eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie
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© 2000, 2001, 2002 by Thorsten Oberbossel
Julius' Andrews Vater versuchte zwar, seinen Sohn von Hogwarts fernzuhalten, doch dies gelang nicht. Stattdessen weiß Julius im Moment nicht, was nun werden soll, wenn seine Eltern nichts mehr mit ihm zu tun haben sollen. Doch daran denkt Julius erst einmal nicht, als er in Hogwarts eintrifft. Denn in diesem Schuljahr soll das trimagische Turnier, ein Zaubererwettkampf zwischen den drei Schulen Hogwarts, Beauxbatons und Durmstrang stattfinden. Julius fragt sich, wen er in der Beauxbatons-Abordnung kennt. Hinzu kommen noch der Totalverweigerer Henry Hardbrick, der neu in Hufflepuff eingezogen ist und auch aus einem reinen Nichtzaubererelternhaus stammt, Regenbogenstrauchsamen, die er von Madame Dusoleil aus dem Zaubergarten von Millemerveilles bekommt, sowie das Vorhaben, sich für den Transport einer weiteren Person auf einem Flugbesen ausbilden zu lassen. Er muß Sonderaufgaben im Unterricht erledigen, weil den Lehrern bekannt ist, daß er in den Ferien fachkundige Anleitung bekommen hat. Der neue Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste imponiert und erschaudert jeden Schüler mit seinem magischen Kunstauge, das durch alles hindurchsehen kann, sowie seiner Erscheinung und seinem Auftreten.
Als die Abordnungen eintreffen, trifft Julius Schüler aus Millemerveilles wieder, darunter Jeanne Dusoleil und Barbara Lumière, gegen die er Quidditch und Schach gespielt hat. Die Auswahlzeremonie gerät aus der erwarteten Bahn, als Harry Potter als vierter Turnierteilnehmer ausgewählt wird, was eigentlich nicht vorkommen durfte. Außer Julius glauben alle, daß der wegen seines Überlebens berühmte Schüler aus Gryffindor nur noch mehr Ruhm einheimsen und deshalb zu unerlaubten Methoden gegriffen hat. Julius, der die Bannlinie, die nur Schüler ab siebzehn Jahren an den für die Teilnehmerauswahl zuständigen Feuerkelch lassen sollte getestet hat, weiß, daß es nicht an Harry liegt, daß er teilnimmt und schreibt an Professor Faucon und Catherine Brickston, daß er vermutet, daß Harry nicht Täter sondern Opfer eines faulen Spiels sei, was diese ihm zu seiner Verblüffung bestätigen.
Die erste Runde verläuft spannend und abwechslungsreich für alle, die zusehen. Danach kehrt vorerst wieder der Schulalltag ein.
Julius fragt sich, ob er in den Weihnachtsferien nach Hause fahren kann. Denn seine Eltern wollen eine vom Zaubereiministerium festgesetzte Strafgebühr nicht bezahlen, die wegen ihres Versuchs, ihn von der Schule fernzuhalten, fällig wurde. Er hört, daß am Weihnachtstag zu Ehren der Turnierteilnehmer und ausländischen Gäste ein Ball stattfinden soll, an dem aber nur Schüler ab der vierten Klasse teilnehmen dürfen, oder nur die jüngeren Schüler, die von älteren Schülern eingeladen werden. Er denkt, den schönen Festumhang nicht zu brauchen, den er in den Sommerferien bekommen und in Millemerveilles ausgeführt hat. Doch Jeanne Dusoleil läd ihn ein, mit ihr den Ball zu besuchen, auch wenn er fünf Jahre jünger als sie ist.
Wenige Tage vor Ferienbeginn bekommt Julius mit, wie es sich Henry Hardbrick, der aufsessige Muggelstämmige, mit einer Schülerin aus Durmstrang verscherzt. Er hört, wie sie ihn verflucht und findet ihn in den Körper eines Neugeborenen zurückverwandelt.
Zu Weihnachten bekommt er viele schöne aber auch nützliche Geschenke. So schenken ihm die Eltern von Betty und Jenna eine neue Armbanduhr, die sich selbständig auf jede an einem Standort gültige Uhrzeit einstellen kann. Claire Dusoleil, mit der Julius seit den Ferien eine gute Brieffreundschaft pflegt, schickt ihm ein selbstgemaltes Zauberbild, daß sie an Jahres- und Tageszeiten angebunden und daher zu einem Kalender gemacht hat. Die Arbeit, die sie sich dabei aufgeladen hat, beschämt Julius, weil er nicht weiß, womit er das verdient hat.
Der Weihnachtsball ist für Julius ein herrliches Erlebnis. Er tanzt nicht nur mit Jeanne, die ihn eingeladen hat, sondern auch mit Gloria und Pina, seinen Klassenkameradinnen, die von älteren Jungen eingeladen worden waren, aber dann vernachlässigt werden. Er erwirbt sich durch seinen Umhang und die gute Tanzkunst, die er vor Hogwarts erlernt hat, große Anerkennung bei den älteren Mitschülern.
Als die jüngeren Schüler, die nicht zum Ball geladen wurden, aus den Ferien zurückkommen, findet Julius wieder Zeit, über seine Eltern nachzugrübeln.
Julius Andrews hatte beschlossen, den Tagespropheten zu abonieren. Genug Geld dafür hatte er ja. So war er einer der ersten Schüler, die den neuesten Artikel der Sensationsreporterin Rita Kimmkorn zu lesen bekamen. Darin offenbarte die weithin gefürchtete Zeitungsschreiberin, daß Rubeus Hagrid, der Wildhüter und Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe, der Sohn einer Riesin und eines normalgroßen Zauberers war. Als Kevin und Gloria diesen Artikel lasen, nickten sie nur.
"Da mußte erst eine Reporterin drauf kommen? Das war mir schon klar, seitdem ich mich über magische Kreaturen kundig gelesen habe", sagte Gloria. Kevin meinte dazu:
"Deshalb wird der auch so gut mit Monstern fertig. Kein Wunder."
"Ja, aber die Frage lautet, was passiert jetzt mit ihm? Hier steht, daß es mordlustige Wesen waren, solange sie noch hier in Großbritannien lebten. Das fällt doch sicherlich auf Hagrid zurück."
"Dafür ist dieser Artikel wohl auch geschrieben worden. Diese Rita Kimmkorn liebt es, den Ruf von angesehenen Leuten zu beschmutzen, ja zu zerstören, wenn sie eine Möglichkeit dazu hat, nur um Geld und Ruhm zu ernten."
"Kenne ich, den Typ Reporter", sagte Julius. "In der Muggelwelt spionieren solche Leute mit Fotokameras und Filmkameras bis in die Schlafzimmer von Leuten, um zu sehen, wen und wie sie lieben, was sie essen, ob berühmte Frauen gerade ein Kind erwarten oder keine Kinder kriegen können, was ihre Kinder am liebsten anziehen oder spielen und so weiter. Aber die Frage von mir ist immer noch nicht beantwortet. So, wie das hier steht, unterstellt sie Dumbledore, einen schweren Fehler gemacht zu haben und daß Hagrid gefährlich sei. Das mit diesen knallrümpfigen Krötern ist auch so ein Ding, wofür er sicher eine Menge Ärger kriegen wird. Mindestens wird man verlangen, ihm das Unterrichten zu verbieten", sagte Julius.
"Was? Wen wollen die denn dann nehmen. Mit richtigen großen Kreaturen kommt doch kein schwächlicher Mensch klar", warf Kevin ein.
"Irgendwen werden die schon auftreiben", sagte Gloria.
Da sie und ihre Kameraden ja keinen Unterricht in Pflege magischer Geschöpfe hatten, brandete die ganze Empörung über Hagrids geheimgehaltene und nun sensationell offenbarte Abstammung an den Ravenclaw-Zweitklässlern vorbei. Lediglich die Hufflepuffs, Gryffindors und Slytherins ließen sich auf Debatten über Hagrid ein. Als Julius mit den beiden Hollingsworths in der Bibliothek saß, geriet er mit ihnen schnell in eine Diskussion über Riesen und Halbriesen.
"Wir wußten nicht, daß Hagrid ein Halbriese ist. Leutte können durch verpatzte Zaubertränke zu übermäßigem Wachstum angeregt werden", sagte Jenna. "Ich las vor kurzem in einem der Bücher, die du uns empfohlen hast, daß eine Hexe einen leichten Schwellzaubertrank in die Nahrung ihres Kindes gegeben hatte, weil es ihr zu verkümmert aussah. Mit einem Jahr war es so groß wie sie selbst, jedoch nicht in der Lage zu laufen oder aufs Klo zu gehen. Das Zaubereiministerium mußte einen Sachverständigen schicken, um den verpatzten Zauber zu beheben. Aber daß Hagrid ein halbriese ist, ist natürlich des Rätsels Lösung."
"Hagrid ist ein Ungetüm von Mann. Wenn er ein halber Riese ist, wie groß werden dann die reinrassigen Riesen?" Fragte Julius.
"Zwischen sechs bis acht Meter groß", wußte Jenna. Julius nickte. Dann kam das hin. Doch ihm fiel noch etwas ein. Wenn Hagrid ein Halbriese war, dann auch Madame Maxime, die Direktorin von Beauxbatons. Darüber wollte er sich jedoch nicht auslassen, zumal es ja nun, wo Hagrids Abstammung hinausposaunt worden war, jedem halbintelligenten Schüler klar war. Er sagte nur:
"Aber Hagrid hat hier Jahre lang als Wildhüter gearbeitet. Spricht das nicht dafür, daß er das, was er macht, korrekt ausführt und bislang keiner der Schüler zu leiden hatte?"
"Sicher. Aber du kennst doch die Slytherins. Die werden sich mit Freuden drauf stürzen, Hagrid von der Schule zu ekeln. Auch einige von uns sind der Meinung, daß Hagrid besser nicht mehr unterrichten sollte, weil er meistens mit irgendwelchen Ungeheuern arbeitet. Aron Timberland hat mir beim Tanzen erzählt, daß er bei einer Unterrichtsstunde fast den Arm abgebissen bekommen hätte, weil sie mit jungen Riesenspinnen gearbeitet haben und eines dieser Biester mit den Beißscheren zugeschnappt hat", berichtete Betty.
"Genau wie Draco Malfoy fast gestorben wäre, weil ein Hippogreif ihm in den Arm gebissen hat", erwiderte Julius verächtlich. "Ich habe beim Fußball oder beim Karate-Training auch schon heftige Verletzungen einstecken müssen, die mich wochenlang außer Gefecht gesetzt haben. Trotzdem habe ich diese Sportarten weitertrainiert, weil es eben eine Unaufmerksamkeit von mir war, die mir die Verletzungen eingetragen hat. Außerdem ist es nicht so schlimm, wenn man auch die gefährlichen Tiere kennenlernt, gerade dann, um vor ihnen Respekt zu kriegen und sich nach Möglichkeit aus ihrer Reichweite fernzuhalten oder sie von seinem Wohnsitz fernzuhalten", wandte Julius noch ein.
"Sicher, Julius. Aber Aron und Barney haben ein Jahr vor unserer Ankunft hier schon Pflege magischer Geschöpfe gehabt und da mehr über andere, auch harmlose Tiere gelernt, vor allem solchen, die nützlich für Zaubertränke sind. Schließlich besteht unsere Welt nicht nur aus Monstern", entgegnete Betty.
"Wem sagst du das?" Fragte Julius. "Immerhin habe ich mit Gloria ja den magischen Tierpark von Millemerveilles besucht. Danach durfte ich noch einen schriftlichen Bericht drüber schreiben, der allerdings sehr interessant war. Ich habe ihn noch."
"Soso. Hat man dich nicht einfach aus purem Vergnügen in diesen Tierpark gelassen?" Fragte Jenna mit schadenfrohem Grinsen.
"Das schon, aber weil ich nicht die geforderte Rückkehrzeit eingehalten habe, mußte ich eben niederschreiben, weshalb das solange gedauert hatte", flüsterte Julius. Zwar wußten die Hollingsworths, bei wem er in den Sommerferien untergekommen war, doch man konnte nie wissen, wer in der Bibliothek mithörte. Nachher saß diese Rita Kimmkorn noch hinter einem Bücherregal oder hatte sich unsichtbar gemacht, um weitere Unliebsamkeiten zu erschnüffeln und zu erlauschen. Deshalb beendete er diesen Gesprächsabschnitt mit den Worten:
"Auf jeden fall kenne ich nun viele wichtige Geschöpfe, ob Monster oder Kuscheltiere. Wenn Hagrid sich gut mit diesen Viechern auskennt, dann wäre es dumm, ihn rauszuwerfen, nur weil seine Mutter eine Riesin war."
"Aber das mit diesen Krötern war doch illegal", warf Jenna ein.
"Sicher. Dafür wird man ihm und Dumbledore wohl noch mal die Hosenböden strammziehen. Aber sonst", versetzte Julius.
Gloria kam mit Orla Quirke und Laura Medley, den beiden Erstklässlerinnen herein und führte sie zu Madame Pince. Dann fand sie ihre Klassenkameraden und fragte, ob sie sich dazusetzen dürfe. Dann kamen noch Gilda und Kevin, die leise aber erregt miteinander debattierten. Kevin zischte seiner häufigen Begleiterin zu:
"Und ich sage dir, Gill, daß Hagrid zwar ein Rohling, aber dafür ein Spitzenkenner für magische Geschöpfe ist. Den rauszuwerfen wäre absolut unsinnig."
"Dadurch wird er noch lange nicht umgänglicher, Kevin. Du kennst diese Wesen nicht. Sie geraten von einer Sekunde zur nächsten in einen Blutrausch und machen alles nieder, was um sie herumläuft, ohne großen Grund dafür. Ich bin froh, daß er nicht im Schloß selbst lebt und meistens im Wald herumläuft, wo wir nicht hindürfen", fauchte Gilda. Dann sah sie die Hollingsworths, Gloria und Julius und fragte, ob sie sich zu ihnen setzen dürfe. Kevin fragte auch. Beiden wurde die Erlaubnis erteilt. So entstanden zwei Lager, für und gegen Hagrid. Gloria, Kevin und Julius plädierten dafür, Hagrid weiterunterrichten zu lassen, während die Hollingsworth-Zwillinge und Gilda Fletcher Grund für Grund anführten, weshalb man Hagrid besser heute als morgen vom Unterricht entbinden sollte. Die Diskussion überschritt bald die in der Bibliothek geltende Lautstärkebeschränkung, so daß Madame Pince einschreiten mußte.
"Meine Damen und Herren! Dies ist nur eine Verwarnung. Falls ihr nicht leiser sprecht, ziehe ich jedem von euch zwanzig Punkte für sein oder ihr Haus ab. Rechnerisch würde Ravenclaw dadurch achtzig Punkte verlieren. Ihr seid also gut beraten, wenn ihr euch zum debattieren anderswo aufhaltet. Hier wollen welche lesen, einige davon Lehrer. Also entweder ist jetzt Schluß, oder ihr geht raus, wenn ihr keine Punkte verlieren wollt."
Alle starrten die dürre Bibliothekarin mit dem Kneifer und dem Staubwedel an, als sei sie eine Halbriesin wie Madame Maxime oder Hagrid. Dann standen sie auf und verließen die Bibliothek ohne ein Wort zu sprechen.
Während des Abendessens sprachen die Ravenclaws nicht mehr über Hagrid. Allen, so erschien es Julius, war klar, daß ja nicht nur Hagrid ein Halbriese war. Man wollte sich nicht mit den Beauxbatonss zerstreiten, nur weil Gilda und einige andere der Meinung waren, das alle von Riesen abstammenden Leute möglichst von allen anderen ferngehalten werden mußten.
Julius prüfte nach, ob in seinem Buch über die dunklen Geschöpfe etwas über Riesen stand, doch fand nichts. Dann sah er in seinem Drachenbuch nach, das ihm Kevin geschenkt hatte und fand dort einen kurzen Satz:
"Die besten bekannten Drachenhüter des ausgehenden siebzehnten Jahrhunderts waren Typhon Herpit und Atlas Patagon, deren Väter echte Riesen waren."
Julius sah im Verzeichnis empfohlener Zusatzbücher nach, ob eine Geschichte dieser beiden Drachenspezialisten erwähnt wurde und wurde tatsächlich fündig. Er fand eine Empfehlung für die Bücher "Rauhes Wesen rohe Kraft - Riesen im Verlauf der Zaubereigeschichte" von Echidna Megalon und "Die Meister der Drachen" von Professor T. Rex. Er beschloß, sich diese beiden Bücher auszuleihen, falls sie in der Bibliothek angeboten wurden. Dann schrieb er zwei Briefe.
Der erste Brief sollte nach Australien gehen, zu Aurora Dawn. Der zweite war für Professeur Faucon bestimmt. Julius schrieb, als er im Schlafsaal allein war den Brief an Professeur Faucon:
Sehr geehrte Professeur Faucon,
wie gebeten wende ich mich zunächst an Sie, da sich hier etwas ereignet hat, was vielleicht wichtig sein könnte.
Heute morgen ist in unserer Zeitung, dem Tagespropheten, ein sensationeller Artikel erschienen, der von einer ziemlich berüchtigten Skandalreporterin namens Rita Kimmkorn verfaßt wurde. Darin läßt sie sich lang und genüßlich darüber aus, daß unser derzeitiger Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe seiner übermenschlichen Körpergröße nach ein Halbriese ist. Allerdings wartet sie auch mit Details auf, die sie nicht durch reines Hinsehen allein herausgefunden haben kann. Ich füge den entsprechenden Artikel bei, um Ihnen den genauen Wortlaut zu übermitteln.
Warum schreibe ich davon? Es wurde durch den Artikel viel Staub aufgewirbelt. Professor Dumbledores Vorgehensweise wird als Fehlerhaft dargestellt, seine Entscheidungen für gefährlich gehalten. Hinzu kommen noch zwei Dinge. Einmal ist es schulweit bekannt, daß Hagrid ein guter Freund von Harry Potter ist, der als vierter Champion am trimagischen Turnier teilnimmt. Zum anderen wird nun jedem, der hier lebt klar, daß was für Hagrid gilt, auch für Madame Maxime gelten muß. Dies könnte zu einer Mißgestimmtheit gegen sie führen, zumindest ein großes Mißtrauen ihr gegenüber auslösen.
Ich frage mich jedoch, was außer Hagrids Beziehung zu Harry Potter noch für den sensationellen Artikel verantwortlich ist? Wie gelangte die Reporterin an bestimmte Einzelheiten aus seinem Leben? Wie verhalte ich mich bestenfalls?
Da ich mit diesen Fragen nicht zu unserem Schulleiter gehen kann, weil dieser verständlicherweise zu sehr in die Sache verstrickt ist, hoffe ich, von Ihnen eine erschöpfende Antwort zu erhalten. Allerdings habe ich Verständnis dafür, daß Sie in Ihrer derzeitigen Funktion als stellvertretende Schulleiterin keine Zeit haben, sich mit den Gedanken eines nicht zu Ihrer Schule gehörenden Jungen zu befassen.
Hochachtungsvoll
Julius Andrews
Julius schnitt den Artikel aus dem Tagespropheten aus, stellte mit dem Multiplicus-Zauber zwei Kopien davon her und fügte eine davon dem Brief an Professor Faucon bei. Dann schrieb er den zweiten Brief:
Hallo, Aurora!
Erst einmal möchte ich mich für das Weihnachtsgeschenk bedanken, das du mir zugeschickt hast. Ich freue mich schon darauf, in diesem Umhang zu trainieren oder gar eine oder mehrere Partien zu spielen. Außerdem bedanke ich mich für die Sonnenkrauttinktur. Ich habe erfahren, daß sie nicht ganz billig zu kaufen ist, zumindest nicht in Europa.
Hier in Hogwarts war es toll über Weihnachten. Jeanne Dusoleil hat mich zum Weihnachtsball im Rahmen des trimagischen Turniers eingeladen, und ich denke, ich habe sie nicht vor allen anderen blamiert. Sie trug einen rosa Festumhang mit goldenen Fäden durchwirkt, so daß sie fast wie der Schein einer aufgehenden Sonne aussah. Ich weiß zwar nicht, ob sie mich aus Neugier eingeladen hat, weil ich im Sommer mit ihrer Schwester so gut getanzt habe, oder weil Madame Dusoleil sie darum gebeten hat oder wieso auch immer. Gefallen hat es mir allemal, und ich habe mich auch nicht den anderen Schülern unterlegen gefühlt. Ich durfte sogar mit Parvati Patil aus Gryffindor tanzen, die mit Harry Potter zusammen den Ball eröffnet hat. Ich denke, wenn dieses Turnier nicht zu einer Katastrophe wird und nicht wieder für Jahrhunderte unterbrochen wird, bemühe ich mich um die Teilnahme beim nächsten Turnier in fünf Jahren. Sicher, das mit den Drachen in der ersten Runde war gefährlich und sicherlich auch anstrengend. Aber die Aussicht, spannende Aufgaben zu lösen, sich selbst und anderen zu zeigen, was man gelernt hat und an einem Tanzabend die Eröffnung zu machen, reizen mich schon.
Heute stand ein heftiger Artikel über Hagrid im Tagespropheten. Rita Kimmkorn, eine berüchtigte Sensationsreporterin, hat irgendwie herausgefunden, daß Hagrids Mutter eine echte Riesin war und daraus gefolgert, daß Dumbledore bei der Auswahl seiner Angestellten total danebenhaut, nicht nur wegen Hagrid, auch wegen Moody. Ich schicke dir den Artikel mit diesem Brief zusammen zu, damit du lesen kannst, was und wie sie schreibt. Betty und Jenna, die beiden braunhaarigen Zwillingsschwestern, die du an meinem Geburtstag kennengelernt hast, haben mir erzählt, daß alle Reporter sogenannte flotte-Schreibe-Federn benutzen, Zauberfedern, die niederschreiben, was jemand sagt, aber dies so, daß ein bestimmter Stil eingehalten wird. Ich denke, daß Rita Kimmkorn so eine Feder benutzt, die aus dem, was jemand sagt, möglichst aufgebauschte und anrüchige Stories konstruiert. Allerdings glaube ich nicht, daß sie Hagrid bei einem Interview zu seiner Vergangenheit aushorchen konnte, sonst hätte es da gestanden.
Mit Snape komme ich im Moment gut zurecht. Er hat sich wohl auf andere Leute eingeschossen und zieht mir höchstens einen Punkt pro Woche ab. Ich gehe davon aus, daß ich dieses Jahr in Zaubertränken besser dastehe als im letzten Jahr.
Deine Kollegin Madame Dusoleil hält es tatsächlich für nötig, mich zu den Aufgaben von Professor Sprout mit Lesestoff und Saatgut zu versorgen. Ich habe hier vier Hexenkelchsamen, von denen ich nicht weiß, was ich damit machen soll.
Ich hoffe, in Australien ist es nicht allzuwarm. Hier liegt auf jeden fall Schnee.
Falls du Madame Dusoleil vor den Oster- oder Sommerferien noch sehen solltest, bestell ihr bitte schöne Grüße von mir! Ich werde ihr zwar auch weitere Briefe schicken, allein, weil sie möchte, daß ich über den Fortschritt bei ihren Sonderaufgaben berichte, aber es ist immer schön, von Leuten gegrüßt zu werden, die man direkt sieht.
Herzliche Grüße aus dem winterlichen Hogwarts
Julius Andrews
Auch diesem Brief fügte Julius eine Kopie des Kimmkorn-Artikels bei. Dann ging er in die Eulerei und schickte Francis nach Beauxbatons und eine Schuleule mit der Gebühr für einen schnellen Posttransport und dem Brief an Aurora Dawn los. Anschließend stürzte er sich auf die anstehenden Hausaufgaben, die Snape ihnen aufgehalst hatte.
Am Freitag derselben Woche kam eine Schleiereule vom Zaubereiministerium. Julius zögerte, dann las er doch den Brief, den er erhalten hatte, wobei er sicherstellte, daß seine Sitznachbarn nicht mitlesen konnten. Der Brief lautete:
Sehr geehrter Mr. Andrews,
hiermit wird Ihnen im Rahmen der Paragraphen 144 und 324 des Zaubereigesetzes, betreffend die Ausbildung mit magischen Fähigkeiten begabter Kinder, im Bezug auf das Anhängige Bußgeldverfahren gegen Ihren Vater, Mr. Richard Andrews, unsererseits folgender Bescheid erteilt:
Auf Grund der Weigerung Ihres Vaters, Mr. Richard Andrews, einer von unserer Abteilung für magischer Ausbildung und Studien ausgesprochenen Bußgeldforderung in Höhe von 50 Galleonen nachzukommen, wurde verfügt, daß Zur Sicherung Ihrer Zaubereiausbildung und Eingliederung in die magische Gesellschaft eine Amtsperson unserer Abteilung bis auf amtlichen Widerruf mit Ihrer Fürsorge betraut wird. Mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres tritt diese Verfügung in Kraft und gilt bis zur Entsprechung unserer durch Paragraph 324 gedeckten Bußgeldforderung. Zwar wurde uns seitens Ihrer Mutter, Mrs. Martha Andrews zugesichert, auch von ihr die geforderte Bußgeldsumme erhalten zu können, entsprach jedoch nicht dem Prinzip der Maßregelung des Verursachers, gemäß Gesetz zur Vollstreckung gesetzlicher Maßregelungen, und konnte daher nicht als Grund für einen Verzicht auf Sicherstellung Ihrer zauberischen Ausbildung angesehen werden.
Bei Zugang dieser Mitteilung wird sich die mit Ihren Belangen betraute Amtsperson auf dem Wege der Eulenpost mit Ihnen in Verbindung setzen, um Sie über Ihre Identität und ihren Auftrag ins Bild zu setzen.
Ihren Eltern ist bis auf weiteres jede Kontaktaufnahme untersagt, sofern die mit Ihren Belangen betraute Amtsperson nicht gestattet, im Rahmen einer von ihr festzusetzenden Beschränkung den Kontakt mit Ihren Eltern zu halten.
Hochachtungsvoll
Uriella Thorough, Abteilung für magische Ausbildung und Studien
"Toll. Jetzt ist der Mist am qualmen", stöhnte Julius leise. Gloria stubste Julius energisch in die Seite und mahnte ihn:
"Drück dich doch nicht so vulgär aus, Julius! Es gibt nichts, was einen die Selbstbeherrschung verlieren lassen muß, sofern es keine ernste Gefahr für Leib und Leben ist."
"Das ist eben die Frage, Gloria. So wie ich das hier lese, hat man beschlossen, mein bisheriges Leben nun vollständig auf den Müllhaufen der Vergangenheit zu schmeißen. Aber das ist für dich nicht so wichtig, denke ich."
"Glaubst du?" Fragte Gloria. Dann sah sie auf den amtlichen Umschlag und sagte:
"Darüber haben wir uns doch vor den Sommerferien und in den Ferien selbst unterhalten. Unser Ministerium kann es nicht hinnehmen, wenn jemand gegen alle Erkenntnis und ohne gesetzliche Rechtfertigung von der Schulausbildung ferngehalten wird. Du hast es doch gelesen, was in solchen Fällen passiert."
"Trotzdem habe ich geglaubt, daß ich in den nächsten Ferien nach Hause fahren und mit meinen alten Freunden mal wieder sprechen kann. Aber ich glaube nicht, daß da das letzte Wort drüber gesprochen ist."
"Wie du meinst, Julius", flüsterte Gloria. Jeanne, die neben Gloria Saß, blickte Julius fragend an. Doch dieser sagte nur, daß er gewisse Probleme hätte, die nichts mit der Schule zu tun hätten. Das nahm Jeanne als ausreichende Antwort hin.
Der Morgen verlief für Julius nicht gerade triumphal. Zwar schaffte er es, in Verteidigung gegen die dunklen Künste die meisten Angriffe Moodys zu parieren, konnte aber auf eine Detailfrage des von harten Kämpfen geschundenen Lehrers, wieso ein Alopecius-Fluch nicht mit einem Capillicrescentus-Zauber gekontert werden konnte, keine Antwort geben und kassierte in diesem Fach seinen ersten Punktabzug, wenngleich es nur fünf Punkte waren.
"Der Glatzenfluch oder Alopecius-Fluch läßt alle Haarwurzeln verschwinden, wenn er richtig trifft. Der Schnelle Haarwuchszauber benötigt vorhandene Haarwurzeln. Daher kann der Glatzenfluch nur mit einem niederstufigen Fluchbrecher oder mit einem Haarwurzelerneuerungstrank aufgehoben werden", knurrte Moody.
In Zauberkunst verpatzte Julius die gestellte Bruchschutz-Zauberei, so daß ihm das Glas, das er unzerbrechlich hexen sollte, klirrend in tausend Stücke zerbarst. Er bekam es mit dem Reparo-Zauber wieder zusammengesetzt und schaffte es erst im zweiten Anlauf, den richtigen Zauber zu wirken. Flitwick forderte nach der Stunde, daß Julius sich nach der Nachmittagsdoppelstunde Kräuterkunde in seinem Büro melden solle.
"Wenn du heute in Kräuterkunde auch so abwesend auftrittst, verlierst du glatt fünfzig Punkte", warnte ihn Gloria beim Mittagessen. Julius nickte und lief leicht rot an. Er mußte seine Gedanken wieder ordnen.
Sicher, offenbar hatte sein Vater sich entschieden, lieber keinen Sohn mehr zu haben als einen, der Zauberei lernte. Sicher war auch, daß seinem Vater egal war, was ein Zaubereiministerium verfügte. Doch für Julius hieß das, daß er seine Mutter und seinen Vater wohl das letzte Mal gesehen hatte, falls diese geheimnisvolle Amtsperson entschied, daß seine Eltern schädlich für seinen weiteren Weg waren. Es war aber auch sicher, daß er hier und jetzt nichts mehr daran ändern konnte. In den Schulstunden nicht bei der Sache zu sein, half ihm absolut nicht weiter, schon gar nicht in Kräuterkunde, wo sie heute die schwarzen Lanzendornbeeren behandelten, die keinen Fehler beim Umgang mit ihnen verziehen.
Julius verscheuchte die trüben Gedanken und die sich in sein Bewußtsein drängenden Erinnerungen an die Tage mit Malcolm und Lester und konzentrierte sich auf den Unterricht. Es gelang ihm, seinen Punkteverlust vom Morgen durch zwanzig Punkte mehr als wettzumachen. Allerdings fragte ihn Professor Sprout nach dem Läuten zum Ende der Stunde, wo sein Enthusiasmus abgeblieben sei. Julius sagte nur:
"Persönliche Angelegenheiten, die nichts mit der Schule zu tun haben. Ich spreche gleich mit Professor Flitwick darüber."
"Das ist wohl angebracht", erwiderte die rundliche Kräuterkundelehrerin.
Julius ging zunächst mit den anderen Ravenclaws in ihr Haus, wo sie ihre Schultaschen unterstellten. Danach nahm Julius den Brief des Zaubereiministeriums und ging damit zu Professor Flitwicks Büro. Er klopfte an die Tür und wartete, bis er hereingebeten wurde.
Professor Flitwick saß in seinem Büro und beendete gerade einen Brief an irgendwen, dessen Name Julius nicht lesen konnte. Als der Zauberkunstlehrer den Brief fortgepackt hatte, fragte dieser den Zweitklässler:
"Möchten Sie eine Tasse Tee?"
"Ja bitte", erwiderte Julius. Dann nahm er Flitwick gegenüber Platz und wartete darauf, daß der Zauberkunstlehrer das Gespräch eröffnete.
"Sie haben sich heute morgen ziemlich geistesabwesend gezeigt, Mr. Andrews. Wie ich beim Mittagessen erfuhr, haben Sie diese Unaufmerksamkeit auch schon in Professor Moodys Unterricht an den Tag gelegt, die Sie in meinem Unterricht zeigten. Da ich davon ausgehen darf, daß es nichts mit der Schule oder ihren Mitschülern zu tun hat, folgere ich, daß Sie persönliche, ja familiäre Gründe haben, die Sie heute morgen nachlässig werden ließen. Als Vorsteher Ihres Hauses gehört es zu meinen Obliegenheiten, unvorhergesehene Nachlässigkeiten der mir anvertrauten Schülerinnen und Schüler zu ergründen. Daher möchte ich von Ihnen erfahren, welche Ursache Ihrem heutigen Verhalten zu Grunde liegt."
"Ich bekam heute morgen einen Brief vom Zaubereiministerium, aus der Abteilung für Ausbildung und Studien. Sie schrieben mir, daß man mir nun eine Amtsperson ihrer Abteilung als Aufsichtsperson zugeteilt hätte, weil mein Vater die 50 Galleonen Strafgeld nicht bezahlen wollte, die er bezahlen sollte, weil er in den letzten Sommerferien versucht hat, meine Rückkehr nach Hogwarts zu verhindern, ohne eine Erlaubnis vom Zaubereiministerium. Den Brief kann ich Ihnen zeigen, wenn Sie das möchten."
"Das wird nicht nötig sein. Professor Dumbledore und ich werden wohl eine ähnliche Mitteilung zugestellt bekommen. Diese Nachricht hat Sie derartig verwirrt?"
"Verwirrt in dem Sinne nicht, daß ich danach völlig durcheinander war. Aber ich mußte die ganze Zeit daran denken, daß mein Vater es wohl nun darauf angelegt hat, mich aus seiner Familie zu entfernen. Ich weiß zwar nicht, wie er sich das vorstellt, unseren Verwandten gegenüber zu erklären, daß ich wohl nicht mehr wiederkomme, aber irgendwas hat er sich wohl schon ausgedacht."
"Achso, Sie gehen davon aus, daß man in Ihrer Familie keinen Wert mehr auf einen Kontakt mit Ihnen legt, sie also de Facto verstoßen hat. Nun, das ist durchaus ein Grund, in Nachdenklichkeit zu verfallen. - Wurden Sie darüber informiert, um wen es sich bei der angekündigten Fürsorgeperson handelt?"
"Nein, das hat man mir nicht geschrieben. Die Amtsperson würde sich selbst bei mir melden. Immerhin ist es bis zu den Sommerferien ja noch lange genug, um alles zu klären", sagte Julius, jetzt wesentlich gefaßter als am Morgen noch.
"Vielleicht werden Sie bis zu den Osterferien schon Gewißheit haben, wie Ihr Leben außerhalb von Hogwarts verlaufen wird", sagte Professor Flitwick.
"Ja, die Frage ist doch: Muß ich zu jemanden, den ich nicht kenne, von dem ich nicht weiß, was er oder sie so erlebt hat, hinziehen und mir sagen lassen, was ich zu tun und zu lassen habe? Deshalb war ich doch so abwesend."
"Sie haben die Bücher über unsere Gesetze unter besonderer Betrachtung des Verhältnisses zwischen Zauberern und Muggeln gelesen. Offenbar tragen Sie sich mit der Vorstellung, von nun an in einer Art Verwahrung leben zu müssen, ständig beaufsichtigt. Richtig?"
"Im großen und ganzen ja", antwortete Julius Andrews. Dann fügte er noch hinzu:
"Die letzten Sommerferien waren schon heftig. Wenn ich nicht in Millemerveilles frei herumgelaufen wäre, hätte ich geglaubt, man wolle mich unter Verschluß halten. Aber wenn wirklich jemand für mich vom Gesetz her zuständig gemacht wird, könnte ich Probleme kriegen, mich auf die Ferien zu freuen."
"Denke ich nicht. Denn die Auslegung der Aufsichtspflicht hängt von der damit betrauten Person ab. Außerdem heißt das nicht, daß Sie nicht bei Ihren Eltern wohnen bleiben dürfen, sofern Sie von diesen nicht weiter an Ihrer Entwicklung gehindert werden und Ihre Hausaufgaben termingerecht vorweisen. Ich würde mich von diesen trübsinnigen Gedanken freimachen und erst einmal abwarten, wer wie mit Ihnen zu tun bekommt", schlug Flitwick vor.
"Guter Vorschlag, Professor", pflichtete Julius seinem Hauslehrer bei.
"Ich gehe davon aus, daß Sie am nächsten Montag wieder zu Ihrer alten Form zurückgefunden haben werden", sagte Professor Flitwick.
"Ich auch", bekräftigte Julius.
"Dann betrachte ich unsere Aussprache für erfolgreich beendet", entließ der Zauberkunstlehrer den Zweitklässler. Dieser nickte, verabschiedete sich und verließ das Büro.
Im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws warteten Gloria und Kevin bereits auf ihn. Sie sahen ihn fragend an. Julius nickte ihnen zu und zog sich mit ihnen in eine ruhige Ecke zurück. Im Moment war der Gemeinschaftsraum nur spärlich bevölkert. Ein Paar Sechstklässler diskutierten im Flüsterton an den Tischen, drei Viertklässler hatten sich in ihre Bücher vertieft, und die meisten Erstklässler hingen in einer Ecke förmlich aufeinander und tuschelten über irgendwas.
Julius erklärte kurz, daß seine morgentliche Unaufmerksamkeit auf eine Nachricht zurückzuführen war, mit der er nicht gerechnet hatte und die ihm am Morgen andauernd im Kopf herumgegangen sei. Gloria nickte nur verständig.
"Worum ging es denn?" Fragte Kevin im Flüsterton.
"Meine Eltern sind noch immer nicht darüber weg, daß ich Zauberei lerne. Offenbar haben sie es versucht, gegen das Zaubereiministerium anzugehen. Doch das ging wohl nach hinten los. Deshalb weiß ich nicht, wie meine nächsten Ferien aussehen, ob ich zu meinen Eltern darf und wenn nicht, wohin sonst."
"Ui! Das Ausbildungsgesetz, Julius?"
"Darum ging's, Kevin", bestätigte Julius.
"Deine Eltern, besser dein hochgestellter Vater, geht davon aus, daß ihm unsere Gesetze nichts anhaben können, so wie ein Mensch aus einem Volk, in dem persönlicher Besitz nicht vorkommt und der deshalb hemmungslos andere Leute bestiehlt", sprach Gloria. Julius wandte ein:
"So drastisch würde ich das nicht sagen. Aber in dem einem Punkt hast du recht, Gloria. Mein Vater denkt nicht daran, die Gesetze der Zaubererwelt zu befolgen. Ebenso würde sich doch auch ein Zauberer verhalten, der in einer reinen Muggelgemeinde lebt, oder?"
"Einmal. Aber wenn man ihm draufkommt, ist er schnell weg vom Fenster", erwiderte Kevin. "Deshalb gibt es ja die Zauberergesetze, damit nicht jede Hexe oder jeder Zauberer nach eigenen Ideen herumzaubert."
"Wie dem auch sei, Leute, außer Hogwarts habe ich im Moment keine feste Basis, ich meine, nichts, wo ich sicher untergebracht bin", erwiderte Julius auf Kevins Einwand.
"Dann sollte das, was heute morgen los war, besser eine Ausnahme gewesen sein. Moody hat dich ja schon schräg angesehen, aber wenn du dir deinen Aussetzer bei McGonagall erlaubt hättest, wären mindestens 10 Punkte fällig gewesen", grinste Kevin. Gloria sah den Jungen mit den rotblonden Haaren tadelnd an. Dann mußte auch sie grinsen.
"Mit zehn Punkten wärest du nicht davongekommen. Sie hätte dir wohl zwanzig oder mehr Punkte abgezogen."
"Nett, wie du das sagst", knurrte Julius.
"Ist doch so, Julius", erwiderte Gloria. "McGonagall hätte dir vorgehalten, dich absichtlich zurückfallen zu lassen und bestimmt die Meinung geäußert, daß sie dies nicht durchgehen lassen dürfe."
"Ja, das kommt hin", sagte Kevin. "Gwyneth, die in Verwandlung immer Spitzennoten hatte, hat sich in der Sechsten ziemlich durchhängen lassen, weil sie mehr Aufmerksamkeit für einen interessanten Mitschüler aufbrachte als für ihre Hausaufgaben. McGonagall hat ihr dafür einmal 50 Punkte auf einen Rutsch abgezogen und sie dazu verdonnert, Madame Pince in der Bibliothek auszuhelfen, Bücher abstauben, sortieren und Sachgebietslisten vervollständigen und noch so dies und jenes. Gwyneth hat diesen Schüler danach nicht mehr getroffen, weil der sich zwischenzeitlich eine Andere gesucht hat."
"So'n Pech", kommentierte Julius die Erzählung seines Schulfreundes mit Gehässigkeit.
"Wie immer auch das ganze weitergehen wird, Julius: Ich bin mir sicher, daß du damit klarkommen wirst", fühlte sich Gloria zu einer Aufmunterung veranlaßt. Julius nickte. Schließlich blieb ihm ja nichts anderes übrig, als das Beste daraus zu machen. Denn man fragte ihn ja nicht. Weder das Zaubereiministerium, noch seine Eltern, was er wirklich wollte.
Mehrere Tage vergingen. Julius erfuhr, das Henry Hardbrick, der zu Schuljahresbeginn eine sehr feindselige Einstellung zu Hogwarts und seinen Mitschülern gezeigt hatte, nun mit Übereifer seine Aufgaben machte und sich anstrengte, die absichtlich verschenkten Punkte wieder zurückzugewinnen. Als Julius den muggelstämmigen Erstklässler einmal in der Bibliothek traf, wo er sich Bücher über Berühmte Zaubererkonferenzen auslieh, wie er nun mit seiner Zauberei klarkomme. Henry sagte:
"Ich habe über Weihnachten nur Schwachsinn von meinen Eltern und meinem Bruder gehört, daß ich ein Mutant sei, ein genetischer Irrläufer und so weiter. Ich habe dann gesagt, daß ich eben eine Weiterentwicklung bin und den Schwachsinn, den sie so erzählen, als Beweis dafür ansehe, daß sie keinen Dunst haben. Meine Mum hat es dann übrigens eingesehen, daß es auch Sachen gibt, die nicht mit der gängigen Physik zusammenpassen."
"Ach neh!" Staunte Julius.
"Das ist nicht leicht für sie. Aber als diese Hexe zu Besuch war, diese Ms. Flowers, die uns überhaupt drauf gebracht hat, daß ich hierher soll, auf einem Besen, haben alle drei doof dreingeschaut", grinste Henry gehässig.
"Ich dachte, die wäre im Sommer bei euch gewesen", wunderte sich Julius.
"Ja, aber Weihnachten war sie auch da. Sie hatte so einen Schrieb von Dumbledore und Sprout dabei, daß sie mich beim nächsten Verstoß gegen die Grundregeln oder beim Erreichen von 150 Minuspunkten zwar von der Schule werfen, aber meinen Eltern hohe Ausgaben in Rechnung stellen müßten. Na ja, und das hat zumindest meine Mutter überzeugt. Mein Vater will sich diese Schule noch mal ansehen, hat er gesagt."
"Oh, das wird lustig! Mein alter Herr ist da auch schon drauf gekommen und hat Snape eine Viertelstunde Spaß geliefert, weil er dessen Meinung von Muggelkindern bestätigt hat."
"Mein Vater rät mir, nichts mehr zu trinken, was diese Hexenkrankenschwester empfiehlt. Wenn ich was habe, soll ich einen richtigen Arzt aufsuchen", erwiderte Henry.
"Hast du ihm etwa nicht erzählt, daß du den Absprung vom fliegenden Besen geprobt und dich dabei mit Karacho auf die Nase gelegt hast und nur wegen Madame Pomfreys Zaubermedizin so schnell wieder auf die Beine kamst?" Fragte Julius lauernd.
"N-nein, habe ich ihm nicht ... ist ja auch nicht so wichtig für ihn. Das hätte der mir eh nicht abgekauft."
"Madame Pomfrey wird dir nicht abkaufen, daß du einen ärztlichen Befehl erhalten hast, nichts einzunehmen, was nicht von Muggelmedizinern als Heilmittel anerkannt ist. Ein Schulkamerad kann Lieder davon singen, wie sie ihn dazu gebracht hat, ihre Heilmittel zu nehmen", grinste Julius.
"Solange sie einem keine Spritzen reinjagt", erwiderte Henry. "Eine Krankenschwester in dem Laden, wo mein Vater arbeitet, hat sich mal bei einem Patienten für seine Rumflucherei gerächt, indem sie ihm mindestens drei große Spritzen in den Leib gejagt hat", gab Henry etwas zum besten, wovon Julius nicht wußte, ob es stimmte oder nicht.
Die beiden Jungen verabschiedeten sich voneinander und gingen ihrer Wege.
Es war am letzten Montag im Januar.
Wie üblich brachten die Posteulen im Hunderterverband die Post für die Schüler von Hogwarts in die große Halle, während die Schüler beim Frühstück saßen. Julius sah Viviane, Claires Eule, die zunächst zu Jeanne hinüberflog, ihr einen Brief hinwarf und dann zu Julius hinüberflatterte und ihm das rechte Bein hinhielt, an das noch ein Brief gebunden war. Dann kam noch die Eule mit dem Tagespropheten, den Julius aboniert hatte. Julius warf die fünf Knuts Zustellgebür in den dafür mitgeführten kleinen Lederbeutel und nahm dann den Brief von Vivianes Bein. Als er diesen hatte, schwirrte noch eine Waldohreule im Höllentempo herein, die zielgenau auf Julius zusegelte, sich neben seinem Teller niederließ und einen stahlblauen Briefumschlag an ihrem linken Bein vorzeigte. Prudence Whitesand, die von einer Dreierladung Eulenpost in Anspruch genommen worden war, fand jetzt erst die Zeit, zu sehen, wer noch Post bekommen hatte und wunderte sich über die hektisch wirkende Waldohreule. Julius nahm den Brief und sah, wie der Postvogel beinahe raketengleich vom Tisch abhob und den letzten ausfliegenden Eulen nachschwirrte.
"Was sollte das denn?" Fragte Gloria, als sie Trixie und Cooke, ihren Steinkauz und ihrer Eltern Uhu mit Toastbrot und rohem Schinken fütterte, bevor die beiden Eulenvögel wieder davonflogen.
"Werden wir bald wissen", sagte Julius. Doch zuerst wollte er lesen, was Claire schrieb. So nahm er sich zwischen einer Portion Rührei und Getreideflocken in Milch die Zeit, Claires Brief zu lesen. Sie schrieb:
Hallo, Julius!
Ich möchte mich auf diesem Wege ebenfalls für dein Weihnachtsgeschenk bedanken. Ich bin immer auf der Suche nach Motiven zum Nachmalen.
Warum meinst du eigentlich, du seist es nicht wert, daß jemand ein Bild für dich malt und dafür eben Zeit braucht? Ist dir das noch nie passiert, daß jemand etwas selbst für dich gemacht hat?
Ach ja, ich vergaß, daß du ja in einer Maschinenwelt aufgewachsen bist, wo man von einem schönen Ding gleich tausend Exemplare herstellt. Wo da noch die Kunst ist, bekomme ich nicht mit.
Wir hatten über Weihnachten zwar keinen Schnee in Millemerveilles, aber dafür hat es wie aus hundert großen Kesseln und Fässern geregnet. Immerhin war es eine schöne Weihnachtsfeier. Maman läßt dich übrigens schön grüßen und hofft, daß du dich weiterhin so gut hältst. Madame Lumière war auch bei uns. Sie hat uns erzählt, daß du Barbara einen neuen Tanz gezeigt hast, bei dem der größere Partner den kleineren Partner über dem Kopf schwingen muß. Ich hoffe, daß du mir den auch mal beibringst.
Papa hat es geschafft, ein magisches Vergrößerungsglas zu bauen, mit dem man alles um den tausendfachen Wert größer sehen kann, als es ist. Ist schon gruselig, wenn man kleine Tiere oder Pflanzen in einem Wassertropfen sehen kann. Ich habe mal ein Haar von mir daruntergelegt. Sah richtig unnatürlich aus, wie ein übergroßer Tannenzapfen mit schwarzbraunen Schuppen. Papa meint, daß die Heilmagier sowas brauchen. Nun ja, ich möchte nicht immer wissen, was so alles im Wasser herumschwimmt.
Nun sind wir wieder in Beauxbatons und haben viel um die Ohren. Professor Faucon hat uns alle angehalten, möglichst keine Fehler in den Hausaufgaben zu machen. Die Saalsprecher und -sprecherinnen in unseren Häusern hängen uns jüngeren immer auf der Pelle, um zu sehen, daß wir alles richtig machen. Gut daß Barbara gerade bei euch ist. Aber in Verwandlung habe ich auf jeden Fall eine überragende Note bekommen, weil ich eine dreifachgestaffelte Vivo-ad-Invivo-Verwandlung hinbekommen habe, ohne zu versagen. Ich gehe davon aus, daß ihr das demnächst auch lernt.
Schreib mir ruhig wieder!
Claire
Julius faltete den Brief schnell zusammen, bevor Jeanne, die rechts neben Gloria saß, sich herüberbeugte.
"Claire fragt mich, wieso Barbara diesen Muggeltanz von dir gelernt hat und nicht ich. Wie hieß der noch mal?"
"Rock'n Roll", erwiderte Julius sofort.
Er nahm den Brief der übereiligen Waldohreule und öffnete ihn vorsichtig. Eine zarte Duftwolke von frischen Kräutern und Jasmin entströmte dem Inneren des Umschlags. Julius stutzte. Sowas kannte er, so wollten es Malcolm und Lester von ihren älteren Geschwistern gehört haben, nur von Liebesbriefen von Frauen und Mädchen an ihre Angebeteten. Doch der Parfümduft verflog keine fünf Sekunden nach Öffnen des Briefumschlags. Er zog vorsichtig zwei Briefbögen hervor. Der eine Bogen war eine Zaubererfotografie, die eine Hexe Mitte fünfzig mit rotbraunen, schulterlangen Haaren zeigte, die mit graublauen Augen aus einem energischen, wenngleich freundlichen Gesicht Julius ansah und mit dem Kopf nickte. Sie trug einen fließenden Umhang aus violettem Stoff. Im Hintergrund war ein geräumiges Wohnzimmer mit einem brennenden Kaminfeuer zu sehen.
Julius drehte das Foto um und las:
"Damit Sie nicht mit einer unsichtbaren Person Kontakt halten."
Julius zog den zweiten Bogen aus dem Umschlag und las:
Sehr geehrter Mr. Andrews,
ich möchte mich heute bei Ihnen vorstellen, nachdem Sie von meiner Abteilung des Zaubereiministeriums Bescheid erhielten, daß sich ab dem ersten Januar jemand behördlicherseits mit Ihrer Ausbildung und Eingliederung in die Welt der Zauberer und Hexen befassen möchte.
Mein Name ist June Priestley, und ich wurde dazu ausersehen, Ihre Interessen im Bezug auf eine ungestörte Ausbildung zu wahren. Damit Sie nicht dem Glauben verfallen, das Ministerium habe eine unnahbare Bürokratin als Vormund oder Fürsorgerin bestimmt, möchte ich Ihnen eine kurze Beschreibung von mir übermitteln.
Mein Name ist, wie bereits erwähnt, June Priestley. Ich arbeite im Zaubereiministerium in der Abteilung für Ausbildung und magische Studien, insbesondere auch als Sachverständige im Umgang mit dem Wissensschatz der nichtmagischen Zivilisation. Ich bin aprobierte Alchemistin und Zaubertrankbrauerin. In dieser Eigenschaft habe ich nach meiner Zaubereiausbildung in Hogwarts zahlreiche Arbeiten zum Wissensstand nichtmagischer Arzneikundler sowie Medimagier verfaßt.
Im Moment betreue ich im Ministerium eine Gruppe angehender Materialkundler, die neue Eigenschaften der bekannten Elemente und ihre Wirkung in der Magie erforschen. Doch ich werde mir die Zeit und die Geduld nehmen, die notwendig ist, mit Ihnen und Ihren Eltern und Lehrern einvernehmlich zusammenzuarbeiten.
Das beiliegende Foto mag Sie in die Grundstimmung versetzt haben, ich hätte keine Erfahrung im Umgang mit Kindern Ihres alters. Dem ist nicht so. Ich kann Ihnen versichern, daß ich in der Lage bin, jedes aufkommende Problem zu erkennen, dem Sie in Ihrem Wachstum begegnen können, da ich selbst drei Kinder erfolgreich großgezogen habe, einen Sohn und zwei Töchter. Alle drei sind gute Hexen und Zauberer geworden.
Zu unserer anstehenden Zusammenarbeit:
Ich bitte Sie, sich zu Beginn der Osterferien in Ihr Elternhaus zu begeben und dort auf mich zu warten. Ich möchte Sie und Ihre Eltern gerne zusammen zu einem Gespräch bitten, dessen Ergebnis den Fortgang meiner Aufgabe betrifft. Zu meinen Aufgaben als solches gehört es:
1. Ich habe sicherzustellen, daß Ihre Zaubereiausbildung nicht noch mal nachhaltig behindert wird. 2. Ich möge Sorge dafür tragen, daß Sie auch zu den Ferienzeiten keine Probleme erhalten, sich mit Ihren Schulfreunden zu treffen, falls nötig in der Winkelgasse oder bei mir. 3. Darüber zu wachen, daß Sie Ihre talentierten Zauberkräfte im vollen Umfang entwickeln.
Falls Sie nun fragen, warum dies alles sein muß, so kann ich Ihnen als Begründung anführen, daß im Ministerium nicht viele Jungzauberer mit Ruster-Simonowsky-Konjunktion registriert sind und daher jeder Jungzauberer oder jede Junghexe, die ein derart hohes Grundpotential mitbekommen hat, ordentlich ausgebildet wird. Dies mag für Sie kein Anlaß zu Arroganz oder Stolz sein. Denn für das Talent als solches können Sie nichts. Es ist eher eine von der Natur gestellte Aufgabe, daß Sie mit den Kräften, die Ihnen mitgegeben wurden, konstruktiv, auch und vor allem in Ihrem Sinne umzugehen lernen. Deshalb mußte das Ministerium auf die wiederholten Störmanöver Ihrer nichtmagischen Eltern reagieren, auch und gesondert im Rahmen des Ausbildungsgesetzes, daß, wie ich von Ihrem Hauslehrer erfahren durfte, bereits von Ihnen nachgelesen wurde.
Ich freue mich schon auf unser erstes direktes Zusammentreffen.
Senden Sie mir meine Eule, wenn Sie irgendwelche Rückfragen haben. Sie wird einen vollenTag in der Eulerei von Hogwarts bleiben, bevor sie zu mir zurückkehrt.
Mit freundlichen Grüßen
June Priestley
Julius faltete den Brief wieder zusammen.
Offenbar wollte man ihn nicht gleich von seinen Eltern wegholen. Denn sonst hätte man ihn ja während der Osterferien in Hogwarts gelassen oder gleich zu dieser June Priestley fahren lassen. Julius überprüfte die Adresse noch mal:
June Priestley Krötensteig 144 Cambridge England
Julius steckte den Brief noch einmal fort. Er wollte ihn später noch mal genauer lesen. Doch er wollte sich nicht von Snapes Unterricht ablenken lassen.
Snape fand an diesem Montag ein Opfer in Leon Turner, den Hufflepuff-Zweitklässler, der am Tisch hinter Kevin und Gilda mit einem seiner Hauskameraden zusammenarbeitete. Leon schaffte es, den Blickschärfungstrank, den sie an diesem Tage brauen sollten, durch Zugabe eines falschen Krautes in eine grünen Dampf verströmende Brühe zu verwandeln. Als er und seine unmittelbaren Sitznachbarn den aufwallenden Dampf einatmeten, begannen Leon und seine Sitznachbarn unvermittelt kreischende Vogellaute auszustoßen. Julius sah Gloria an, dann die Hollingsworths.
"Verfluchter Idiot!" Bellte Snape quer durch den Kerker, als noch mehr Schüler von den Schwaden des verhexten Brodems geatmet hatten. Der Zaubertranklehrer fuchtelte mit seinem Zauberstab herum und ließ einen scharfen Wasserstrahl daraus hervorsprudeln, der den wabernden Dampf niederschlug. Doch wo die grünen Tropfen auf Holz trafen, lösten sie eine Verformung des Holzes aus. Knarrend und knirschend verbogen sich die Tische oder Bänke. Julius bedeutete den ängstlich umherblickenden Hollingsworths, sich hinzulegen. Gloria tauchte Julius unter den Tisch nach, während Snape den Wasserstrahl aus seinem Zauberstab durch den aufquellenden Nebel fahren ließ, ohne jedoch den Kessel mit dem Gebräu zu treffen.
Erst als der grüne Dampf zum größten Teil niedergeschlagen war, holte Snape das verunglückte Elixier von der Feuerstelle, indem er den Kessel mit dem Aufrufezauber zu sich fliegen ließ und diesen sogleich mit einem Gefrierzauber abkühlte, so daß keine weiteren grünen Schwaden entstiegen.
"Fünfzig Punkte Abzug für Hufflepuff wegen mutwilliger Gefährdung von Schülern und Lehrer!" Polterte Snape, und Julius vermeinte eine gewisse Genugtuung in der Stimme des Zaubertranklehrers zu hören. Leon Turner protestierte nicht. Er stieß immer noch hohe Vogelschreilaute aus und wedelte mit seinen Armen, als seien es Flügel. Julius nahm wahr, wie Kevin und Gilda ebenfalls mit den Armen flatterten und schrille Laute ausstießen. Dann sah er mit steigendem Unbehagen, wie braune Federn aus Gesicht und Händen der betroffenen Schüler sprossen.
"Alle in den Krankenflügel!" Befahl Snape den Betroffenen. Diese hörten nicht auf, zu schreien und mit den Armen zu flattern. Doch sie gehorchten Snapes Anweisung und verließen den Kerker. Julius konnte noch sehen, wie an Stelle der Kopfhaare braune Federn aus den Hinterköpfen der Betroffenen wuchsen.
Snape dirigierte die gesamten Schüler aus dem Kerker, nachdem er mit einer wütenden Bewegung seines Zauberstabes sämtliche Feuer unter den brodelnden Kesseln gelöscht hatte.
Im Geschwindschritt ging es zu Madame Pomfrey. Julius lief neben Gloria und wagte, kein Wort zu sprechen. Snape lief direkt hinter ihm und knurrte:
"Dieser Stümper wird nie wieder einen Trank brauen."
Dann trat ein lauernder Ausdruck in Snapes Augen, deren Blick Julius Andrews erfaßte.
"Was glauben Sie, Andrews, hat Turner wohl verbockt?"
"Daß er eine Prise Habichtskraut nach den Fliegenaugen in den Kessel gegeben hat, Professor Snape", erwiderte Julius nach einer kurzen Pause.
"Aber beides gehört doch in den Trank, Andrews. Wieso meinen Sie, daß es daran gelegen hat?" Bohrte Snape nach.
"Ja, aber erst, wenn das Gebräu fünf Minuten gezogen hat darf das Habichtskraut beigegeben werden. Jede Minute früher führt zu einer ungewünschten Reaktion, je früher desto heftiger", sagte Julius ruhig.
Snape konnte dazu nichts anderes sagen als: "Glück für Sie, daß Sie das wußten."
Madame Pomfrey besah sich die unmittelbar betroffenen Schüler, ließ die nicht betroffenen Schüler in kleine Glasröhrchen spucken und untersuchte den Speichel mit einer blaßblauen Flüssigkeit, die in Abstufungen von Blaßblau nach dunkelblau umschlug, je näher die betreffenden Schüler dem vermurksten Trank gesessen hatten. Julius stellte erleichtert fest, daß sein Speichel keinen Farbumschlag bewirkte, ebenso wenig wie der von Gloria, Pina und den Hollingsworths.
Die vollbetroffenen Schüler hatten hingegen nicht aufgehört, sich zu verwandeln. Sie schrumpften langsam ein, bekamen ein immer dichteres Gefieder, und ihre Nasenlöcher verwuchsen mit den Kiefern zu einem langsam wachsenden roten Schnabel. Angst und Verzauberung ließen sie herumspringen und mit den immer mehr Vogelflügeln gleichenden Armen flattern.
"Die Kinder, bei denen die Testflüssigkeit hell blieb, dürfen wieder gehen. Diejenigen, bei denen sie eine Verfärbung gezeigt hat, bekommen einen Gegentrank, den ich erst noch brauen muß. Solange bleiben sie hier. Die Schüler, bei denen die progressive Verwandlung bereits im Gang ist, müssen ebenfalls hierbleiben, bis ich den Trank fertiggestellt habe!" Ordnete Madame Pomfrey an. Snape schnaubte verärgert. Julius wagte es, zu fragen, wielange es dauern würde, den Gegentrank zu brauen.
"Vier Stunden, junger Sir", erwiderte Madame Pomfrey leicht gereizt aber nicht verärgert klingend.
"Die nicht von den Dampfschwaden betroffenen Schüler wieder in den Klassenraum, Kessel ausspülen!" Kommandierte Snape die Handvoll Schüler, die nicht im Krankenflügel zu bleiben hatten. Julius folgte dem Vorsteher des Hauses Slytherin in respektvollem Abstand.
Mit nur noch fünf von zwanzig Schülern beendete Snape die Zaubertrankstunde und verteilte die neuen Hausaufgaben: "Schreiben Sie mir bis zur nächsten Stunde einen Aufsatz über die möglichen Pannen sinnesverstärkender Zaubertränke! Mindestens drei Rollen Pergament, und keine Fülltexte!"
Betty und Jenna, die als einzige Hufflepuffs nicht von dem verunglückten Trank Leon Turners betroffen worden waren, flüsterten Julius beim Verlassen der unteren Bereiche des Schlosses zu:
"Jetzt müssen wir alleine zu MCGonagall und Flitwick. Das wird bestimmt nicht einfach."
"Wir haben jetzt Binns und am Nachmittag McGonagall. Vielleicht läßt sich daraus was gutes machen", erwiderte Julius. Dann sagte er:
"Madame Pomfrey hat was von progressiven Verwandlungen gesagt. Da gibt es ein Buch zu in der Bibliothek. "Permutationspannen und Abmischungsfehler bei Zaubertränken" von Professor Nirvana Purplecloud",
"Was heißt denn das eigentlich, progressive Verwandlung?" Fragte Jenna Hollingsworth.
"Das eine nicht voll gewirkte Verwandlungszauberei langsam abläuft, fortschreitend, bis ein Endstadium erreicht oder ein Gegenzauber gewirkt wurde", belehrte Julius die Klassenkameradin. Diese bedankte sich.
"Snape hat dich mal wieder dabeikriegen wollen, wie?" Fragte Gloria.
"Es wäre ihm auch fast gelungen, wenn ich die Einfüllzeiten nicht so heftig auswendig gelernt hätte. Ich dachte ja, daß dieser Trank erst in der Jahresendprüfung drankommt", erwiderte Julius.
"Ist aber schon heftig, daß Hufflepuff deswegen gleich fünfzig Punkte verliert", warf Pina ein. "Das können die beiden Mädchen doch nicht an einem Tag wieder hereinholen."
"Müssen sie ja auch nicht alleine", sagte Gloria. "Es ist nur dumm, wenn ihnen ausgerechnet diese Punkte am Jahresende fehlen, um einen guten Platz im Häuserwettbewerb zu kriegen."
Gloria, Pina und Julius nutzten die Gelegenheit, alleine bei Binns im Klassenzimmer zu sein, um über vergangene Unterrichtsstunden zu sprechen. Der Geist, der Zaubereigeschichte gab, war zwar nicht davon begeistert, von seinem üblichen Unterrichtstrott abrücken zu müssen, sah es aber ein, daß man mit nur drei Schülern keinen fortlaufenden Unterricht führen konnte und diskutierte mit den drei Ravenclaw-Zweitklässlern Abschnitte der letzten Wochen. Julius fuhr dabei zwanzig Punkte ein, weil er anschaulich und ohne überflüssige Ausschmückungen die Druidenzusammenkunft von 150 vor Christi in ihrer Auswirkung auf spätere Zaubererkonferenzen beschreiben konnte. Außerdem debattierten Gloria und Julius mit Professor Binns über die gesetzlichen Auswirkungen des Koboldaufstandes von 1612, während dem es zu einer grundlegenden Veränderung des zauberischen Bankwesens kam. Auch hier bekam Julius Punkte für Ravenclaw, fünf an der Zahl, ebensoviele wie Gloria.
"So könnte der Unterricht immer ablaufen", kommentierte Julius nach der Geschichtsstunde, als die drei verbliebenen Ravenclaw-Zweitklässler zur großen Halle unterwegs waren.
"Ja, Binns könnte uns am Ende einer Stunde aufgeben, ein Thema für die nächste Stunde vorzubereiten. Dann wäre der Unterricht wesentlich interessanter", Pflichtete Pina Julius bei.
Am Ravenclaw-Tisch wunderten sich alle, wo denn die übrigen Zweitklässler abgeblieben waren. Julius deutete auf den Hufflepuff-Tisch, wo von den Zweitklässlern nur die Hollingsworth-Schwestern am Tisch saßen. Gloria berichtete kurz, was in Snapes Stunde passiert war. Alle am Tisch sitzenden Schüler und Gastschüler machten betretene Gesichter.
"Die seht ihr vor morgen Früh nicht wieder", sagte Jeanne Dusoleil leise.
"Wieso, Jeanne? Madame Pomfrey hat gesagt, daß sie nur vier Stunden für den Trank braucht."
"Das ist richtig, aber in der Zeit 'aben sich die vollständig betroffenen in das vom Trank bewirkte Endstadium verwandelt und die anderen schrittweise darauf zu verändert. Wenn es der Blickschärfungstrank war, wird es schwer sein, die Betroffenen einzufangen, um ihnen den Trank zu verabreichen, wenn sie anfangen, 'erumzufliegen."
"Du sagst das so, als hättest du das schon erlebt, Jeanne", bemerkte Gloria leise.
"Direkt nicht. Aber ich 'abe davon ge'ört, daß bei uns eine ganze Klasse durch einen derartigen Unfall einen Tag ausgefallen ist", erwiderte Jeanne.
"Heftig!" Sagte Julius und war innerlich froh, Zaubertränke so gut vorzubereiten, daß ihm soetwas nicht so leicht unterlaufen konnte.
Am Nachmittag standen Gloria, Pina und Julius alleine vor dem Verwandlungsraum. Als Professor McGonagall in ihrem smaaragdgrünen Umhang erschien, um die Tür aufzuschließen, sah sie kurz auf den kümmerlichen Rest der zweiten Klasse aus Ravenclaw. Dann öffnete sie wortlos die Tür und winkte den dreien zu, sie sollten eintreten.
"Da ich von Professor Snape erfahren habe, was sich heute morgen in seiner Stunde zutrug, weiß ich natürlich, wieso Sie nun nur zu dritt erschienen sind. Da ich weiß, daß es keinen großen Sinn macht, mit dem Unterricht fortzufahren, wenn über die Hälfte der Klasse fehlt, nutzen wir die heutige Doppelstunde zu einer gründlichen Erörterung der Hausaufgaben von letzter Woche. Wenn ich richtig gelesen habe, gingen Sie, Ms. Watermelon auf die Frage ein, ob es eine Tötungshandlung ist, wenn lebende Wesen in tote Objekte verwandelt werden. Ist das richtig?"
"Natürlich. Ich gehe davon aus, daß alle Lebewesen, die in tote Objekte verwandelt werden, sterben, weil tote Körper keine Sinnesorgane mehr haben oder atmen können", begründete Pina ihre Aussage in der Hausaufgabe der letzten Woche.
"Sie wissen doch, daß man tote Objekte mühelos in lebende Wesen zurückverwandeln kann", warf die Hexe mit den viereckigen Brillengläsern ein. Pina sah Gloria und danach Julius an. Julius zwang sich, nicht darauf einzugehen, daß er Pina bestätigen konnte, daß Lebewesen tatsächlich nicht starben, wenn jemand sie in tote Objekte verwandelte. Das hatte er in einem Anfall von Tollkühnheit am eigenen Leibe erfahren dürfen, als er sich in Madame Faucons Haus auf einen Versuch an ihm persönlich eingelassen hatte und für zehn Minuten ein großer Weidenkorb war.
"Und wenn man tote Dinge in lebende Wesen verwandelt, können die doch genauso leben wie natürliche Lebewesen", bemerkte Gloria. "Der Hund, den Cedric in der ersten Aufgabe aus einem Felsblock gezaubert hat, lief doch herum und hat seine Anweisungen ausgeführt."
"Ja, weil er keinen eigenen Willen hatte, Gloria", warf Pina ein.Professor McGonagall räusperte sich und stellte klar, daß sie bestimmte, wer gerade sprechen sollte. Dann fragte sie:
"Ist es dann Mord, wenn ein Zauberer einen Mitmenschen in einen toten Gegenstand verwandelt, Mr. Andrews?"
"Nicht im Sinne der Gesetze zur Ahndung magischer Kapitalverbrechen. Aber im Gesetzestext über den Mißbrauch der Magie heißt es wörtlich:
"Wenn ein Angehöriger der Zaubererwelt an einem anderen Angehörigen der Zaubererwelt eine Verwandlung durchführt, die den Betroffenen in eine tote Daseinsform überführt, darf der so bezauberte Mitmensch nicht länger als einen vollen Tag in der toten Daseinsform verbleiben oder in dieser Zeit aus dem Aufsichtsbereich des Zaubernden entfernt werden. Verstreicht die Tagesfrist, ohne das eine Rückverwandlung vorgenommen wurde, wird dem Verwandler gemäß Abschnitt zum Mißbrauch der Magie ein Umkehrbefehl zugestellt, der mit einer Strafsumme zwischen 15 und 60 Galleonen verbunden ist. Kommt der Verwandler dem Umkehrungsbefehl nicht nach oder schafft den zur toten Daseinsform verwandelten Mitmenschen aus seinem Aufsichtsbereich, wird er wegen Freiheitsberaubung angeklagt. Wird der derartig verzauberte Mitmensch gar in der toten Daseinsform beschädigt oder zerstört, ist der Straftatbestand der schweren Körperverletzung oder des Mordes erfüllt. Vollzieht ein Angehöriger der Zaubererwelt eine Vivo-ad-Invivo-Verwandlung an einen nichtmagischen Menschen, ist der entsprechende Zauberkundige sofort in Gewahrsam zu nehmen, sobald seine Tat bekannt wird."
Bei Verwandlungen in andere Lebewesen gilt ähnliches. Hinzu kommt noch, daß durch die Verwandlung das persönlichkeitsrecht des Verwandelten nicht verfällt. Das heißt, ein verhexter Mensch wird nicht zur Sache, nur weil er oder sie in einen toten Gegenstand verwandelt wurde."
"Gut zitiert, Mr. Andrews. Aber an und für sich haben Sie sich um eine persönliche Antwort herumgemogelt. Die Frage lautete, ob es Ihrer Meinung nach Mord ist, wenn eine Vivo-ad-Invivo-Verwandlung an einem Mitmenschen vorgenommen wird", tadelte Professor McGonagall den einzigen im Moment am Unterricht teilnehmenden Jungen der zweiten Klasse. Julius wußte genau, was diese Hexe hören wollte, daß er ja wußte, daß es kein Mord sein konnte. Doch dann fiel ihm noch etwas ein:
"Da eine Rückverwandlung immer möglich ist, sofern jemand weiß, was der tote Gegenstand vorher war, ist es kein Mord. Es ist nur die Frage, ob in tote Objekte verwandelte Menschen noch was von dem mitbekommen, was um sie herum passiert. Dazu habe ich ja in der Ferienaufgabe eine Meinung geäußert, daß nämlich nur ein gewagter Selbstversuch sowas zeigen kann."
"Richtig, dazu haben Sie sich ausgelassen, Mr. Andrews", bestätigte die Verwandlungslehrerin.
"Wer ist denn so idiotisch, sich auf ein derartiges Experiment einzulassen?" Fragte Pina voller Unbehagen.
"Das hat mit Idiotie nichts zu tun, sondern mit Vertrauen oder Mißtrauen", warf Professor McGonagall ein. Dabei sah sie flüchtig auf Julius Andrews, der sich zwang, keine Regung zu zeigen. Gloria sah den Klassenkameraden an und zwar so, daß Julius eine bohrende Frage in ihrem Gesicht lesen konnte: "Hat sie dich dazu getrieben, sowas auszuprobieren?"
"Das ist ja gerade das vertrackte an der Magie. Du hast zuviel Macht oder bekommst es mit Leuten zu tun, die viel Macht haben. Da ist es nicht so leicht, immer nach Vertrauen zu urteilen, weil eben jeder in eine Versuchung geführt werden kann, seine Macht gegen dich zu mißbrauchen", sagte Julius. Dann fragte er keck:
"Was ist mit Leuten, die sich selbst in tote Gegenstände verwandeln?"
"Das ist Stoff höherer Klassen. Aber da wir heute eine Ausnahmestunde haben, gehe ich gerne darauf ein. Wenn Zauberer oder Hexen sich selbst in tote Objekte verwandeln, behalten sie die volle Bewegungs- und Wahrnehmungsfähigkeiten bei. Ich demonstriere Ihnen das kurz."
Professor McGonagall zog ihren Zauberstab hervor und führte ihn so, daß seine Spitze mehrmals auf sie selbst deutete. Dabei flüsterte sie leise einige Zauberworte, die jedoch niemand verstehen konnte, so schnell sprach sie. Unvermittelt zerfloß die Gestalt der Lehrerin in einer Wolke schillernder Lichter und Nebelschwaden, die sich unvermittelt wieder zusammenzogen und zu einem hohen Holzstuhl verdichteten. Gloria und Pina starrten entgeistert auf das Produkt der Selbstverwandlung. Julius traute sich und trat vor, um zu prüfen, wie vollkommen die Verwandlung war. Keck beklopfte er die Lehne, die Sitzfläche und die Stuhlbeine. Alles war aus echtem Holz. Julius betrachtete den reich verzierten Stuhl und stellte fest, das am vorderen Rand der Sitzfläche zwei quadratische Verzierungen vorhanden waren. Als Julius sie mit den Fingern berühren wolte, schwang eines der vorderen Stuhlbeine nach oben und schlug seine Hand aus dem Weg. Dann marschierte das verhexte Möbelstück klappernd durch das Klassenzimmer, blieb an der Tür stehen und verharrte. Keine dreißig Sekunden später löste sich der Stuhl wieder in den wirbelnden Farbennebel auf, der sich sofort wieder verdichtete und die Gestalt der Verwandlungslehrerin zurückkehren ließ. Diese deutete auf Julius und fragte:
"Haben Sie keinen Respekt vor fortgeschrittenen Hexen und Zauberern, Mr. Andrews?"
"Hängt davon ab, was sie mir beizubringen wünschen", erwiderte Julius.
"Sie haben festgestellt, daß ich durchaus in dieser Form die vollkommene Bewegungsfreiheit behalten habe. Dieser Zauber ist sehr Kompliziert, zumal Sie sicherstellen müssen, daß sie genug Magie für eine Rückverwandlung ansammeln können. Gelingt das nicht, kann nur ein Reversomutatus-Zauber die Verwandlung wieder aufheben."
Danach verwandelte sich die Hexe mit den quadratischen Brillengläsern noch in eine getigerte Katze, die gewandt zum Lehrerpult hinübersprang, wo sie sich wieder in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelte. Beifall kam von den drei Zweitklässlern.
"Wer kann mir sagen, wie man Hexen und Zauberer nennt, die ohne Zuhilfenahme des Zauberstabes eine solche Verwandlung vollführen können?" Fragte Professor McGonagall. Alle drei hoben ihre Hände. Sie sah Pina an.
"Animagus wird so ein Zauberer oder so eine Hexe genannt. Aber diese Leute müssen sich registrieren lassen. Wie genau das im Gesetz steht, weiß ich nicht."
"Gut. Fünf Punkte für Ravenclaw", bemerkte Professor McGonagall. Dann fragte sie Julius:
"Wissen Sie vielleicht, welche Gesetze für Animagi gelten, Mr. Andrews?"
"Nein, weiß ich nicht, weil ich nur die Gesetze gelesen habe, die sich mit Zauberern und Muggeln befassen. Ich weiß jedoch, daß es sieben registrierte Animagi in England gibt und jeder unangemeldete Animagus bei Entdeckung bestraft werden kann."
"Sehr richtig", erwiderte die Verwandlungslehrerin. Dann kam sie zur ersten Frage zurück, ob nun klar sei, daß verwandelte Lebewesen nicht sofort tot seien. Alle stimmten ihr zu, und Julius war erleichtert, nicht auf sein Experiment in Millemerveilles eingehen zu müssen.
Anschließend führten die drei Zweitklässler Verwandlungsübungen durch. Julius verwandelte zehn Käfer in Mäuse, diese dann in Zigarrenkisten, um sie dann wieder in Käfer zu verwandeln. Die beiden Mädchen dagegen übten Verwandlung von leeren Pappschachteln in Schmetterlinge.
Pina lernte mit Genehmigung von Professor McGonagall die Zauberstabbewegungen von Julius, die dieser von Professor Faucon gelernt hatte.
"Es gibt Verwandlungslehrer, die auf diese Technik setzen. Dabei muß jedoch bedacht werden, Zauberstabbewegungen mit den Silben der entsprechenden Zauberformeln zu kombinieren. Ein Grundsatz meiner Fachkollegin in Beauxbatons, Die zwei von Ihnen diesen Sommer kennenlernen durften, besagt, daß Zauberer und Hexen, die ein musikalisches Talent oder ein hohes Maß an Körper-Geist-Koordination besitzen, mit der von ihr gelehrten Technik alle Verwandlungen fast ohne ausgesprochene Zauberformeln vollbringen. Meine Auffassung geht dahin, daß die urtümlichen Bewegungen, die ich Ihnen zu Beginn des ersten Schuljahres zeigte, zwar nicht sofort zu einem Ergebnis führen müssen, doch dafür eine hohe Fehlertoleranz besitzen, während die von Professeur Faucon gelehrte Bewegungstechnik punktgenau angewendet werden muß. Wahrscheinlich ging Sie bei Ihnen davon aus, daß Sie durch Ihr hohes Grundpotential mehr Kontrolle über die freiwerdende Zauberkraft haben, Mr. Andrews. Immerhin, so durfte ich feststellen, hat sie damit recht behalten. Allerdings, so habe ich von Professor Flitwick erfahren, betrieben Sie in ihrer frühen Kindheit Sportarten, die zur Selbstverteidigung dienen. Außerdem habe ich mich beim Weihnachtsball mit eigenen Augen davon überzeugen können, daß Ihre Körperkoordination exzellent entwickelt ist."
"Sie haben mir zugesehen?" Wunderte sich Julius.
"Natürlich habe ich das. Immerhin waren Sie drei, wie sie hier vor mir sitzen, drei von nur fünf Zweitklässlern, die eine Einladung zum Ball bekommen haben. Das mußte ich natürlich beobachten."
Die letzten zehn Minuten der Stunde besprachen die drei Zweitklässler den Vorfall vom Morgen. Pina wollte wissen, weshalb man zur Umkehr einer progressiven Verwandlung einen Zaubertrank brauchte.
"Kann einer von Ihnen beiden Ihrer Klassenkameradin diese Frage beantworten?" Reichte Professor McGonagall die Frage weiter. Julius hob schüchtern die Hand, während Gloria ein verlegenes Gesicht machte.
"Wir hören, Mr. Andrews", erteilte die Verwandlungslehrerin dem Jungen das Wort.
"Wie ging das noch mal? Magie durch direkte Anwendung kann nur durch entsprechende Magie umgekehrt oder aufgehoben werden. Das heißt, wenn jemand einen Zauberfluch ausspricht, kann der nur durch einen Gegenfluch oder einen Heilzauber mit dem Zauberstab behoben werden. Wer einen Zaubertrank einnimmt oder davon ausströmende Dämpfe atmet, kann nur durch einen diesem Trank entgegenwirkenden Trank geheilt oder vom Zauber des Trankes befreit werden. Das steht so in "Magische Energieformen" und "Wirkungsarten von Zaubertränken und Elixieren". Zwar gibt es für fast jeden direkt gewirkten Zauber einen entsprechenden Heil- oder Schutztrank und auch umgekehrt für jeden verpatzten oder unfreiwillig geschluckten Zaubertrank einen direkten, also mit dem Zauberstab aufrufbaren Gegenzauber, jedoch ist eben wegen der unterschiedlichen Magiequellen eine sehr geringe Fehlertoleranz vorhanden, beinahe null. Wenn du bei einem Trank gegen einen Fluch einen Tropfen zu wenig dosierst, wirkt er entweder gar nicht, was in diesem Fall der günstigste Fall ist, oder führt zu schlimmeren Verheerungen."
"Ausgezeichnet! Diese Frage hätte Ihnen auch Professor Snape stellen können. Zehn Punkte für Ravenclaw", Belohnte Professor McGonagall die Aussage von Julius Andrews.
Am Schluß verteilte sie noch Hausaufgaben:
"Lesen Sie nach, welche Gesetze die Existenz der Animagi regeln und schreiben Sie eine kurze Zusammenfassung darüber, welche Risiken bei Selbstverwandlungen vorhanden sind. Hierzu können Sie sich "Verwandlung für Fortgeschrittene" von Emerik Wendel in der Bibliothek ausleihen oder andere anerkannte Lehrbücher zu Rate ziehen. Ich hoffe, Ihre Klassenkameraden erholen sich von dem Zaubertrankunfall. Mit drei Schülern läßt es sich zwar intensiv arbeiten, aber davon haben die anderen nichts."
Julius brachte seine Schulsachen in den Schlafsaal der Ravenclaws. Dort schrieb er noch einen Brief an Aurora Dawn.
Hallo, Aurora!
Ich schreibe dir, weil nun eingetreten ist, was ich schon lange befürchtet habe.
Meine Eltern wollen nicht mit dem Zaubereiministerium zusammenarbeiten. Deshalb haben sie eine Hexe namens June Priestley abgestellt, meine Ausbildung zu überwachen. Ich weiß nicht, ob mir das gefallen soll. Ich werde mich noch mal kundig lesen, was genau sie im Zaubereiministerium tut. Ich fürchte nur, daß meinem Vater das überhaupt nicht paßt, daß sie ihm auf die Finger schaut.
Ich soll mich in den Osterferien mit ihr treffen, mit meinen Eltern.
Heute morgen gab es in Snapes Stunde einen Unfall. Wir sollten einen Blickschärfungstrank brauen. Einem Mitschüler fiel zu früh eine Zutat in den Kessel, worauf ein grüner Nebel aufkam, der die, die ihn eingeatmet haben, langsam in irgendwelche braunen Vögel verwandelte. Madame Pomfrey muß die betroffenen Schüler mit einem Gegentrank behandeln. So waren wir Ravenclaws nur zu dritt im Nachmittagsunterricht. Ich frage mich, wieso Snape das nicht verhindern konnte.
Ich hoffe, dir geht es gut!
Mit freundlichen Grüßen
Julius Andrews
Julius faltete die Briefe ordentlich zusammen und steckte sie in hellgrüne Pergamentumschläge. Dann begab er sich zur Eulerei und schickte die Briefe mit zwei Waldkäuzen auf die Reise, wovon der, welcher den Brief für Aurora Dawn beförderte, eine Geldmenge für die Postzustellung per Express von Hogsmeade aus mitbekam. Danach zog er sich in die Bibliothek zurück, wo er in einem Werk namens "Zeitgenössische Alchemisten" nach June Priestley suchte und sie tatsächlich erwähnt fand:
"Dr. June Priestley, geboren 1942, wies bereits im frühen Kindesalter ein erstaunliches Gedächtnis für Rezepte und Formeln auf. Mit sechs Jahren ging sie ihrer Mutter Florence Greenwich bei der Pflege magischer Pflanzen zur Hand und wartete bei Beginn ihrer Schulzeit in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, mit einem hohen Grundwissen über Zauberkräuter und Zaubertränke auf und wurde drei Jahre hintereinander Klassenbeste dieser beiden Fächer. Sie bewohnte in Hogwarts das Schulhaus Ravenclaw, wo sie neben ihren Hauptinteressen, zu denen später noch Arithmantik und Studium der nichtmagischen Welt kamen, eigene Projekte zur Entwicklung neuer alchemistischer Verfahrensweisen betrieb. Sie Wurde Vertrauensschülerin, erwarb 14 ZAGs und avancierte in der sechsten Klasse zur Schulsprecherin. Mit dem besten UTZ-Abschluß ihres Jahrgangs beendete sie 1959 ihre Schulausbildung und begann ein intensives Studium der Wechselwirkung von lebender und toter Materie mit Magie in verschiedener Ausprägung und erhielt in der Facultas Oculta der Universität von Cambridge, an der ministeriell überwachte Zauberstudien betrieben werden, den Doktorgrad Dr. Alchem., so wie den Titel Großmeisterin der Zaubertrankbraukunst. Der Titel ihrer Doktorarbeit Lautet "Magische Variationen in kristallinen Stoffen bei verschiedenen Umwelteinflüssen im Verlauf eines Tages". Zusammen mit dem Spezialstudium und der Doktorarbeit brachte June Priestley 12 Jahre an der Zaubererfakultät der Universität von Cambridge zu, danach arbeitete sie in der freien Forschung.
1979 erschien ein Werk über die Forschungsmethoden der nichtmagischen Wissenschaftler in Bezug zur magischen Forschung, wo sie mit der revolutionären Idee aufwartete, daß es den Angehörigen der nichtmagischen Menschheit eines Tages gelingen könnte, die Alchemie und Cryptopharmakologie, mit "ihrer eingeschränkgten, auf zahlenmäßig dargestellten Logik" zu erfassen. Einige Fachkollegen unterstellten ihr darauf einen ausgeprägten Utopismus und wiesen ihre Darlegungen als "wissenschaftliche Dichtung" zurück. Vier Jahre brachte June Priestley noch in der freien Forschung zu, wobei ihr jedoch seitens der Fachkollegen mehr und mehr Ignoranz entgegengebracht wurde. 1983 nahm sie ein Amt im Zaubereiministerium, in der Abteilung für magische Ausbildung und Studien an. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit beruht in der Überwachung der Zaubereiausbildung von Kindern aus nichtmagischen Familien und der kulturellen Umstellung von einer mechanischen Welt auf eine magische Zivilisation, wobei ihr Kenntnisse aus den Wissenschaften der nichtmagischen Menschheit von Nutzen sind."
Es folgte eine Liste mit sämtlichen Büchern und Artikeln, die von June Priestley geschrieben worden waren. Darunter war ein Artikel über Magie und Mikroelektronik, der im Jahre 1978 veröffentlicht wurde. Julius bekam große augen. Diese Hexe hatte sich mit Muggeltechnologie auseinandergesetzt?
"Madame Pince! Gibt es hier einzelne Artikel von gelehrten Hexen und Zauberern?"
"Wir kriegen jedes Jahr einen Sammelband englischsprachiger Neuveröffentlichungen. Das Archiv reicht bis 1814 zurück. Einiges davon ist jedoch nicht frei zugänglich", erwiderte die dürre Bibliothekarin, als sie bei Julius Andrews eingetroffen war. Dieser deutete auf den Eintrag im Buch, der den Artikel über Magie und Mikroelektronik betraf und fragte, ob er diesen Artikel aus 1978 hier nachlesen konnte. Madame Pince legte ihre Stirn in Falten, dann nickte sie.
"Über diese Hexe gibt es einen Seperaten Sammelband ihrer Veröffentlichungen in der Abteilung zeitgenössischer Alchemie. Er ist frei zugänglich."
Julius folgte Madame Pince in die bezeichnete Sektion, gab ihr das Buch über gegenwärtige Alchemisten zurück und nahm einen dicken Wälzer entgegen, auf dessen limonengrünem Einband in silberner Schrift prangte:
JUNE PRIESTLEYS GESAMMELTE VERÖFFENTLICHUNGEN
Julius trug das umfangreiche Buch zu einem freien Tisch hinüber, setzte sich und las das seitenlange Inhaltsverzeichnis, das zu seiner Erleichterung zeitlich gegliedert war. So fand er schnell die Seite, auf der der von ihm zu lesende Artikel begann.
Vorsichtig blätterte er die hauchdünnen Pergamentseiten um, bis er auf Seite 840 den Artikel vorfand. Er las ihn sich aufmerksam durch und staunte nur noch. Schnell fischte er nach seinen Schreibsachen, die er vorsorglich mitgebracht hatte und notierte sich die Erläuterungen June Priestleys, wie Computer funktionierten, wieso und warum die Muggel neben der Elektrizität auch die Elektronik verwendeten und las zum Schluß den Satz:
"Somit ist klar und deutlich dargelegt, das die Angehörigen der nichtmagischen Menschheit (Muggel) mit allen Mitteln, die ihre auf mechanische Zahlenwechselwirkungen beruhende Wissenschaft bietet, die Abwesenheit magischer Kräfte umgehen. Funkwellen, die als Fernverständigungs- und Fernmessgrundlage dienen, Rechenmaschinen, deren bewegliche Teile Energiekörperchen aus den Grundeinheiten der Materie sind, sowie Steuerungsvorrichtungen, die selbstätig arbeitende Maschinen überwachen, sind Errungenschaften, die ansatzweise Magie ersetzen, aber eben nur ansatzweise."
"Hast du heute keinen Hunger?" Fragte Pina Watermelon leise und riß Julius aus seinen Betrachtungen.
"D-doch, Pina. Ich mußte nur ... - aber lassen wir das!" Erwiderte Julius, klappte ehrfürchtig das dicke Buch zu und winkte Madame Pince.
"Sie dürfen das Buch wieder wegtun. Ich benötige es nicht mehr. Danke", sagte Julius leise. Dann folgte er Pina Watermelon.
Die vier Zeiger von Julius' neuer Armbanduhr zeigten eine Viertelstunde nach sieben Uhr. Im geschwindschritt gingen die beiden Zweitklässler aus Ravenclaw in die große Halle.
Julius schlüpfte neben Gloria auf seinen Sitzplatz und sah auf seinen goldenen Teller, der sich wie auf Kommando mit einer dampfenden Hühner-Gemüsesuppe füllte.
Julius langte zu und löffelte die heiße Suppe ohne große Hemmungen in sich hinein. Dann kam der Hauptgang, Spanfärkel mit Folienkartoffeln und verschiedenen Kräutertunken, dazu grüner Salat. Jeanne Dusoleil, die neben Gloria Porter saß, fragte Julius nach dem Hauptgericht:
"'ast du etwas 'errliches gelesen, weil du so verträumt durch die Gegend starrst?"
Julius sah die Gastschülerin aus Beauxbatons an und erwiderte:
"Nur, daß es Zauberer und Hexen gibt, die es für wichtig halten, die Technik der Muggel genauer zu überprüfen. Das habe ich bisher nicht so richtig geglaubt, Jeanne."
"Soso", erwiderte Gloria darauf. Julius sah sich um und stellte fest, daß die vom Zaubertrankunfall betroffenen Kameraden immer noch nicht zurückgekehrt waren.
"Madame Pomfrey hat Flitwick erzählt, daß eine Zutat für den Rückverwandlungstrank nicht vorrätig war und die Schüler bis morgen früh in Käfigen verbleiben müßten, weil ihre Verwandlung sie verschreckt hat und sie jederzeit fortfliegen könnten", flüsterte Gloria Julius ins Ohr.
"Oha! Dann hat dieser verpatzte Trank schlimmer gewirkt als ich befürchtet hatte. Hat Professor Sprout keine erwachsenen Alraunen da, um den Zauber wieder zu beheben?"
"Nicht für alle zusammen. Außerdem sind Alraunen nicht billig, was du eigentlich wissen solltest", entgegnete Gloria Porter.
Nach dem Abendessen schrieb Julius noch einen Brief an Dr. June Priestley.
Sehr geehrte Mrs. Priestley,
vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihre Darlegung der Ihnen gestellten Aufgaben.
Ich werde versuchen, in den Osterferien zu Hause zu sein. Bitte schreiben Sie sowohl mir als auch meinen Eltern, wann Sie uns besuchen möchten.
Ich weiß zwar nicht, ob ich die Entscheidung des Zaubereiministeriums wirklich gut finden soll, muß sie jedoch als verbindlich zur Kenntnis nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Julius Andrews
Er schickte den Brief mit der wartenden Waldohreule der Fremden aus dem Zaubereiministerium los, die förmlich davonschoß, nachdem der Brief sorgfältig an einem ihrer Beine festgebunden war.
Danach ging er in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws. Petra Skyland, eine der beiden Türwächterinnen, strickte gerade an einem bunten Schal.
"Guten Abend, junger Sir! Passwort?"
"Cogito ergo sum", gab Julius das immer noch gültige Passwort aus. Das Portrait der beiden Hexenschwestern Skyland schwang zur Seite und gab den Weg in den Gemeinschaftsraum frei.
Drinnen fand eine heftige Diskussion über den Zaubertrankunfall vom Morgen statt. Ein Fünftklässler unterstellte Snape, absichtlich einen so schwerwiegenden Unfall verschuldet zu haben, was von den anderen Schülern jedoch abgestritten wurde.
"Snape ist fies und gemein. Aber er würde nicht so einen Unfall zulassen, nur um einem Haus Punkte zu entziehen", sagte eine Sechstklässlerin.
"Außerdem hätte er sich selbst in Gefahr gebracht, wenn er zur Unfallzeit in der Nähe des verunglückten Trankes gestanden hätte", argumentierte Julius.
"Wenn er ein Gegenmittel geschluckt hat?" Fragte der Fünftklässler erneut. Cho Chang, die gerade mit Prudence Whitesand durch den Einstieg zum Gemeinschaftsraum geklettert war, sah ihren Klassenkameraden an und fragte:
"Glaubst du wirklich, daß Snape bewußt Schüler in Gefahr bringt, nur um seine selbstherrliche Art zu beweisen?"
"Ja, Cho", kam die Antwort. Prudence sah Julius an und fragte:
"Hast du irgendwas gesehen, daß Snape getrunken oder geschluckt hat, bevor der Trank von diesem Leon Turner verrückt spielte?"
"Nein, Prudence", erwiderte Julius und sah kurz zu Pina und Gloria hinüber. Diese nickten beipflichtend.
"Dann ist die Sache vom Tisch", beschloß Prudence Whitesand mit energischem Tonfall.
Der restliche Abend klang mit Musik aus. Julius spielte Panflöte, Pina Harfe und Gloria Schellentrommel. Prudence und Cho sangen.
Um zehn Uhr verabschiedeten sich die Erst- und Zweitklässler, um in ihre Schlafsäle zu gehen. Von Julius verabschiedeten sich alle Mädchen, auch und vor allem die älteren, die beim Weihnachtsball waren, wie Padma Patil, Prudence Whitesand und Cho Chang. Julius kannte das schon. Seitdem er mit Jeanne getanzt hatte, stand er bei den älteren Schülerinnen etwas höher im Kurs, wenn sie auch nur seine ausgezeichnet entwickelten Tanzkünste bewunderten. Doch Kevin und Fredo hatte das schon zu einem verärgerten Knurren angeregt, erinnerte sich Julius grinsend.
Irgendwie fühlte sich Julius unbehaglich, als er allein im großen Schlafsaal der Zweitklässler stand. Kevin und die anderen mußten darauf warten, einen rettenden Zaubertrank zu kriegen. Hoffentlich waren sie am nächsten Morgen wieder geheilt.
Beim Frühstück traf Julius Gilda, Kevin, Fredo und die übrigen Mädchen und Jungen wieder, die am Vortag dem grünen Verwandlungsnebel zum Opfer gefallen waren.
"Mann, das will ich nie wieder durchmachen", stöhnte Kevin Malone. "Ich hatte ja völlig vergessen, wer ich war."
Sonst sprach niemand der Betroffenen Schüler über seine Eindrücke von der fortgeschrittenen Verwandlung.
"Hoffentlich drangsaliert Moody uns nicht derartig, daß wir wieder zu Madame Pomfrey müssen", seufzte Fredo Gillers.
Tatsächlich ging es in der morgentlichen Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste darum, Präventivzauber zu erproben, Zaubersprüche, die einige Flüche von vorne herein blockierten, ohne daß der Verteidiger wußte, womit er angegriffen werden sollte. Julius, der dieses Thema bei Madame Faucon in ihrem Sommer-Intensivkurs behandelt hatte, hielt sich stillschweigend im Hintergrund und schrieb auf, was Moody erzählte. Dann zog der Lehrer mit dem narbenübersäten Gesicht seinen Zauberstab hervor und knurrte:
"Dann wollen wir doch mal sehen, wer gut aufgepaßt hat. Wehr dich, Gillers!"
Fredo riß den Zauberstab hoch und sprach eine kurze Formel, die kaum beendet war, als Moodys erster Angriff in Form eines orangen Blitzes auf ihn eindrang. Fredo hielt den Zauberstab fest in der Hand, doch der Fluch traf seinen Brustkorb und ließ ihn unvermittelt vom Boden abheben, durch den Raum fliegen und an die Wand klatschen, wo er wie angegipst hängenblieb, Arme und Beine fest an die Wand gedrückt. Doch Moody ließ ihn nicht lange dort hängen. Mit einer schnellen Bewegung des Zauberstabes hob er den Fluch wieder auf und gab Fredo frei. forderte den Jungen, noch mal einen Präventivzauber zu versuchen. Fredo sprach dieselbe Formel noch mal, diesmal anders betont. Wieder landete ein Blitzstrahl aus Moodys Zauberstab auf seinem Körper, diesmal ein mauvefarbener, der Fredo aufstöhnen und sich krümmen ließ.
"Was habe ich gesagt? Formeln müssen rhythmisch und akzentuiert gesprochen werden, um zu wirken. Fredo, der immer noch in stark gebeugter Haltung dastand, zeterte:
"Mann, ich habe es begriffen. Nehmen Sie bitte diesen Fluch von mir weg!"
Moody sprach ein paar Worte, wobei er mit dem Zauberstab über Fredo hinwegfuchtelte. Erleichtert atmete Fredo auf, als er sich wieder aufrecht hinstellen konnte.
"Malone! Wehr dich!" Befahl Moody und wartete, bis Kevin schnell aber punktgenau eine Zauberformel gesprochen hatte, die ihm Schutz vor einem Angriff geben sollte. Moody schickte einen Fluch los, der Kevin fast traf, dann aber als bunter Funkenregen von Kevin fortgewirbelt und zerstreut wurde.
"Noch mal!" Befahl der unheimliche Lehrer dem irischen Zweitklässler und wartete, bis dieser seine Abwehrformel und die dazugehörigen Zauberstabbewegungen beendet hatte. Ein neuer Fluch, diesmal ohne Blitzlicht, sollte Kevin treffen. Doch Kevin stand unvermittelt wie in einer goldenen durchsichtigen Ritterrüstung, die eine Sekunde lang aufblitzte, um dann zu verschwinden.
So mußte jeder und jede in dieser Stunde Flüchen standhalten. Julius wählte als Abwehrzauber den unsichtbaren Schild, einen Zauber, der ihn mit einem für schwächere Flüche undurchlässigen Schutzwall aus Magie umgeben sollte. Tatsächlich zerplatzten alle vier Flüche, die Moody gegen ihn schleuderte wie glühende Wassertropfen an einer Glaswand.
"Du hast eine starke magische Grundbegabung, Andrews. So gut konnte sich bisher kein Anfänger abschirmen", stellte Moody Fest. Julius verstand darunter, daß er noch vorsichtiger sein sollte. Denn er hatte nicht vergessen, was ihm seine Gastmutter in Frankreich und auch in Briefen an ihn geraten hatte, nämlich nicht zu zeigen, wie weit er schon in der Abwehr von dunkler Magie war. Julius nahm als gegeben hin, daß sie ihre Gründe hatte, ihm zur Vorsicht zu raten. Außerdem kannte er Moodys Art, von einem Moment zum anderen böse Feinde hinter der nächsten Ecke zu vermuten und eine unerwartete Geste oder Lautäußerung als Angriff fehlzudeuten, wenngleich außer Draco Malfoy niemand so richtig von Moody verhext worden war.
"Mag sein, Professor Moody. Vielleicht bin ich auch nur in guter Form heute", erwiderte Julius so locker wie möglich klingend.
Bei Flitwicks Unterricht bekam Julius wieder eine Sonderaufgabe. Er sollte ein Vorhängeschloß und den dazugehörigen Schlüssel so bezaubern, daß das Schloß nur mit diesem einen Schlüssel geöffnet werden konnte. Julius entsann sich, daß er sowas von Prudence einmal gehört hatte und las sich das Kapitel in einem Zauberspruchbuch der vierten Klasse durch. Dann schaffte er es, Schloß und Schlüssel so zu bezaubern, daß weder ein Alohomora-Zauber, der alle nichtmagisch verschlossenen Fenster und Türen auspringen ließ, noch ein augenscheinlich passender Schlüssel das Schloß entriegeln konnte, wenn es einmal geschlossen war. Dafür, daß er diese Übung mit maximalem Erfolg beendet hatte, bekam er zehn Punkte für Ravenclaw.
Die Kräuterkundestunde verlief wieder im üblichen Rahmen. Die Slytherins der Zweiten Klasse versuchten zwischendurch, Julius wegen seiner Muggelstämmigkeit zu hänseln, was dieser jedoch wie üblich an sich abtropfen ließ. Dafür fuhr er noch mal zehn Punkte für sein Haus ein, weil er die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten einer Pflanze zu den verschiedenen Jahreszeiten benennen konnte.
Nach der Doppelstunde Kräuterkunde trafen sich Gloria, Pina und Julius in der Bibliotek mit den Hollingsworths und kauten die Hausaufgabe für Snape durch. Danach besuchten sie die drei gepflanzten Regenbogensträucher, die jedoch noch nicht aus der Erde ragten, aber selbst unter dem Schnee in schillernden Farben auffielen.
Professor Sprout kam zu ihnen und beriet sich mit den Teilnehmern des Sonderprojektes. Julius fragte sie leise, was er mit den vier Hexenkelchsamen anstellen sollte, die er zu Weihnachten bekommen hatte.
"Madame Dusoleil möchte wohl haben, daß Sie sie irgendwo einsäen. Sie weiß nicht, daß wir in Hogwarts keine Pflanzen in den Schlafsälen halten. Normalerweise ist ein Hexenkelch auch personenbezogen. Die Person, die ihn pflanzt, wird von ihm immer wiedererkannt. Zudem hat diese Pflanze gewisse Eigenschaften, wie Sie sicherlich wissen."
"Eben, Professor. Diese Pflanze dient als Heilmittel, kann Stoffe für magische Farben und Reinigungsmittel liefern oder zur Bündelung magischer Energie herangezogen werden. Aber sonst weiß ich nichts über diese Pflanze", sagte Julius.
"Die Samen haben noch Eigenschaften, die interessant aber auch nicht ungefährlich sind. Ich gehe davon aus, daß Madame Dusoleil Ihnen Literatur zu diesem Thema verehrt hat", antwortete Professor Sprout.
"Das ist richtig, Professor Sprout", bestätigte Julius.
Nach der Projektstunde gingen die sechs Teilnehmer in die Bibliothek, wo sie die übrigen Zweitklässler aus Ravenclaw und Hufflepuff fanden, die eifrig an den Hausaufgaben für Professor Snape, McGonagall und Flitwick arbeiteten. Julius unterhielt sich mit Gloria, die mit den anderen Zweitklässlern die Unterrichtsstunden bei Binns und McGonagall durchsprach und half den Hufflepuff-Zweitklässlern, die richtigen Bücher und Textstellen zu finden.
Der Abend klang mit einer Schachpartie zwischen Gloria und Julius aus, die Julius nach wenigen Zügen gewann.
"Der probt für das nächste Schachturnier in Millemerveilles", grinste Prudence Whitesand, die die Partie beobachtet hatte.
"Bis dahin können noch Jahre vergehen, Prudence", meinte Julius. "Ich glaube nicht, daß mich meine Eltern je wieder nach Frankreich lassen, wenn sie damit rechnen müssen, daß ich dort wieder "nur" mit Hexen und Zauberern zu tun kriege."
"Virginie hat mir geschrieben, daß sie schon darauf hofft, daß du wiederkommst. Ihre Mutter hat dich wohl schon auf der Teilnehmerliste für das nächste Schachturnier."
"Sie will nur Revanche haben", meinte Julius dazu nur. "Das war böse, sie zu besiegen, wo ich doch aus einem fremden Land komme und noch dazu keine Zauberer-Eltern habe."
Gloria trat Julius unter dem Tisch gegen das Schienbein, daß Julius zusammenfuhr und einen kurzen Schmerzensschrei unterdrücken mußte.
"Den Eindruck hatte ich nicht. Immerhin hat sie beim Sommerball mit dir getanzt. Ich denke nicht, daß eine Frau sowas macht, wenn sie einen Jungen oder Mann nicht mehr leiden kann", stellte Prudence fest. Cho, Prudences Klassenkameradin, trat einen Schritt näher an den Tisch heran, auf dem das Schachbrett lag. Julius ahnte, daß sie jedes Wort gehört hatte, vielleicht sogar schon die ganze Geschichte kannte, die ihm in den Sommerferien passiert war. Doch er behielt die Ruhe, als Cho fragte:
"Du hast mit der Dorfrätin von Millemerveilles getanzt? Prue erzählte, daß diese keine Anfänger auffordern würde."
"Die Antwort ist ja, ich habe mit Madame Delamontagne getanzt. Ob ich für sie ein Anfänger war, weiß ich nicht. Vielleicht wollte sie auch nur sicherstellen, daß Ihre Tochter den Eröffnungstanz mit dem Richtigen getanzt hat."
Julius erkannte an Chos erstauntem Gesicht und Prudences Grinsen, daß er mehr verraten hatte als er wohl verraten wollte.
"Schreibe deiner Freundin Virginie bitte, daß ich nichts daran drehen kann, ob ich diesen Sommer ihre Mutter wieder im Schachturnier besiegen kann! Schreib das wörtlich hin, Prudence!" Sagte Julius schnell, um die in ihm aufsteigende Verlegenheit zu unterdrücken. Prudence nickte und zog sich mit Cho an einen anderen Tisch zurück, wo andere Mädchen aus der fünften Klasse schwatzten. Padma Patil, die gerade ihre Arithmantik-Aufgaben beendet hatte, wandte sich zu Julius und Gloria um, sah, daß das Schachspiel wohl beendet war und winkte Julius zu sich.
"Bei den Muggeln muß man dichten und Klavier spielen können, bei Hexen und Zauberern tanzen", dachte Julius halblaut. Gloria flachste:
"Müssen Pina und ich eifersüchtig werden?"
"Klärt das mit Jenna und Betty", konterte Julius und ging an den Tisch hinüber, wo Padma und Mandy Brocklehurst, ihre Klassenkameradin saßen.
"Parvati hat mich gebeten, dich zu fragen, ob du Ostern schon verplant bist. Wir haben gestern eine Einladung zu einem Tanzabend bei unserer Großtante Shantia bekommen und suchen noch einen wirklich guten Tänzer."
"Ich fürchte, da muß ich euch beiden einen Korb geben. Ich habe wohl einen Termin mit einer Dame vom Zaubereiministerium. Meine Eltern müssen da noch was klären. Ich weiß noch nicht, wann die bei uns auftauchen wird."
Julius wollte noch fragen, ob er für die beiden auf verschiedene Häuser aufgeteilten Zwillingsschwestern nicht ein par Jahre zu jung sei. Doch seine Antwort erschien ihm klüger.
"Einen Korb?" Fragte Padma irritiert. Mandy lachte.
"So heißt das, wenn jemand jemandes Angebot oder Aufforderung zurückweist, Padma", erklärte Mandy ihrer Klassenkameradin. Padma lachte nun auch.
"Tut mir Leid, daß du mit diesen Bürokraten Ferien machen mußt. Nichts für ungut", sagte das Mädchen, das zunächst mit Ron Weasley zum Weihnachtsball gegangen, von diesem jedoch rüde vernachlässigt worden war.
Julius kehrte an den Tisch zurück, an dem Gloria noch saß. Mittlerweile hatte sich auch Pina Watermelon zu ihr gesellt und fragte Julius:
"Wozu hat dich Padma aufgefordert?"
"Zu nichts. Sie hat mir nur gesagt, daß sie und ihre Schwester zu einem Tanz um Ostern eingeladen worden seien und wollte wissen, ob ich nicht interessiert sei."
"Und, bist du interessiert?" Fragte Gloria ruhig. Julius wurde den Eindruck nicht los, ohne Ansage in ein Verhör genommen zu werden. Er sagte deshalb keck:
"Keine Aussage ohne meinen Anwalt."
"Frechdachs!" Fauchte Pina.
Am Abend erzählte Julius Kevin im gemeinsamen Schlafsaal, das er wohl über Ostern wichtigen Besuch aus dem Ministerium für Zauberei kriegen würde.
"Dann bleibst du nicht hier? Unser Osterfest ist nämlich wegen gewisser Unstimmigkeiten abgesagt worden. Deshalb bleibe ich hier", sagte Kevin.
"Ich würde auch gerne hierbleiben, Kevin. Im Moment hängt es bei mir zu Hause ja doch schief, wegen Paps und seiner Abneigung gegenüber Hogwarts", sagte Julius. Dann flüsterte er Kevin zu, was Padma ihn gefragt und was er darauf geantwortet hatte. Kevin grinste und flüsterte zurück:
"Mann, du hast Chancen bei älteren Mädchen. Hoffentlich wird dir das nicht zuviel."
"Quark, Kevin! Die waren nur enttäuscht, weil Potter und der jüngste Weasley nichts mit ihnen anfangen wollten oder konnten, als jemanden in die große Halle zu bringen, bevor der Ball losging."
"Und du hast mit jeder von denen getanzt?"
"Nachdem die Mademoiselles von Beauxbatons ihre Tanzpartner wieder eingefangen haben, die anstelle von Harry und Ron mit den beiden getanzt haben."
"Achso!" Erwiderte Kevin leise.
Als es elf Uhr war, schlüpften die Zweitklässler in ihre Betten und zogen die Vorhänge vor. Julius verzichtete darauf, noch in Madame Dusoleils neuem Zier- und Nutzpflanzenbuch zu schmökern. Auch er war müde und schlief bald darauf ein.
Eine Woche verstrich ohne besondere Vorkommnisse. Dann traf ein Brief von June Priestley ein, der wieder von einer Waldohreule mit der Morgenpost hereingebracht wwurde. Der Postvogel flog dieses Mal ruhig im Schwarm der übrigen Eulen in die große Halle hinein und segelte fast ohne Flügelschlag auf Julius' Andrews Platz am Ravenclaw-Tisch zu. Julius nahm das Schreiben entgegen, und die Eule flog wieder fort. Er las:
Sehr geehrter Mr. Andrews,
ich freue mich, daß Sie sofort auf meinen Brief geantwortet haben und denke, daß dies ein sehr gutes Zeichen für eine gewinnbringende Zusammenarbeit darstellt.
Ich habe in meinem Terminkalender nachgelesen und festgestellt, daß ich die vier Tage vor dem Ostersonntag Zeit habe, Sie und Ihre Eltern an Ihrem Wohnort aufzusuchen. Daher schlage ich vor, daß wir am Donnerstag vor Ostern über das weitere Vorgehen sprechen. Zu Befürchtungen, ich ginge darauf aus, Sie aus ihrem Elternhaus zu entfernen, besteht derzeitig kein Anlaß. Meine Aufgabe besteht in der Sicherstellung Ihrer Ausbildung und Eingliederung in die Zauberergesellschaft, nicht in der Zerstörung Ihrer Familienzugehörigkeit. Ich werde jedoch nicht umhinkommen, Ihre Eltern darauf hinzuweisen, das weitere Störungen Ihrer Ausbildung dazu führen können, Sie dauerhaft in meine Obhut zu nehmen und jeden weiteren Kontakt zwischen Ihnen und Ihren Eltern zu unterbinden, zumal die verhängte Strafsumme immer noch nicht bezahlt wurde.
Wie geschrieben trachte ich danach, Ihr gewohntes Familienleben nicht zu beenden.
Wir treffen uns also am Donnerstag vor Ostern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. June Priestley
Julius atmete erleichtert auf. Offenbar hielt man im Zaubereiministerium doch noch was von Familienleben. Vielleicht konnte er Moira, Malcolm und Lester wiedersehen, wenngleich ihm klar war, daß die drei sich wohl ziemlich verändert haben konnten. Er erzählte Gloria und Kevin, was in dem Brief stand und erntete aufmunternde Worte der beiden Klassenkameraden.
Der Januar verging ohne weitere Besonderheiten. Als die ersten Tage des Februars vorüber waren, spürte Julius die ansteigende Anspannung im ganzen Schloß. Die zweite Aufgabe des trimagischen Turniers stand an.
"Ced hat erzählt, daß es etwas mit dem See zu tun haben soll", flüsterte Cho Chang Prudence und Julius zu, als die drei sich am Montag zwei Wochen vor der zweiten Turnierrunde im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum trafen.
"Ist er damit rübergekommen, was genau mit dem See sein soll, Cho?" Fragte Julius neugierig. Cho Chang schüttelte den Kopf.
"Er hat mir nur verraten, daß er sich auf eine Aufgabe vorbereiten muß, die am oder im See stattfinden soll. Mehr wollte oder durfte er mir nicht verraten."
"Im See? Dann muß er Zauber zur Unterwasseratmung proben. Wahrscheinlich hat das mit den Meerleuten zu tun, die da leben", vermutete Julius.
"Meerleute?" Fragte Prudence.
Julius erzählte kurz, daß er die grünhaarigen Wassermenschen aus dem See schon einmal gesehen hatte. Er verschwieg jedoch, daß sie aufgetaucht waren, weil er eine Natrium-Tablette in den See geworfen hatte, um seinen Freunden zu zeigen, wie Natrium auf Wasser reagiert, mit einer heftigen Explosion.
"Dann wird er wohl den Kopfblasenzauber proben, den die erwachsenen Hexen und Zauberer im Farbensee benutzt haben", vermutete Prudence und meinte damit den Ausflug zu einem See mit Unterwassergärten magischer Wasserpflanzen, an dem sie und Julius in den Sommerferien unter der Führung von Madame Dusoleil teilgenommen hatten.
"Oder er klaut Snape eine Portion Dianthuskraut", flachste Julius. Beide älteren Mädchen sahen ihn vorwurfsvoll an.
"Das würde den Rauswurf bedeuten, wenn er sich an Snapes Vorräten vergreift. Außerdem hat Snape sein Büro mit einem Bannfluch gesichert", sagte Cho.
"Den jeder halbwegs ausgebildete Zauberer der sechsten oder siebten Klasse kontern kann", warf Julius ein. Dann schickte er schnell hinterher:
"Aber das wird Cedric nicht bringen. Wer klar bei Verstand ist, legt sich nicht mit Snape an, ohne einen Grund dafür zu haben."
"Woher weißt du eigentlich, daß Snape Dianthuskraut in seinem Büro hat?" Fragte Prudence nach einer Denkpause von fünf Sekunden.
"Weil ich es da gesehen habe, als ich mit meinen Eltern antrat, um mit Snape zu sprechen. Ich habe davon in einem Buch über magische Wasserpflanzen des Mittelmeerraums gelesen und ein Bild gesehen, bevor ich nach Millemerveilles kam und es live erlebt habe."
"Achso, ja", erinnerte sich Prudence. "Du warst ja mit deinen Eltern bei den Hauslehrern. Deine Eltern kamen ja eine Woche nach der Flucht von Sirius Black mit Glorias Eltern nach Hogwarts."
"Genau", bestätigte Julius Andrews.
"Ich hoffe, Cedric bekommt die meisten Punkte bei der zweiten Runde", verriet Cho, für wen sie war. Julius nickte. Er hoffte, daß es einem der beiden Hogwarts-Champions gelingen würde, die meisten Punkte zu kriegen. Victor Krum gönnte er es nicht, weil er sowieso schon zu berühmt war und Fleur war ihm mit ihrer Hochnäsigkeit unsympathisch. Mit allen Beauxbatonss, den Mädchen und Jungen, kam er wunderbar klar, wenn er sie in der Bibliothek oder auf den Wegen zu den Klassen traf oder sich am Ravenclaw-Tisch unterhielt. Fleur Delacour tat jedoch so, als sei sie eine kleine Prinzessin, die sich was auf ihre Abstammung und Schönheit einbildete. Wenn sie ihn sah, lauerte sie immer darauf, ob er sich wieder von ihrer merkwürdigen Zauberkraft hinreißen ließ, der er bei der allerersten Begegnung mit ihr verfallen war, als er sie und andere Beauxbatons-Schüler bei ihrer Abreise zur Quidditch-Weltmeisterschaft gesehen hatte. Doch Roger Davis verehrte sie richtig. Herumschwirrende Gerüchte besagten, daß er sich immer wieder mit ihr außerhalb des Schlosses traf, wenn sich die Gelegenheit bot.
Was Harry Potter anging, so war es eher Interesse als unbedingte Verehrung, was Julius empfand. Außerdem war er immer noch davon überzeugt, daß an Potters Teilnahme irgendwer mit düsteren Absichten gedreht hatte und wohl immer noch drehte, aus welchem Grund auch immer. Dennoch war Potter ein Hogwarts-Champion, und das allein reichte Julius schon, um ihm viel Erfolg bei der zweiten Aufgabe zu wünschen.
Am Vorabend der zweiten Turnierrunde vertrieb sich Julius die Zeit zwischen Nachmittagsunterricht und Abendessen mit Dauerlaufen um den großen See. Eine sehcstklässlerin der Hufflepuffs trainierte Besenflug und holte Julius, der seinen Umhangsaum hochgekrempelt hatte und unter dem Schulumhang seinen Jogginganzug trug auf halbem Wege ein.
"Wozu rennst du so herum? Reicht dir das Quidditchtraining nicht?" fragte das Mädchen, das dunkelblonde Zöpfe und ein rosiges Mondgesicht besaß. Julius lief etwas langsamer, holte ruhig Luft und antwortete:
"Nicht für mich. Außerdem kann ich im Moment eh nicht richtig trainieren, weil ja keine Quidditchsaison ist."
"Was denkst du, wer morgen die zweite Runde gewinnt?" Fragte die Hufflepuff.
"Der bessere", erwiderte Julius keck.
"Also Cedric", kam eine zu erwartende Antwort, während die Sechzehnjährige ihren Besen immer wieder im Kreis über Julius' Kopf steuerte.
"Wenn er der bessere Teilnehmer ist. Ich dachte, du hältst zu Victor Krum wie die meisten Sechstklässlerinnen."
"Krum ist der weltbeste Sucher. Aber ich möchte, daß Cedric das Turnier gewinnt."
"Soll er doch, wenn er es schafft", erwiderte Julius.
Das Mädchen flog wieder davon. Julius legte wieder ein größeres Tempo vor und lief in zwanzig Minuten um den halben See. Wieder hörte er ein Schwirren windgepeitschter Reisigbündel über sich und lief langsamer. Über ihm flog Barbara Lumière auf ihrem Ganymed 8.
"Gute Idee, sich so in Form zu halten, Monsieur Andrews. Aber wie hältst du die Arme in Form?" Fragte die stämmige Beauxbatons-Schülerin, die in Millemerveilles als Hüterin spielte.
"Schattenboxen und Liegestütze, im Sommer auch Schwimmen. Leider haben die hier keinen Sandsack zum gegenschlagen oder -treten", antwortete Julius, wobei er sich wie Barbara der französischen Sprache bediente.
"Gegentreten? Wozu denn sowas?"
"Muggelkampfsport. Muß dich nicht interessieren", erwiderte Julius lässig.
"Ach ja, die Muggel müssen ja mit Händen und Füßen kämpfen, wenn sie bedrängt werden."
Barbara ließ ihren Besen zehn Meter vor Julius waagerecht absinken, wie von einem unsichtbaren Kran an unsichtbaren Ketten heruntergelassen und landete, bevor der Zweitklässler aus Hogwarts sie erreichte. Dann nahm sie ihren Besen auf, schulterte ihn und spurtete Julius hinterher, als dieser sie überholte. Keine zwei Sekunden später war sie auf gleicher Höhe mit ihm und zog locker an ihm vorbei.
"Ich brauch das auch mal wieder", bemerkte sie kühl und machte Tempo. Julius wußte nicht, ob er sich auf ein Wettrennen mit ihr einlassen sollte oder nicht. Er gab der Versuchung nach, sich beweisen zu müssen und ging vom ausdauernden Trab in einen Sprint über. Als er fast auf gleicher Höhe mit der älteren Junghexe war, legte diese noch mal einen Zahn zu und zog wieder davon. Julius war nun darauf aus, ihr und sich zu zeigen, was bei ihm noch rauszuholen war und zog ebenfalls das Tempo an. Langsam aber sicher knabberte er den Vorsprung von Barbara Lumière ab und hatte sie zwei Minuten später eingeholt, als sein Atem schon stoßweise ging und sein Herz mit über hundert Schlägen in seinen Ohren hämmerte.
"In Ordnung, Monsieur Andrews. Genug ist genug", sagte die stämmige Beauxbatons-Schülerin mit der kastanienbraunen Kurzhaarfrisur und bremste sachte aber stetig ab. Julius nahm ebenfalls das Lauftempo zurück und verzögerte auf einen gemächlichen Trab. Jetzt merkte er, das seine Beine leicht schmerzten und sein Gesicht vor Anstrengung glühte.
"Ich hätte dich locker abhängen können. Aber du bist nicht schlecht gelaufen. Wir haben mindestens achthundert Meter zurückgelegt. Wie geht es dir jetzt?"
"Ich weiß, was ich getan habe", keuchte Julius. "Wie bekloppt muß man sein, von jetzt auf nachher ein Mittelstreckenrennen zu machen?"
"Du warst wesentlich besser aufgewärmt als ich. Aber lassen wir das. Willst du noch weiterlaufen oder zum Schloß zurück?" Fragte Barbara Lumière.
"Ich habe mein Tagespensum erfüllt. Ich laufe zum Schloß zurück", sagte Julius.
"Ich bringe dich hin. Du fällst fast um vor Überanstrengung", bemerkte Barbara und brachte ihren Besen in Aufstiegsposition. Julius wollte noch etwas sagen, doch die ältere Schülerin ergriff ihn beim Umhang und zog ihn zu sich. Widerspruchslos saß er hinter der Beauxbatons-Schülerin auf und stieß sich mit ihr zusammen ab.
Der Flug ging im gemächlichen Reisetempo über den See hinweg zum Schloß. Von weitem sahen die beiden zwei Menschen, eine Frau und ein Kind, beide mit silbrigblonden Haaren.
"Nanu, das sind doch Fleurs Mutter und ihre Schwester", stieß Julius überrascht aus. Barbara nickte und zirkelte in einer Höhe von zwanzig Metern über die beiden Fremden auf dem Schloßgelände herum. Dann kam noch Madame Maxime in ihrem schicken Satinumhang von der graublauen Beauxbatons-Kutsche herbeigelaufen.
"Was die wohl hier wollen?" Fragte Barbara im Flüsterton und ließ den Besen sanft absinken, bis auf fünfzehn Meter. Unvermittelt verharrte der Ganymed fast und flog nur noch so schnell, daß er gegen den vom Schloß kommenden Wind ankam.
".. und Sie garantieren mir, daß nichts passiert?" Fragte Madame Delacour gerade Madame Maxime in ihrer Heimatsprache.
"Wir garantieren es, Madame Delacour", antwortete die überlebensgroße Schulleiterin von Beauxbatons, von der Julius nun wußte, daß einer ihrer Elternteile ein reinrassiger Riese war.
Barbara Lumière lenkte den Besen vorsichtig vom Treffpunkt fort und landete hundert Meter entfernt.
"Es wäre nicht gut, wenn Madame Maxime uns zusammen sieht", sagte die ältere Beauxbatons-Schülerin. Julius nickte und eilte im gemächlichen Trab davon, nachdem er sich von Barbara Lumière verabschiedet hatte. Wie zufällig joggte er auf die Gruppe von Hexen zu, zu der sich nun noch Dumbledore und Flitwick gesellten. Er wollte nur flüchtig grüßen und legte die Hand wie bei einem militärischen Salut an die Mütze.
"Bonjour und guten Tag", wünschte er. Doch Dumbledore gebot ihm mit einer Handbewegung, stehenzubleiben.
"Warum läufst du gerade hier herum, Julius? Du wirkst überanstrengt", sagte Professor Dumbledore besorgt.
"Ich wollte wissen, wie schnell ich um den See laufen kann, Professor Dumbledore. Ich möchte nicht stören", erwiderte Julius.
"Das ist doch der Junge, der Fleur nachgelaufen ist", kicherte das kleine Mädchen auf Französisch. Julius schoß zur Röte der ungewohnten Anstrengung noch die Schamröte ins Gesicht.
"Sie kennen Gabrielle Delacour?" Fragte Madame Maxime auf Englisch. Julius bejahte verlegen und grüßte Madame Delacour, wobei er sich fragte, ob es der auch von ihr ausgehende Veela-Zauber war oder die hohe Belastung durch den Lauf mit Barbara, was ihn schwindelig machte. Er mußte sich anstrengen, sich nicht von Madame Delacours Blick in eine Trance versetzen zu lassen.
"Ich setze voraus, daß du dich darüber ausschweigen wirst, daß Fleurs Verwandte auf dem Schloßgelände sind", sagte Dumbledore, und Madame Maxime fixierte Julius mit ihren großen Augen.
"Wenn Sie es wünschen, Professor Dumbledore", antwortete Julius. Er verschwieg, daß Barbara Lumière ebenfalls gesehen hatte, das Fleurs Verwandte auf dem Schloßgelände waren.
"Es ist unbedingt erforderlich, diese Information bis zum Turniertag geheimzuhalten", bekräftigte Dumbledore. Julius begriff, daß es mit der zweiten Aufgabe zu tun hatte.
"Jawohl, Sir!" Bestätigte Julius nickend. Dann wandte er sich zum gehen.
"Moment, Monsieur", hielt ihn Madame Maxime mit fester Stimme zurück.
"Ja, Madame", erwiderte Julius auf Englisch. Doch Madame Maxime sprach nun Französisch weiter:
"Haben Sie Mademoiselle Lumière unterwegs getroffen?"
"Sie flog über mich weg", sagte Julius auf Französisch.
"Gut. Sie dürfen sich zurückziehen. Aber halten Sie sich gefälligst an die Anordnung Ihres Schulleiters!"
"Ja, mach ich", erwiderte Julius lässig und lief los, bevor die französische Schulleiterin ihn wegen seiner Frechheit tadeln konnte.
Am Abend traf er Jeanne Dusoleil auf dem Weg zum Ravenclaw-Tisch. Sie zwinkerte ihm zu und sagte:
"Du übermütiger Bursche. So jung und willst schon einem Mädchen hinterherrennen. Hast du etwas Wasser getrunken?"
"Nein, habe ich nicht. Ich habe nur kurz geduscht und einen der Ersatzumhänge angezogen", grummelte Julius.
"Dann soltest du gleich mehr trinken als sonst. Laufen trocknet den Körper aus", belehrte Jeanne ihn.
"Ja, Mutter!" Erwiderte Julius trotzig.
"Es ist kein Grund, frech zu werden", tadelte Jeanne und zwickte Julius energisch in die Nase.
Julius glaubte, wenn er sich neben Gloria setzte, würde er Ruhe vor Jeanne haben. Doch sie bat Gloria, mit ihr den Platz zu tauschen, wobei sie Gloria etwas zuflüsterte, was Julius nicht verstand, weil er gerade mit Kevin sprach, der davon Wind bekommen hatte, daß Julius um den See gerannt war.
"Beim nächstenmal komme ich mit, falls du mich läßt", stellte Kevin klar. Julius nickte. Dann erst sah er Jeanne neben sich sitzen.
"Wie die Mutter so die Tochter", zischte er Kevin zu. Jeanne zupfte ihm am rechten Ärmel und flüsterte:
"Das habe ich gehört."
Julius mußte, ob er wollte oder nicht, vier Kelche klares Wasser trinken. Außerdem legte ihm Jeanne von der klaren Hühnerbrühe zweimal vor, die es gab, bevor er sich den Hauptgang genehmigen durfte, Curryhuhn mit Reis und gemischten Salat. Kevin fand es witzig, Julius etwas vom Teller zu klauen. Er sagte:
"Laß dich nicht überfüttern!"
"Monsieur Malone, unterlassen Sie gütigst diese Unverschämt'eiten!" Fauchte Jeanne an Julius Vorbei dem rotblonden Jungen zu. Julius wußte nicht, ob und wie Jeanne Kevin ansah, doch irgendwie mußte es auf ihn wirken. Denn er lief rot an, vom Haaransatz bis zum Hals.
"Nimm dir, was du brauchst", sagte Jeanne auf Französisch zu Julius und schöpfte ihm noch einen Löffel Reis auf den Teller.
Julius nahm es gelassen, daß Jeanne ihn beim essen und trinken überwachte. Er fand noch genug Gelegenheiten, sich mit seinen Mitschülern über die zweite Runde zu unterhalten.
Nach dem Abendessen bedankte sich Jeanne bei Gloria Porter, daß sie an diesem Abend ihren Platz einnehmen durfte.
"Was hat sie dir erzählt?" Fragte Julius seine Schulfreundin.
"Daß ihr Jungen nicht wißt, wieviel ihr am Tag so mit Sport und Herumtollen verbraucht und sie sicherstellen müsse, daß du nicht die zweite Turnierrunde in Madame Pomfreys Obhut verbringen solltest. Das erschien mir plausibel, nachdem wir alle gehört haben, daß du dich an deine Leistungsgrenzen herangetastet hast."
"Wieso habe ich den Eindruck, daß Jeanne sich für mich zuständig fühlt?" Fragte Julius.
"Tut sie das?" Gab Gloria schnippisch zurück.
"O.K., Gloria. Ich sehe, daß sich die Frage nicht lohnt."
Julius machte sich daran, die Aufgaben für Binns zu schreiben und ließ sich über die Folgen der Zaubereikonferenz von 1525 aus, bei der es auch um die Hexenverfolgung durch Nichtmagier ging. Dann machte er noch ein paar Verwandlungsübungen und hexte Spinnen in Mäuse um. Professor McGonagall hatte ihm aufgetragen, sich nun verstärkt um die Vivo-ad-Vivo-Verwandlungen, also die Verwandlung von Lebewesen in andere Lebewesen zu kümmern. Hierfür hatte er sich aus der Bibliothek das höherstufige Verwandlungs-Schulbuch geliehen. Prudence, die ihm zusah, fragte nach der zehnten verwandelten Spinne:
"Wieso ausgerechnet Mäuse?"
"Weil hier genug Katzen herumlaufen. So verringern wir die Spinnenzahl auf ökologische Weise."
"Ökokolokogisch?" Wunderte sich Prudence.
"Das heißt auf natürliche Weise, Prudence."
"Hast du nicht Lust eine Klasse zu überspringen?" fragte Amber Silvergate, eine Drittklässlerin mit schwarzblauem Lockenhaar.
"Besser nicht. Ich weiß nicht genug dafür. Außerdem, so habe ich in der Geschichte von Hogwarts gelesen, ist das bis jetzt nur zwei Schülern gelungen, eine Klasse zu überspringen, und zwischen den beiden sind hundert Jahre verstrichen. Außerdem muß ein Schüler dafür alle Jahresendprüfungen der Klasse zu Beginn des Schuljahres absolvieren, in die er gerade gekommen ist, um zu überspringen. Das ginge nach den Schulregeln schon nicht mehr", erwiderte Julius.
"Außerdem muß man das siebzehnte Lebensjahr vollendet haben, bevor man Hogwarts verläßt", wußte Prudence Whitesand noch.
Julius sah den Mäusen zu, wie sie davonliefen und durch die Fenster verschwanden. Dann lauschte er noch den anderen Hauskameraden, wie sie sich über die zweite Runde des Turniers unterhielten. Irgendwann gähnte er so herzergreifend, daß Gloria und Prudence beschlossen, er solle doch besser schlafen gehen.
Julius sah sich noch mal um und fragte Prudence:
"Wo ist denn Cho? Normalerweise ist sie um diese Zeit doch schon wieder im Gemeinschaftsraum."
"Weiß auch nicht. Flitwick hat sie rufen lassen. Das war vor zwei Stunden", erinnerte sich Prudence. Roger Davis, der Kapitän der Hausmannschaft, schwärmte leise von Fleur, wo zwei seiner Klassenkameraden dabeistanden. Er las Zeilen aus einem Gedicht vor, daß er für sie geschrieben hatte.
Julius zog sich in den Schlafsaal zurück und las noch etwas in Madame Dusoleils Buch über exotische Pflanzen.
In der Nacht träumte er davon, wie ein Dutzend Meermänner mit grimmigen Mienen und zerzaustem grünen Haar über Cho und die kleine Schwester von Fleur Delacour herfiel und sie in den See auf dem Schulgelände zerrte. Schreiend und um sich schlagend verschwanden Cho und das kleine Mädchen in den schwarzen Fluten des Sees. Julius sprang hinterher und schwamm wie verrückt. Er holte mit seinem Zauberstab ein Bündel Dianthuskraut herbei. Doch bevor er es kauen und damit Kiemen und Schwimmhäute bekommen konnte, um abzutauchen, apparierten Madame Maxime und Jeanne Dusoleil über ihm. Madame Maxime ließ ihn mit Fernlenkzauberkraft aus dem Wasser steigen und zu ihr aufsteigen. Dann standen sie am Uferrand.
"Sie törichter junger Mann. Die beiden Mädchen müssen für die zweite Runde in den See", fauchte Madame Maxime den total durchnäßten Jungen an. Dann zog Jeanne ihm ohne Vorwarnung den Umhang vom Leib und warf ihm eine warme weiche Decke über den Kopf, die bis zu seinen Füßen hinabfiel und kein Licht mehr zu ihm durchließ.
"Jeanne, laß das bitte", flehte er. Doch Jeanne drehte ihn komplett in die Decke ein und hob ihn vom Boden.
"Du wirst erst gebadet und dann wird gegessen, Julius. Meine Mutter hat gesagt, ich soll dich solange pflegen, bis sie sich wieder um dich kümmern kann."
Julius versuchte, zu strampeln und sich aus der Decke zu winden. Doch es half nichts. Er wurde von Jeanne irgendwo hingetragen, dann splitterfasernackt aus der Decke ausgewickelt und vorsichtig in eine große silberne Wanne hinabgelassen, die mit dampfendem, nach Fichtennadeln duftendem Wasser gefüllt war. Julius Konnte sich nicht dagegen wehren, daß Jeanne ihn vollständig in das heiße Wasser setzte und ihn dann mit Seife und Schwamm bearbeitete. Er fühlte sich dermaßen erniedrigt, daß er am liebsten unter die Wasseroberfläche versunken wäre. Als Jeanne ihn aus der Wanne holen wollte Geriet er in Panik und schlug nach ihr. Ein Donnerschlag ließ die Wände erzittern und eine dröhnende hallende Stimme rief:
"Du hast geschworen niemals ein Mädchen zu schlagen! Dafür mußt du dein Leben neu beginnen."
Ein gleißender Blitz blendete Julius fast. Er sah, wie seine Umgebung schlagartig anwuchs und wie die zur Riesin gewachsene Jeanne ihn mit einem Arm um den Körper langte und ihm mit der anderen Hand den unerklärlich schweren Kopf abstützte.
"Du hast es nicht anders gewollt. Jetzt fängst du wieder von vorne an. Maman hat gesagt, ich darf dich behalten", sagte Jeanne mit einer Lautstärke, die Julius in den Ohren wehtat. Er wollte was rufen, doch nur ein langgezogener Babyschrei drang aus seiner Kehle.
"Schschsch!" Machte Jeanne.
"Ich weiß, du mußt furchtbaren Hunger haben", sagte sie noch. Dann legte sie Julius auf einen mit weißen Tüchern abgedeckten Tisch und wickelte ihn in weiche Windeltücher. Julius schaffte es nicht, sich zu bewegen. Denn seine Arme und Beine gehorchten seinem Willen nicht mehr. Jeanne zog Julius einen hellblauen Strampelanzug über und trug ihn zu einem Stühlchen, auf dem sie ihn niederließ. Als sie dann mit einer großen reich verzierten Holzflasche mit Sauger daran zurückkam und sagte:
"Jetzt wird fein getrunken. Dann darfst du schlafen."
Julius schrie noch mal - und fand sich normalgroß und in einen Pyjama für halbgroße Jungen gehüllt in seinem Himmelbett wieder. Auf der Stirn stand ihm kalter Schweiß und sein Herzschlag war ein einziger Disco-Beat.
"Mann! Träum gefälligst leiser", quängelte Kevin im Bett nebenan noch halb im Schlaf.
Julius fand erst nach einer Minute wieder zu sich. Er verfluchte diesen Alptraum. Dann dachte er über dessen Bedeutung nach.
Er hatte Gabrielle Delacour und Cho Chang von den Meerleuten in den See entführt gesehen. Das konnte, wenn Julius richtig nachdachte, nur heißen, daß Gabrielle und Cho ein Bestandteil der zweiten Runde im trimagischen Turnier waren. Womöglich, so vermutete Julius, sollten die Champions in den See steigen, um die Person wiederzuholen, die ihnen am wichtigsten war. Cho war für Cedric, das Mädchen Gabrielle für Fleur. Doch stimmte das überhaupt?
Dann war die Sache mit Jeanne, die ihn zum Baby gemacht und so behandelt hatte. War das eine unbewußte Angst davor, daß sie ihn wirklich umsorgen wollte? Die gottgleiche Stimme, die ihn getadelt hatte, war wohl sein schlechtes Gewissen. Denn wirklich, er hatte mit Lester und Malcolm bei Gründung ihrer Bande geschworen, niemals ein Mädchen oder ein kleineres Kind zu schlagen, weil dies nur Schwächlinge täten. Julius wünschte sich, er könne seinen Walkman benutzen. Doch erstens war der zu Hause geblieben, zweitens funktionierte in Hogwarts nichts, was elektrisch oder elektronisch war, wegen der hohen Magiemenge in der Luft, die künstliche Elektrizität störte. Er sah auf die vier unterschiedlich langen Zeiger der Weltzeit-Armbanduhr, die ihm die Hollingsworths zu Weihnachten geschickt hatten. Es war nun vier Uhr am Morgen.
Julius Wußte, daß die zweite Runde um halb zehn beginnen würde. Er beschloß, Unter der Bettdecke noch im Zierpflanzenbuch von Madame Dusoleil zu lesen. Vorsichtig tastete er nach seiner Schultasche, holte den Zauberstab heraus, flüsterte "Lumos" und verschwand mit dem so zum leuchten gebrachten Zauberstab und dem Zierpflanzenbuch unter der Bettdecke.
Das Kapitel über den Hexenkelch war wesentlich umfangreicher als die Beschreibung in "Tausend Zauberkräuter und Pilze" von Phylida Spore. Hier las Julius, daß ein in ein Gemisch aus frischem Humus und Drachen- oder Einhorndung gesäter Samen unmittelbar bei der Einsaat registrierte, wer ihn gepflanzt hatte. So vermochte es die Blume, eine gefühlsmäßige Bindung zu dem Zauberer oder der Hexe zu knüpfen, von der oder dem sie gepflanzt wurde. Hinzu kam noch, daß bei direktem Körperkontakt mit der Blume eine gedankliche Verbindung hergestellt werden konnte. Die Blumen besaßen keine richtige Intelligenz. Aber sie konnten verknüpfende Gedanken in das Gehirn des für sie zuständigen Zauberers einstreuen, aus denen der Zauberer selbst entsprechende Wörter erschloß.
"Wer einen Hexenkelch pflanzt, geht mit ihm eine magische Bindung ein, die das ganze Leben der Pflanze anhält", schrieb Madame Dusoleil. "Wer also meint, so eine schöne und praktische Blume haben zu müssen, sollte kein hektischer, übertrieben Ehrgeiziger Zeitgenosse sein, weil die Blume Ruhe und Geborgenheit braucht, aber auch vermittelt. Wer stets auf Achse ist und mal eben von Paris nach Panama appariert, um eine Stunde später in Peking zu apparieren, findet sich gleichförmig zum Wachstumszustand des Hexenkelches, den er oder sie gesät hat, unfähiger, sich in Streß und Eile versetzen zu lassen. Handelsvertreter und freischaffende Zauberhandwerker sollten daher die Finger von dieser schönen Blume lassen", las Julius weiter. Er schmunzelte. Dann kam ein Absatz, der ihn irritierte:
"Ein Hexenkelch verdient Dankbarkeit. Wer also meint, einen Hexenkelch zu pflanzen und ihn dann einfach herausreißen zu müssen, wird sehr unangenehm dafür bestraft. Er oder sie, wer auch immer für die Pflanze verantwortlich ist, spürt das, was die Pflanze spürt, wenn sie herausgezogen oder am Stiel abgeschnitten wird. Außerdem ist er oder sie für einen Monat unfähig, klar zu denken, weil die magische Gefühlsbindung zusammengebrochen ist und der Geist des Hexenkelchbesitzers erst wieder unabhängig werden muß. Böse Zeitgenossen vergleichen diesen Zustand mit schweren Entzugserscheinungen, die Rauschgiftabhängige durchleiden, wenn ihre zur Abhängigkeit führende Droge nicht zu bekommen ist. Das ist so nicht richtig. Denn bei diesem Prozeß handelt es sich um eine Lähmung des gefühlsmäßigen Denkens. Das Bewußtsein bleibt jedoch soweit unbeeinflußt und von den Todesqualen, die mit der Pflanze geteilt wurden abgesehen, treten keine weiteren Schmerzen auf. Man kann sich jedoch gegen diese Strafe absichern, indem man vorher eines der reifen Samenkörner aus dem Blütenkelch löst und in einem Stück hinunterschluckt. Außerdem wirkt die magische Qual nicht auf den Säer der Blume, wenn ein Fremder sich an der Pflanze zu schaffen macht. Lediglich ein kurzer Schauer der Pein fließt durch den Körper des menschlichen Partners."
"Soso", dachte Julius. Dann las er weiter:
"Hexenkelche haben vier besondere Eigenschaften, die je nach Anwendung gut oder unangenehm ausfallen können.
Zum ersten beruhigen sie die Seele dessen, der sie gepflanzt und gehegt hat. Voll ausgewachsene Hexenkelche können, wenn man sie jeden Tag mit genug Sonnenlicht und frischem Wasser und jeden Monat mit einer Doppelunze Drachen- oder Einhorndung versorgt, die Gefühlslage dessen, mit dem sie magisch verbunden sind, so beruhigen, daß er stets einen klaren Kopf behalten und gründlich über eine Situation nachdenken kann, solange kein Angriffsfluch auf die Psyche gelegt wird. Dieser wirkt dann zwar, aber nur halb so stark. Allerdings gilt dies nur für emotionale Flüche, nicht für Geistesbeeinflussungen.
Zweitens hat jeder Hexenkelch eine Beziehung zu seiner Mutterpflanze. Dies macht es möglich, daß sich zwei Magier durch Berührung der miteinander verbundenen Blumen in einer gedanklichen Verständigung über weite Strecken unterhalten können. Sie müssen dazu jedoch konzentriert denken, was sie sagen wollen. Auch kann das, was ein Zauberer Sieht, zu seinem Kontaktpartner weitergeleitet werden, sofern der Kontaktpartner die Augen schließt. Die Blumen müssen dabei ständig berührt werden, um die Verbindung zu halten. Die Verbindung funktioniert jedoch nicht in magisch abgeschirmten Bereichen. Hier kann jeder Kontaktaufnahmeversuch zu starken Kopfschmerzen bei dem führen, der in einem solchen Bereich den Kontakt zu einem anderen versucht.
Drittens kann der Nektar der Blume dazu verwendet werden, magische Farbmischungen anzurühren oder in Verbindung mit Kräutern in heißem Wasser getrunken Erkennung unsichtbarer Wesen oder Gegenstände gewähren. Aber aufgepaßt! Hierbei sollten keine Kräuter verwendet werden, die mit dunklen Kräften verbunden sind, zum Beispiel unter einem Galgenbaum gezupft oder von einem Schlachtfeld geholt wurden). Es würde den, der die Mischung trinkt, in ständige Todesangst vor echten oder eingebildeten Feinden stürzen, auch wenn er selbst einen Hexenkelch besitzt.
Viertens kann jeder Samen zermalen werden und für magische Süßigkeiten als Mehlzusatz dienen. Das Öl der ausgepreßten Samen kann in der Zauberkunst als Verstärker von ständigen Zaubern benutzt werden, wenn das Öl in einer Farbmischung im Verhältnis eins zu zwölf gemischt ist. Dies gilt dann aber auch, das muß ich hier erwähnen, für Artefakte der schwarzen Magie und unterliegt den entsprechenden Verboten durch die Zaubereigesetze.
Wer eines der Samenkörner in einem Stück hinunterschluckt, löst die bestehende Verbindung mit seinem Hexenkelch auf. Doch wer denkt, damit wäre die Sache vorbei, wird nicht schlecht staunen, wenn er oder sie die einfachen Mitteilungsformen versteht, mit denen Pflanzen ihr Befinden mitteilen. Das kann lustig sein, wenn man über eine frische Wiese schreitet und die Kraft der Gräser in die eigene Seele einströmen läßt, aber auch sehr unangenehm sein, wenn man mitbekommt, wie Pflanzen gestutzt oder gefällt werden, von dem merkwürdigen Gefühl abgesehen, das auftritt, wenn reife Früchte abgepflückt oder abgefressen werden. Ich habe das selbst ausprobiert. Es ist harmlos und dauert nur solange, bis man das geschluckte Samenkorn auf natürlichem Weg wieder aus dem Körper ausscheidet."
Julius stellte sich gerade vor, was er mit den Hexenkelchsamen anfangen konnte, die er bekommen hatte. Dann las er noch über andere Zierpflanzen, wie das Windweisergras und den Regenbogenkelch, den er ja schon kannte.
Als Kevin und die anderen Jungen im Schlafsaal aus den Betten stiegen, löschte Julius das Zauberstablicht und legte das Buch wieder zurück, wo er es verstaut hatte.
"Auf zur zweiten Runde!" Rief Kevin.
Julius machte einen verschlafenen aber dennoch gespannten Eindruck, als er in die große Halle hinunterging. Zu seiner Beruhigung setzte sich Gloria wieder rechts neben ihn. Julius sah, daß Cho Chang immer noch nicht zurückgekehrt war und war sich nun völlig sicher, daß sie wie Fleurs Schwester aus dem See zurückgeholt werden sollte. Er blickte sich um und stellte fest, daß am Gryffindor-Tisch ebenfalls Plätze frei waren. Er fand weder Hermine Granger, Ron Weasley und auch nicht den vierten Champion: Harry Potter.
"Potter war noch in der Bibliothek, als Parvati und Ich herauskamen", sagte Padma Patil, die Julius gegenübersaß, als er nach Potter fragte.
"Der fängt aber früh an, sich wichtige Zaubersprüche rauszusuchen", flachste Julius.
"Hoffentlich weiß er, was er tun muß", sagte Gloria. Fleur Delacour, die einige Stühle weiter auf der anderen Seite des Tisches saß, wandte ihren Kopf und lauschte der Unterhaltung. Doch weil nichts interessantes mehr erzählt wurde, schwatzte sie weiter mit Belle Grandchapeau, von der Julius mittlerweile wußte, daß sie die Tochter des französischen Zaubereiministers war.
Die Posteulen flogen in die große Halle ein und verteilten Briefe und Päckchen an die Empfänger. Zu Julius kamen gleich vier Eulen: Viviane, Claires Waldohreulenweibchen, eine Posteule aus Hogsmeade, Madame Dusoleils grauer Steinkauz und Julius' Schleiereulenmännchen Francis. Julius nahm zunächst den blaßblauen Briefumschlag, den Francis ihm mitgebracht hatte. Er steckte ihn erst einmal in eine seiner größeren Umhangtaschen. dann band er Viviane einen mindgrünen Umschlag vom linken Bein und öffnete ihn. Eine Duftwolke erfrischender Kräuteröle wehte Julius um die Nase, als er den Brief las, der in französischer Sprache verfaßt war.
Hallo, Julius!
Ich möchte mich herzlich dafür bedanken, daß du mich damals zu deinem Vortrag über Sonnenmagie eingeladen hast. Er hat mir nämlich vor einer Woche gute Dienste geleistet, als wir in Astronomie die Auswirkung der hellsten Gestirne am Himmel berichten mußten. Ich warf ein, daß gerade Sonne und Mond viel zur Wirkung von Magie beitrügen und erwähnte einige Sätze von dem Stichwortblatt, das du uns damals allen gegeben hast. Weil ich so gut widergegeben habe, was du geschrieben und erzählt hast, bekam ich in der Halbjahresprüfung die Bestnote in Astronomie. Tante Uranie wird sich freuen, Maman sowieso. Unser Astronomielehrer, Professor Paralax, sprach zwar davon, daß die genauen Eigenschaften von Sonne und Mond in den Unterrichtsstunden der fünften Klasse drankämen, wenn auch die magieverändernden Wirkungen bestimmter Planetenstellungen behandelt würden, doch frühe Kunde von wichtigen Dingen schade nie was, sagte er.
In Zauberkunst haben wir Magnetfelder entstehen lassen, mit denen wir uns unter Anleitung unserer Lehrerin Eisenkugeln zuschieben oder von uns weglenken sollten. Außerdem haben wir eimergroße Wassertropfen gezaubert und kopfgroße Seifenblasen, die erst nach einer Minute zerplatzen. Jacques hat sich dabei vollkommen übertrumpft, als er eine bunte Seifenblase aus seinem Zauberstab heraustreten ließ, die sich wie wild drehte, wuchs und schrumpfte und sich dann in hundert winzige Seifenblasen auflöste, die uns eine Minute lang um die Ohren schwirrten und dann zerplatzten. Ich bekam dabei zwei dieser verhexten Dinger in die Haare. Unsere Zauberkunstlehrerin mußte ihm dafür einen Tadel aussprechen, weil er zu verspielt gezaubert hat. Denn nicht daß auch du glaubst, wir würden in Zauberkunst nur Unsinn machen. Die Übungen dienen dazu, die inneren Kräfte der Elemente zu erkennen und zu kontrollieren.
Maman wollte Jeanne und dir noch eine Eule schicken, hat sie geschrieben.
Bis bald!
Claire
Julius nahm den Brief der grauen Eule von Madame Dusoleil und las:
Hallo, Julius!
Ich schreibe gerade an Jeanne, da kann ich dich gleich darüber informieren, daß ich deine große Freundin Aurora Dawn über Ostern bei mir zu Gast haben werde. Sie fragt, ob du nicht für den Ostersamstag zu uns herüberkommen möchtest, sie würde dich auch abholen, da ich eure komplizierte Sprache nicht so gut kann und Claire ihr Sprachlernbuch nach Beauxbatons mitgenommen hat.
Florymont ist zur Zeit auf einer Geschäftsreise nach Brüssel unterwegs, wo er magische Türöffner und Wetterschutzfarben verkaufen möchte.
Eleonore Delamontagne erkundigt sich zwischendurch immer nach dir und möchte wissen, ob du in den Sommerferien auf jeden Fall wieder am Schachturnier teilnehmen wirst. Sie sagt, daß sie gerne mit dir um den Turniersieg spielen möchte und Blanche, für dich wohl immer noch Madame Faucon, bestimmt wissen möchte, ob ihr Sieg gegen dich einmalig war. Außerdem steht ja unser Sommerball wieder an. Rosanne Lumière, Barbaras Mutter, hat mir vorgeschwärmt, daß du ihre älteste tochter kurzweilig und keineswegs unbeholfen begleitet hast, als Jeanne gerade eine Pause einlegte. Ich fand es zwar etwas unhöflich von Barbara, Jeanne nicht zuerst um Erlaubnis zu bitten, aber Jeanne hat das wohl gut verkraftet.
Ich habe dir noch einen Artikel zu der Kräuterkundekonferenz vom Oktober beigefügt, falls dich das trockene Geschreibsel unserer Wissenschaftsredakteurin nicht einschläfert.
Weiterhin Gesundheit und Spaß am Lernen!
Camille Dusoleil
Kevin sah die beiden Briefe in französischer Sprache und schnupperte, weil von Claires Brief immer noch eine leicht berauschende Duftwolke aufstieg.
"Du fängst aber früh an mit Liebesbriefen", flüsterte Kevin Julius ins Ohr.
"Nur keinen Neid", erwiderte Julius leise flüsternd.
Dann nahm Julius noch den Brief, den die offizielle Posteule aus Hogsmeade gebracht hatte. Diese schwirrte unverzüglich davon, als Julius den grünen Umschlaggenommen hatte. Es war ein Brief von Aurora Dawn. Sie schrieb:
Hallo, Julius!
Also zu dem Brief über die Riesen und Hagrid kann ich nur sagen, daß diese Kimmkorn derartig hinterherhinkt, daß ihr Geschmiere höchstens die Eltern der Slytherins dazu bringen wird, sich zu beschweren. Du wirst sehen, Dumbledore wird Hagrid dazu beknien können, weiterzuunterrichten. Ein Problem sehe ich nur für Madame Maxime. Leiter von Abordnungen aus dem Ausland hatten in England immer einen ungerechtfertigten schlechten Ruf. Wenn dann sowas noch dazukommt, fühlen sich gewisse Herrschaften allzu bestätigt.
Daß das Zaubereiministerium das nicht unbeantwortet hinnehmen wird, daß jemand eine Strafgebühr nicht zahlt, auch wenn er ein Muggel ist, dem Familienstandsgesetz nach aber auch der Rechtsprechung der Zaubererwelt untergeordnet ist, war klar. Aber sei ganz unbesorgt! Ich kenne Frau Doktor June Priestley. Wenn du mit Professeur Faucon klarkamst, wirst du bei ihr nichts zu befürchten haben, weil sie im Gegensatz zu Camilles respektabler Nachbarin mehr Humor besitzt und sich zudem noch intensiv mit den Wissenschaften der Muggel befaßt. Aber ich gehe davon aus, daß du das schon herausgefunden hast.
Allerdings hat mich dein Problem mit deinen Eltern nicht unberührt gelassen. Da dein Vater seinen alten Freund Bill Huxley immer wieder mit merkwürdigen Andeutungen über mich irritiert hat, habe ich in Absprache mit dem Zaubereiministerium in Canberra beschlossen, ihn vor die Wahl zu stellen, ob er mit mir leben möchte, wenn er weiß, was ich bin und dies auch immer sein werde.
Am Tag vor Beginn dieses Briefes habe ich ihm dann bei einer Tasse Tee und Kerzenlicht erzählt, daß ich eine echte Hexe bin und ihm vom Ministerium genehmigte Zauber vorgeführt, um ihn zu überzeugen. Wir sprachen sehr lange und ausgiebig über mein wahres Wesen und meine Ansichten zu den Maschinen und Künsten der Muggel. Ich sah Bill an, daß er sehr schwer schlucken mußte, um diese Tatsachen zu verkraften. Am Ende des Abends erklärte er mir, daß er sich nicht vorstellen könne, daß es mit uns beiden lange gutgehen dürfte, weil er eben in dem Glauben aufgewachsen sei, daß alles technisch geregelt werden müsse und es keine Magie gebe. Außerdem sei er als leitender Ingenieur verpflichtet, gesellschaftlich aufzutreten. Es würde schwerfallen, meine Natur immer geheimzuhalten. Daher verabschiedete er sich von mir und sagte nur, daß er nun guten Gewissens etwas unternehmen könne, was er schon vor einem Vierteljahr hätte angehen können.
In der Nacht modifizierte ein Vergissmich des Zaubereiministeriums sein Gedächtnis und gab ihm die Erinnerung, ich hätte ihm gestanden, seit einem Dreivierteljahr verlobt zu sein, aber aus beruflichen Gründen nicht bei meinem Verlobten leben könnte. Am nächsten Tag fuhr Bill mit einem Möbelwagen von seinem Haus ab. Offenbar hat er sich meinetwegen nicht für einen längst möglichen Ortswechsel entschieden. Naja, schade ist es. Immerhin mußte ich ihm nicht erzählen, daß du auch ein Zauberer bist.
Was bei euch im Zaubertrankunterricht passiert ist, kann vorkommen, sollte es aber nicht, wenn der Lehrer auf die Fragen der Schüler eingeht und nicht durch sein Auftreten jeden verschüchtert, nötige Fragen zu stellen. Aber das behalte besser für dich!
Ich weerde über die Ostertage in Millemerveilles verweilen, um mir die Zaubergärten in der Umgebung anzusehen. Da ich bei Camille wohnen werde, haben wir beide uns überlegt, ob du nicht am Ostersamstag auf einen Nachmittagstee oder -kaffee zu Besuch kommst. Claire und Virginie werden auch in Millemerveilles sein. Falls du jedoch in Hogwarts bleiben möchtest, schreibe mir oder Camille das bitte! Ich gehe jedoch davon aus, daß Mrs. Priestley dich gerne zusammen bei deinen Eltern aufsuchen möchte und sich die Osterferien dazu sehr gut anbieten. Sollten Deine Eltern der naiven Meinung verfallen, dich mal wieder in der Weltgeschichte herumzuschicken, dürften sie spätestens jetzt merken, daß sowas nicht mehr geht, solange jemand vom Ministerium sich um dich kümmert.
Lasse dich nicht von Snape ärgern, sondern behalte den Spaß am Lernen!
Aurora
"Ist doch schön, wenn die Ferien so verplant sind. Fehlt nur, daß mein Paps noch ankommt und mich auf eine Vortragsreise schickt", dachte Julius.
Nach dem Frühstück zog sich Julius in eine ruhige Ecke der großen Halle zurück und las noch den vierten Brief, den von Professor Faucon.
Sei gegrüßt, Julius Andrews!
Ich habe deinen Brief gelesen, als ich genug Zeit fand, ihn zu durchdenken und darauf zu antworten.
Es ist alles andere als belanglos, wenn Details über Personen preisgegeben werden, die eindeutig dazu angetan sind, das Leben dieser Personen zu verschlechtern, durch gesellschaftliche Ächtung oder offene Anfeindungen. Auch ist die Art und Absicht des von dir beigefügten Artikels nicht darauf ausgerichtet, neutral und sachlich das Problem von Halbriesen zu diskutieren, sondern suggeriert bereits Schritte, die die Leser zu vollführen haben. Deine logische Schlußfolgerung stimmt. Deshalb dürfte meine hochrespektierte Vorgesetzte nicht gerade vorurteilsfrei behandelt werden. Doch ich denke, daß Professor Dumbledore diese Situation bereinigen kann.
Die Enthüllung der Abstammung eures Wildhüters betrifft mich im Moment auch nicht so stark wie eine unangenehme Entwicklung, die Anlaß zu fundierter Wachsamkeit bietet.
Da ich Mitglied in der Liga gegen die dunklen Künste bin, werde ich regelmäßig darüber informiert, welche Anhänger schwarzer Magier aktiv sind oder welche Machtkonstellationen der dunklen Kräfte sich bilden oder abschwächen. Daher weiß ich, daß die Todesser, die Anhänger dessen, der sich Lord Voldemort nennt, in Aufruhr sind. Agenten der Liga, die unter Einsatz ihres Lebens Zugang zu kleinen Gruppen der alten Anhängerschaft erlangt haben, berichteten davon, daß das Stigma der Zugehörigkeit wieder sichtbar wird. Früher konnten Todesser von den Auroren, also den Kämpfern gegen die dunklen Magier an einem magisch eingebrannten Mal, das das dunkle Zeichen des schwarzen Lords zeigt, wie du es auf dem Foto von der Quidditch-Weltmeisterschaft gesehen hast, erkennen. Doch nach dem Machtverlust Voldemorts verschwanden diese Zeichen fast vollständig. Jetzt, so die Agenten der Liga, würden bei erwiesenen, jedoch rechtlich nicht dingfest zu machenden Todessern Frankreichs diese Symbole wieder deutlicher. Andere Hinweise auf eine mögliche Rückkehr des dunklen Lords habe ich aus einer zuverlässigen Quelle, die mir allein zugänglich ist. Ich kann nicht erkennen, wo der dunkle Lord, beziehungsweise seine derzeitige Existenzform steckt, aber er wird tatsächlich stärker. Unser Zaubereiminister will davon jedoch noch nichts wissen. Er geht davon aus, daß ein alter Todesser versucht, nach über dreizehn Jahren das Erbe seines alten Meisters anzutreten und noch rechtzeitig gestoppt werden kann.
Ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen. Doch halte ich es im Sinne von Catherines Fürsprache und meiner Erfahrung mit dir für richtig, dich zumindest vorzuwarnen. Halte bitte weiterhin deine Augen offen und teile mir sofort mit, wenn dir etwas auffällt, für das sich keine plausible Erklärung finden läßt!
Halte dich weiter so gut im Unterricht!
Prof. Blanche Faucon
Julius steckte den Brief von Professeur Faucon zurück in seinen Umhang und eilte zu seinen Klassenkameraden hinaus, die bereits auf dem Weg zum See auf dem Schloßgelände waren.
An einem Ufer des Sees war eine riesige Tribüne aufgebaut worden, auf der fast alle Schüler aus Hogwarts Plätze eingenommen hatten. Julius sah nach oben, wo die Lehrer in der Ehrenloge, mindestens der höchsten Reihe saßen. An einem Tisch, der am der Tribüne gegenüberliegenden Seeufer stand, warteten bereits die fünf trimagischen Richter. Julius sah an Stelle des korrekt auftretenden Mr. Crouch Percy Weasley, der einen geschäftsmäßigen Umhang trug. Madame Maxime unterhielt sich mit Fleur Delacour, während Karkaroff seinen Schützling Victor Krum anspornte. Ludo Bagman strahlte wieder helle Begeisterung aus, wenngleich er etwas nervöser schien als es seine Art war, fand Julius. Professor Dumbledore stand vor dem Tisch und blickte immer wieder zum Schloßportal.
Julius zählte die Champions und stellte fest, daß Harry Potter fehlte. Wo blieb der? Hatte er vor lauter Vorbereitungen die Uhrzeit verschlafen?
"Huhu, Julius!" Rief Pina Watermelon von der Tribüne her. Sie saß mit den anderen Ravenclaw-Mädchen der zweiten Klasse, sowie mit Kevin Malone in der dritten Reihe von unten. Sie klopfte auf einen freien Stuhl zwischen sich und Gloria Porter. Julius winkte ihr zu und spurtete zur Tribünentreppe hin, über die er mit jedem Schritt zwei Stufen nehmend hochstürmte wie ein Pirat, der ein vollbeladenes Schatzschiff entert. In der dritten Reihe schlängelte er sich an den sitzenden Mitschülern, darunter die Patil-Schwestern, Glenda Honeydrop und Fredo Gillers, vorbei und warf sich ungehemmt zwischen Pina und Gloria auf den freien Stuhl.
"War noch was wichtiges?" Fragte Gloria Porter.
"Nöh! Ich mußte nur einen Brief lesen, den ich nicht erwartet hatte. Aber jetzt habe ich nur noch Augen für das Turnier", sagte Julius, wobei er sich um einen lässigen Tonfall bemühte, um Gloria nicht auf die Idee zu bringen, etwas habe ihn beunruhigt.
"Wo sind denn die Beauxbatonss und Durmstrangs?" Wollte Julius wissen.
"Die hängen in ihren Gruppen zusammen. Ihre Schulleiter wollten nicht haben, daß sie sich unter uns Hogwarts-Schüler mischten. Hat wohl was mit Anfeuerungsstrategie zu tun", erläuterte Gloria. Julius sah sich um und entdeckte die elf verbliebenen Beauxbatonss in ihren blaßblauen Umhängen einige Reihen Höher am linken Rand der Tribüne und die in blutrote Umhänge gekleideten Schüler aus Durmstrang tuschelten am rechten Tribünenrand miteinander. Leicht beklommen sah er Ilona Andropova, ein Durmstrang-Mädchen mit leuchtend roter Mähne, die mit einem stämmigen Mitschüler sprach. Julius erinnerte sich wieder an den Zusammenstoß, den diese Durmstrang mit Henry Hardbrick hatte, weil dieser sie beleidigt hatte. Henry war daraufhin von Ilona mit dem Infanticorpore-Fluch belegt worden, der ihn für mehrere Tage körperlich zum Säugling hatte werden lassen.
"Hallo, träum nicht", rief Pina Julius in die Gegenwart zurück. Julius lief leicht rosa an, doch dann fand er etwas, um sich und die Mädchen von seinen Gedankenabschweifungen abzulenken. Denn soeben rannte Harry Potter auf den Tisch der trimagischen Richter zu.
"Was hält er denn da in der Hand?" Fragte Gloria. Julius sah zu Harry hinüber, konnte aber nur eine geschlossene Faust erkennen.
"Mist, der See ist zu groß, um genau zu sehen, was am anderen Ufer passiert", fluchte Kevin Malone, der links von Gloria und rechts von Gilda Fletcher saß.
"Oh-oh, wenn Potter das in der Hand hält, von dem ich denke, daß es das ist, könnte er tierischen Ärger mit unserem Lieblingslehrer Snape kriegen", bemerkte Julius.
"Du meinst, er hat sich bei Snape Dianthuskraut organisiert?" Fragte Gloria, die Julius' Bericht vom Ausflug zum See der Farben bei Millemerveilles kannte.
"Was sonst?" Erwiderte Julius, als sich Harry neben die übrigen Champions stellte. Krum, der nur mit einer Badehose bekleidet war, fror überhaupt nicht, während die drei anderen Champions fröstelten. Dann trat Ludo Bagman mit den Champions an das Seeufer und wirkte bei sich den Sonorus-Zauber, worauf seine Stimme über den See hinweghallte und jedes lauschende Ohr mit ausreichender Lautstärke erreichte. Bagman kündigte an, daß nun die zweite Runde des trimagischen Turniers beginnen würde. Die Champions sollten in den See hinabtauchen, um von dessen Grund das zu holen, was ihnen am wertvollsten sei. Da fiel bei Julius der Groschen.
"Deshalb war Cho nicht mehr zurückgekehrt", sagte er.
"Wie soll die denn im See sein, ohne zu ertrinken?" Fragte Pina.
"Schlaf der tiefen Ruhe", murmelte Julius. Gloria zupfte ihm am Umhang und fragte:
"Was meint der gnädige Herr?"
"Hmm? Achso. Ein Zauberschlaf, der jemanden so tief in Trance versetzt, daß alle Körperfunktionen auf ein Tausendstel verlangsamt werden. Man könnte denken, der Betroffene sei tot. Aber er oder sie behält die Körpertemperatur bei. Du kannst aber in diesem Zustand Tage zubringen, unter extremen Bedingungen. Nur Feuer oder zerstörende Kräfte können dir dann was anhaben. Aber du brauchst keinen Sauerstoff und keine Nahrung. Das Problem ist, daß du vorher festlegen mußt, was genau dich wieder aufwecken soll. Denn sonst wirst du nicht mehr wach, wenn nicht ein Gegenzauber gewirkt wird."
"Woher hast du denn das?" Fragte Pina erstaunt.
"Das hat Glorias Oma mir erzählt", sagte Julius. Gloria nickte.
"Oma Jane hat ihm ihre berühmten Gruselgeschichten erzählt, auch die von dem Mann, der von einer Hexe in diesen todesähnlichen Schlaf versetzt und beerdigt wurde. Ein halbes Jahr später trat die benannte Hexe an das Grab heran, sprach laut einen bestimmten Satz, der den armen Teufel aus der Tieftrance holte. Als er erwacht war, geriet er in Panik. Die Hexe ließ ihn eine Minute lang um Hilfe rufen. Dann ließ sie die Grabeserde über dem Zinksarg davonwirbeln und befreite ihr Opfer. Danach verschwand sie."
"Ach komm, Gloria! Das ist ja nicht wahr", meinte Pina.
"Auf jeden Fall ist das eine Möglichkeit, Leute unter Wasser zu verstecken, ohne Zauber zur Unterwasseratmung", schloß Julius das Thema ab.
Auf einen lauten Pfiff hin stiegen die Champions in den See. Julius fand seine Vermutung bestätigt. Harry Potter schob sich etwas in den Mund und kaute darauf herum. Dann ließ er sich nach vorne überfallen und tauchte in den See.
"Der hat ja Flossen statt Füße", stellte Pina erstaunt fest. Julius nickte nur. Dann beobachtete er die drei anderen Champions, die mit ihren Zauberstäben herumhantierten. Er sah, wie Victor Krum versuchte, sich irgendwie wassertauglich zu verändern, während Fleur und Cedric fast dieselben Zauberstabbewegungen um ihre Köpfe herum ausführten. Fleur und Cedric wurden schnell mit ihren Zaubern fertig und warfen sich in die schwarzen Fluten des Sees. Victor Krum bemühte sich noch um seine Magie. Schließlich verformte sich sein Kopf derartig, daß er dem Schädel eines Haies entsprach und mit großen Reißzähnen ausgestattet war. Krum tauchte im See unter.
"Oha, ob der sich nach dem Tauchgang wieder hinkriegt? Sah ziemlich kompliziert aus, diese Kopfverwandlung", kommentierte Julius das Abtauchen der Champions.
"Was haben die beiden anderen gemacht, Julius? War das dieser Kopfblasenzauber, den die Erwachsenen auf deinem Ausflug angewendet haben?" Fragte Gloria. Julius bejahte es.
Eine Stunde sollten die Champions haben, um zurückzuholen, was ihnen am wertvollsten war. Eine Stunde lang sahen die Schüler aus Hogwarts, Beauxbatons und Durmstrang auf den See. Die Richter saßen an ihrem Tisch. Madame Pomfrey, die Schulkrankenschwester, war zwischenzeitlich mit Decken und Flaschen mit Zaubertränken eingetroffen und wartete auf die Rückkehr der Champions. Sie unterhielt sich mit Dumbledore, wobei sie erregt gestikulierte.
"Die Stunde ist um", murmelte Julius nach dem X-ten Blick auf seine neue Armbanduhr. Doch keiner der Champions steckte seinen Kopf aus dem See. Dann, irgendwann, tauchte Cedric aus dem Wasser auf. Sofort kam der schlaffe Körper Cho Changs an die Oberfläche. Cedric drehte sie so, daß sie frei atmen konnte. Sogleich begann Cho, aus eigenen Kräften zu schwimmen.
"Aha, der tiefe Schlaf soll verfliegen, wenn die bezauberte Person nach dem Untergang im See wieder auftaucht", erkannte Gloria.
"Wo sind die anderen?" Wollte Kevin wissen, dem es doch etwas mulmig wurde, als er Cho Chang sah, die zum Ufer paddelte.
"Der see ist sehr groß. Die können sich verschwommen haben. Hoffentlich reicht das Dianthuskraut aus, um Harry sicher zur Oberfläche zurückzubringen", sagte Julius.
Als nächster Champion erschien Victor Krum. Er hielt die rechte Hand von Hermine Granger. Wie vorher Cho Chang erwachte auch Hermine aus dem Zauberschlaf, als ihr Kopf aus der Seeoberfläche gehoben wurde. Sie kam zu Kräften und schwamm an Krums Hand weiter.
Am Ufer erwartete sie schon Madame Pomfrey und wickelte sie in die warmen Decken ein und flößte ihnen aus den Zaubertrankflaschen soviel ein, daß es aus ihren Ohren dampfte.
Als Fleur Delacour mit zerfleddertem Umhang und völlig aufgelöst aus dem See auftauchte, starb das Raunen der Zuschauer ab. Julius starrte auf das Beauxbatons-Mädchen, dessen silberblonde Haare total durchwühlt waren. Wo war Gabrielle, Fleurs Schwester, die er gestern noch gesehen hatte?
"Da ist was passiert", dachte Julius. Cedric und Victor Krum hatten ihre Geiseln befreit, auch wenn sie weit über die Zeit im See geblieben waren. Was war mit der kleinen Schwester Fleurs.
Fleur wollte mit ihrem Zauberstab den Kopfblasenzauber erneut wirken. Doch Madame Maxime bellte einen scharfen Befehl zu ihr hinüber.
"Was wollte sie?" Fragte Pina Julius leise.
"Fleur soll aus dem Wasser. Sie hat ihre Chance vertan", übersetzte Julius leise, was Madame Maxime gerufen hatte.
Fleur schwamm ans Ufer, wo ihre Schulleiterin sie sofort ergriff und in eine der Decken einschlug, die Madame Pomfrey bereithielt.
"Verdammt, wo bleiben die anderen?" Fragte Julius.
"Du meinst Harry Potter und seinen Freund Ron?" Fragte Gloria. Julius nickte. Sicher war es Ron Weasley, den Harry retten sollte, da Hermine Granger, seine Schulfreundin, offenbar das wertvollste war, das Krum retten sollte. Die Spannung stieg.
Als Harrys schwarze Struwelmähne und Ron Weasleys feuerroter Haarschopf aus den schwarzen Fluten tauchten, gab es keinen, der nicht ein erleichtertes Aufatmen ausstieß. Dann sah Julius noch den silbrigblonden Haarschopf eines Kindes von wohl acht Jahren.
"Der hat beide geholt", stellte Julius bewundernd fest.
"Wer ist die Kleine?" Fragte Pina und deutete auf Gabrielle Delacour. Julius sagte ihr, wer das kleine Mädchen war und woher er sie kannte, verschwieg jedoch, wie es zu der ersten Begegnung mit ihrer Schwester Fleur gekommen war.
Aus dem See tauchten grünhaarige Schädel auf, und silberne Fischschwänze peitschten das schwarze Wasser. Meerleute, Männer mit Speeren und eine alte Frau mit einer merkwürdigen Kette aus Fischzähnen geleiteten Harry Potter und die beiden letzten Geiseln zum Ufer. Fleur wollte noch einmal ins Wasser, um ihre Schwester zu holen und hätte es fast geschafft, sich aus der sanften aber unlösbaren Umklammerung Madame Maximes zu befreien. Am Ufer versorgte Madame Pomfrey die Nachzügler mit ihrer Aufwärmmedizin. Dann berieten die Richter.
Bagman verkündete unter Zuhilfenahme des Stimmverstärkungszaubers, daß Cedric 47 von 50 möglichen Punkten bekommen hatte, weil er als Erster zurückgekommen war. Krum und Fleur schnitten schlechter ab, Fleur sogar nur mit 20 Punkten, weil sie ihre Geisel nicht hatte retten können.
Harry Potter bekam, weil er sich dafür eingesetzt hatte, alle Geiseln in Sicherheit zu wissen, 45 Punkte zugesprochen und zog in der Gesamtwertung mit Cedric Diggory gleich.
Alle Hogwarts-Schüler jubelten, weil ihre beiden Champions an der Spitze waren.
Julius beobachtete, wie die Meerleute sich in den See zurückzogen, nachdem ihre Anführerin noch mal mit Dumbledore gesprochen hatte.
"Was wäre passiert, wenn die Geiseln nicht befreit worden wären?" Fragte Pina Watermelon.
"Die hätten Tage in diesem Zustand unter Wasser bleiben können, Pina. Der Schlafzauber hätte sie vor dem Ertrinken geschützt", sagte Gloria.
Auf dem Rückweg zum Schloß dachte Julius noch mal an das Dianthuskraut, daß Harry benutzt hatte. Das konnte er nur von Snape haben. Und Snape hätte es ihm niemals gegeben. Also hatte Harry es entweder aus Snapes Büro gestohlen, oder jemand anderes hatte es für ihn besorgt. Auf jeden Fall war das außergewöhnlich genug, um gleich am Abend Francis mit einem Brief an Professeur Faucon loszuschicken. Julius beschrieb den zweiten Turnierdurchgang, erwähnte die Punktzahlen und wie Harry sich für den Tauchgang vorbereitet hatte. Er schloß mit den Sätzen:
"Harry kann das Dianthuskraut nur aus dem Vorrat unseres Zaubertrankmeisters haben. Doch Professor Snape würde Harry keine Portion geben, selbst wenn Harry sich vor ihn in den Staub werfen würde. Ich denke, jemand hat das Dianthuskraut für ihn beschafft, um sicherzustellen, daß er die zweite Runde bestreiten kann, weil zu vermuten war, daß er weder den Kopfblasenzauber, noch eine halbe Verwandlung wie Victor Krum beherrscht. Im Punkte Eigenverwandlung habe ich heute bei Victor Krum gesehen, wie kompliziert es sein muß, nicht danebenzuzaubern. Ich fürchte, daß ich da spätestens meine Grenzen finden werde."
Francis, der erst am Morgen zurückgekehrt war, schüttelte sich zwar ein wenig, als Julius ihn schon wieder nach Beauxbatons schicken wollte. Doch dann nahm er den Brief und flog eilig davon.
"Ich denke, daß ich ihn nicht immer hin und herschicken soll. Vielleicht hätte ich ihm eine Botschaft für Claire mitgeben sollen, um zwei Nachrichten zur gleichen Zeit unterzubringen", überlegte Julius. Dann ging er in die große Halle, wo er sich beim Abendessen mit Jeanne unterhielt, die mit Gloria den Platz getauscht hatte, um sich erzählen zu lassen, wie er den Turniertag empfunden hatte.
"Es war interessant, wie Krum die unvollständige Verwandlung gebracht hat. Kannst du sowas auch?" Wollte Julius wissen.
"Selbstverständlich. Aber es ist anstrengend und bedarf großer Konzentration. Probier das nie aus, wenn du allein bist!" Erwiderte Jeanne Dusoleil.
"Habe ich nicht vor", beruhigte Julius die älteste Tochter von Madame Dusoleil. Diese nickte wohlwollend.
Cho, die von allen gefragt wurde, wie sie in die Hände der Meerleute gelangt war, erzählte ruhig und ohne jede künstliche Einfärbung, daß sie von Dumbledore in einen Zauberschlaf versenkt wurde. An mehr könne sie sich nicht erinnern. Es sei jedoch allen Geiseln zugesichert worden, daß ihnen nichts passieren würde.
Kevin sagte zu Julius:
"Wenn Potter an das Dianthuskraut kam, könnten wir uns das doch auch mal ausleihen und in den See tauchen."
Julius sah Kevin irritiert an. Dann antwortete er:
"Bist du lebensmüde? Snape wird Potter schon dafür anpfeifen, wenn nicht noch schlimmeres mit ihm anstellen, wenn das Zeug wirklich von ihm kam. Außerdem reizt es mich nicht sonderlich, in einen See zu tauchen, in dem dieser Riesenkrake herumpaddelt."
"Gerade deswegen will ich ja dahin", gab Kevin erregt zurück.
Julius grinste nur. Kevin war unverbesserlich, wenn es um Monsterwesen ging.
Nach dem Abendessen schickte er Madame Dusoleils Eule mit einer Nachricht zurück, daß er noch nicht wisse, ob er über Ostern frei über seine Zeit verfügen könne, aber sich für die Einladung bedankte.
Im Schlafsaal der Zweitklässler diskutierten die fünf Jungen noch über den zweiten Turniertag und entwarfen Möglichkeiten, wie die dritte und letzte Runde aussehen würde. Julius bot Kevin eine Wette an, daß die dritte Runde in einem Irrgarten ablaufen würde.
"Ich habe mit meinen Freunden gerne Abenteuer gespielt, wo Gruppen aus Zauberern, Kämpfern und Dieben durch solche Labyrinthe streifen und dabei gegen alle möglichen Monster und Fallen bestehen müssen. Das wäre doch was."
"Okay, Julius. Ich nehme die Wette an. Ich sage, daß die Champions in der dritten Runde gegen ausgewachsene Zauberer kämpfen müssen, um ihre Fluchabwehr und Raffinesse zu zeigen."
"Alles klar", bestätigte Julius.
Die vier Zeiger seiner Weltzeituhr zeigten Viertel nach zwölf an, als Julius sich zum schlafen umdrehte.
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