OMA UND ENKELIN

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Was Bisher geschah | Vorige Story

P R O L O G

Dumbledores gewaltsamer Tod erschüttert die Zaubererwelt, nicht nur in England. Doch Julius findet in den ersten Tagen der früher begonnenen Sommerferien genug Ablenkung von diesem traurigen Thema. Er besucht mit seiner Mutter das Euro Disneyland in der Nähe von Paris, nutzt die durch die magischen Herzanhänger geschaffene Verbindung zu seiner Freundin Mildrid für längere Gedankengespräche und ist beunruhigt über die Eltern von Joe Brickston, die darauf beharren wollen, daß ihre beiden Enkeltöchter sich endlich einer christlichen Taufe unterziehen sollen. Da Babettes und Claudines Patentante Madeleine dem absolut nicht zustimmt, da die meisten christlichen Kirchen Magie und Magier als sündhaft und abartig ablehnen, kommt es zum Krach zwischen Mrs. Jennifer Brickston und Babettes und Claudines Großtante. Dabei kommt heraus, daß Catherine und ihre leiblichen Verwandten echte Hexen sind. Diese Enthüllung wird als "Fall Rumpelstilzchen" bezeichnet. Catherine geht davon aus, daß ihre Schwiegereltern gedächtnismodifiziert werden sollen, was Joe dazu veranlaßt, Catherine die Trennung anzudrohen, was seine Tochter Babette erschreckt und sehr traurig macht. Doch es wird ein Weg gefunden, die Eltern Joes einzuweihen, ohne weitere Auswirkungen auf die nichtmagische Welt zu befürchten. Jennifer und James Brickston werden einem Lebensrückschauzauber unterzogen, der ihnen die wichtigsten Erlebnisse und damit verbundenen Gefühle der magischen Hausbewohner zeigt. Dies bringt beide dazu, daß echte Liebe auch von echten Hexen gefühlt und weitergegeben werden kann, womit die religiösen Vorbehalte gegen Catherines Verwandtschaft beseitigt werden können. Außerdem unterzieht sich Catherines Mutter dem Fidelius-Zauber, um zu verbergen, daß Jennifer und James Brickston Joes Eltern sind und damit mit echten Hexen und Zauberern verwandt sind.

Am vierundzwanzigsten Juni reisen die Andrews und Brickstons zum Bauernhof von Barbara und Jean Latierre, um dort die Ankunft der Kinder aus dem sogenannten Club der guten Hoffnung zu feiern. Außerdem möchte Barbara Latierre in ihren Geburtstag hineinfeiern. Julius erlebt mit, wie die erfinderischen Geschwister Dexter aus New Orleans ihre neueste Errungenschaft, das Cogison, an den Latierrekühen ausprobieren. Das Cogison vermag, worthafte Gedanken in hörbare Wörter zu verwandeln, womit intelligente Tierwesen oder von schweren Verwandlungen betroffene magische Menschen sich ihrer Umwelt mitteilen können. Dabei erfährt er, daß Demeter, die sanftmütige, geflügelte Riesenkuh, ein Kalb trägt, sowie ihre Tochter Artemis, auch Temmie genannt von Julius fasziniert ist, um nicht zu sagen, in ihn vernarrt ist, weil er sie in einem Anfall von Panik mit seinem eigenen Geist übernommen und gesteuert hat und sich damit zu einer Art Leittier für sie aufgeschwungen hat. Doch das ist nicht das überragendste, was ihm auf dem Latierre-Hof offenbart wird. Denn einen Tag später, als seine Freundin Mildrid und er nach einer wilden Besenflugpartie bei einem majestätischen Kirschbaum landen, hören sie und Julius diesen sprechen. Julius Andrews, der durch Ursulines Lebenskraftverstärkungsritual etwas von ihr selbst in sich trägt erfährt, daß der Baum eine freiwillig angenommene Daseinsform von Mildrids Urgroßmutter mütterlicherseits ist und erfährt die traurige Geschichte, wie die allgemein als sehr stark und zielstrebig bekannte Züchterin der ersten Latierre-Kühe aus Trauer und Einsamkeit wegen ihres von Grindelwald ermordeten Mannes lieber als großer Kirschbaum weiterbestehen wollte. Weil er, Julius, eben etwas von der von ihr stammenden Lebenskraft in sich trägt, kann er als einziger Nicht-Latierre verstehen, was Barbara Hippolyte Latierre ihm erzählt. Sowohl beeindruckt wie tief berührt von dieser Enthüllung und etwas angenervt von der Vernarrtheit der Latierre-Kuh Temmie, kehrt er nach Paris zurück. Er freut sich darauf, die Landung der MarsSonde Pathfinder mitzuverfolgen. Doch Irdische Ereignisse, die bereits in fast vergessener Vorzeit geschahen, schicken sich an, nicht nur sein Leben zu beeinflussen. Er träumt wieder von der alten Stadt unter einer blauen Himmelskuppel und trifft dort die frühere Herrscherin Darxandria wieder, die ihm verkündet, daß Voldemort ein Artefakt aus ihrer Heimat in seine Gewalt gebracht hat, um uralte, noch schlafende Echsenkrieger zu seinem Dienst rufen zu können. In einer alptraumhaften Vision erlebt Julius dann auch mit, wie eine ganze Hundertschaft solcher Ungeheuer aus einem Sumpf emporsteigt. Um dies zu verhindern bläut ihm Darxandria drei magische Worte ein, die er in wilder Panik, von den Bestien getötet zu werden laut ausruft. Weil seine Mutter davon wach wird und nun wissen will, was genau passiert ist und sehr wütend ist, daß etwas ohne ihr Wissen mit Julius geschieht, wird sie von Catherine, Julius und Antoinette Eauvive eingeweiht, wie Julius mit der Kettenhaube Darxandrias in Berührung kam bishin zu seinen Träumen, die ihn auf Gregorians Bild hingewiesen haben.

Die live übertragene Landeüberwachung für die Marssonde bietet eine vorübergehende Ablenkung. Doch schon in der Nacht darauf erlebt Julius im Traum erneut den Aufmarsch jener Schlangenbestien, die er nun aus der Zukunftsvision von Marie Laveaus Geist wiederzuerkennen vermeint. Darxandria bezieht auch Millie in Julius Traum ein, schärft ihm ein, unbedingt den runden Stein, den er damals in der alten Festung des Wissens geborgen hat, zu benutzen. Denn dabei handelt es sich um einen Lotsenstein, der seinen Benutzer über die Straßen des uralten, fast vergessenen Reiches führt. Nachdem er erfährt, daß Millie denselben Traum wie er hatte und daher weiß, was er eigentlich geheimhalten sollte, motiviert sie ihn, den Auftrag auszuführen. Er informiert Professeur Faucon, die den Lotsenstein in Verwahrung hatte und läßt sich von dieser am nächsten Tag nach Aufruf des ersten gelernten Zauberwortes zu einem Punkt in den Pyrenäen apparieren, von wo aus er nach Ausruf aller drei Worte in einer Lichtkapsel eingeschlossen durch einen magischen Tunnel gleitet, bis er unter einem gigantischen Torbogen aus Glas und rosigem Metall herauskommt. von hier aus soll er nun das Wissen suchen, um die Gefahr durch die alten Krieger aufzuhalten. Von Darxandria erfährt er, daß die Stadt Khalakatan heißt. Doch die alte Stadt ist nicht so verlassen, wie Julius es in seinen Träumen immer erlebt hat. Gefährliche Monster aus Feuer, Wasser, Luft und Erde greifen ihn an, und er muß seine magischen Kenntnisse und Tricks auf dem Flugbesen ausspielen, um unbeschadet zu jenem gigantischen Turm zu kommen, den er auch schon aus seinen Träumen kennt.

Zur gleichen Zeit verliert die Beauxbatons-Schulheilerin den Kontakt zu ihrem Pflegehelfer. Blanche Faucon erstattet ihr Bericht. Um eine letzte Möglichkeit zu nutzen, mit Julius wieder in Kontakt zu treten weiht sie Millie unwillig in das Geheimnis der roten Herzen ein, daß sie damit auch mit ihrem Partner über weite Strecken gedankensprechen kann, was solange funktioniert, solange beide ihre Herzanhänger an die Stirn drücken. So erfährt die Schullehrerin, was Julius widerfährt und kann ihm einen nützlichen Tipp zukommen lassen, wie er gegen ein mächtiges Monster mit vielen Augen bestehen kann. Dann tritt sie den Beichtgang zu Madame Maxime an, zu der sich bald auch Mildrid und ihre Eltern gesellen, um näheres über Julius' Himmelfahrtskommando zu erfahren. Auch Catherine kommt dort hin, um auf dem Laufenden gehalten zu werden. Doch weil Millie vorübergehend in Beauxbatons ist, reißt die Gedankenverbindung zu Julius endgültig ab. So bleibt ihnen nur, zu hoffen, daß Julius gut genug vorbereitet und ausgerüstet ist, um aus der alten Stadt wieder herauszukommen.

Knapp vor dem Angriff gigantischer Erdelementarwesen schafft es Julius, in den kilometerhohen Turm einzudringen, wo er eine Garde aus goldenen Metallmenschen, Männer und Frauen, auf den Plan ruft. Ihm gelingt es dank Darxandrias eingegebenem Wissen, sich als rechtmäßiger Beauftragter von ihr zu erkennen zu geben und wird von einer Abteilung der goldenen Metallmenschen in einem gläsernen Transportkorb waagerecht und senkrecht durch den Turm gebracht, bis er vor einer gewaltigen Kugelhalle landet, in der er das gläserne Konzil trifft, hunderte von in Überdauerungszylindern wohnenden Erzmagiern aus dem alten Reich. Er erfährt, daß er nur von denen, deren Gesinnung er hat, mehr über die drohende Gefahr erfahren wird, erlernt von dem Empfangsmeister Garoshan einen besenlosen Flugzauber und erfährt von dem Hüter aller Ereignisse Kantoran in wirklichkeitsgetreuen Eindrücken, wie das alte Reich entstand, bestand und verging. Anschließend sucht er eine Verwandte Darxandrias, die ihm mächtige Abwehrzauber beibringt, um Feinde ohne sie zu töten zurückzuschlagen. Doch das eigentliche Ziel der Mission bleibt bis auf weiteres unerreichbar. Denn um das Artefakt zu erlangen, mit dem die uralten Ungeheuer zurückgeschlagen oder vernichtet werden können, muß zunächst die Sonne über der Antarktis wieder aufgehen. Er kehrt nicht ganz so zufrieden mit dem Transportkorb zum Eingangsraum des Turmes zurück. Er muß zwei der goldenen Menschen abwimmeln, die ihm von nun an nicht mehr von der Seite weichen wollen und schafft es, die Stadt mit dem Lotsenstein wieder zu verlassen. Danach erstattet er allen, die von seiner neuen Mission erfahren haben Bericht.

Er hofft, daß die nächsten Tage friedlich verlaufen und er ohne welterschütternde Dinge aufregende Sachen erleben kann.

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"Gut, dann soll ich mit dem Flugzeug nach Berlin und werde dort von diesem Herrn Weizengold abgeholt?" Fragte Martha Andrews den Kopf von Nathalie Grandchapeau, der im Kamin der Andrews hockte.

"Ich habe das mit den Kollegen in Berlin so abgesprochen", sagte Nathalie Grandchapeau. "Julius wird dann wirklich mit Mademoiselle Mildrid Latierre nach New Orleans und von da nach Viento del Sol reisen?"

"Ja, schon am dreizehnten", sagte Martha Andrews. "Ich wäre gerne dabei gewesen, aber Sie sagten ja, daß die Damen und Herren aus Deutschland nur zwischen dem vierzehnten und siebzehnten Zeit haben."

"Minister Güldenberg will dieses Netzwerk und diese Aufspürprogramme bereits am achtzehnten in Betrieb nehmen. Jetzt wo die Muggel in Deutschland auch mit diesem Internet-Netzwerk immer mehr zu arbeiten anfangen möchte er unser Fachwissen zur Wahrung der Geheimhaltung schnellstmöglich in die Praxis umsetzen. Wollten Sie mit Ihrem Sohn in die Staaten?"

"Die Einladung von Ms. Forester bezog sich auch auf mich", sagte Martha. "Aber ich sehe es ein, daß gerade nach den unangenehmen Vorfällen in Großbritannien alles getan werden muß, um Übergriffe dieses Psychopathen mit Hilfe der nichtmagischen Welt zu verhindern. Außerdem wollte ich die Gunst der Stunde nutzen, um meiner Nachbarin und ihrer Mutter alles über die Zeit der beiden deutschen Diktaturen zu beschaffen, falls die deutschen Kollegen uns in der Hinsicht entgegenkommen."

"Herr Weizengold spricht gut Englisch und Französisch. Außerdem hat er Ihre und meine Anfrage weitergegeben. Eine gewisse Frau Lauterbach aus Berlin wird sich mit Ihnen beiden in Verbindung setzen, wenn die eigentliche Aufgabe erledigt ist", erwiderte Madame Grandchapeau. Martha Andrews nickte. Julius verfolgte die Unterhaltung von einem der Sofas aus.

"Gut, dann bleibt es dabei, daß ich am dreizehnten Juli von hier abreise?"

"Sie haben mir ja die Flugzeiten genannt. Herr Armin Weizengold erwartet sie dann in Berlin Tegel ab elf Uhr", bestätigte Madame Grandchapeau. Martha Andrews nickte bestätigend. Dann verabschiedete sie sich und bat darum, die Familie von Belle Grandchapeau zu grüßen.

"Werde ich ausrichten", erwiderte Madame Grandchapeau sehr erfreut lächelnd. Dann zog sie ihren Kopf aus dem Kamin zurück.

"Ist das mit der Sphäre denn jetzt amtlich, daß Millie und ich am Abend des dreizehnten Juli rüber nach New Orleans fliegen und von da aus nach VDS fahren?" Fragte Julius.

"Soweit ich weiß ja", sagte martha Andrews etwas verhalten. "Hippolyte wollte das heute noch genauer bestätigen."

"Hmm, wenn ich das richtig mitgekriegt habe kommst du dann erst am achtzehnten aus Sauerkrautland zurück. Öhm, wie machen wir das dann mit meinem Geburtstag?"

"Oh, hast recht. Den möchtest du bestimmt mit deinen Schulkameraden feiern. Wenn es nicht gerade so viele sind wie im letzten und vorletzten Jahr können wir das hier machen. Allerdings solltest du dann heute die Einladungen rausschicken. Sagen wir mal deine Klassenkameraden und fünf Freunde aus den anderen Sälen. Dann werde ich halt Catherine fragen, ob sie mir dabei hilft, was für euch vorzubereiten."

"Wäre schon nett", meinte Julius. Er hatte oft überlegt, ob er wirklich in Paris feiern sollte oder nicht doch Ursulines oder Camilles Angebot annehmen sollte und im Château Tournesol oder dem Jardin du Soleil feiern mochte. Da er nach der Sache in Hogwarts gerne noch einmal Kevin einladen wollte, käme Millemerveilles nicht so recht in Frage, weil da noch einige Leute sehr sauer auf ihn waren. Doch wenn er gerade einmal seine ganze Klasse und fünf Freunde aus anderen Sälen einladen durfte, war es in Paris auch nicht so prickelnd.

"Wir haben Virginie noch nicht geantwortet, daß wir zu ihrer Hochzeit kommen wollen", sagte Julius. Seine Mutter nickte. Sie holte Papier und Schreibzeug und schrieb, daß sie und ihr Sohn sehr gerne an der Hochzeitsfeier teilnehmen würden. Julius ging davon aus, daß er dann eh die Tage bis zum Sommerball in Millemerveilles bleiben würde. Denn auch wenn genau diese Tage mit sehr vielen schmerzvollen Erinnerungen verbunden waren wollte er sie genau dort verbringen, wo er vor einem Jahr noch an eine herrliche Zukunft mit dem Mädchen, daß er liebte gedacht hatte.

Martha wollte gerade schreiben, daß sie Catherine bitten wolle, sie und Julius am einundzwanzigsten Juli nach Millemerveilles zu bringen, als Jeannes Kopf im Kamin auftauchte.

"Hallo, ihr beiden. Viviane hat mir gerade gesagt, daß euer Kamin wieder frei ist", grüßte sie. Dann sah sie Julius an und sagte: "Ihr kommt doch auch zu Virginies Hochzeit, nicht wahr? Ich hörte, daß Babette noch einmal als Brautjungfer auftreten darf. Sie kommt mit ihren Eltern ja am achtzehnten Juli rüber. Madame Faucon freut sich bestimmt, ihren Schwiegersohn bei sich unterzubringen, weil die Hellersdorfs bei Madame Delamontagne wohnen werden. Wohnt ihr dann auch wieder bei ihr?"

"Öhm, ich bin bis zum achtzehnten im Ausland", sagte Martha. Dann deutete sie auf Julius und fuhr fort: "Und Julius ist in Viento del Sol, weil er dort ein Quodpotspiel ansehen möchte. Hmm, dann bleibt Catherine bis zum einundzwanzigsten bei euch?"

"Soweit ich von Virginie weiß ja", sagte Jeanne. Hmm, wo bist du denn genau, Martha?"

"Deutschland", sagte Martha. "Ich komme wohl erst am achtzehnten mit dem Flugzeug zurück nach Paris. Ich warte dann auf Julius und wollte dann mit ihm eigentlich seinen Geburtstag bei uns feiern. Aber wenn Catherine ..."

"Auch ein Grund, warum ich bei euch reinschaue", sagte Jeanne. "Meine Mutter fragt an, ob ihr wirklich nur im Wohnzimmer hocken wollt und du dir ohne Zauberei so viel Arbeit aufhalsen möchtest, wenn wir Julius' Geburtstag auch bei uns feiern können. Ihr habt zwar einen Kaminanschluß, aber keinen Garten, wo keine uneingeweihten Muggel reingucken können. Deshalb bietet sie euch an, daß Julius seinen Geburtstag wieder bei uns im Garten feiert, und ihr beiden dann wieder bei ihr wohnt. Ich habe meine zwei Gästezimmer schon ausgebucht. Eloise kommt mit ihrem Verlobten, und Barbara ist mit ihrem Mann noch bei uns und wird wohl bis zum Sommerball bleiben."

"Ist das deiner Mutter nicht zu viel, wenn sie auch Hochzeitsgäste hat?" Fragte Martha Andrews.

"Da ich ja schon verheiratet bin kriegt sie keine zusätzlichen Gäste. Ist auch gut so, nachdem meine herzallerliebste Tante Cassiopeia sich mit ihr endgültig verkracht hat. Aber das habt ihr nicht von mir."

"Quod erat expectandum", warf Julius ein. Jeanne grinste verschlagen. Dann sagte sie:

"Wenn du, Julius, eh in den Staaten bist, kitzel das bei denen raus, daß die dich mit der Sphäre am neunzehnten rüberkommen lassen. Vielleicht kann Madame Faucon euch in New Orleans abholen und dann über Paris direkt zu uns rüberbringen. Wäre doch bestimmt einfacher."

"Hmm, dann sollten wir das mit deiner Mutter klären", sagte Martha. Jeanne nickte. Dann sagte sie:

"Maman ist gerade irgendwo in den Zaubergärten der Provence unterwegs. Sie hat mich beauftragt, das zu klären. Sie hat mir den Freibrief erteilt, das mit euch auszumachen. Sie geht davon aus, daß ihr ihre Einladung eh nicht ausschlagen könnt."

"Soso, ein Angebot, das wir nicht ablehnen können", warf Martha Andrews verhalten lächelnd ein.

"Sie meinte nur, daß ihr eh zu uns rüberkommen müßtet und sie gerne eines der Gästezimmer für euch freihält, solange bis zum Sommerball. Also wie sieht's aus?"

"Wenn Catherines Mutter nicht beleidigt ist, daß wir nicht bei ihr wohnen", warf Julius frech ein.

"Die wird nicht gefragt", erwiderte Jeanne kategorisch. "Die kriegt ihre ganze Familie zu Besuch. Die kann dich nicht immer am Gängelband halten."

"Das ist wohl wahr", meinte Julius. Dann sagte seine Mutter, daß das wohl die komfortable Lösung sei und bat Jeanne, sich bei ihrer Mutter für die Einladung zu bedanken. Dann verschwand Jeannes Kopf wieder.

"Ich weiß bis heute nicht, ob ich mich daran gewöhnen werde, daß jemand schon alles für uns vorherplant", seufzte Martha Andrews. "Jetzt habe ich mir schon wieder die Initiative aus der Hand nehmen lassen."

"Tja, das kann schon nerven, auch wenn's gut gemeint ist", erwiderte Julius schadenfroh.

"Vielleicht schießt Blanche, also Madame Faucon ja noch quer", wandte Martha ein.

"Nur wenn sie darauf besteht, daß wir bei ihr wohnen, Mum", erwiderte Julius verhalten. Immerhin konnte ihnen das doch noch blühen, nach dem Motto, ich hole die ab und bringe die unter.

"Nach der Sache mit diesen Bildern und Darxandria und deinem letzten Ausflug weiß ich nicht, ob die gute Dame nicht darauf bedacht ist, einen gewissen Abstand zu mir zu halten. Immerhin habe ich das nicht vergessen, wozu sie dich getrieben hat."

"und noch treiben könnte, Mum", vervollständigte Julius die Bemerkung. "Aber womöglich möchte sie dann erst recht wieder gutes Wetter bei dir machen."

"Dann sollten wir uns nach Möglichkeit nicht zu eng auf die Pelle rücken", knurrte seine Mutter.

"Bevor du nach Deutschland rüberjettest mußt du wohl noch in dem Büro hier was machen. Oder geht das auch von hier aus?" Fragte Julius.

"Ich muß morgen und übermorgen noch die verbesserte Version der unsichtbaren Suchmaschine hochladen, bevor wir sie in Betrieb nehmen. Ich habe erst gestern die lettzten Übertragungsprotokollversionen und Logbuch-Dateiversionen bekommen. Ich muß das System darauf einstellen, sonst hinterläßt es verräterische Datenspuren. Aber wie genau das geht ist ein Dienstgeheimnis."

"Verstehe, Mum. Ihr wollt das ganze Internet mit unbemerkbaren Aufspürprogrammen durchsetzen, die bei bestimmten Begriffen entsprechende Falschmeldungen ausstreuen, um keinen drauf zu bringen, daß es eine echte Zaubererwelt gibt", sagte Julius. Seine Mutter sah ihn mit versteinerter Miene an. Dann nickte sie nur.

Fünf Minuten später erschien Blanche Faucons Kopf im Kamin und teilte mit, daß sie Julius Andrews in New Orleans abholen würde und ihn dann von Paris aus mit seiner Mutter nach Millemerveilles bringen würde.

"Öhm, Jeanne überbrachte uns die Einladung ihrer Eltern, daß wir bei diesen wohnen möchten", sagte Martha frei heraus.

"Das ist mir bekannt und findet meine volle Zustimmung. Ich hätte zwar kein Problem damit, Sie und Julius bei mir unterzubringen, hätte dann jedoch wohl die Liste seiner Geburtstagsgäste korrigieren müssen, und empfinde es daher als sehr entgegenkommend, wenn Camille dieses Fest bei sich ausrichten möchte. Also dann bis zum neunzehnten Juli!"

"Soso, sie hätte deine Gästeliste korrigieren müssen", knurrte Martha. "Wen wolltest du denn einladen, von dem ich noch nichts weiß und sie was gegenhaben könnte?"

"Da sie immer noch Stress mit den Latierres hat hätte sie Millie und ihre Eltern wohl kaum zu sich ins Haus holen wollen", meinte Julius. "Allerdings kann ich das mit Kevin knicken. Der wird sich schon wegen des Schabernacks mit den Walpurgisnachtringen nicht mehr nach Millemerveilles trauen. Abgesehen davon weiß ich nicht, ob das britische Flohnetz noch lange offen bleibt. Gloria hat sowas erwähnt, daß die wohl Kaminbeschränkungen einführen wollen, um flüchtige Todesser zu jagen, besonders Drecksau Malfoy und Dumbledores Killer Snape."

"Schon fies, in solch einer Situation noch Feste feiern zu wollen", seufzte Martha Andrews. "Aber wie heißt das so schön: Das Leben muß weitergehen, wenn schon im Bösen, dann auch im Guten. Diese Fleur Delacour will ja im August heiraten, nicht wahr?"

"Ja, und das im Haus ihrer Schwiegereltern", antwortete Julius.

"Dann kannst du auch deinen Geburtstag mit deinen Freunden feiern. Aber schicke deinen Gästen zu, wo du feierst und schicke Camille die Liste der zusagenden Gäste!"

"Ja, mach ich!" Sagte Julius leicht verstimmt. Seine Mutter sah ihn tadelnd an, und er schwieg. Es stimmte ja schon, daß man wenn man bei anderen Leuten feierte mit denen klarhaben mußte, wer mitfeierte und wer nicht.

"Ich schicke dann gleich die Einladungen raus. Dazu muß ich zum Postamt in der Rue de Camouflage", sagte Julius. Seine Mutter nickte.

"Ich mach dann noch einige Testläufe mit einigen Komponenten des aaktuellen Paketes", sagte sie darauf nur.

Julius zog sich in sein Zimmer zurück und überlegte, wen er nun einladen wollte. Irgendwie empfand er es so, daß er außer den Gastgebern selbst und seine Mutter sehr so wenige Erwachsenen über zwanzig Jahren wie möglich einladen wollte. Das war jetzt irgendwie nicht mehr so prickelnd fand er. Da er es Camille nicht so heftig viel machen wollte, dachte er daran, wen er aus seiner Klasse einladen wollte, wen aus der Pflegehelfertruppe und wen aus England. Da er in Millemerveilles feiern würde würde das mit Kevin Malone etwas schwierig sein. Andererseits wollte er ihn gerne noch einmal einladen. Er erinnerte sich an Moiras Reiterweisheiten, daß wer vom Pferd gefallen sei so schnell wie möglich wieder aufsteigen solle. Vielleicht tat es ihm und Kevin gut, wenn sie sich noch einmal in Millemerveilles trafen. Doch andererseits konnte und wollte er die Abneigung der Dorfbewohner nicht von heute auf morgen umkrempeln. Außerdem hatten die mit den Hochzeitsvorbereitungen schon eine Menge um die Ohren. So dachte er zuerst an die, die schon da wohnten, wie Sandrine Dumas, Jeanne, Barbara und Virginie, wobei er deren zukünftige und bereits offizielle Ehepartner mit einbeziehen mußte. Dann dachte er an Céline und Robert, Hercules und Belisama, und wenn er Sandrine einlud mußte er auch ihren Freund, seinen Klassenkameraden Gérard Laplace mit einladen. Oh, das wirkte fast wie eine reine Pärchenparty, befand er, weil Millie natürlich auch dazukommen sollte. Sollte er Waltraud Eschenwurz anschreiben, daß sie herüberkam? Vielleicht konnte die mit seiner Mutter zusammen aus Deutschland nach Paris anreisen. Dann fiel ihm noch Martine ein, die mit Millie zusammen herüberkommen konnte und befand, daß er dann noch Patrice und Carmen aus der Pflegehelfertruppe einladen würde, sowie Laurentine, Babette und Seraphine. So kam er am Ende auf an die fünfundzwanzig Gäste, wenn er die Dusoleils mit einbezog. Ihm fiel noch ein, daß er doch eine Ausnahme von der Regel machen wollte und Catherine und Joe einladen wollte. Doch dann müßte er auch Madame Faucon einladen. Damit würde die Stimmung vielleicht etwas eingeschrenkt. Nein, Claire hatte bei ihrer Geburtstagsfeier auch auf Madame Faucon verzichtet. Also tat er es auch und lud nur die Brickstons ein. Von England her lud er Gloria und Pina mit Olivia ein und schrieb auch eine Einladung an die Hollingsworths. Er fragte sich, ob es nicht angebracht sei, auch Brittany Forester einzuladen. Immerhin hatte sie ihn zu ihrer Quodpot-Premiere eingeladen und ihm im letzten Jahr geholfen, das Geheimnis um seinen Vater aufzudecken. Das wollte er aber erst mit Brittany besprechen und es Camille dann irgendwie per Blitzeule zukommen lassen. Dann, als er alle Einladungen fertig hatte, wechselte er mit dem Kamin in die Rue de Camouflage über, suchte das Postamt auf und verschickte mehr als zwamzig Eulen mit Einladungen. Dann besuchte er Millie im Honigwabenhaus, um ihr und ihrer Schwester die Einladung persönlich zu überbringen.

"Maman sagte was, daß Tante Babs mit Oma Line und allen, die letztes Jahr schon in Millemerveilles waren wieder eingeladen wurde", sagte Millie. "Die Rochforts, Virginies anzuheiratende Verwandtschaft, sind ja über zwei Ecken mit uns verwandt und meinten, daß Oma Line unbedingt dabeizusein habe", sagte Millie ihrem Freund. Julius erzählte ihr dann von der Vereinbarung mit den Dusoleils und Madame Faucon.

"Soso, dann hättest du mich nicht einladen dürfen, wenn die Alte deine Maman und dich bei sich einquartiert hätte?" Fragte Millie verschmitzt grinsend.

"Sie hätte wohl was dagegen gehabt", erwiderte Julius.

"Oh, das wird aber dann lustig, wenn wir beide vom Zeremonienmagier zu Mann und Frau erklärt worden sind", grinste Millie weiter. "Dann dürftest du sie ja nicht mehr besuchen, weil du dann Latierre heißen würdest."

"Es sei denn, deine Schwester heiratet bis dahin noch wen. Dann kann ich meinen Familiennamen weiterbehalten und ihn unseren Kindern vermachen."

"Nix gibt's, Monju. Die Regelung gilt nur für Nichtlatierres wie Virginie Delamontagne und Barbara van Heldern, weil die beide Brüder haben, die den Familiennamen der Eltern behalten können. Aber wer als Latierre geboren wurde, behält seinen Familiennamen und gibt ihn an den Ehepartner weiter, egal ob Hexe oder Zauberer, damit die Kinder auch so heißen mögen. Das war ja ein Grund, warum euer Mogeleddie meine Schwester so fies hat stehen lassen."

"Solange er sie nicht hat sitzen lassen", erwiderte Julius.

"Dann hätte der echten Ärger gekriegt, Monju. Eine Latierre, die sein Kind getragen hätte, hätte der nicht ungestraft sitzen lassen können."

"Naja, ist ihm ja erspart geblieben", warf Julius spöttisch ein.

"Wenn du mit Tine Krach kriegen willst sei so mutig und leg dich direkt mit ihr an", erwiderte Millie.

"Besser nicht", entgegnete Julius eingeschüchtert. Millie grinste schadenfroh.

"Würde ich auch nicht machen. Ich weiß nicht, was die sich dann einfallen ließe, um dich fertigzumachen", sagte Mildrid. Julius hörte Miriam schreien.

"Kommt ihr dann alle auf einer Latierre-Kuh rüber?" Fragte Julius. "Dann könnte das aber kitzlig werden, mit so vielen Babys an Bord."

"Das arbeiten Tante Babs und Oma Line noch aus. Immerhin müssen wir die kleinen Plärrer doch irgendwie mitnehmen", erwiderte Millie. Dann umarmte sie Julius und schnurrte: "Gewöhn dich besser dran. Irgendwann fangen wir beide mit denen an."

"Ja, aber bis dahin haben wir noch etwas Zeit, mehr vom Leben zu sehen als Umstandskleider, Strampelanzüge, Windlen und Gugu-Gaga-Spielzeug", erwiderte Julius unbeeindruckt.

"Du hast nur Angst, du müßtest dafür auf zu viel verzichten, nicht wahr. Aber so viel wird das nicht sein."

"Nur auf Freunde, die selbst keine Kinder haben und keine haben wollen, auf beliebige Urlaubsreisen und das Recht, uns von Leuten wie Professeur Faucon nicht mehr dreinreden zu lassen."

"Die muß und wird meine und wohl auch deine Kinder nicht vor dem ersten Tag in Beaux zu sehen kriegen, wenn wir das nicht wollen, Monju. Die will ja noch nicht mal, daß ich bei ihr deinen Geburtstag feiern komme. Apropos, was wünschst du dir eigentlich dazu?"

"Öhm, daß alle, die kommen keinen Krach miteinander kriegen. Dann natürlich, daß alle, die mir wichtig sind auch im nächsten Jahr wiederkommen können und daß das mit uns beiden nicht nur ein wildes Spiel bleibt."

"Weil eure Ex-Verweigerin das immer behauptet hat, ich würde nur mit dir spielen wollen? Oder weil Gérard dir sowas erzählt hat?" Fragte Millie.

"Vielleicht beides. Aber die Brücke hat uns ja doch gezeigt, daß wir wohl für länger zusammenbleiben werden", bemühte sich Julius um Millies gute Stimmung.

"Aurore wartet schon darauf, das sie an die Luft kommt", wisperte Millie ihm ins Ohr und ergriff seine Hand, um sie sich auf den warmen Bauch zu legen. "Sie schläft noch. Aber ich habe schon von ihr geträumt."

"Öhm, Aurore?" Fragte Julius. Doch dann fiel ihm siedendheiß der Traum ein, den er im Sonnenblumenschloß geträumt hatte. Da hatten er und Martine zusammen eine Tochter, die Aurore geheißen hatte, und er hatte ihre Einschulung in Beauxbatons geträumt. Millie hatte es später mitbekommen, wie er sich mit ihrer Schwester darüber unterhalten hatte, nachdem Orions Leidenschaftsfluch ausgelöscht worden war. Er fühlte sein Gesicht so heiß werden, als habe er sich mal eben einen Sonnenbrand eingefangen. Nicht Scham oder auch nur Verlegenheit war daran Schuld, sondern eine heftige wohltuende Erregung.

"Und wenn sie doch ein Junge wird?" Fragte er mit trockener Kehle und klopfendem Herzen.

"Sie wird irgendwann aufwachen, sich breitmachen und dann rauskommen, wenn wir sie zusammen ins Leben tanzen, Julius. Ob sie davor einen Bruder durchläßt oder die erste ist ist ihr da bestimmt völlig egal", säuselte Millie. Julius fiel dabei ebenso siedendheiß ein, daß er vergessen hatte, Aurora Dawn einzuladen. Das wäre dann die weitere Ausnahme von der Regel, nur Leute unter einundzwanzig einzuladen. Doch zunächst galt es, den Moment mit Mildrid zu Ende zu genießen, ohne weiter zu gehen als zu fünf schweigsamen Minuten mit zärtlichen Berührungen und aneinandergekuschelten Körpern, sich einander in einen sanften Atemrhythmus zu bringen und einfach nur einander zu wärmen, ohne es zum äußersten zu bringen. Julius fühlte sich so geborgen wie damals, als er mit Claire den Corpores-Zauber vollführt hatte, oder so innig, als würden Millie und er sich wirklich miteinander vereinigen. Zwar fühlte er seine Männlichkeit nach mehr verlangen, doch er vertröstete sie wortlos auf eine Gelegenheit, wo es nicht nur erwünscht, sondern auch besonders anregend sein würde. anregend, wie unter einer gläsernen Kuppel im Licht des Mondes zu baden oder unter dem gleichmäßigen Geräusch anbrandender Wellen einander zu geben und zu nehmen.

"Na, was stellt ihr an. Ihr seid zu ruhig", mentiloquierte Martine Julius und zerrte ihn aus dieser wohligen Zweisamkeit.

"Millie meinte, daß deine zukünftige Nichte sich beschwere, daß wir sie erst ins Leben Tanzen, wenn sie einen Cousin oder eine Cousine zum Spielen hat", schickte er zurück, während Millie sanft und warm gegen seine rechte Schulter atmete und ihn so innig an sich hielt, daß er ihr Herz durch seinen Brustkorb schlagen fühlen und hören konnte.

"Dann sollte ich mir vielleicht gewisse Möglichkeiten entfernen lassen", kam Martines Antwort. "Aber das werde ich weder mir noch meinen Eltern antun, auf verdörrten Garten zu machen." Sage meiner Schwester, wenn sie dich nicht gerade vernascht, könne sie gleich zum Abendessen runterkommen. Sollte sie dich nicht einverleibt haben, kannst du ja mitkommen."

"Hey, was ist, Monju", flüsterte Millie, die merkte, daß Julius' Aufmerksamkeit anderswo war.

"Deine Schwester Tine meinte, daß wir beide zum Abendessen runterkommen könnten, wenn du von mir noch nicht satt seist und nicht gerade dabei wärest, mich zu verdauen oder sowas."

"Eifersüchtig, die gute Tine", grinste Millie. "Sie hat gemerkt, daß wir beide zu ruhig sind aber nix gehört, was sie weiterpetzen müßte. Hast du ihr erzählt, wie ihre erste Nichte heißen soll?"

"Das weiß die schon, weil sie deine Tochter als ihre Tochter gekriegt hat."

"Das wüßte ich aber, Monju", schnarrte Millie und biss Julius sachte aber Spürbar in das rechte Ohrläppchen. "Meine Babys kriege ich. Aber wenn Maman das Essen fertig hat, sollten wir runtergehen, bevor sie selbst nachguckt, was wir treiben."

"Dann mal los", meinte Julius und entwand sich behutsam der innigen Umarmung seiner Freundin. Wieso hatte er früher immer gedacht, daß er die nicht leiden konnte? Womöglich, weil er da wußte, daß er mit Claire ähnlich herrliche Erlebnisse haben konnte und sich nicht zwischen ihr und Millie hin und her reißen lassen wollte.

"Also, es bleibt dabei, daß Tine euch zwei nach New Orleans rüberbringt, wo die Foresters euch abholen. Vom betrunkenen Drachen aus flohpulvert ihr dann alle zusammen nach Viento del Sol", legte Hippolyte Latierre noch einmal fest. Millie und Julius nickten. Julius genoss das Abendessen bei den Latierres und kehrte um elf Uhr in die Wohnung seiner Mutter zurück, die noch am Computer saß.

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Am nächsten Morgen, als Martha mit einigen CD-ROMs in der Handtasche zur Wohnungstür hinausgetreten war, rief Julius Aurora Dawn in Sydney an und fragte sie, ob sie es einrichten könne, am zwanzigsten Juli nach Millemerveilles zu kommen.

"Hmm, unsere große Großmeisterin wollte am neunzehnten Juli eine Hauptversammlung aller magischen Heiler in Australien einberufen. Da ich hier ja niedergelassen bin, muß ich dabei sein", sagte Aurora Dawn durch den Telefonhörer. "Andererseits hat mich Camille auch schon angeschrieben, ob ich nicht zu Virginies Hochzeit kommen könne. Allerdings fehlt mir von der eine offizielle Einladung. Und ohne sowas gehe ich zu keiner Hochzeit."

"Hmm, solltest du dann wieder bei Camille Dusoleil übernachten?" Fragte Julius.

"Das hatte sie so geplant", meinte Aurora Dawn amüsiert dazu. "Irgendwie hat sich das eingebürgert, seitdem Madame Faucon dich zum ersten Mal nach Millemerveilles rübergeholt hat", fügte sie vergnügt klingend hinzu. "Aber Mrs. Morehead ist ziemlich strickt, wenn es um von ihr einberufene Sitzungen geht."

"Hast du mir doch letztens erzählt, daß sie die ganze Heilerschaft Australiens gut im Griff hat", erinnerte sich Julius an Sachen, die Aurora ihm in den letzten Weihnachtsferien erzählt hatte.

"Du bist bis zum neunzehnten in Paris, Julius?"

"Nein, ich reise bis zum neunzehnten nach Viento del Sol, weil Ms. Forester mich eingeladen hat, ihr erstes Profi-Spiel anzugucken", antwortete Julius.

"Ach, Brittany Forester? Hörte sowas, daß sie wohl bei ihrer Heimmannschaft untergekommen sein soll. Quodpot ist zwar nicht so mein Sport. Aber was in dieser Richtung neues passiert kriege ich doch von dem einen oder der anderen mit", erwiderte Aurora Dawn. Dann warf sie ein, daß Julius dann ja schwer die Antworten auf seine Einladungen bekommen würde, falls er die noch abschicken müsse.

"Ich denke, die ersten Antworten kriege ich schon morgen oder übermorgen. Ich habe mir den Luxus von Expressbriefen gegönnt."

"Wo die Antwort schon bezahlt ist", vermutete Aurora. Julius bejahte es. Er erwähnte auch, daß er doch noch Kevin Malone eingeladen hatte und es irgendwie mit Camille Dusoleil klarbekommen würde, daß sie ihn nicht bei der Ankunft gleich Schrubber und Harke zum Parkputzen in die Hand drücken würde.

"Ich fürchte, da hat sie nicht alleine drüber zu befinden. Wenn ich mich recht erinnere hat Madame Delamontagne sehr wütend dreingeschaut, als dein frecher Schulfreund ihre Zwangsmaßnahme lächerlich gemacht hat", erinnerte sich Aurora Dawn. Julius bestätigte das grinsend. "Na ja, er wird wohl eine Ausrede finden, nicht kommen zu müssen oder verlangen, daß du anderswo nachfeierst, denke ich mal."

"Hmm, könnte ihm glatt einfallen", stimmte Julius leicht verhalten zu. "Dann kann ich ihm nicht helfen. Ich habe zumindest bis zum achtundzwanzigsten in Millemerveilles zu tun und für einen alleine feiere ich meinen Geburtstag nicht nach."

"Mußt du wissen", erwiderte Aurora. Dann sagte sie noch: "Ich sehe zu, daß ich am zwanzigsten noch irgendwie rüberkommen kann, sollte die Vollversammlung früh genug aufhören. Solange sie die Flohnetzpassage nicht wieder so gemein erhöhen wie damals bei der Quidditch-Weltmeisterschaft geht's ja."

"Die nächste ist erst im nächsten Jahr", erwiderte Julius und dachte im stillen daran, ob es überhaupt noch eine geben würde, falls die Lage in seiner alten Heimat sich noch mehr verschlimmern und auf andere Länder übergreifen würde.

"Hat Pam mich auch schon drauf hingewiesen und gefragt, ob die Mannschaftsunterkunft schon steht. Na ja, aber bis dahin könnte ja noch so viel passieren. Wollen mal hoffen, daß wir alle im nächsten Jahr noch da sind."

"Hoffe ich auch", sagte Julius so betrübt klingend wie Aurora Dawn. Dann verabschiedete er sich von ihr und legte auf. Von unten hörte er Catherine singen. Offenbar wollte sie Claudine ein schönes Lied vorstellen, besser als diese komische Titelmelodie von den Teletubbies. Julius dachte daran, daß Catherine jetzt noch einige Monate Mutterschaftsurlaub hatte und daher nicht an die gefährlichsten Schauplätze der Welt reisen mußte. Ihm gingen seine Erlebnisse in Khalakatan wieder durch den Kopf. Irgendein Schicksal, das er nicht für möglich gehalten hatte, hatte ihm wieder was aufgeladen. Er wäre froh gewesen, wenn er in dieser riesigen Kugelhalle mit den magisch konservierten Altmeistern gehört hätte, daß er Ailanorars Wunderinstrument sofort hätte holen und anwenden können. So hing die ganze Sache nun bis November über ihm wie eine immer schwerer und dunkler werdende Gewitterwolke, aus der ihn jeden Moment ein Blitz treffen konnte. Warum hing es denn unbedingt an ihm? Die einzige Antwort war, weil er vielleicht zu übermutig im Umgang mit Magie geworden war und damit ohne es zu wissen die Grundbedingungen erfüllt hatte, ihn zum Boten Darxandrias bestimmen zu können. Daß er doch nur ein gerade mal fünfzehn Jahre alter Junge war, der seinen Vater verloren hatte und trotz aller Verbundenheit mit Millie um seine fortgegangene Verlobte Claire trauerte, war dieser Schicksalsmacht total egal. Er erfüllte die Bedingungen, also hatte er auch den Job zu machen, der zu machen anstand. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er Catherine, Professeur Faucon oder Glorias Oma Jane einfach hätte sagen können, daß Ailanorars Stimme da und da herumläge und so und so abgeholt und benutzt werden könne. Dann wäre er diese Sache los. Denn zum einen fühlte er einen unangenehmen Druck auf seiner Seele lasten, weil irgendwer zwischen Himmel und Erde ihm die ganze Welt auf die Schultern gelegt und ihm zugeflüstert hatte, sie ja nicht runterfallen zu lassen. Zum anderen hatte er auch eine nicht zu verkennende Angst vor dem, was mit ihm oder denen, die er liebte und mochte passieren würde, falls jemand wie Voldemort oder die Wiederkehrerin herausbekommen würden, daß er erfahren hatte, was gegen die irgendwann vielleicht aufwachenden Schlangenmonster getan werden konnte. Voldemort hätte ihn sofort ermordet, um den gefährlichen Mitwisser und möglichen Störer seiner Pläne auszuschalten. Was die Wiederkehrerin anging, so wußte er nicht, ob sie ihrem Nebenbuhler um die Macht nicht sein atlantisches Spielzeug wegnehmen und selbst benutzen wollte oder wie Julius auch nach der Vernichtung der schlafenden Krieger strebte, um eine auch für ihre Ziele zu große Gefahr auszuräumen. Ihn beruhigte nur, daß er alles, was er in der Kugelhalle der Altmeister erfahren hatte nicht gegen seinen Willen preisgeben konnte. Eine Art in ihm gebündelter Fidelius-Zauber schützte das ihm zugetragene Wissen davor, in die falschen Hände zu fallen. Allerdings fragte er sich, wann Professeur Faucon ihn zu sich bitten würde, um die von ihm erwähnten mächtigen Abwehrzauber zu erlernen, mit denen er ohne zu töten Feinde zurückschlagen, am Töten hindern oder sie aus einem bestimmten Raum aussperren konnte. Doch eigentlich wollte er für's erste nicht mehr an Khalakatan und das gläserne Konzil denken. Andererseits fragte er sich mit einer Mischung aus Beklemmung und Vergnügen, ob die beiden goldenen Diener, dem Kommandanten der sonnengelben Garde und Ashsanmiridia, die wohl immer noch auf ihn warteten, falls sie nicht auf die Idee kamen, nach ihm zu suchen, weil er sich nicht wie angekündigt nach sechs Stunden wieder bei ihnen gemeldet und sie mitgenommen hatte. Vielleicht hatten diese magischen Androiden auch kein Gefühl für verstreichende Zeit, wenn sie in ihrer Wartehalle geparkt waren, dachte Julius. Wer Jahrtausende zu warten hatte war ohne Zeitgefühl besser dran. Irgendwie vermied er es, in maschinenhaften Begriffen wie Programmierung, Betriebsarten und Bereitschaftsmodus zu denken, erkannte er. Trotz der metallischen Beschaffenheit und beinahe seelenlosen Sprechweise waren ihm die goldenen Gardisten und die Goldmädchen nicht wie übliche Roboter oder Androiden à la Data vorgekommen, selbst wenn ihre Nachahmungen in der Bilderwelt von Hogwarts typische Androiden gewesen waren. Doch weil sie ihn bisher nicht gefunden hatten, ging er davon aus, daß sie noch auf ihn warteten, im Bereitschaftsmodus wie ein Fernseher, den man irgendwann in einer Stunde oder so noch einmal einschalten wollte. Wenn es nach ihm ging, konnten sie so warten, bis er hundert Jahre alt war.

"Hallo, Julius, bist du da?" Hörte er Célines Stimme aus dem Wohnzimmer. Er eilte schnell dorthin und sah den Kopf seiner Klassenkameradin im Kamin sitzen.

"Hi, Céline, wie geht's?"

"Schwindelig, wenn einem der Kopf von den Schultern geschraubt und durch die Gegend gekullert wird", sagte Céline, die eine winzige Spur blasser im Gesicht war als ohnehin schon. "Aber ich wollte dich fragen, ob du wegen der Hausaufgabe für Königin Blanche rüberkommen kannst. Robert und Gérard wollen gleich auch noch kommen. Wenn Gérard es hinkriegt kommt auch noch Sandrine."

"Wegen der Sache mit den dunklen Verkehrungen bei Objektbezauberungen?" Fragte Julius.

"Neh, wegen der Verwandlungsaufgabe. Du weißt doch, die will uns schon auf die Verschwindesachen einrenken, die Connie und du ja schon hinter euch habt. Robert meinte, du könntest uns da was zu erklären, wie wir das verstehen könnten, ohne es selbst machen zu müssen."

"Hmm, schwierig, ohne selbst zu zaubern", erwiderte Julius, der innerlich jedoch heilfroh war, mit sowas alltäglichem wie Hausaufgaben behelligt zu werden. "Aber ich kriege das hin." Er blickte auf den Kamin und stellte fest, daß er vollständig passierbar war. Dann meldete er sich bei Catherine ab und flohpulverte zu den Dorniers, obwohl die nur wenige Kilometer weit entfernt wohnten.

"Schade, daß Bébé nicht rüberkommen kann. Ihre Eltern ärgern sich noch, daß ihnen die Delamontagne eingeredet hat, mit ihr nach Millemerveilles zu reisen", sagte Céline, als sie mit Sandrine, Gérard, Robert und Julius zusammen in ihrem blauen Zimmer saß.

"Culie kann nicht. Er lernt wohl Belisamas Familie kennen. Vielleicht läßt er die dann wieder sausen", meinte Robert verächtlich. Julius überhörte es ebenso wie Sandrine und Céline. Nur Gérard grinste feist.

Sie saßen nun bei den Hausaufgaben, während Cytheras fröhliche Stimme und das Trippeln ihrer kleinen Füße durch das Haus klangen. Ab und an rumste es, weil die Nichte Célines wohl einen Stuhl umgerissen hatte.

"Connie nimmt jetzt noch besser ab, weil sie dauernd hinter der Kleinen herläuft", meinte Céline, als Cythera einmal erschrocken losheulte. Robert meinte, daß das wohl ziemlich anstrengend sei, hinter einer gerade zu laufen anfangenden Einjährigen herzusein.

"Das ist Connies Pech", knurrte Céline.

"Kriegt die nicht in den nächsten Tagen ihre ZAG-Noten?" Fragte Julius, der sich auch außerhalb von Beauxbatons für Constance und ihre kleine Tochter interessierte.

"Ja, kriegt sie", bestätigte Céline. Dann bat sie Julius noch einmal, ihm die Sache mit der Materiebalance in einfachen Worten zu erklären und die entsprechenden Gesten mit dem Zauberstab nachzuahmen.

Madame Dornier lud Célines Klassenkameraden zum Mittagessen ein. Ihr Mann war in seiner Firma. Constance plauderte mit Julius über dessen Jahresendprüfungen und ob es stimme, daß er bei den Dusoleils war, um Jeannes und Brunos Baby zu besuchen. Julius erzählte bereitwillig, wie er mit den Dusoleils und van Helderns gefeiert hatte. Über die Latierres und seine Beziehung zu Millie verlor bei Tisch keiner ein Wort. Julius wußte zu gut, daß Céline sich wohl schon vorbereitete, an seinem Geburtstag keinen Streit mit Millie anzufangen. Julius erwähnte, daß er vor seinem Geburtstag noch eine Einladung nach Amerika hatte und sprach über Quodpot und die in den Staaten verwendeten Rennbesen. Cythera wuselte derweil herum, plapperte und brabbelte, während sie sich von Tischbein zu Tischbein, Stuhl zu Stuhl hangelte, weil sie noch nicht frei auf ihren kurzen Beinchen laufen konnte. Einmal nahm Julius sie auf seinen Schoß, als Robert eine wegscheuchende Handbewegung machte, die seiner Freundin sichtlich mißfiel.

"Oi, du kriegst aber gut zu essen, hör mal", sagte Julius dem kleinen Mädchen und streichelte ihm zärtlich über den schwarzen Schopf, wie er es schon getan hatte, bevor sie richtig auf der Welt gewesen war.

"Wir müssen schon aufpassen, daß sie nicht zu schwer wird", meinte Constance. "Die ist wie eine Raupe."

"Joh nö?" Bemerkte Julius dazu und schaukelte Connies kleine Tochter auf den Knien.

"Pprobst wohl schon Papa zu sein, wie?" Knurrte Robert. Schlagartig fiel totale Stille wie eine Decke aus Eis über den Tisch. Auch Cythera hörte zu giggeln auf und blickte sich verunsichert um, ob gleich jemand sie ausschimpfen würde. Julius ließ die Stille einige Sekunden lang einwirken. Dann sagte er:

"Ich hab noch Zeit zum üben, Robert. Keiner hetzt mich. Dich doch auch nicht, oder?"

"Öhm, nöh", erwiderte Robert mit roten Ohren. Madame Dornier, die die schlagartige Stille nicht leiden mochte sagte:

"Julius hat Cytie zur Welt geholt, zusammen mit Jeanne und Martine. Warum soll er sie nicht mögen, nur weil er als Pflegehelfer andauernd mit ihr zu tun hat? Abgesehen davon ist das nichts schlimmes, wenn ein Junge in dem Alter gut mit Kindern umgehen kann. Das heißt ja nicht, daß er schon darauf ausgeht, eigene zu zeugen."

"Genau", bestätigte Julius nun ganz gelassen. Cythera konnte nichts für Célines Abneigung gegen Millie und daß Robert sich häufig von ihr und Hercules angenervt fühlte, wenn sie darüber sprachen, daß Julius sich "das verkehrte Mädchen" ausgesucht hatte oder sich beklagten, daß er sich hatte einfangen lassen. Womöglich kam daher auch Roberts gehässige Bemerkung, Julius würde schon üben.

"Lassen wir das, Robert", knurrte Céline, die merkte, daß sie knapp davor waren, über die Beziehung von Mildrid und Julius zu reden. Robert nickte nur. So sprachen sie weiter über Cytheras bisherige Entwicklung. Julius erwähnte Claudine, und daß sie nun, wo sie bald zwei Monate auf der Welt war, auch schon gut an Größe und Gewicht zugelegt hatte. Auf die Frage, wie Babette ihre kleine Schwester denn angenommen habe sagte er, daß es am Anfang wohl für sie schwierig war. Wie es jetzt genau sei, wisse er nicht hundertprozentig. So vergingen anderthalb Stunden, nach denen Julius mit seinen Klassenkameraden noch weitere Hausaufgaben durchsprach und zusammenschrieb. Gérard meinte einmal, daß Hercules doch ein Idiot sei, das nicht auszunutzen, daß sie alle doch so gut zusammenkommen konnten. Julius verzichtete darauf, etwas dazu zu sagen.

Um vier uhr kehrte er in die Wohnung seiner Mutter zurück. Er ging zum Kaffeetrinken hinunter zu Catherine, Babette und Claudine und unterhielt sich über seinen Tag bei den Dorniers und wie weit Cythera schon war. Babette erzählte ihm strahlend, daß sie von Mayettes Oma ein Buch geschenkt bekommen habe.

"Mein Geschwisterchen und ich heißt das, Julius. Madame Latierre hat gesagt, die hätte das selbst geschrieben, als sie so raushatte, wie größere Kinder mit Babys klarkämen und wie die das besser hinkriegen könnten, ohne wie 'ne Lehrerin auftreten zu müssen. Sind auch Bilder drin, wie so'n Baby gefüttert und gewickelt wird."

"Die gute Ursuline Latierre hat aus ihrer körperlichen Leidenschaft ein kleines Vermögen gemacht. Aber klar, bei nun zwölf Kindern durchaus nötig", erwiderte Catherine leicht amüsiert. Dann schickte sie Babette, Julius das erwähnte Buch für große Geschwister zu zeigen. Julius sah die lebendig gezauberten Bilder, die Babys mit unterschiedlichem Geschlecht zeigten, wobei bei den Jungen in Himmelblau "Junge" und bei den Mädchen in Schweinchenrosa "Mädchen" drunterstand. Einmal meinte Julius Hippolyte, Barbara oder Béatrice als Wickelkind abgemalt oder abfotografiert zu sehen. Er grinste, als er ein Bild mit einer fröhlich lächelnden Mutter sah, die ihr Baby stillte, wo zwei etwas größere Kinder dabeistanden und das Geschwisterchen sicher hielten, um die Arme der Mutter zu entlasten. Er las die Begleittexte und schmunzelte. Dann meinte er:

"Steht nix drin, daß das ein Mädchenbuch ist."

"Das soll auch für Jungs sein, die damit klarkommen müssen, daß sie zwar die größeren in der Familie sind, aber dann doch noch Kinder sind und wie sie das mit ihren Geschwistern hinkriegen", erwiderte Catherine. Sie lächelte Julius wohlwollend an. Immerhin hatte er Babette davon abgehalten, ihrer kleinen Schwester was zu tun, weil sie vor lauter Angst, ihr Vater könnte einfach so weggehen, total wütend auf sie gewesen war. Während er das Buch vorsichtig zuklappte sagte er, daß Mayette wohl auch dieses Buch bekommen habe, jetzt wo sie gleich zwei kleine Geschwisterchen bekommen habe. Babette grinste belustigt, was Julius als Ja verstand. Catherine sagte dann noch, daß er, falls er morgen nicht noch eine Einladung zu irgendwem bekommen würde, ruhig herunterkommen könne.

"Die Maschinen da oben ersetzen keine menschliche Nähe, Julius. Ich sehe das bei Joe, wenn der meint, von uns nichts wissen zu wollen und dann nur vor diesem Rechnerkasten hockt, als wenn der ihm den Kummer und die Anstrengung vertreiben könnte."

"Robert hat sich gefreut, als ich ihm die ersten Bilder vom Mars aus dem Drucker gezogen habe", meinte Julius dazu. "Außerdem denke ich nicht, daß ich da oben nur am Computer hänge, wenn ich auch Fernsehen und Radio habe."

"Was nicht wesentlich besser ist", seufzte Catherine. Babette antwortete vorlaut:

"Sag nicht wieder, Fernsehen sei blöd, wenn du selbst immer wieder wissen willst, was da so alles passiert, maman!"

"Heh, nicht so dreist, Mademoiselle", wies Catherine ihre älteste Tochter zurecht. "Ich möchte halt nicht von deinem Papa oder dir für hinterweltlerisch angesehen werden und muß ja schließlich wissen, was ihr beiden euch in diesem Flimmerbildkasten so anseht. Alles ist ja nun wirklich nicht gerade empfehlenswert."

"Ja, aber besser als nur im Schreibzimmer zu sitzen", nölte Babette.

"Ich kann das mit deinem Vater klären, ob er dich noch so häufig fernsehen läßt, junge Dame", drohte Catherine sehr ernst. "Abgesehen davon solltest du langsam mal daran denken, daß du in einem Jahr nach Beauxbatons wechselst, wo die keine Radio- und Fernsehapparaturen haben."

"Ja, in einem Jahr. Außerdem kann Papa mir die Sendungen, die ich gerne sehe auf Video aufnehmen, wie Julius' Maman das macht."

"Hallo, mich laßt jetzt mal daraus", erhob Julius Einspruch und machte Anstalten, die Wohnung zu verlassen. Catherine zupfte ihm jedoch am T-Shirtkragen und mentiloquierte ihm, er möge bitte dableiben.

"Julius' Maman nimmt ihm Nachrichten und Reportagesendungen auf, damit er weiß, was in der magielosen Welt so passiert ist, während er in der Schule ist, ma Chere. Dich interessieren doch keine Nachrichten."

"Natürlich tun die das, Maman", widersprach Babette finster dreinschauend. "Sonst wüßte ich ja nix von den Spice Girls oder das dem Prinz Charles seine geschiedene Frau sich in so'n reichen Typen verknallt hat. Vielleicht heiratet die den sogar."

"Allein schon die Wortwahl", grummelte Catherine. Julius meinte dazu:

"Kann sein. Aber dann kommt das nicht unbedingt ins Fernsehen, weil die Königin von England ziemlich sauer auf ihre Ex-Schwiegertochter ist. Wollen nur hoffen, daß bei denen nix passiert, was echt fiese Nachrichten gibt."

"Wie meinst'n das?" Fragte Babette. Catherine seufzte, und Julius überlegte, wie er ihr das so schonend wie möglich erklären konnte, daß er Angst um seine Freunde in England und deren Verwandte hatte. Er sagte:

"Letztes Jahr um die Zeit hat's da 'ne Brücke in einen Fluß runtergerissen. Der böse Zauberer, vor dem wir alle wohl aufpassen sollen, macht da jetzt, was er will. Ich weiß echt nicht, was dem noch so einfällt."

"Oma Blanche sagt, daß er keinen liebhat und allen wehtut", seufzte Babette.

"Ganz genau", knurrte Julius. Catherine meinte dazu:

"Deshalb hat Oma Blanche ja auch Angst gehabt, als Julius und seine Maman einfach so von ihrem Haus wegziehen mußten, wo Oma Blanche und ich das hinbekommen haben, daß da auch ein Schutzzauber drum herum aufgerufen wird. Deshalb haben deine Oma und die Grandchapeaus es ja auch so gemacht, daß Oma Jennifer und Opa James besser geschützt sind, ma Chere."

"Ja, aber die sagen das doch nicht in den Nachrichten, ob er was schlimmes macht oder nicht", wandte Babette ein. Julius nickte.

"Das kriegst du nur mit, wenn du beide Nachrichtenquellen hast, die von der Zaubererwelt und die aus dem Fernsehen." Catherine nickte. Dann bat sie darum, daß Thema wieder zu wechseln, was auch Babette sichtlich behagte, weil die Drohung mit dem Fernsehentzug damit auch aus dem Spiel war.

"Hast du denn jetzt auch einen Zauberstab, Babette?" Fragte Julius.

"Kriege ich kurz vor der Anfängerklasse", sagte Babette. "Wir dürfen damit ja eh nur Lichtzauber, Funken, Farbveränderungen und Groß- und Kleinmachzauber machen."

"Und niedere Verwandlung von nicht lebenden Sachen", sagte Catherine. Ansonsten ist es wie jede andere Schule, wo noch Rechnen, Lesen und Schreiben, Tier- und Naturkunde drankommt, wenngleich da auch schon über magische Tierwesen wie Gnome, Flubberwürmer, Feen und Knuddelmuffs gesprochen wird und es auch um Eulen und sprechende Raben geht."

"Huch, Knuddelmuffs und Feen hatten wir in der dritten doch erst", erinnerte sich Julius.

"Ja, als umfassende Unterrichtseinheit", sagte Catherine. Bei Babettes Schule werden diese Wesen nur vorgestellt und für ein oder zwei Stunden besprochen, damit sie die schon mal gesehen haben, wenn sie keinen Knuddelmuff zu Hause haben."

"Sprechende Raben sind doch nichts rein magisches", sagte Julius.

"Wenn sie so gut sprechen können wie Menschen und nicht nur nachplappern und wenn sie ähnlich wie Eulen zu Botenflügen losgeschickt werden können schon. Abgesehen davon, daß Zauberraben an die hundert Jahre alt werden können", wandte Catherine ein. "Meine Oma Claudine hat zwei davon gehabt. Tante Madeleine hat deren Küken großgezogen und ein halbes Dutzend von denen im Haus."

"So wie Jakob Krakel", meinte Babette. "Der ist in einem Buch von dem, der die Geschichte von Jim Knopf geschrieben hat. Da geht's auch um einen Zaubertrank", sagte Babette. "Kennst du den satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch, Julius?" Fragte sie dann noch. Julius mußte über das lange, wohl aus vielen Einzelwörtern zusammengeschmiedete Wort lachen und den Kopf schütteln. Babette lachte auch, und ihre Mutter lächelte erheitert. Babette holte das besagte Buch und erwähnte auch, daß das Rezept für diesen merkwürdigen Trank fünf Meter lang sein solle. Julius überlegte, ob er einen echten zaubertrank kenne, dessen Rezeptur auf so viel Pergament geschrieben werden mußte. Rein rechnerisch kam er bei der üblichen Druckschrift nur auf zwei Meter, was dem Felix-Felicis-Trank entsprach, über den er sich ohne Aufforderung mal schlau gelesen hatte. Er fragte, ob der Erfinder des Wunschpunschs das Rezept komplett niedergeschrieben hatte. Catherine lachte und meinte, daß das Buch dann erstens wesentlich dicker und zweitens wohl sehr langweilig geworden wäre. Abgesehen davon, daß der Autor wohl anderes im Sinn hatte, als seinen Lesern falsche und viel zu aufgeblähte Zaubertrankrezepte zu lesen zu geben. Julius bat darum, sich das Kinderbuch bis zu seiner Abreise auszuborgen und überließ Babette dafür sein Buch über Drachen. So hatte er etwas, was er in den nun noch zwei verbleibenden Tagen ohne Computer und Fernseher machen konnte.

Abends im Bett mentiloquierte er Millie einen Gutenachtgruß und verstrickte sich mit ihr in einer Plauderei über den Tag bei den Dorniers und das Muggel-Kinderbuch, daß Julius sich ausgeborgt und schon einige Seiten gelesen hatte.

"Frag Madame Denk-nicht-dran nach den Ferien, ob die diesen Satanarcholügen-Punsch kennt, Monju. Ist ja echt knuffig, was sich Muggel so ausdenken können", hörte er Millies amüsierte Gedankenstimme in seinem Kopf hallen.

"Den Teufel werde ich tun. Nachher kennt die echt einen Trank, dessen Zubereitung auf fünf Meter Pergament steht und läßt uns den zum Warmlauf für die offiziellen ZAGs nachbrauen. Wäre zwar mal was lustiges, drei Wochen an einem Trank zu panschen. Aber die Anderen würden uns dann nicht mal mehr mit dem Hintern angucken, deine und meine Leute."

"Und Culie erforscht Belisama, statt Königin Blanches Hausarbeit mit euch zusammen zu machen?" Fragte Millie gehässig nachschwingend. Julius schickte zurück, daß Hercules wohl schon selbst gucken würde, daß er alle Hausaufgaben hatte, wenn er außer dem Putzdienst, der ihm im nächsten Jahr blühte, nicht noch mehrere Stunden Nachsitzen bei Professeur Faucon abkriegen wollte.

"Was für Klamotten nimmst du eigentlich mit rüber?" Fragte Millie Julius.

"Och, zwei gewöhnliche Jeans, drei T-Shirts, einen grünen und einen blauen Umhang."

"Den weinroten nicht oder den himmelblauen mit dem gelben Saum?" Fragte Millie. Julius überlegte. Natürlich mußte er ja schon für Millemerveilles vorplanen. So berichtigte er seine Kleiderliste und nahm es mit einem gewissen Murren hin, daß Millie diese noch einmal überarbeitete, um was mitzunehmen, was zu seinen Sachen passen mochte. Julius kannte es noch von Claire, daß Mädchen manchmal meinten, die Welt ginge unter, wenn die Kleidung nicht richtig ausgesucht würde. Außerdem wollte er dann noch sein Schachspiel, die Centinimus-Bibliothek und den Rennbesen mitnehmen, falls sie drüben noch einmal spielen konnten. Millie bestätigte, daß sie auch ihren Besen mitnehmen würde. Für einen Moment blitzte in Julius Erinnerung das Bild auf, wie sie ihren und seinen Besen behutsam übereinanderlegte, als sie das letzte Mal in Viento del Sol gewesen waren.

Als sie beide ihre Urlaubsausrüstung abgesprochen hatten, wünschten sie einander noch einmal eine gute Nacht und beendeten die unhörbare Fernverständigung.

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"Irgendwie komme ich mir schon komisch vor", bemerkte Martha am nächsten Morgen, als sie mit ihrem Sohn beim Frühstück saß. Julius fragte sie, was sie meine.

"Okay, falsche Einleitung", bemerkte Martha Andrews. Dann holte sie tief luft und sagte ruhig, ja mit einem Anflug von Lächeln: "Ich wurde gestern von Madame Belle Grandchapeau darüber informiert, daß sie im Februar ein Kind erwarte. Da mußte ich wieder daran denken, daß fast überall um mich herum junge Mütter und Babys leben. Catherine, der halbe Latierre-Clan, Jeanne Dusoleil, Barbara van Heldern und Eleonore Delamontagne. Irgendwie hänge ich dann immer bei der Frage fest, ob ich irgendwas versäumt habe, weil ich nach dir kein Kind mehr bekommen habe oder mich glücklich schätzen darf, daß ich meine volle Aufmerksamkeit auf dich konzentrieren kann und nicht auf zwei oder drei Kinder aufpassen muß."

"Ups, das habe ich nicht überlegt", gestand Julius ein. Sicherlich hatten sie bei der Willkommensfeier für die vielen neuen Kinder davon geredet, daß seine Mutter sich seltsam ausgeschlossen vorkam, weil sie kein Baby zu versorgen hatte. Aber daß sie immer noch daran zu knabbern hatte, daß sie selbst "nur" einen Sohn bekommen hatte war ihm nicht eingefallen. Er konnte nur sagen, daß seine Mutter wohl etwas für sie wichtigeres im Leben gefunden hatte.

"Es ist nur sehr bedrückend, daß ich das Leben einer Witwe führe, die jeden Tag daran erinnert wird, daß andere Paare glücklich sind und ihre Familien vergrößern. Ja, und bevor du es sagst, mein Sohn, ich bin Witwe, auch wenn ich mich weit vorher von deinem Vater habe scheiden lassen. Ich wollte das so nicht haben, und er wußte das. Zumindest bin ich mir sicher, daß er da noch frei von dieser Monsterfrau denken konnte, als er seinen Kumpanen Underhill auf mich angesetzt hat, um mich für verrückt erklären lassen zu können."

"Ja, aber du sagtest selbst, daß du gelernt hast, damit klarzukommen. Und wir sind ja doch irgendwie noch zusammen. Ich bin ja noch nicht aus deinem Leben raus."

"Was früher oder später passieren wird, und ich hoffe, es wird so sein, daß du nur aus meinem Leben verschwindest, indem du mit Mildrid deinen eigenen Weg machen wirst und nicht bei einem dieser magischen Himmelfahrtskommandos für Blanche und ihre Bundesgenossen stirbst", seufzte Martha.

"Ich liebe mein Leben auch, Mum. Sonst wäre ich schon längst nicht mehr da", erwiderte Julius ungehalten. Seine Mutter hatte es geschafft, eine frohe Nachricht ohne Zauberkraft in ein betrübliches Thema zu verwandeln. Ihn ritt ein Frechheitsteufelchen, ihr vorzuschlagen, sich einen neuen Mann zu suchen und auf irgendeine Weise noch ein Kind zu kriegen. Doch dann ertappte er sich bei der Frage, ob er das vertragen konnte, wenn seine Mutter noch einmal Mutter würde. Babette war zwar auch nicht gefragt worden, hatte aber durch ihre Freundinnen Mayette und Denise Gefallen an Geschwistern gefunden, während er immer froh gewesen war, keinen besserwisserischen großen Bruder oder eine zeternde kleine Schwester zu haben. Andererseits stand es ihm nicht zu, seiner Mutter das Kinderkriegen zu verbieten, wenn sie meinte, damit mehr Spaß am Leben zurückzukriegen. Er hatte es ja gestern erst erlebt, daß es schon was schönes sein konnte, mit Kindern zu spielen, vielleicht auch, weil er dann selbst wieder ein kleiner Junge sein konnte. Aber würde das so bleiben, wenn er irgendwann mal eigene Kinder haben würde? Da fielen ihm passende Worte ein, um seiner Mutter vielleicht wieder Mut zu machen:

"Millie würde mich wohl zum Schornstein hinausjagen, wenn ich ihr nicht erlauben würde, deine Enkelkinder zu dir zu bringen, Mum. Die Latierres sind richtige Familientiere. Bei denen hat gefälligst jeder zu dem zu stehen, was er ist, Vater, Onkel, Bruder, Sohn."

"Wißt ihr das heute schon, was ihr nach Beauxbatons macht? Weiß ich das heute schon, ob ich nicht irgendwann in zwei oder drei Jahren in eine Gegend umsiedeln muß, wo es keinen Anschluß an die Zaubererwelt gibt?"

"Im Moment wohl eher nicht, Mum", erwiderte Julius darauf. "Du arbeitest doch jetzt für das Zaubereiministerium und hast auf lange absehbare Zeit keinen Grund, anderswo hinzuziehen, oder?"

"Ich wollte nur damit sagen, daß wir beide heute noch nicht wissen, ob wir so wie jetzt immer zusammenbleiben. Vielleicht bekommst du auch eine Anstellung in Übersee. Aurora ist ja auch von ihren Eltern weg, weil sie ihren Traumberuf in England nicht lernen konnte."

"Ja, und ihre Eltern sind immer noch etwas traurig darüber, Mum. Aber Aurora war auch alleine, und ihre Eltern hatten da schon Berufe, die sie andauernd herumreisen ließen. Ich denke mal nicht, daß ich unbedingt anderswo hinziehen muß, selbst wenn es den Leuten in England gelingt, den durchgeknallten Zauberer aus dem Verkehr zu ziehen, der da jetzt auf gnadenlosen Tyrannen macht."

"Wie gesagt: Heute wissen wir das noch nicht, was wir in drei Jahren machen", widerholte Martha ihre Worte von eben. Julius gab es auf, dagegen anzusprechen. Statt dessen erzählte er seiner Mutter, daß Millie mit ihm verabredet hatte, wer Kleidung in welcher Farbe mitnehmen würde, und daß sie beide schon für Millemerveilles vorpacken würden.

"Ich werde meinen kleinen Rollkoffer heute abend packen. Catherine hat mir ein paar Empfehlungen für korrekte Bekleidung mitgegeben, die ich auch außerhalb des Büros anziehen kann. Für den Hin- und Rückflug packe ich gewöhnliche Straßenkleidung ein. Ich will ja nicht auffallen", sagte Martha Andrews lächelnd. Julius nickte.

"Auf wen tippst du, Janine?" Fragte der unmenschlich munter wirkende Moderator im Radio seine Komoderatorin. "Packen's die Italienerinnen oder die Deutschen?"

"Die Deutschen natürlich. Wäre das vierte Mal, daß die die EM gewinnen", antwortete die weibliche Hälfte der Morgenmannschaft von "Bonjour Paris 90,8 FM". "Nur schade, daß unsere Mädchen nichts mehr mitzureden haben."

"Dafür werden unsere Jungs nächstes Jahr Weltmeister", erwiderte Paul, der männliche Anteil der Morgenmannschaft.

"Komm, die Brasilianer sind zu heftig", erwiderte Janine.

"Oha, da habe ich ja morgen was vor mir", stöhnte Martha. "Heute ist das Endspiel der Frauen-EM. Kann nur hoffen, daß das bei denen in Deutschland noch nicht so populär ist wie Männerfußball, sonst ist völlig egal, wie die heute abend spielen."

"Ach deshalb können die, mit denen du den deutschen Knoten aufmachen willst erst ab übermorgen", erwiderte Julius scherzhaft.

"Neh, die interessieren sich nicht für Fußball", sagte seine Mutter kategorisch. "Denen müßte ich erst einmal die Regeln erklären. Soll mich auch nicht weiter betreffen, warum die erst am vierzehnten und fünfzehnten Zeit haben."

"Hast recht, Mum", pflichtete Julius seiner Mutter bei. Bis kurz vor acht Uhr sprachen sie noch über die Themen, die im Radio behandelt wurden, dann brach Martha Andrews auf. Belle Grandchapeau wartete gewiß schon mit ihrem kirschroten VW Käfer vor dem Haus.

"Bestell Belle bitte meinen herzlichen Glückwunsch!" Gab Julius seiner Mutter noch mit auf den Weg. Sie bestätigte das und verließ das Haus.

"Jetzt noch ein Tag. Dann geht's rüber nach Yankeeland", dachte Julius und setzte sich mit Babettes Buch über den sensationellen Wunschpunsch und dem Zweiwegespiegel, der ihn mit Gloria Porter verband aufs Sofa. Das Küchenradio dudelte und plapperte blechern im Hintergrund. An und für sich konnte er den kleinen Quakkasten auch ausmachen, dachte der junge Zauberer und setzte gerade an, den Apparat abzustellen, als der Zweiwegespiegel vibrierte, und Glorias Gesicht im Glas auftauchte.

"Hi, Julius. Schon reisefieber?"

"Hi, Gloria, noch nicht. Morgen geht's erst los."

"Ach, kommst du auch rüber zu Britts Einstandsspiel? Oh, dann treffen wir uns bestimmt. Mel und Myrna haben meine Eltern bekniet, ich könne mir das nicht entgehen lassen. Mum ist ja eh in den Staaten, um Mel anzulernen, und Dad hat sich wegen der düsteren Lage in unserer Heimat einige Tage freigeben lassen. Die Kobolde von Gringotts sind sowieso in Belagerungsstimmung, weil gestern zwei Todesser die Eingangshalle von Gringotts gestürmt haben und sich da mit den Sicherheitszaubern angelegt haben. Scrimgeour hat noch mehr Schutztruppen vor die Bank geschickt. Die Winkelgasse ist echt nicht mehr lustig."

"Dann ist dein Vater jetzt auch drüben bei deiner Mutter und Mel?" Fragte Julius.

"Neh, der flohpulvert in drei Stunden mit mir hin. Schon bedrückend die Stimmung hier, Julius. Kevins Tante Siobhan soll verschwunden sein. Und jetzt wissen sie nicht, ob das Ministerium oder die Leute von ihm was damit zu tun haben."

"Das Ministerium?" Fragte Julius ungläubig. Der Name von Kevins Tante hatte in seinem Kopf ein paar Saiten zum Klingen gebracht.

"Scrimgeour wird langsam völlig paranoid, schlimmer als die Todesser selbst. Als ich nach Hause kam mußte ich mich erstmal setzen, als Onkel Victor mir erzählt hat, daß das Ministerium mittlerweile Zauberer und Hexen verhaftet, nur weil sie sich mit druidischen Ritualzaubern auskennen. Scrimgeour fürchtet, daß Voldemort Spione unter diesen Altertumszauberern hat. Blöd war dabei, daß einige Ministeriumszauberer bei solchen Aktionen von irgendwem angegriffen und getötet worden sind. Da hat der alte Löwe gleich ganz ernst gemacht und alle festnehmen lassen, die nicht hundertprozentig Loyal zum Ministerium stehen. Irgendwo liegt bei denen eine schwarze Liste herum, wer sich öffentlich oder vor ministeriellen Zeugen abfällig über das Ministerium geäußert hat und irgendwas mit den Todessern zu schaffen haben könnte. Wenn das so weitergeht läßt Scrimgeour noch alle einsperren, nur weil sie in irgendwas besonders gut sind."

"Moment, Gloria. Was ist denn dann mit Kevins Tante, daß den Minister so fuchsig gemacht hat?" Wollte Julius wissen.

"Der Prophet schreibt, sie habe sich an Ministeriumseigentum vergriffen. Was genau haben sie nicht verraten. Nur, daß sie vorsorglich in Gewahrsam genommen wurde, um ihre Loyalität zu überprüfen. Könnte ja immerhin sein, daß sie unter dem Imperius-Fluch stünde", erwiderte Gloria.

"Oha, dann wird's echt heftig. Und deinen Vater lassen sie im Moment in Ruhe?"

"Die Kobolde halten ihre Hand über ihn. Immerhin hat er ihnen in den letzten zehn Jahren hundert Tonnen Gold und fünfzig Tonnen Diamanten verschafft. Den wollen die natürlich nicht so schnell verlieren."

"Und haben sie was über Malfoy und Snape rausgelassen?"

"Im Moment ist es um die beiden total ruhig, als interessiere das keinen, daß Snape Dumbledore ermordet hat, Julius. Ich habe so den dumpfen Verdacht, daß das Ministerium nicht rauslassen will, wo die beiden sind, weil es hofft, daß Snape die Auroren zu Voldemorts Versteck führt. Die haben das Landhaus der Malfoys mehrmals durchsucht. Keiner war da. Ist ja auch nicht mit zu rechnen."

"Manchmal schon", erwiderte Julius. "Gerade da, wo einen einer nicht sucht, kann sich wer gut verstecken."

"Wie erwähnt war da niemand. Daß die Kimmkorn wieder was verzapft hat weißt du schon?"

"Öhm, nöh", erwiderte Julius. Gloria rümpfte die Nase und sagte:

"Sie hat eine Biographie über Dumbledore geschrieben, die sie demnächst auf den Markt werfen will. Angeblich sollen da brisante Enthüllungen über Dumbledores Vergangenheit drinstehen, daß er längst nicht immer so tugendhaft und menschenfreundlich gewesen sei und so. Ich fürchte, die Leute werden ihr diesen Schinken aus der Hand reißen. Die einen wollen wissen, was Dumbledore so angestellt hat. Die andren wollen rauskriegen, ob Kimmkorn lügt. Die dritten wollen sich einfach nur daran laben, was sie so über Dumbledore vom Stapel läßt."

"Davon haben wir hier in Frankreich keinen ton mitbekommen", sagte Julius. "Grandchapeau wird andauernd zitiert, daß er mit den europäischen Nachbarn eine Allianz gegen die Todesser schmieden will. Meine Mutter fliegt morgen nach Berlin, um ihren Teil dazu beizutragen, weil wir alle vermuten, daß die Todesser auch die Muggelwelt heimsuchen könnten und das dann im Internet rumgereicht wird."

"Hui, dann wäre es aber mit der Geheimhaltung vorbei", seufzte Gloria. Dann sagte sie unbehagt klingend:

"Hoffentlich kommen die vom Ministerium oder den Todessern nicht darauf, Dad könnte noch Verbindungen zum Laveau-Institut haben. Dann hätten wir aber echt Probleme."

"Das war groß in der Zeitung, was deiner Oma Jane passiert ist", sagte Julius so lässig wie er konnte, um die Gefühle, die ihn anstürmten zu unterdrücken. Jane Porter hatte es ihm ja gesagt, daß ihr Tod womöglich besser für ihre Verwandten sei als ihr Fortbestehen.

"Wollen's hoffen, daß jeder das mitgekriegt hat. Schon schlimm genug, was Oma Jane passiert ist", seufzte Gloria. Julius nickte ihr zu, auch wenn es ihm in der Seele wehtat, daß er ihr nicht offen sagen konnte, daß ihre Oma Jane nicht gestorben war.

"Wie geht es Kevin denn jetzt?"

"Er hat sich ein wenig gefreut und geärgert, daß du wieder bei "diesen Spaßbremsen" in Millemerveilles feiern möchtest. Er käme nur, wenn bis dahin raus sei, was mit seiner Tante passieren würde und wenn "diese dicke Trulla", die ihm diese Ringe umgelegt hat nichts davon mitbekäme, daß er zu euch hinkommt und wieder abreist."

"Läßt sich vielleicht nicht so ganz vermeiden", sagte Julius. "Ich denke nicht, daß Madame Dusoleil es Madame Delamontagne verschweigt. Immerhin ist sie Dorfrätin und hängt sich auch so schon heftig in meine Sachen rein. Könnte also passieren, daß sie an meinem Geburtstag auftaucht, um mir zu gratulieren und um zu sehen, daß ich mich nicht ins Koma saufe, weil sie ja noch Schach gegen mich spielen will", sagte Julius amüsiert.

"Millies Oma mütterlicherseits will das ja auch", erwiderte Gloria nun etwas fröhlicher dreinschauend. Dann erwähnte sie noch, daß Pina und Olivia mit ihren Eltern am neunzehnten von einer Urlaubsreise auf die Kanaren zurückkommen würden. "ich hab's mit Betty und Jenna schon abgeklärt, daß wir Pina und Olivia dann mitnehmen, und den irischen Sturschädel Kevin, wenn er freies Geleit kriegt."

"Ich kläre das gleich noch mit Madame Dusoleil", sagte Julius. Dann fragte er noch nach Hogwarts.

"Scrimgeour und McGonagall haben dem Propheten gesagt, daß die Schulräte einstimmig dafür waren, daß Hogwarts renoviert und am ersten September wieder aufgemacht wird. man wolle sich nicht von Du-weißt-schon-Wem und seinen Handlangern befehlen lassen, wie und wo ihre Kinder lernen. Allerdings hat McGonagall um eine größere Schutzmannschaft Auroren gebeten. Scrimgeour muß sich das noch überlegen, weil er die ja von irgendwoanders abziehen müßte. Aber so wie es aussieht wird Hogwarts wieder aufgemacht", gab Gloria mit einem halbherzigen Lächeln Auskunft.

"Madame Maxime und Professeur Faucon haben es dir ja angeboten, daß du wieder nach Beauxbatons kommen kannst, falls das mit Hogwarts zu brenzlig wird", erinnerte Julius Gloria an das, was am Ende des Schuljahres noch zu ihr gesagt wurde.

"Zum einen, Julius, wird der Minister schon auf die Schulräte eingehen, wenn die mehr Schutzleute haben wollen. Zum zweiten wüßte ich nicht, warum es in Hogwarts schlimmer werden könnte als anderswo in der Zaubererwelt. Zum dritten, wenn es wieder so würde wie unter Umbridge, könnte ich Pina, Olivia und die Hollingsworths nicht so feige im Stich lassen, nur weil jemand irgendwo außerhalb von England mir 'ne Rückzugsmöglichkeit bietet. Wenn McGonagall als feste Schulleiterin bestätigt wird, bin ich in Hogwarts gut aufgehoben, Julius. Ich habe dir ja erzählt, daß bei allem was Beauxbatons an guten Lernmöglichkeiten bietet, meine Selbstbestimmung schon wichtig ist. Du hast dich wohl oder übel eingefügt, weil du aus deiner Lage das beste rausholen wolltest." Julius schaute etwas verärgert drein. "Das sollte jetzt kein Vorwurf sein, Julius. Aber wir beide sind es gewöhnt, daß wir uns immer ehrlich sagen, was wir finden, Julius. Ich kam mit dem strammen Trott zwar auch irgendwie klar, aber nur weil ich mir häufig genug sagte, daß ich nur das eine Jahr mache und mich möglichst vor Strafpunkten bewahrt habe. Das war zwar schon ein interessantes Jahr, und ich wollte das ja so haben. Doch jetzt ist es rum, und auch Voldemorts maskierte Mörderbande kann mich nicht davon abhalten, wieder in meiner Heimat zur Schule zu gehen."

Julius dachte schon, solange die Todesser Gloria nicht töteten. Doch das wagte er dann doch nicht auszusprechen. So sagte er noch etwas verstimmt von Glorias Bemerkung von eben:

"Immerhin hast du am Jahresende ganz oben auf dem Schülerpodest gestanden. Da ist doch klar, daß Madame Maxime und Professeur Faucon dich gerne behalten hätten."

"Madame Bläänch hat ja noch Omas anderen Spiegel. Wenn ich Zeit und Lust habe, kann ich ja mit ihr reden", erwiderte Gloria leicht vergrätzt. Julius nickte und sagte:

"Na ja, wir können ja in den nächsten Tagen noch mal über das letzte Jahr reden, wenn du möchtest. Ich komme mit Millie bei den Foresters unter. Mum ist ab morgen in Berlin, mit den Sauerkrauts ein Internetüberwachungspaket zusammenstellen."

"Ups, und die Latierres lassen dich mit der wilden Motte Mildrid allein über den großen Teich?" Fragte Gloria ungläubig.

"Ihre große Schwester bringt uns mit der Sphäre nach New Orleans, wo Britts Eltern uns abholen. Dann geht's wohl per Flohpulver nach VDS, weil Mum ja nun doch nicht mitkommen kann."

"Britt wird schon aufpassen, daß Millie dich nicht zu sehr anknabbert", grinste Gloria. Julius fragte sie, wie sie das meine. "Denkst du, ich hätte das im letzten Sommer, wo dir dieser Alterungsfluch passiert ist nicht mitgekriegt, daß Britt sich in dich verguckt hat?"

"Wenn du Kevin wärest würde ich fragen, wovon du nachts sonst noch so träumst", knurrte Julius. "Brittany hat mir nur geholfen, rauszukriegen, was mit meinem Vater los war und meinte so im Scherz, ich sähe nun so aus, als könne ich mit ihr oder deiner Cousine Melanie zum Schulabschlußball hingehen. Mehr war nicht, ist nicht und wird's nicht. Brittany ist mir gegenüber wohl eher sowas wie die Freundin einer großen Schwester, die ich nicht habe und nach der Kiste mit meinem Vater ein gewisses Interesse hat, wie das jetzt mit mir weitergeht. Abgesehen würde ich als Steakesser so oder so bei ihr durchfallen.""

"Wenn sie nicht rauskriegt, wie sie die Steaks aus Sojakeimen und Kartoffelbrei zusammenpanscht oder die Fleischstücke so verhext, daß du davon angewidert wirst. Aber vielleicht habe ich mich von Mel blödquatschen lassen, nachdem ich ihr erzählt habe, es habe so ausgesehen, als könne Britt was von dir wollen."

"Soso, Melanie", knurrte Julius. Dann meinte er: "Abgesehen davon wissen Millie und ich, daß wir auf absehbare Zeit zusammenbleiben werden. Und Britt und Millie haben sich um Ostern herum gut verstanden. hat Mel dir das etwa nicht erzählt?"

"Du hast mir das mal erzählt", erinnerte sich Gloria und mußte grinsen. "Na gut, ich werde es ja in den nächsten Tagen mitkriegen, ob Millie und Brittany gut miteinander auskommen können. Bis dahin sag ich mal tschüs!"

"Yo, Tschüs!" Erwiderte Julius lässig.

Als Glorias Gesicht aus dem spiegelnden Glas verschwunden war, grinste Julius. Gloria hatte echt abgedrehte Ideen, was ihn und andere Mädchen anging. Irgendwie paßte das nicht mehr zu der Gloria, die er vor einigen Wochen noch in Beauxbatons gesehen hatte. Andererseits konnte er es auch nicht ganz abstreiten, daß Brittany ihn irgendwie behüten wollte. Aber das führte er wirklich auf den Ausflug nach San Rafael und den Besuch im dortigen Internetcafé zurück. Sie hatte ja nicht damit rechnen können, daß sie dabei Richard Andrews' dunkles Geheimnis ans Licht bringen würden. Aber diese Gedanken entzündeten in Julius nun doch ein gewisses Reisefieber. Jetzt war er doch sehr gespannt, was er in den nächsten Tagen in Viento del Sol so alles erleben würde. Er nahm das Buch, schaltete das Küchenradio aus und ging zu Catherine hinunter, die hocherfreut zusah, wie Babette ihre kleine Schwester badete und in frische Windeln legte.

"Sie würde die vollen Windeln am liebsten telekinieren", grinste Catherine mädchenhaft, während Babette der kleinen Claudine "Zwei werden eins" von den Spice Girls vorsang.

"Ob das das richtige Wiegenlied ist, Babette", grinste Julius. Babette meinte dazu, daß Claudine doch eh noch nicht Englisch konnte und die Melodie so schön ruhig und freundlich rüberkam.

"Auf diese Weise weiß sie zumindest, daß sie nicht von einem bunten Vogel angebracht worden ist", bemerkte Julius dazu. Babette verzog das Gesicht und funkelte ihn saphirblau an.

"Regenbogenvogel. So'n Quatsch!" Schnarrte sie. Ihre Mutter sah sie leicht tadelnd an, sagte jedoch kein Wort.

"Genau wie der Osterhase", warf Julius ein. Babette verzog ihr Gesicht noch mehr. Immerhin hatte sie vor drei Jahren noch nach Ostereiern gesucht. Doch sie sagte nichts darauf, sondern präsentierte ihre nun blitzsaubere kleine Schwester ihrer Mutter und erhielt ein anerkennendes Nicken und Lächeln von dieser. Dann trug Babette Claudine in ihr Bettchen zurück. Catherine zog Julius, der Babettes Buch unter dem linken Arm Trug mit sich in die Küche. Er sah die Lebensmittel auf den Anrichten und erkannte, daß weder Fleisch, Fisch, noch Eier dabei waren.

"Willst mich auf Vegan eintunen?" Fragte Julius frech.

"Wir essen das heute alle, Julius. Joe ist in der Firma, und Babette wollte wissen, was "diese Brittany" denn ißt, wenn sie kein Fleisch und keine Eier essen mag und ob sowas überhaupt schmecken kann. Da habe ich mir überlegt, einen fleischlosen Gemüseeintopf mit verschiedenen Sachen wie Tomaten, Paprika, Möhren, Mais und Bambussprossen, Soja und gebratenen Walnüssen zu machen, und zum Nachtisch tropischen obstsalat mit Mangos, Ananas, Bananen und anderen Köstlichkeiten."

"Dann kriegt Claudine heute nur Fruchtsaft zu trinken?" Fragte Julius schelmisch grinsend.

"Nicht, bevor sie alle Zähne im Mund hat, Julius. Überzeugungen sind was erhabenes, wenn sie nicht zu körperlichem Schaden führen, und ein Säugling heißt Säugling, weil er Milch saugen muß", erwiderte Catherine, die sich nicht für dumm verkauft fühlte. "Im Moment nehme ich sie nur, wenn sie wirklich Hunger hat. Hippolyte wollte in Miriam einen gewissen Rhythmus reinkriegen. Aber das klappt wohl nicht. Setz dich ruhig zu mir und lies, wenn du keine Lust hast, dich mit mir über irgendwas zu unterhalten!" Julius hatte, besonders nach dem Gespräch mit Gloria. Catherine wußte ja von ihrer Mutter, daß Julius einen Zweiwegespiegel hatte und sprach mit ihr über Glorias Vermutungen, die er für lachhaft hielt, aber auch über die Lage in England, die alles andere als lustig war.

"Das ist wie damals, wo er zum ersten Mal gewütet hat, Julius. Damals waren die Bewohner der Zaubererwelt zwischen einem aktionssüchtigen Ministerium und der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Todesser eingezwengt. Viele haben damals alle Moral vergessen, wenn es entweder ums nackte Überleben ging oder ihnen auch nur den Anschein größerer Sicherheit versprach. Er hat es ja hier in Frankreich und drüben in Deutschland auch versucht. Vor allem mit denen, die nicht in Greifennest gelernt haben, sondern in Durmstrang zur Schule gegangen sind, weil sie ihrem achso nacheifernswertem Vorbild Grindelwald nachschlagen wollten, hat er Unruhe und Angst in Gang gehalten wie ein kleines aber heißes Feuer, das immer wieder auflodert, um zu zeigen, daß es durchaus zu einem Großbrand anschwellen kann, wenn man es nicht beachtet. Ich habe bei meinen Studien der Zaubereigeschichte und besonders dem sardonianischen Zeitalter gelernt, daß Angst und Hoffnung die beiden größten Triebfedern menschlichen Handelns sind. Gut, Lust kommt auch noch dazu. Aber wenn du es schaffst, Leuten Angst zu machen, kannst du sie dazu treiben, für dich Terror auf andere auszuüben, ganz ohne Imperius-Fluch. Natürlich wird der Feind aus deiner Heimat diesen Fluch wieder häufig benutzen, zumal er auch von denen ausgeführt werden kann, die ihm selbst unterworfen sind, solange sie nicht anderweitig geistig eingeschränkt sind. Im Grunde braucht er nichts anderes zu tun, als seine Befehle zu geben und hier und da ein paar Gewaltakte verüben zu lassen. Schon hat er einen Großteil der Zauberer und Hexen unter Kontrolle. ein Großteil dessen, was dann noch übrig ist wird vom Ministerium drangsaliert, mit Sicherheitsvorkehrungen an der freien Lebensgestaltung gehindert, zu gegenseitigem Mißtrauen animiert und willkührlich vor Gericht gestellt, nur weil irgendwer mal aus lauter Frustration was von sich gibt, was die Überwacher alarmiert. Ich fürchte, was Maman und du euch vorgestellt habt, daß jetzt alle redlichen Hexen und Zauberer aufstehen und in Dumbledores Namen Widerstand leisten, das wird in dieser Form nicht stattfinden", seufzte Catherine. "Andrerseits heißt das nicht, daß die, die zum Widerstand entschlossen sind, jetzt alles hinwerfen. Maman und ich haben Nachrichten erhalten, daß die Getreuen Dumbledores sich vom Ministerium losgelöst zusammenschließen, um den Widerstandskampf entschlossener führen zu können. Allerdings stört das Ministerium immer wieder, weil Scrimgeour nicht mehr so recht zwischen Freund und Feind unterscheiden kann. Hinzu kommt noch ein unbekannter Faktor, von dem wir beide wissen."

"Die Wiederkehrerin", mentiloquierte Julius

"Genau", erhielt er Catherines für Ohren unvernehmbare Antwort.

"Ich habe Gloria noch einmal an das erinnert, was Madame Maxime und deine Mutter ihr vorgeschlagen haben. Aber sie lehnt das weiterhin ab. Kann sie ja auch irgendwie auch verstehen. Da sind die Watermelons und die Hollingsworths, Kevin und noch ein paar andere in Hogwarts, die nicht so einfach in eine ausländische Schule umsiedeln können. Kevin ist ja heute noch geknickt, weil ihr mich in Beaux untergebracht habt."

"Nun, dessen Meinung, auch wenn er dein Freund in Hogwarts ist, soltest du nicht als verbindlich ansehen, Julius. Er hat ja gezeigt, daß er nicht gerade für vernünftige Argumente zugänglich ist. Das mag dich jetzt ärgern, Julius ... Offenbar nicht." Julius hatte schwerfällig genickt. Wie Kevin gegen alle gebotene Vernunft gehandelt hatte wußte er ja noch zu gut, wenngleich die Sache mit dem Sumpf, das Feuerwerk und die Abschüttelung der unaufbrechbaren Walpurgisnachtringe schon lustig waren. Aber wie er sich seinen neuen Schulkameraden, vor allem Claire gegenüber aufgeführt hatte war ihm schon übel aufgestoßen. Er mußte sich fragen, warum er ihn dann schon wieder eingeladen hatte. Die Antwort war einfach: Weil er Kevin zeigen wollte, daß er immer noch sein Freund sein wollte und ihm vielleicht die Möglichkeit geben konnte, sich mit Julius' Schulkameraden gut zu vertragen. Bei Millie würde Kevin jedoch heftig auf die Nase fallen, dachte er. Die würde Kevin mit dessen eigener Dreistigkeit kommen. Und längst nicht jeder, der viel austeilen konnte konnte auch nur die Hälfte davon einstecken. Catherine sah ihm wohl an, daß das Gespräch an einem unangenehmen Punkt angekommen war und lächelte als sie sagte:

"Und Gloria hat wirklich vermutet, daß Brittany auf Mildrid eifersüchtig werden könnte?"

"Sie meinte, es wäre im letzten Sommer so rübergekommen, als hätte sich Brittany gut mit meinem zu schnell älter gewordenen Körper angefreundet. Aber zwischen der und mir sind ja doch immer noch drei Jahre."

"Das hätte dich unter Umständen nicht gestört, nicht bei Martine, vielleicht auch nicht bei einer der Montferre-Schwestern oder Jeanne. Das mit dem Altersunterschied wird nur gerne angeführt, um Argumente zu finden, die gegen eine Beziehung sprechen. Wenn es mehr Gründe dafür gibt, ist der Altersunterschied nebensächlich. Besonders bei Hexen und Zauberern kommt es oft genug vor. Bestes Beispiel ist Ursuline Latierre. Ferdinand ist zwanzig Jahre Jünger als sie, wie du weißt. Und ich kenne aus meiner Schulzeit manche Hexe, die einem gestandenen Jungesellen Mitte fünfzig die Wonnen des Ehelebens schmackhaft gemacht hat, obwohl sie erst zwanzig war. Aber erwähne sowas nicht wenn meine Mutter zuhören kann. Sonst meint sie noch, ich trachte danach, dich mit Babette zu verbandeln, wenn sie noch was erfinden oder hervorzerren könnte, um dich und Millie auseinanderzubringen. So richtig amüsiert ist sie von eurer Beziehung nicht, wie du ja weißt."

"Sonst hätte die mich wohl nicht zum stellvertretenden Saalsprecher befördern lassen", seufzte Julius. Catherine schüttelte den Kopf.

"Du siehst das so, daß nur meine Mutter das in der Hand hat, wer aus ihrem Saal eine Brosche trägt. Aber du vergißt dabei, daß der gesamte Lehrkörper sich darüber berät, wer Saalsprecher wird. Die jeweiligen Vorstände können nur die ihnen am geeignetsten erscheinenden Kandidaten vorschlagen. Deshalb werden meistens drei Wunschkandidaten zur Absprache gestellt, von denen der mit einstimmiger Zustimmung von Lehrern und Schulrat die Würde des Saalsprechers zuerkannt bekommt. Also, um dich nicht auch noch mit ungerechtfertigtem Verfolgungswahn herumlaufen zu lassen: Meine Mutter kann innerhalb und außerhalb von Beauxbatons eine Menge bewirken, und ihr Wort hat an vielen Stellen großes Gewicht. Aber was die Berufung der Saalsprecher und Stellvertreter betrifft, so ist sie den Regeln aus der Gründerzeit genauso unterworfen wie alle anderen Lehrer, die nicht meinen, das mit Millie und dir sei ungehörig. Du solltest lieber stolz darauf sein, daß du für so fähig befunden wurdest, nicht nur deine Leistungen beizubehalten, sondern auch über genug soziale Kompetenz verfügst, mit deinen Mitschülern friedlich klarzukommen."

"Führungsqualität meinst du wohl. Wußte bis heute nicht, daß ich sowas haben soll. In Beaux habe ich doch auch oft genug den Kopf eingezogen, wenn ich keinen unnötigen Krach haben wollte", sagte Julius.

"Das unterscheidet Führungsanspruch von Führungsqualität, Julius. Leute wie der Psychopath, der meinen Vater und viele andere unschuldige Menschen ermordet hat, sind für sich genommen Einzelgänger, die nur die Regeln gelten lassen, die sie selbst gemacht haben. Um das allen in ihrer Umgebung klarzumachen streben sie nach Macht und Wissen, um andere zu unterwerfen. Dann gibt es noch die, die durch ihre Familien meinen, schon was wichtiges zu sein, obwohl sie noch gar nichts weltbewegendes geleistet haben. Die erheben gerne Führungsanspruch. Und leider funktioniert der dann auch, wenn es Leute aus reichen Elternhäusern sind, die im Notfall mit Geschenken oder Abhängigkeitsverhältnissen Leute für sich vereinnahmen. Du hast meine Schwiegermutter ja als eine solche angesehen, die meint, weil sie materielles Vermögen und daraus resultierend einen gewissen Status besaß voranpreschen und dirigieren zu können." Julius nickte und grinste schadenfroh. "Hingegen muß mein Schwiegervater für den Beruf, den er ausübt gewisse Führungsqualität besitzen, weil er tagtäglich mit hunderten von teilweise aufgebrachten, zumindest aber schlechtgelaunten Menschen zu tun hat, die er für sein Geld durch eine verkehrsreiche Stadt fahren muß. Da muß er Nerven behalten und eine große Selbstbeherrschung besitzen, wenn er nicht selbst aggressiv und damit unvorsichtig werden will. Er muß sich darüber im klaren sein, daß er den Fahrgästen befehlen können muß, wie sie sich zu verhalten haben, ohne sie zu provozieren. Ein anderes Beispiel ist Ursuline Latierre. Ich weiß, meine Mutter mag sie nicht und hat auch ihre Gründe, warum sie mit ihr bis heute nicht unbefangen und freundlich auskommen kann. Aber sie kann nicht abstreiten, daß Ursuline Führungsqualitäten besitzt, die dem autoritären Charakter meiner Mutter ebenbürtig sind, ohne streng und reglementierend auftreten zu müssen. Sie hat einen ganzen Stall voller Kinder in die Welt gesetzt. So eine Frau und Hexe kann mit so vielen quirligen Wesen nicht fertig werden, wenn sie keine Führungsqualitäten hat, die über den Status des Mutterseins hinausgehen. Sie kann dich doch auch locker führen, ohne daß du meinst, an einer Kette gehalten zu werden, oder?"

"Im Vergleich zu deiner Mutter? Öhm, kann sein", sagte Julius.

"Camille ist ja ähnlich gestrickt. Ich beneide sie oft darum, selbst dann noch ruhig zu bleiben, wenn meine Mutter und ich schon hätten laut werden können. Damit komme ich zu dir zurück, Julius. Es ist nicht wichtig, ob du dich für einen großen Macher, Führer oder Rebellen hältst, sondern daß du das, was du für richtig und wichtig hältst, ohne anderen Angst zu machen weitergeben und ihre Hilfe bei deinen Aufgaben erbitten kannst, ohne dich einschmeicheln oder zum Angstmacher aufschwingen zu müssen. Wahrscheinlich ist es das, was die Lehrer in Beauxbatons in dir sehen, jemand, der wenn er weiß, was richtig und wichtig ist, ohne groß herumbrüllen und schleimen zu müssen vermitteln kann. Du bist in der Pflegehelfertruppe, Julius. Du hast damals die vier Tage nach Halloween sehr gut überstanden, ja sogar noch gewisse positive Erfahrungen dabei gewonnen. Du giltst als überwiegend ausgeglichen, wenn vielleicht auch für dein körperliches Alter ein wenig zu gebildet. Aber viele in Beauxbatons sehen dir das nicht nach, wenn du etwas besser kannst oder weißt. Streber und Aufschneider gibt es da immer wieder. Ich hätte bisher von keinem der Lehrer gehört, daß du so auftreten würdest. Es ist richtig, daß meine Mutter dich vor deiner Umschulung schon sehr wertgeschätzt hat und daher streng darauf achtet, daß du nicht durch irgendwas oder irgendwen aus der Spur gerätst. Aber sie ist da wohl nicht die einzige, die es für angezeigt hält, dir mehr Aufgaben außerhalb des reinen Lernens zuweisen zu können. Ich habe als Schulmädchen Saalsprecher erlebt, die knickten unter ihren Aufgaben ein. Andere wiederum bliesen sich größer auf als sie waren. Doch die meisten von denen haben gesagt: "Was soll's. Wenn die meinen, ich kann das, dann mach ich das." Du kriegst das auch hin, Julius, wie ich."

"Du warst Saalsprecherin?"

"Nur Stellvertreterin, Julius. Es hat bis zu meinem siebten Jahr gedauert, bis man meinte, ich könnte das machen. ich habe auch erst gedacht, das sei auf meiner Mutter Mist gewachsen. Aber ich war ja eine Weiße und keine Grüne", erwiderte Catherine.

"Ich habe mich mit Martine über ihre Zeit unterhalten. Sie meinte, wenn ich raushätte, wie ich die aufgeladenen Sachen machen könnte, ohne es mir mit den anderen und den Lehrern zu verscherzen, sei das ganze nur halb so wild. Dabei hat die schon sehr zornig geguckt, als das mit Constance Dornier aufflog."

"Weil eine Sache unbestreitbar ist, Julius: Die Latierres sehen in der Liebe, auch der körperlichen, etwas so wichtiges, daß bei ihnen der Spaß aufhört, wo jemand nur um mal zu sehen, wie es geht mit einem anderen Sex hat. Sie haben gerne Sex. Aber das heißt auch, daß sie den Partner immer respektieren, bestenfalls sehr lieben und nicht einfach sagen, daß sie gerade mal Lust haben und dann einfach weggehen. Deshalb verstehe ich das nicht, wie deine Mitschüler glauben konnten, Mildrid wolle nur mit dir spielen. Ich denke schon, daß sie austesten wollte, wie weit sie bei dir kommen konnte, und wäre Claire nicht diesen überängstlichen Zauberern zum Opfer gefallen, hätte sie dich sicher weitestgehend in Ruhe gelassen. Immerhin hat sie bis nach Weihnachten gewartet, nicht wahr?" Wollte Catherine wissen.

"Bis Belisama sich wieder an mich heranmachen wollte", seufzte Julius. Catherine nickte. Julius fühlte, wie das immer noch in seiner nähe lauernde Frechheitsteufelchen ihn ritt und fragte:

"Was glaubst du, was sie gesagt oder gemacht hätte, wenn ich mit einer der Montferres oder mit ihrer großen Schwester oder ihrer Tante Béatrice was angefangen hätte?"

"Nun, sie hätte wohl versucht, dich davon zu überzeugen, daß sie auch keine schlechte Wahl sei. Ob sie dich ihrer Schwester überlassen hätte wage ich mal nicht zu kommentieren. Aber ich denke, gegen ihre Tante Béatrice hätte sie nicht viel angestellt. Sie hätte der dann wohl nur geraten, dich nicht bei einer günstigen Gelegenheit wieder abzulegen oder sowas. Aber so ist es eben nicht gekommen. Obwohl, wenn Béatrice Latierre mit dir über diese ominöse Brücke gegangen wäre ... Da hätte deine Mutter wohl mit ins Château umziehen müssen und ich hätte meinen Fürsorgeauftrag an Ursuline oder Béatrice abtreten müssen."

"Millie wurde immer als leichtfüßige Latierre bezeichnet", erinnerte sich Julius.

"Ja, weil ihre Auffassung von Anstand nicht dem gehobenen Anstandsregelwerk entspricht. Sie sagt, was sie denkt, tut meistens was sie will und hat keine Probleme damit, anderen zu zeigen, ob sie ihr sympathisch sind oder nicht. Für Leute wie die Violetten, die Gelben oder auch die Weißen ist sowas grundsätzlich unanständig", erwiderte Catherine. Da fauchte es im Kamin im Partyraum, und Babette lief aus ihrem Zimmer dahin.

"Irgendwann bringe ich ihr noch bei, nicht sofort loszurennen, wenn jemand durch den Kamin kommt", knurrte Catherine und wandte sich der Tür zu. Julius fiel siedendheiß ein, daß der Kamin oben ja voll passierbar war. Was, wenn da oben jemand aus der Zaubererwelt hereinfauchte?

"Oh, ich glaube, ich seh mal nach, ob vielleicht jemand oben bei uns reingerauscht ist", sagte Julius. Catherine wandte sich noch einmal um.

"Die einzigen Zauberer, die hier hereinkommen können sind anständig genug, vorher nachzufragen, ob jemand zu Hause ist."

"Millie würde sich sowieso bei mir anmelden. Aber was, wenn Ursuline Latierre meint, gegen mich Schach spielen zu können und ohne große Ankündigung bei uns hereingerauscht kommt?"

"Dann sollten wir einen Meldezauber einrichten, der anschlägt, wenn in der oberen Wohnung niemand ist und etwas auf dem Kaminrost landet", sagte Catherine. "Dann kuck du mal nach und komm wieder runter, wenn keiner oben ist!" Fügte sie noch hinzu und öffnete die Küchentür. Julius klemmte sich die Geschichte um den bösen Zauberer Beelzebub Irrwitzer und seiner Tante Tyrannia wieder unter den linken Arm und eilte aus Catherines Wohnung hinaus, die Vordere Treppe hinauf zur Wohnung, schloß sie auf und fand nur sich selbst dort vor, als er ins Wohnzimmer ging. Er nickte dem leeren Kamin zu und kehrte zu Catherine und Babette zurück, die Besuch von Tante Madeleine bekommen hatten. Mit der älteren, sehr humorvollen Hexe, besprach Julius die Geschichte in dem Muggel-Kinderbuch und das heutige Mittagessen.

"Ich habe auch mal ganz fleischlos gekocht. meine prinzen waren zuerst nicht sonderlich begeistert. Aber meine gebratenen Mandel-Nus-Maismehlbällchen haben die dann doch verschlungen wie ein Rudel Wölfe", sagte Madame Madeleine L'eauvite amüsiert. Dann bat sie Babette, daß Julius ihr mal das Buch zum Durchblättern auslieh.

"Mal wieder typisch für die Muggel, daß sie Magie grundweg als bösartig abtun. Aber irgendwie auch amüsant, sich vorzustellen, daß da zwei drittklassige Zauberer sich mit einem überheftigen Gebräu abmühen müssen, um ein von diesem ominösen dunklen Fürsten gesetztes Maß an bösen Taten hinzukriegen. Allerdings habe ich keinen untreuen Raben. Jede anständige Hexe, die einen Zauberraben oder einen Feuerraben hält, kommt mit ihrem gefiderten Vertrauten wunderbar aus."

"Wie viele Raben hast du, Tante Madeleine?" Fragte Babette.

"Im Moment sind es sechs. Zwischendurch muß ich einige abgeben, damit es keine Inzucht gibt. Aber sechs sind auch schon viele. Kann ich nur nicht immer durch den Kamin mitnehmen, weil die das Flohnetz nicht mögen", erwiderte Madeleine L'eauvite und hantierte mit dem Zauberstab über dem Buch, wo gerade das Bild eines grimmig dreinschauenden bebrillten Wesens zu sehen war, das sogenannte Büchernörgel, das erwähnter Zauberer mal eingefangen hatte. Sofort drang eine abfällig und verärgert betonte Stimme aus den Buchseiten:

"Derartiges Geschreibsel auf Kinder und Jugendliche Leser loszulassen schlägt aller literarischen Konvention die Faust ins Gesicht. Wie können wir Intelligenz von Lesern erwarten, die das hingeworfene Buchstabengewusel gedankenloser Autoren als Hilfsgerüst für die eigene Weltsicht vorgeworfen bekommen."

"Genügt wohl", meinte Tante Madeleine und fegte mit einer Zauberstabbewegung über die aufgeschlagene Seite. Mit lautem Klappen schlug das Buch zu, und Julius vermeinte noch einen gequälten Aufschrei des gerade noch so zornig lamentierenden Büchernörgels zu hören. Babette deutete auf das Buch und fragte, ob das jetzt immer so bleibe.

"Das war nur ein zeitweiliger Zauber. Der hätte nur eine Viertelstunde vorgehalten, Babette. Ich hex hier doch nicht auf harmlose Kinderbücher ein, daß die einem nachher noch Angst machen, Kind", grinste die ältere Hexe, die von Gesicht und Augenfarbe Her durchaus als Schwester Professeur Faucons zu erkennen war. Julius lachte auch. Er meinte dann noch, daß er dieses Wesen schon irgendwie komisch fand. Madeleine L'eauvite meinte dazu:

"Ich hörte das Gerücht, der, der das Buch geschrieben hat oder der Illustrator hätten ein lebendes Vorbild für dieses nette Geschöpf genommen. Aber wenn sie nur aus der Phantasie geschöpft haben ist das auch sehr nett."

"Können Sie auch Wesen und Sachen aus Büchern herauszaubern?" Fragte Julius.

"Nichts mit den Händen greifbares, Julius. Ist vielleicht auch gut so", sagte Babettes Großtante, als Catherine hereinkam und sich erkundigte, was gerade passiert war. Zwischen Tadel und Erheiterung meinte Catherine dann noch:

"Du kannst es nicht lassen, Tante Madeleine. Immer findest du was, um Schindluder mit der Magie zu treiben. Willst du zum Essen bleiben?"

"Warum nicht. Im Moment ist bei mir niemand, der auf mich wartet", sagte Babettes Großtante. So trafen sich dann alle in der Küche. Tante Madeleine half Catherine beim Essenmachen, Julius las Babette aus ihrem buch vor und vergaß dabei die trüben Nachrichten aus England und das teils ernste, teils lustige Gespräch mit Catherine.

Nach dem Mittagessen durfte Julius mit Babette und Tante Madeleine zu dieser nach Lyon, wo sie die sechs erwähnten Raben besichtigten, die tatsächlich wie kluge Menschen sprechen konnten, dies aber nur taten, wenn sie fanden, daß sie anders nicht zu verstehen waren.

"Wenn ich nach Beaux komme, kann ich dann einen davon haben, Tante Madeleine?" Fragte Babette.

"Och, und ich dachte, du wolltest einen Drachen haben", lachte Madeleine L'eauvite.

"Die Latierres haben ihr auch schon eine ihrer Flügelkühe angeboten", scherzte Julius.

"Neh, die stinken mir zu sehr", naserümpfte Babette.

"Drachen stinken noch mehr", warf Julius ein. Madeleine L'eauvite fragte ihn dann noch, was nun aus Goldschweif würde. Er sagte, daß er das nicht wisse. Vielleicht sollte er mal höflich bei Madame Maxime anfragen, wie sie das jetzt handhaben wollte.

"Meine Schwiegertochter hat einen Knieselkater zu Hause. Mit dem könnten wir dann ja weiterzüchten."

"Ich fürchte, das will Madame Maxime dann doch nicht."

"Ich denke, Goldschweif wird sie nicht fragen, wenn sie einen strammen Kater wittert und richtig rollig ist", lachte Madeleine.

"Flohsäcke sind das", krakelte einer der Raben.

"Selber Flohsack", erwiderte Julius. Der schwarze Vogel drohte leise krächzend mit dem langen Schnabel und wandte sich dann ab. So gegen fünf kamen Madeleines erwachsene Söhne, welche noch nicht auf einen Hexenbesen gehoben worden waren nach Hause. Julius unterhielt sich mit ihnen über Beauxbatons und Quidditch. Daß er morgen in die Staaten reisen würde, um ein Quodpot-Spiel zu sehen und womöglich selbst noch einmal ein Übungsspiel zu machen verschwieg er.

Genau zum Abendessen kehrten Babette und Julius zurück in Catherines Partyraum. Da Martha Andrews noch zu arbeiten hatte, blieb ihr Sohn auch zum Abendessen. Gegen neun Uhr kehrte Mrs. Andrews erschöpft aber zufrieden zurück.

"So, hier ist jetzt alles wasserdicht programmiert", sagte sie. "jetzt mache ich noch das Gepäck fertig. Dann ist für mich Bettzeit."

Julius nutzte die letzte Halbe Stunde vor dem Schlafengehen, um seiner Mutter einen kurzen Tagesbericht abzuliefern und half ihr beim Kofferzumachen. Dann wünschte er ihr eine gute Nacht und zog sich in sein Zimmer zurück.

"Am besten kommen Tine und ich morgen früh noch einmal zu dir und helfen dir beim Packen, Monju", mentiloquierte Mildrid noch mit Julius.

"Meine Mutter macht morgen den Kamin ganz zu, Mamille. Besser ist das, wenn ich meinen Krempel selbst packe und zum Geschichtsmuseum flohpulvere, wo wir uns dann treffen können. Wir sollen ja erst um sechs Uhr abends von hier los, dann ist es in New Orleans ja gerade Mittagszeit."

"Wann muß deine Mutter los?" Fragte Millie.

"Um acht morgens. Ziemlich früh."

"Dann hängst du den halben Tag da alleine rum?" Wollte Millie wissen.

"Ich werde wohl wie heute bei den Brickstons mittagessen", schickte Julius zur Antwort.

"Dann kommen wir halt durch den anderen Kamin. Martine klärt das mit Catherine morgen früh ab. Ich muß ja schließlich absichern, daß du auch die richtigen Klamotten einpackst. Nachher hast du zu viel grünes Zeug mit, daß die Gemüsefee meint, sie könne dich anknabbern."

"Ich darf ja kein rotes Zeug mitnehmen, weil das dann mit deinen Haren zu heftig zusammenfließt."

"Du kannst rotes Zeug anziehen, Monju. Den tollen Festumhang wolltest du doch eh einpacken."

"Wollen ist gut. Wenn ich von Madame Lumière wieder gebeten werde, am Sommerball in Millemerveilles teilzunehmen brauche ich den doch."

"Hmm, wenn die mich da auch mittanzen lassen kriegen wir das noch hin, daß wir beide uns vom Aussehen her nicht zu heftig beißen", erwiderte Millie. Julius amüsierte und nervte es gleichermaßen, daß Millie einfach so über seine Kleidung bestimmte oder zumindest davon ausging, daß sie das dürfe. So mentiloquierte er nur:

"Ich lasse mich da von Brittany oder Melanie beraten. Die kennen sich mit Tanzveranstaltungen ja auch gut aus."

"Ich kam mit der weizenblonden Grünzeugbraut gut klar, Monju. Mach nix, was das ändert! Dann hängst du nämlich wie'n Boxball zwischen uns, Süßer."

"Ich hab dich auch lieb", mentiloquierte Julius zurück.

"Weiß ich!" Kam die ebenso kecke Antwort. "Dann schlaf gut und träum was schönes!"

"Von Temmie, Darxandria oder Aurore?"

"Lieber letztere. Dann weiß ich zumindest, daß du nicht noch einmal in so'ne abgedreht alte Stadt reisen mußt", erwiderte Millie. Julius sandte zurück:

"Habe ich auch erst einmal genug von."

__________

Am nächsten Morgen - Julius erinnerte sich an keinen Traum - standen die Andrews zusammen auf. Julius leistete seiner Mutter beim Frühstück Gesellschaft und lauschte dem mehr oder weniger sinnvollen Geplauder im Küchenradio.

"Es ist echt schade, daß ich dich mal wieder alleinlassen muß, Julius. wurde wohl irgendwie schlecht geplant", bedauerte Martha. Fast zeitgleich kam die Morgenmannschaft des eingestellten Radiosenders auf die gestern beendete Fußball-Europameisterschaft der Frauen, die die deutsche Mannschaft für sich entschieden hatte. Wieder meinte der Moderator zu seiner Kollegin, daß im nächsten Jahr "die Blauen", also das französische Nationalteam, die Weltmeisterschaft im eigenen Land gewinnen würden.

"Das glaubt der echt", knurrte Julius. "Aber wenn die Deutschen, die Brasilianer und unsere Jungs sich ranhalten, dürfen die Franzosen die letzten drei Spiele gelassen zusehen, wer das Ding macht."

"Unterschätz den Heimvorteil nicht, Julius!" Mahnte seine Mutter an. "Da sind schon manche Sportler weit über sich hinausgewachsen, weil die Mehrheit der Zuschauer aus Fans mit kurzer Anreise bestanden hat.

"tja, deshalb wurden die Iren in England ja auch Quidditch-Weltmeister", bemerkte Julius dazu. Seine Mutter nickte und schmunzelte.

"Das bestätigt meine Äußerung", sagte sie dann noch. Dann warf sie einen demonstrativen Blick auf die kleine Wanduhr, die gerade zehn vor acht zeigte und stellte fest, daß sie jetzt aufbrechen müsse. Julius half ihr mit dem kleinen Koffer. Unten vor der Haustür parkte gerade der kirschrote Käfer von Belle Grandchapeau. Julius begrüßte die ehemalige Schulkameradin, mit der er einmal vier Tage sehr nahe zusammengelebt hatte und erfuhr von ihr persönlich, daß sie im kommenden Jahr Zuwachs bekommen würde. Er gratulierte ehrlich erfreut und wünschte ihr noch einen schönen Tag.

"Ich verbleibe ja im Lande", erwähnte Belle dann noch. "Deine Mutter fliegt alleine." Martha Andrews nickte bestätigend. Dann verabschiedete sie sich innig von ihrem Sohn und schlüpfte auf den Beifahrersitz des charakteristisch gerundeten Kleinwagens. Belle verabschiedete sich auf Landesart von Julius und bestieg ihren Dienstwagen. Julius sah dann noch zu, wie das importierte Kultauto mit dem ihm eigenen Motorengeräusch aus der Einfahrt zurücksetzte und sich in das allmorgentliche Verkehrschaos hineinwagte. Julius fühlte eine gewisse Trraurigkeit, weil er seine Mutter vor dem neunzehnten Juli nicht mehr wiedersehen würde. Wußte er schon, ob es in Deutschland so sicher war wie im Moment noch in Frankreich? Was würde sein, wenn Voldemort erst einmal die schlafenden Krieger Skyllians fand und aufweckte? Dann würden sie doch alle egal wo auf der Welt in großer Gefahr schweben. Doch er wollte nicht an diese düsteren Aussichten denken. Warum war er denn traurig? Er würde heute noch nach Viento del Sol reisen, um dort abwechslungsreiche Tage zu erleben. Seine Freundin würde ihn begleiten. Also hatte er gefälligst fröhlich zu werden und nicht daran zu denken, daß er seine Mutter ein paar tage lang nicht sehen konnte. In Beauxbatons konnte er sie monatelang nicht sehen. Also was sollte es dann? Er kehrte in das von ihm, seiner Mutter und den Brickstons bewohnte Haus zurück. Catherine erwartete ihn vor ihrer Wohnungstür.

"Deine Mutter hat den Kamin zugemacht?" Fragte sie ihren Mitbewohner und Schützling.

"Ja, hat sie, als ich ihren Koffer vor die Wohnungstür getragen habe", bestätigte Julius. Catherine nahm dies mit einem Nicken zur Kenntnis. Dann winkte sie Julius zu sich.

"Hippolytes ersten beiden Töchter kommen um zehn Uhr durch unseren Kamin. Joe sitzt im Arbeitszimmer und hat das Bin-Arbeiten-Schild aufgehängt. Offenbar hat sein Chef ihm aufgetragen, einige Sachen außerhalb der Firma zu erledigen", flüsterte sie, während sie Julius in die Wohnung ließ und leise die Tür schloß. Von Babettes Zimmer her trällerten die Spice Girls gerade "Wer glaubst du, daß du bist".

"Meine Mutter meinte gerade eben noch, daß die in Deutschland wohl heute total aus dem Häuschen sind, weil deren Fußballmädels gestern die Frauen-Euro gewonnen haben."

"Habe ich auch gehört", erwiderte Catherine. "Irgendwie komisch, daß es bei Mannschaftssportarten noch nach Geschlechtern getrennt zugeht. Das ist im Quidditch und Quodpot schon lange nicht mehr so. Gibt ja nur wenige eingeschlechtliche Mannschaften. Bei euch die Holyhead Harpies als reine Hexentruppe und bei uns die Dijon Drachen als reine Zauberermannschaft. Habe das heute Morgen im Miroir gelesen, daß die den Mercurios Polonius Lagrange abwerben wollen."

"Oh, da könnte Bruno dann etwas lockerer aufspielen. Der hat sich mit dem doch immer irgendwie."

"Problem nur, daß die Mercurios Polonius Lagrange nicht unbedingt loswerden wollen", meinte Catherine.

"Wieso, wenn der wechseln will", meinte Julius und erinnerte sich und Catherine an ein Gespräch über die Profi-Mannschaften. Catherine nickte und meinte dann noch:

"Wenn sie ihm bei den Mercurios noch bessere Bedingungen zubilligen. Dann könnte es für Bruno Dusoleil aber eng werden. Entweder muß er dann aus dem Profi-Quidditch aussteigen oder eine andere Mannschaft finden, die ihn spielen läßt. Polonius hat so viele Lorbeeren eingeheimst, daß er im Moment in der besseren Position ist."

"Oha, könnte Jeanne nicht so recht gefallen", sagte Julius. "Allerdings wäre das auch wieder ein Grund für die Mercurios, Bruno zu behalten, weil dessen Familie aus dem Ort stammt und die Fans eher für einen aus ihren Reihen jubeln als für einen von woanders."

"Du kennst das wohl aus dem Fußball", meinte Catherine dazu.

"Tja, nur daß London so viele Mannschaften hat", erwiderte Julius und breitete zur Unterstreichung seine Arme aus. Catherine nickte.

"Wir können ja in der Küche weiterreden. Dann stören wir Joe nicht bei der Arbeit", sagte Catherine und ging noch einmal zu Babette, um sie ruhig zu bitten, die Musik nicht zu laut zu drehen und nach Möglichkeit nicht bei jedem ihrer Lieblingstitel mitzusingen. Babette quängelte bockig, daß das ihren Vater nicht so heftig stören würde, wenn der in seinem Computerzimmer sitze. Doch ihre Mutter war unerbittlich. Babette grummelte noch einmal was. Dann schloß Catherine die Zimmertür von außen. Sie sah noch einmal nach Claudine, die im Moment friedlich schlummerte, was sich jederzeit ändern konnte. Dann leistete sie Julius in der Küche gesellschaft.

Die Zeit bis zum Eintreffen der Latierre-Schwestern Martine und Mildrid verplauderten sie mit Themen wie Quidditch, einfache Haushaltszauber, die Hausaufgaben, die Julius schon fertig hatte und seinen fünfzehnten Geburtstag. Catherine erbot sich, alle Einladungen anzunehmen und ihm und Camille Dusoleil die Liste der Zusagen zukommen zu lassen. Julius nickte dankbar. Denn noch hatten nicht alle zurückgeschrieben, die er eingeladen hatte.

Als Martine und Millie durch den Kamin im Partyraum der Brickstons hereinfauchten und die Hausherrin und Julius begrüßt hatten, meinte Martine:

"Mayette hat uns gebeten, zu fragen, ob Babette nicht Lust hat, ins Sonnenblumenschloß zu kommen, falls du das erlaubst, Catherine."

"Wäre vielleicht nicht so schlecht. Mein Mann hat sich von seinem Vorgesetzten einen Riesenstapel Arbeit für zu Hause aufhalsen lassen und könnte mehr Ruhe gut vertragen. Claudine kann ich ja schlecht in meinem Arbeitszimmer schlafen lassen", erwiderte Catherine. Dann sah sie Julius an. "Du kannst mit Babette und den Latierres ins Honigwabenhaus hinübergehen, wenn du deine Sachen heruntergeholt hast. Ich weiß ja dann, wo du bist." Julius nickte und führte die beiden rotblonden Schwestern in die Wohnung der Andrews' hinauf.

Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis Julius seine diebstahlsichere Reisetasche mit allem gepackt hatte, was er für den Ausflug in die Staaten und Millemerveilles mitnehmen wollte. Dann gab er Viviane auf, Camille mitzuteilen, daß Catherine ihr wegen der Gäste zu seinem Geburtstag schreiben würde und verließ die Wohnung, nachdem er alle Wasserhähne und Elektrogeräte geprüft hatte und sicher sein konnte, daß weder ein Wasserhahn tropfte noch ein nicht benötigtes Gerät angeschlossen oder gar eingeschaltet blieb. Mit dem Ganymed 10 in seinem Futteral an der Reisetasche suchte er die Wohnung der Brickstons wieder auf.

"Wir sind dann so weit", meinte Martine, die es Millie überlassen hatte, mit Julius die Gepäckzusammenstellung abzuhandeln. "Ich bringe Millie und Julius dann um sechs Uhr abends rüber. Maman hat mir noch mal die Aufrufwörter für die Reisesphäre verraten."

"Gut, ich erfahre es dann wohl von ihr, wenn du die beiden sicher übergesetzt hast, Martine", sagte Catherine.

"Bestell deiner Mutter noch schöne Grüße", gab Millie frech grinsend von sich. Catherine sah sie etwas ungehalten an, nickte dann aber nur. Dann sah sie zu, wie die Latierres, Babette und Julius nacheinander durch ihren Kamin verschwanden.

Babette Brickston flohpulverte zwei Minuten später weiter ins Sonnenblumenschloß, nachdem sie sich mit Mayette, Ursulines drittjüngster Tochter, im sechseckigen Wohnzimmer der Latierres getroffen hatte.

"Wir gehen heute Mittag zu Temmie ins Café", sagte Hippolyte Latierre, nachdem Babette fort war. "Sie wollte sich mit dir noch mal über Quodpot unterhalten und über Babs' wilde Flügelkuh, die Hubert auf keinen Fall haben will."

"Warum über die?" Fragte Julius alarmiert. "Soll ich mit deiner Schwester noch mal klären, ob deine Cousine sie nicht doch irgendwie steuern kann?" Wollte Julius wissen.

"Vielleicht! Näheres hat Temmie mir nicht gesagt. Dann möchtest du bitte noch ein Geschenk für die Foresters mitnehmen, daß Babs mir heute Morgen noch herübergebracht hat", sagte Millies Mutter. Sie holte ein großes Glas hervor, in dem mehrere Kilo frische Kirschen eingeschlossen waren. Julius sah etwas zwiespältig auf das Glas und fragte leise, ob ihre Schwester die von einem bestimmten Baum abgepflückt habe.

"Öhm, ja, hat sie. Aber als "der Baum" mitbekommen hat, daß du eine rein pflanzlich lebende Junghexe ohne ein ihr genehmes Geschenk aufzusuchen vorhast, war das keine Frage, daß du drei Kilo frische Kirschen mitnimmst. Allemal besser, als sie nur den Staren und Elstern zu überlassen. Babs' hat schon genug Obst zum Einmachen gepflückt."

"Gut schmecken tun die ja auf jeden Fall. Nur darf ich Ms. Forester und ihrem Vater bloß nicht verraten, von welchem besonderen Baum die gepflückt wurden", sagte Julius. Martine und Millie grinsten schalkhaft. Hippolyte nickte und erwiderte:

"Das war ja eh klar, daß du das keinem erzählst. Kriegt ja auch sonst keiner mit, und daß du das jetzt weißt lag ja an Mamans Großzügigkeit zu Weihnachten." Julius nickte bestätigend.

"Vielleicht komme ich nach den ganzen Terminen in Millemerveilles noch mal auf Barbaras Hof, um mich zu bedanken", sagte Julius.

"Kein Problem", sagte Hippolyte dazu nur und gab Julius das Glas mit den entstielten Kirschen darin. Er packte es noch in seine Reisetasche und stellte diese mit dem Besen so in die Nähe des Kamins, daß keiner darüber fallen konnte. Danach zupfte er seinen tannengrünen Umhang zurecht. Millie strich sich das meergrüne Kleid glatt, das sie damals bei Jeannes Hochzeit getragen hatte. Dann verließen sie das sechseckige Haus der Latierres und gingen zu Fuß in die kleine, aber freundlich helle Seitenstraße, wo Artemis Orchauds Café lag, in dem es immer so aussah, als sei es Nachtt und der Mond scheine. Nur bei Neumond, so wußte Julius von der Besitzerin, wären nur die Sterne an der bezauberten Decke zu sehen.

Die Latierres und Julius sprachen mit Madame Orchaud, die Julius bei der Willkommensfeier für die neuen Kinder das Du angeboten hatte und aßen reichlich zu Mittag. Lyre, die in dem Café als Kellnerin arbeitete, flüsterte Julius zu, daß sie Damian im September heiraten würde und strich sich vergnügt grinsend über ihren Bauch, der sich noch flach unter der hellen Schürze abzeichnete.

"Du auch?" Fragte Julius leise.

"Wohl im März nächsten Jahres. Damians Eltern und papa waren nicht sonderlich begeistert. Aber ich bin volljährig", flüsterte Lyre. Ihre Mutter stupste sie an und meinte, daß es eben doch noch viele Latierre-Anteile in ihr gebe. Martine fragte Lyre, ob sie Damian dann schon auf ihren Besen geholt hätte. Lyre nickte. Dann gröhlte einer der Gäste nach der Bedienung, und Lyre huschte davon, um ihre Arbeit zu machen.

"Was hältst du denn von den Gerüchten, das die Dijon Drachen Polonius Lagrange anwerben wollen?" Fragte Artemis Julius. Dieser meinte dazu, daß Polonius ein sehr guter Spieler sei und sich aussuchen könne, wo er spiele. Er erfuhr, daß die Montferres es tatsächlich geschafft hatten, als Treiberinnen-Gespann unterzukommen. Dann sprachen sie noch über die geflügelte und verspielte Temmie, die sich in Julius verguckt zu haben schien.

"Hubert hat sich festgelegt, daß er weder eine Latierre-Kuh noch ein anderes großes Zaubertier haben möchte. Schade eigentlich. Ich mag das wilde Mädel. Auch wenn sie mit uns meistens gemacht hat was sie wollte."

"Babs, öhm, Madame Barbara Latierre wird wohl zusehen, sie bald decken zu lassen. Ich hörte, daß sich diese Anhänglichkeit legen würde, wenn sie zum ersten Mal gekalbt hätte", sagte Julius.

"Fürchtest du das oder hoffst du das?" Fragte Artemis Orchaud und sah Julius sehr genau an.

"Ich habe jetzt einmal nichts mit der fliegenden Temmie zu tun", erwiderte Julius. "Also kann's mir Schnuppe sein, ob die immer noch hinter mir her wäre, wenn sie was kleines bekommen hat oder nicht." Millie meinte ungefragt darauf:

"Deine Namensvetterin und Julius könnten eh nicht alles zusammen machen, was der quirligen Temmie richtigen Spaß machen würde. Soll die sich mal auffüllen lassen. Dann hat sie zwei Jahre zu tragen."

"Vielleicht wird sie dann umgänglicher, und dein Mann könnte sich doch noch dazu durchringen, die zu kaufen oder zu mieten", meinte Julius. Doch Artemis Orchaud schüttelte bedauernd den Kopf.

"Die Vorführungen haben ihm total gereicht", sagte die Wirtin des Mondscheincafés. Dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf neue Gäste gelenkt. Sie entschuldigte sich bei den Latierres und Julius und eilte zu den Neuankömmlingen, die Julius nicht kannte, die aber wohl Stammgäste und offenbar auch ziemlich wichtig dazu waren.

"Du hättest Temmie fragen können, ob Tante Babs dich nicht als ihr persönlicher Kuhlenker anstellt, damit sie zwischendurch auf dem drallen Mädel durch die Gegend fliegen kann", meinte Millie belustigt grinsend. Julius grinste zurück und antwortete:

"Dann müßte ich aber überall mit hin, wo Artemis hinreisen will. Wäre etwas aufwändig. Außerdem habe ich mit Beaux genug zu tun, denke ich."

"Das ist wohl so", sagte Martine kategorisch.

so gegen halb sechs Nachmittags kehrten die Latierres und Julius in das Honigwabenhaus zurück, um Julius' und Millies Gepäck zu holen. Dann ging es zum Ausgangskreis. Hippolyte Latierre winkte ihren beiden älteren Töchtern und Julius zum Abschied zu und mentiloquierte Julius:

"Mach mir mit Millie bloß keinen Kummer, Julius!" Dieser gedankensprach zurück:

"Ich leg's nicht drauf an." Dann trat er zu Millie und Martine in den grünen Kreis. Martine hob ihren Zauberstab hoch und vollführte damit drei Kreisbewegungen, wobei sie drei fremdartig klingende Worte rief. Danach erblühte über ihnen eine sonnenuntergangsrote Lichtkuppel, die sich über sie stülpte, und zu einer Lichtkugel wurde, in deren Mittelpunkt sie aus dem Kreis verschwanden und zwischen den Dimensionen von Raum und Zeit dahinglitten, begleitet von einem merkwürdigen Dreiklang, der wie auf sehr großen Flöten angeblasen klang. Wie schon einige Male zuvor meinte Julius, in seinem Kopf würde sich irgendwas langsam drehen. Dann sagte Martine an, daß sie nur noch vier Sekunden bis zum Ziel hatten.

Als die irdische Schwerkraft die drei Sphärenreisenden wieder einfing und die rote Lichtkugel um sie herum im Boden verschwand, fiel warmer Regen auf die drei reisenden herab. Graue Wolkenungeheuer drängten sich über ihnen und vergossen ihren Inhalt.

"Hups, ich hätte mir doch den Wetterbericht für New Orleans aus dem Internet holen sollen", grummelte Julius. "Mum meinte noch, ich sollte erst gucken, was hier gerade los ist."

"Ist nur Wasser", meinte Millie locker. Martine vollführte derweil einen Zauber an sich, der sie für einen Moment in ein silbrig-blaues Licht hüllte, das wie ein Kapuzenumhang aus tanzenden Funken wirkte und dann verschwand. Doch nun glitten alle herabfallenden Regentropfen von Martine ab, bevor sie ihr Haar oder ihre Kleidung benetzen konnten. Millie fischte in einer Außentasche ihres Kleides nach einer silbernen Haarspange, die sie sich mit flinken Fingern in ihr bereits gut angefeuchtetes Haar steckte, worauf auch sie von weiteren Regentropfen unbehelligt blieb. Nur Julius war dem Wetter schutzlos ausgesetzt, bis das halbrunde Tor in der den Ausgangskreis umfassenden Mauer aufglitt und drei Personen eintraten: Zachary Marchand, Brittany Forester und Melanie Redlief. Glorias älteste Cousine strahlte Julius an und schenkte Millie ein höfliches Nicken. Sie wirkte irgendwie schmächtiger, fand Julius. Dann erkannte er es, daß sie offenbar mehr als zehn Pfund abgenommen haben mußte. War das eine Bedingung ihrer Tante Dione gewesen, um sie, Melanie, in ihrem Kosmetikbetrieb anstellen zu können? Brittany blickte schadenfroh auf den nun immer mehr vom Regen durchnäßten Jungzauberer. Martine machte Anstalten, ihm mit ihrem Regenschutzzauber beizustehen. Doch Brittany winkte ab.

"Mr. Marchand hier registriert euch eben. Dann apparieren wir zu uns. In VDS scheint, wie es sich gehört, die Sonne. Die Minute hältst du wohl noch durch, Julius."

"Kein Problem. Ich kenne den Regen ja aus England", sagte Julius lässig.

"Es ist bedauerlich, daß deine Mutter nicht mitkommen konnte", sagte Zachary Marchand. Dann sah er Martine Latierre an und fragte sie, ob sie englisch spreche. Sie bejahte es. Dann wollte er von ihr wissen, ob sie auch nach Viento del Sol weiterreisen würde. Sie schüttelte den Kopf und gab Auskunft, daß sie ihre Schwester und Julius nur abliefern wollte, da ihre Mutter selbst wegen der kleinen Miriam zu Hause geblieben sei. Zachary Marchand blickte daraufhin Millie und Julius an, als mißfalle ihm was an den beiden. Julius sah ihn unschuldsvoll an, während Millie ihn abschätzig anblickte, nach dem Motto, was ihm wohl einfiele, sie so kritisch anzuglotzen.

"Nun, dann seid ihr ja ohne erwachsene Aufsichtsperson", grummelte Zachary Marchand. Julius grinste nun. Millie bedachte diese Äußerung mit spöttischer Miene. "Wissen die Foresters das, daß ihr alleine anreist?"

"Ja, die wissen das", sagte Brittany unaufgefordert. "Außerdem sind meine Eltern noch da, und ich passe auch auf, daß den beiden hier nichts passiert, Mr. Marchand."

"Öhm, nun, wie Sie meinen, Ms. Brittany", knurrte Zachary Marchand. Julius fragte ihn keck, ob seine Mutter ihm das nicht gesagt hatte. Er sah ihn vorwurfsvoll an und meinte, daß sie ihm ausgerichtet habe, daß er mit Millie von ihrer Schwester herübergebracht würde. Brittany meinte mit einem Fingerzeig zum Himmel, daß die Einreiseformalitäten erledigt werden sollten. Mr. Marchand sah sie leicht verstimmt an, nickte dann aber und füllte ein Formular aus. Dann winkte er Millie und Julius durch das Tor.

"Geh nicht drauf ein, wenn meine Schwester Lyre nacheifern will!" Mentiloquierte Martine Julius. Dieser schwieg dazu. Mr. Marchand sagte dann noch:

"Ich weiß, daß du gelernt hast, dich anständig aufzuführen. Mach deiner Mutter also keinen Ärger!"

"Ihnen auch noch einen schönen Tag, Mr. Marchand", erwiderte Julius trotzig und wandte sich von ihm ab.

"Pass bloß auf, Bursche!" Blaffte Zachary Marchand ihm nach. Millie zwinkerte Julius verschwörerisch zu. Dieser drehte sich noch einmal um und sagte so gelassen wie er konnte:

"Erstens passe ich bei allem was ich tue auf. Zweitens heißt das immer noch Mister Andrews für Sie, Mister Marchand. Drittens haben Sie es doch mitbekommen, daß meine Mutter keine Probleme damit hat, daß Mademoiselle Latierre und ich ohne sie verreisen. Also machen Sie kein Problem daraus. Das liegt nicht in Ihrer Zuständigkeit. Noch einmal einen schönen Tag noch, Sir!" Er sah Zachary Marchand unerschütterlich an, der die Schultern zuckte, dann ansetzte, was zu erwidern, aber dann abwinkte und nur "Auch noch viel Spaß" wünschte.

"Du gehst mit mir zusammen", legte Brittany fest und bot Julius den linken Arm zum festhalten an. Millie stellte sich neben die ungewohnt schmächtige Melanie Redlief, winkte noch einmal ihrer Schwester, die den beiden noch schöne Ferientage wünschte und dann die Reisesphäre für den Rückweg nach Paris aufrief. Julius sah noch, wie der in einem blauen Umhang gekleidete Zachary Marchand argwöhnisch auf die beiden Gäste aus Europa blickte. Dann meinte Brittany:

"Okay, gut festhalten! Eins! - Zwei! - Drei!"

Julius sprang bei Drei ab, als Brittany sich so schnell auf der Stelle drehte, als wolle sie eine Pirouette tanzen und fühlte den ihn zusammenstauchenden Druck und sah die totale Schwärze um sich herum. Doch das sonst so einquetschende Gefühl war nicht so stark wie üblich. Als eine neue Umgebung um Julius Gestalt gewann und er wieder völlig frei atmen konnte, stellte er fest, daß sie nicht gleich in VDS angekommen waren, sondern am Fuße eines majestätischen Berges appariert waren. Der Berg besaß viele gleichmächtige Brüder, die neben ihm, hinter ihm und vor ihm in den Himmel ragten.

"Mel kann noch nicht so weit springen wie ich", mentiloquierte Brittany mit gewisser Schadenfreude. "Deshalb geht es über zwei Zwischenhaltepunkte."

"Sind das die Rockies?" Fragte Julius und deutete auf die steinernen Giganten um ihn herum.

"Yupp", erwiderte Brittany. Es krachte laut, und Melanie Redlief stand mit Millie keine vier Meter weiter fort. Sie begutachtete sich und Millie sehr besorgt, strahlte dann aber über ihr ganzes Gesicht und nickte Brittany zu.

"Okay, wieder gut festhalten!" Rief Brittany. "Das mit dem Abspringen ist aber interessant. Wußte nicht, daß der Transit dann so angenehm ist."

"Geht nur für den, der mitgenommen wird", sagte Julius. Brittany nickte. Dann zählte sie wieder an, so daß Julius bei Drei wieder abspringen konnte. Diesmal kamen sie in einer steilwandigen Schlucht heraus, an deren Grund ein munterer Fluß dahinrauschte.

"Das ist der Eingang zu Cloudy Canyon", stellte Brittany diesen Ort vor, wartete, bis Melanie mit Mildrid nachgerückt war und die Kontrolle gemacht hatte, ob sie alles an sich auch mitgebracht hatten. Dann ging es im letzten Sprung auf den Marktplatz von Viento del Sol.

"Warum sind wir eigentlich nicht geflohpulvert?" Fragte Julius, als sie alle beisammen waren.

"Bei den Vineyards ist heute geschlossene Gesellschaft, und der Drache hat deshalb für Laufkundschaft geschlossen", sagte Melanie Redlief. "Opa Livius ist in der Redaktion. Sonst hätten wir von ihm aus flohpulvern können."

"Und deine Schwester?" Fragte Julius.

"Die ist mit Gloria in New York unterwegs und wollte so um drei Uhr Nachmittags Ostküstenzeit zurückkommen. Weiß der Donnervogel, warum sie das gestern nicht machen konnten. Jetzt muß ich noch mal nach Hause, um auf die beiden zu warten, weil Mom und Dad der Meinung sind, daß wir gemeinsam bei Britts Eltern auflaufen sollen", knurrte Melanie. "Deshalb haben Brittund ich das beschlossen, daß wir euch am Arm herapparieren. Noch alles dran, Mademoiselle Mildrid?"

"Alles was lebenswichtig ist, Ms. Melanie", erwiderte Millie. Dann bedankte sie sich noch bei ihrer Seit-an-Seit-Apparatorin und blickte sich um.

"Gut, ich hüpf dann mal wieder nach Hause, Britt. Ich komme dann mit Myrna und Gloria nach, wenn die angekommen ist."

"Okay", erwiderte Brittany darauf. Millie ließ Melanie los und trat zur Seite. Mit leisem Plopp verschwand Glorias ältere Cousine im Nichts. Brittany meinte dazu, daß Mel nun richtig behände apparieren konnte, auch wenn sie etwas verkümmert aussehen möge. Dann fragte sie, ob sie alle laufen oder fliegen sollten. Millie war für's Laufen, was Julius mit einem Nicken absegnete. Brittany nickte dann auch und führte die beiden Gäste durch die Straßen von Viento del Sol zum Haus ihrer Eltern.

Schon von weitem konnten sie das kleine, gemütliche Fachwerkhaus erkennen, das aus wuchtigen Rotbuchenstämmen zusammengezimmert worden war. Diese Verarbeitung hatte Brittanys Haus die Flohnetzadresse Rotbuchenhaus eingebracht. Aus dem roten Ziegelschornstein stieg eine dünne, weiße Rauchfahne kerzengerade in den Himmel über Viento del Sol empor. Im Moment wehte nicht der leiseste Windhauch. Als sie um die letzte Straßenecke bogen, um den Vorgarten des Hauses zu betreten, trafen sie unvermittelt auf eine sehr attraktive Hexe mit kaffeebrauner Haut und beinahe schwarzen Kulleraugen, die sich mit einem Mann in grüner Gartenschürze unterhielt, der Ähnlichkeiten mit der etwa 1,90 Meter hohen, weizenblonden Brittany Forester besaß.

"Sie wissen genau, Ms. Knowles, daß ich keine Probleme damit habe, daß ich hier als Quotenmuggel lebe. Fragen Sie also bitte nicht so scheinheilig, warum ich so umständlich den Garten bearbeiten muß."

"Das Wort "Quotenmuggel" haben Sie gesagt, Mr. Forester. Ich würde derart abfällige Ausdrücke nicht benutzen", erwiderte die rotbraungelockte Hexe zuckersüß lächelnd. Dann sah sie Brittany und ihre Gäste an. Sie strahlte mit der hier gerade auf halbem Weg nach oben stehenden Sonne um die Wette und winkte Julius zu, wobei sie Millie nur mit einem Seitenblick bedachte.

"Oh, der junge Mr. Andrews beehrt uns wieder", flötete sie. Millie sah sie abschätzig an, schien dabei um ein paar Zentimeter zu wachsen. Julius nickte jedoch und grüßte freundlich.

"Schönen guten Morgen, Ms. Knowles. Ich dachte, Sie wären bei Ihrer Zeitung am arbeiten." Dann flüsterte er so leise er konnte: "Hätte mir doch die Bootsmannspfeife einpacken sollen, die ich zum siebten Geburtstag gekriegt habe."

"Na, nicht so gemein, junger Mann", erwiderte Linda Knowles amüsiert. "Aber deine Vermutung trifft fast zu. Ich muß hier noch wen interviewen, die übermorgen spielt. Mein Boss erwartet mich erst danach im Büro. Ich wohne hier ja schließlich und habe daher Anspruch auf Exklusivinterviews." Brittany bekam rote Ohren und sah Julius leicht abbittend an.

"Das hätte ich dir besser vorher sagen sollen, daß Lino, öhm, Ms. Knowles mich und Venus noch wegen übermorgen interviewen möchte. Mom ist aber im Haus und zeigt euch die Zimmer."

"Die Zimmer?" Fragte Julius keck. Brittany sah ihn amüsiert an und mentiloquierte:

"Nicht vor Lino solche Scherze, Julius. Sonst meint die noch, wir wollten Millie und dich absichtlich zusammenlassen." Für alle Ohren vernehmbar fügte sie dem hinzu: "In einem kommen die Redlief-Schwestern und ihre Cousine unter, wenn die das will. Millie kriegt das grüne Zimmer und du das Abendrotzimmer, Julius."

"Mademoiselle Latierre, schön Sie ebenfalls wieder in unserer beschaulichen Gemeinde begrüßen zu dürfen", säuselte die kaffeebraune Hexe. Millie straffte sich noch etwas und bedankte sich mit kühler Betonung. Dann wurde sie gefragt, ob ihre Mutter keine Einwände gehabt habe, sie mit Julius alleine abreisen zu lassen. Millie meinte dazu so trocken wie Wüstensand:

"Meine Mutter weiß wo Julius wohnt, wenn er irgendwas anstellt, was ihr nicht passen könnte, Ms. Knowles. Das reicht ihr als Beruhigung aus."

"Natürlich", lachte Linda Knowles erheitert. Dann fragte sie Brittany, ob sie ihr nun für das angemeldete Interview zur Verfügung stehen würde. Brittany nickte und sah dann noch mal Millie und Julius an.

"Ich gehe davon aus, daß ich bis zum Mittagessen wieder zurück bin. Die Cottons kommen so gegen zwei unserer Zeit. Vielleicht möchtet ihr sie dann auch begrüßen."

"Wohnen die im sonnigen Gemüt?" Fragte Julius.

"Genau", sagte Brittany. Dann winkte sie Linda Knowles. Diese nickte und ging davon. Brittany folgte ihr.

"Lino ist und bleibt eine nervige Schwatzhexe", knurrte Mr. Forester. Aus zwanzig Metern entfernung trällerte Linda Knowles zurück: "Das habe ich gehört!" "Und wenn schon, langohrige Quasseltante!" Rief Brittanys Vater zur Antwort. Dann schwieg er einige Sekunden.

"Öhm, Brittany meinte, Ihre Frau würde uns unsere Zimmer zeigen", sagte Julius.

"Dann geht mal an die Tür und klingelt. Lorena ist in der Küche. Ich habe hier noch zu tun. Verdammte Gnome!"

"Ach, Sie haben Gnome im Garten? Das ist doch kein Akt. Meine Oma hat mir da einen genialen Trick verraten, wie man die einen Monat los wird", meinte Millie und blickte auf die Beete, wo gerade ein kleines Geschöpf mit lederartiger Haut und kartoffelförmigem Kopf zwischen zwei Kohlköpfen hervorlugte.

"Nichts für ungut, junge Miss, aber ich kann nicht zaubern, wie Sie wissen. Und die üblichen Zaubertränke lehne ich aus bestimmten Gründen ab", knurrte Mr. Forester, bevor er das neben ihm liegende Ende des Gartenschlauches griff und damit auf den neugierigen Gnom zielte, bevor er eine Vorrichtung wie einen Abzug drückte, um das kleine Wesen in einer Sekunde pitschnaß zu spritzen. Laut bibbernd und prustend tauchte der Gnom zwischen den Kohlköpfen unter und verschwand wohl in einem Loch, das er und seinesgleichen gebuddelt haben mochten.

"Die ruinieren noch das ganze Gemüse", knurrte Brittanys Vater. Julius hörte eine Spur von Frustration heraus. Mildrid meinte:

"Sie nehmen saure Milch, Zwiebelsaft und eine Probe von ihrem eigenen Abwasser und mischen das. Das Zeug schütten Sie dann in mindestens drei nahe beieinanderliegende Gnomlöcher rein. Das vertreibt die für mindestens einen Monat."

"Bitte was? Das meinst du jetzt nicht ernst, Mädchen", knurrte Mr. Forester. Doch Millie grinste überlegen und beteuerte, daß ihre Oma mütterlicherseits damit große Erfolge habe. Julius meinte dann noch, daß man Gnome auch einfangen und in einer Kiste wegbringen könnte, wenn man keine Jarveys oder Schwatzfratze im Garten halten wolle.

"Meine Methode zieht auch", versetzte Mr. Forester und suchte den Garten nach weiteren Gnomen ab, um ihnen eine kalte Dusche zu verpassen.

"Kostet nur ein bißchen viel Wasser", flüsterte Millie. Julius sah Mr. Forester an und sagte ruhig:

"Okay, wir bringen dann unser Gepäck in das Haus. Wir sehen uns dann ja nachher."

"Bis nachher", sagte Mr. Forester und hielt auf zwei Gnome drauf, die käckernd zwischen zwei Selleriestauden hervorhüpften.

"Uh, der ist aber nicht gerade gut drauf", zischte Millie Julius auf Französisch zu, als sie sich dem Vordereingang des Hauses näherten.

"Wahrscheinlich hat ihn Lino bei seinen Wasserspielen erwischt und blöd gefragt, warum er das nicht jemanden anderen machen lassen könne. Er ist eben einer der wenigen echten Muggel hier", erwiderte Julius und zog am Glockenseil, worauf aus dem Haus ein schallender Ton wie von einer kleinen Kirchenglocke erklang.

"Moment, bin gleich da!" Rief eine wesentlich fröhlichere Stimme aus dem Hausinneren. Millie prüfte derweil mit der Nase, was es hier wohl zum Mittagessen geben würde.

"Die brät aber was fleischiges, Monju", wisperte sie. Julius schnupperte und nickte. Dann lauschten sie beide auf die Schritte hinter der Tür. Leise rasselnd sprangen mehrere Riegel zurück. Dann ging die Tür auf, und Lorena Forester, Brittanys Mutter und Lehrerin für Pflege magischer Geschöpfe in der Thorntails-Akademie, stand im Türrahmen.

"Ah, schön, dann hat das geklappt", sagte sie, bevor sie die beiden Jugendlichen begrüßte. "Britt ist wohl über Ms. Knowles gestolpert. Ich habe es mitbekommen, daß sie meinen Mann wegen seiner Entgnomungsaktion angesprochen hat. Der will ja nicht hören. Schon peinlich, daß ich als Fachkraft für magische Geschöpfe Gnome im Garten zulasse. Manchmal muß ich dann sagen, daß ich sie ja nur studieren kann, wenn ich sie gewähren lasse. Aber da mein Mann wert auf eigene Gemüsebeete legt ... Ist wohl jetzt nicht gerade ein angebrachtes Thema. Hat Britt euch erzählt, wer wo schläft?"

"Ich soll in ein sogenanntes Abendrotzimmer", sagte Julius. Mrs. Forester nickte ihm zustimmend zu und führte die beiden dann ins Haus. Tatsächlich war Julius' Zimmer in hellen Farben gestrichen, die zwischen weißgelb und Orange lagen, was Julius zwar nicht sonderlich gefiel, aber er nicht ändern konnte. Ein großes Fenster wies nach Westen und gewährte dem Licht der Untergehenden Sonne Einlaß.

"Abends ist das hier richtig schön, als säßest du mitten drin im Sonnenuntergang", sagte Mrs. Forester. Millie betrachtete die Möbel, die in hellen Brauntönen gehalten waren. zu diesen gehörten ein breites Bett mit orangeroter Tagesdecke, ein zweitüriger Kleiderschrank und ein kreisrunder Tisch mit ebenfalls orangeroter Wolldecke. Unter dem Bett war noch einKasten mit vier Schubladen, und um den Tisch herum standen vier hochlehnige Stühle mit sonnengelben Sitzkissen. Julius band das Besenfutteral von seiner Reisetasche los und lehnte es gegen den Schrank. Dann setzte er die Tasche ab.

"Brauchst du Hilfe beim auspacken?" Fragte Mrs. Forester. Julius schüttelte den Kopf. Millie wurde daraufhin gebeten, sich ihr Zimmer anzusehen. Julius folgte in zwei Metern Abstand und lernte auf diese Weise das Haus kennen. Er erkannte, daß die Foresters die beiden Gäste aus Frankreich wohl absichtlich schön weit voneinander entfernt untergebracht hatten. Denn Millies Zimmer lag im zweiten Stockwerk, genau an der östlichen Seite. Es wirkte ähnlich wie das Wiesenlandschaftszimmer im Haus der Dusoleils, meinte Julius, als er die in satten Grüntönen gehaltenen Wände sah und die dunkelbraunen Möbel betrachtet. Der Schrank hier besaß noch einen an der rechten Tür festgemachten Spiegel, der vom Boden bis zur Decke des Schranks reichte. Auf den breiten Fensterbrettern standen frische Sommerblumen in smaragdgrünen Vasen. Millie würdigte die Einrichtung ausführlich. Dann wollte sie noch wissen, wo das Badezimmer lag, welches sie benutzen dürfe.

"Wir haben auf jedem Stockwerk eins und zwei Gästetoiletten zusätzlich", sagte Mrs. Forester und zeigte ihren Gästen die Badezimmer. Julius sah, wie Millie den Raum überblickte. Sie fragte, ob es dann nicht besser sei, ihre Kosmetiktasche bei sich im Zimmer zu lassen. Brittanys Mutter hatte nichts dagegen. Julius durfte wie die Eheleute Forester das Badezimmer im ersten Stock benutzen. Da er kein umfangreiches Kosmetikzubehör mitgebracht hatte, konnte er den kleinen, bordeauxroten Kulturbeutel, in dem neben den üblichen Utensilien auch sein Rasierapparat verstaut war, in einer freigeräumten Nische unterbringen. Dann führte Mrs. Forester ihre Gäste wieder zurück in ihre Zimmer. Sie unterband es ohne lautes Wort und ohne Gewalt anwenden zu müssen, daß Millie und Julius für sich alleine blieben. So hatte Julius Zeit, seine Tasche auszupacken und sich ein Buch auf den Tisch bereitzulegen, in dem er abends noch lesen wollte, wenn er nicht mit Millie mentiloquieren würde oder mit Brittany und anderen im Dorf unterwegs war. Eine Viertelstunde später traf er Mrs. Forester in der Küche, wo er eine Dosis des Ortszeitanpassungstrankes einnahm, so daß er keinen Abend-, sondern Mittagshunger bekam. Dann kam noch Mildrid hinzu. Zusammen plauderten sie mit Mrs. Forester über die Anreise, den Regen in New Orleans und was in der europäischen Zaubererwelt gerade abging.

"Wir haben hier Ende Juli Ministerwahl", seufzte Mrs. Forester. "Cartridge hat gesagt, daß er noch einmal antreten will. Vielleicht wird aber auch Ernest Bowman neuer Minister, falls Thalassa Keystone nicht doch zur neuen Zaubereiministerin wird. Ich hoffe, es passiert nicht vorher wieder was wie beim letzten Mal, als Davenport ... Na ja, ist ja schon einige Tage her."

"Allerdings", grummelte Julius, der sich zu gut daran erinnerte, daß der gewaltsame Tod Davenports das Vorspiel zu einem seiner dunkelsten Erlebnisse der letzten zwei Jahre gewesen war.

"Keystone. Ist das nicht 'ne Lehrerin von Broomswood?" Fragte Millie, hier das akzentfreie britische Englisch benutzend, daß sie gelernt hatte.

"Es ist die Nichte von Ms. Pabblenut, der amtierenden Schulleiterin", seufzte Brittanys Mutter. "Ich glaube nicht, daß Thalassa Keystone deshalb gewählt wird. Die meisten Hexen und Zauberer denken eh, daß Ms. Pabblenut sich zu sehr in die Politik des Ministeriums einmischt und offen gegen koedukative Schulen wie Thorntails oder auch Beauxbatons hetzt."

"Koeduktativ?" Fragte Millie leicht verdutzt.

"Koedukativ, Ms. Latierre. Das heißt, daß Jungen und Mädchen zusammen unterrichtet werden", erklärte Mrs. Forester. "Broomswood ist eine kleine Schule ausschließlich für junge Hexen, die auch nur von weiblichem Lehrpersonal geführt wird und das Dasein eines magischen Nonnenklosters fristet. Allerdings wollen die Eltern dieser Schülerinnen das auch. Die Mütter waren in den meisten Fällen selbst dort gewesen."

"Ach du großer Drachenmist!" Stöhnte Millie, was von Mrs. Forester mit einem tadelnden Räuspern beantwortet wurde. Julius grinste und meinte:

"In so'ner reinen Brave-Mädchen-Schule hättest du für den Spruch eben wohl Strafarbeit kassiert." Mrs. Forester nickte schwerfällig.

"Du hast von Broomswood gehört, Julius?"

"Melanie Redlief hat sie mal erwähnt, als ich wissen wollte, ob Ihre Schule, also Thorntails, die einzige Zauberschule in den vereinigten Staaten sei. Sie meinte dann noch, daß ihre Oma väterlicherseits da gewesen sei."

"Ja, aber dafür war ihre Tante väterlicherseits bei uns in Thorntails", erwiderte Mrs. Forester. "Ich glaube nicht, daß drakonische Isolation junger Mädchen tugendhaftere Hexen aus ihnen macht. Zumal sie was die geschlechtliche Selbstfindung angeht in der Entwicklung zurückbleiben, wenn sie nicht mit gleichalterigen Jungen vergleichen können. Außerdem legen die von Broomswood Wert darauf, daß alle Lehrerinnen unverheiratet sind. Als ich mich orientierte, um ein Lehramt zu bekleiden, trug ich Brittany unter dem Herzen. Ms. Pabblenut meinte dann zu mir, daß ich dann kaum der rechte Umgang für die ihr anvertrauten Schülerinnen sein könne."

"Ja, weil die wohl beigebracht kriegen, daß sie schon schwanger werden, wenn ein Junge sie angrinst", warf Millie verächtlich ein. "Ich hörte, daß irgendwo in der westlichen Zaubererwelt so'ne Hexenzuchtanstalt sei. Daß die hier sein soll wundert mich jetzt aber doch."

"Mich nicht", erwiderte Julius. "Die Staaten sind in der Welt dafür bekannt, daß die Leute hier zur Prüderie erzogen werden, aber dann doch ausschweifend leben. Fortschritt und Tradition, das sollen doch die Eckfeiler der US-amerikanischen Gesellschaft sein."

"Nicht so gehässig, Julius", tadelte Mrs. Forester den Jungen. "Immerhin möchtest du ja die nächsten Tage von unserem Frühstück, Mittag- und Abendessen abbekommen, nicht wahr?"

"Ich sage nur, was andere hiesige Zauberer schon gesagt haben, Madam", erwiderte Julius unbeeindruckt. Millie grinste ihn vergnügt an.

"Sie wissen doch, daß Julius von seiner Mutter logisches Denken gelernt hat. Da kommt das natürlich komisch rüber, wenn Leute fordern, nur Wasser zu trinken und dann heimlich oder ganz offen den besten Rotwein trinken", warf Millie ein. Julius schluckte einen Tadel gegen Millie hinunter. Sie hatte ja recht damit, daß seine Eltern ihn auf logisches Denken einpeilen wollten. Doch in seinem jungen Leben hatte er lernen müssen, daß Logik längst nicht überall und immer weiterhalf.

"Wo steht geschrieben, daß alle Menschen logisch sind?" Fragte Mrs. Forester und zwinkerte Julius an, dem diese Frage irgendwoher bekannt vorkam.

"Das stimmt auch wieder", lachte Mildrid. Julius grinste nur. Dann wandte er ein, daß es nur hieß, daß die Menschen zu logischem Denken in der Lage wären, was nicht heiße, daß sie es dann auch immer täten. Millie sah ihn verschmitzt grinsend an, während die Hausherrin lächelte.

Bis zum Mittagessen sprachen die beiden Gäste mit ihrer Gastgeberin über magische Tierwesen und über den Unterricht Madame Maximes und das Zauberwesenseminar. Julius erwähnte auch die Reise mit den Abraxas-Pferden nach Hogwarts und seine Erfahrungen mit Goldschweif.

"Oh, das habe ich auch noch nie geschafft, die Jungen einer Knieselin wenige Tage nach der Geburt zu sehen", stellte die Zaubertierkundelehrerin von Thorntails anerkennend fest. "Wir haben in unserer Akademie zehn Kniesel, vier Kater und sechs Kätzinnen, jedoch über eine große Fläche verteilt, damit es keine Revierrangeleien oder Gedrängestress gibt."

"Bei uns geht das irgendwie mit dem großen Gehege", erwiderte Julius darauf. "Allerdings denke ich, daß Madame Maxime ältere Tiere wohl anderswo unterbringen wird, wenn die Jungen ausgewachsen sind. Oder sie gibt einige der Jungen ab."

"Wenn sie nicht einen neuen Lehrer einstellt", meinte Millie. "Aber das kriegen wir ja erst im neuen Schuljahr mit."

"Stimmt", sagte Julius. Dann wurde er gefragt, ob er in Millemerveilles wieder Schach spielen würde, was er mit einem verhaltenen Nicken beantwortete. Millie bemerkte mit überlegenem Lächeln dazu, daß er ja wieder gegen ihre Großmutter antreten solle, weil diese sonst sehr traurig sei. Julius sagte dazu nichts.

Punkt zwölf Uhr Pazifikstandardzeit kehrte Brittany von ihrem Interview zurück. Sie wurde von der kraftvoll und schlank gebauten, goldblonden Venus Partridge begleitet, die Julius und Mildrid gerne begrüßen wollte. Mr. Forester hatte es inzwischen aufgegeben, die Gnome mit dem Wasserschlauch zu bekämpfen. Denn der Vorgarten wirkte schon wie ein tragbarer Sumpf, und der Hauptgarten war durchzogen mit kleinen Hügeln und Kuhlen, dort wo die Gnome sich auf der Flucht vor den Wassersalven unter der Erde entlanggebuddelt hatten. Er fragte seine Frau, ob sie ihm und Brittany was ohne tierische Lebensmittel zum Mittag gemacht habe. Mrs. Forester bejahte es mit einem beruhigenden Lächeln.

"Wollt ihr morgen Nachmittag noch mal gegen uns antreten?" Fragte Venus Millie und Julius und deutete auf Brittany. Millie sah Julius an, der zustimmend nickte und nickte dann auch.

Eine Viertelstunde später trafen auch Gloria Porter und ihre Cousinen Melanie und Myrna ein. Brittany führte sie in ein Zimmer, wo drei Feldbetten aufgestellt waren und ein zusätzlicher Kleiderschrank eingestellt worden war. Dann gab es Mittagessen. Millie und Julius nahmen reichlich von dem Nudelauflauf mit Räucherschinken und Sahnesoße, probierten aber auch die vegetarische Variante mit Gemüse und mehr Tomatenmark. Anschließend holte Julius das große Glas mit den frischen Kirschen aus seiner Tasche und überreichte es Mrs. Forester.

"Das ist aus dem Obstgarten einer Tante von Mildrid", sagte er. Millie fügte hinzu:

"Wir hatten uns überlegt, was wir schenken könnten, was alle annehmen können. Da hat meine Tante Barbara uns ein Conservatempus-Glas voller frischer Kirschen gegeben. Ich hoffe, sie schmecken Ihnen und dir", wobei sie die Foresters und Britt anblickte.

"Hui, das sind aber viele", staunte Brittany und wog das große Glas in jeder Hand. Ihr Vater sah Millie dankbar an.

"Von dem Obstgarten habe ich gehört", sagte Gloria. "Der ist eher eine richtige Plantage, nur mit dem Unterschied, daß es dort mehrere Obstsorten gibt und die Bäume sich größtenteils selbst überlassen bleiben."

"Eigentlich wollte meine Tante uns einen großen Krug Honig geben. Aber ich hatte ja erzählt, daß du, Brittany, überhaupt keine Lebensmittel aus Tierprodukten zu dir nimmst."

"Jamm, die sehen echt lecker aus", meinte Myrna. "Mel darf ja nix süßes mehr, weil Tante Di sie auf Diät gesetzt hat."

"Paß ja auf, daß ich dir nicht gleich mal deine Speckröllchen langziehe", fauchte Melanie Redlief. Die Foresters bedankten sich für das Gastgeschenk.

"Kirschbäume haben wir nicht im Garten", meinte Brittanys Vater. "Hätte deine Tante was dagegen, wenn ich zwei oder drei von den Kirschen hier einpflanze?"

"Sie hat's nicht verboten", erwiderte Millie. "Aber dann müssen Sie die Kirschen vorher gegessen haben und zusehen, das die Kerne frei werden. Meine Tante sagte das mal, daß die nur aufgehen, wenn sie vorher durch jemanden durchgewandert sind, wenn Sie verstehen ..." Mr. Forester nickte mit leicht geröteten Ohren. Brittany zwinkerte ihrem Vater zu.

"Wir kriegen das schon hin", sagte sie.

Wann wollte Sharon kommen?" Fragte Melanie.

"So gegen zwei", informierte Britt ihre frühere Klassenkameradin.

"Weil ich die fragen wollte, ob wir den Einkaufsbummel durch die Morgentaustraße erst morgen früh machen sollen oder heute schon mal kucken, was wir da kaufen können", erwiderte Melanie. Britt sah Gloria, Melanie, Myrna und Millie und dann noch Julius an. Dieser trat einige Schritte zurück. Mit einer Horde Hexenmädchen durch eine Einkaufsstraße zu schlendern war nicht gerade das, was ihm vorschwebte. Millie sah ihn fragend an.

"Wenn ihr in die Morgentaustraße wollt gehe ich mir die Zaubertiere und die Zauberpflanzen hier ansehen", sagte er ruhig. Millie fragte dann, was es denn in der Morgentaustraße gäbe, daß sie nicht auch in Paris einkaufen könne. Daraufhin gerieten Brittany und Melanie ins Schwärmen, wobei sie sich jedoch bald in einer Meinungsverschiedenheit verstrickten, weil Brittany was gegen die Kleidung aus verschiedenen Tierfellen einzuwenden hatte und Melanie überdies noch von dem Korallenschmuck schwärmte, den sie im Schmuckladen führten, in dem Julius für sich und Millie den halbierbaren Herzanhänger gekauft hatte. Er sah Mrs. Forester an, die keine Anstalten machte, da einzuschreiten. Mildrid lauschte der noch gemäßigten Auseinandersetzung, bis Brittany unbedacht einwandte, daß die meisten auf Fellproduktion gezüchteten Tiere, vor allem die Goldglanzfellkaninchen und Wolle liefernden Tiere kein glückliches Leben führen würden. Das veranlaßte Millie dazu, sich in die Debatte einzuklinken und über die Latierre-Kühe zu sprechen, die durchaus ein erfülltes und friedliches Leben führten. Julius überlegte, ob er sich in die Auseinandersetzung einlassen sollte, als ihm Mrs. Forester zuwinkte und ihm bedeutete, ihr zu folgen.

"Jetzt hat deine Freundin erst einmal was auszudiskutieren", sagte sie zu Julius, als er ihr in einen ruhigeren Raum gefolgt war. "Manchmal vergisst Britt, daß sie eigentlich niemanden aus unserer Welt von ihrer Lebensweise überzeugen will, der nicht dazu bereit ist, sie anzunehmen. Ich halte mich da meistens raus, weil ich sowohl die Für- als auch Gegenargumente nachvollziehen kann und mich nicht auf eine bestimmte Meinung festlegen möchte."

"Na ja, das mit den Wolltieren war von Britt her auch etwas unbedacht, wo sie genau weiß, daß die Latierres verdammt stolz auf ihre fliegenden Kühe sind", seufzte Julius. Mrs. Forester nickte. "Vielleicht hat das Interview mit Ms. Knowles Ihre Tochter geschlaucht."

"Daß sie nicht so recht überlegen wollte, ob sie sich jetzt mit Melanie streiten soll oder nicht?" Fragte Mrs. Forester. Dann sagte sie: "Hat ihr wohl eher zugesetzt, daß Lino meinen Mann so merkwürdig angeredet hat. Manchmal kann er das nicht ausbalancieren, daß er nicht nur Muggel sondern auch Veganer ist, obwohl er für das erste nichts kann und das zweite doch aus tiefster Überzeugung ist. Aber ich wollte, wo deine Freundin sich gerade anderweitig unterhält fragen, ob du mir die Ehre einer Schachpartie gönnen möchtest, sofern du mit der unbefangen auftretenden Mademoiselle nicht schon etwas vereinbart hast."

"Ich bräuchte vielleicht einen Schachgegner, der anders spielt als die, die ich kenne", meinte Julius und stimmte zu. Als die Partie im vollen Gange war, klopfte Brittany an die Tür, trat ein und sah, daß ihre Mutter und Julius beschäftigt waren.

"Millie hat nach dir gefragt, Julius. Sharon wollte gleich kommen, und trotz dieser Ignoranz von Mel und Myrna werde ich mit denen nachher in die Morgentaustraße gehen. Sie meinte, ich solle klären, was du vorhättest."

"Sage ihr bitte, ich trainiere, um gegen ihre Oma nicht gleich in den ersten fünf Minuten blöd auszusehen", erwiderte Julius. Brittany lächelte amüsiert und verließ den Arbeitsraum, der mit Bildern der Familie Forester und diversen kleineren Zaubertieren geschmückt war.

Zwei Stunden später hatte Julius es geschafft, seine Opponentin zu besiegen.

"Hups, ich bin echt lange aus der Übung", sagte die Thorntails-Lehrerin. "Eigentlich sollten wir beide jeden Tag spielen. Aber ich fürchte, ich würde dann massiven Krach mit meiner Tochter und deiner Freundin bekommen."

"Gloria spielt auch Schach", sagte Julius.

"Die ist nur rübergekommen, weil du hier bei uns bist. Offenbar wollte sie mit dir was besprechen, klang es für mich. Es geht mich nur bedingt was an, aber hegt oder hegte Gloria gewisse Ansprüche auf eine Beziehung mit dir?"

"Nein, wir hatten nichts miteinander, was über gute Klassenkameradschaft hinausging", sagte Julius. "Aber sie hat im Moment Probleme, weil dieser Irre in England immer stärker wird und das Ministerium da nichts besseres zu tun hat, als selbst irgendwelche abgedrehten Aktionen zu fahren. Es wurde ihr ja angeboten, in Beauxbatons zu bleiben. Aber mit Beaux hat sie's nicht so."

"Kann verstehen, daß ihre Eltern vielleicht befinden, daß sie außerhalb von England sicherer untergebracht ist. Andererseits wird das Ministerium sich nun besonders verstärkt um die Sicherheit von Hogwarts kümmern."

"Wollen's hoffen", erwiderte Julius. "Aber ich kann ja mal sehen, ob Gloria Zeit hat."

"Ja, tu das!" Sagte Mrs. Forester.

Doch Gloria war nicht da. Brittany hatte einen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen, daß sie mit den anderen Junghexen zum Einkaufen gegangen sei. Julius zog sich daraufhin in das Abendrotzimmer zurück, schloß die Tür von innen und setzte sich mit dem Rücken zu den Fenstern. Dann nahm er seine Hälfte des roten Herzanhängers, die warm und sanft pulsierte und drückte sie an seine Stirn.

"Habt ihr euch jetzt doch zusammengerauft?" dachte er konzentriert an Millies Adresse.

"Du kennst das doch, Monju. Pack schlägt sich. Pack verträgt sich. Ich habe mich mit Britt darauf geeinigt, daß Tiere, die schon einmal leben, möglichst natürlich und glücklich leben können, auch wenn sie dafür Milch und Wolle abgeben. Von da an war das nur noch Zoff zwischen Mel und Britt. Ich habe mich dann leise mit Gloria über die Tage nach Schuljahresende unterhalten und ihr von diesen Läden vorgeschwärmt, die wir uns Ostern angeguckt haben. Jetzt sind wir vor dem Schmuckladen. Hast du Britts Mutter besiegt?"

"Joh, habe ich. Hat zwar etwas gedauert, aber ging dann doch", melote Julius.

"Kommst du noch zu uns, oder was machst du?"

"Ich stromer jetzt durch die Straßen und kuck mir an, was ich Ostern noch nicht gesehen habe", schickte Julius zurück.

"Gut, wenn ich dich irgendwo abholen soll sag bescheid!"

"Ja, mach ich", erwiderte Julius und verstaute seinen Herzanhänger wieder unter dem Unterhemd, wo er wohlig warm weiterpulsierte. Dann meldete er sich korrekt bei Mrs. Forester ab.

"Wenn du in den Tierpark willst, Julius, und da sitzt entweder eine Hexe mit schwarzer Dauerwelle oder ein Zauberer mit rotem Haar und Bart, bestelle bitte schöne Grüße von mir und ich hätte dir den Besuch empfohlen, weil du nächstes Jahr deine ZAGs machen würdest!" Sagte die Thorntails-Lehrerin. Julius nickte und bedankte sich. Dann verließ er das Rotbuchenhaus ohne Besen. So gesehen hatte er jetzt einen freien Nachmittag, wenn Millie und Gloria mit den amerikanischen Junghexen die Morgentaustraße leerkauften. Er wollte noch einmal rund ums Dorf bis zum Stadion laufen, wobei er die beiden Einkaufsstraßen jedoch vermeiden wollte. Er hoffte nur, nicht unterwegs über Lino zu stolpern. Diese könnte die Gunst der Stunde nutzen und ihn nach einem Interview über seine öffentlich bekannten Erlebnisse fragen. Schweigend durchquerte er die engen Gassen, die links und rechts von unterschiedlich gefärbten Häusern mit kleineren und größeren Vorgärten gesäumt wurden. Er nahm den großen Uhrenturm als Orientierungspunkt und überlegte schon, ob er diesem nicht auch noch einmal einen Besuch abstatten sollte. Einmal traf er spielende Kinder, die hinter einem blauen Ball hertollten, der wie ein Quod aussah. Ein Junge von etwa zehn Jahren fragte, ob er mitspielen wolle. So vertrieb er sich einige Minuten mit den drei Jungen und dem einen Mädchen und probierte Würfe ohne auf einem Besen zu sitzen. Dann verabschiedete er sich von den vieren, zwei Brüdern, ihrer Cousine und einem Freund aus der Nachbarschaft und setzte seinen Erkundungsgang durch Viento del Sol fort. Als er so nach etwa einer Stunde in die Nähe des Stadions kam, hörte er von dort Anfeuerungsrufe eines Zauberers, der seine Mannschaft trainierte. Er fragte sich, ob das die Heimmannschaft, die Windriders, war. Doch als er Venus Partridge im lockeren Dauerlauf um eine Straßenecke biegen sah wußte er, daß die Gegner für Brittanys Einstandsspiel trainierten.

"Oh, da würde ich jetzt nicht reingehen", sagte Venus, die der Dauerlauf offenbar nicht sonderlich angestrengt hatte. "Marlon Falkner will uns übermorgen vor eigenem Publikum fertigmachen. Pech für ihn ist, daß seine Slingshots außer McDuffy gerade ziemlich weit unten sind."

"Oh, dann bleibe ich lieber draußen, bevor mir noch wer unterstellt, ich wolle die ausspionieren.

"Hast du Krach mit Britt gekriegt?" Fragte Venus.

"Nein, das nicht. Die wollte nur mit meiner Freundin und ihren Schulkameraden die Morgentaustraße leerkaufen. Sowas ist nicht mein Ding."

"Ach, dann kuckst du dir jetzt unser Dorf in Ruhe an?" Fragte Venus.

"Genau", erwiderte Julius. Venus nickte ihm zu und verkündete, daß sie noch drei Meilen ablaufen wolle, um ihre Form zu halten. Julius verabschiedete sich von der Starspielerin der Windrieders und sah ihr einige Augenblicke nach, wie sie mit weit ausgreifenden Schritten weiterlief. Dann ging er selbst weiter.

Als Julius etwa zweihundert Meter südsüdöstlich des Stadions ein Haus, flach und rund wie ein Pfannkuchen vor sich sah, dessen silbernes Dach in der Nachmittagssonne glitzerte, erinnerte er sich, daß er es schon einmal gesehen hatte. Wohnte hier nicht die alleinerziehende Mutter Peggy Swann? Er näherte sich fast automatisch dem grünen Gartenzaun und blickte auf die Metallfigur eines rot lackierten Elefanten, der gerade mit seinem Rüssel den Rasen sprengte und dann ohne Fußabdrücke in den feuchten Boden zu machen weiterging, um einmal rund ums Haus zu wässern. Julius folgte dem magicomechanischen Rasensprenger von außerhalb, bis er auf der genau einhundertachtzig Grad gegenüberliegenden Hausseite eine kleine Hintertür Sah, in der gerade die rotblonde Hausbesitzerin stand und mit dem Zauberstab dirigierende Bewegungen vollführte, als steuere sie den roten Elefanten damit. Sie sah Julius, der auf Höhe des roten Rasensprengers stehenblieb und grüßte erst winkend. Dann sagte sie laut:

"Du bist das doch, Julius Andrews, nicht wahr?"

"Stimmt, Mrs. Swann", sagte Julius.

"Ms.", berichtigte die Hausbesitzerin den Jungen. "Ich habe zwar eine kleine Tochter, bin aber bisher noch nicht verheiratet gewesen."

"Verstehe", erwiderte Julius. "Wie geht es der Kleinen? Larissa heißt sie doch."

"Der geht es gut", sagte Peggy Swann lächelnd. Julius erinnerte sich an Dumbledores Beerdigung, wo Peggy Swann und ihre Tochter anwesend waren. Vor allem wie sehr das Baby geweint hatte stand schlagartig wieder vor seinem geistigen Auge. Er dachte an die kurze Unterredung mit Professeur Tourrecandide, ob das für ein Baby normal war, bei einer Beerdigung so heftig zu weinen und daß er vermutet hatte, es sei kein richtiges Baby. Irgendwie überkam ihn eine merkwürdige Mischung aus Neugier und Unbehagen. Sollte er Ms. Swann darauf ansprechen, daß er sie bei Dumbledores Beerdigung gesehen hatte? Doch als habe sie seine Gedanken gelesen fragte sie ihn:

"Du warst doch auch bei Dumbledores Begräbnis dabei, nicht wahr. Wir waren ja auch eingeladen."

"Ich habe Sie und Ihre Tochter gesehen", erwähnte Julius.

"Lino hat ja drüber geschrieben, wer so alles da war", sagte Peggy Swann. "Du kennst Lino ja schon."

"Allerdings", entgegnete Julius. Er lehnte sich an den Zaun. Peggy winkte der Elefantenstatue zu, die erst stehenblieb und dann Kehrt machte, um auf die Vorderseite des runden Hauses zurückzukehren.

"Ich hörte von meiner Nichte Miriam, daß du mit der Abordnung aus Beauxbatons angereist wärest. Gefällt es dir bei den Franzosen?"

Julius fragte sich, was diese Plauderei jetzt sollte. Er erwiderte kühl, daß er gut mit den Leuten in Beauxbatons klarkäme. Dabei merkte er, daß er an einer kleinen Gartentür lehnte, die beim ersten Hinsehen nicht als solche zu erkennen gewesen war. Peggy Swann deutete auf die Tür, die behutsam aufschwang. Sie lud Julius ein, falls er Zeit hatte, mit ihr über Dumbledore und die Zukunft von Hogwarts zu reden, da sie wegen eines dort im nächsten Jahr einzuschulenden Großneffen schon interessiert sei, was dieser dort zu erwarten habe. Julius überlegte, ob er dieser für ihn völlig merkwürdigen Einladung folgen sollte. Doch seine Neugier überwog das Mißtrauen. Vielleicht konnte er sie vorsichtig genug auf die heftige Trauer ihrer Tochter ansprechen, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Er nahm die Einladung an, ohne vorher bei Mrs. Forester um Erlaubnis zu fragen. Das hatte er doch nicht nötig. Wenn die Hexe da gefährlich war, hätte sie ihn nicht angesprochen, sondern gleich mit einem Zauber belegt. Sollte er Millie anmentiloquieren? Ach was! Wenn das hier belanglos verlief mußte er es nicht erwähnen. Und falls nicht konnte er sie später noch einweihen oder befinden, ob er das tun sollte oder nicht. Er betrat den Garten und ging über den feuchten Rasen zu Peggy Swann hinüber, die auf die Hintertür deutete. Sie sah ihn aufmunternd an. Er schottete seinen Geist ab. Sicher war sicher. Doch sie war wohl nicht darauf aus, ihn zu legilimentieren. Zumindest fühlte er keinen Angriffsversuch auf seinen Geist. Sie lächelte ihm freundlich zu, ohne Heuchelei oder Hinterhältigkeit. Er betrat das Haus hinter der im grünen Gartenumhang gekleideten Hexe. Die Tür fiel beinahe lautlos ins Schloß. Jetzt war er erst einmal in diesem Haus, gefangen oder nur als Gast. Das würden die nächsten Minuten zeigen.

Camille hätte der Flur wohl gefallen, fand Julius. Die Wände waren in einem grasgrünen Ton gestrichen und bildeten ein langgezogenes Dreieck, dessen Grundseite die gewölbte Hintertür umfaßte. Ein waldgrüner, flauschiger Teppich lag auf dem Boden. Dem Rest von Geräuschen, die seine Schritte machten nach bestand der Boden aus Holzdielen. An den beiden Flurwänden hingen silbern und golden gerahmte Portraits von Hexen und Zauberern in fließenden Umhängen und knöchellangen Kleidern. Die Hexen trugen kleine, wie himmelblaue Eistüten wirkende Hüte, während die Zauberer schwarze, dunkelbraune und Mitternachtsblaue Zylinder oder sehr spitz zulaufende Zaubererhüte auf den Köpfen trugen. Wie in der Zaubererwelt üblich waren die Bewohner der Bilder lebendig und winkten schweigend, als der Spontangast Peggy Swanns an ihnen vorüberschritt. Doch es gab nicht nur Portraits, sondern auch Naturansichten. So konnte Julius einen furchterregend heftige Flammenfontänen speienden Vulkan sehen. Ein anderes Bild zeigte einen blau flackernden Strahlenkranz auf schwarzem, mit Sternen übersäten Hintergrund. Julius mußte zweimal hinsehen um das zu glauben. Solch eine Erscheinung hatte er auf einer Internetseite über astronomische Naturschauspile gesehen. Innerhalb des bläulich flackernden Strahlenkranzes konnte er nämlich keine Sterne ausmachen, als umkränzten die Flammen eine völlig schwarze Scheibe.

"Huch, wer hat denn das Bild da gemalt?" Fragte Julius angenehm erstaunt und deutete auf das herausragende Bild.

"Meine Ururgroßmutter, Julius. Du weißt was das ist?" Erwiderte Peggy lächelnd. Julius nickte und antwortete, daß das die bei einer totalen Sonnenfinsternis sichtbare Corona der Sonne war. "Sehr richtig, Julius. Meine Urgroßmutter hat dieses Bild vor einhundert Jahren gemalt, nachdem sie insgesamt fünf totale Finsternisse beobachtet hat. Ihr Portrait hängt übrigens auch hier", sagte Peggy Swann und wies mit der linken Hand auf das goldgerahmte Portrait einer Hexe im himmelblauen Kleid und einem dito Hexenhütchen auf dem silbernen Schopf. Julius sah das Motiv des Bildes an. Die gemalte Hexe lächelte ihn warmherzig an und blickte ihn dabei mit strahlend blauen Augen an, die Julius an irgendwas oder irgendwen erinnerten. Neben der gemalten Hexe stand auf einem dreibeinigen Stativ ein goldenes Teleskop, das in den Himmel gerichtet war. Auf der anderen Seite der Hexe saß ein schneeweißer Schwan und reckte den schlanken Hals und sah Julius neugierig an.

"Meine Urgroßmutter hat ihre angeborenen Augen bei der vielen Sonnenguckerei eingebüßt. Alle Heiler haben ihr eindringlich geraten, nicht mehr als ein paar Sekunden pro zwei Minuten in die Sonne zu sehen. Ihr Fernrohr trug zwar starke Filter. Aber die mußte zwischendurch immer wieder unbewaffnet ins Sonnenlicht starren. Irgendwann haben ihre Augen dann nicht mehr standgehalten", gab Peggy Auskunft. "Die Wiederherstellung ihrer Sehkraft scheiterte an einem Stümper von Heiler, der meinte, das mal eben in einer Minute machen zu können. Dabei gingen ihre Augen unrettbar verloren und mußten durch magische Prothesen ersetzt werden."

"Was ein sehr gutes Geschäft war", sprach die gemalte Hexe mit breitem Grinsen. Julius verstand. Also hatten ihn diese strahlendblauen Augen an Moody erinnert. "War zwar ziemlich teuer. Aber dafür konnte ich dann mehr und besser sehen als vorher und stundenlang unseren Lebenspendenden Stern ansehen."

"Urgroßmutter Rheia war die erste Astronomielehrerin in Thorntails und hat sehr viel über die Sonne und ihre magischen Kräfte geforscht", sagte Peggy mit einem gewissen Unwillen in der Stimme. Julius fragte sich, warum er von dieser Forschungsarbeit noch nichts gehört hatte und erwähnte völlig unbefangen, daß er bisher nur ein Buch über die Magie der Sonne kenne, das von Dias und Meridies. Diese Bemerkung trieb der eben noch wohlwollend lächelnden Hexe auf dem Portraitbild die Zornesröte ins Gesicht. Peggy seufzte nur.

"Hyperion Dias hat vor dreißig Jahren die astronomische Bibliothek meiner Urgroßmutter gekauft, weil meine Großeltern nichts damit anfangen konnten. Er hat die Forschungsergebnisse meiner Urgroßmutter als eigene Erkenntnisse ausgegeben und mit Madamm Meridies zusammen dieses informative Buch verfaßt und Gold und Anerkennung dafür eingestrichen, ohne auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens zu haben." Die gemalte Rheia nickte bestätigend. "Meine Großeltern wollten zwar vor dem Ausschuß für magische Forschungsarbeit Klage gegen diese Unverschämtheit einreichen, hatten jedoch alle Beweise dafür, daß meine Urgroßmutter die meisten Forschungsarbeiten gemacht hatte, die in dem Buch standen, mit der Bibliothek aus den Händen gegeben."

"Oh, das wußte ich nicht", erwiderte Julius. Er fragte sich zwar, ob das wirklich stimmte. Doch er kannte auch Fälle, wo hart arbeitende Wissenschaftler um die Früchte ihrer Arbeiten betrogen worden waren. Warum sollte es das nicht auch in der Zaubererwelt geben? Peggy nickte ihm zu und deutete dann auf den Garderobenschrank am Ende des Flures. Da Julius im Moment jedoch keine Jacke oder einen Reiseumhang trug schüttelte er vorsichtig den Kopf. Peggy nickte erneut und deutete auf eine der beiden Türen knapp vor dem Zusammentreffen der Wände. Julius folgte ihr leise und betrat hinter ihr ein großes Wohnzimmer, wie er es bei den Foresters und Glorias Großeltern väterlicherseits gesehen hatte. Auch hier herrschte die Grundfarbe Grün vor, ob auf den blaßgrünen Wänden, die auch hier keinen rechten Winkel boten, den jadegrünen Vorhängen und dem grasgrünen Teppich. Julius fragte sich, ob Peggy Swann auch so auf Grün stand wie Camille Dusoleil. Ein großer Tisch mit mindfarbener Decke wie aus irischem Leinen füllte die Mitte des Raumes aus. Im Moment standen nur drei Stühle um diesen Tisch herum, von denen Julius' Spontanschätzung nach mindestens zwanzig hinpassen mochten. Was wollte eine alleinstehende Frau mit so einem großen Wohnzimmer?

"Oh, ziemlich groß das Zimmer", sagte der Besucher schüchtern. Peggy nickte. Dann lächelte sie ihn an und sagte:

"Ich habe hier und anderswo gute Freundinnen und Freunde, die immer mal wieder zum Kartenspielen, Schach oder einfachen Geplauder herkommen. Manchmal brauche ich jeden Platz an dem Tisch da", wobei sie auf den Esstisch wies. Julius nickte. Immerhin hatten seine Mutter und er ja auch kein kleines Wohnzimmer. Und seine Mutter wohnte die meiste Zeit des Jahres allein.

"Ich sehe hier keinen Leuchter oder sowas", stellte Julius nach einem Blick zur Decke fest. Auch in den Regalen und hinter den verschlossenen Schranktüren mit den Glasfenstern darin konnte er keine Kerze oder sowas sehen. Das einzige, was Licht spenden mochte, war der wie aus einem Mosaik aus Smaragden gearbeitete Kamin.

"Ich brauche in diesem Haus keine Leuchtkörper. Die Decke selbst kann erleuchtet werden. Auch ein Forschungsergebnis meiner seligen Urgroßmutter Rheia. Tagsüber wird im Dach ein Großteil Licht der Sonne gesammelt und das was nicht für das Haus benötigt wird gespiegelt. Daher glitzert es so hell. Abends verteilt sich das gesammelte licht für die Augen angenehm auf die Decken aller Räume im Haus, vom Obergeschoss bis zur Kellerhalle. Interessiert dich magische Beleuchtung?"

"Unter anderem", gab Julius bereitwillig Auskunft. Im Moment fragte er sich, ob er nach Larissa fragen oder Peggy davon anfangen lassen sollte. Doch im Moment empfand die Hausbewohnerin es wohl als willkommenen Anlaß, den Gast aus Übersee durch ihr Reich zu führen. So hielten sie sich nicht im überragendgroßen Wohnzimmer auf, sondern betraten noch eine kleine Studierstube, die nicht in Grün, sondern in hellblau gehalten war, durchstreiften eine kreisrunde Bibliothek im geometrischen Mittelpunkt des Hauses, die sich, wie Julius erstaunt feststellte, über drei Stockwerke nach oben erstreckte und mit hohen Regalen ausgefüllt war, die bis auf den letzten Platz mit dicken oder dünnen Büchern vollgestellt waren. Julius trat etwas näher an eines der Regale und erkannte, daß die Bücher hier nicht nach Verfassern, sondern Themen geordnet waren. Romane und Sachbücher zu verschiedenen magischen aber auch nichtmagischen Sachgebieten. Er fragte Peggy, wie lange sie zum Ausfüllen dieser Bibliothek gebraucht hatte. Sie lächelte und sagte, daß das alles Bücher seien, die ihre Urgroßeltern und Großeltern mütterlicherseits zusammengetragen hätten.

"Urgroßmutter Rheias Bücher hätten hier auch noch Platz gefunden. Aber mein Großvater mütterlicherseits, ihr Schwiegersohn, hat meine Großmutter dazu überredet, die Sammlung zu verkaufen", grummelte Peggy dann noch. Dann führte sie Julius über die enge, marmorne Wendeltreppe, die sich von innen an eine Wand aus hauchdünn wirkendem Glas schmiegte, in die nächsthöhere Etage und zeigte ihm ihr altes Spielzimmer, wo im Moment flauschiges Babyspielzeug achtsam auf einer hufeisenförmigen Bank ausgelegt war und eine schweinchenrosafarbene Matratze auf dem Boden lag, auf der gut und gern vier erwachsene Menschen liegen konnten. In etwa eineinviertel Metern höhe waren große Schränke mit gewölbten Böden und sorgsam abgerundeten Ecken angebracht, in denen kleine Blechdrachen mit klappernden Mäulern, nicht mehr so ganz taufrische Flugbesenmodelle, angestaubte Spieldosen, aber auch hübsche und elegant gekleidete Puppen, Stofftiere und winziges Kochgeschirr enthalten waren.

"Ich habe vier Onkels und drei Tanten allein von der mütterlichen Seite her", sagte Peggy. "Sind schon eine große Familie, die Swanns", fügte sie stolz hinzu. "Ich selbst besitze noch zwei Brüder, von denen ich wiederum eine Nichte und zwei Neffen habe." Doch Julius hörte nicht sonderlich darauf, weil ihn die kleinen Blechdrachen faszinierten, die, als Peggy Swann den Schrank geöffnet hatte, unheimlich furchterregend wirkend fauchten und sich auf die Hinterbeine stellten. Er erkannte, daß die Drachen alle detailgetreu bekannten Drachenarten nachempfunden waren. Dann sagte Peggy: "Natürlich faszinieren dich Drachen, wie bei meinen Onkeln und Neffen. Mein Großneffe Elliot, der eigentlich dieses Jahr nach Hogwarts kommen soll, wollte schon mit neun einen echten Drachen. Stell dir das mal vor! Ich habe ihm dann eine Nachbildung eines ungarischen Hornschwanzes geschenkt. Er meinte, das sei ja ein Weibchen und hat sie Kestra genannt. Ich kann die Geschlechter von Drachen nicht auseinanderhalten. Abgesehen davon dachte ich immer, daß die Spielzeugdrachen alle ungeschlechtlich gebaut sind."

"Die weiblichen Hornschwänze haben längere Schwanzdornen und etwas breitere Flügel", erwiderte Julius wie auf eine Frage im Unterricht. "Außerdem sind die wesentlich bösartiger als die Männchen, was überhaupt für alle Drachenweibchen gilt. Ich habe mal so'ne Hornschwanz-Dame in echt gesehen. Hui, war schon ziemlich heftig das Mädel."

"Huch, wo denn?" Wollte Peggy wissen. Julius erzählte ihr dann vom trimagischen Turnier. hier in den Staaten war darüber sogut wie nichts erwähnt worden, erwiderte Peggy dann. Dann schloß sie den Schrank. Die darin gehüteten Spielzeugdrachen fauchten noch einmal metallisch. Dann herrschte für fünf Sekunden vollkommene Ruhe. Dann hörten sie beide den lauten, fordernden Schrei eines nicht mehr ganz kleinen Babys. Das erinnerte die beiden daran, daß sie nicht ganz allein in diesem kreisrunden Haus waren.

"Oh, bin ich wohl ungelegen gekommen", meinte Julius.

"Denke ich nicht", sagte Peggy ruhig. "Ist halt die Zeit, wo irgendwas ist. Aber ich wollte sie dir ja eh näher vorstellen." Dann wandte sie sich um und verließ das Spielzimmer. Sie hatte betont, daß es davon zwei Stück auf dieser Etage gäbe. Sie führte Julius durch einen sich in einem weiten Kreis krümmenden Gang mit mehreren Türen, bis sie vor einer rosafarbenen Tür anhielten. Peggy nutzte eine Atempause des schreienden Säuglings und sagte, daß hier sämtliche Kinderzimmer lägen und die Türen das Geschlecht des dahinter wohnenden Kindes anzeigten, solange das Kind jünger als elf Jahre war. Sie öffnete die Tür und steckte den Kopf in das kleine aber gemütlich ausgestattete Zimmer, das mit hellen Wänden, einem noch dickeren Teppichboden und sonnengelben Vorhängen vor den Fenstern einen flauschigweichen Gesamteindruck bot. Auch hier gab es keine rechten Winkel in den Wänden. Julius fühlte sich irgendwie wie im inneren eines großen Eies. Dieser Eindruck wurde von dem ovalen Kinderbettchen noch vervollständigt, indem unter einer leichten geblümten Wolldecke ein etwa sechs Monate altes Mädchen im rosaroten Strampelanzug lag und gerade den noch zahnlosen Mund zu einem weiteren Schrei auftat. Die runden Wangen des Babys glühten vor Anstrengung. Offenbar hatte die kleine Larissa mit voller Lautstärke geschrien. Julius sah die großen, himmelblauen Augen des Säuglings und meinte, einen Ausdruck von Erwartung und Ungeduld darin zu sehen. Wieder überkam ihn die Vorstellung, daß das Mädchen im Kinderbett nicht auf natürliche Weise zur Welt gekommen war, beziehungsweise vor sechs Monaten oder so noch kein Baby gewesen war.

"Kuck mal, Larissa, wir haben Besuch!" Flötete Peggy Swann fröhlich. Das kleine Mädchen versuchte, sich so zu drehen, um die Augen auf den Besucher zu richten. Doch der Kopf war wohl noch zu schwer.

"Hi, junge Miss", sagte Julius etwas zurückhaltend und trat behutsam auf das Bett zu. Peggy wich ihm nicht von der Seite. Nicht weil sie Angst hatte, er könne ihrer Tochter was tun, sondern weil sie beide den gleichen Weg hatten. Larissa Swann gluckste erheitert, als Julius ihr eine komische Grimasse schnitt.

"Hast du jüngere Geschwister?" Fragte Peggy erheitert.

"Nöh, ich kenne nur viele Familien, die gerade kleine Kinder haben", antwortete Julius unbefangen. Peggy beugte sich über das Bettchen und schnüffelte. Dann strich sie ihrer Tochter zärtlich über den rotblonden Flaum, stupste sie sacht gegen die kleine Nase und grinste vergnügt. Larissa war dadurch für einige Sekunden erheitert. Doch dann schrie sie wieder los.

"Volle Windeln hat sie nicht. Ist also Hunger", sagte Peggy überzeugt. Am besten gehen wir runter ins Wohnzimmer. Da kann ich sie füttern."

"Öhm, sollte ich dafür nicht anderswo warten, falls sie dabei nicht beobachtet werden möchten", wandte Julius ein.

"Ich habe sie so gut wie entwöhnt, Julius. Jetzt gebe ich ihr einen Brei, damit sie das, was ich ihr nicht von Natur aus geben kann auch kriegt, bevor sie zahnt. Da kannst du ruhig bei zusehen", sagte sie. Dann hob sie das Baby, das gerade mal wieder Luft zum Schreien holte aus dem Bett und trug es vor Julius her aus dem Zimmer hinaus. Er schloß unaufgefordert die Tür hinter sich und folgte der jungen Mutter durch den kreisförmigen Gang, zu einer Tür, die in ein zylinderförmiges Treppenhaus führte, durch das es wieder hinunter zum Erdgeschoss ging. Julius begleitete Peggy Swann zum Wohnzimmer, wo sie Larissa behutsam in einen blattgrünen, gepolsterten Kinderstuhl setzte und den großen Babykopf sorgsam in eine Kuhle in der Rückenlehne bettete. Dann sagte sie:

"Du kannst bei ihr bleiben. Ich bin in fünf Minuten wieder bei euch." Julius schwieg, weil er mit den Worten rang, die ihm zugleich über die Zunge gehen wollten. So nickte er nur automatisch und sah zu, wie Peggy Swann das Wohnzimmer verließ und die Tür hinter sich zuzog. Unvermittelt fühlte sich Julius so, als wolle ihn gleich jemand angreifen. Er konnte es sich nur damit erklären, daß er im Bezug auf Larissa einen bestimmten Verdacht hatte. Ja, und jetzt war er mit ihr alleine in einem Raum. Er blickte sich rasch um. an den Wänden hingen Bilder von Naturansichten wie Wälder, Wiesen, Weizenfelder und Seeufer. Auch ein Bild mit weißen Wolken in einem Himmel ohne Boden oder tiefblaue Unterwasseransichten mit bunten Fischen und einem Kraken waren vorhanden. Julius wandte sich der Tür zu und versuchte, den Türknauf zu drehen. Doch dieser rührte sich keinen Millimeter. Er saß fest wie festgeschweißt. Doch irgendwie meinte er ein sehr feines Vibrieren zu fühlen, wenn er den Knauf zu drehen versuchte. Er war zusammen mit Larissa eingesperrt!

"Hallo, die Tür geht nicht mehr auf!" Rief Julius mit gewissem Unbehagen. Dann atmete er tief durch. Von irgendwo her hörte er Geschirr klappern. Doch Peggy Swann antwortete nicht.

"Sie kann dich nicht hören. Die Stube ist ein Dauerklankerker", quäkte es beinahe unerwartet aus der Richtung, in der der kleine Kindersessel stand. Julius zuckte leicht zusammen. Doch dann durchdrang ein klarer Gedanke das Gefühl, in einer Falle zu sitzen. "Also doch!"

Er wandte sich dem Kinderstuhl zu und sah das kleine Mädchen darin, das äußerlich völlig unschuldig und hilfsbedürftig wirkte. Doch als er die großen Babyaugen sah, die ihn aufmerksam, keineswegs kindlich unbekümmert ansahen, schalteten die Alarmprozesse, die er sich in den zwei Jahren Beauxbatons eingeprägt hatte. Sogleich verdrängte er alle Gedanken, die in seinem Kopf herumwuselten, versuchte, seinen Geist völlig leer und ungreifbar zu machen. Doch irgendwie tauchten sachte Erinnerungssplitter wie winzige Luftblasen aus tiefem Wasser auf. Er rang sie sofort nieder, bevor sie zu klaren Bildern wurden. Dabei fühlte er einen gewissen Druck auf seinen Kopf, dem er angestrengt atmend standhielt, ihn sogar zu ignorieren schaffte, weil er konzentriert alle aufkommenden Gedanken niederhielt, um nichts aus seinem Geist nach außen dringen zu lassen. Doch immer wieder mogelte sich eine flüchtige Erinnerung in sein mühsam abgeschottetes Bewußtsein. Einmal sah er sich für einen Sekundenbruchteil neben einer Hexe in Rosa Umhang, deren sommersprossiges, bleiches Gesicht unmittelbar mit Furcht und Gefahr verknüpft war. Beinahe hätte er sogar den Namen dieser Hexe gedacht, zumindest den Namen, von dem er sicher war, daß es wirklich ihr Name war. Doch dann gewann er die okklumentische Hoheit über seine Gedanken zurück und verdrängte die Eindrücke, die von außerhalb aufgerufen werden sollten und widerstand weiteren aufkommenden Erinnerungen auch mit Hilfe seiner Selbstbeherrschungsformel. Dabei konnte er nur vermuten, daß das vermeintliche Baby ihn konzentriert ansah. Doch weil er alle äußeren und inneren Eindrücke aus seinem Bewußtsein verbannte, wußte er nicht, wie lange Larissa ihn ansah. Als sie dann mit unbeholfenen Bewegungen den rechten Arm hob und die kleine Hand an den Halsteil des Strampelanzugs griff, fühlte Julius mit gewissem Schwindel, wie der Druck von außen abebbte. Dann sah er mit leichtem Flimmern vor den Augen, wie das Wesen, daß wie ein gewöhnliches Baby aussah, auch die andere Hand hob und schwerfällig einen kleinen, rosaroten Kugelkörper, der wie ein winziger Blasebalg aussah, unter dem Strampler hervorholte. Julius erkannte das schmale Halsband, an dem das rosa Ding hing und wußte sofort, woher die quäkige Stimme gekommen war. In einem Anflug jener Dreistigkeit, die er bereits in Bokanowskis Burg aufgeboten hatte fragte er:

"och, kannst du noch nicht selbständig sprechen. Tja, Infanticorpore ist keine dolle Sache, wie?"

"Hui, Mut der Verzweiflung?" Quäkte es aus dem nun pulsierenden Anhängsel des Cogisons um Larissas Hals. Das runde Gesichtchen hatte sich zu einem amüsierten Grinsen verzogen, und aus dem zahnlosen Mund drang ein erheitertes Glucksen.

"Angst bringt nichts mehr, wenn Weglaufen nicht mehr drin ist", erwiderte Julius nun leicht verächtlich.

"Wohl wahr", erwiderte Larissa über das Cogison. "Aber auch wenn du meinst, du wärest von meiner ... Mutter ... in eine Falle gelockt worden, weil ich, wie du auf jeden Fall mitbekommen hast, kein gewöhnliches Baby bin, besteht für dich auch kein Anlaß zur Angst. Du bist ein gut geübter Okklumentor, muß ich feststellen. Schon sehr beachtlich, was ihr in Beauxbatons schon so früh lernt."

"Nun, um mich gegen Leute wie sie zu schützen braucht man das ja wohl", schmetterte Julius diese Anerkennung ab.

"Vor Leuten wie der Wiederkehrerin?" Fragte Larissa ohne Vorwarnung. Julius zwang sich krampfhaft, keine Regung zu zeigen. Doch wenn die Erinnerung von eben legilimentisch aus seinem Geist hervorgezerrt worden war, dann wußte dieses "kleine Mädchen" da, daß er von der Wiederkehrerin wußte.

"Vor allem gegen einen gewissen dunklen Lord. Kennen Sie den?" Stieß Julius ihr entgegen.

"Nicht persönlich. Aber ich hatte mit einigen seiner Handlanger und Kreaturen zu tun. Setz dich bitte hin, Julius! Ich kann und werde dir nichts tun. Peggy ist so lange fort, bis ich sie zurückrufe. Sie darf halt nicht hören, was ich dir erzähle."

"Och, und ich dachte, sie hätte es darauf angelegt", knurrte Julius angriffslustig.

"Ich habe mitverfolgt, wie sie mit dir sprach. Die Ohren eines Säuglings sind wesentlich feiner als die einer Siebzigjährigen", quäkte es aus dem Cogison. War es Einbildung, oder hörte sich die künstliche Stimme wirklich wie die einer Frau an. Bei den anderen Cogisonversuchen hatte er kein Geschlecht heraushören können. Nur die Größe machte die Grundtonhöhe aus.

"Ach, und da hast du oder haben Sie Peggy zumentiloquiert, sie solle mich reinbitten, damit sie beide mit mir über Ihr kleines Geheimnis reden können?"

"In dem Moment, wo du erwähntest, daß du Peggy und mich bei Dumbledores Beerdigung gesehen hast", erwiderte Larissa. Julius grinste sie an und deutete auf das Cogison. "Ja, ich verwende dieses nützliche Artefakt seit meiner Wiedergeburt und werde erst dann mit eigener Stimme sprechen, wenn ich genügend Zähne im Mund und ausreichend Übungen im Kauen habe. Du kennst diese Vorrichtung."

"Ich habe davon gelesen", sagte Julius. Das mußte diese wiederverjüngte Hexe da echt nicht wissen, daß er das Cogison der Dexters schon selbst ausprobiert und bei anderen Lebewesen im Einsatz erlebt hatte.

"Du sitzt immer noch nicht. Meinst du wirklich, ich würde gleich aus diesem gemütlichen Sessel hier aufspringen und dich angreifen?"

Julius tastete andeutungsweise an den Gürtel, an dem sein Zauberstab im Futteral steckte. larissa lachte mit körperlicher Stimme, bevor das Cogison ihre Gedanken vertonte.

"Natürlich bist du auf einen magischen Kampf vorbereitet. Aber im Moment könnte ich dir gerade einmal auf die Schuhe sabbern oder, wenn ich mir diese lästigen, aber notwendigen Windeln vom Leib reißen kann gegen deine Beine urinieren. Aber im Moment bist du mir körperlich zu weit überlegen, und mit den Babyarmen hier kann ich noch keine fließenden Zauberstabbewegungen machen. Wie erwähnt kommst du hier nicht eher heraus, bis das ich Peggy anmentiloquiere, sie möge zurückkommen."

"Ja klar, und der Raum ist ein Klangkerker. Ich könnte Ihnen oder dir jetzt einfach eine überziehen", warf Julius eine nicht ernst gemeinte Drohung in den Raum. Wieder lachte die Wiederverjüngte.

"Du schlägst Babys und Ladies? Dann wärest du ja ein Feigling. Da habe ich aber ganz anderes von dir vernehmen dürfen."

"Die Kiste, die Ms. Knowles in die Zeitung geschrieben hat?" Fragte Julius, ohne sich festzulegen, welchen der beiden Artikel er nun meinte.

"Kisten wäre wohl die korrekte bezeichnung", korrigierte Peggys angebliche Tochter ihn. Dann deutete sie mit ihrem rechten Ärmchen auf einen der freien Stühle. Julius schlug dieses Angebot jedoch aus. Wenn er sich außerhalb der Reichweite der Wiederverjüngten hielt konnte er sich auch auf den Boden setzen. So raffte er seinen Umhang hoch genug und ließ sich etwa zwei Meter vor dem Kinderstuhl niedersinken. Damit zeigte er ihr, daß er keine Angst hatte, ihr in die Augen zu sehen. Denn nun hielt er seinen Geist soweit verschlossen, daß keine Gedanken von sich aus nach außen klingen mochten. Er fragte nun:

"Wie hießen Sie vorher, bevor sie bei Peggy einzogen und sie Ihre Mutter spielen ließen?"

"So wie jetzt", quäkte das Cogison. "Ich hieß schon Larissa, als ich ein natürlich entstandener Säugling war, wuchs unter diesem Namen auf, lernte Zauberei und Hexenkunst wie du es gerade tust und lebte bis zu meinem siebzigsten Lebensjahr als Expertin für magische Wesen, Zauberkunst und Kräuterkunde. Ich lehrte fünfzehn Jahre lang in Thorntails Umgang mit magischen Wesen aller Art, bis ich den Zauberer meines Lebens fand und eine Familie gründen wollte. Anders als heutige Kolleginnen in Thorntails wollte ich keine Kinder innerhalb der Akademie aufziehen. So wechselte ich in die Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe des Zaubereiministeriums der vereinigten Staaten von Amerika. Mein Mann und ich bekamen eine Tochter, die wir nach einer seiner Urgroßmütter benannten. Als Peggy dann fünf Jahre alt war ..." Julius zuckte zusammen, als er Peggys Namen hörte. Konnte das sein? Larissa schien genau mit dieser Reaktion gerechnet zu haben. Denn sie unterbrach ihren angeblichen oder tatsächlichen Lebenslauf und sagte: "Du hörst vollkommen richtig. Peggy war vierzig Jahre lang meine Tochter, mein einziges Kind wohlgemerkt. Denn mein Mann, ein leider zu draufgängerischer Zauberer, geriet vor achtunddreißig Jahren mit einem Zauberer aus der verruchten Sippe der Schwarzbergs aneinander. Damals wußten wir nicht, daß die Schwarzbergs sich mit diesem größenwahnsinnigen Magier aus deinem Geburtsland eingelassen hatten und hier in seinem Sinne an die Macht kommen wollten. Ein tödlicher Fluch traf meinen Mann, und ich blieb mit Peggy allein zurück. Ich versteckte mich mit ihr, weil ich mir sicher war, daß die Schwarzbergs aus purer Lust an der Grausamkeit auch hinter uns herjagen mochten und suchte Zuflucht bei einer Gruppe mächtiger Hexen. Damals von Angst um mein und Peggys Leben getrieben verwies ich auf meine Ahnenlinie, deren weibliche Mitglieder ebenfalls jener Gruppe angehört hatten. Eigentlich wollte ich frei und unabhängig bleiben. Doch die Situation trieb mich dazu, und ich hegte damals keinerlei Argwohn. Das ging so weit, daß ich Peggys Fürsprecherin war, als sie in dem Alter war, wo sie selbst Mitglied dieser Gruppe werden durfte. Wir beide, Peggy und ich, hielten uns dabei eher an jemanden, die eine geordnete Vorherrschaft der Hexen ohne jeden Kompromiß erreichen wollte und dies wohl heute noch will." Julius zwang sich erneut, das was er fühlte und dachte nicht nach außen dringen zu lassen. Ihm war sofort klar, welche mächtige Hexengruppe dieses unheimliche Baby-Mädchen da meinte. "Das ging auch Jahrzehnte lang gut, bis ich zusammen mit zwei anderen Mitgliedern eine Verschwörung gegen unsre Teilgruppenanführerin aufdeckte. Was meine Kameradin und ich zu diesem Zeitpunkt nicht wußten war, daß der Raum, in dem wir die Vorbereitungen zu diesem Komplott Belauschten, mit einem Verrätertilgungsfluch belegt war. Er tritt in Kraft, wenn jemand Wissen, daß er heimlich erworben hat, an den weiterzugeben beabsichtigt, gegen den etwas geplant ist und wirkt voranschreitend, je entschlossener jemand das ausgekundschaftete Wissen weitergeben möchte. Je nach Veranlagung dessen, der den Fluch wirkt kann das zu körperlichen Verunstaltungen oder geistiger Umnachtung führen, ja im Extremfall auch den baldigen Tod herbeiführen. Vielleicht hast du schon von progressiven Flüchen gehört. Ich erfuhr sowas wie, daß Bläänch Foken eine sehr stramme Lehrerin ist." Julius nickte. Was solte es auch, daß diese Hexe da wußte, von wem er unterrichtet wurde? Womöglich wußte diese Hexe in dem Kinderstuhl da noch mehr über ihn, als das, was sie ihm offenbarte. Sie ließ das Cogison weiterquäken: "Nun, die düstere Geschichte nahm ihren Lauf. Meine Kameradin versuchte, die betroffene Hexe auf mentiloquistischem Wege zu informieren, während ich sie von Angesicht zu Angesicht sprechen wollte. Das war mein Glück, daß ich sie nicht sofort erreichen konnte. Denn so erfuhr ich, daß meine Kameradin unmittelbar nach dem Mentiloquieren unter sehr großen Schmerzen eine grausame Körperumwandlung erfuhr. Auch ich spürte bereits die Ausläufer schwarzmagischer Kräfte in mir wirken. Als unsere Anführerin dann zu meiner Kameradin ging, um mehr zu erfahren, starb diese innerhalb weniger Sekunden qualvoll. Ich flüchtete, weil allein der Anblick unserer Anführerin die Wirkung des Fluches in mir verstärkte. Sie suchte mich zwar, aber fand mich nicht. Ich suchte Zuflucht bei einem Bruder von mir, der in Übersee lebt und bat ihn, meine Tochter zu mir zu holen, ohne ihr zu sagen, warum. Denn ich fürchtete nicht ganz zu unrecht, daß sie bereits beobachtet und verfolgt wurde. Irgendwie gelang es Peggy, zu mir zu kommen. Da hatte mich der Fluch bereits so stark ergriffen, daß mein Äußeres sich von Stunde zu Stunde veränderte. Meine Knochen wurden immer mürber. Schwarze Stellen erschienen auf meiner Haut, als würde mein Fleisch in einem unsichtbaren Feuer verbrannt. Die Schmerzen, die ich damals empfand waren schlimmer als alles, was ich bis dahin erlebt hatte. Ich konnte meiner Tochter noch verraten, daß ich mit der bedauernswerten Kameradin etwas aufgedeckt hatte und fühlte, wie der Entstellungsvorgang noch mehr intensiviert wurde, Julius. Peggys Onkel wollte einen Heiler holen oder mich gleich in ein magisches Krankenhaus einliefern. Doch das hätte mir nicht geholfen. Diese Art von Flüchen kann ein Heiler nur dann austreiben, wenn sie an einem bestimmten Punkt einhalten. Da Peggy und ich wußten, daß der Punkt bereits überschritten war, von dem aus eine herkömmliche Umkehr nicht mehr möglich war bot sie mir an, mit mir den Iterapartio-Zauber zu vollziehen, die vollkommene, körperliche Wiederverjüngung. Ich lehnte das Angebot zunächst ab, weil ich wußte, daß dieser Zauber nur selten gelingt. Doch sie beharrte darauf. Da ich zu diesem Zeitpunkt nichts zu verlieren hatte und meine Tochter nicht der Wut unserer Anführerin ausliefern wollte, ging ich dann doch darauf ein. Mit letzter geistiger Anstrengung half ich ihr, indem ich mich ganz auf den von ihr aufgerufenen Zauber einstimmte und diesen auf mich einwirken ließ, ihn mit offenen Armen willkommen hieß, einatmete und in alle geschundenen Fasern meines Körpers vordringen ließ. Das letzte, was ich von meinem ersten Leben mitbekam war der Sturz in ein warmes, alle Angst und allen Schmerz fortnehmendes Nichts."

"Moment, dann sind Sie nicht mit dem Infanticorpore-Fluch belegt worden?" Fragte Julius, dem gerade wieder durch den Kopf ging, was Professeur Tourrecandide bei der Jahresendprüfung zu ihm gesagt hatte. Sie hatte es als sehr seltsamen Zufall bezeichnet, daß Peggys Tochter Larissa genau neun Monate nach dem Tod ihrer gleichnamigen Mutter zur Welt gekommen war. Peggy war also wirklich schwanger gewesen! Mit ihrer eigenen Mutter!

"Infanticorpore hätte mich nicht von diesem Fluch befreit, Julius. Es gab da nur diesen einen Zauber, der nicht aus dunklen Kräften geschöpft wird, sondern nur zwischen zwei einander liebenden magischen Menschen aufgebaut werden kann, von denen eine Hexe als Empfängerin des anderen, von einem schweren, nicht durch Berührung übertragbaren Fluch betroffenen magischen Menschen dient, wobei Blutsverwandtschaft den Zauber noch verstärkt. Die Tatsache, daß du mich hier und jetzt vor dir siehst beweist, daß der Zauber vollständig gewirkt hat. Somit starb ich einen schmerzlosen Tod, um von meiner eigenen Tochter neu empfangen, getragen und wiedergeboren zu werden. - Das scheint dich nicht sonderlich zu erschüttern, das sowas möglich ist, wie?"

"Ich habe mir angewöhnt, daß in der Magie sogut wie nichts unmöglich ist", erwiderte Julius. "Ich habe ja, wie Sie wissen, einiges erlebt, das mir gezeigt hat, daß das auch stimmt", sagte er noch. "Harry Potter hat einen sonst absolut tödlichen Fluch überlebt, als er selbst gerade ein Jahr alt war. Der dunkle Magier, der ihn töten wollte, verlor dabei seinen Körper und seine Macht, starb aber nicht. Er hielt sich versteckt, bis er wiederverkörpert werden konnte. Ich selbst habe eine Tochter des Abgrundes miterlebt und in diesem Jahr auch die Burg Bokanowskis besuchen dürfen." Die letzten Worte spie er beinahe wie ihn anekelndes Essen aus.

"Ja, und vom Infanticorpore-Fluch weißt du natürlich schon lange genug, daß du bei Dumbledores Beerdigung einen gewissen Verdacht hegen mußtest. Dumbledore war mein Patenonkel gewesen. Aber das weiß längst nicht jeder."

"Und Sie meinen, ich könnte das nicht unfreiwillig weitererzählen, was Sie mir hier gerade so nett ausgebreitet haben?" Fragte Julius, diesmal nicht so trotzig. "Was ist mit dem Fluch? Was ist mit diesen netten Ladies, die Sie auffliegen lassen wollten? Weiß die von Ihnen bis dahin verehrte Anführerin, was wirklich mit Ihnen passiert ist und wenn nicht, wie kann ich das geheimhalten, falls Sie keine Geheimniswahrerin sind? Wieso darf Ihre Tochter, die sich zu Ihrer Mutter gemacht hat das nicht wissen, was Sie mir zu sagen hatten?"

"Fangen wir mit dem Fluch an, Julius Andrews", quäkte Larissas Cogison. "In dem Moment, wo der Körper, in dem er sich erfüllt vergeht, ist er auch vergangen. Denn dann hat er sich indirekt ausgetobt. Was die Verräterinnen angeht, denen ich dieses neue Leben zu verdanken habe, so weiß ich von Peggy nur, daß sie einige Tage nach meiner Wiederempfängnis vor allen Getreuen von unserer Anführerin hingerichtet worden sind, nachdem sie unter einem starken Wahrheitszauber gestehen mußten, sie entmachten und töten zu wollen. Somit hat ihnen der Verrätertilgungsfluch absolut nichts eingebracht. Die besagte Führerin konnte es sich zusammenreimen, daß Peggy mich erneut zur Welt bringen würde. Da ich ihr jedoch das Leben gerettet hatte ließ sie es zu, daß ich ein neues Leben beginnen sollte. Der Grund, warum Peggy nicht mitbekommen darf, was ich dir erzähle ist der, daß unsere Schwesternschaft nicht wünscht, daß außenstehende wissen, wer dazugehört. Würde Peggy in diesem Raum verweilen, während ich dir das alles erzähle, müßte sie einem magischen Eid folgend verhindern, daß ich dich informiere. Deshalb bat ich sie nur darum, genügend Zeit mit dir verbringen zu dürfen, um dich ausführlich genug legilimentieren zu können, um alles was du über die Wiederkehrerin weißt zu erfahren. Dabei wollte ich angeblich dein Geistiges Wohl gefährden, sofern du nicht gut genug auszuforschen sein würdest. Für dich wäre ich dann nur ein merkwürdiges Baby gewesen, bei dessen Anblick du Fluten von Erinnerungen erlebt hättest. Ich wußte zu diesem Zeitpunkt ja nicht, wie gut du deinen Geist verschließen kannst. Würde ich jetzt mit aller Gewalt an die Informationen zu gelangen versuchen, die ich immer noch haben will, so würdest du mir vielleicht eine Zeit lang widerstehen können. Aber ewig kannst du das nicht. Ich war zu meiner ersten Lebzeit bereits eine sehr gute Legilimentorin, fast so gut wie unsere Anführerin. Womöglich ist die Wiederkehrerin ihr sogar überlegen, zumindest aber diesem Emporkömmling ebenbürtig, der sich selbst in aller Überheblichkeit Lord Voldemort nennt." Damit hatte Julius es in gewisser Weise amtlich, daß dieses Baby vor ihm zu den schweigsamen Schwestern gehört hatte oder dies immer noch tat. Denn als Emporkömmling wurde Voldemort vordringlich von Hexen bezeichnet, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu jener Hexenschwesternschaft gehörten. Womöglich wirkte der Treueid ebensowenig wie der angebliche Verrätertilgungsfluch. Er machte anstalten, aufzustehen. Doch Larissa gebot ihm mit einer Handbewegung, noch sitzen zu bleiben. "Kommen wir zum wichtigsten Punkt, den du zwar nicht angesprochen hast, dich aber ganz sicher am meisten umtreibt. Du hast nämlich nicht danach gefragt, warum ich es nicht beim Legilimentierversuch belassen habe oder dich wahrhaftig bis zum Zusammenbruch deines Widerstands bedrängt habe. Zwei Antworten gebe ich dir darauf, bevor ich gemäß der Sitte Quid pro Quo von dir erfahren möchte, was du mit dieser Wiederkehrerin erlebt hast und ob du weißt, wer sie nun ist. Zum einen habe ich mich dir gegenüber vollständig offenbart, weil ich davon ausgehe, daß du Peggy und mir bereitwillig helfen wirst, mehr über diese unerwartet wiederauferstandene Hexe zu erfahren. Wir, meine neue Mutter und ich, gehen zwar davon aus, daß unsere Führerin bereits mehr darüber weiß. Aber unsere oberste Anführerin mag davon noch nichts wissen. Peggy und ich haben nämlich beschlossen, ein Wiedererstarken dieser Wiedergekehrten nicht so einfach hinzunehmen, wenn damit ein zweites, dunkles Imperium einherginge, daß ähnlich dem sein mag, wie es Sardonia vom Bitterwald errichtet hat. Es ist richtig, daß wir, Peggy und ich, eine Weltordnung begrüßen, die die Hexen als Anführerinnen beinhaltet, sollte jedoch ohne eine größenwahnsinnige Tyrannei errichtet und gehalten werden, ein wahrhaftiges Matriarchiat, nicht ein Reich von weiblichen Patriarchen und Despoten. Ich sehe es dir an, daß du mich für eine Heuchlerin halten magst, die, wenn sie schon einmal A gesagt hat auch B sagen muß und damit alles hinnimmt, was zur Errichtung einer solchen ordnung führen kann. Aber es gibt mehrere Wege zur Macht, und Vernunft ist immer noch der sicherste und humanste. Das mußte ich erkennen, als ich mehrere Monate lang nichts anderes tun konnte als darauf zu warten, wiedergeboren zu werden. Für einen bereits entwickelten Verstand ist ein Mutterleib ähnlich einem Verlies, auch wenn ich die meiste Zeit eher in einer Art Traumzustand verbracht habe, ohne Gefühl für vergehende Zeit. Aber dazu werde ich mich nicht tiefergehend äußern, da dies Peggys Privatsphäre berühren würde, über die ich auch als ihre frühere Mutter nicht so einfach hinwegsehen kann. Deshalb möchte ich dir die zweite Antwort auf die Frage geben, warum ich dich so freimütig in Peggys und mein Geheimnis eingeweiht habe, wo es auf Grund unverzeihlicher Gefühlswallungen bei Dumbledores Beisetzung sowieso schon so manchem klugen Kopf gedämmert haben könnte." Julius nickte mechanisch. "Ich will nicht nur wissen, was du mit der Wiederkehrerin erlebt und über sie erfahren hast, sondern möchte auch, daß du Kontakt zu unserer Gruppe bekommen kannst, ohne daß du an jemanden anderen als an Peggy oder mich herantreten mußt. Ich weiß, das könnte deine gestrenge Mentorin Bläänch Foken verstimmen. Deshalb überlasse ich es dir, sie einzuweihen oder nicht oder es anderen, die dein uneingeschränktes Vertrauen genießen davon in Kenntnis zu setzen. Bedenke jedoch dabei, daß jeder und jede, dem oder der du dieses Geheimnis anvertraust versucht sein kann, es ohne deinen Wunsch weiterzugeben und damit den Unmut unserer Sororität auf sich und damit auch auf dich ziehen mag. Es geht mir nur darum, daß du zu Peggy und mir Kontakt behältst und dann, wenn du es für geboten erachtest, darüber auskunft erteilst, was uns betreffen mag. Wir können dann mit diesem Wissen arbeiten. Komm aber jetzt bitte nicht auf die Idee, uns irgendwelche erlogenen Geschichten zuzuspielen. Das würde auf kurz oder lang für dich zum Bumerang werden, den du nicht auffangen kannst."

"Sie können legilimentieren. Andere können das auch und wären wohl nicht so gnädig, nach ein paar Sekunden aufzuhören, wenn sie meinen, ich wüßte was, was die wissen wollen. Außerdem gibt's Wahrheitstränke und den Imperius-Fluch", wandte Julius ein.

"Natürlich gibt es das alles. Aber es gibt auch Zauber, die dich davor schützen, jemandem unfreiwillig zu verraten, was du von mir erfahren hast. Nein, ich meine nicht den Fidelius-Zauber. Der kann nur zwischen zwei körperlich ausgewachsenen Zauberern oder Hexen aufgerufen werden. Warum das auch immer so ist. Ich spreche von einem Bergestein. Dieser wirkt jedoch nur auf eine magisch begabte Person pro Stein." Julius zuckte unter dem Schmerz der einfachen Erkenntnis zusammen. "Ah, ich erkenne, daß auch diese wirksame Zauberei dir schon einmal untergekommen ist. Wie oft hast du dich ihr schon bedient?" Die Direktheit der Frage überwältigte Julius so heftig, daß er ohne nachzudenken "zweimal" antworten ließ. "Gut, dann kannst du noch einmal davon gebrauch machen, bevor dieser Zauber bei dir nicht mehr wirken kann oder du andere nützliche Zauber wie Divitiae Mentis nicht mehr anwenden kannst." Julius starrte verdutzt auf das kleine Mädchen im Kinderstuhl, das in Wahrheit eine erfahrene Hexe sein sollte. Er warf ein, daß es lebenswichtigere Dinge geben mochte, die er mit einem Bergestein verschließen können müßte. "Ich fürchte, das was ich dir gerade anvertraut habe, gefährdet deine Freiheit und dein Leben schon stark genug, um dich vor unfreiwilliger Preisgabe zu schützen", widersprach Larissa Swann. "Insbesondere, falls du unserer Anführerin noch mal begegnen solltest und sie dabei mitbekommen könnte, daß ich frei vom Treueid über uns geplaudert habe."

"Noch mal begegnen? Dann können Sie auch rauslassen, wer es ist, wenn ich die Lady schon mal getroffen habe", knurrte Julius.

"Auch mit Bergestein würdest du ihr gegenüber indirekt verraten, daß du weißt, was sie für einen Rang bekleidet. Auch wenn du dann jede Hexe verdächtigst, die Anführerin zu sein, es zu wissen würde dich mehr gefährden, und nicht nur dich. Sie ist nämlich sehr darauf bedacht, ihre Position nicht an uneingeweihte und damit unkontrollierbare Personen weiterdringen zu lassen. Außerdem weiß ich nicht, inwieweit sie sich mit dieser Wiederkehrerin auseinandersetzt oder gar arrangiert. Denn möglich ist es, daß wir alle schon eine neue, oberste Anführerin haben, die sich den einfacheren Mitgliedern unserer Gruppe noch nicht vorgestellt hat."

"Irgendwo haben Sie recht", knurrte Julius. Er sah es ein, daß er sich dieser bestimmten Hexe gegenüber wirklich nicht unbefangen verhalten konnte. Auch wenn er da schon einen bestimten Verdacht hegte, wer es sein könnte, war ein Verdacht nicht so gefährlich wie das genaue Wissen. Polizisten auf Sizilien lebten nur dann gefährlich, wenn sie einem Mafia-Oberhaupt was anhängen konnten und keine Angst davor hatten, das auch zu tun. Möglicherweise betrieb Voldemort eine ähnliche Strategie, um seine Macht auszubauen. Aber das Wort "Noch mal" klang schon ziemlich unangenehm in seinem Verstand nach. Also war er dieser Oberhexe bereits über den Weg gelaufen. Sicher, er hatte diese Hexen bei Hallittis Höhle getroffen. Mochte es angehen, daß die offizielle Anführerin der Nachtfraktion - Denn nur die konnte gemeint sein - mitgemischt hatte, es sogar diejenige gewesen war, die ihm zumentiloquiert und ihn mit dem Besen weggebracht hatte, damit die neue große Meisterin Hallittis Lebenskrug in Ruhe in die Luft jagen konnte. Dann war da natürlich diese Daianira Hemlock gewesen, die er in den Osterferien hier in VDS getroffen hatte. Vom Auftreten und der Zauberkraft her kam die auch gut als Nachtfraktionsführerin in Frage. Ebensogut könnte es aber auch Linda Knowles, Maya Unittamo oder Donata Archstone sein. An Jane Porter wollte er bestimmt nicht einmal denken. Die hätte sich ihm und Professeur Faucon gegenüber nicht so offen über die Wiederkehrerin ausgelassen, wenn sie ganz eigene Pläne mit dieser hätte oder gar das Imperium der Hexen auf der Welt errichten wollte. Für eine Anführerin wäre es auch sehr unklug, unterzutauchen und die Herde der Mitschwestern unbehütet zu lassen. Nein! Die Anführerin mußte weiterhin präsent sein und nicht in einem schier unauffindbaren Versteck aushalten.

"Okay, ich mach das mit dem Bergestein. Haben Sie denn einen greifbar?" Fragte Julius. Larissa verzog das Gesicht zu einem Grinsen.

"Ja, habe ich", erwiderte Larissa und verränkte sich, um mit den Fingerchen der rechten Hand zwischen Sitzpolster und Rückenlehne zu stochern, bis sie jenen kleinen, scheibenförmigen Bernstein hervorgekramt hatte, den Julius als Bergestein erkannte.

"Ich habe davon mehrere angefertigt, als ich einen Zauberstab zu halten im Stande war. Das ist das schöne daran, daß ein Zauberstab dann auch noch funktioniert, wenn seine Besitzerin sich körperlich verändert hat. Hauptsache, sie kann ihn fest genug in die Hand nehmen und ihn ausrichten. Wenn keine präzisen Bewegungen nötig sind geht das dann auch." Julius sah den Bergestein in der rechten Hand der Wiederverjüngten, erhob sich und ging auf Larissa zu. Er fragte sich, ob das wirklich so klug war, diesen Stein an seinen Kopf zu halten, um dessen kristallisierte Magie einströmen zu lassen, bis der Stein sich aufgelöst hatte. Er wußte ja nicht, ob damit nicht auch Imperius-Anweisungen oder irgendwelche Flüche übertragen werden konnten. So genau hatte er sich mit Jane Porter nie darüber unterhalten. Andererseits war er nun wirklich in Gefahr, sofern das hier alles keine einzige große Lüge war. Aber der Säugling, der sich über ein Cogison wie ein erwachsener Mensch mit ihm unterhalten konnte war kein Schwindel. Warum sollte die Geschichte selbst dann einer sein? Er griff behutsam nach dem Stein, dachte sich: "Wenn ich ein Idiot bin, habe ich was immer jetzt kommt verdient", und drückte den Stein an den Kopf.

"Berge wohl, was du über Peggy und Larissa Swann erfahren hast. Berge wohl, was du über Peggy und Larissa Swann erfahren hast!" Drang wie unter sanften Stromstößen eine Botschaft in Julius' Kopf ein. Dann, irgendwann, fühlte er den Stein nicht mehr zwischen den Fingern, und die Wirkung endete.

"Jetzt kann dir kein Legilimentor oder Veritaserum das entlocken, was du von Peggy und mir weißt. Aber ihr gegenüber darfst du es trotzdem nicht erwähnen, weil sie immer noch dem Treueid unterworfen ist. Am besten sagen wir nur, daß du an alles mögliche gedacht hast, während du auf sie gewartet hast."

Julius setzte sich wieder hin. Dann wurde er gefragt, was ihm mit der Wiederkehrerin widerfahren war. Er erzählte alles, was er Linda Knowles erzählt hatte, auch das mit dem Legilimentikangriff auf ihn. Das es eine Wiederkehrerin war begründete er damit, daß sie meinte, er würde sie wiedererkennen, weil er genug von ihr erfahren habe und behauptete auch, Daß er Bartemius Crouch Juniors Bild einmal gesehen habe und sich gewundert habe, daß dieser eine Schwester gehabt haben soll, wo es hieß, daß seine Mutter bereits so krank gewesen sei, bevor er nach Askaban geschickt worden war.

"Tja, und von dort ist er ja entkommen und hat erst seinem wahren Herrn und Meister und dann dieser Wiederkehrerin zu neuem Dasein verholfen. Manchmal ist das Schicksal eines Menschen schon ironisch", bemerkte Larissa dazu, die nur ein oder zweimal versucht hatte, es aus Julius zu legilimentieren, was er ihr womöglich nicht erzählen wollte oder konnte. Er sagte über den Namen der Wiederkehrerin nur, daß er vermutete, daß es entweder Sardonia oder Anthelia sei. Damit war Larissa zwar nicht viel schlauer als vorher, beließ es aber dabei, mit diesen beiden Möglichkeiten zu leben. Dann schob sie den rosaroten Blasebalg des Cogisons wieder unter ihren Strampelanzug und verharrte in konzentrierter Starre, während Julius sich die Hände an den Kopf hielt. Keine zwanzig Sekunden später öffnete sich die Tür, und als wenn nichts gewesen wäre trat Peggy Swann ins Wohnzimmer ein.

"Huch, ist was mit dir, Julius?" Fragte sie zwischen ahnungslos und scheinheilig.

"Ich habe mich zu Ihrer Tochter hingesetzt und mit ihr geplaudert, nachdem ich gemerkt habe, daß ich die Tür nicht aufkriege. Die hat mich nur angekuckt und weitergeschrien, weil sie Hunger hat, Ms. Swann", sagte Julius. "Das Geschrei hat mich etwas angenervt. Irgendwie habe ich dabei wohl leichte Kopfschmerzen gekriegt. Bin vielleicht doch noch kein guter Babysitter."

"Soso", grinste Peggy Swann.

"Haben Sie das Geschrei nicht gehört?" Fragte Julius.

"Oh, hatte wohl alle Fenster zu", sagte Peggy Swann und blickte sich um. Dann ging sie zu einem Fenster und schob es ganz weit auf, so daß die Sommernachmittagsluft hereinwehen konnte. "Wenn die Sonne voll auf dem Wohnzimmerfenster steht lasse ich es zu, weil das Glas die Hitze draußenhält. Ich mache es erst nachmittags ganz auf, um genug Wärme und Frischluft einzulassen. Wenn alle Fenster zu sind und die Tür zugeklinkt ist ist das Zimmer ein Klangkerker. Ich habe nicht daran gedacht, daß der Türknauf sich nicht dreht, wenn ich die Tür von außen zuziehe. Tut mir Leid, daß du dadurch nicht von Larissa wegkommen konntest." Julius tat diese Heuchelei als Entschuldigung ab und nickte vergebend. Er sagte dann noch, damit kein Verdacht aufkam, daß er während der Dauerschreierei Larissas an alles mögliche gedacht hatte, was ihm im Leben schon unangenehm aufgestoßen war. Peggy Swann lächelte milde.

"Wenn du damit die Sachen meinst, die dir in den letzten Jahren so passiert sind, gab's ja doch einiges, das heftiger war als ein paar Minuten Babygeschrei." Julius mußte über diese Dreistigkeit grinsen. Wahrscheinlich ging diese erwachsene Hexe, die mal eben genug Selbstlosigkeit und Zuneigung aufgebracht hatte, die eigene Mutter wie ihr eigenes Kind zur Welt zu bringen, tatsächlich davon aus, daß er noch nie was von Geisteserforschungszaubern gehört hatte. Sollte sie ruhig, wenn wirklich alles stimmte, was Larissa ihm erzählt hatte. Als Peggy "ihr Baby" mit einem großen Fläschchen versorgt und nach dem Füttern zurück in sein Bettchen getragen hatte, saßen sie und Julius noch einige Zeit im Wohnzimmer und sprachen über Dumbledores Beerdigung und was demnächst in Hogwarts anstehen mochte.

"Ich hoffe, das englische Zaubereiministerium kann sich gegen die Todesser durchsetzen. Sonst sehe ich pechschwarz für Hogwarts", sagte Peggy. "Ich weiß aus einigen Quellen, daß der, dessen Name nicht genannt werden darf, auf diese Schule regelrecht fixiert ist. Soweit ich weiß, hat das mit seiner Kindheit zu tun, und daß er in Hogwarts wohl sowas wie sein einzig wahres Zuhause sieht."

"Ja, dann kommt diese Nazi-Mentalität von reinrassigen Zauberern dazu und die Vorstellung, er sei der Erbe Slytherins und müsse Hogwarts in dessen Sinne umbauen", seufzte Julius, der es trotz des düsteren Themas gut fand, sich von der Offenbarung Larissas ablenken zu können und tatsächlich das zu bereden, weswegen er in Peggys Haus gekommen war. So gegen fünf Uhr hörte er Millies Gedankenstimme in sich:

"Monju, wo bist du gerade?"

"Ich habe mich mit jemandem hier festgequatscht, die Verwandte in England hat, Mamille", dachte er, ohne seinen Herzanhänger anfassen zu müssen zurück. Dabei fiel ihm ein, daß Millie es vielleicht gespürt hatte, als Larissa ihn mit großer Kraft legilimentieren wollte. Wie sollte er das ihr erklären?

"Bei wem bist du genau?"

"Ms. Swann", schickte Julius die Antwort auf die Frage zurück.

"Ich sitze gerade auf dem Frauenklo vom sonnigen Gemüt. Wir haben jede Menge Eistee eingeworfen, und ich hab' die Gelegenheit genutzt, dich anzumeloen. Irgendwie war mir so vor einiger Zeit, als würde dich irgendwas bedrängen oder gar angreifen. Aber da konnte ich schlecht die anderen Mädels abhängen. Was war denn?"

"Ich bin halt nicht gut darin, fünf Minuten oder mehr mit einem plärrenden Baby im selben Raum zu sitzen. Hatte eigentlich gedacht, durch Cythera und Claudine gut adaptiert zu sein. Aber ich will jetzt nicht zu lange meloen, weil das der Dame des Hauses auffallen könnte."

"Ich bin jetzt auch fertig und geh wieder raus. Britt meinte, sie wollte Gloria und mir noch ihren Lieblingsbaum im Zaubergarten zeigen. Kennst du den schon?"

"Ich kann da hinkommen", gedankensprach Julius.

"Oh, dann können wir uns da ja treffen. Bis dann, Monju!"

"Bis gleich, Mamille!"

"Kannst du etwas mentiloquieren?" Fragte Peggy Swann. Julius fragte sie, was damit gemeint sei. Peggy räusperte sich und sagte: "Vergiss es. Aber du hast eben so dagesessen, als würdest du auf irgendwen weit weg lauschen oder ihm antworten."

"Ich habe über das nachgedacht, was Sie gerade gesagt haben und mit dem Mechanismus eines Schachspielers vorhergedacht, was bei welchem Fall alles passiert", erwiderte Julius. Daß er Schach spielte war ja harmlos genug. Dann sagte er noch, daß ihm eingefallen sei, daß er sich mit Brittany Forester im Zaubergarten treffen wollte. Peggy Swann nickte und lächelte.

"Das Mädchen ist sehr patent. Ich werde mir das übermorgen ansehen, wie sie spielt. Du wohnst mit deiner Schulkameradin bei ihr?"

"Ja", erwiderte Julius ganz lässig.

"Gut, dann wünsche ich dir noch einen angenehmen Nachmittag. Danke, daß du mir ein paar Minuten Ablenkung verschafft hast!"

"Es war mal was anderes, als nur mit Lehrern oder Leuten, die ich sehr gut kenne zu quatschen. Ist irgendwie wie eine Reise in einem Zug, wo man Leute trifft, die man nicht kennt und danach nicht wiedersieht."

"Na, ich denke doch, daß wir uns das eine oder andere Mal treffen, solange du hier bist."

"Ich fürchte, die Mädchen haben ihren Einkaufsbummel deshalb auf heute nachmittag gelegt, damit wir alle in den nächsten Tagen Zeit genug für andere Sachen haben", sagte Julius darauf. "Ich habe denen gesagt, daß das Einkaufengehen und stundenlange im Laden rumsuchen nix für gestandene Jungs ist. Hat mich früher schon genervt, wenn meine Mum in einem Kleiderladen mehrere Sachen hintereinander ausprobieren wollte."

"Weil wir Frauen, was das äußerliche angeht doch irgendwie perfektionistisch sind, wohingegen ihr Männer es auf Erfolge und Endprodukte anlegt, für das ihr mehrere Stunden oder Tage aufwenden könnt, wenn das nicht gleich so klappt, wie ihr wollt", entgegnete Peggy Swann lächelnd. Dann verabschiedete sie sich von Julius und geleitete ihn zur Vordertür, die von einer halbrunden eingangshalle in hellen Blautönen aus zu erreichen war.

Julius schlenderte in Richtung Zaubergarten. Die Sachen die er in den letzten zwei Stunden erlebt hatte gingen ihm durch den Kopf. Was sollte er damit anstellen? Im Moment war er davon überzeugt, Millie in alles einweihen zu können, nachdem die Sache mit Darxandrias Erbe und die Bedrohung durch Skyllians Krieger auf dem Tisch lagen. Andererseits stimmte es schon, daß er die Sache nicht mehr kontrollieren konnte, wenn er jemandem davon erzählte. Immerhin wußten die Latierres ja jetzt etwas mehr über ihn. Wußte er, wem sie das vielleicht weitergaben? Andererseits wollte er zumindest Professeur Faucon über das informieren, was er erfahren hatte. Immerhin hatte er den für sie zuständigen Zweiwegespiegel mitgenommen. Aber das konnte er nicht machen, solange Millie, Brittany und alle anderen Hausbewohner der Foresters zuhören konnten. Ja, auch Lino könnte es aufschnappen, was er mitbekommen hatte. Also blieb ihm was Millie anging nur das Mentiloquieren.

Tatsächlich traf er bei dem Spendebaum auf die erfolgreichen Einkäuferinnen, die mit schweren Plastiktüten bepackt um den großzügigen Baum herumstanden.

Millie eilte auf ihren festen Freund zu und umarmte ihn innig. Brittany und Melanie kicherten darüber wie Elfjährige. Gloria sah die beiden vielsagend an. Sharon Cotton, die schokoladenbraungetönte Junghexe, die über dutzende von Ecken mit Julius verwandt war, sah Millie an, als wolle sie sie gleich böse anfauchen oder ihr gar einen Zauberfluch überbraten. Doch Millie ließ das ganz kühl. Sie schmiegte für einige Sekunden ihre linke Wange an Julius' linker Wange, wandte dann ihren Kopf zu den jungen Hexen und meinte:

"Keinen Neid, Mesdemoiselles. Wer hat der hat!"

"Haha", grummelte Sharon, während Brittany, Melanie, Myrna und Gloria amüsiert lachten.

Julius nahm eine bereitwillig hingehaltene Frucht von einem Zweig des Spendebaumes und aß sie. Dann gingen Brittany und ihre Hausgäste durch den restlichen Garten und redeten über den Nachmittag.

Am Abend war Grillen bei den Foresters angesagt. Brittany hatte für ihren Vater und sich Kartoffeln, Auberginen und Maiskolben zum Grillen besorgt, während Julius Mrs. Forester beim Grillen von Steaks half. Für alle, ob vegan oder nicht vegan lebenden, gab es mehrere bunte Salate, die sich jeder mit den ihm oder ihr genehmen Salatsoßen verfeinern konnte. Brittany und ihr Vater wirkten zwar beim Anblick der brutzelnden und duftenden Fleischstücke etwas unbehagt, verloren aber kein Wort über Sinn und Unsinn von Tierhaltung und -schlachtung.

Weil sowohl Julius, als auch die Redlief-Schwestern Musikinstrumente mitgebracht hatten, klang der Abend mit Hausmusik im Freien aus, bis der letzte Dämmerschein erloschen war, und Mond und Sterne den Himmel bevölkerten. So gegen elf Uhr abends zogen sich alle in das Rotbuchenhaus zurück.

Julius mentiloquierte noch etwas mit seiner Freundin, als er im Bett lag. Er berichtete ihr von seinem Nachmittag und auch von dem Gespräch mit Peggy Swann. Doch die wesentlichen Sachen verschwieg er vorerst.

"Muß schon ziemlich heftig sein, allein mit einem Kind in so'nem großen Haus zu wohnen. Aber daß du kein Babygeschrei vertragen kannst wäre mir neu, Monju. Wollen doch hoffen, daß du von Miriam, Cythera und Claudine nicht doch zu heftig angenervt bist."

"Lag vielleicht am Klimawechsel. Mal eben von Paris nach Südkalifornien überzuwechseln ist wohl doch nicht so einfach."

"Wollte schon sagen, Monju", erwiderte Millie nur für Julius vernehmbar. "Immerhin willst du ja irgendwann mal selbst so'n kleinen Fratz auf den Knien schaukeln der von dir abstammt. Du weißt ja. Drei Jahre noch!"

"Ich weiß", schickte Julius zurück. "In drei Jahren ein Kind oder langsamer Wahnsinn oder sowas."

"Keine Garantie ist kostenlos", erwiderte Millie leicht amüsiert. Julius verzichtete auf eine passende Antwort und wünschte ihr nur noch eine gute Nacht. Morgen wollten sie noch einmal Quodpot spielen, bevor Brittanys Mannschaft am Nachmittag das letzte Training vor ihrer Premiere abhalten wollte. Er drehte sich in seine Lieblingsschlafstellung und überließ sich dem erholsamen Schlaf.

ENDE

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