aus dem sich ein bronzefarbenes Luftschiff herausschälte, das völlig geräuschlos auf den Landepunkt zusteuerte, dabei saft sank und schließlich am Ankermast festmachte. Auf der Steuerbord- und Backbordseite konnte Julius je einen goldenen Drachen mit aufgerolltem Schwanz sehen. Der Drachenschwanz lief in fünf dornigen Zacken aus. Das war das Wappen von Thorntails. Dann fuhr die Leiter aus und berührte den Boden. Als erster entstieg ein hühnenhafter, blonder Zauberer dem Luftfahrzeug. Julius erinnerte sich, ihn als Professor Ares Bullhorn kennengelernt zu haben, als er für wenige Stunden in der Thorntails-Akademie gewesen war. Bullhorn folgte die kleine, untersetzte, weißhaarige Prinzipalin Ernestine Wright. Als sie sah, wer sie willkommen hieß, umspielte ihren Mund ein erkennendes Lächeln. Dann entstiegen an die achtzig Jungen und Mädchen in unterschiedlichen Umhängen dem Luftschiff. Den Abschluß bildete eine Hexe in weißer Krankenschwesterntracht, die eine große weiße Tasche mit dem internationalen Zeichen für magische Heilkunst trug. Auch diese erkannte Julius sofort wieder. Denn er hatte sie ja zuletzt bei Brittanys Hochzeit wiedergesehen. Davor war sie einmal herbeigerufen worden, um seiner Mutter die üble Wirkung magischer Cocktails auszutreiben. Die einprägsamste Erinnerung verband er jedoch mit dem beinahe tödlich verlaufenden Erlebnis mit der Abgrundstochter Hallitti. Hygia Merryweather erkannte Julius auch und strahlte ihn an.

"Im Namen des französischen Zaubereiministeriums und insbesondere den Unterabteilungen für magische Spiele und Sportarten und internationaler magischer Zusammenarbeit heiße ich Sie alle recht herzlich in Millemerveilles willkommen. Mein Name ist Julius Latierre und ich freue mich sehr, Ihnen als ortskundiger Besucherbetreuer zur Verfügung zu stehen", spulte Julius die bereits gut sitzende Begrüßungsansprache ab. Die meisten Jungen und Mädchen kicherten verlegen bis albern, als er ganz förmlich sprach. Doch ein strenger Blick der Schulleiterin ließ sie alle verstummen und in erwartungsvolle Haltung verfallen. Dann trat Prinzipalin Wright vor und sagte:

"Im Namen der Thorntails-Akademie für nordamerikanische Hexen und Zauberer bedanke ich, Prinzipalin Ernestine Wright, mich für die freundliche Begrüßung und versichere Ihnen sehr gerne, wie sehr wir uns freuen, früh genug vor dem Eröffnungsspiel unserer Nationalmannschaft anreisen zu können. Sicher war die Reise schon recht lang und wir möchten zunächst den Ortszeitanpassungstrank einnehmen, bevor wir unsere zugewiesenen Lagerplätze beziehen. Doch zunächst möchte ich fragen, wo wir unser Luftfahrzeug abstellen können."

"Ich habe hier den Lageplan für die fünf Überseeluftschiffe, die hier landen und starten können, erwiderte Julius. "Falls Sie es wünschen kann ich Ihrem Piloten den Liegeplatz benennen."

"Das wäre dann wohl ich", sagte Bullhorn. "Wir kennen uns ja von irgendwann her", sagte der Zauberkunstlehrer, der in Thorntails noch Verteidigung gegen dunkle Künste gab. Julius nickte ihm zu und zeigte ihm den Liegeplatz für das Luftschiff. Bullhorn fragte ihn und seine Vorgesetzte dann noch, ob er sich "diesen jungen Mann" kurz ausborgen dürfe, um sich von ihm hinführen zu lassen. Prinzipalin Wright genehmigte es. So kletterten Julius und Ares Bullhorn wieder zurück in den Zeppelin, während Prinzipalin Wright und Madam Merryweather die Schüler instruierten, wie sie nachher gemeinsam zum Lagerplatz fligen sollten. In der gläsernen Kanzel des magischen Luftschiffes sagte Bullhorn: "Wundern Sie sich nicht, wenn ich keinen Hebel oder so etwas anffassen muß. Sie brauchen mir nur Richtungs- und Zielanweisungen zu geben." Er setzte sich in einen von zwei hochlehnigen Stühlen und klappte die Kopfstütze zu einer Wangen und Stirn komplett verhüllenden Metallkapuze um. Julius kannte das jedoch schon und antwortete:

"Ich durfte bei der Einweihung der Überschall-Direktverbindung beim Start in der Kanzel sitzen und auf Reiseflughöhe kurz erfahren, wie die Steuerung funktioniert. Richten sie sich nach seemännischen Begriffen oder nach üblichen Richtungsanweisungen, Sir?"

"Wenn Sie meinen, daß ich Backbord mit Links gleichsetzen kann kann ich mit seemännischen Begriffen gut leben", sagte Bullhorn. Dann konzentrierte er sich wohl. Aus dem Bauch des Luftschiffes erklang ein leises Schaben und Rumpeln. Dann erklang ein leises Summen in der Gondel. Das Luftschiff stieg nach oben. Julius sagte ruhig und nicht mit zu übertriebenem Befehlston die Richtungen an. "Erst voraus! - fünfundvierzig Grad Backbord! - Weiter voraus! - Jetzt zwanzig Grad Steuerbord! - Sinkflug einleiten! - Langsamer! Jetzt landen!" Ganz präzise glitt das Thorntails-Luftschiff zwischen ein wolkenweißes Luftschiff und ein wasserblaues Luftschiff, das von Privatleuten aus Südamerika hergefahren worden war und ging vor Anker.

"Dann müssen wir jetzt den ganzen Weg zurück fliegen?" Fragte Bullhorn, nachdem er die Steuerungskapuze abgenommen hatte.

"Vor allem habe ich kein Gepäck bei Ihren Mitreisenden gesehen. Ist das noch an Bord?" Fragte Julius.

"Ja, ist es. Aber es kann per Verschickungszauber direkt an den Zielpunkt gebracht werden. Teleportationszauber sind ja von der magischen Kuppel unabhängig, solange keine Lebewesen einbezogen sind."

"Das stimmt, Sir. Wir können aber auch schon zum Landeplatz zurückapparieren. Der liegt nämlich schon innerhalb der magischen Glocke. Innerhalb davon kann beliebig appariert werden."

"Oh, das ist aber nicht gerade gut, wenn unsere Jungs und Mädels das mitbekommen. Die denken, sie müßten auf Besen fliegen. Wir haben mindestens zwanzig lizenzierte Apparatoren bei uns."

"Hmm, ich will Ihnen nicht in Ihre Autorität reinfuhrwerken, Sir. Aber wenn Ihre Schüler nicht zwischen den Spielen am Lagerplatz Stubenarrest haben kriegen die es sofort mit, wenn jemand appariert. Das spricht sich dann natürlich sofort herum. Dann können wir das gleich in kontrollierter Weise bekanntmachen, bevor wer meint, aus der Kuppel herausdisapparieren zu können. Das geht nämlich nicht", sagte Julius. Dann drehte er sich auf der Stelle und war verschwunden, womit er dem Piloten und begleitendem Lehrer jede weitere Erwiderung vereitelte.

Keine fünf Sekunden nach Julius erschien Bullhorn leicht ungehalten dreinschauend am ersten Landeplatz. Die Jungen und Mädchen staunten immer noch, wie leise Julius appariert war. Prinzipalin Wright wirkte darüber nicht so erfreut. Doch als Julius ihr mit einem kurzen Blick bedeutete, das zu erklären überließ sie es ihm, zu sprechen.

"Also, wie Sie alle sehen konnten ist es innerhalb der magischen Glocke, die Millemerveilles gegen bösartige Wesen und Muggel abschirmt möglich, zu disapparieren und zu reapparieren. Allerdings nur innerhalb der Kuppel. Von außen nach innen geht nicht. Und von innen nach außen geht auch nicht. Das merken Sie sich am besten als Grundregel, wenn Sie keine üblen Überraschungen erleben wollen. Für alle die unter Ihnen, die bereits die Apparierlizenz haben gelten die üblichen Apparitionsregeln zuzüglich der in Millemerveilles gültigen Regel, zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens nicht innerhalb weniger Meter zwischen Start- und Zielpunkt zu apparieren und nach möglichkeit nur einmal von einem bestimmten Ort zu disapparieren, da die dabei anfallenden Begleitgeräusche als Ruhestörung empfunden werden können. Weitere Verhaltensregeln händige ich Ihrer Schulleiterin aus, wenn wir alle am vorgebuchten Lagerplatz angekommen sind. Wie Professor Bullhorn mir gerade erläuterte, liegt ihr Gepäck noch im Luftschiff. Falls Sie auf Besen zum Lagerplatz reisen möchten sollten Sie diese nun herausholen. Andererseits besteht die Möglichkeit, gratis verkehrende Flugkutschen zu benutzen. Allerdings sind diese je nach gegenwärtiger Benutzung schneller oder langsamer hier. Wie machen wir es?"

"Alle die Besen ausladen!" Befahl Prinzipalin Wright. Bullhorn nickte und zog einen waagerechten Kreis mit seinem Zauberstab. Dann schien er total geistesabwesend zu werden. Mit einem lauten Knall erschienen mehrere dutzende zusammengebundene Flugbesen. Jeder sollte nun seinen oder ihren Besen besteigen. Julius holte seinen Ganymed 10 hinter dem Ankermast hervor und saß auf. Dann führte er die Abordnung aus Thorntails zum vorgebuchten Lagerplatz. Dort erlebte er noch eine Überraschung. Bullhorn apportierte mehrere eingeschrumpfte Varanca-Reisehäuser und entschrumpfte diese. Dann kommandierte er die männlichen Mitglieder der Schülergruppe in die beiden linken häuser. Madam Merryweather kommandierte die weiblichen Mitglieder der Schülergruppe in die beiden Häuser rechts daneben. Dann zogen Wright und Bullhorn aus dem Nichts heraus eine Ziegelsteinmauer hoch, die genau zwischen den zwei Häuserpaaren zum stehen kam. Julius wunderte sich, warum diese Maßnahme nötig war. Wenn schon nach Geschlecht getrennt wurde, dann reichten die abschließbaren Türen doch völlig aus. Doch es war nicht seine Aufgabe, diese Maßnahme zu kritisieren. Er hatte damit zu tun, die nun aufkommenden Fragen nach den interessantesten Plätzen und Einrichtungen zu beantworten. Er erfuhr dabei, daß bis auf wenige Ausnahmen alles muggelstämmige Schülerinnen und Schüler mitgereist waren. Vor allem war er innerlich zufrieden, daß keine Durecores dabei waren, die in Thorntails denselben Ruf wie Slytherin in Hogwarts besaßen. Abschließend zeigte Julius den Besuchern aus Thorntails die Stadien. Im Weststadion würde morgen Früh ja das Spiel USA gegen Kenia stattfinden.

Da er den Nachmittag Dienstfrei hatte verbrachte er diesen mit seiner Frau und den Hausgästen im weitläufigen Garten. Pina durfte von Julius' Geräteschuppen aus ihrem Onkel Ryan eine E-Mail schicken.

Am Abend versah Julius einen kurzen Dienst als einlasser im Hauptstadion, wobei ihm Laurentine Hellersdorf half, die die Gäste aus Österreich zu ihren Plätzen schickte.

"Das wird lustig, wenn die Ösis heute weiterkommen sollten", sagte Laurentine. "Die Iren sind ja jetzt schon angeschickert." Julius mußte ihr da zustimmen. Viele Irland-Fans hatten wohl schon Whisky und Bier in sich hineingeschüttet, um sich in brauchbare Stimmung zu trinken.

"So, die letzten angemeldeten Besucher sind drin. Mach zu!" Sagte Julius und sah, wie Laurentine das Tor verschloß. "Stimmt das, daß die Karte hier für die Ehrenloge berechtigt?" Fragte Laurentine und zeigte Julius ihre zum Honorar beigefügte Eintrittskarte. Julius prüfte sie und nickte. "Meine Schwiegermutter meint es sehr gut mit uns. Du darfst den österreichischen Zaubereiminister aus der Nähe sehen, falls er kommt."

"Rosshufler? Der war in seiner Jugend Jäger im Haus Sonnengold in Greifennest. Der nimmt jedes Länderspiel mit, wo es geht", sagte Laurentine. "Zumindest habe ich das von den österreichischen Leuten aus Greifennest."

"Dann triffst du den wohl gleich", sagte Julius zuversichtlich.

Als er mit Laurentine in der Ehrenloge ankam begrüßte Hippolyte die beiden recht herzlich. Laurentine wurde zu einem Platz geschickt, wo sie wohl in der Nähe der österreichischen Gruppe sitzen durfte. Julius setzte sich wieder zwischen Millie und seine Schwiegermutter.

"Noch so Almjodler", meinte Laurentine mit einem gewissen Spott, als sie ein Meer von Kuhglocken und lautstarken Jodlern hörte.

"Na, Sie werden mir doch nicht abschätzig über unsere Gäste sprechen, Mademoiselle Hellersdorf", lachte Hippolyte Latierre. "Ich bin nicht darüber im Bilde, ob einer der Ehrengäste des heutigen Abends Französisch beherrscht. Nicht, daß der nachher beleidigt ist."

"Höchstens, wenn Irland seine Mannschaft in die hohen Berge zurückschickt", meinte Julius.

"Das sag dem besser auch nicht, Julius."

Dann kamen sie auch an, die Ehrengäste des österreichischen Zaubereiministers, darunter eine fünfköpfige Familie. Als dann mit behäbigem Gang ein noch recht jung aussehender Zauberer mit dunkelblondem Haar und Spitzbart in alpenländischer Lederkluft hereinkam standen die österreichischen Ehrenlogenbesucher auf und begrüßten ihn. Julius erkannte die Ähnlichkeit zwischen dem österreichischen Zaubereiminister und Joseph Rosshufler, den er am vorigen Samstag gesehen hatte. Ja, das waren eindeutig Vater und Sohn. Die Frau des österreichischen Zaubereiministers war eine recht kleine, kugelrunde Dame mit flachsblonder Dauerwelle. Sie trug ein rot-weißes Rüschenkleid. Hippolyte Latierre begrüßte den Minister aus Österreich, während Julius erkannte, wie Maureen Finnigan zusammen mit Minister Shacklebolt die Treppe zur Ehrenloge heraufkam. Dann wurde seine Aufmerksamkeit auf den österreichischen Zaubereiminister gelenkt. "Herr Rosshufler, das ist Monsieur Julius Latierre, der meiner zweiten Tochter die Ehre gemacht hat, sie zur Frau zu nehmen", hörte er Hippolyte auf Französisch sagen. Dann mochte der Minister aus der Alpenrepublik diese Sprache auch sprechen.

"Ich grüße Sie, junger Mann. Beauxbatons ernährt seine Schüler offenbar recht zünftig, hat mir mein Filius bereits per Eule mitgeteilt. Er wollte ja unbedingt bei seinen Kameraden sein und nicht die repräsentativen Veranstaltungen seines alten Herrn mitmachen", anttwortete Rosshufler mit leichtem Akzent. Julius hatte bisher keine Österreicher Französisch sprechen hören. Doch es klang irgendwie lustig. Doch das mußte er sehr gut unterdrücken. So sagte er rasch:

"Nein, verhungern tun wir nicht, und lernen können wir auch eine Menge. Ich durfte Ihren Herrn Sohn ja schon sehen und auch seine Schulkameraden. Greifennest läßt seine Schüler auch groß und stark werden."

"Manchmal zu stark", grummelte Rosshufler, bevor ihm klar wurde, daß er ja in der Öffentlichkeit auftrat und daher als Vorbild zu dienen hatte. Er übersetzte schnell für seine Frau, was gesagt worden war. Offenbar konnte sie kein Französisch. Dann traf Minister Shacklebolt mit irischem Gefolge ein. Die beiden Amtsträger begrüßten einander auf Englisch, daß wohl auch Frau Rosshufler konnte. Der britische Zaubereiminister schüttelte danach Hippolyte Latierre die Hand und begrüßte dann Mildrid und Julius. Weitere Ehrenlogenbesucher füllten die Loge bis zum letzten Platz aus. Dann ging es los.

Zunächst wurden die irischen Maskottchen vorgestellt. Wie bei der letzten Weltmeisterschaft handelte es sich um einen Schwarm Leprechans, die wilde Flugkunststücke vollführten und aus dem Nichts heraus Goldmünzen in die Menge warfen. Julius konnte sich ein verächtliches Grinsen nicht verkneifen, als er sah, wie viele Leute gierig nach den herabregnenden Goldmünzen grabschten, tauchten oder sprangen. Was würden die gucken, wenn in nicht mal einem Tag keine einzige Goldmünze mehr da war? Auch über der Ehrenloge regnete es Leprechangold. Frau Rosshufler freute sich und bückte sich nach dem glitzernden Geschenk. Auch viele andere aus der österreichischen Gruppe sammelten das abgeworfene Gold ein. Die Iren grinsten hinter vorgehaltenen Händen. Das fiel Rosshufler jedoch auf und er fragte, was an diesem Gold so lustiges war. Maureen Finnigan zwang sich zum Ernst und erklärte es dem Minister und seiner Frau. Diese warf enttäuscht die eingesammelten Goldmünzen auf den Boden zurück.

"Glaubten Sie wirklich, jemand verschenke so viel Gold?" Lachte Shacklebolt. Dem konnte niemand was entgegensetzen.

Als die österreichischen Maskottchen auftraten klatschten Rosshufler und seine Landsleute stürmischen Beifall. Zwanzig wunderschöne Bergnymphen traten auf und sangen mit glasharfenartigen Stimmen ein Lied. Danach rief Hippolyte die Mannschaften aufs Feld. Bei den Iren waren es alle, die bereits die letzte Weltmeisterschaft gewonnen hatten. Die Österreicher wurden durch vier Zauberer und drei Hexen vertreten, darunter die walkürenartige Hüterin namens Gundula Hinterpfortner. Als Schiedsrichter trat ein kleiner schwarzhaariger Zauberer aus Peru namens Alberto Monteselva an. Dann begann auch schon das Spiel.

Bereits in den ersten fünf Minuten zeigten die Iren eine turmhohe Feldüberlegenheit. Es wirkte so, als wollten die in Rot-weiß spielenden Österreicher nur zusehen, wie Irland spielte. Lediglich der Reaktionsschnelligkeit und Abwurfstärke der Hüterin Hinterpfortner verdankte die Mannschaft aus den Alpen, daß sie nicht gnadenlos in Rückstand geriet. Allerdings brachte Irland von zwölf Torwürfen vier Quaffel durch die Ringe. Die Leprechans formten anfeuernde Parolen und bedachten Österreichs Mannschaft mit spöttischen Gesten, was die Bergnymphen zu wilden Entrüstungsschreien und Drohgebärden gegen die Leprechans trieb. In Minute sechs schaffte es dann doch einer der Rot-weißen Jäger, einen Quaffel durch den von ihm aus linken Torring zu werfen. Doch dann drehte Irland erst richtig auf. Innerhalb von zwei Minuten kletterte die Punktezahl um vierzig weitere Punkte nach oben. Österreich bekam den Quaffel nur, wenn dieser aus dem Torraum abgeworfen wurde. Doch dank der Treiber aus Irland blieb der Ball nicht lange genug in den rot-weißen Reihen. So wurde das Spiel für Julius eigentlich schon langweilig, selbst wenn er die irischen Jäger beobachten durfte, wie schnell die ihre Stellungen wechselten und wie zielgenau und blitzartig sie sich den Quaffel zupassen konnten. Nach zwanzig gespielten Minuten forderte der Kapitän der Österreicher eine Auszeit. Da stand das Spiel bereits 400:30. Damit konnten die Iren schon mal für die nächste Runde vorplanen. Denn selbst mit dem Schnatzfang kamen die Österreicher nicht weiter.

"Ähm, die haben sich doch in der Mitteleuropagruppe qualifiziert", wunderte sich Millie, während Rosshufler mit seiner Frau und anderen Landsleuten über das gnadenlos schlechte Spiel seiner Mannschaft diskutierte.

"Eigentlich sollte man meinen, daß die zumindest ein paar Tore mehr machen wollen", erwiderte Julius. "Die Iren versenken die so heftig, daß die bald bei Australien wieder aus der Erde kullern."

"Aber die Iren sind gute Formationskünstler", stellte Millie fest. Da ging die Partie weiter. Österreich versuchte jetzt doch einmal, mitzuhalten. Tatsächlich gelang es der Mannschaft, zwei weitere Tore zu erzielen. Allerdings lud Irland Ihnen in derselben Zeit fünf weitere Tore auf.

"Die sind schon erledigt und haben keine Lust mehr", sagte Julius, den dieses Spiel langweilte. "Da hat Deutschland sich heute morgen aber wesentlich besser geschlagen."

"Oh, Tor nummer fünf", feixte Millie. "Eine Handvoll haben die schon mal hingekriegt."

"Der Pokal bleibt unser! Der Pokal bleibt unser!" Skandierten die irischen Fans. Julius grinste.

"Da müßt ihr aber noch an einigen vorbei", sagte er. Mrs. Finnigan hatte es wohl gehört und erwiderte:

"Hoffentlich sind das auch richtige Gegner. Das grenzt ja schon an Arbeitsverweigerung, was Österreich da zusammenspielt."

"Das verbitte ich mir aber aufs höchste, Gnä' Frau", protestierte Rosshufler, diesmal Englisch sprechend. "Ihre Mannschaft blockiert unsere Jäger und hält die Klatscher immer auf der Mittellinnie ohne Sinn und Verstand."

"Will ich mal so nicht sagen", grummelte Julius. Immerhin vereitelten die Iren den Österreichern damit den direkten Durchflug zum Torraum. Da fiel das sechste Tor für Österreich. Die Iren begnügten sich nun damit, den Quaffel hin und her zu spielen, ohne einen direkten Angriff auf das gegnerische Tor zu wagen. Julius sah es so, daß die in Grün spielenden Profis von der grünen Insel jetzt im Trainingsmodus waren und davon ausgingen, sowieso keinen Gegner zu haben. Das erregte jedoch Unmut bei den Fans. Die Iren wollten noch mehr leichte Tore sehen. Die Österreicher protestierten wegen überflüssiger und zielloser Pässe. Dann schafften die Rot-weißen das siebte Tor. Das brachte Irland wieder darauf, noch ein wenig für das Punktekonto zu tun. Im K.-O.-System war das zwar unwichtig, wie hoch eine Mannschaft gewann. Aber wenn sie schon mal eine wahre Schießbude vor sich hatten, warum sollten die Iren dann nicht voll draufhalten? Das dachten wohl die meisten Irland-Fans, während die Österreicher mit ihren Kuhglocken und Jodelkünstlern nur noch über das Unvermögen der eigenen Mannschaft schimpften. Dann kam der Brüller des Abends. Die österreichische Sucherin schaffte es, sich zwischen zwei einander zupassenden Iren durchzumogeln. Lynch, der gerade erst bemerkte, daß er wohl auch noch was zu tun hatte, startete eine Sekunde zu spät durch. Ein Klatscher erwischte ihn an der linken Schulter. Er stemmte sich gegen Schmerz und Abdrift. Doch er kam zu spät. Amalie Blaukiesel, die Sucherin der Österreicher, bekam den Schnatz zu fassen. Die Iren lachten lauthals, während die Österreicher nur halbherzig applaudierten.

"Ergebniskosmetik!" Rief Julius vorwitzig über das Feld. Immerhin hatten die Österreicher so noch hundertfünfzig Punkte dazugewonnen. Doch weil Irland mit einhundert Toren und somit eintausend Punkten aus der Partie kam, brachte der Schnatzfang überhaupt nichts ein.

"Das hat ein Nachspiel", knurrte Minister Rosshufler sehr entrüstet. "Wenn Tirol morgen auch nicht weiterkommt wird's sehr finster für einige Leute." Er blickte dabei einen behäbigen Herrn im roten Umhang an, der Julius als Leiter der Abteilung für magische Wettkämpfe vorgestellt worden war. Der durfte wohl schon für ein Leben nach dem Amt planen.

"Ja, nicht leicht, aber machbar", bemerkte Millie zum Spiel der Iren. Ihre Mutter, die das Spiel noch ordentlich absagen mußte, verkniff sich einen Kommentar. Doch Julius sah es deutlich, daß sie verhalten grinste.

"Jetzt weiß ich auch, warum der Junior von Rosshufler bei seinen Leuten bleiben wollte", sagte Julius, als Rosshufler wutentbrannt mit seinen Leuten die Loge verließ. "Die können zumindest noch einige Spiele mehr sehen."

"Das wird Kevin freuen, daß seine Mannschaft weiter ist", meinte Millie.

"Das war ein Arbeitssieg, Millie. Wenn die Österreicher in der ersten Minute den Schnatz gefangen hätten wäre Irland in Not gewesen. Aber so. Aber tausend Punkte. Dabei hätten die Iren locker zweitausend Punkte schaffen können, wenn die Hinterpfortner nicht einige Bälle abgewehrt hätte. Die hatten zwei gute Spielerinnen, die Sucherin und die Hüterin. Aber damit gewinnt man doch kein Spiel."

"Wissen wir, Süßer", grinste Millie. "Den Schnatzfang kann die werte Blaukiesel sich golden einrahmen. Vielleicht darf sie bei der nächsten Weltmeisterschaft dabei sein."

"Mannschaften, die vor dem Finale ausscheiden, aber den Schnatz fangen dürfen den Schnatz behalten", sagte Hippolyte immer noch mit magisch verstärkter Stimme. Die Französisch sprechenden Zuschauer mußten es ihren sprachunkundigen Landsleuten übersetzen. Julius sah, wie Kevin und Gwyneth es ihren Verwandten erzählten. Die Folge war ein überlauter Lachorkan im irischen Fanblock. Die Österreicher fühlten sich offenbar veralbert und buhten. "Das stimmt. Die internationalen Wettkampfregeln gestatten einer Mannschaft, die vor dem Finale ausscheidet die Mitnahme des Schnatzes, sofern sie diesen gefangen hat."

"Dann wollen wir hoffen, daß wir ein bißchen mehr als einen Schnatz mitnehmen", sagte Shacklebolt dazu und verabschiedete sich. Laurentine wollte los, die österreichischen Fans beruhigen. Doch Madame Latierre gebot ihr, hier zu bleiben. "Du darfst nachher zu den Zeltplätzen und dich erkundigen, wer noch alles die weiteren Spiele besuchen möchte und auf den Kartenrückgabeschalter verweisen, Laurentine. Jetzt würde ich da nicht in die wütende Menge reinlaufen."

"Hat mir heute morgen auch schon gereicht, als Deutschland mit Tsching da rassa bumm und fünfhundert Punkten zu einhundert gewonnen hat", sagte Laurentine. "Aber wenn Sie sagen, ich soll da runtergehen, würde ich das machen."

"Weiß ich, Laurentine. Aber im Moment ist der Drang zum Ausgang zu groß. Wir bleiben hier und warten!" Bestimmte Hippolyte.

Hoffentlich haben die Österreicher eine gute Schutztruppe, sonst werden die Spieler noch gelyncht", unkte Julius.

"Wieso gelyncht. Lynch hat den Schnatz doch gar nicht gefangen", meinte Maureen Finnigan, die ebenfalls noch wartete und ihre Euphorie nur schwer verbergen konnte.

"Er meint ein sehr unfeines und völlig gesetzwidriges Verhalten von Menschen, die meinen, das Recht selbst in die Hand zu nehmen und einen Menschen ohne Gerichtsurteil und auf bloßen Verdacht hin zu jagen und teilweise sehr brutal zu ermorden, um angeblich eine abschreckende Wirkung zu erzielen", erläuterte Shacklebolt den Begriff, den die irische Quidditchfunktionärin offenbar nicht kannte. "Der Erfinder dieser barbarischen Form der Selbstjustiz soll auch Lynch geheißen haben", vervollständigte Shacklebolt die Erläuterung. Julius nickte. "Wenn Sie das möchten schlage ich das für Sie gerne noch einmal nach. Ich habe eine umfassende Bibliothek zu Hause", bot Julius an. Maureen Finnigan nahm das Angebot an. Sie wußte ja nicht, daß Julius einen Internetzugang besaß, über den er im Grunde alle großen Bibliotheken der Welt durchsuchen konnte.

"Jedenfalls sind die Iren mit dem Tag zufrieden", stellte Millie fest, als die fröhlich singende Masse irischer Schlachtenbummler das Stadion verließ. Sicherheitszauberer aus dem Ministerium waren zwar sichtbar anwesend, mußten jedoch nicht eingreifen.

"die Tiroler spielen morgen gegen Südafrika. Oha, das dürfte für Herrn Rosshufler der zweite Tiefschlag werden", stellte Millie fest.

Julius versah noch einen Spätdienst, der ihn zu den irischen Fans führte. Er mußte ihnen erklären, daß sie bis zwölf draußen feiern durften, danach aber in schalldichten Behausungen zu sein hatten, wenn sie weiterfeiern wollten. Bei der gelegenheit traf er die Malones. Mr. Malone bot Julius echten Maltwhisky an. Doch Julius verwies darauf, daß er gerade im Dienst sei. Dafür bekam er eine volle Flasche geschenkt, die er in der dienstfreien Zeit genießen durfte. Er übergab Kevin eine offizielle Einladung, mit seiner Familie am 20. Juli zu seinem Geburtstag zu kommen. Die Stimmung konnte für diese offizielle Aussöhnung nicht besser sein.

"Ihr seid uns doch nicht böse, wenn wir den schönen Pokal wieder mit nach Irland nehmen", lallte ihm ein älterer Zauberer zu, der entfernte Ähnlichkeit mit Aidan Lynch hatte. Julius grinste und antwortete:

"Nur, wenn es dem Pokal hier nicht gefällt und er lieber doch hierbleiben möchte."

"Den nehmwer wieder mit", leierte der nicht nur freudetrunkene Fan. Um keinen Zank zu verschulden beließ es Julius bei dieser Antwort.

Zurück im Apfelhaus sprachen sie noch einmal über das Spiel. Brittany hatte es sich mit Venus und anderen Landsleuten auf einer der zwanzig Bildverpflanzungsleinwände angesehen. "Venus meint, daß Quodpot doch um Meilen spannender sei. Außerdem fragt sie, ob sie morgen, wenn wir Kenia zerlegt haben werden, mal zu euch herkommen darf", kündigte Brittany an. Millie und Julius freuten sich, Venus Partridge als Gast begrüßen zu dürfen. Dann zogen sich alle in ihre Schlafräume zurück. Für Millie und Julius begann eine weitere Nacht der Liebe, da beide morgen früh ausschlafen konnten.

ENDE

Nächste Story | Verzeichnis aller Stories | Zur Harry-Potter-Seite | Zu meinen Hobbies | Zurück zur Startseite

Seit ihrem Start am 1. Juli 2011 besuchten 5343 Internetnutzer diese Seite.