SCHAULAUF

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Was bisher geschah | Vorige Story

P R O L O G

In den Ferien erleben Julius Latierre und seine Frau Mildrid die Quidditch-Weltmeisterschaft in Millemerveilles mit. Sie werden von Brittany und ihrem Mann Linus besucht, die wie Gloria Porter und Pina Watermelon in den Gästezimmern des Apfelhauses schlafen. Sie nehmen vom Zaubereiministerium vergebene Ferienberufe als Besucherbetreuer an, weil sie mehr als eine Sprache können und sich in Millemerveilles gut auskennen. So bekommt Julius die Ankunft der Gruppen aus seiner alten Schule Hogwarts und die der US-Schule Thorntails direkt mit. Er kann mit interessanten Hexen und Zauberern wie ehemaligen Mitschülern sprechen. Kevin Malone reist mit seinen Eltern und seiner Cousine Gwyneth an. Das Verhältnis zwischen ihm und Julius unterkühlt für einige Zeit, weil Kevin immer noch davon überzeugt ist, Julius ließe sich herumkommandieren und alles mögliche aufladen. Erst Gwyneth bricht das Eis zwischen ihrem Cousin und dessen früherem Schulfreund. Die Eröffnungsfeier ist ein Spektakel von magischen Tanz- und Gesangsdarbietungen. Das Eröffnungsspiel gewinnt Frankreich gegen Tunesien. Brittany beschwert sich über die Vorführung von Zauberwesen wie den tunesischen Wüstenteufeln oder dem amerikanischen Großfuß Bob. England kann Mexiko besiegen. Irland wirft Österreich im hohen Bogen aus dem Turnier. Einen Tag darauf muß auch die Mannschaft aus Tirol gehen, was zu ersten Zwischenfällen frustrierter Fans führt, die sich vom Lärm der südafrikanischen Anfeuerungströten um den verdienten Sieg geprellt fühlen. Daß nicht jeder in Hogwarts auf Julius gut zu sprechen ist bekommt er mit, als der Muggelstämmige Jack Bradley ihm unverhohlen vorwirft, am Tod seiner Eltern und eines ungeborenen Geschwisterkindes schuld zu sein. Dieser Jack Bradley scheint über das dunkle Jahr, das er obendrein in Askaban hatte verbringen müssen, nicht hinwegzukommen. Nur die Warnung seiner mitgereisten Schulkameradin Glenda Honeydrop läßt Julius rechtzeitig eingreifen, als Jack vor den Augen der mit Zwillingen schwangeren Jeanne Dusoleil versucht, in ein Beet mit gefährlichen Springschnappern hineinzurennen. Jack wird danach von Madam Pomfrey nach Hause gebracht. Ob er je wieder nach Hogwarts zurückdarf ist sehr fraglich. Rita Kimmkorn und Linda Knowles versuchen dauernd, Julius zu Stellungnahmen über sein Leben und seine Beziehungen auszuhorchen. Weil Julius davon ausgeht, daß Rita Kimmkorn eine unangemeldete Animaga ist spannt er Abfangzauber in seinem Garten aus, die sie in welcher Gestalt auch immer festhalten, sollte sie sich dem Haus nähern. Doch Rita Kimmkorn findet ein neues Ziel, Linda Knowles und Gilbert Latierre, beides Kollegen anderer Zeitungen. Sie setzt in Umlauf, daß Linda sich an Gilbert heranmachen möchte, um dessen gute Kontakte auszuschöpfen. Außerdem streut sie aus, daß die Frau des nordamerikanischen Zaubereiministers, die im August zum zweiten Mal Mutter werden soll, ihre Schwangerschaft nur vortäusche. Australien kann sich gegen Spanien durchsetzen, wobei Julius zum ersten mal die in Spanien lebenden Meigas und ihre mächtige Magie kennenlernt. Julius feiert den siebzehnten Geburtstag mit über dreißig Gästen. Seine Mutter, die weit nach der Geburt magisch aktiviert werden konnte, hat ihre ZAG-Nachholprüfungen bestanden. In der Nacht nach der Geburtstagsfeier träumt Julius, daß er unsichtbar und unbeweglich der Geburt eines Mädchens beiwohnt, dessen Mutter wie eine Tochter der Hexe Daianira Hemlock aussieht. Weil er die Gedanken des Kindes wie die Stimme der verschollenen Professeur Tourrecandide zu hören vermeint, und weil die transvitale Entität Ammayamiria ihn kurz nach Vollendung der Geburt in seine Wirklichkeit zurückträgt weiß er nicht, ob das ein Wahrtraum war oder nur eine aus dem Unterbewußtsein aufgestiegene vorstellung. Denn ihm fällt nur ein, daß es zwischen Tourrecandide und der angeblich toten Daianira eine magische Beziehung gab, die durch Anthelia und den Fluchumkehrzauber aus Altaxarroi geknüpft wurde, so daß Tourrecandide deshalb verschwand, um als Daianiras Tochter wiedergeboren zu werden. Millie und er beschließen, davon zunächst keinem was zu erzählen.

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Linda Knowles hatte ja schon was angedeutet. Dennoch traf es Julius am Morgen des 22. Juli sehr unvorhersehbar, als er von Brittany die Ausgabe der Stimme des Westwinds vom 20. Juli bekam, die ihre Schwiegereltern per Expresseule geschickt hatten. Der Westwind hatte keine Kosten gescheut, Farbfotos abzudrucken. So sprang ihm das Bild der rundlichen Frau mit den haselnußbraunen Haaren förmlich durch die Augen ins Gehirn. Sofort waren die Bilder und Geräusche aus seinem Traum wieder da. Brittany und den anderen fiel natürlich auf, wie heftig es Julius erwischt hatte. Er sagte schnell, daß er nie damit gerechnet habe, daß Daianira Hemlock eine Tochter hatte und daß diese ausgerechnet dann aus dem Unbekannten auftauchte, wo sie selbst ein Kind erwartete. Linus scherzte darauf:

"So verstört wie du das Bild dieser Theia Hemlock angeglotzt hast könnte man meinen, du hättest mit der eine schöne Nacht gehabt und nicht im Traum damit gerechnet, daß sie dabei ein Kind kriegen könnte." Julius hätte fast gesagt, daß das nicht mal so weit hergeholt war. Doch Millie sprang ein und lachte Linus an:

"Das wüßte Madame Rossignol aber, wenn mein Mann mit der da was ganz heißes erlebt hätte, Linus. Solange wir bei der in der Truppe sind petzen unsere Armbänder alles schöne und runterziehende, was uns durch den Kopf oder sonstwo durch den Körper geht." Julius erkannte, daß es doch die bessere Taktik gewesen war, seiner Frau den nun nicht mehr ganz so abgedrehten Traum zu erzählen. Aber im Grunde konnte er sich schon die Frage stellen, ob er an der Entstehung dieses Kindes nicht eine gewisse Mitschuld trug. Doch nur weil Daianira eine Tochter hatte, die auch gerade Mutter wurde mußte der Rest des Traums noch nicht zutreffen.

"Dann müßt ihr die werte Dame wohl um Erlaubnis bitten, wenn ihr euch in den Ferien mal richtig austoben wollt, oder?" Fragte Linus jungenhaft grinsend.

"In den Ferien nicht, Linus", konterte Millie augenzwinkernd. "Mehr müßt ihr nicht wissen." Julius durfte die Geschichte hinter dem Foto laut vorlesen. Lindas Kollegin hatte sie in die Zeitung gesetzt. Eigentlich eine so dramatische Geschichte, daß sie durchaus so passiert sein konnte. Doch Julius kannte genug Möglichkeiten, eine Lebensgeschichte vorzutäuschen. Gut, das US-Zaubereiministerium kannte diese Tricks wohl noch besser als er. Doch auch wenn Cartridges Leute keinen Haken gefunden hatten hieß das nicht, daß die Herkunft und Geschichte Theia Hemlocks nicht doch getürkt worden war, um einen wesentlich heftigeren Vorfall zu vertuschen. Neben der Geschichte über die junge Mutter, die am Abend des 20. Juli einer Tochter das Leben schenkte fand sich noch ein Artikel über die immer noch schwelende Gefahr des Vampirismus, nachdem in einer Kleinstadt namens Daisytown alle Menschen zu Vampiren gemacht worden waren. Er las dabei auch, daß viele der Vampire von einem oder einer Unbekannten mit einer besonderen Form der Flammengeißel eingeäschert worden seien, bevor die angerückten Kampfzauberer des Ministeriums den oder die Unbekannte oder Unbekannten vertrieben hätten. Darüber hinaus schürten sogenannte Wohlinformierte aus dem Zaubereiministerium das Gerücht, Cartridge habe vor seiner Abreise ausgelotet, ob die Erbin der Sardonianerin nicht solange Ruhe geben mochte, wie die Gefahr der hinter Daisytown stehenden Macht bestand. Das meinte also Linda Knowles, als sie ihn darauf hinwies, er könne noch mal wegen seinen Begegnungen mit Anthelia befragt werden. Gut, wenn er jetzt gefragt würde, ob er das für möglich halte, daß die neue Hexenlady ihre Aktivitäten gegen die freie Zaubererwelt ruhen ließ, bis die Bedrohung durch das Vampirreich Nocturnia vom Tisch war, würde er glatt zustimmen, daß sie wohl kein Interesse daran habe, ein geschwächtes Zaubereiministerium gegen diese Brut antreten zu lassen. Auch konnte sie eine Abwartehaltung einnehmen und zusehen, wer am Ende übrigblieb. Naturgemäß gingen bei einem Krieg die Sieger nicht immer gestärkt aus dem ganzen hervor. Sie konnte es sich also leisten, ihre sonstigen Sachen auf Eis zu legen. Vielleicht gefiel ihr aber die Rolle der Dea ex Machina so sehr, daß sie darauf lauerte, in einer für das Ministerium ausweglosen Lage die unverhoffte Wende zum Sieg zu ermöglichen. Immerhin hatte sie ihm mit dieser Geduld und Berechnung zweimal das Leben gerettet.

"Träumst du von dieser Sabberhexe?" Fragte Linus Julius. Dieser schüttelte den Kopf und erwiderte nur, daß er darüber nachgedacht hatte, welche Vorteile die Erbin Sardonias aus einem Stillhalteabkommen schöpfen mochte. "Sie kann es sich leisten, Linus. Abgesehen davon wissen die ja offenbar immer noch nicht, wer sie genau ist und schon gar nicht, wer alles zu ihrer Gruppe gehört. Nachher hängt da noch wer mit drin, der oder die nach außen eine ganz besondere Rangstellung hat. Mehr sage ich da mal besser nicht zu, wo Linos Ohren wie Langstreckenradarantennen kreisen."

"Die dürfte jetzt doch total gefrustet sein, weil sie hier in Millemerveilles rumhängt, um eine Weltmeisterschaft zu beobachten, für die sich in ihrem Land nur ein Häufchen Leute interessiert", meinte Pina dazu. "Vor allem jetzt, wo die Yankees aus dem Turnier geflogen sind", fügte sie noch hinzu.

"Hey, da waren auch ein paar aus dem Süden bei", grinste Brittany. Dann deutete sie auf das von ihr freigegebene Interview und lachte, als sie Gildforks wütende Erwiderung vorlas. "Das die alte Schachtel sich nicht schämt, wirklich den dümmsten Troll mit der Knollenase drauf zu stoßen, daß sie nur an Geld und Besitz denken kann. Soll die mal auf Schadensersatz klagen. Dann fahre ich mit Mels und ihrer Tante Dis Anwalt zum Gericht und lasse den aufdröseln, ob die die gesamte Mannschaft wie Vieh gehalten hat, wenn sie meint, persönlichen, materiellen Verlust erlitten zu haben. Wer weiß, was Lino bis dahin noch alles aus deren Keller ausbuddelt."

"Ihr wißt, wir alle leben in einer materiellen Welt ..." sang Pina die ersten Zeilen des Kehrreims eines Megahits der Achtziger nach. Julius grinste. Brittany und Linus lachten laut. Gloria verzog nur das Gesicht, während Millie gerne das ganze Lied gehört hätte. Pina sang es dann vor und schaffte es sogar, die technisch erhöhte Stimmlage der Originalsängerin zu treffen. Millie grinste dann. "Na klar, die ist das, die mit den Montferres und Tante Babs Mädels zusammen Geburtstag feiert", bemerkte sie dann noch.

"Gut, die Bezeichnung "Mädchen" wäre bei der Gildfork eine schamlose Übertreibung", meinte Brittany. "Wenn die mir unterstellt, ich sei "vor dem Erreichen meiner geistigen Reife" verheiratet worden frage ich mich, ob die sich da nicht selbst mit meint. Aber das sollen dann andere prüfen, wenn die meint, unbedingt groß vor Gericht aufzutreten."

"Lassen wir die werte Mrs. Gildfork mal in Ruhe!" Forderte Gloria. "An der können wir ja nichts ändern."

"Klar, weil die bei Mel eine Menge Galleonen läßt, um ihren angeklebten Naturpelz so glatt und knitterfrei wie es geht zu halten", feixte Brittany. Gloria errötete leicht, nicht vor Verlegenheit, wie sie sofort klarstellte:

"Hey, Britt, du lieferst der auf Gold und andere Oberflächlichkeiten festgenagelten Dame echt genialen Stoff, um dich vor Gericht runterzumachen. Abgesehen davon sollte meine werte Cousine die Sachen aus ihrem Beruf nicht so locker rumtratschen. Könnte ihr von ihrer Chefin her mal ziemlich übel abgerechnet werden. Außerdem kann ich mich dran erinnern, daß du bei Mel auch jede Menge aus dem Warenangebot beziehst, seitdem das Geschäft auch rein pflanzliche Produkte im Angebot hat. Also beiß die Hand nicht, die dich schminkt und striegelt!"

"Ey, ich habe nix gegen Mel oder deine Mom gesagt, daß du mich jetzt so gifttriefend anzischst wie eine Klapperschlange", verteidigte sich Brittany. Julius blickte die beiden jungen Hexen an. Bisher konnten die sich doch wunderbar vertragen. Aber beide schienen irgendwie auch nicht mehr so ruhig oder so locker zu sein wie früher. Bei Gloria mochte es vielleicht doch eine gewisse Anspannung sein, wofür sie überhaupt so gut in der Schule war. Bei Britt konnte es diese schwere Balance zwischen ihrer Spielerkarriere und einem glücklichen Familienleben sein. Stand ihm und Millie das auch noch bevor?

"Muß das jetzt auch noch sein, Gloria und Brittany?" fragte Pina genervt. "Ich interessier mich eher für die Geschichte von dieser Theia Hemlock. Was ist an der so besonderes beziehungsweise an deren Mutter?" Brittany erzählte Pina nun, was in den Staaten über Daianira Hemlock bekannt war und daß sie zu ihren Lebzeiten eine gewisse Macht errungen hatte. Sie habe auch gegen die Entomanthropenkönigin Valery Saunders gekämpft und sei am Ende von der getötet worden. Ob das stimme wisse aber keiner, da man keine Leiche von Daianira Hemlock gefunden habe.

"Das Biest konnte seine Opfer in eigene Kinder verwandeln, so ähnlich wie ein Vampir", stöhnte Linus. "Ich meine dieses Monster Valery." Julius nickte Linus mitfühlend zu. Brittanys Mann hatte das Grauen miterlebt, als die Entomanthropin Cloudy Canyon überfallen hatte. Linus hatte dabei aus Versehen seinen eigenen Vater mit dem Todesfluch getroffen, als er eines von Valerys Geschöpfen erledigen wollte. Pina erbleichte, als Linus ihr die Geschichte noch einmal erzählte, wo er es bisher tunlichst vor anderen verschwiegen hatte. Gloria meinte dazu, daß die Wiederkehrerin dafür sicher im dunkelsten Winkel der Totenwelt an eine Wand gekettet worden sei. Brittany vermutete, daß man sie dort gar nicht erst hineingelassen hätte und sie für ihre ganzen Verbrechen als Ungezifer wiedergeboren werden müsse, immer und immer wieder. Julius hütete sich davor, etwas zu sagen. Sollte er den beiden Hexen jetzt auftischen, daß Anthelia sie alle überleben konnte, weil sie mit einer von den Tränen der Ewigkeit veränderten Magierin aus dem alten Reich körperlich und geistig vereint worden war? Besser nicht, solange sie zum Frühstücken nicht in einem Klangkerker saßen!

"Wann fängt das Spiel der Russen gegen Bulgarien an?" Fragte Linus Brocklehurst unvermittelt.

"Das ist ab sieben uhr Abends im Hauptstadion", sagte Julius. "Achso, dann erst. Ich dachte, die müßten früh anfangen. Großtante Hygia hat mir gesagt, ich solte mir das Spiel ansehen, weil beide osteuropäische Besen flögen und das anders abliefe als bei den Feuerblitzen und Broncos."

"Klar, wegen Grischa Romanow", meinte Brittany dazu und erwähnte einen russischen Austauschschüler, der vor sechs Jahren in Thorntails gewesen sei und da auf seinen Buran-Besen geschworen habe. Der sei zwar ein schneller Renner gewesen, habe aber keine schnellen Bewegungsänderungen ausgehalten und sei deshalb häufiger abgestürzt.

"Klar, weil sich die Flugzauber des Buran mit dem der damaligen Bronco Donnervogel verheddert haben", meinte Linus. "Aber es stimmt schon, daß Grischa deshalb öfter bei Madam Merryweather im Krankenflügel war. Außerdem mochte der kein Quodpot, weil er bei einem Spiel mal mit dem Quod direkt vor der Nase rausgeknallt wurde."

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"Stimmt, hat den zwei Tage bei deiner Großtante eingebrockt, dem die Gesichtshaut und das Augenlicht wiederherzustellen, weil der den Quod unbedingt mit der Nase abspielen mußte, wo der schon drachenfeuerheiß war", erwiderte Brittany. "Sitzt der jetzt nicht bei den Ruskis im Besenkontrollamt?" Wandte sie sich an Millie.

"Laut meiner Mutter ist der da in diesem Jahr zum Chef aufgestiegen, und das mit gerade zweiundzwanzig. Mehr möchte ich nicht dazu sagen, weil zu viel Vermutung dabei ist."

"Ach, hat der mit der Schwiegermutter vom zaubereiminister geschlafen?" Fragte Linus. Julius merkte, daß das vielleicht zu weit ging und warf statt dessen ein, daß Romanow wohl nach dem Unfall in Thorntails an einer maßgeblichen Verbesserung der Flugbesen mitgearbeitet habe und daher eine so steile Karriere hingelegt habe wie ein Besenflieger im Rosselini-Raketenaufstieg. Linus nickte Julius zustimmend zu. Sicher konnte Romanow deshalb so schnell befördert worden sein.

"Was machen wir mit dem angefangenen Tag?" Fragte Pina. Julius hatte heute wieder Besucherbetreuungsdienst. Millie hatte bis zum Nachmittag frei. Dann sollte sie das Spiel Bolivien gegen Griechenland betreuen, während Julius den Rest des Tages zur freien Verfügung hatte.

"Wollten deine Mutter und Olivia nicht mit dir nach Aix rüber?" Fragte Gloria Pina. Diese schüttelte den Kopf. "Das kriegen wir morgen, weil Mum für das Frankreichspiel keine Karten mehr kriegen konnte ... und nicht über bestimmte Beziehungen drankommen möchte." Millie wollte schon sagen, daß ihre Mutter bestimmt noch drei Karten aus dem großen Kasten für die Abendkasse abzweigen könne. Doch Pina hatte das geahnt. Julius fragte, ob die Hollingsworths nicht nach Avignon wollten. Pina nickte. Vielleicht konnte sie Bettys und Jennas Eltern bitten, sie und ihre Familie mitzunehmen, zumal die Watermelons ihre Reisekosten sicher selbst übernehmen würden. So disapparierte Pina nach dem Frühstück, um in der Nähe der Hollingsworths herauszukommen. Julius selbst zog sich um und trat seinen Dienst an.

Am Portschlüssellandeplatz West löste er Virginie ab, die gerade eine Gruppe älterer Hexen aus den Staaten zu einem Zeltplatz gebracht hatte. "Die waren zwar traurig, daß die US-Mannschaft schon aus dem Turnier ist, wollen aber vor allem Irland und Frankreich sehen", sagte Virginie. Dann übergab sie Julius die Liste der eingetroffenen Portschlüssel.

"Eine gewisse Madam Pabblenut war da nicht bei?" Fragte Julius argwöhnisch.

"Neh, die wäre mir aufgefallen. So unbekannt ist die ja nicht. Waren alles Veteraninnen aus dem Hexeninstitut von Salem", erwiderte Virginie und deutete auf eine blau-weiß-rot gemusterte Rüschendecke, die säuberlich gefaltet im Korb der gerade nicht benötigten Portschlüssel lag.

"Ist doch interessant, wie viele Nordamerikaner trotz der heftigen Niederlage immer noch anreisen", grüßte Linda Knowles, die auf ihrem schnittigen Besen heranglitt und gekonnt hinter Julius und Virginie landete.

"Die wollen wissen, ob die Belgier wirklich so überragend gespielt haben, Ms. Knowles", grüßte Julius zurück.

"Sie haben also die Ausgabe vom zwanzigsten erhalten?" Fragte sie zurück. Julius ahnte, worauf die Reporterin hinauswollte und erwiderte nur, daß die Ausgabe einige interessante Artikel enthalten habe, über die er jedoch noch genauer nachdenken müsse. Dazu bräuche er jedoch Zeit.

"Hat sich Ihre derzeitige Mitbewohnerin Mrs. Brocklehurst schon über die Drohung von Mrs. Gildfork geäußert? Immerhin gehörte Mrs. Brocklehurst ja zu den Kritikern der US-Mannschaft und empfand es als sehr schön, daß diese vorzeitig ausschied."

"Mrs. Brocklehurst wird sicher gerne mit Ihnen darüber sprechen, wenn sie ihre Meinung dazu äußern möchte", sagte Julius dazu nur. Da tauchte der erste Portschlüssel auf. Es war ein komplett durchgerosteter, verbeulter Cadillac, dessen Anblick jeden Oldtimerfan Tränenfluten in die Augen getrieben hätte. An ihm und in ihm trafen dreißig Personen aus New York ein.

"Einen schönen guten Morgen, Ladies and Gentlemen!" Grüßte Julius die Ankömmlinge. Linda peilte bereits einen knapp zwei Meter großen, drei Zentner schweren Zauberer im himmelblauen Umhang an, der einen zitronengelben Zylinder trug. Das war der Generaldirektor der Buslinie Blauer Vogel. Seine Begleiterin war knapp einen Meter fünfzig groß und fast selbst so dünn wie ein Besenstiel. Sie trug ein erdbeerrotes Kleid mit silbernen Schulterpartien.

"Der Morgen ist hier wirklich shön", sagte eine Hexe in Grasgrün, die gerade aus dem verbogenen Kofferraum des Cadillacs kletterte und sich mit dem Zauberstab die Rostflecken aus ihrem Kleid entfernte. Julius fragte sich jetzt wirklich, was die Leute aus den Staaten hier noch wollten.

"Sind die Ruskis schon am spielen?" Fragte ein knapp neunzehn Jahre alter Zauberer mit einer orangeroten Bürstenfrisur, der bei den Muggeln sicher als Punker durchgegangen wäre. Julius zwang sich zu einer gefühlfreien Miene und erwähnte die Anfangszeiten der heutigen Spiele. Dann fragte er nach der Unterbringung. Zur Antwort zog der Drei-Zentner-Zauberer eine spielzeugautogroße Version der beliebten blauen Überlandbusse aus seinem Umhang und setzte sie auf den Boden. Unvermittelt wuchs das kleine Vehikel zum veritablen Dreideckerbus an. "Das ist unser Haus und Büro, junger Mann", sagte der Träger des zitronengelben Zylinders noch. Julius räusperte sich und fragte nach einer Genehmigung für den Bus, da muggelartige Fahrzeuge in den Grenzen von Millemerveilles nicht gerne gesehen wurden.

"So rückständig sind die noch hier?" Entglitt es dem Busfirmenchef. "Jetzt weiß ich, warum die Gents aus Ihrer Verkehrsabteilung mir diese meilenlange Pergamentschlange auf den Hals gejagt haben, daß ich eine Sondergenehmigung bräuchte und garantieren müsse, daß dieses Fahrzeug keinen Verbrennungsantrieb oder Transitionsturbo verwendet. Aber wenn George L. Bluecastle III. verreist tut er dies immer in seinem Prunkstück, dem blauen Vogel Nummer eins. Schon schlimm genug, daß wir mit diesem detroiter Trauerspiel da anreisen mußten, weil die Grundausstattung meiner rollenden Residenz keine Portschlüsselzauberei mehr annehmen wollte. Aber die wollten mich hier haben, also müssen die auch die Lady da reinlassen." Er deutete auf den Dreidecker und winkte dann einem dunkelhäutigen Zauberer in der Uniform der Blauer-Vogel-Linie. "Jeff, ans Werk!" Kommandierte er noch. Julius mußte sich sehr arg beherrschen, keinen Unmut zu äußern. Der Typ da sprach von den Bürgern Millemerveilles' als rückständig und kommandierte einen afroamerikanischen Mitarbeiter rum wie ein alter Baumwollplantagenbesitzer seine Sklaven? Na ja, vielleicht täuschte der Eindruck auch nur, beruhigte sich Julius innerlich.

"Ähm, trotzdem würde ich die schriftliche Zusage gerne sehen, daß Sie mit diesem Bus nach Millemerveilles hineindürfen, Sir. Nachher muß ich mir noch dummes Geschwätz anhören, ich hätte mich im Eifer der Anreisen austricksen lassen. Abgesehen davon könnte man Ihnen das blaue Wunder da genauso umbauen wie den zerbeulten Caddy", beharrte Julius auf die ordentliche Durchführung seiner Arbeit. Bluecastle schnaubte verächtlich, während die kleine, dünne Hexe an seiner Seite verhalten kicherte. Sie sah Julius an und zwinkerte. Dann rückte Mr. Bluecastle doch mit einem Schriftstück heraus, auf dem ein smaragdgrüner Stempelabdruck "Ausnahme für dreistöckigen Omnibus, Farbe himmelblau auf Westwiese genehmigt prangte und die Unterschriften von Madame Delamontagne, Monsieur Pierre und Camille Dusoleil zu finden waren. Er las die Genehmigung, während der Motor des Busses bereits laut röhrend zum Leben erwachte. Dann reichte er das Schriftstück an den Eigentümer zurück und winkte dem Busfahrer, daß er durchfahren könne, solange er sich an den Wegweisern zur Westwiese hielt. Linda Knowles wollte schon ein Interview mit Mr. Bluecastle machen. Doch dieser trieb gerade alle Leute zusammen, die mit ihm fahren wollten. Julius sollte den kaputten Cadillac parken. Julius machte die beiden wichtigen Zauberstabbbewegungen und sprach dazu die beiden Zauberwörter "Wingardium leviosa!" Knarrend stieg der Cadillac einige Zoll in die Luft und glitt schwankend nach rechts, bis er zwischen einer ebenso rostigen Regentonne und einem wurmstichigen Bettgestell landete. Die ihm bei dieser Bewegungsaktion zusahen klatschten Beifall.

"Konnten Sie den nicht kleinzaubern?" Fragte ein Junge von gerade neun Jahren, der neben einer älteren Hexe stand, die seine Großmutter oder Großtante sein konnte.

"Rodney, frag den jungen Mann doch nicht sowas dummes!" Tadelte sie den Jungen und sah Julius abbittend an. Dieser lächelte jedoch und sah den Jungen an:

"Das alte Auto ist ein Portschlüssel und soll euch oder wen anderen irgendwann wieder nach Hause bringen. Damit das geht darf es nicht mit was anderem bezaubert werden, abgesehen davon, daß ein Verkleinerungszauber bei einem schon gezauberten Portschlüssel nicht mehr richtig geht. Madam, wenn ein Kind was wissen möchte soll es den oder die fragen, die das machen, was er oder sie wissen möchte. Ich möchte Ihnen nicht in Ihre Erziehung dreinreden. Aber Kinder, die nicht fragen dürfen bleiben entweder dumm oder verlernen es, mit Leuten vernünftig zu reden. So habe ich das zumindest gelernt."

"Ja, aber das ist doch wirklich eine dumme Frage", zischte die ältere Hexe, während sie ihren Schützling auf den blauen Bus zustieß. Julius widersprach ihr behutsam:

"Eine Frage wird dann erst dumm, wenn sie dumm beantwortet wird, Madam. Mehr zu sagen steht mir wirklich nicht zu."

"Dann beschränken Sie sich gütigst auch auf Ihre klaren Obliegenheiten, junger Sir!" Knurrte die ältere Hexe.

"Ey, Annie, wir warten noch auf dich und den kleinen", blökte Bluecastle aus der offenen Fahrgasttür heraus.

"Das lag nicht an mir, George", knurrte die ältere Hexe und klaubte den trödelnden Jungen auf, um ihn wie ein Kleinkind auf dem Arm in den Bus zu bringen. "Mr. Lättier, haben Sie noch Zeit, uns diese Westwiese zu zeigen, bevor wer aus Ihrem hübsch verschlafenen Dörfchen uns dumm anschnaubt?" wandte sich Bluecastle noch an Julius. Dieser prüfte die Zeit bis zum nächsten Portschlüssel und nickte. "Neh, Ms. Knowles, Sie fahr'n nich' mit uns. Wenn Sie'n Interview von mir wollen erst voranmelden wie zu Hause auch", wies Bluecastle die Reporterin ab. Diese lächelte jedoch darüber und gab Bluecastle einen Zettel in die Hand. "Les ich mir durch, wenn die Lady da steht, wo sie keinen stört", blaffte Bluecastle. Dann ließ er die Tür zugehen. "Und los Jeff!" Rief er dem Fahrer zu. Julius konnte sich gerade noch an einer der Haltestangen festhalten, als der Bus bereits anfuhr. "Mit Transitionsturbos kommen Sie nicht ins Dorf. Also besser ganz normal fahren!" Rief Julius dem Fahrer zu, der schon die Hand auf einem kleinen Hebel hatte.

"Was passiert denn, wenn Jeff doch da durch will?" Fragte Bluecastle.

"Günstigstenfalls legt sich der Bus dann nur aufs Dach. Schlimmstenfalls kann man uns dann alle unter einem Arm nach Hause tragen", gab Julius eine Auskunft, von der er nicht wußte, ob das überhaupt zutraf. Er wußte nur, daß Ortsversetzungszauber nicht durch die Kuppel drangen. Bluecastle grummelte und wies den Fahrer an, dann den Geschwindgang einzulegen. Jeff grinste vorfreudig und legte einen roten Hebel hinter dem großen Lenkrad um. Unverzüglich preschte der Bus mit wildem Getöse los, schien dabei knapp über dem Boden zu schweben und durchstieß die unsichtbare Glocke Sardonias. Julius schätzte, daß der Bus gerade mit Besenfluggeschwindigkeit über den Boden raste. "Wer ist hinter Ihnen her, daß wir so rasen müssen, Sir?" Fragte er Bluecastle. "Sagen Sie Ihrem Fahrer bitte, langsamer zu fahren!"

"Ich habe einen Termin, den ich nicht versäumen darf. Zeit ist Gold, Junger Mann", knurrte Bluecastle. "Jeff, Geschwindigkeit beibehalten!" Der Fahrer nickte gehorsam und hielt auf die erste Abzweigung zu, die zur Westwiese führte. Julius erkannte, daß eine Diskussion über die überhöhte Geschwindigkeit nichts bringen würde und machte weit genug vorher die entsprechenden Handzeichen, um den Bus an den schemenhaft vorbeihuschenden Schildern Richtung Westwiese zu bugsieren. Dabei flog Bluecastle der Zylinder vom Kopf, so daß alle sehen konnten, daß der Busunternehmer eine spiegelblanke Glatze besaß. Der zitronengelbe Hut kullerte durch den Gang, während der Bus gerade an einer Gruppe von Menschen vorbeidröhnte. Julius sah es im Rückspiegel aufblitzen. Dann erklang ein sich wiederholendes Geräusch, das wie ein unter schwerem Schluckauf leidender Ochsenfrosch klang.

"Links hinten außen platt, Sir!" Knurrte Jeff, während der Bus ein wenig ruckelte. "Abgestoßen und gewechselt!" sagte er noch, als das Warngeräusch mit einem rülpsenden Klang verstummte.

"Den Reifen setzen wir gleich auf die Rechnung, Mr. Lättier", knurrte Bluecastle. "Können froh sein, daß wir nie ohne Zwillingsreifen fahren."

"Ich habe Sie vorhin gewarnt, daß Ihr Gefährt im Ort nicht unbedingt willkommen ist, Sir. Außerdem habe ich Sie deutlich darauf hingewiesen, daß Sie nicht so rasen sollen", erinnerte Julius den Chef der Blauer-Vogel-Linie.

"Das Grüne davorne?" Stieß Jeff eine Frage aus, weil eine größere Grünfläche auf sie zukam. Julius bejahte es. Jeff legte den roten Hebel wieder um. Der Bus wurde leiser und langsamer, holperte einmal und fräste dann eine breite Spur in das Gras, bis der Bus an einem Schild ankam, auf dem ein angekettetes Vierradfahrzeug abgemalt war. Es befahl "Hier abstellen!" auf Französisch, Englisch und zwei weiteren Sprachen. Julius konnte sich die Frage nicht verkneifen: "So, Sir, wie lange beabsichtigen Sie zu bleiben?"

"Bis dieses Quidditchbecherchen bei den Iren, Schotten oder Belgiern gelandet ist, Mr. Lättier. Sie können denen von Ihrer Bürgerschaft gerne weitersagen, daß die Lady jetzt hier bleibt, bis wir uns die letzte Schau angesehen haben. So alle, die nicht hier wohnen bitte aussteigen!" Dann holte sich der Busunternehmer seinen entfallenen Zitronenzylinder per Aufrufezauber zurück.

"Wer anderswo als hier eine Unterkunft oder einen Lagerplatz gebucht hat möchte mir das bitte sagen, damit ich Sie dort hinführen kann!" Übertönte Julius die Blökstimme des Busunternehmers locker und unüberhörbar. Von den dreißig mitgereisten wollten zwanzig noch zu einem der Zeltplätze. Julius übernahm die Führung, während die zehn Mitglieder von Bluecastles Hofstaat schon dabei waren, sich mit ihrem rollenden Untersatz häuslich einzurichten.

Als Julius wieder beim Portschlüsselankunftsplatz west eintraf war dort außer Linda Knowles auch Ceridwen Barley.

"Ein wenig gewöhnungsbedürftig der werte Mr. Bluecastle, nicht wahr", versuchte Linda Knowles aus Julius eine persönliche Äußerung herauszukitzeln.

"Das ist im Grunde das, was diesen Job so interessant macht, Ms. Knowles. Man kriegt es jeden Tag oder jede Stunde mit unterschiedlichen Leuten zu tun", erwiderte Julius darauf. Mrs. Barley grinste belustigt.

"Der ist Ihnen gewachsen, Ms. Knowles. Finden Sie sich langsam mal damit ab", lachte sie die Reporterin an. Dann deutete sie auf den Ankunftsplatz, wo gerade ein blaues Licht aufglühte und ein riesiger Baumstamm materialisierte. An diesem hingen dreißig Männer und Frauen, wobei die Männer alle Schottenröcke in den Farben der McFustys trugen. Eine der Frauen ähnelte Ceridwen so sehr, daß sie nicht abstreiten konnte, deren Tochter zu sein. Julius erkannte sie auch so. Es war die neue Verteidigungslehrerin in Hogwarts, Professor Megan Barley. Julius stellte sich den Neuankömmlingen vor und fragte nach der Unterbringung. Megan Barley würde bei ihrer Mutter und ihrer Schwester Galatea wohnen. Deshalb brauchte er sie auch nicht zu führen. Die Angehörigen des McFusty-Clans brachte er auf Besenstielen zum Zeltlager, wo die anderen McFustys schon waren. Unterwegs fragte er den ältesten, ob die Drachen im Reservat nun ohne Bewachung seien.

"Laddy, unser Clan zählt über zweihundert Mitglieder. Fünfzig von denen passen noch auf die Drachen auf", lachte der Schotte, bevor er einen Dudelsack hervorkramte und damit die anderen anregte, ihrerseits das schottische Volksinstrument hervorzuholen. Wenige Sekunden später war die Luft vom lauten Trällern der Instrumente erfüllt. An der Spitze dieser Pfeifengruppe flog Julius über den Zielort ein und landete.

"Wo ist denn Rita Kimmkorn abgeblieben?" Fragte Julius Linda Knowles, die hinter dem Tross hergeflogen war.

"Stimmt, die Dame hat sich seit ihrer illustren Geschichte über mich und Monsieur Gilbert nicht mehr in meiner Nähe sehen lassen", lachte Linda Knowles, bevor sie mit Julius zurückflog. "Gut, ich werde nur die von Ihnen vorhin gegebene Antwort auf meine Frage nach Mr. Bluecastle zitieren, junger Sir. Aber ich habe Ihnen schon angesehen, daß sie mit der direkten und herrischen Art des Gentleman gewisse Gewöhnungsschwierigkeiten hatten. Da möchte ich Sie gerne beruhigen und Ihnen mitteilen, daß dies allen so ergeht, die mit ihm zu tun haben, ob zum ersten oder zum tausendsten Mal."

"Um Ihnen noch was zitierfähiges zu liefern sage ich dazu mal: Es gehört zur Tradition der Quidditch-Weltmeisterschaft, daß anreisende Hexen und Zauberer gerne damit auftrumpfen, was sie haben oder wer sie sind. Bei einer so hohen Konzentration international anerkannter Hexen und Zauberer zwischen vielen staunenden Zuschauern muß das wohl so sein."

"Dann möchte ich Sie doch fragen, wie Sie die Frage bewerten, daß es in den USA und womöglich weltweit eine Übereinkunft zwischen der Hexenschwesternschaft schwarze Spinne und den Zaubereiministerien geben könnte."

"Nun, ich habe als Sohn eines Wissenschaftlers und einer logisch denkenden Mutter gelernt, daß Sachen, die in der Möglichkeitsform erwähnt werden keine klaren Ansichten erlauben, weil denen die wirklichen Tatsachen fehlen. Daher kann ich nur eine vorsichtige Vermutung aussprechen, wenn ich sage, daß diese Schwesternschaft zum einen nichts von einem geschwächten Ministerium hat, wenn dadurch eine größere Bedrohung entsteht. Zum anderen kann sich diese Schwesternschaft leisten, Ruhe zu geben, ja vielleicht unterstützend einzugreifen, wenn es ihr in den Kram paßt, aber eben nur dann. Ob auf ein Zaubereiminister auf dieser wackeligen Grundlage eine echte Übereinkunft schließt kann ich so nicht sagen. Ich weiß ja auch nicht, wer die Schwesternschaft führt, da mir die Person vom Aussehen her völlig unbekannt ist und dies auch gerne so bleiben darf, wenn sie ähnliche Ziele verfolgt wie ihre Vorgängerin."

"Die Ihnen zweimal das Leben gerettet hat", warf Lino ein. Julius wiederholte deshalb, daß sie das nicht aus Mitmenschlichkeit getan hatte, sondern weil er ein lohnender Köder für ihren Kampf gegen Hallitti und Bokanowski war.

"Sie haben auch einmal mit Daianira Hemlock sprechen können. Wie betrachten Sie den Umstand, daß diese von der heimatlichen Öffentlichkeit unbemerkt eine Tochter geboren hat und diese nun, ein Jahr nach Daianiras Tod, selbst eine Tochter zur Welt brachte?"

"Nun, dazu kann ich nur sagen, daß ich weder der Vater von Theia Hemlock noch der von ihrer Tochter bin und daher kein Recht habe, mich irgendwie dazu zu äußern", erwiderte Julius so nüchtern er konnte. Womöglich konnte Lino jedoch die feinen Schwingungen in seiner Stimme heraushören, die ihr verrieten, wie heftig ihn dieses Thema doch umtrieb. So wunderte es ihn nicht, daß sie sagte:

"Sie halten ihre Geschichte also für glaubhaft. Immerhin könnte es ja sein, daß jemand versucht haben mag, eine Widersacherin des Zaubereiministeriums in die Staaten einzuschmuggeln."

"Wie erwähnt steht mir zur Person von Ms. Hemlock kein öffentliches Urteil zu. Was das Einschmuggeln von Widersachern angeht, so behaupte ich jedoch, daß es die Staaten nicht nötig haben, ausländische Widersacher eingeschmuggelt zu bekommen, wo es dort selbst wohl noch genug Leute gibt, die den Ansichten der Todesser gewogen sind oder zur dieser heimlichen Hexenschwesternschaft gehören. Wenn Sie auf die Meldung über eine Zunahme von Vampirismus anspielen, so habe ich in der Schule gelernt, daß Vampirinnen seltenst eigene Kinder austragen können. Dazu müßten sie ständig das Blut von Säuglingen trinken. Das wäre aufgefallen. Also hat die junge Hexe namens Theia Hemlock wohl nichts mit diesen neuen Vampirvorfällen zu tun."

"Dazu dürfen Sie wohl eine persönliche Ansicht äußern: Haben Sie Angst, das auch in Millemerveilles die Vampirsaat aufgehen könnte?"

"Sagen wir es so, es gibt in der Zauberer- und der Muggelwelt genug Leute, die Vampire bewundern, ihnen nacheifern wollen oder eben selber welche sein möchten. Die freuen sich wohl, wenn es ein Gift oder Virus oder Bakterium gibt, daß den Vampirismus ohne die üblichen Methoden verbreitet. Für Leute wie meine Frau und mich, die unsere Zukunft darin sehen, schöne Sonnentage zu erleben, im Meer zu baden und feste Nahrung mit Knoblauch zu genießen ist die Vorstellung, das alles nicht mehr tun zu können beängstigend. Ob das was in Daisytown passiert ist auch in Millemerveilles möglich ist will ich weder bejahen noch verneinen. Doch die Wahrscheinlichkeit dürfte hier geringer sein als anderswo, weil böswillige Zauberwesen nicht hierher vordringen können. Alles andere wären Spekulationen und unerwünschte Panikmache. Dieser möchte ich mich nicht schuldig machen. Bitte respektieren Sie das!"

"Wie beurteilen Sie den Unterschied zwischen Vampiren, Werwölfen und jenen Kreaturen, mit denen Sie unangenehme Bekanntschaft gemacht haben?" Fragte Linda Knowles.

"Werwölfe sind keine Monster, sondern kranke Menschen, die unsere Hilfe und unseren Beistand verdient haben", setzte Julius an. "Beim direkten Vergleich zwischen Vampiren und Abgrundstöchtern würden die Vampire gnadenlos unterliegen, weil die Abgrundstöchter keine Vampire in ihrer Nähe dulden. Obwohl jene, die hinter dem in Ihrer Zeitung erwähnten Begriff Nocturnia stecken meine Meinung nicht brauchen, um ihre Taten zu verüben sage ich doch mal: Verscherzt es euch nicht mit einer der beiden wachen Schwestern. Ihr würdet dann keinen Monat mehr überleben! Nur so viel dazu, weil Sie ja darauf anspielten, ich hätte dazu wegen meiner Erfahrungen eine interessante Meinung zu äußern."

"Das genügt mir als klare Aussage", beendete Linda das Stehgreifinterview. Danach ließ sie Julius seine Arbeit fortsetzen.

Die Sache mit dem blauen Bus schlug einiges an Wellen. Das merkte Julius noch während seines Portschlüsselempfangsdienstes. Monsieur Pierre, der Sicherheitsverantwortliche im Dorfrat von Millemerveilles, flog auf einem Ganymed 10 zu Julius herüber und fragte ihn, wie das genau gelaufen war. Denn ein aus Angst wütend gewordener Familienvater aus Italien hatte dem knapp an seiner dreijährigen Tochter vorbeirasenden Bus einen Reducto-Fluch nachgejagt, der den hintersten linken Außenreifen zum platzen gebracht hatte. "Signore Latorre ist entrüstet über diese Rücksichtslosigkeit und will den Dorfrat zur Kasse bitten. Konnten Sie diesem Amerikaner nicht klarmachen, daß er langsam durch unsere Gemeinde fahren soll, wenn er schon darauf bestanden hat, eine Sondergenehmigung zu erhalten?"

"Monsieur Pierre, nichts für ungut", setzte Julius an, der sich nicht als Sündenbock anbieten wollte. "Sie haben die Genehmigung erteilt. Ich habe Ihre Unterschrift auf dem entsprechenden Pergament gesehen. Dann möchte ich doch mal fragen, was Sie dazu gezwungen hat, diese Erlaubnis zu erteilen, wo Sie wußten, wie schnell Motorfahrzeuge unterwegs sein können? Abgesehen davon wußte ich auch nicht, daß dieser Dreideckerbus einen Turbogang hat, mit dem er knapp an der Grenze zum abheben über Land fahren kann. Als ich das mitbekam waren wir schon im Dorf und kurz vor dem Parkplatz."

"Moment mal, Monsieur Latierre, wollen Sie mir jetzt unterstellen, ich sei für diesen Zwischenfall verantwortlich?" Entrüstete sich Pierre ungeachtet, daß gerade eine Gruppe aus Wales am Portschlüsselankunftspunkt eintraf. Julius straffte sich. Er hatte zwar gelernt, diszipliniert und auch im Rahmen der Vernunft gehorsam aufzutreten, aber ungerechte Behandlung wollte er sich dann doch nicht bieten lassen. So sagte er mit fester Stimme:

"Wenn Sie Ihren durchaus berechtigten Einwand gegen eine Zulassung dieses Fahrzeugs durchgesetzt hätten wäre der Bus nicht so locker durch Millemerveilles gefahren. Außerdem habe ich dem Fahrer gesagt, er müsse nicht so rasen. Aber sein Chef verwies auf einen drängenden Termin und brachte den aus den Staaten stammenden Spruch von der zeit, die Gold beziehungsweise Geld sei. Da ich erkannte, daß eine lange Diskussion den Gentleman nicht umstimmen konnte und ich den Fahrer nicht noch mehr ablenken durfte mußte ich quasi den wilden Stier laufen lassen und konnte mich nur an seinen Hörnern festhalten. Anders hätten Sie oder einer Ihrer festen Angestellten die Lage leider auch nicht bewältigen können. Ich wage sogar zu bemerken, daß man uns von der Besucherbetreuung früh genug über diese Sondergenehmigung hätte informieren und den Abstellplatz näher an der magischen Abgrenzung hätte festlegen können. Aber im Moment habe ich zu tun. Wenn Sie meinen, mich für den wildgewordenen Omnibus zur Verantwortung ziehen zu wollen wenden Sie sich an meine derzeitige Vorgesetzte! Vielen Dank!" Monsieur Pierre blieb der Mund offenstehen, weil Julius so selbstsicher, ja unerschütterlich gesprochen hatte. Der Sicherheitschef von Millemerveilles sah die Reisegruppe, die gerade wild tuschelte, weil niemand sich um sie kümmerte und nickte Julius zu. "Ich kläre das mit Ihrer derzeitigen Vorgesetzten, Monsieur Latierre", schnarrte er und saß auf seinem Besen auf. Linda Knowles, die sichtbar in der Nähe lauerte, grinste, als der ältere Zauberer auf seinem schnellen Besen davonflog. Julius klatschte in die Hände, um das in einer ihm unbekannten Sprache geführte Gespräch zu unterbrechen und die volle Aufmerksamkeit zu gewinnen. Was bei Madame Maxime und Madame Faucon ging klappte tatsächlich auch hier. Denn nun sahen alle den in goldenem Hemd, weißer Hose und blau-weiß-rot quergestreiftem Umhang gekleideten Jungzauberer an. Dieser stellte sich nun auf Englisch vor und entschuldigte die Verzögerung damit, daß es zu einer organisatorischen Unstimmigkeit gekommen sei, die nicht früh genug hatte geklärt werden können. Dann spulte er die bereits eingeschliffene Begrüßungs- und Wegführungsroutine ab.

Am Mittag zitierte Madame Hippolyte Latierre ihren Ferienmitarbeiter zum Hauptsitz des Organisationskomitees für die Quidditchweltmeisterschaft. Dieser war im Rathaus eingerichtet worden, auf derselben Etage, auf der auch Monsieur Pierre sein Sprechzimmer hatte.

"Was ist da passiert, Monsieur Latierre?" Begrüßte Hippolyte ihren Schwiegersohn förmlich. Dieser straffte sich erneut und erstattete einen umfassenden Kurzbericht. "Monsieur Pierre wirft Ihnen Respektlosigkeit vor und Fahrlässigkeit im Umgang mit magischen Fahrzeugen. Allerdings konnte ich bei einer Befragung ergründen, daß er sich über die magicomechanischen Möglichkeiten des betreffenden Vehikels nicht gut genug informiert hat, obwohl das Genehmigungsverfahren lange genug gedauert hatte. Da konnte ich ihm klar vorhalten, daß wenn er schon nicht wußte, was dieser Bus konnte, Sie das erst recht nicht wissen konnten."

"Hat Monsieur Pierre Ihnen auch gesagt, daß ich eingewendet habe, der Bus hätte schon in der Nähe der Außengrenze abgestellt werden können?" Fragte Julius. Seine Schwiegermutter und derzeitige Arbeitgeberin schüttelte den Kopf. Julius wußte, daß Lino das mitgehört hatte und erwähnte es auch.

"Mit anderen Worten, Monsieur Pierre und die für dieses Genehmigungsverfahren mitverantwortlichen Dorfräte haben versäumt, dieses Motorfahrzeug nahe genug an der Außengrenze abstellen zu lassen, womöglich weil der Herr aus den Staaten um die Sicherheit seines Gefährtes besorgt war. Gut, dann nehme ich diesen Ihren Einwand auch ins Protokoll auf. Ich weiß, daß schmeckt Ihnen sicher nicht, aber ich möchte zu dem Vorfall gerne einen schriftlichen Bericht von Ihnen haben, da es wegen des überhöhten Fahrtempos zu Beschwerden kam und Mr. Bluecastle kurz nach der Ankunft bereits Schadensersatz für einen zerstörten Druckluftreifen eingefordert hat. Sie haben morgen erst ab zwei Uhr nachmittags Dienst. Wenn Sie es hinbekommen, den Bericht bis dahin auf meinen Schreibtisch landen zu lassen wäre ich Ihnen sehr verbunden. Eine offene Insubordination kann ich nach der Aussage von Ihnen nicht erkennen, zumal Monsieur Pierre ja offenbar versucht hat, seine Versäumnisse auf Sie abzuladen. Befolgung von Anordnungen ist wichtig. Aber Ungerechtigkeiten gestatte ich nicht, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad zu meinen Mitarbeitern. Sie dürfen gehen!"

"Sehr wohl, Madame Latierre", bestätigte Julius. Er beherrschte sich sehr, seine Wut nicht zu zeigen. Wenn das das Los eines Ministerialbeamten oder Mitarbeiters in einer Firma war, für irgendeinen Versager als Sündenbock herzuhalten, mußte er sich echt fragen, ob er nicht sein eigener Chef werden und eine ein-Mann-Firma gründen sollte. Doch sowas kostete Geld und Nerven, zumal die pergamentfressende Raupe der Bürokratie auch dort zuschlug. So nahm er diesen Zwischenfall als eine wichtige Lektion hin, die ihm für die Zeit nach der Schulausbildung als Erfahrungsgrundlage dienen mochte.

"Und wegen dieses Yankees darfst du jetzt eine Strafarbeit abliefern?" Fragte Millie. Julius berichtigte sie dahin, daß es wegen Monsieur Pierre sei. Dann zog er sich in das für ihn selbst eingerichtete Arbeitszimmer zurück, um den angeforderten Bericht so früh es ging fertigzubekommen. Was hatte Bluecastle gesagt? "Zeit ist Gold." Nur würde Julius keine Galleone mehr für diese Extraarbeit bekommen. Zumindest hatte Hippolyte dem Sicherheitsbeauftragten den Wind aus den Segeln genommen. Das sollte ihm als Entschädigung reichen.

Während gerade die osteuropäischen Besucher im Hauptstadion dem Spiel Rußland gegen Bulgarien zusahen mischte sich Julius unter die Zaungäste, die an einer der großen Bildverpflanzungsleinwände das Spektakel verfolgten.

"Krum! Krum! Krum!" Brüllten die Zuschauer los, weil Victor Krum gerade in einer halsbrecherischen Flugbewegung um beide Klatscher herumzirkelte und wie ein angreifender Adler in die Tiefe schoß.

"Das ist wieder mal ein Bluff!" Rief ein Zauberer, der Englisch mit irischem Akzent sprach. "Hat der bei der letzten Weltmeisterschaft schon gemacht. Da, der Russe fällt sprichwörtlich drauf rein." Julius nickte. Denn Krum fing den eigenen Besen gerade noch einen Meter vor dem Aufschlag ab und jagte ebenso steil wieder nach oben, wie er nach unten vorgestoßen war. Sein russischer Gegenspieler schlug derweil mit der Besenspitze voll in das Spielfeld ein und wurde im hohen Bogen von seinem Fluggerät abgeworfen. Der Besen zerbrach in zwei Teile. Das Spiel wurde unterbrochen. Krum hatte den Schnatz jedoch nicht gefangen.

"Der hat ein perfektes V ausgeflogen, alle Achtung!" Stellte Julius fest, als er sich den Wronsky-Bluff und das Durchstartmanöver Krums noch einmal mit dem Omniglas anzeigen ließ. "Das sein Besen die Belastung bei der Winkeländerung mitmachte ..."

"Ui, Ohren zuhalten!" Rief der Irische Zauberer, als aus den Tonübertragungsvorrichtungen ein lautes Geheul erklang. Das wurde von den Veelas ausgestoßen, die unter den rechten Torringen standen. Die russischen Maskottchen waren Feuerfeen, die knapp einen halben Meter groß waren und so aussahen, als stünden sie immer in die Farbe wechsenden Flammen. Julius erkannte, wie stark der Veela-Zauber auf die Spieler und Zuschauer im Stadion wirkte, während die Zuschauer hier vor der Leinwand noch laut klatschten, weil Krum seinen direkten Gegenspieler so gründlich verladen hatte. Daß der Russe dabei hätte sterben können war denen offenbar nicht so klar, erkannte Julius. Die Medimagier behandelten Gregori Tupulew, den ausgetricksten Sucher. Julius verfolgte mit, wie sie erst seinen Nacken fixierten, ihn dann auf eine beschworene Trage schweben ließen und dann mit Zaubern hantierten, die er als Frakturbehebungszauber kennengelernt hatte. Dabei schüttelte der Truppführer der russischen Heiler jedoch den Kopf und gab durch reine Gesten Anweisung, den Spieler in einen Streckverband zu legen. Der Chefheiler wies zur Mannschaft hinüber, wobei er den Daumen nach unten hielt. Damit zeigte er an, daß Tupulew wohl nicht weiterspielen konnte. Sofort ging der Reservesucher Antonov mit einem intakten Besen in die Startaufstellung der Mannschaft. Nach nur fünf Minuten ging die Partie weiter. Allerdings bekam Krum jetzt heftigen Ärger mit den russischen Treibern, beziehungsweise mit den von diesen geschlagenen Klatschern. Dadurch bekamen die bulgarischen Jäger zwar mehr Freiraum, um Tore zu machen. Doch den Treibern stand die Wut über Krums Bluff ins Gesicht geschrieben.

"Die wollen den auch noch auf die Trage kloppen", vermutete ein junger Zauberer mit walisischem Akzent. Julius nickte beipflichtend. Krum war jedoch ein sprichwörtlicher Überflieger. Er tanzte die Klatscher aus, bot sich scheinbar für direkte Angriffe an, um genau dann, wenn die Klatscher unterwegs waren, durch Rosselini-Raketenaufstieg oder einen gewagten Sturzflug zu entwischen. Damit schaffte er es ohne Dawn'sche Doppelachse, die beiden gefährlichen Bälle so durchfliegen zu lassen, daß sie zwei russische Jäger an Brustkorb und Schulter trafen. Julius mußte trotz der ernsten Lage für die beiden grinsen und rief: "Freundliches Feuer!" Der Ire fragte, was das mit Feuer zu tun haben sollte. Julius mußte ihm dann kurz erklären, wo der Begriff herstammte und was er bedeutete. "Ach, 'n Muggelwort", grummelte der Ire verdrossen.

Der Kapitän der aus fünf Zauberern und zwei Hexen bestehenden Mannschaft aus Rußland war stinksauer. Er selbst war der Hüter der Mannschaft und stauchte seine Treiberkameraden so kräftig zusammen, daß diese beinahe auf ihre halbe Körpergröße einzuschrumpfen schinen. Als das Spiel dann weiterging hielten sie sich erst zurück. Doch dann zielten sie genauer auf Krum, wenn hinter diesem keine russischen Spieler flogen. Das Spiel verlor jedoch an technischer Qualität. Es wurde zum reinen Schlachtfest. Einer der bulgarischen Jäger wurde von seinem russischen Gegenspieler so arg gefoult, daß er für zwei Minuten heilmagisch behandelt werden mußte. Der daraus resultierende Strafwurf wurde vom russischen Kapitän und Hüter gehalten. Das steigerte die Wut auf bulgarischer Seite. Sie stießen mit aller Macht vor und lieferten sich mit ihren Gegnern eine regelrechte Keilerei über dem Spielfeld. Julius mußte an eine Schlacht mittelalterlicher Ritter denken, wenn die Russen ihre Besenstiele schon wie Lanzen gegen ihre bulgarischen Gegenspieler führten. Der Nnorwegische Schiedsrichter kam aus dem Pfeifen nicht mehr heraus. Der breitschultrige Zauberer mit dem dichten, aber gerade in den Nacken wallenden Blondschopf verhängte nur noch Strafwürfe. Das ließ zwar den Punktestand auf beiden Seiten anwachsen. Doch mit spielerischer Finesse hatte das nichts mehr zu tun. In den Auszeiten schwenkte das magische Auge, daß über dem Stadion flog immer wieder zu den Tribünen und übermittelte Großaufnahmen von interessanten Zuschauern. Julius sah seine Schwiegermutter in der Ehrenloge. Ihr Gesicht war eine starre Maske der Enttäuschung. Sie hatte wohl wie die meisten anderen auf eine ansprechende, technisch hochwertige Partie gehofft. Julius sah auch den russischen Zaubereiminister Arcadi, den er von dem unfreiwilligen Ausflug nach Rußland her kannte. Dieser war schlicht wütend, weil die Bulgaren es nur noch auf Strafwürfe anlegten und der russischen Mannschaft jeden annähernd interessanten Spielaufbau verdarben. Der bulgarische Zaubereiminister lachte, wenn wieder mal ein russischer Jäger fast in den Besenstiel eines bulgarischen Gegenspielers raste.

"Die können doch genial spielen", schimpfte ein älterer Zauberer auf Französisch, der wohl auch auf eine technisch und sportlich hochwertige Begegnung gehofft hatte. "Warum bringt die beiden Mannschaften keiner zur Vernunft?"

"Ich denke, Madame Latierre wird das nächste Spiel einer der beiden Mannschaften liebendgern wen anderen kommentieren lassen", bemerkte Julius knochentrocken. Dann sah er, wie die ersten Zuschauer bereits das Stadion verließen. Das hatte er bisher beim Quidditch oder Quodpot noch nicht gesehen. Sowas kam dann wohl eher beim Fußball vor, wenn die Fans einer unaufholbar zurückliegenden Mannschaft vor dem Schlußpfiff das Stadion verließen. Offenbar handelte es sich um die neutralen Zuschauer, die nur ein spannendes Quidditchspiel sehen wollten. Wieder fing das Bildübertragungsartefakt über dem Stadion Nahaufnahmen aus den Zuschauerreihen ein. Julius sah Madame Faucon, die ebenfalls sichtlich enttäuscht war und erkannte auch Louis Vignier, der im letzten Jahr mit ihm in der Quidditchmannschaft gespielt hatte. Was mochte der jetzt vom Profi-Quidditch halten? Sicher würde er seinen Eltern nichts davon erzählen, wie dieses Spiel gerade lief. Madame Latierre reichte es offenbar irgendwann. Sie feuerte rote Funken über das Spielfeld. Der Schiedsrichter pfiff beide Mannschaften herunter. Hippolyte verließ die Loge und lief mit weit ausgreifenden Schritten auf das Spielfeld. Mehrere Dutzend Fotoapparate fingen diesen Vorgang ein. Dann sprach sie mit den Funktionären, die hinter der Auswechselbank saßen. Sie wirkte noch einen meter ggrößer als sie ohnehin schon war. Julius kannte die Gestik seiner Schwiegermutter. Die sah offenbar gerade rot oder hatte die Nase gestrichen voll von diesem Spiel. Die Spieler konnten wohl kein Französisch. Ob Hippolyte Russisch konnte wußte Julius nicht. Doch irgendwie konnte sie sich mit den Funktionären verständigen und ihnen wohl klarmachen, daß sie diese Art von Spiel nicht länger hinnehmen würde. Dann kehrte sie auf ihren Platz in der Ehrenloge zurück und sprach zu den zuschauern. Auch vor der Leinwand hörten ihr alle zu:

"Sehr geehrte Damen und Herren, ich hatte zwar vor, mich als neutrale Kommentatorin zu betätigen und nicht in den Ablauf einer Partie einzugreifen. Allerdings kann ich nach nunmehr einer Stunde nicht anders als zu erkennen, daß diese brutale Schlacht mit Quidditch nichts mehr zu tun hat. Da wir alle herkamen, um eine Quidditchpartie zu sehen und die Gefahr besteht, daß beide Mannschaften durch dieses rüpelhafte Verhalten ihre Spieler verlieren und somit keine von beiden für die nächste Runde spielfähige Mannschaften aufstellen können, mußte ich von meinem Sonderrecht als oberste Organisationsleiterin dieses Turnieres gebrauch machen und den Abbruch der Partie anordnen. Ich sah mich genötigt, den beiden Mannschaften unmißverständlich klarzumachen, daß ich die Partie an diesem Punkt für beendet erklären würde, wenn sie es nicht hinbekämen, zur sportlichen Auseinandersetzung zurückzufinden, auf die wir alle hier gehofft haben. In Übereinstimmung mit den Turnierregeln und dem Abkommen der IOMSS von 1934 kann bei einem endgültigen Spielabbruch die Mannschaft zum Sieger erklärt werden, die mindestens fünf Strafwürfe weniger verschuldet hat als die andere. Dies ist bei dieser Auseinandersetzung jedoch nicht klar zu erkennen. Bulgarien verschuldete dreißig, Rußland zweiunddreißig Strafwürfe. Daher habe ich den beiden Mannschaften eine letzte Chance eingeräumt, diese Begegnung auf sportliche Weise zu entscheiden, indem alle in den letzten sechzig Minuten erzielten Punkte auf beiden Seiten aberkannt werden und das Spiel, sofern es denn auch eins sein wird, bei einem Punktestand von vierhundert für Rußland zu dreihundertvierzig für Bulgarien wieder aufgenommen wird. Beide Mannschaftsleiter erklärten sich mit dieser Entscheidung einverstanden. Ich gebe das Spiel also unter der Bedingung frei, daß beide Mannschaften sich nun um die rein sportliche Auseinandersetzung bemühen und sich und uns allen zeigen, daß Quidditch kein Gemetzel, sondern anspruchsvoller Besenflugsport ist. Enttäuschen sie uns jedoch erneut, verfüge ich den sofortigen und dann nicht mehr zu widerrufenden Spielabbruch. Nur damit Sie alle bescheid wissen." Sie wandte sich dann noch an einen Vertreter der Russen, der die Bekanntmachung auf Russisch übersetzte. Das gleiche tat ein bulgarischer Funktionär in seiner Muttersprache. Dann feuerte Madame Latierre eine Wolke grüner Funken über das Spielfeld. Als diese sich verflüchtigte winkte der Schiedsrichter die Mannschaften in die Startposition. Die Anzeigetafel wurde auf den von Hippolyte erwähnten Stand zurückgesetzt. Dann ging die Partie weiter. Allerdings spielten die beiden Mannschaften in den ersten fünf Minuten verhalten. Erst als Bulgarien ein aus dem Spiel heraus erzieltes Tor verbuchte wurden beide Mannschaften wieder angriffslustiger. Doch Madame Latierres Drohung, das Spiel endgültig abzubrechen fruchtete. Die beiden Mannschaften beharkten sich hart, aber im Rahmen der gültigen Regeln. Rußland erzielte danach vier Tore, Bulgarien zwei. Dann flog Krum auf einmal genau zwischen seinen beiden Treiberkameraden hindurch und tauchte unter dem gerade frei fliegenden Quaffel hindurch. Julius sah, wie er beide Arme ausbreitete, während sein Gegenspieler adlergleich von oben herabstieß. Krum drehte auf dem Besen eine Pirouette und bekam den Schnatz mit links zu fassen, bevor sein Gegenspieler den goldenen Ball erwischen konnte. Bulgarien gewann die Partie 540:440.

"So, eine Stunde Lebenszeit für eine Besenschlacht verplempert", grummelte der französische Zuschauer in Julius' Nähe. Die Zuschauer vor der Leinwand klatschten Krum Beifall. Viele junge Hexen schrien wie Besucherinnen eines Popkonzertes. Julius grinste und antwortete seinem neuen Landsmann

"Jetzt wollen wohl noch mehr junge Hexen ein Kind von Victor Krum."

"Tja, das Los des Helden", sagte der ältere Zauberer leicht verächtlich klingend dazu. Julius hörte diesen Satz lange in seinem Bewußtsein nachhallen. War es wirklich das Los eines Helden, sich erfolgreich fortzupflanzen? War das im Grunde die Bedingung, daß jemand als Held verehrt wurde, wenn er eine Partnerin fand, mit der er eine Familie gründete? In den Fernsehserien und -filmen, die er als kleiner Junge gesehen hatte war das so nie rübergekommen. Die meisten männlichen Helden blieben unverheiratet oder verloren ihre Frauen auf tragische Weise. Die auf Kampf und Abenteuer gepolten Heldinnen mieden jede Beziehung, die ihre Kampfkraft beeinträchtigen konnte. Dann dachte er an Harry Potter. Der galt bei den britischen Zauberern als junger Held. Mochte es sein, daß viele Hexen von ihm als Vater ihrer Kinder träumten? Da würde Ginny Weasley aber eine Menge Konkurrenz haben. vor allem dachte er daran, ob er sich den Stempel "Held" aufdrücken lassen durfte. Zwar hatte er die Galerie des Grauens erledigt und die Invasion der Schlangenkrieger aufgehalten. Aber das waren für ihn eher unfreiwillige Erfolge, keine gezielt gesuchten Triumphe. Gut, daß das mit der Galerie und den Schlangenmenschen nur wenige wußten, dachte er.

"Hat wer noch Verwandte im Stadion sitzen?" Fragte Julius laut auf Französisch und Englisch in die Runde, als er sah, daß die noch bis zum Schluß gebliebenen Zuschauer einigermaßen gesittet das Stadion verließen. Keiner reagierte. Das genügte Julius auch als Antwort.

"Ma war so sauer, die hätte die beiden Ligaleute fast in Brand gesteckt, wenn die ihren Zauberstab in der Hand behalten hätte", meinte Millie später im Apfelhaus. "Das ist erst das fünfte mal in der Geschichte der Weltmeisterschaften, daß eine Partie wegen grober Unsportlichkeit unterbrochen wurde."

"Ich kann sie total verstehen. Die soll eine Partie kommentieren und bekommt ein Gemetzel zu sehen. Die haben sich ja minutenlang ohne Quaffel beharkt, einfach nur, um einander fertigzumachen. Die einzigen, die da noch Bälle gespielt haben waren die Treiber", erwähnte Julius, wie er die Partie mitbekommen hatte.

"Wollen wir hoffen, daß unsere Leute morgen eine anständige und überragende Partie abliefern", erwiderte Millie. Julius nickte dazu. Linus Brocklehurst, der ja die Partie im Stadion selbst verfolgt hatte meinte dann:

"Also, Quodpot ist schon ruppiger als Quidditch. Aber wie die sich da gegenseitig aufzuspießen versucht haben hätte jeden Quodpotschiedsrichter erblassen lassen. Sieben Leute für mindestens drei Tage außer Gefecht. Das hat es im Quodpot zuletzt im Endspiel 1972 gegeben, als die Bugbears und die Climbers es da noch ausmachen mußten, wer den goldenen Pot abräumt."

"Weil die Schutzkleidung schon eine Menge abfängt", sagte Brittany. "Aber ist schon wichtig zu wissen, wo Sport aufhört und eine blutige Schlacht anfängt."

"Wundere mich sowieso, daß Millies Mutter sich das eine ganze Stunde lang angetan hat", meinte Linus. "Die hätte doch nach den ersten fünf Strafwürfen schon die roten Funken dazwischenfeuern können."

"Womöglich, weil sie davon ausging, daß die Wut über Krums Wronsky-Bluff auch wieder verfliegt", meinte Julius. Sicher wußte er das nicht, weil er dazu die Gedanken seiner Schwiegermutter hätte lesen müssen. Jedenfalls waren die Bulgaren, die Favoriten aus der letzten Weltmeisterschaft, eine Runde weiter.

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Am Tag des Spiels Frankreich gegen Liechtenstein bekam Julius eine Eule von Gilbert Latierre. Der Chef und Reporter der Temps de Liberté erwähnte, daß er eine Anfrage von Marita Hollingsworth bekommen habe, mit ihm, Julius, ein Interview zu führen und ob er dazu bereit sei. Julius antwortete eulenwendend, daß er am kommenden Samstag dieses Interview geben wolle. Da würde wohl auch feststehen, ob Frankreich weiterkam oder nicht. Mit diesem Hintergrund hatte die Mutter seiner früheren Schulkameradinnen einen guten Aufhänger für ihren Artikel. Julius mußte das zwar auch mit seiner Schwiegermutter abstimmen, was er sagte, aber grundsätzlich hatte er keine Probleme damit, Mrs. Hollingsworth Futter für ihre Zeitung zu liefern. Er war ja froh, daß sie ihren alten Beruf weiter ausüben konnte, ja daß sie überhaupt noch am leben war.

Am frühen Nachmittag begab sich Julius in seiner Funktion als Besucherbetreuer zum Hauptstadion. Er hatte erfahren, daß Südafrika die Mannschaft aus Bolivien besiegt hatte. Um den Lärm der Vuvuzelas für die Spieler zu dämpfen war eine provisorische Geräuschdämpfungslinie um das Spielfeld gezogen worden. Eine permanente und völlige Schallausschlußbezauberung hatten drei der verbliebenen Mannschaften abgelehnt, weil sie eben hören wollten, wie ihre Zuschauer auf die Spielzüge reagierten. Damit war das Thema der allgemeinen Schallabschirmung erledigt.

Vor dem Spiel trafen sich Julius und Millie mit den Dusoleils. Denn Julius hatte nicht vergessen, daß an diesem Tag nicht nur ein entscheidendes Spiel für Frankreich anstand, sondern eigentlich auch Claires siebzehnter Geburtstag hätte gefeiert werden können. Wieder einmal wußte Julius nicht, ob er sich nicht doch irgendwie daran schuldig fühlen sollte, daß seine erste große Liebe diesen wichtigen Tag in ihrem Leben nicht mehr erreicht hatte. Doch als Millie, Laurentine Hellersdorf, Jeanne, Camille, Denise, Chloé, Viviane, Florymont und er im Haus von Camille und Florymont zusammentrafen ließ die Hausherrin keinen Zweifel daran aufkommen, daß Julius trotz Claires viel zu frühem Fortgang immer noch zu ihrer Familie gehörte, und das nicht nur, weil er von den Eauvives abstammte und auch nicht, weil er durch die Heirat von Millie zur Verschwägerten Verwandtschaft Jeanne Dusoleils gehörte.

Weil alle am Abend das Spiel im Stadion verfolgen wollten konnten sie im Grunde nur eine kurze Feier mit ein wenig Musik und kurzen Geschichten aus Claires Leben verbringen. Am Ende durften Denise und Viviane siebzehn schlanke, rote Kerzen auspusten, um zu zeigen, daß etwas von Claire immer noch in ihnen weiterlebte.

Auf dem Weg zum Stadion sagte keiner ein weiteres Wort über diese kurze Geburtstags- und Gedenkfeier. Julius hoffte, daß Linda Knowles sich daran hielt und keine privaten Dinge, die sie mithören mochte, zum Aufhänger irgendwelcher Sensationsgeschichten verstricken würde.

"Hoffentlich liefert ihr heute was besseres ab als die Ruskis und Bulgaren gestern", grummelte Mr. Fulbright aus Cloudy Canyon. Julius überhörte das. Er kontrollierte mit den offiziellen Kartenprüfern die Eintrittskarten und erläuterte den englischsprachigen Besuchern, wo sie ihre Plätze fanden. Kurz vor dem offiziellen Beginn der Partie eilte Julius zu einem hochgelegenen Zuschauerblock hinauf, wo seine Schwiegerfamilie bereits wartete.

"Die Liechtensteiner sind nicht schlecht in das Turnier gestartet", sagte Martine Latierre, als Julius sich zwischen ihr und seiner Frau niederließ. "Könnte schwierig für Michelle und Bruno werden, da die nötigen Tore unterzubringen."

"Dujardin wird suchen. Michelle hat sich echt komplett auf die Jägerinnenposition umgestellt", wußte Julius. "Janine Dupont bleibt als Reservesucherin am Spielfeldrand."

"Hoffentlich kriegen wir dann den Schnatz", meinte Millie. Julius erinnerte sie daran, daß Maurice Dujardin während seiner Zeit in Beauxbatons viele Schnatzfänge geschafft hatte. "Mag ja sein, Julius. Aber der muß jetzt als Profi zeigen, was er drauf hat."

"Seiner Mannschaft hat er in der letzten Saison alleine durch seine Schnatzfänge eintausendfünfzig Punkte gesichert", wußte Martine. Béatrice Latierre, die in der Nähe saß bemerkte dazu:

"Dujardin war aber gut auszukontern, wenn alle drei Jäger sich ihm in den Weg geworfen haben, sobald der Schnatz zu sehen war. Er ist dann gut, wenn er den Schnatz früher sieht als alle anderen." Julius wußte das auch.

Hippolyte begrüßte die Zuschauer zum zweiten Spiel Frankreichs. Natürlich war eine überwiegende Zahl der Zuschauer Frankreich-Fans. "Die Gastgeber der diesjährigen Quidditch-Weltmeisterschaft sind hochmotiviert und möchten allen zeigen, daß ihr Erfolg vom Eröffnungsspiel kein glücklicher Zufall war. Aber auch die Mannschaft aus Liechtenstein möchte ihren Unterstützern beweisen, daß der Sieg gegen Dänemark keine Ausnahmeerscheinung war. Somit dürfen wir alle eine hoffentlich anspruchsvolle wie sportliche Auseinandersetzung erleben. So begrüßen wir nun die Maskottchen der Liechtensteiner Nationalmannschaft!" Julius feixte schon, daß damit wohl Goldesel gemeint sein mußten, weil Liechtenstein ähnlich wie die Schweiz als gutes Geldversteck für Superreiche verrufen war, die ihre Steuern nicht zahlen wollten. Doch statt Goldeseln erschienen schlanke Zwerge mit leuchtenden Zipfelmützen und kurzen, schwarzen Bärten. Julius, der die in Frankreich und England lebenden Bergzwerge als kleinwüchsige, gedrungene, langbärtige Wesen kannte, fragte schon, wo diese kleinen Männer herkamen, die nun auf dicken Zugpauken, ihren Größen angepaßten Blasinstrumenten und Schellentrommeln aufspielten.

"Liechtensteiner Hochlandzwerge, Julius. Die sind anders als die in tiefen Höhlen lebenden Gebirgszwerge", wußte Millie. "Zumindest trauen sie sich häufiger auch ans Sonnenlicht und sind nicht so hart gegen sich und andere. Sie bestimmen sich über ihre handwerklichen Erzeugnisse, nicht nur über die Länge ihrer Bärte." Julius bedankte sich für diese kurze Erläuterung. Millie hatte einmal einen Vortrag über Zwerge gehalten. Außerdem war ihre Großmutter väterlicherseits eine reinrassige Zwergin. Julius dachte an die Zeichentrickfassung von "Schneewittchen", als die insgesamt neun Zwerge mehrmals um das Spielfeld marschierten und dabei ein Lied in ihrer Muttersprache sangen. Dann wurden die französischen Maskottchen begrüßt. Wieder waren es die Feuerraben. Dann flogen die Liechtensteiner aus einer der Luken im Boden heraus. Die beiden Treiber Rudolf und Egon Felsgruber waren imposante Erscheinungen. Der liechtensteiner Sucher Armin Grünklee war ein ziemlich großer, knapp dreißig Jahre alter Zauberer mit pechschwarzem Haar. Normalerweise waren Sucher klein und zierlich. Offenbar mußte Grünklee entsprechend gewandt sein, um diese Position erfolgreich auszufüllen. Dagegen wirkte der kleine Maurice Dujardin von der französischen Mannschaft wirklich winzig. Die Montferres durften wieder Treiberinnen spielen, während es bei den Jägern eine kleine Umstellung gab. Statt Polonius Lagrange spielte nun Albert Clopin mit, ein knapp zwei Meter großer Zauberer mit dunkelbraunem Haar. César war wieder als Hüter dabei.

Als das Spiel begann, versuchten es die Liechtensteiner zunächst mit einer Schlag-zu-und-hau-ab-Taktik, indem sie den Quaffel kurz spielten und dann mit schnellen Weitwürfen an Cesar vorbeikommen wollten. Die Jäger, die dies versuchten zogen sich direkt aus dem Abwurf heraus in den eigenen Raum zurück, um die Franzosen abzufangen, die nach Césars Abschlag darangingen, Tore zu schießen. Die Felsgruber-Brüder hatten jedoch schon nach nur einer Minute gegen die optimal aufeinander abgestimmten Montferre-Schwestern das Nachsehen. Diese spielten die Klatscher so geschickt, daß Michelle Dornier und Bruno Dusoleil in deren Windschatten bis vor die Torringe kamen. Clopin hielt sich zurück, um bei einem Fehlwurf den aus dem Torraum erfolgenden Abwurf abzufangen. Auf diese Weise hebelten die Franzosen die liechtensteiner Abwehrmauer so locker aus, als ob sie nicht vorhanden wäre. Damit holte Frankreich in den ersten zwei Minuten schon vierzig Punkte. Liechtensteins Weitwurfbombadement kam nicht durch Césars hochklassige Paraden. Somit mußte die Auswahl des Zwergstaates zwischen Österreich und der Schweiz doch auf direkte Angriffe auf den Hüter umsteigen. Da die Abwehrmauer eh nicht wirklich funktioniert hatte, entstand so ein offener Schlagabtausch. César schien in der Form seines Lebens zu sein. Die zehn folgenden Weitwürfe fing er alle ab. Von den achtzehn aus unmittelbarer Nähe zu den Ringen erfolgten Würfen parierte er sechzehn. Die beiden male, wo er den Quaffel aus einem der Ringe zurückholen mußte waren nur möglich, weil die Liechtensteiner kurz vor dem Angriff durch Zupassen den Abwurfwinkel veränderten. Frankreich schaffte in dieser Zeit durch gekonntes Zusammenspiel von Treibern und Jägern zwanzig Tore, von denen drei sogar Weitwürfe waren. Michelle Dornier hatte es heraus, aus dem eigenen Torraum heraus genau auf einen der gegnerischen Ringe zu zielen. Zumindest meinte liechtensteins Hüter, genau zu erkennen, wo der Quaffel hinsollte. Doch dieser besaß einen Drall, der ihn knapp an den Fäusten des Hüters vorbei in den Ring links oder rechts gleiten ließ. ansonsten spielte Frankreichs Nationalmannschaft mit der von Saal Grün in Beauxbatons eingeführten Aufstellung eines Abfangjähgers im Torraum, der die beiden Kameraden weiter vorne mit Pässen bediente. In dem Fall war es Michelle Dornier, die diese wichtige Position ausfüllte. Neben dem überragenden César Rocher half sie ihrer Mannschaft, sehr wenige Gegentreffer hinnehmen zu müssen. Nach einer halben Stunde anspruchsvollen Spiels war das Punkteverhältnis bereits sechs zu eins für Frankreich. Liechtensteins Mannschaft blieb jedoch trotz des enormen Rückstandes diszipliniert. Offenbar hatte es sich auch bei ihnen herumgesprochen, daß es gestern fast zu einem schnatzfanglosen Spielabbruch gekommen wäre. Hippolyte Latierre war hörbar begeistert vom Spiel der beiden Mannschaften. Millie studierte wie Julius das Spiel der Jäger, während Callie und Pennie sich über die Spielweise der Montferres freuten und schadenfroh über die Klatscherverluste der Felsgrubers amüsierten. Immerhin konnten die beiden liechtensteiner Treiber ihren Jägerkameraden durch glückliche Klatscherumlenkungen den Weg zu drei schnellen Toren öffnen. Doch das blieb eine reine Ausnahmeerscheinung.

"Die Jäger sind super. Aber César ist heute eine Wand vor den Ringen", bemerkte Julius. Die Jäger aus Liechtenstein machten immer wieder erfolgversprechende Anflüge. Doch César bewegte sich erst, wenn der Quaffel auf seine drei Ringe abgeworfen wurde. Dann aber war er so schnell unterwegs, daß sein blau-weiß-roter Spielerumhang wie ein dreifarbiger Blitz durch das Gesichtsfeld der Zuschauer fegte. Nach einer Stunde hatte Frankreich bereits Tor Nummer dreißig erzielt, während Liechtenstein gerade einmal das sechste Tor überhaupt geschafft hatte. Vom Schnatz war bis dahin überhaupt nichts zu sehen gewesen. Julius war sich jedoch sicher, daß Dujardin und Grünklee voll darauf konzentriert waren, den kleinen, goldenen Ball zu sehen. Zwar hätte Liechtenstein im Moment nichts davon, den Schnatz zu fangen. Doch zuzulassen, daß Frankreich ihn erwischte wäre dem Punktekonto noch abträglicher.

Nach einer weiteren Viertelstunde zeigte César erste Erschöpfungserscheinungen. Einmal griff er knapp neben den Quaffel, als dieser den mittleren Ring anflog. Das zweite Mal wäre er fast in einen gegen ihn gedroschenen Klatscher hineingeflogen. Der beinahe zu spät ausgeführte Rückzug zwang ihn für drei Sekunden zur Preisgabe aller drei Ringe. Das wurde von Anton Beifuß, einem der Jäger, routiniert ausgenutzt. Die Liechtensteiner witterten Morgenluft und stürmten nun mit Mann und Maus gegen den französischen Torraum. Die Montferres konnten erst einmal nur die Klatscher davon abhalten, César und Michelle die Köpfe einzuschlagen. Gegen das unvermittelte Trommelfeuer auf das französische Tor brachte es nichts. So knabberten die Liechtensteiner nach und nach immer mehr vom Vorsprung der Gegner ab. César kam mit dem Parieren nicht so schnell nach wie zu Beginn der Begegnung.

"Der hat sich zu heftig abgestrampelt", erkannte Julius. Als Liechtenstein nun das zwölfte Tor geschafft hatte. Frankreich hatte in dieser Zeit gerade mal zwei weitere Treffer landen können, und das nur, weil Michelles Weitwürfe ungeblockt in den bis auf den Hüter verlassenen Torraum gelangten. Erst jetzt schafften es die Montferres, die Klatscher wieder so zu spielen, daß der Angriffspulk der Liechtensteiner nicht mehr in Torraumnähe kam. César blieb zwei Minuten lang ungeprüft. Julius sah dem rundlichen Hüter an, daß er diese Erholungspause bitter nötig gehabt hatte. Würde Liechtenstein jetzt den Schnatz fangen wäre Frankreich trotzdem weiter. Denn Bruno und Albert erhöhten die Führung um weitere fünf Tore. Dann ging der offene Schlagabtausch weiter. Sabine und Sandra blieben in Césars Nähe und fingen die Klatscher ab, damit der Hüter sich auf die anfliegenden Jäger konzentrieren konnte. Dennoch zeichnete sich ab, daß der Hüter der Franzosen langsam seine Energie verbraucht hatte. Um ihn zu entlasten wechselten die Spieler nun die Taktik und mauerten ihren Torraum zu. Gleichzeitig gingen die ersten französischen Spieler dazu über, die Dawn'sche Doppelachse zu fliegen, um aus dem Torraum heraus Gegenstöße anzubringen. Einige der Zuschauer buhten, weil Frankreich sich auf diese Weise weitere sechs Tore erarbeitete. Dann bedrängten sich die beiden Mannschaften über der Spielfeldmitte. Offfenbar wollte Liechtenstein jetzt die Brechstange auspacken. Doch dann spielten sich die französischen Jäger frei. Michelle beorderte die Montferres in den Torraum und ging selbst nach vorne. Sabine und Sandra hatten den Auftrag, die Klatscher von César fernzuhalten, solange einer der eigenen Jäger nicht an einem erfolgreichen Torwurf gehindert würde. Doch diese tanzten die Klatscher mit der Doppelachse aus und lehrten die Liechtensteiner mit einer Serie von zehn Toren in nur fünf Minuten das Gruseln. Auch der Hüter der liechtensteiner Nationalmannschaft zeigte die ersten Erschöpfungserscheinungen. Doch anders als César konnte ihm keiner seiner Kameraden beistehen. Die französischen Jäger durchquerten die Klatscherflugbahnen, ließen die Gegner ins Leere stoßen und täuschten so schnelle Würfe an, daß Liechtensteins Hüter nie zur Ruhe kam. Julius suchte derweil nach dem Schnatz. Frankreich baute den Vorsprung wieder aus. César mußte nur noch zwei Mal hinter sich greifen, weil harte und unausrechenbare Weitwürfe auf seine Ringe kamen. Den Treiberinnen war es ja verboten, den Quaffel zu spielen. Sandra half einige Male aus, als Bruno oder Michelle beide Klatscher zugleich entgegengeschlagen bekamen. Sabine schien sich eher zu langweilen, weil Michelle sie als Césars Klatscherschild abgestellt hatte. Die Partie blieb jedoch ein rein sportlicher Kampf. Liechtensteins Kapitän bat nach zwei gespielten Stunden um eine Auszeit und sprach auf den spanischen Schiedsrichter ein, der das Regelwerk überprüfen mußte. Julius konnte es von den Gesichtern der Liechtensteiner ablesen, daß sie mit dem Ergebnis höchst unzufrieden waren. Offenbar hatten sie versucht, den hemmungslosen Einsatz der Dawn'schen Doppelachse für regelwidrig erklären zu lassen. Da dieses Manöver jedoch kein Foul und auch sonst keine Behinderung der Gegner darstellte war es zulässig. Julius war sich sicher, daß Aurora Dawns Manöver bereits in der nächsten Saison in mehreren Ländern zur Pflichtübung wurde. Wenn er bedachte, daß er es in Frankreich vorgestellt hatte mußte er grinsen. Daß er vielleicht den Quidditchsport revolutionierte hätte er nie für möglich gehalten, geschweige denn beabsichtigt. Doch er hatte das Manöver nicht erfunden. Wenn es unliebsame Zusammenstöße verhinderte, würde Aurora sich sicher freuen, was wichtiges zur Gesunderhaltung von Mannschaftsmitgliedern beigetragen zu haben.

Nach der Auszeit holten sich die Franzosen weitere Punkte in Serie. César nutzte die Erholungen, um seine Anfangsform zurückzugewinnen und zeigte mehrere Glanzparaden. Bisher hatte es keinen Strafwurf gegeben. Liechtenstein spielte trotz des turmhohen Vorsprungs Frankreichs diszipliniert und im Rahmen der Regeln weiter. Immerhin schafften es die Gäste aus der Alpenregion, noch zwei Weitwurftore zu machen. Julius konnte für einen Moment den Schnatz an einem der Torpfeiler aufblitzen sehen. Eine Minute später stieß Dujardin aus der Kreisbewegung heraus punktgenau nach unten. Sein Gegner brauchte eine Sekunde, um sich zu vergewissern, ob Dujardin ihn verladen wollte oder nicht. Als er sicher war, daß Dujardin den Schnatz jagte war es aber schon zu spät für ihn. Der ehemalige Sucher der Mannschaft von Saal Gelb erwischte den knapp einen halben Meter über der linken Ausflugsluke zitternden Schnatz ohne Kurskorrektur und riß den Besen gerade noch rechtzeitig genug in die waagerechte, um nicht damit in den Boden einzuschlagen.

"Schade, jetzt dürfen die Liechtensteiner noch nicht mal einen Schnatz mit nach Hause nehmen", feixte Millie über den ohrenbetäubenden Jubelschrei der französischen Fans hinweg. Julius grinste. Sicher hätte Brunos Mannschaft den Gästen den Schnatzfang gönnen können, ohne dadurch aus dem Turnier zu fliegen. Aber Maurrice hatte nun sein Erfolgserlebnis und wie die sechs anderen seinen Beitrag zu diesem Sieg geleistet. Das war für die Mannschaftsmoral sicher auch sehr wichtig. Die liechtensteiner Zwerge, die mit ihren Anfeuerungsrufen und Signalen nichts aber auch gar nichts hatten ausrichten können, zogen die Zipfelmützen von den Köpfen und warfen sie vor sich auf den Boden, um dann wütend darauf herumzutrampeln. Die Feuerraben wurden zu leuchtenden Feuerbällen, die innerhalb von Sekunden zwischen den sechs Torringen hin- und herzischten wie ein Meteoritenregen.

"Das wird wohl noch lautes Gejammer geben, weil Frankreich die Doppelachse benutzt hat", meinte Martine. Millie erwiderte, daß die sich nicht so haben sollten. Außerdem konnten die Australier dieses Flugmanöver auch. Jedenfalls hatte die französische Nationalmannschaft ihren Fans wieder einen wunderschönen Abend verschafft. Das würde die Umsätze in der offiziellen Dorfschenke und den aufgestellten Festzelten ankurbeln. Julius sah Laurentine Hellersdorf, die von seiner Schwiegermutter per Handzeichen zum Nordausgang beordert wurde, um die durch diesen hinausgehenden Liechtensteiner zu betreuen.

"Morgen kriegen wir noch mal sowas, wenn Peru gegen Ägypten antritt", sagte Millie.

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Tatsächlich legten die Peruaner mit ihrem Starjäger Gabriel Bocafuego einen ähnlichen Schaulauf gegen die ägyptische Mannschaft hin wie die Franzosen einen Tag zuvor. Julius verfolgte das Spiel wieder an einer der Großleinwände, während Millie wegen ihrer Spanischkenntnisse im Südstadion aushalf. Perus Maskottchen waren blattgrüne Affenwesen, die in den unzugänglichen Urwaldgebieten des südamerikanischen Landes wohnten. Ägypten präsentierte einen Meter große, goldgepanzerte Käfer, wie sie von den alten Magiern der Pharaonen zur Bewachung der Pyramiden gezüchtet worden waren. Eigentlich hatten die Besucher vom Nil den Antrag auf das Mitbringen zweier Sphingen gestellt. Doch da die Griechen diese geflügelten Wesen schon als ihre Maskottchen mitbringen wollten wurde nur diesen die Einfuhr dieser eigentlich sehr gefährlichen Geschöpfe gestattet. Aber mit den Sonnenkäfern, wie die Ägypter ihre großen Insekten nannten, waren sie auch gut angekommen. Pech nur, daß am Ende Peru mit zwanzig Punkten Vorsprung die nächste Runde erreichte, obwohl die Ägypter den Schnatz fingen. Laut der Turnierregeln durften die Spieler vom Nil diesen kleinen Ball als Trostpreis mit nach Hause nehmen. Julius nutzte seine Beziehung zu Madame Barbara Latierre, um nach dem Spiel zwei der fünf goldenen Käfer aus der Nähe zu betrachten. Obwohl er eigentlich nichts für Insekten übrig hatte interessierte es ihn doch, wie diese großen Krabbeltiere gehalten wurden. Hüter der Käfer war ein dünner Ägypter mit grauem Rauschebart, der sich Hussein al-Shepri nannte und sowohl Französisch als auch Englisch sprach. Marita Hollingsworth war bei der Vorführung auch dabei, da sie neben den Interviews mit den Spielern auch eine Serie über die mitgebrachten Tier- und Zauberwesen machte. Die Unterhaltung wurde jedoch wegen der Anwesenheit von Barbara Latierre auf Französisch geführt.

"Wenn ich das mit dem Skarabäuskäfern richtig gelernt habe legen die ihre Eier doch in Dungkugeln, Meister Al-Shepri. Ist das bei Ihren Käfern auch so?" Fragte Julius.

"Dies trifft zu, junger Monsieur Latierre", sagte der Ägypter. "Allerdings benötigen wir für unsere Sonnenkäfer erheblich größere Mengen Dung, weshalb wir nicht nur den Dung unserer einheimischen Tiere wie Gazellen, Kühe und Ziegen benutzen, sondern auch Elefanten- und Nashorndung aus anderen Ländern einführen müssen. Wichtig ist, daß es sich um den Dung von Pflanzenfressern handelt, um die Käfer nicht an den genuß fleischlicher Rückstände zu gewöhnen. Sonst könten sie wie die ursprünglichen Arten dazu übergehen, Tiere anzufallen oder gar Menschen zu töten, um sie zu vergraben und nach einigen Tagen zu fressen wie unsere Ghulas dies tun. Sie kennen womöglich die in den Wüsten lebenden Arten der Ghule, die durchaus auch Tiere und Menschen anfallen und sie einige Tage in der Sonne dahinverwesen lassen, bevor sie sie fressen." Julius nickte. Daß die meisten Ghule nicht die leichenfressenden Monster waren, die in der Horrorvorstellung der Muggelwelt vorkamen wußte er ja schon.

"Wovon ernähren sich die Endgestalten Ihrer Züchtungen, Meister Al-Shepri?" Fragte Marita Hollingsworth.

"Sie sind genügsam und können mit ausgegrabenen und zerlegten Kakteen gefüttert werden", sagte der Käferwärter und legte zur Untermauerung seiner Behauptung ein großes, dickes, stachelnbewehrtes Blatt in den Gitterkäfig, wo seine Schützlinge über Steine und trockenes Holz krabbelten. Marita Hollingsworth wollte Fotos davon machen, wie die Käfer fraßen. Al-Shepri wies sie jedoch noch rechtzeitig darauf hin, daß zum einen das Blitzlicht von den goldenen Panzern wie von großen Spiegeln reflektiert würde und die Käfer zum anderen außer der Sonne kein Licht in der Nähe mochten. So verzichtete die Reporterin auf den Blitz und schaffte es, die beiden Käfer mit einer etwas längeren Belichtungszeit aufzunehmen. Al-Shepri grinste Julius durch seinen wolkengrauen Bart an und meinte zu ihm:

"Nun, wir mögen zwar in der zweiten Runde aus dem Turnier ausgeschieden sein. Aber immerhin konnte ich mit Ihrer Frau Schwiegertante einen Abschluß über den Import von Latierrekuh-Dung erwirken, was die Nachzucht unserer Käfer erheblich fördern dürfte."

"Auch, wenn mich das womöglich nichts angeht, verzeihen Sie mir bitte die Neugier und verraten mir, was Sie für den Dung bezahlen?" flüsterte Julius.

"Unsere Zaubertrankbrauer werden Ihrem Land ihre Erzeugnisse zur Hälfte des üblichen Preises überlassen", sagte Al-Shepri. "Da unser Zaubereiminister diesen Handel vor einem Tag öffentlich bekanntgegeben hat verrate ich damit kein Geheimnis mehr."

"Sie wollten ursprünglich Sphingen als Maskottchen präsentieren", griff Mrs. Hollingsworth ein anderes Thema auf. "Sind diese Wesen nicht sehr schwer zu führen?"

"Nun, nicht wesentlich schwieriger als diese geflügelten Verwandten von Apep, die die Rundhüte aus dem Land des Sonnenuntergangs mitbbrachten", erwiderte Al-Shepri. "Allerdings bin ich kein Meister der Sphinxkunde, um das genau zu erläutern, wie diese erhabenen Geschöpfe dazu bewegt werden können, unsere Mannschaft zu unterstützen."

"Die griechische Form liebt es, anderen Rätsel aufzugeben", wußte Julius. "Ist die ägyptische auch so veranlagt?"

"Nun, da kann ich nur das erwähnen, was ich wie alle jungen Magier in unserer Ausbildung gelernt habe, nämlich daß ein Sphinx ein hervorragender Torwächter ist und nur dem den Zutritt zu den Räumen hinter dem Tor gewährt, der es schafft, drei Fragen des Sphinx zu beantworten und ihm selbst eine Frage zu stellen, die der Sphinx nicht beantworten kann. Da unsere Sphingen jedoch über ein sehr großes Wissen verfügen ist dies schwierig. Nur dem, der den Sphinx durch bestimmte Zauber an sich binden konnte, gewährt er ohne diese Probe Zugang zu den bewachten Gütern oder Gebäuden."

"Der oder die Sphinx?" Fragte Marita Hollingsworth etwas verwirrt.

"Aus dem ägyptischen übersetzt ist dieses Geschöpf männlich wie der Elefant, der Löwe oder der Hirsch", sagte nun Barbara Latierre. "Für die Griechen sind diese Wesen überwiegend weiblich, wie für uns die Kuh, die Ziege oder die Katze. Das liegt daran, daß die griechischen Tierhüter überwiegend weibliche Exemplare kultivieren, weil die Männchen wesentlich resistenter und schneller sind und schon beim ersten Ansatz einer fehlerhaften Antwort auf ihre Rätselfragen angreifen, während die Weibchen dies erst tun, wenn das Rätsel vollkommen falsch beantwortet wird." Marita Hollingsworth schrieb es sich auf. Al-Shepri nickte bestätigend.

"Wir hätten auch zwei Götterkatzen mitbringen können", sagte der Ägypter. "Doch diese sind sehr auf bestimmte Menschen bezogen und lassen sich nur von diesen Anweisungen erteilen." Julius horchte auf. Er fragte danach, wie groß diese Götterkatzen würden und erfuhr, daß sie fast so groß wie Löwen würden, aber wie die üblichen Hauskatzen aussähen und ähnlich wie Kniesel eine gewisse Intelligenz besäßen. Marita fragte noch einmal nach den Schlangenwesen, weil Al-Shepri darauf angespielt hatte. Der Ägypter seufzte und machte einen sichtlich beklommenen Eindruck. Dann wisperte er:

"Ich möchte Sie bitten, darüber nichts an die Öffentlichkeit zu bringen. Doch die große Schlange, die von meinen ehrwürdigen Vorvorvätern als Widersacher des Sonnengottes betrachtet wurde, hat immer noch einige Kinder in unserem Land. Allerdings hassen diese Abkömmlinge das Tageslicht und hausen tief unter der Erde in weitläufigen Höhlen. Wer das Unglück herausfordert und diese Höhlen betritt fällt ihnen zum Fraß vor. Doch kommt es immer wieder vor, daß diese Tiere in Neumondnächten ihre Behausungen verlassen und auf der Erdoberfläche jagen. Die Kälte der Wüste macht ihnen im Vergleich zu anderen Schlangen nichts aus, da ihr Blut von einem inneren Feuer erfüllt ist, daß sie warm und geschmeidig hält. Ich bitte Sie deshalb um Stillschweigen, weil es bis vor zehn Jahren noch in Dörfern in der Nähe von Schlangenhöhlen üblich war, junge Menschen zu opfern, um den Rest der Bevölkerung zu schonen. Gegen diese Praxis konnte unser erhabener Zaubereiminister erst vor neun Jahren wirksam vorgehen, indem er die Ausgänge der Schlangenhöhlen hat zumauern lassen. Diese Tiere sind jedoch im Stande, über hundert Jahre in todesähnlicher Starre zu überdauern. Außerdem können sie sich neue Ausgänge graben. Es ist schon sehr heikel, diese Tiere im Land zu wissen und nicht ausrotten zu können. Denn die lebend gebärenden Muttertiere können während der Brutzeit nicht nur ein tödliches Gift absondern, sondern Feuer speien wie die geflügelten Echsenwesen, die an der Erdoberfläche jagen."

"Dann hat es die Schlange Apep oder Apophis wirklich mal gegeben?" Fragte nun Julius, der aus seinen Rollenspieltagen ein wenig von der altägyptischen Götterwelt mitbekommen hatte.

"Die eine Schlange nicht. Aber deren Vorfahren ja. Sie stammten von den Ahnen der alten Götter und konnten erst von menschenfreundlichen Magiern aus Arabien bis auf wenige Exemplare ausgerottet werden. Eine Schlange kann bis zu hundert Schritte lang werden. Alte Schriften erwähnen, daß Apep oder Apophis nicht nur an unserem heiligen Fluß vorkam, sondern auch im Land des Sonnenunterganges und im Land der Mitternacht. Offenbar wurden sie damals als Wächter wichtiger Geheimnisse und wertvoller Gegenstände erschaffen. Sie müssen zusammen mit jenen Unholden geboren worden sein, welche vor zwei Jahren aus langem Schlaf erweckt und von jenem dunklen Magier auf die Menschen gehetzt wurden, dessen Namen im Norden niemand zu nennen wagte."

"Dann stammen die geflügelten Schlangen von diesen Superriesenschlangen ab?" Fragte Julius mit einer Mischung aus Unbehagen und Neugier. Al-Shepri nickte. "Die Azteken müssen Besuch von unseren Vorfahren oder von jenen erhalten haben, die die Urformen dieser Schlangen in die Welt brachten", erwähnte der Ägypter. Dann bestand er noch einmal darauf, darüber nichts in die Zeitung zu setzen. Um Marita Hollingsworth doch noch etwas weitergebbares zu liefern erzählte er das, was in seiner Zauberschule jeder über Götterkatzen und andere ägyptische Zaubertiere und Geschöpfe lernte. Julius bedankte sich für die interessante Erläuterung. Dann apparierte er zu Millie, die gerade eine kreischende und johlende Menge junger Mädchen davon abhalten mußte, ins Mannschaftsquartier der Peruaner einzudringen.

"Ich weiß nicht, was die Typen geritten hat, eine Verlosung für die Besuche der Mannschaft zu machen. Muß ich mit unserer derzeitigen Vorgesetzten noch mal klären!" Rief Millie und wandte sich sofort an eine Gruppe junger Hexen, die im Laufschritt auf das Tor zum peruanischen Mannschaftsgelände stürmte. "No, Chicas pa tras!" Rief sie mit einer Julius' bis dahin unbekannten Strenge in der Stimme. Sie hatte die Hand an ihrem Zauberstab, diesen jedoch noch nicht erhoben. Er mußte feststellen, daß seine Frau durchaus sehr unerbittlich auftreten konnte.

"Hemos ganado!" Rief eine der jungen Hexen und winkte mit einem goldenen Zettel. "Abre la Puerta!"

"Haben die keinen eigenen Sicherheitsdienst hier?" Fragte Julius, während seine Frau versuchte, die Mädchenmeute zu bändigen. Wie auf Stichwort apparierten drei Hexen und zwei Zauberer in tiefgrüner Uniform mit goldenen Schlüsseln auf den Schultern. Sie gingen sofort zu den sich nun immer ungebärdiger vor dem Tor stauenden Junghexen und sprachen schnell und streng auf sie ein. Dann ging das Tor auf, und Gabriel Bocafuego flog auf seinem Besen heraus und über die Köpfe der wartenden hinweg, die sofort losrannten, um ihrem Idol nachzujagen.

"Ob das jetzt taktisch klüger war?" Fragte Julius. Eine der Hexen in Grün hatte ihn verstanden und wandte sich ihm zu: "Südamerikanische Hexen haben Feuer statt Blut in den Adern, Señor. Ihre Esposa hätte diesen Ansturm nicht mehr lange zurück'alten könnnen."

"Achso, und dann werfen Sie der östrogenübersteuerten Meute ihren angehimmelten vor, um Ruhe zu haben?" Fragte Julius. Millie eilte heran und sah ihren Mann leicht vorwurfsvoll an. Doch dann nickte sie.

"Er fliegt solange, bis sie nicht mehr 'inter ihm 'erlaufen können, Señor Latierra", grinste die Hexe.

"Das geht immer so, wenn unsere Heroes spielen", grummelte einer der Zauberer auf Englisch, weil er wußte, mit wem er es zu tun hatte.

"Toll, der läßt die sich müde laufen", grummelte Millie. "Und ich riskiere es, von den Wildkatzen zerfleischt oder mit unfeinen Zaubern beharkt zu werden. Hätte ich auch mal früher wissen können. Muchas Gracias, Señores!"

"Wir mußten warten, bis alle die da waren, die an der Auslosung teilgenommen haben. Die Auslosung war wichtig, um den Ansturm kontrolliert abzuwettern", sagte der peruanische Sicherheitszauberer. "Es hat durchaus schon Hexen gegeben, die es geschafft haben, sich in Verwandlung oder unter Zuhilfenahme von Verwirrungs- oder Lähmzaubern Zugang zu unserem Helden Bocafuego zu verschaffen. Auch haben ihn nachweislich sieben schon mit Liebeszaubern dazu verleitet, sich ihnen hinzugeben. War schwierig, deren Väter oder Freunde davon abzuhalten, Señor Bocafuego zum Duell zu fordern. Daher machen wir das immer so, daß wir nach einem siegreichen Spiel eine Auslosung machen, um die Meute zu beschäftigen."

"Wie erwähnt hätte das meine Mutt..., ähm, Vorgesetzte ruhig schon ein paar Tage vorher wissen können, bevor die mich damit beauftragte, diese Auslosung zu überwachen, weil diese auf unserem Heimatboden stattfand", wandte Millie mürrisch ein.

"Ich bin zwar im Moment nicht im Dienst, sollte das aber auch wissen, was die Gewinnerinnen denn zu erhoffen hatten", wandte Julius ein. Die eine Hexe, die eben mit ihm gesprochen hatte grinste und antwortete, daß die Gewinnerinnen jeweils zehn Minuten mit ihm hätten sprechen dürfen, allerdings unter dem Schutz von Sicherheitsleuten.

"Andere Länder, andere Sitten", mußte Julius dann noch sagen. Millie fragte dann noch, was sie hier sollte, wo sie sicher noch anderswo gebraucht würde. Die Sicherheitszauberer aus Peru erwähnten, daß sie im Moment keine Hilfe mehr benötigten. Millie winkte Julius zu sich und bot ihm den Arm zum Festhalten. Offenbar wollte sie ihn beim Apparieren mitnehmen. Er ergriff ihren Arm und stellte sich darauf ein, dort mit allem von ihm sein zu wollen, wo Millie sein wollte. Sie drehte sich schnell und zog ihn mit sich durch den Transit zwischen Ausgangs- und Zielort.

"Das kriegt Ma gleich per Eule", sagte sie, als beide vollständig in der Wohnküche ihres Hauses appariert waren. Sie eilte in den Raum, wo Julius' Eule Francis und ihre Eule tagsüber schliefen und weckte ihren Postvogel. Keine zwei Minuten später war Millies Eule mit einer dringenden Nachricht für Madame Hippolyte Latierre unterwegs. "Am besten ziehst du dir dann auch deine Dienstklamotten an, wenn du dich in diese Meute verehrungsüberfluteter Junghexen reinwagst. Nachher meinen die noch, dich als Ersatz für den unerreichbaren Helden vernaschen zu können", grummelte Millie. Doch sie mußte dabei lächeln. Offenbar sollte Julius diesen Vorwurf als Kompliment auffassen. So erwiderte er:

"So viele junge Mädchen schaffe ich nicht, Millie. Danke für die Warnung!" Seine Frau verzog kurz das Gesicht, mußte dann aber lachen.

"Klar, Monju, könnte einem starken Burschen wie dir schon gefallen, mehr als zwanzig starke Mädels zu beeindrucken. Aber was ich über die Dienstklamotten sagte meine ich auch so. Wenn du dich irgendwo zwischendrängst solltest du klar als offiziell zu sehen sein."

"Dann muß ich aber mit deiner Mutter einen neuen Tarif aushandeln, wenn ich rund um die Uhr im Dienst bin", scherzte Julius.

"Stimmt, könnte Ma was gegen haben, weil das Ministerium mit der WM schon genug Galleonen zum Kamin rausfeuert. Na ja, ist ja irgendwie noch mal gegangen."

"Ich habe das wegen Hogwarts so nicht heftig mitgekriegt. Aber wenn ich an die kreischenden Mädels bei Konzerten von Take That oder den Backstreet Boys denke hattest du noch mal Glück. Hättest locker Teddybären oder andere Stofftiere an den Kopf geworfen bekommen können."

"Hat mir Marc auch erzählt, daß die Mädels sogar ihre Unterklamotten auf die Bühne werfen, um die Typen darauf zu beeindrucken", erwiderte Millie grinsend. Dann sagte sie: "Ich bin dann bei denen aus Ecuador. Die müssen ja morgen noch spielen. Kannst ja schon mal zusehen, was zu essen aufzutreiben."

"Britt, Linus und die anderen essen heute mittag anderswo", sagte Julius. Da suche ich mir was in einem der Verpflegungszelte. Kann mir da ja aus allem was aussuchen."

"Mach das, Monju! Dann esse ich auch in einem der Zelte. Bin ja erst durch, wenn du mit deiner Runde anfängst. Bis dann, Cariño"

"Hasta la Pasta!" Erwiderte Julius. Millie mußte darüber lachen und konnte sich deshalb zehn Sekunden lang nicht auf eine Disapparition konzentrieren. Als sie sich beruhigt hatte meinte sie noch: "Was hat der Señor Ministre méxicano gesagt, ich könnte dir ja meine Spanischkenntnisse beibringen. War schon mal ein interessanter Anfang." Dann ploppte es, und Millie war weg. Julius blieb einige Sekunden allein in der Wohnküche. Dann konzentrierte er sich auf "die Freßallee", wie die Fest- und Verpflegungszelte bei den Besucherbetreuern inoffiziell genannt wurden und disapparierte.

Die beschwingte Blasmusik aus einem weiß-blauen Festzelt lockte Julius an. Über dem Zelt wehten die Fahnen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Also gab es dort wohl entsprechende Speisen und Unterhaltungsprogramme. Er konnte zwar kein Deutsch, ging jedoch zuversichtlich davon aus, daß das Bedienungspersonal Französisch oder Englisch sprach.

Eine Kapelle aus zwanzig Mann spielte zum Tanz auf. Die Tische zum Essen und Trinken standen an den schrägen Innenseiten des von innen dreimal so groß ausfallenden Zeltes. In der Mitte war eine Tanzfläche, auf der sich mehrere Paare und Einzeltänzer tummelten. Die blonde Bärbel Weizengold fiel ihm wegen ihrer die meisten überragenden Größe sofort ins Auge. Sie stand am Rand der Tanzfläche und betrachtete mehrere Paare aus ihrer Schule. Als sie den ebenfalls nicht gerade kurz geratenen Ehemann Millies sah winkte sie ihm zu.

"Ah, Julius, doch mal den Weg zum Alpenlandzelt gefunden?" Fragte sie ihn auf Englisch. Er nickte. "Die Gräfin hat uns freigestellt, heute Mittag die verschiedenen Zelte auszutesten. Sie selbst ist mit ihren Kolleginnen aus Thorny, Hoggy und Beaux verabredet."

"Klären wohl den internationalen Lehrplan ab", meinte Julius. Doch dann fiel ihm ein, daß es vielleicht auch um etwas anderes gehen konnte. Doch davon wollte er hier besser nichts erzählen. So erkundigte er sich, was die deutsche Zauberschülerin ihm hier empfehlen könne.

"Im Grunde kannst du dich hier durch dreißig deutsche Bier- und Weinsorten trinken, deutsche, österreichische und schweizer Sachen essen und natürlich die Musik genießen. Warst du mit deinen Eltern mal in der Gegend?"

"Bisher nicht. Ich habe nur die Berichte vom münchener Oktoberfest mitbekommen. Daher kam mir die Musik so bekannt vor", erwiderte Julius.

"Ist für die Zaubererwelt auch eine heftig schwierige Zeit, weil da nicht nur Muggel hingehen", sagte Bärbel. "ohne jetzt Interna aus dem Büro meines Vaters zu verraten kann ich zumindest sagen, daß es immer ein Akt ist, mit den ganzen Zaubereiministerien klarzukommen, deren Zauberer und Hexen beim Oktoberfest die Geheimhaltungsregeln vergessen."

Die Kapelle hörte mit dem Stück auf und verbeugte sich. Bärbel übersetzte, daß nun eine Formation aus Norddeutschland beliebte Lieder über Seefahrt und die Meeresküste aufspielen würde. Darauf erschienen sieben Mann in matrosenkleidung. Dabei war einer mit einer Gitarre, einer mit einem Akordeon und einer mit einer Mundharmonika. Die vier anderen hatten Schellentrommeln dabei. Bärbel fragte Julius, ob er Lust zu tanzen hatte. Er hatte. So vertrieben sich die beiden bis zum Mittagessen die Zeit auf der Tanzfläche. Zum Mittag probierte er zwei Bratwürste, Sauerkraut und Kartoffelbrei. er fragte Bärbel, ob er sie zum Essen und trinken einladen durfte und unterhielt sich mit ihr über ihr Zaubererdorf im Sauerland. Er erwähnte das, was keine intimen Sachen zwischen ihm und anderen waren und sprach auch über das trimagische Turnier in Hogwarts. Er schloß damit, daß er hoffte, vielleicht noch im letzten Schuljahr eines mitzubekommen. Als er dann gefragt wurde, ob er dabei auch mitmachen wolle mußte er jedoch einige Sekunden überlegen.

"Ich denke, ich werde das erst genau wissen, wenn klar ist, daß es eins gibt und falls ich überhaupt an der Auswahl teilnehmen darf."

"Wieso nicht?" Fragte Bärbel. Julius erwähnte, daß ja nicht selbstverständlich sei, daß er mitgenommen würde, wenn das Turnier in Hogwarts, Durmstrang oder einer anderen Schule außer Beauxbatons stattfinden würde. Bärbel nickte und erwiderte dann, daß sie das nicht bedacht hatte, daß die Schulleiter ihre Mitreisenden ja auswählen müßten. Dann kam sie noch auf etwas anderes:

"Es heißt, du interessierst dich für Astronomie und die Weltraumflüge der Muggel. Magistra Rauhfels hat das mit der Gräfin jetzt klar, daß Greifennest am elften August interessierte Leute einlädt, die Sonnenfinsternis zu sehen, die da stattfindet, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit." Julius horchte auf und nickte wild. "Hmm, soll ich bei Magistra Rauhfels anfragen, ob noch Plätze frei sind, weil wir gerade mal einhunderttausend Leute auf das Gelände lassen wollen?"

"Hmm, offiziell bin ich bis einen Tag nach dem Finale als Besucherbetreuer angestellt. Ob ich mal eben das Land verlassen darf muß ich daher mit meiner Vorgesetzten klären. Falls ja, dann kannst du Magistra Rauhfels bitte ausrichten, daß du mir davon erzählt hast und ich ihr eine Anfrage per Eule schicke. Der direkte Kontakt ist mir lieber. Oder soll ich Gräfin Greifennest anschreiben?"

"Eigentlich wäre Magister Hertzsprung, unser Astrolehrer dafür zuständig. Aber Magistra Rauhfels hat von dem aufgedrückt bekommen, das mit den Gästen zu regeln, weil er nicht so gut mit fremden Leuten kann wie sie. Außerdem will sie den Besuchern vor und während der Verfinsterung die Zauberpflanzen und -tiere zeigen, die am heftigsten auf die Finsternis reagieren. Hertzsprung kuckt da sicher nur in die Sonne und hat für nix anderes Zeit."

"Oh, dann sollte der aber einen guten Lichtfilter auf das Teleskop setzen", meinte Julius. "Aber ich denke, als Astronomielehrer weiß er das ganz sicher schon."

"Der sicher. Aber es dürfte wichtig sein, das anderen zu vermitteln, daß die nicht mit bloßen Augen oder gar durch ein ungefiltertes Fernrohr in die Sonne gucken." Julius erwähnte, daß er eine Methode kannte, die Sonnenscheibe auf eine weiße Unterlage zu projizieren und das er das mal interessierten Leuten vorgeführt habe. Bärbel horchte auf und bat darum, das der Gräfin und Magistra Rauhfels zu zeigen. Das wäre sicher etwas, womit sie bei der Finsternis viele augenschädigungen verhindern konnten. Julius nickte. Er hatte es auf der Zunge, dann aber sicher bei der großen Veranstaltung dabei sein zu wollen. Doch Bärbel verstand es auch so. Denn sie lächelte hintergründig.

Pappsatt und mit vielen neuen Eindrücken im Kopf trat Julius seinen Nachmittagsdienst an, wobei er auch die Schotten besuchte, die sich für das Spiel am Abend in Form sangen und tranken.

"Schade, Laddy, daß du keinen anständigen Scotch trinken darfst, wenn du die Sachen da anhast", lachte ihn Angus McFusty an, als Julius bei ihm und trinkfesten Landsleuten stand. In einigen Dutzend Metern polterte es, und rauhe Männerstimmen johlten.

"bin auch eher auf Wein umgestellt worden, Sir", lachte Julius. "Ich hoffe nur, daß Ihre Jungs heute Abend noch geradeaus kucken können, wenn ihre Mannschaft aufläuft."

"Aber sicher doch, Laddy", lachte McFusty. Da johlte es besonders laut hinter dem großen schottischen Zeltdorf. "Ah, hat wohl einer den Rekord von meinem Sohn Ian angeknabbert. Gleich sind die alten Hasen dran, dann kann ich denen zeigen, daß die McFustys bei dem Sport immer noch die Größten sind. hast du das schon mal versucht, ich meine, ohne Magie, nur mit Muckies?"

"Wird in Hogwarts nicht angeboten und gehört nicht zum Sportprogramm von Beauxbatons", sagte Julius. Daraufhin meinte McFusty, daß Julius vom Körperbau her sicher einen Stamm zumindest anheben könne. Julius ging darauf ein. Hinter der Zeltstadt kam ihnen Ian McFusty entgegen. Er trug einen Schottenrock in den Farben seines Clans und strahlte. "McMerdow hat es gewagt, zwei Zoll an meine Bestmarke ranzukommen. Da habe ich die noch mal um ein Yard vergrößert, Dad", verkündete er stolz. Sein Vater klopfte ihm anerkennend auf die Schultern. Dann fragte er, ob Julius mal versuchen durfte, einen der Stämme zu heben. Ian McFusty prüfte mit den Augen, ob Julius nicht eher vom Baumstamm angehoben werden mochte, grinste und nickte. "Okay, wenn der Monsieur dabei nicht zerbricht, kein Problem." Julius wärmte sich mit Gymnastik und kleinen Wasserfässern auf, die von Runde zuRunde voller wurden. Als Ian einen erstaunten Pfiff ausstieß und seine Mitsportler herbeiwinkte balancierte Julius die beiden Fässer gerade, die halb voll Wasser waren. "Ey, kuckt mal, was der Monsieur aus England stemmt, Jungs! Nachher räumt der noch meinen Rekord ab." Julius fragte, wie viel Wasser in ein Faß ging, ohne zu schwitzen.

"In so'n Faß passen fünfundzwanzig Galonen rein. Was für'n Training haben sie Ihnen verpaßt?"

"Schwermachertraining", sagte Julius und setzte die beiden Fässer ab. Daß er mal eben um die fünfundvierzig bis fünfzig Liter Wasser pro Fass gestemmt haben sollte wollte ihm nicht aufgehen. Er hätte aber auch erwähnen können, daß er über drei Monate lang Halbriesenblut in den Adern gehabt hatte und seitdem immer auf seine Form geachtet hatte. Die jungen Zauberer aus Schottland staunten. Dann wollten sie wissen, wie so ein Schwermacher funktionierte. Da Julius es zum Informationsprogramm zählte, darüber zu berichten, hatte er kein schlechtes Gewissen, damit eine Viertelstunde mehr Zeit zu verbringen. Er sah erst auf die Uhr, als er neben den blanken Holzstämmen stand, von denen ein bulliger Zauberer namens McDarwish gerade einen anhob und ausbalancierte. Er hatte noch fünf Minuten bis zu seiner nächsten Etappe durch das Dorf. Julius wurde aufgefordert, einen der schmaleren Stämme zu heben. Er erkannte, daß Kraft allein nicht ausreichte. Erst als er es raushatte, wo er den Stamm anfassen konnte, um ihn richtig zu balancieren, bekam er ihn mit spürbarer aber noch nicht übergroßer Anstrengung angehoben. Werfen tat er ihn jedoch nicht. Das enttäuschte zwar die auf Stärke und Gewandtheit erpichten Zauberer. Doch Julius konnte begründen, daß er ja noch zu den Engländern müsse, damit die am Abend nicht schon vor den Schotten total betrunken waren. Das löste lauthalses Lachen aus.

"Laddy, nichts persönliches, aber der Bursche aus England, der einen echten Schotten im Trinken übertreffen kann ist noch nicht geboren", sagte Ian McFusty. Julius hätte fast geantwortet, daß er jeden Schotten hier locker unter den Tisch trinken könne. Aber zum einen müßte er dazu mit dem Breitbandantidot mogeln, und zum anderen hielt er nichts von dieser Art Männlichkeitsbeweis. Kraft zu haben, gut, Mut zeigen auch gut, aber für ihn zählten dann doch eher Übersicht und Intelligenz, und die hielten ihn davon ab, sich auf einen Trinkwettbewerb einzulassen.

Bei den Engländern war auch schon Stimmung vor dem Spiel angesagt. Julius kam gerade recht, um zwei Zauberer davon abzuhalten, sich wegen irgendwas zu duellieren. "Gentlemen, wenn Sie sich duellieren wollen tun Sie dies bitte zu Hause und nicht, wo ältere Damen und kleine Kinder das Elend mit ansehen müssen", sagte er, als er zwischen die beiden eine Sonnenlichtmauer beschworen hatte.

"Und dieser Knilch da hat mich beschupst. Der hat mir von dem Wetteinsatz die Hälfte in Leprechangold gegeben", sagte einer der Streithähne.

"Du hast ein Loch in deinem Geldbeutel, deshalb hast du die Hälfte rausfallen lassen, du Troll", knurrte der zweite. Julius straffte sich. Da er die beiden um mindestens zehn Zentimeter überragte und seinen Zauberstab fest in der rechten Faust hielt beeindruckte das die beiden bereits. Dann sagte er laut genug, daß er im Umkreis von fünfzig Metern gehört wurde: "Abgesehen davon, daß private Wetten nicht von dem Organisationskomitee erwünscht sind ist das Duellieren verboten. Wer sich nicht dran hält darf gleich nach Hause fahren, falls er oder sie nicht wegen Körperverletzung ein paar Monate Gast in unserer beliebten Pension Tourresulatant sein möchte."

"Ist das der Zaubererknast in Frankreich?" Fragte einer der Streitenden. Julius nickte.

"Gibt's da noch Dementoren?" Wurde Julius gefragt. Dieser schüttelte den Kopf und erwiderte:

"Die nicht, aber jeden Tag Schnecken und Froschschenkel, wobei die Gefangenen die Tiere selbst zum essen klarmachen müssen." Das wirkte. Die beiden Streithammel nickten einander zu. Julius ließ die Mauer aus verdichtetem Sonnenlicht verschwinden und forderte, daß sich beide die Hand gaben. Wenn da was mit Leprechangold gelaufen war, sollten sie das bei ihrem mitgereisten Ministerialbeamten anzeigen.

Nach der vorübergehenden Schlichtung des Streites erkundigte sich Julius noch bei den Zaubererfamilien mit kleinen Kindern, ob sie mit dem Angebot für Kinder unter zehn Jahren zufrieden seien.

"Na ja, unsere Kinder kommen ja irgendwie ohne Worte aus", sagte eine Hexenmutter. "Allerdings möchte ich doch wissen, ob das stimmt, daß pro halben Tag Betreuung eine Sickel pro Kind verlangt wird. Diese ältere Kindergartenhexe hält es ja nicht für nötig, Englisch zu können."

"Also das mit der Sickel pro halben Tag und Kind stimmt leider schon, weil die Damen und Herren ihre Freizeit dafür opfern, um auf Ihre Kinder aufzupassen. Mit wem hatten Sie denn zu tun, Madam?" Fragte Julius.

"Wie hat die sich genannt? Madame Castello, so eine ältere Dame war das."

"Oh, die kenne ich dann noch nicht. Muß eine Verwandte eines Bürgers von hier sein", sagte Julius. "Aber wie erwähnt, Madam, die Leute, die für die Kinderbetreuung zuständig sind opfern dafür ihre Freizeit."

"Das tun Sie auch, und dennoch beanspruchen Sie keine weiteren Kosten für Ihre Hilfe", argumentierte die englische Hexenmutter.

"Klar, weil sich die Besucherbetreuung in den Eintrittskartenpreisen und der Platzmiete niederschlägt, Mrs. Longfellow", erwiderte Julius. Die Hexe nickte verhalten. Dann sagte sie: "Dann wundert es mich nicht, daß sich viele keine Kinder mehr zulegen, weil sie befürchten, sich diese nicht leisten zu können." Julius hätte fast gesagt, daß vier Sickel pro Tag doch kein Geld seien. Doch dann dachte er daran, daß Mrs. Longfellow wohl noch bis zum Finale bleiben wollte und ihre Kinder dann womöglich noch zehn Tage betreuen lassen mußte. Das ergab dann schon vierzig Sickel. Außerdem hatten längst nicht alle Leute so viel Geld mitgenommen, wo die Eintritts- und Bewirtungskosten schon so hoch waren. Für manche Familie mit mehr als zwei kleinen Kindern mochte die Kinderbetreuung heftig ins Geld gehen, wenn sich die Eltern nicht dauernd um ihren Nachwuchs kümmern konnten oder wollten. So sagte er, daß er mit dem Dorfrat noch mal über die Betreuungskosten sprechen wolle, ob da nicht etwas nachgelassen werden könne. Das reichte Mrs. Longfellow für's erste.

Der restliche Nachmittag verlief ohne erwähnenswerte Ereignisse. Nur Anfragen nach Kartenkäufen und Programmen für die nächsten Runden waren zu beantworten.

Die Krönung des Tages war die Partie Schottland gegen Norwegen. Julius durfte wieder bei der Kartenkontrolle aushelfen. Dabei sah er auch die Barleys und Abrahams wieder.

"Mein Großonkel hat dem Kapitän der Mannschaft angedroht, ihn an seine Drachen zu verfüttern, wenn Schottland heute gegen Norwegen verliert", sagte Mrs. Barley grinsend. "Aber McGrath wird auch so gewinnen wollen, allein schon um Irland und England als möglichen Endspielgegner zu kriegen."

"Wales ist auch noch im Rennen, Madam", sagte Julius. Er wußte, daß Ceridwens Vater aus Wales kam.

"Könnte ein rein britisches Halbfinale geben", erwiderte sie. Da tauchte der Busunternehmer Bluecastle hinter Ceridwen auf und blaffte sie in breitem New-York-Dialekt an:

"Sind Sie schon durch. Wenn ich mir diesen Mumpitz schon geben soll will ich bald mal meinen Allerwertesten irgendwo hinpflanzen, Ma'am."

"Entschuldigung, Sir, ich mußte noch etwas wegen der Sitzreihe klären, in der ich mit meinen Töchtern und meinem Schwiegersohn sitzen soll", sagte Ceridwen Barley. Julius deutete auf die Ehrenloge. Mrs. Barley nickte und bedankte sich. Sie winkte Tim, der seinen kleinen Sohn auf den Schultern trug.

"Nichts für ungut, Sir, aber im alten Europa pflegen wir einen höflicheren Umgangston Damen gegenüber", wies Julius den schwergewichtigen Herren mit dem zitronengelben Zylinder zurecht.

"Deshalb vertut ihr auch zu viel Zeit mit langem Drumrumgerede", knurrte der Zauberer. "Also, wo sollen meine Cousine und ich uns hinpflanzen?" Er deutete auf seine Begleiterin. Julius betrachtete die beiden. Wie Verwandte sahen sie nicht aus. Doch er hielt sich mit einem Kommentar zurück und deutete auf die zweithöchste Sitzreihe in der Ostkurve des ovalen Stadions. "Was ist denn der Kasten da oben?" Fragte Bluecastle verstört dreinschauend. Er deutete auf die Ehrenloge.

"Das ist die Loge für Ehrengäste ähnlich wie in einem Quodpotstadion, Sir", erwiderte Julius. Bluecastle bekam große Augen und fragte, ob diese Person da wirklich hindurfte. "Die Karte ist echt, Sir. Dann kann die das", erwiderte Julius darauf und winkte dem 3-Zentner-Mann und seiner Begleiterin.

"Cousine, das ich nicht grinse. Verarschen kann ich mich auch selbst, Yankee", dachte Julius, bevor er sich wieder auf die Zuschauerschlange konzentrieren mußte.

Als er die leidige Kartenüberprüfung geschafft hatte eilte er unter den Sitzreihen hindurch zum nur für Mitarbeiter reservierten Aufstieg zur Ehrenloge, wo er seine Schwiegermutter, seine Frau und den Häuptling des McFusty-Clans begrüßte. Die Barleys und Abrahams' waren auch schon da. Ceridwen mentiloquierte ihm die Frage zu, wer der vollschlanke Gentleman gewesen sei. Julius schickte zurück, daß der Her sich wohl nicht als Gentleman bezeichnen lassen mochte. "Ein Unternehmer sollte aber auf gute Umgangsformen achten", bekam er Ceridwens Gedankenantwort zurück. Er bejahte es mentiloquistisch.

"Die haben aber schon gut gefeiert", bemerkte Millie, als viele Schottland-Fans leicht schwankend von ihren Sitzen aufstanden und ein Lied in gälischer Sprache anstimmten.

"Richtiges Lebenswasser, junge Lady", bemerkte Angus McFusty dazu, dem es wohl in den Mundwinkeln zuckte, mitzusingen. Doch da kam gerade Minister Schacklebolt mit einigen weiteren Ehrengästen und dem norwegischen Zaubereiminister Lasse Sigurson heran. Julius begrüßte Shahcklebolt mit der ihm gebührenden Ehrerbietung und begrüßte auch den graublonden Zaubereiminister aus dem hohen Norden, der in Begleitung seiner Ehefrau und zwei halbwüchsiger Söhne erschienen war. Sigurson konnte sowohl Englisch als auch Französisch und bedankte sich bei Madame Latierre für die bisher reibungslose Betreuung der norwegischen Besucher. Dann fing er mit Mr. McFusty eine Unterhaltung über Drachen an. Sigurson stand gerade mit seinem schwedischen Kollegen in Verhandlungen, ein weiteres Kurzschnäuzlerreservat in Skandinavien anzulegen, um die immer rauheren Revierkämpfe der brütenden Weibchen zu entschärfen und wollte vom Hüter der schwarzen Hebriden nützliche Tipps zur Unterbringung haben. McFusty hatte kein Problem damit, dem Norweger wichtige Dinge über die Betreuung von Drachen zu erzählen, wobei schwedische Kurzschnäuzler schon andere Verhaltensweisen zeigten als die schwarzen Hebriden. So hielten sich die Männchen der Kurzschnäuzler in einem Gebiet auf, in dem kein Weibchen wohnte, ohne ein eigenes Revier beanspruchen zu können. Wenn die Weibchen fruchtbar wurden, flogen sie in dieses Gebiet und trieben die ihnen brauchbar erscheinenden Männchen aus der Junggesellengruppe heraus in ihre fest abgesteckten Reviere. Julius nahm diese Informationen sehr interessiert auf. Immerhin hatten sie beim letzten Trimagischen ja auch ein Kurzschnäuzlerweibchen eingesetzt, und die Begegnung mit einem gerade brütenden Weibchen in einer tiefen Höhle würde er wohl auch nicht mehr vergessen.

"Jungs und Drachen", grinste Millie, die merkte, wie sehr ihr Mann der Unterhaltung lauschte.

"Sind wie Mädchen und Einhörner", konterte Julius. Millie mußte darüber nur grinsen. Julius erwähnte leise, daß Babette Brickston auch gerne einen Drachen haben wollte. Millie nickte und erwiderte, daß sie dann wohl einen der McFustys heiraten müsse, um genug Drachen um sich zu haben. Das hörte Angus und fragte leise, von welcher jungen Dame die Rede sei. Julius deutete auf Madame Faucon, die mit ihrer Gruppe aus Beauxbatons auf den fest reservierten Plätzen saß. "Deren Enkeltochter, Sir", sagte er nur.

"Oha, nein, bitte nicht. wenn deren Enkeltochter so ein eiserner Besen ist wie die Großmutter der Dame, dann lieber doch nicht", sagte McFusty. "Die hätte meinen Vater mal halb durch das Reservat gejagt, als einer der Drachen ihren Reisekoffer aufgefressen hat. Na ja, will lieber nicht zu viel drüber reden. Die Dame hat ja ein scheußliches Ende gefunden, das echt keiner verdient." Julius erkannte nun, daß er Madame Faucons Großmutter Claudine gemeint haben mußte, die von einem Letifolden getötet und rückstandslos gefressen worden sein sollte.

"Messieursdames, Ladies and Gentlemen!" Rief Hippolyte nun mit magisch verstärkter Stimme. "Willkommen zur Begegnung der schottischen Nationalmannschaft gegen die wackeren Helden aus Norwegen!" Die Fans jubelten. Die Schotten traktierten ihre mitgebrachten Dudelsäcke, während die Norweger mit Trommeln, Fideln und Flöten dagegenhielten. Dann bat Madame Latierre um die Aufmerksamkeit für die Maskottchen aus Schottland. Julius blickte höchstgespannt auf das Spielfeld. Da kamen gerade zwanzig Zauberer in Schottenröcken auf Besen herbei. Zwischen je vier Besen hing ein großer, mit Wasser gefüllter Bottich. In jedem Bottich planschte ein Seehund unterschiedlicher Farbe. Julius wußte natürlich, daß es keine gewöhnlichen Robben waren, die da hereingetragen wurden. Sie waren auch größer als gewöhnliche Seehunde. Als die Bottiche abgesetzt worden waren stellten sich die fünf Wesen auf ihre Schwanzflossen und winkten mit den Brustflossen. Dabei warfen ihre Felle falten. Auf einmal klappten ihre Mäuler nach hinten wie Kapuzen und rutschten wie ein reiner Pelzmantel in die Bottiche. Darunter kamen höchst ansehnliche Gestalten zum Vorschein. Drei Frauen und zwei Männer, die in karierten Schwimmanzügen steckten. Die Frauen hatten langes, rotes Haar und meergrüne Augen, während die athletisch gebauten Männer rotblondes Lockenhaar und marineblaue Augen besaßen. Sie winkten ins Publikum und entstiegen den Bottichen, ohne eine nasse Stelle am Körper zu haben.

"Ich habe bisher noch keinen Selkie zu sehen bekommen", sagte Julius. "Was können die, außer als Menschen oder Seehunde zu erscheinen?" Fragte er Mrs. Barley.

"Sie beherrschen Wasserzauber, ohne Zauberstäbe zu benötigen und können die für ihr Geschlecht empfänglichen Menschen dazu befähigen, einige Zeit vor allem durch Wasser möglichen Schaden verschont zu bleiben. Allerdings tun sie das nur bei denen, die keine bösen Absichten haben."

"Ja, und wer den abgelegten Seehundpelz findet und versteckt kann einen Selkie dazu verurteilen, immer an Land zu bleiben", sagte McFusty. "Dann verliert er seine magischen Kräfte und kann nur als Normalsterblicher leben. Seine Verwandten nehmen es dem Dieb jedoch übel, und der Selkie selbst stirbt an Schwermut und Trauer, falls er nicht aus Liebe bei den Menschen bleiben will."

"Jedenfalls sehr schöne Wesen", meinte Millie. "Hatte erst gedacht, die kämen Nackt aus dem Bottich."

"Die können bekleidet ihre Pelze und damit Seehundkörper wieder anlegen", sagte McFusty. "Wenn sie die Seehundform wieder abstreifen stecken sie in der Kleidung, die sie zum letzten Mal trugen. Die wissen schließlich, daß hier keine nackten Menschen erwünscht sind."

"Ja, Menschenähnliche", meinte Ceridwen und deutete auf die gegenüberliegende Seite des Stadions. Die Selkies sangen derweil ein Lied. Ihre Stimmen klangen glockenrein wie bei ausgebildeten opernsängern. Sie tanzten miteinander einen schottischen Kreistanz und sprangen im Rhythmus hoch in die Luft. Dann bat Madame Latierre um Aufmerksamkeit für die norwegischen Maskottchen.

Catherine hatte Julius schon einmal erzählt, daß die Norweger kleine Waldtrolle als Maskottchen vorgestellt hatten. So konnte er die kleinen, gedrungenen Kerle mit den schwarzen und braunen Struwelbärten und spitzen Ohren sofort richtig einteilen, die mit dicken Keulen und lauten Rasseln ins Stadion stürmten und sofort einen wilden Trolltanz aufführten, wobei sie sich die Keulen zuwarfen oder übereinander hinwegsprangen.

"Die sind umgänglicher als ihre Verwandten aus den Bergen", bemerkte Minister Sigurson dazu.

"Und nun, werte Zuschauerinnen und Zuschauer, begrüßen Sie mit mir die Nationalmannschaft von Schottland!" Rief Hippolyte Latierre. "McGrath, Campbell, McDarwish, Mccloud, Ferguson, McMillan und McFusty!" Alle mitgebrachten Dudelsäcke trällerten einen flotten Marsch, während dem die sieben Spiler auf ihren Feuerblitzen aus der Bodenluke schossen. Julius sah die Sucherin Annie McFusty, eine Enkeltochter des Clanhäuptlings. Sie spielte hauptsächlich bei den Tutshill Tornados. McGrath war ein Kleiderschrank auf Beinen, sicher auch ein exzellenter Baumstammwerfer. In der Mannschaft spielte er als Hüter. Er hätte mit seinen strohblonden Haaren auch glatt als Schwede oder Norweger durchgehen können.

"Nach dem großen Spiel Schottlands gegen Uganda möchten die Damen und Herren aus dem Norden Britanniens allen zeigen, daß sie die Weltmeisterschaft gewinnen möchten. Doch dazu müssen sie heute gegen die sieben Recken aus dem hohen Norden Europas bestehen. Begrüßen Sie mit mir die Nationalmannschaft aus Norwegen!" Die norwegischen Fans jubelten. "Tjureson, Ivarson, Olafson, Gunnarsen, Carlson, Frederickson und Ericksson!" Julius erkannte wieder, daß ein Sucher nicht immer klein und zierlich sein mußte. Denn der Norweger Ericksson war fast so breit und hoch gebaut wie McGrath von den Schotten und besaß langes, gewelltes, blondes Haar mit einem Stich ins rote. Viele junge Hexen aus den Reihen der Norweger schrien seinen Namen im Chor.

"Der ist nicht zufällig entfernt mit einem berühmten Wikinger verwandt?" Fragte Julius verwegen. Minister Sigurson lachte und erwiderte, daß sich Harald Ericksson immer gerne damit brüste, daß er mit dem legendären isländischen Wikinger verwandt war, der als erster Europäer den nordamerikanischen Kontinent erreicht habe. Irgendwie sei dessen Linie mit alten Zaubererfamilien zusammengeraten. Ceridwen bemerkte dazu:

"Einer von Erickssons Nachfahren soll die Tochter eines lappländischen Schamanen geheiratet haben. Angeblich habe ihr Vater den Jungen mit entsprechenden Beschwörungen geködert, weil er wollte, daß seine Familie auch Einfluß in der südlicheren Welt bekomme und er eine Vision gehabt haben will, daß einer seiner Nachfahren einmal einen großen Einfluß in der Welt erringen würde."

"Das ist bisher nicht passiert, werte Mrs. Barley", lachte Sigurson erheitert. "Die Familie hat sich immer nur um Quidditch oder Zaubertiere gekümmert. Vielleicht wird sich die Vision des alten Schamanen erst dann erfüllen, wenn wir auch in Norwegen ein Drachenreservat einrichten können."

"Eine alteingesessene Quidditchdynastie?" Fragte Angus verwegen grinsend. Sigurson bejahte es. "Der älteste Sohn der Familie wird dazu angehalten, mindestens einmal in der Nationalmannschaft zu spielen. Nur einmal hat es nicht geklappt, weil einer der erstgeborenen keine Söhne zeugen konnte und damals keine Hexen in die Nationalmannschaft hineingenommen wurden."

"wurden? Ich sehe hier bei Ihrer Mannschaft auch keine Hexe, werter Kollege", bemerkte Schacklebolt dazu. Sigurson erwiderte, daß die Hexen in Norwegen kein Interesse an dieser großen Schau hatten. Ob das stimmte konnte keiner bestätigen oder widerlegen.

Als Hanno Felsgruber, der Schiedsrichter dieser Partie, die vier Bälle freigegeben hatte, tobte über dem Feld die wilde Schlacht. Schottland und Norwegen gingen gleich auf die Torringe los. Da wurde nicht taktiert oder um Aufstellungen gerangelt. McGrath vereitelte Norwegens ersten Torwurf und schlug den Quaffel so heftig in die gegnerische Hälfte ab, daß der Jäger McDarwish nur noch mit der Faust an den Ball stupsen mußte, um ihn durch den von Kapitän Tjureson behüteten Ring zu lenken. Das geschah bereits in den ersten dreißig Sekunden. Dann folgten drei Minuten offenen Schlagabtausches. Ericksson versuchte einmal, seine Gegnerin McFusty zu verladen. Doch diese erkannte das Täuschungsmanöver und tat ihrerseits so, als habe sie den Schnatz bereits ausgemacht. Ericksson wurde dazu verleitet, in die Bahn beider Klatscher zu fliegen und konnte gerade so noch mit einem Schlenker den Zusammenprall verhindern.

"Holla die Waldfee!" Stieß Julius aus, als alle sechs Jäger über dem Feld haarscharf an einer Massenkarambolage vorbeischrammten. "Noch keine vier Minuten und schon neunzig Zähler bei Schottland und achtzig bei Norwegen. Ui!" Wieder brach McDarwish durch die Dreierlinie der norwegischen Jäger und warf sich flach auf den Besen. Er führte den Quaffel aber nicht. Der war gerade noch bei McGrath, und die Norweger bildeten ein Dreieck vor dem Torraum. Doch McGrath spielte den Quaffel mit einer kurzen Antäuschbewegung unter den dreien hindurch und bediente McDarwish, der genau im richtigen Neigungswinkel flog, um den scharlachroten Ball mit dem rechten Arm aufzunehmen und knapp vor dem gegnerischen Torraum mit dem Rosselini-Raketenaufstieg knapp vor Tjureson nach oben zu schießen. Dabei drehte sich McDarwish und schleuderte den Quaffel hinter Tjuresons Rücken durch den Mittelring.

Die kommenden zwanzig Minuten waren ein echter Schaulauf an Angriffsquidditch. Allerdings gab es auch Fouls auf beiden Seiten. McGrath erwies sich als Strafwurftöter. Denn von sieben verhängten Würfen parierte er sechs. Tjureson hingegen mußte alle fünf von seinen Kameraden verschuldeten Strafwürfe schlucken. Schottland baute die Führung immer weiter aus. Ericksson hatte es aufgegeben, seine Gegenspielerin zu verladen. Diese versuchte es zwar immer wieder, ihn durch Wronsky-Bluffs und andere Suchertricks zu verwirren. Doch Ericksson erwies sich als sehr gewandter Flieger, wenn er durch die Reihen der sich ständig gefährlich bedrängenden Jäger und Treiber hindurchflog. Als Schottland mit 800:650 Punkten in Führung ging drehte sich Ericksson ansatzlos in Rückenlage und fegte knapp an einem der Klatscher vorbei auf das von Tjureson behütete Tor zu. Die schottische Sucherin erkannte erst jetzt, daß er den Schnatz aufs Korn nahm und setzte ihm mit einem todesmutigen Durchbruch durch die sich gerade wieder verknäuelenden Jäger nach. Erickssons Haar wehte wie eine Fahne im Flugwind, als er mit dem linken Arm ausholte ... Da riefen die Schotten gerade den einundachtzigsten Treffer für ihre Mannschaft aus. In diesem Moment ergriff Ericksson den Schnatz. Ein lautes Kreischen seiner weiblichen Fans übertönte den Torjubel der Schotten. Doch dann fiel den Norwegern wohl ein, daß der Schnatzfang eine Sekunde zu spät gekommen war. Totenstille breitete sich in den Reihen der Norwegen-Fans aus. Die Schotten hingegen lachten und johlten, weil ihre Mannschaft knapp aber unbestreitbar das Spiel gewonnen hatte.

"Jetzt wird's langsam teuer, wo der dritte Schnatz ins Ausland mitgenommen werden darf", feixte Julius, während seine Schwiegermutter den knappen Sieg der Schotten offiziell verkündete.

"Ey, kuck mal, der nimmt's mit Humor", sagte Millie und deutete auf Ericksson, der sich den gefangenen Schnatz gerade in sein langes Lockenhaar knotete.

"Nur Schau, Millie", meinte Julius. "Der weiß, daß er zwei Sekunden zu spät dran war. Bei Punktegleichstand hätte Norwegen mit dem Schnatzfang die nächste Runde erreicht, aber so ..." Die Verehrerinnen Erickssons erwachten aus ihrer Schockstarre und riefen den Namen ihres Helden und klatschten dazu.

"Jedenfalls ein schönes Spiel", sagte Julius und sah dabei Shacklebolt an.

"Morgen ist England auch eine Runde weiter", erwiderte der britische Zaubereiminister.

"eine Sekunde zwischen Sieg und Niederlage", seufzte Sigurson. Dann gratulierte er seinem britischen Kollegen zum Erfolg der Schotten.

"Ups, wollen die Trolle Ärger?" Fragte Angus McFusty, als die Maskottchen der Norweger geradewegs auf die Selkies losgingen, die ihnen jedoch mit geballten Fäusten entgegenblickten. Da schossen aus den Händen der Seehundleute armdicke Wasserstrahlen und trafen die Trolle voll im Gesicht, daß aus ihren Bärten wahre Wasserfälle zu Boden rauschten. Das trieb die keulenschwingenden Zwergwalddtrolle zurück.

"Ja, ihr kleinen Raufbolde, mit unseren Selkies legt ihr euch mal besser nicht an!" Lachte McFusty. Julius sah, daß die Selkies das Wasser für ihre Abwehrschlacht aus den Bottichen bezogen hatten. Denn diese waren jetzt so gut wie leer.

"Ui, die Norweger suchen das Weite!" Feixte Millie, weil sechs der sieben norwegischen Zauberer bereits auf den Besen dem Ausgang zuflogen. Nur Erricksson drehte noch Ehrenrunden über dem Fan-Block der Norweger.

"Hauptsache, der hat den Schnatz erwischt", meinte Julius dazu. Die Schotten begannen nun, mehrere Ehrenrunden über das ganze Stadion zu fliegen. Fröhliches Dudelsackspiel begleitete sie dabei.

"Monsieur Latierre, bitte sprechen Sie in meinem Auftrag bei Mademoiselle Dawn vor und erbitten von ihr genügend des Breitbandgegengiftes und desalkoholisierender Lösungen! Verbleiben Sie dann bis Mitternacht in der Nähe der schottischen Besucher und sorgen Sie dafür, daß es zu keinen schwerwiegenden Alkoholvergiftungen kommt!" Julius nickte. McFusty hatte die Anweisung an Julius gehört, aber wegen der Sprache nicht verstanden. Er wandte sich an seine Großnichte Ceridwen, die jedoch den Kopf schüttelte.

"Okay, dann gehe ich schon mal runter, um vor dem Stadion disapparieren zu können", sagte Julius und verabschiedete sich von Minister Shacklebolt und den doch nun sehr betrübten Norwegischen Zaubereiminister. Millie fragte ihre Mutter, ob sie auch noch einen Auftrag bekäme. Hippolyte nickte und schickte sie ihrem Mann hinterher.

Aurora Dawn, die bei den Dusoleils war, erklärte sich unverzüglich bereit, mit Julius zusammen bei den Schotten zu wachen, daß die sich nicht über ihre Verträglichkeitsgrenzen betranken. Sie klärte es noch mit Hera Matine ab, daß sie als Einsatzheilerin bei Julius und Millie sein sollte und somit auch die entsprechenden Befugnisse hatte, Überweisungen in die Delourdesklinik auszustellen.

Beim Zeltlager der Schotten trafen Millie, Aurora und Julius auf Ceridwen Barley, die ja mitbekommen hatte, was die Latierres noch zu tun hatten.

"An und für sich müßte auch wer bei den Norwegern bleiben", sagte Mrs. Barley. "Die sind was den Alkoholkonsum angeht genauso ungezügelt wie die Schotten, und die haben noch mehr Grund, sich zu betrinken."

"Meine Kollegin Matine ist bei denen, Mrs. Barley", sagte Aurora Dawn kurz angebunden und hielt auf eine Gruppe von Zelten zu, vor der bereits ein wildes Gelage mit Lagerfeuer im Gange war. Aus einem mannshohen Faß strömte eine goldgelbe Flüssigkeit in große Humpen. Julius sah sogar zwölfjährige Jungen, die in Begleitung ihrer Väter an das Faß herantraten. Aurora sah es auch. Julius legte die fünfzig Schritte mit einer Kurzstreckenapparition zurück. Unvermittelt erschien er neben einem rotbärtigen Zauberer, der seinem Jungen gerade den großen Humpen zum Trinken hinhielt. "Da, Siomas, nimm den Schluck der Sieger!" Hielt er den gerade zwölf Jahre alten Jungen an. Julius räusperte sich und deutete auf seine Kleidung:

"Entschuldigen Sie, Sir, auch wenn das Ihr Sohn oder Neffe ist sollten Sie darauf achten, daß Minderjährige keinen hochprozentigen Alkohol trinken dürfen. Wenn Sie ihn mitfeiern lassen wollen müssen Sie den Inhalt des Bechers verdünnen oder ihm Butterbier in kleinen Mengen geben."

"Ich werde meinem Sohn doch noch gescheiten und unverschnittenen Whisky anbieten dürfen, junger Mann", schnarrte der Zauberer. Julius blieb jedoch unbeeindruckt.

"Ist das das erste Mal, daß Ihr Sohn Whisky trinkt?" Fragte er gelassen klingend, obwohl er innerlich auf höchster Alarmstufe war.

"Neh, wenn wir feiern kriegt er immer einen Schluck ab. Aber was geht dich das an?" Julius roch, daß Siomas' Vater bereits reichlich getrunken hatte und schätzte die Lage so ein, daß der Zauberer wohl seine Selbstbeherrschung verlieren mochte. Siomas stemmte derweil den Humpen und setzte an. Da ploppte es, und der Inhalt war verschwunden. Siomas schüttelte den schlagartig geleerten Humpen und guckte seinen schon recht angeheiterten Vater an. Der blickte in die gähnende Leere des Trinkgefäßes und sah Siomas verdattert an. "Das kannst du nicht alles auf einmal ... Ey, hast du den guten Stoff verschüttet?!" Er machte Anstalten, seinem Sohn ans rechte Ohr zu greifen, als Aurora Dawn vortrat, den Zauberstab in der Hand.

"Sir, mein Name ist Aurora Dawn und ich bin Heilerin. Ich mußte den Inhalt des Bechers neutralisieren, damit das Kind nicht zu Schaden kommt. Mr. Latierre hier hat Ihnen sicher erzählt, daß der Ausschank oder die Weitergabe von hochprozentigem Alkohol an Minderjährige verboten ist."

"Sie haben den guten Whisky weggezaubert, Sie Sabberhexe? Was ich meinem Sohn gebe entscheide ich und nicht wer von der Heilerzunft oder dieser grüne Junge da."

"Der grüne Junge hat den offiziellen Auftrag, sicherzustellen, daß die Regeln für den Alkoholausschank und -genuß befolgt werden", erwiderte Julius knochentrocken. "Sie dürfen sich gerne bei Madame Latierre oder dem britischen Zaubereiminister erkundigen, der hat es mitgehört."

"Der Nigger hat doch keinen Dunst von echtem Vergnügen", knurrte Siomas' Vater. Der Junge errötete und zischte, daß er das Wort "Nigger" nicht sagen durfte. Julius straffte sich. Er überragte den Vater des Jungen um zehn Zentimeter.

"Du hältst dich geschlossen, Siomas", blaffte sein Vater und machte Anstalten, dem Jungen eine runterzuhauen. Julius fing die Hand ab und drehte dem zauberer wie beiläufig den Arm auf den Rücken und zwang ihn durch Polizeigriff in eine ungewollte Verbeugung.

"Gucken Sie bitte mal in den nächsten Spiegel und fragen Sie sich, was für ein Vorbild Sie als Vater sind, wenn Sie Ihrem Jungen jetzt schon einzubläuen versuchen, daß Gewalt recht kriegt. Wollen Sie, daß Ihr Sohn der nächste Todesser wird?"

"Ey, Mann, du Frechling, laß meinen Arm los!" Brüllte Siomas' Vater. Ceridwen Barley apparierte laut krachend vor ihm. "Glenn, was hast du wieder angestellt?" Fragte sie. Julius hielt den Vater von Siomas immer noch fest.

"Der bescheuerte Kerl da mischt sich in meine Angelegenheiten und wird frech", knurrte der Zauberer. Julius wollte schon ansetzen, Mrs. Barley zu bitten, sich da herauszuhalten. Die Lage war ihm schon unkontrolliert genug.

"Ich hab's gesehen, du wolltest Siomas eine runterhauen. Hast wohl schon deinen Anstandspegel überschritten, wie. Monsieur Latierre, bitte lassen Sie Mr. McDougall wieder los!"

"Nur wenn ich sicher sein kann, daß der Herr weder mir noch anderen danach Gewalt antut. Feiern ist was schönes, aber im Rahmen der nötigen Gesundheitsregeln sollte es schon sein. Schottland ist noch nicht Weltmeister. Wenn das passiert können Sie alle in Ihrer Heimat über den Durst trinken und sich raufen wie Sie wollen. Aber hier hat das französische Zaubereiministeriumm Hausrecht, und ich bin hier in Stellvertretung von Madame Hippolyte Latierre, die mir den Auftrag erteilte, aufzupassen, daß niemand seine Gesundheit gefährdet."

"Ich habe das mitbekommen. Und dieser Gentleman hier hält Sie unnötig auf, Monsieur Latierre", erwiderte Mrs. Barley. Julius erkannte, daß sie recht hatte. Denn er konnte sehen, daß auch anderswo Kinder von ihren Vätern oder Onkeln mit Whisky versorgt wurden. Deshalb sagte er schnell:

"Stimmt, dieser Gentleman hier hält mich unnötig auf. Aber denken Sie bitte an das, was ich gesagt habe, Sir. Wer Kinder schlägt ist nicht überlegen, sondern feige. Wenn Sie als Feigling vor Ihrem Sohn dastehen wollen, dann bitte! Mein Vater hätte sich deshalb geschämt, wenn ihm das jemand hätte vorwerfen können." Mit diesen Worten ließ Julius Mr. McDougall los. Dieser setzte zwar schon an, sich für das schmerzhafte Armverdrehen zu revanchieren. Doch weil ihm dabei nun mehr als fünfzig Leute zusahen unterließ er es doch. Sie kannten die Verhaltensregeln hier. Wer einen der offiziellen Betreuer tätlich angriff konnte seine Koffer packen. Julius lief nun ohne weiteres Wort durch die Gruppe von Zechern, die sich darüber beschwerten, weil irgendwer die Humpen leerzauberte, sobald Minderjährige sie in die Hände bekamen. Julius sah nicht nur Aurora Dawn, die das wohl anstellte, sondern auch Benefica Newport. Wo war die denn jetzt hergekommen? Hatte die nicht eine Patientin zu betreuen? Er bezauberte seine Stimme mit "Sonorus!" und räusperte sich. Sofort verstummten alle. Er rief dann über den gesamten Zeltplatz verständlich: "Ladies und vor allem Gentlemen! Das Organisationskomitee der Quidditchweltmeisterschaft in Millemerveilles gönnt Ihnen allen die Freude am Sieg Ihrer Mannschaft. Doch ich wurde gebeten, sicherzustellen, daß die Ihnen allen bekanntgemachten Verhaltensregeln eingehalten werden, zu Ihrem und vor allem Ihrer Kinder wohl! Dazu gehört vor allem, daß Whisky und andere stark alkoholhaltige Getränke nicht an Personen unter siebzehn Jahren ausgeschenkt oder weitergegeben werden dürfen. Für alle Väter, Großväter und Onkel, die meinen, ihren Zöglingen jetzt schon die Freude am Betrunkensein vermitteln zu wollen: Das Organisationskomitee und der Dorfrat von Millemerveilles haben hier das Hausrecht. Wer sich nicht an die Regeln hält darf morgen Früh schon die Heimreise antreten. Für alle die, die meinen, nur mit genug Alkohol im Körper Spaß haben zu können: Wenn Sie sich betrinken möchten, kein Problem. Aber dann sollten Sie sicherstellen, daß Ihre Kinder Ihnen am nächsten Morgen helfen können, wenn Sie den nötigen Preis für Ihre Freude bezahlen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!" Einige der Männer starrten Julius verstimmt an. Die Hexen umringten ihre Männer, Söhne und Brüder, wenngleich es da auch schon einige gab, die nicht mehr geradeauslaufen konnten. Mr. McDougall glotzte glasig auf den Jungzauberer, der sich hier als Ordnungshüter betätigte. Doch weil Ceridwen Barley immer noch in seiner Nähe stand traute er sich keine weiteren Sachen mehr. Offenbar empfand er einen unbestreitbaren Respekt vor der Großnichte des alten McFusty. Doch irgendwie hatte Julius' Haltung und Tonfall auch eine große Wirkung. Die Jungen zogen sich tuschelnd zurück, während die Väter mißmutig aber wortlos einander anblickten.

Erst eine Minute nach der Ansprache ging die Feier weiter. Der Mann am Whiskyfaß peilte immer wieder zu Julius hinüber, der unbeirrt und unerschütterlich zurückblickte.

"Das hat dem jungen Glenn McDougall aber einen gehörigen Schrecken eingejagt, wie Sie ihm vor seinem Sohn den Arm verdreht haben, junger Mann", wandte sich Benefica Newport an Julius, der in der Mitte des Zeltplatzes stand und die großen Fässer im Auge behielt.

"Ich hätte dem auch den Spruch meines Vaters bringen können, daß Drogen schwach machen und Alk eben auch nur eine Droge ist, Madam Newport", sagte Julius knochentrocken. "Ich kann's auch nicht haben, wenn wer meint, Kinder hauen zu müssen. Ich habe in meinen ersten Schuljahren andauernd Krach mit Jungen gehabt, die von ihren Vätern diesen Unsinn gelernt haben, daß nur wer draufhaut und möglichst brutal ist recht hat. Gut, okay, ich habe Mr. McDougall ziemlich heftig angefaßt und damit im Grunde seine Ansicht bestätigt, daß der Stärkere recht kriegt und sich alles erlauben darf. Aber vielleicht merkt er sich das, daß er nicht immer der stärkere ist. Ich habe das schon sehr sehr früh lernen müssen und hart dran arbeiten müssen, um nicht so zu werden."

"Ich bekomme mit, daß Sie durchaus einer von uns werden könnten. Darum gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, daß ich in meinem Beruf schon hunderte von Leuten um mich herum hatte, die durch den reinen Genuß von Rauschmitteln zu ganz anderen Menschen wurden, und das ohne Magie. Wenn ich einem Kind auf die Welt geholfen habe durfte ich zwei Stunden danach noch die Auswirkungen einer Rauferei zwischen dem glücklichen Vater und seinen Freunden behandeln. Da komme ich immer auf die Frage, wer da wirklich das Kind und wer erwachsen ist."

"Apropos Kind, Ich dachte, Sie hätten bei Ihrer Patientin zu tun", sagte Julius.

"Meine Patientin befindet sich im Moment in guter Verfassung. außerdem trägt sie ein Wehenarmband. Ich bekam von der Kollegin Matine bescheid, daß hier wohl ein paar englischsprachige Heiler gebraucht würden. Ich sehe mir das auch nicht an, wie junge Menschen schon weit vor dem Erwachsenenalter dazu verleitet werden, ihren Körper zu ruinieren. Daher habe ich ausgeholfen. Als Heilerin bin ich ja doch immer irgendwie im Einsatz."

"Kennen Sie den Herren, den ich etwas ruppig zurechtweisen mußte?" Fragte Julius.

"Ich habe seiner Frau und dem kleinen Siomas auf die Welt geholfen", sagte Madam Newport. "Insofern kam ich nur zwei Sekunden zu spät, sonst hätte ich den Humpen mit dem Vanesco-Zauber geleert."

""Die Leute an den Fässern könnten Ihnen Schadensersatz abverlangen", meinte Julius.

"Das sollen die sich mal wagen", grinste Madam Newport. "Konnte jeder sehen, daß sie ihre Getränke unerlaubt an Minderjährige ausschenken wollten. Da mußte ich als Heilerin einschreiten, genauso wie die junge Kollegin Dawn, mit der Sie ja recht gut bekannt sind. "

"Wollen wir hoffen, daß die ihre Lektion gelernt haben und nicht nachher auf dumme Ideen kommen", unkte Julius.

"Sie können sich gut wehren, weiß ich. Außerdem können Zauberer im betrunkenen Zustand nicht mehr so gut zaubern."

"Die Todesser damals bei der Weltmeisterschaft konnten das offenbar noch gut genug", seufzte Julius. Madam Newport nickte verhalten. Dann deutete sie auf eine Gruppe junger Mädchen, die eine Flasche herumgehen ließen. "Sich zu betrinken ist kein Privileg der Männer", meinte sie. "Schnepfeneierlikör, teuer und in der Wirkung leicht zu unterschätzen."

"Die sind aber schon über achtzehn", sagte Julius. "Ich kenne einige von denen noch von Hogwarts her."

"Tja, da müssen Sie dann nicht einschreiten."

"Meine Frau ist auch hier irgendwo. Nur die Kiste mit McDougall hat mich zu sehr beschäftigt."

"Ihre Frau hat die jüngeren Kinder um sich geschart, weil deren Eltern offenbar noch nicht gewillt sind, mit diesen zur Ruhe zu gehen", sagte Madam Newport. Sie wies auf eine Wiese, die das Zeltlager in zwei Bereiche unterteilte. Millie spielte da gerade mit über hundert Kindern zwischen fünf und zwölf Laurentia. Julius lächelte. Das hatte ihr sicher Caro erklärt, daß er das mal mit den Kindern auf seiner Geburtstagsparty durchgespielt hatte.

"Die hat einen guten Draht zu Kindern. Die kuschen alle vor ihr", stellte Julius fest. Madam Newport bemerkte dazu: "Sie kommen aber auch gut mit Kindern klar, habe ich mir sagen lassen. Mit dieser Hexe an Ihrer Seite brauchen Sie dieses Talent auch. Die Latierres halten viel vom Familienzuwachs."

"Das ist Ihr Beruf, nicht wahr?" Fragte Julius.

"Kann ich nicht leugnen. Im Grunde habe ich mein ganzes Leben darauf festgelegt, für die Kinder anderer leute dazusein. Aber das muß Sie nicht davon abschrecken, selbst einmal Heiler zu werden, wenn Sie merken, daß Ihre Talente diesen Beruf möglich machen."

"Ich habe noch ein Schuljahr vor mir. Wie das ausgeht wird mir hoffentlich zeigen, wofür ich mich entscheiden kann", erwiderte Julius. Egal wer von denen, die Heiler wollten ihn unbedingt darauf einschwören, bei ihnen mitzumachen.

"Ich glaube, jemand möchte was von Ihnen", sagte Madam Newport und deutete auf einen jungen Zauberer, der bei einem zierlichen, blonden Mädchen stand. Julius nickte. Er erkannte den jungen Zauberer. Das war Dustin McMillan. Er verabschiedete sich von Madam Newport und ging zu seinem ehemaligen Hauskameraden hinüber.

"Ähm, die Klamotten sagen wohl, daß ich Sie zu Ihnen sagen muß, richtig?" Fragte Dustin vorsichtig. Julius nickte verhalten. "Gut, kapiere es. Bin ja selbst beim Ministerium gelandet, nachdem die Todesser da nichts mehr zu melden hatten. Das ist Ms. Carie Stuard, meine Verlobte. Carie, das ist Julius Latierre, den ich noch als Julius Andrews unter dem Hut gesehen habe. Der hat es in einer Woche gepackt, als Erstklässler in der ersten Woche die meisten Punkte für uns zu holen. Wegen Du-weißt-schon-wem hat seine Mutter dann mit ihm den rechtzeitigen Absprung zu den Franzosen gemacht. Da bin ich gerade mit Hogwarts durch gewesen."

"Natürlich weiß ich wer Sie sind, Mr. Latierre. Meine Eltern und ich waren bei dem Prozeß gegen Dolores Umbridge dabei, weil mein Großvater von der wegen seiner Muggelstämmigkeit drangsaliert worden ist", erwiderte Carie lächelnd. "Ich habe Ihre Frau schon gesehen. Sie hat meinen kleinen Bruder zu einem Tanzspiel eingeladen, als sie sah, daß unser Onkel dem von seinem Scotch abgeben wollte. Schottische Zauberer meinen, gleich nach der Muttermilch Whisky trinken zu müssen. Die kapieren es nicht, daß das in anderen Ländern nicht so gelitten ist."

"Sagen wir so, hier in Frankreich trinken Kinder schon verdünnten Wein, wenn was gefeiert wird. Aber zum einen passiert das eben ganz privat und zum anderen wissen die Kinder dann zumindest, wo ihre Betten sind", sagte Julius. Dann fragte er Dustin, seit wann er in Millemerveilles sei.

"Erst seit gestern. Wir kamen über das Flohnetz, weil das mit dem Portschlüssel nicht mehr geklappt hat", sagte Dustin. "Hatte gestern noch für Minister Shacklebolt was zu tun. Der hat ja alles an die anderen Abteilungen abgewälzt, solange eine britische Mannschaft im Turnier ist."

"Was machen Sie jetzt beruflich, Mr. McMillan?" Fragte Julius.

"Abteilung für magischen Handel", sagte Dustin. "Viel Pergamentwühlerei. Habe auch nur die Erlaubnis, mir die Schottlandspiele anzusehen. Muß morgen schon wieder über den Kanal zurück bis das nächste Spiel ansteht."

"Da rege ich mich über meinen Ferienjob auf", erwiderte Julius. "Immerhin muß ich dafür nicht andauernd verreisen."

"Hat schon was für sich, nicht in einer der Frontabteilungen zu hängen, wo die mit durchgeknallten Zauberern oder verstörten Muggeln zu tun haben. Da ist noch genug, was noch repariert werden muß", sagte er. Julius nickte. In Frankreich hatten sie ja auch ein Jahr gebraucht, um die Auswirkungen des Didier-Regimes zu überwinden. Dann fiel ihm ein, daß er die Brocklehursts noch nicht informiert hatte, daß er wohl bis nach Mitternacht Dienst hatte. So verabschiedete sich Julius von Dustin und Carie und wünschte den beiden noch viel Spaß in Millemerveilles. Er suchte sich einen ruhigen Ort und mentiloquierte mit Brittany.

"Deine schwiegermutter hat ihre Schwester Béatrice vor euer Haus gesetzt. Linus wollte zwar schon rein, ist aber dann noch mit mir zu Mels Verwandten. Da sind wir jetzt."

"Tut mir leid, euch da nicht früh genug drüber informiert zu haben", schickte Julius zurück.

"Na ja, das sind die Launen des Berufslebens", erwiderte Brittany über die Entfernung hinweg. "Melo mich an, wenn ihr wider im Haus seid!" Julius bestätigte das.

Zwischendurch mußte Julius noch einmal zu Leuten hin, die bereits so viel getrunken hatten, daß die Anstandsregeln bei ihnen nicht mehr so gegenwärtig waren. Millie hatte es verstanden, die Kinder unter elf Jahren zu einer großen Gruppe zusammenzutreiben und gemeinsam mit Megan Barley, die noch dazugekommen war, bei Laune zu halten. Gegen viertel vor zwölf machte Julius noch einmal eine Sonorus-Ansage, daß die Feierlichkeiten nun ins innere der Zelte verlagert werden sollten, da es bald Mitternacht sei. Murrend zogen sich die Feiernden in ihre Zelte zurück, nachdem der alte McFusty seinem Clan und den mit ihm verwandten klargemacht hatte, daß sie sonst nicht mitbekommen würden, wie Schottland Meister würde. Um Mitternacht kehrte Ruhe auf dem Zeltplatz ein. Millie traf sich mit Julius. Sie wirkte erschöpft aber überglücklich.

"Danke für die ganzen Gemeinschaftsspiele, die ich von dir mitbekommen konnte, Julius. Aber jetzt sollten wir nach Hause. Tante Trice hat Britt und die anderen vor unserer Tür abgefangen, hat sie mir gemelot."

"Das habe ich von Britt auch. Komm, laß uns nach Hause!"

Die Brocklehursts, Pina und Gloria kehrten fünf Minuten nach Julius' Rückkehrmeldung ins Apfelhaus zurück. Bis ein Uhr sprachen sie noch über das Spiel.

"McDougall ist ein Faß ohne Grund", knurrte Gloria. "Daddy hat das mal mitbekommen, wie der bei einer Feier allein zwei Flaschen Whisky in sich hineingeschüttet hat und dann jeden dumm angepöbelt hat, der weniger trank. Siomas ist bei den Hufflepuffs gelandet, für seinen Vater, der bei den Gryffindors war, ein Zeichen von Schwäche. Wundere mich, daß der dir nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit was übergebraten hat."

"Wahrscheinlich weil Ceridwen Barley dazwischenkam. Irgendwie hat der einen Heidenrespekt vor der, konnte ich mitbekommen."

"Er wird wohl wissen, warum", erwiderte Gloria. Pina gähnte unüberhörbar. Gloria blickte sie vorwurfsvoll an. Doch Pina schüttelte diesen stummen Tadel ab und wünschte allen eine gute Nacht.

"Und die Newport meint, du kämst gut mit Kindern klar?" Fragte Millie Julius im schalldichten Ehebett.

"Sie meinte, das sei wohl auch nötig, wenn ich mit einer Latierre verheiratet sei", erwiderte Julius. Seine Frau zwinkerte ihm nur zu und kuschelte sich an ihn.

__________

Am nächsten Abend durften Millie und Julius wieder aus der Ehrenloge heraus zusehen, wie England gegen Deutschland spielte. Die englische Mannschaft brachte wieder einen Schwarm von Feen als Maskottchen. Julius lernte bei der Gelegenheit den deutschen Zaubereiminister Heinrich Güldenberg offiziell kennen. Dieser wußte auch schon um Julius' unfreiwilligen Ausflug in die Burg Bokanowskis und den Auftritt beim Prozeß gegen Dolores Umbridge.

"Begrüßen wir nun die Maskottchen der deutschen Quidditch-Nationalmannschaft!" Rief Hippolyte Latierre mit magisch verstärkter Stimme. Unter rhythmischem Klatschen und der Musik aus mehreren Blechblasinstrumenten marschierten fünfzig kleine Männer mit mossgrünen Bärten in aus Blättern zusammengenähten altmodischen Gehröcken ein. Sie kamen Julius erst wie Bowtruckles vor, jene Baumwächter. Doch dann erinnerten sie ihn eher an etwas kleiner geratene Zwerge. Er sah ihre nackten Füße, auf deren Zehen erdbraunes Haar wuchs und wollte schon fragen, ob das echte Hobbits wären, als die einmarschierten Wesen sich zu einem Dreifachring zusammenstellten und schlagartig zu kleinen, dichtbelaubten Büschen und Zwergbäumen wurden. Diese Zauberwesen kannte Julius noch nicht.

"Das sind Waldwichte, Julius!" Sagte Laurentine Hellersdorf, die ebenfalls in der Ehrenloge sitzen durfte. "Die sind Abkömmlinge von Waldelfen und Bergzwergen. Sie haben es irgendwann gelernt, sich in kleine Pflanzen zu verwandeln. So können sie sich vor Muggeln und böswilligen Zauberwesen verbergen. Sie werden von den Zwergen und Kobolden verachtet, weil sie im Wald leben und können Pflanzen beeinflussen. Allerdings mögen sie keinen lauten Krach."

"Dann erklären Sie Ihrem Mitschüler und pro tempore Arbeitskollegen bitte auch, daß die Waldwichte wegen der immer stärkeren bewirtschaftung und Rodung der Wälder auf dem Rückzug sind, Mademoiselle Hellersdorf", wandte der deutsche Zaubereiminister ein. Julius nickte. Viele Zauberwesen mußten vor der sogenannten Zivilisation in Deckung gehen. Wie gewöhnliche Waldtiere hatten auch die in Wäldern lebenden Zauberwesen und magischen Tiere Probleme, dem Vordringen von Autobahnen und der wirtschaftlichen Ausbeutung der Wälder auszuweichen. Anders als auf Island gab es in Deutschland und Großbritannien niemanden, der in der Muggelwelt den Lebensraum von Zauberwesen berücksichtigte.

"Oh, es geht los!" Rief Julius, als Madame Latierre die englische Mannschaft auf das Feld gerufen hatte. Ginny Weasley durfte wieder als Jägerin aufspielen. Dann kamen die in schwarz-rot-goldenen Umhängen spielenden Deutschen: "Eisenhut, Sonnentau, Weißsporn, Wiesenrain, Heidesand, Vogelheim uuund Emsenbein!!" Julius sah die noch jung wirkende Hexe mit der Rückenbeschriftung Hulda Eisenhut, die wohl wie Ginny das letzte Schuljahr vor sich hatte. Bärbel hatte ihm ja im weiß-blauen Festzelt etwas mehr über die deutsche Quidditchmannschaft erzählt. Die kleine und zierliche Thekla Emsenbein mit ihrem schwarzen Lockenkopf verschwand förmlich hinter dem bärengleich gebauten Guntram Wiesenrain. Der war mindestens zwei Meter groß und somit ein wenig größer als Millie und Julius.

"Ui, an dem wird auch keiner so locker vorbeikommen", stellte Julius fest, während Hippolyte die letzten wichtigen Ansagen machte. "Bärbel Weizengold meinte, der hätte in der letzten Saison bei den Lüneburg Longbows keinen einzigen Quaffel durchgelassen."

"Hier hat er aber schon ein paarmal hinter sich fassen müssen", sagte Millie dazu. Julius nickte. "Schiedsrichterin heute ist die langjährige Hüterin der argentinischen Quidditchnationalmannschaft, Rosa María Terranova!" Eine bereits untersetzte, dunkelhaarige Hexe mit kastanienbraunen Augen betrat mit geschultertem Besen und der Kiste mit den vier Bällen das Spielfeld. Dann ging es auch schon los. Stoneball und Eisenhut begrüßten einander. Dann flog der Schnatz auf, gleich beäugt von Witfield und Emsenbein. Dann schnellten die Klatscher in die Höhe und fegten im Zickzack über das Spielfeld. Dann hob die Schiedsrichterin ihre linke Hand und krümmte einen Finger nach dem Anderen. Als sie den Zeigefinger auch noch krümmte, schleuderte sie den Quaffel in die Luft und sprang mit ihrem Besen nach oben. Im gleichen Moment rasten auch schon die vierzehn Spieler nach oben. Eisenhut war schneller am Quaffel als Stoneball und griff sofort an. Underhill sah den roten Ball gerade noch anfliegen, um sich ihm entgegenzuwerfen. Doch er griff um wenige Zoll daneben, und der Quaffel schwirrte durch den linken Torring.

England ging nun zum Gegenangriff über. Crocker blieb als Abfangjäger in der Nähe des Torraums, während Petra Stoneball und Ginny Weasley weit auseinandergezogen nach vorne preschten. Underhill leitete über Crocker den Gegenangriff ein. Stoneball bekam den Quaffel und warf auf Ginny Weasley ab, die bereits in der Nähe des von Guntram Wiesenrain gehüteten Ringtrios lauerte. Sie versuchte, sich noch an Wiesenrain vorbeizudrehen. Doch dieser verlegte ihr mit schräg angestelltem Besen die Flugbahn und säbelte den Quaffel mit einer lässig scheinenden Armbewegung aus dem Torraum heraus, wo Weißsporn den Ball erflog, ihn aber gegen die hart aber gerade noch im Rahmen der Regeln anfliegende Petra Stoneball verlor, die noch einen Gegenstoß versuchte. Sie täuschte einen Abwurf auf Ginny an, die ihre Hände hochriß. Doch der Quaffel flog nicht zu ihr, sondern auf das Tor zu. Wiesenrain war jedoch nicht zu Ginny hinübergeflogen, sondern hatte nur den Quaffel im Blick behalten. Als dieser kam fing er ihn mit beiden Händen aus der Luft, peilte Eisenhut an und jagte den Quaffel zu ihr hinüber. Diese versuchte nun den entscheidenden Vorstoß zum zweiten Tor für Deutschland, mußte aber schnell auf ihren Kameraden Sonnentau umlenken. Dieser war gerade erst aus der Flugbahn eines von den Thornapple-Brüdern geschlagenen Klatschers entkommen. Er bekam den Quaffel noch vor Ginny, die versuchte, den roten Ball mit der Besenspitze abzudrängen, damit ihre Kameradin Stoneball ihn aufnehmen konnte. Sonnentau wartete, bis Hauke Vogelheim einen der Klatscher auf Crocker zuhieb und nutzte die dadurch entstehende Lücke, um Underhill direkt anzufliegen. Dieser versuchte noch, dem Gegner einen schwer anspielbaren Ring als einzig möglichen anzubieten. Doch Sonnentau mußte nur warten, bis der noch im Torraum herumfliegende Klatscher Underhill zum Ausweichen zwang, um den Ball durch den nächsten Ring zu befördern.

Ein schnelles Staffettenspiel der Engländer scheiterte jedoch wieder an Hüter Wiesenrain, der eine Art lebende Mauer vor seinen drei Ringen bildete und durch schnelle und unrhythmische Flugbewegungen dafür sorgte, daß ein gezielter Weitwurf auf einen der Ringe unmöglich wurde. England griff nun wieder an, konnte den Quaffel einige Sekunden lang in den eigenen Reihen halten und scheiterte schon wieder an Wiesenrain. Dieser bediente dann die Kameradin Eisenhut, die sich bei dem Gewühl vor dem englischen Torraum in Stellung gebracht hatte. Sie verlängerte den weiten Abschlag zum dritten Tor für Deutschland.

"Wie im Fußball! Als wenn England gegen Deutschland im Elfmeterschießen antreten muß", grummelte Julius. Das Spiel lief bereits über zehn Minuten, und Deutschland hatte bereits sieben Tore und damit siebzig Punkte erzielt. England griff zwar nun häufiger an, riskierte auch Weitwürfe. Doch Wiesenrain war eine Bank, auf die die deutschen Fans alles Gold der Zaubererwelt setzen konnten. Erst in der fünfzehnten Minute, als Eisenhut Underhill dazu zwang, zum neunten Mal hinter sich zu greifen, gelang England durch ein rasantes Zupassen zwischen allen drei Jägern und einer ansatzlosen Doppelachse Ginnys das erste Tor, weil Wiesenrain einen winzigen Moment lang nicht mehr wußte, wo er sich hinwenden sollte. Dann bekamen die Engländer innerhalb einer Minute drei Tore zu schlucken. Underhill war sichtlich sauer auf seine Treiberkameraden, die die deutschen Jäger nicht in den Griff bekamen. Stoneball bat um eine Auszeit und sprach schnell und eindeutig ungehalten auf underhill ein, während sie Ginny für ihre Risikobereitschaft und ihre Gewandtheit zu loben schien. Zumindest schloß Julius es aus der Miene und den Gesten, mit denen Stoneball ihre junge Kollegin bedachte.

"Das bleibt jetzt an Witfield hängen", meinte Harry Potter, der wie beim ersten Englandspiel in der Ehrenloge saß. "Wenn wir in den nächsten Minuten nicht irgendwie an den Schnatz kommen wird es sehr eng für England."

"Also, wenn Deutschland weiterkommen sollte, dann können sich die Peruaner aber warm anziehen", meinte Julius. "Wiesenrain kuckt nur auf den Quaffel."

"Ginny hat die Doppelachse aber genial verinnerlicht. Damit kann die diesen Bären austanzen", erwiderte Millie.

"Mit drei Mann zugleich können die den knacken", bemerkte Julius. Dann war die Auszeit vorbei. Offenbar hatte Petra Stoneball ihn gehört. Denn die englischen Jäger rückten nun immer in enger Dreierformation vor, paßten sich den Quaffel zu und schafften es noch einmal, Wiesenrain zu überwinden. Doch die beiden deutschen Treiber Vogelheim und Heidesand stellten sich sofort auf diese Taktik ein und hieben beide Klatscher so, daß zwei der drei Jäger immer ausweichen mußten und der dritte Jäger von zweien der Deutschen vom Quaffel getrennt werden konnte, bevor ein neuer Angriff auf Wiesenrains Ringe möglich wurde. Im Gegenzug jagten Eisenhut, Sonnentau und Weißsporn Underhill weitere fünf Quaffel durch die Ringe. Es stand nun 140:20 für Deutschland. Julius wollte schon sagen, daß Deutschland nur noch drei Tore brauchte, um den Sieg zu sichern, egal wer den Schnatz fing, als Thekla Emsenbein gerade in die Tiefe stürzte. Julius sah es golden Blitzen. Harry Potter hatte es auch gesehen. Denn er stieß einen Seufzer der Enttäuschung aus. Es fehlten nur noch zwei Besenlängen. Da feuerte Ginny Weasley gerade den Quaffel aus der englischen Hälfte nach vorne. Es konnte ein Paß für Stoneball sein. Tatsächlich aber fegte der rote Ball den Schnatz aus der Bahn. Dieser hüpfte nach oben und genau in die Flugbahn von Witfield hinein, der sich todesmutig über das senkrecht nach unten weisende Besenende warf und den kleinen, goldenen Ball mit der linken Hand berührte. Er erwischte ihn gerade bei den silbernen Flügeln und zog ihn an sich. Da fiel ihm auf, daß er nur noch fünf Meter über dem Boden war. Mit einer halsbrecherischen Rückwärtsbewegung bekam er den Besen gerade noch so in die waagerechte und schaffte gerade so noch eine Landung, bei der ihm jedoch die Beine nach hinten weggerissen wurden und er fast bis zum rechten Torpfeiler über das Spielfeld rutschte. Aber er hatte den Schnatz erwischt, England gerade so noch einmal vor der herben Niederlage bewahrt. Harry Potter jubelte zusammen mit Ron Weasley über den gelungenen Wurf von Ginny. Die argentinische Schiedsrichterin pfiff die Begegnung ab. Doch sie verkündete noch nicht, daß England gewonnen hatte. Sie holte beide Mannschaften zu sich und diskutierte mit ihnen diesen Fang. Dann nickte sie England zu. Hippolyte Latierre verkündete nun, daß England durch Schnatzfang gewonnen hatte.

"Das war nie im Leben ein Pass", schnaubte Güldenberg. "Dieses Mädchen wollte den Schnatz aus der Bahn schießen. Das ist unzulässig."

"Fair bleiben, Heinrich. Ms. Weasley wollte Ms. Stoneball anspielen. Das konnte jeder sehen", erwiderte Schacklebolt mit seiner Soulsängerstimme und grinste so breit, daß ein Fotograf wohl nur mit Weitwinkelobjektiv das ganze Grinsen hätte einfangen können. Deutsche Fans bekundeten ebenfalls ihren Unmut über die Entscheidung und beschimpften die Schiedsrichterin und die rothaarige Jägerin der Engländer, die der Sucherin Emsenbein den sicheren Schnatzfang vermasselt hatte.

"Madame Latierre, ich spreche mit dem Leiter der Sport- und Spieleabteilung, ob wir dieses Ergebnis anfechten", sagte Minister Güldenberg. "Das war ein höchst unfaires Manöver."

"Ihnen steht es frei, Einspruch gegen die Wertung einzulegen, Herr Minister", sagte Madame Latierre, nachdem sie ihre Stimme wieder auf Normallautstärke zurückgezaubert hatte. "Aber ich erinnere Sie und Herrn Storchenflug gerne daran, daß die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1982 durch einen ähnlichen Glücksfall das Halbfinale gewann. Der Quaffel befand sich auf dem Weg zu Ms. Stoneball, die vor dem Tor bereitgestanden hat. Der Quaffel hat den Schnatz noch nicht einmal berührt. Daher können Sie wohl kaum von einem bewußten aus der Bahn schießen sprechen."

"Entschuldigen Sie, Madame, aber das erscheint mir doch jetzt sehr parteiisch. Wenn Sie als Quidditchspielerin nicht wissen, daß ein fliegender Quaffel den Luftstrom eines ihn kreuzenden Schnatzes verwirbelt, so daß der Schnatz die Flugbahn verlassen muß, hat man Ihnen offenbar nichts beigebracht", protestierte Güldenberg. Julius fragte sich, ob der deutsche Zaubereiminister wirklich so ein schlechter Verlierer war. Ihm fiel in diesem Moment der Streit um das Dritte Tor für England bei der Fußball-Weltmeisterschaft von 1966 ein. Gut, mittlerweile konnte man mit moderner Bildwidergabe zeigen, daß das Tor eigentlich nicht gegolten hatte. Aber damals hatte der Schiedsrichter es anerkannt. So sagte er leise genug, um nicht unverfroren zu wirken

"im Zweifelsfall gilt doch die Entscheidung des Schiedsrichters. Señora Terranova hat die beiden Mannschaften zu sich gebeten und befragt. Dann hat sie entschieden. Sie war näher dran als wir alle."

"Natürlich hat diese freche Göre behauptet, ihre Kameradin anspielen zu wollen", erwiderte Güldenberg darauf. Hermine Granger hörte es und flüsterte Ron was zu. Dieser sprang auf und sagte laut auf Englisch:

"Meine Schwester hat eindeutig auf Petra Stoneball abgespielt. Wenn Sie nicht verlieren können fahren Sie nach Hause, Sir."

"Das muß er eh jetzt tun, Ron", bemerkte Harry Potter mit einem schalkhaften Grinsen.

"So, die Damen und Herrschaften", sagte Madame Latierre mit einer unverkennbaren Strenge in Gesicht und Tonfall: "Die Schiedsrichterin hat England den Sieg zuerkannt. Meine Rückschau mit dem Omniglas hat gezeigt, daß der Schnatz nicht vom Quaffel berührt wurde und bei freiem Flug bei Petra Stoneball gelandet wäre. Der Sieg ist also gültig. Aber Ihnen steht es wie erwähnt frei, innerhalb von vierundzwanzig Stunden Einspruch dagegen einzulegen, Minister Güldenberg. Ich fürchte nur, daß das aus den Funktionären der nicht beteiligten Länder gebildete Schiedsgericht die Entscheidung Terranovas bestätigen wird. Klären Sie das also bitte vor einem offiziellen Widerspruch ab, ob Sie sich dieser Blamage ausliefern wollen."

"Darauf dürfen Sie sich verlassen", knurrte Güldenberg nun wieder auf Französisch. Shacklebolt hielt ihm die ganze Zeit die Hand hin. Doch Güldenberg schüttelte nur den Kopf und zwengte sich an ihm vorbei.

"Wußte nicht, daß er so wenig Sportsgeist hat", brummelte der britische Zaubereiminister.

"Wahrscheinlich hat er mit Rheinquell gewettet, daß Deutschland ohne die Schweiz ins Finale kommt", vermutete Arthur Weasley, der sich freute, daß seine Tochter dieses Spiel überstanden hatte.

"Der hat sich nur geärgert, daß seine Mannschaft drei Tore zu wenig erzielt hat", meinte Ron Weasley. "So wie die drauf waren hätten die ja locker noch vier Tore machen können, bevor Witfield den Schnatz gefangen hat. Die ärgern sich wohl auch über Ginnys Doppelachsenmanöver."

"Diese Debatte erinnert mich an ein Fußball-Weltmeisterschaftsendspiel, bei dem England durch ein umstrittenes Tor die Moral der deutschen Mannschaft erschüttert und damit die Weltmeisterschaft gewonnen hat", sagte Hermine Granger. Julius nickte. "Wembleystadion 1966. Der Schiedsrichter hat das betreffende Tor gegeben." Hermine nickte.

"Kann möglich sein, daß dem guten Heinrich Güldenberg dieses Spiel in den Sinn kam. Er spielt dieses Fußballspiel ja zwischendurch auch und kennt wohl die entsprechenden Wettkampfergebnisse. Aber wir haben den Schnatz gefangen und mit hundertsiebzig Punkten zu einhhundertvierzig gewonnen", sagte Shacklebolt. Dann entschuldigte er sich, weil er gerne noch wichtige Sachen erledigen wollte, bevor er sich womöglich mit einem Schiedsgericht auseinandersetzen mußte. Madame Latierre nickte.

Anders als der deutsche Zaubereiminister verhielten sich die deutschen Zuschauer disziplinierter. Sie verließen nur schnell das Stadion, während die Engländer immer noch die Namen ihrer sieben Helden sangen.

"Na ja, ist auch egal, gegen wen wir die Weltmeisterschaft verteidigen, meinte Kevin Malone, als Julius ihn beim Hinausgehen traf und ihn fragte, was er von dem Spiel hielt.

Millie und Julius trafen ihre Hausgäste vor dem Stadion. Brittany meinte nur, daß Quodpot eindeutiger sei, was den Sieg einer Mannschaft anging. "Entweder alle Quods verheizt oder die wichtigsten Leute rausgeknallt", sagte sie.

"Ich denke nicht, daß Zaubereiminister Güldenberg es wirklich auf eine Analyse des ganzen Spiels anlegt. Dann müßte er nämlich erkennen, daß England eigentlich zwei Strafwürfe zugesprochen bekommen mußte, weil Eisenhut einmal den Besen zu sehr in Crockers Flugbahn gestellt hat und Vogelheim Underhill einmal mit dem Klatscher angriff, wo der Quaffel noch eine Länge außerhalb des Torraums war. In der Hektik hat das keiner beachtet", wandte Julius ein. "Aber wenn Güldenberg echt auf eine Nachbetrachtung pocht könnte das noch wichtig sein."

"Es könnte der werten Terranova nur passieren, daß sie in diesem Turnier kein Spiel mehr pfeifen darf", meinte Millie. "Und da steht die locker drüber. Die ist mit ihrer Karriere mehr als reich geworden. Da muß die nicht noch als Schiedsrichterin weitermachen."

"Wo essen wir noch was?" Fragte Linus. Julius schlug scherzhaft das deutsche Festzelt vor. Brittany hatte aber was dagegen. "Zu viele Fleischsachen und dann die ganzen Sachen mit Ei oder Käse. Ich möchte heute gerne ins indische Zelt." Julius dachte dabei an Curry und nickte heftig.

Nachdem die Bewohner und Gäste aus dem Apfelhaus im indischen Zelt reichlich gegessen hatten besuchten sie noch das Zeltlager der Engländer, wo der Schnatzfang und damit der sichere Sieg gefeiert wurde. Rita Kimmkorn wuselte zwischen den Feiernden herum und schnappte Wortmeldungen auf. Das veranlaßte Julius und Millie, sich schon mal ins Apfelhaus zurückzuziehen. Die Brocklehursts, Gloria und Pina kamen später nach.

"Aber du freust dich auch, daß England gewonnen hat, richtig?" Fragte Millie ihren Mann, als sie wieder für sich alleine waren. Julius konnte das nicht verhehlen. "Vor allem, weil ginny das gemacht hat, womit du damals Suzannes Mannschaft um den Sieg geprellt hast, richtig?"

"Der Sieg wurde anerkannt, Mamille", grinste Julius.

"Gut, das ist auch schon einige Jahre her", erwiderte Millie. "Aber Güldenberg sah wirklich so aus, als wäre für den heute eine Welt untergegangen, so wütend war der."

"Das ist immer der Punkt, wo wir alle uns daran erinnern müssen, daß Quidditch nur ein Spiel ist und es schlimmeres oder wichtigeres im Leben gibt", seufzte Julius.

"Genau das richtige Stichwort, Monju. Wichtigeres im Leben", schnurrte Millie und deutete auf ihre Körpermitte. Julius verstand und hatte keinen Einwand.

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Millie und Julius wirkten trotz der langen Nacht recht munter. Bei beiden war es wohl das Training, und bei Julius im besonderen die durch Ursuline Latierre und Madame Maxime eingeflößte zusätzliche Lebenskraft und Stärke. Brittany, die ihr veganes Frühstück gerne selbst zubereitete hatte gerade ein paar Maismehltortillas mit Aprikosen in Arbeit, als eine Eule aus dem Kamin plumpste und protestierend schuhute. Eine Wolke Ruß und Asche wirbelte aus dem Gefieder der kleinen Postbotin.

"Ui, Mom hat Cleo durch die Kamine geschickt. Dann ist es wohl ziemlich eilig oder wichtig", meinte Brittany. Sie deutete auf die gerade im Ofen durchbackenden Tortillas und blickte Julius fragend an. Dieser nickte und stellte sich so, daß er Brittanys warme Frühstücksspeise im Auge behalten konnte. Womöglich würde er nachher eines der kleinen Maismehlteigköstlichkeiten probieren.

"Ach, die dicke dekadente Mrs. Gildfork hat doch echt einen Anwalt angepiekst, mich und zwanzig andere Leute, die es gewagt haben, sich öffentlich zu den Erfolgsaussichten der Freizeittruppe aus den Staaten zu äußern, wegen Rufschädigung, Beleidigung und Geschäftsschädigendem Verhalten anzuzeigen. Steht zumindest im Herold und im Westwind. Ich glaube, ich kläre das gleich noch mit Linus, daß wir Hypereides Greenwood engagieren, bevor wir eine offizielle Anklage zugeschickt kriegen. Dieses Weib ist doch seltenbeschränkt. Sollte vielleicht doch weniger Kaviar und dafür mehr Gemüse essen."

"Scheucht die da nicht ein paar Wichtel zu viel aufs Dach, fragte Millie. "Geschäftsschädigung muß sie euch ja erst mal beweisen. Abgesehen davon ging es um Sport."

"Was in der Muggelwelt ein Megageschäftszweig ist, Millie", erwähnte Julius. "Aber du hast damit recht, daß einem sowas übles wie geschäftsschädigendes Verhalten bewiesen werden muß. Wenn sie meint, ihr hättet die Mannschaft verleumdet und deshalb komplett demoralisiert, dann könnte euer Anwalt ein heilkundliches Gutachten einfordern, daß die körperlich-seelische Verfassung der Mannschaftsmitglieder unter den Vorwürfen gelitten hat. Dann frage ich mich aber ernsthaft, wie die außerhalb der Quidditch-Nationalmannschaft Quodpot spielen wollen, wenn die so leicht aus dem Tritt zu labern sind."

"Ich kläre das mit Linus, wenn er wach genug ist", sagte Brittany und las den druckfrischen Westwind. Sie hob einmal den Kopf über die aufgeschlagene Zeitung und sagte: "Och wie süß, diese Theia Hemlock hat sich mit ihrer Tochter fotografieren lassen, sogar in Farbe." Julius mußte sich arg anstrengen, nicht zu sehr erpicht zu wirken, diesen Artikel selbst zu lesen. So fragte er wie beiläufig klingend:

"Und, wem sieht die kleine ähnlich?" Brittany gab ihm die Zeitung. Er suchte und fand die Fotos der glücklichen Mutter und ihrer gerade wenige Tage alten Tochter. Er mußte seine Selbstbeherrschungsformel denken, als er das Haar und die Augen der Neugeborenen sah. die durch die Geburt entstandenen Verformungen des Kopfes waren bereits verschwunden. Aber er war sich sicher, daß er diesem Mädchen bei der Ankunft in der Welt aus einer ihm unheimlichen Warte heraus zugesehen hatte. Dann hatte er auch ihre Gedanken gehört. Das Baby wirkte genervt, vielleicht von dem Rummel, der um es gemacht wurde. Doch es konnte auch die Verdrossenheit sein, mit dem Verstand einer Erwachsenen die Hilflosigkeit der frühen Kindheit durchleben zu müssen und noch dazu von einer Mutter abhängig zu sein, mit der sie womöglich ihr letztes Duell geführt und indirekt verloren hatte. Doch sofort klang Ammayamirias warme aber eindringliche Botschaft durch sein Bewußtsein: "Komm, Julius, sie muß ihr Leben leben und du deins!"

"Darf ich mir die kleine auch mal ansehen?" Fragte Millie. Julius gab die Frage durch eine Kopfbewegung an Brittany weiter. Diese nickte. Millie betrachtete das Bild, das außer der jungen Mutter auch die stolze Urgroßmutter und Hebamme Eileithyia Greensporn zeigte. "Ziemlich dunkle Haare. Na ja, laut der Erklärung ist der Vater von der Kleinen ja ein Inselbewohner. Sicher, die Haut muß sich noch entsprechend färben, um das klar sehen zu können. Aber die guckt ziemlich kritisch in die Welt."

"Die hat wohl schon das Schnäuzchen voll von dem Getue um sie", meinte Brittany. "Außerdem trauert die wohl noch ihrem ganz privaten Einzelzimmer nach, dessen Bereitstellerin so strahlt wie die kalifornische Sonne." Julius hätte fast gesagt, daß die Kleine wohl auf dieses und alles andere verzichtet hätte. Doch er hatte mit Millie ausgemacht, keinem seinen Traum zu erzählen, der sich offenbar doch bewahrheitet hatte. Millie las dann noch die Vorhaltungen Gildforks aus der Zeitung und machte eine verächtliche Bemerkung darüber, wie weit der Fotomacher von Phoebe Gildfork fortgestanden haben mußte, um sie in ganzer Breite auf das Bild zu kriegen. "Bor, Britt, deine Sprüche sind der echt zweitausend Galleonen wert", feixte sie dann noch. Brittany konterte:

"Dann soll die mir diese Menge Gold rüberreichen und nicht von mir einfordern, wenn ihr das so viel wert ist." Julius mußte lachen. Das rief Pina auf den Plan. Sie stand in der Tür und blickte fragend herein. Brittany warf ihr spielerisch die Ausgabe des Westwinds zu und erwähnte, daß sie wohl ihre Galleonen zusammenzählen müsse, wenn sie nach Hause käme. "Wird dann nix mit dem Flug zu meinen Großeltern nach Chicago", sagte sie mit gespielter Enttäuschung in der Stimme.

Als dann noch Gloria und schließlich Linus in der Wohnküche am Frühstückstisch saßen sprachen sie über diese Vorwürfe. Gloria bot an, bei ihrer Mutter nachzufragen, wie teuer Greenwood als Anwalt sei. Pina fragte dann, ob die Beklagten sich nicht einen Anwalt teilen konnten, da die vorwürfe ja für alle gleich seien.

"Bei der Klage geht das, daß mehrere Leute zugleich eine rechtliche Person wie eine Firma oder eine natürliche Person wie einen pfuschenden Handwerker belangen können. Zumindest ist das in der Muggeljuristerei so. mein Onkel hat mal solche Sammelklagen vor Gericht erhoben. Hmm, aber ihr könntet eine Gegenklage wegen ähnlicher Motive versuchen, weil die euch finanziell abzocken will und euren Ruf verheizen möchte. Oha, nimm das bitte nur als beiläufigen Einwand, sonst hängt mir nachher noch irgendeine Zaubererwelt-Anwaltskammer an den Hacken, die mich für sich buchen will. Habe mit der Heilerzunft schon genug Leute hinter mir herlaufen", seufzte Julius. Mit der Rechtskunde glaubte er eigentlich, genausowenig am Hut zu haben wie sein Vater. Trotzdem hatte er komischerweise die Zauberer und Muggel betreffenden Gesetze und die Gesetze zum Umgang mit Magie so verinnerlicht, als wolle er damit später mal Geld verdienen. Dann dachte er wieder daran, daß sein Onkel Claude, der Anwalt der Andrews-Familie, seit bald einem Jahr verschwunden oder besser untergetaucht war, weil er irgendwem in die Quere gekommen sein sollte. Irgendwie wollte er das nicht abkaufen, daß Claude Andrews Probleme mit dem organisierten Verbrechen bekommen haben sollte. Dafür war ihm Almadora Celestes Fuentes' Bemerkung dazu zu alarmierend vorgekommen. Aber vielleicht war Julius doch nur ein wenig paranoid, ein Überbleibsel seiner unangenehmen Erlebnisse.

"Keine dumme Idee", meinte Linus. "Mom hat damals auch überlegt, mit den Leuten aus Cludy Canyon zusammen gegen diese Sardonia-Sabberhexe zu klagen, die dieses Bienenmonster verbrochen hat. Wird bestimmt kostengünstiger, Britt. Abgesehen davon, sollten wir dann gewinnen, kann die goldüberladene Lady locker zehn Kilo abspecken." Brittany nickte.

Julius hatte nicht viel Zeit, um sich über Gildforks Klagewut und Theia und Selene Hemlock Gedanken zu machen, weil Hippolyte Latierre ihn alleine einbestellte, um die Sache mit McDougall zu besprechen, da dieser doch tatsächlich Beschwerde gegen ihn eingelegt hatte. Julius war durchaus bereit, eigene Fehler einzuräumen, daß er vielleicht überheftig gehandelt hatte. Aber bereuen wollte er nichts. Wenn seine Schwiegermutter meinte, ihn deshalb abmahnen oder ihm kündigen zu wollen wollte er das hinnehmen.

"So, ich möchte eine wertfreie Erläuterung von Ihnen haben, was genau vorfiel. Über Ihre Motive sprechen wir dann danach", sagte Hippolyte, während eine Flotte-Schreibefeder über ein Pergament glitt. Julius schilderte ganz sachlich, was vorgefallen sei und daß Mr. McDougall seinen Sohn schlagen wollte, weil der es gewagt hatte, ihm zu sagen, daß das Wort "Nigger" nicht benutzt werden dürfe. Als er seine Ausführung der Ereignisse beendete wurde er gefragt, warum er so reagiert hatte. Mit einer beinahen Gefühllosigkeit in der Stimme schilderte er die ihm anerzogenen Verhaltensgrundlagen und daß er schon früh mitbekommen hatte, wie sehr ein Mensch unter Brutalität leiden konnte. Er räumte ein, daß er Mr. McDougall leider eher eine Bestätigung für dessen Ansicht geliefert hatte, daß jemand mit körperlicher Gewalt seine Interessen durchsetzen könne, habe da aber gerade an den Jungen Siomas gedacht und daß Mr. McDougall offenbar schon stark alkoholisiert gewesen sei. Er sei bereit, sich öffentlich für die Schmerzen zu entschuldigen, die er ihm zugefügt habe. Aber seine Handlung selbst würde er nicht bereuen.

"Na ja, dieser Herr hat mehrere Zeugen benannt, die ihm beistehen sollten, um eine Entschädigung und eine öffentliche Abmahnung zu erwirken, Monsieur Latierre", sagte Hippolyte Latierre. "ich nehme diese Ihre Aussage also zu Protokoll und werde nach der Befragung der angegebenen Zeugen befinden, ob irgendwelche disziplinarischen Maßnahmen erforderlich sind." Julius bestätigte diesen Hinweis wörtlich, damit die Feder mitbekam, daß er diesen Hinweis verstanden hatte. Dann las er das Protokoll und unterschrieb es mit eigener Hand. Hippolyte kopierte das Dokument und versenkte das Original in einer Tasche, die einer Damenhandtasche ähnlicher sah als einer Aktentasche. Dann sah sie ihren Schwiegersohn an:

"Ich habe bereits mit Mademoiselle Newport und Mademoiselle Dawn gesprochen. Die beiden haben unabhängig voneinander bekundet, daß dir das Kindeswohl wichtiger war als die körperliche Unversehrtheit des Vaters und du in dem Moment ja das von mir verwaltete Hausrecht durchzusetzen beauftragt gewesen seist. Und das verbietet nun einmal den öffentlichen Ausschank von Spirituosen wie Scotch, Feuerwhisky oder Wodka. Wir hatten einen ähnlichen Vorfall beim Ausscheiden der Russen, als die männlichen Zuschauer ihren Kindern die Wodkaflasche reichten. Insofern hast du wohl noch einmal Glück, daß ich dir deshalb keine öffentliche Bestrafung verpassen muß, wobei ich da ja nur die Kündigung deiner Ferienarbeitsstelle ohne Auszahlung des bisher verdienten Arbeitslohns ans Bein hängen könnte. Aber, das mal als Rat einer nahen Verwandten, wenn du mal im Ministerium arbeiten möchtest, egal wo, halte dich doch besser an die von dir so gut trainierte Selbstbeherrschung und versuche erst, mit Worten zu überzeugen, statt handgreiflich zu werden! Ich weiß, daß du dem Herren auch nichts getan hättest, wenn er nicht tatsächlich angesetzt hätte, seinen Sohn zu ohrfeigen. Doch leider gilt im Gegensatz zu den Erziehungsdiskussionen in der Muggelwelt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern als von Ministerium nicht zu beanstanden, solange das Kind oder die Kinder zu eigenverantwortlichen Zauberern und Hexen heranreifen können. Will sagen, wenn ein Vater meint, sein Kind zu verprügeln oder es ohne Essen für Tage einzusperren, kann ihm nur dann was vorgeworfen werden, wenn das betreffende Kind dadurch sichtbaren Schaden nimmt. Ich habe mich da mit Trice und meiner Mutter auch immer wieder drüber, wie viele Elternpaare noch Orions Weg beschreiten, daß ein Knabe zum Mann geprügelt werden muß und ein Mädchen zur Frau niedergedrückt werden soll, die nur tut, was ihr Mann oder ihre männlichen Verwandten verlangen. Aber eine klare Unterscheidung zwischen richtig und falsch muß ein Kind lernen. Das hast du ja gerade selbst hier zu Protokoll gegeben, daß deine Eltern da ähnlich empfinden, was sich auch mit dem deckt, was ich bei Gesprächen mit deiner Mutter ausloten konnte. So, und solange ich keinen echten Grund habe, dich fristlos aus deiner Anstellung zu feuern machst du dich unverzüglich zu den Zeltstätten der Engländer und Australier hinüber!" Julius salutierte, was seine Schwiegermutter mit "Na, aus dem Alter für solches Getue bist du aber schon längst raus", kommentierte. Er lächelte. Dann fiel ihm noch ein, zu fragen, ob das Spiel gestern angefochten wurde. Hippolyte schüttelte den Kopf. Sie erwähnte, daß Güldenberg den Einspruch gegen den Schnatzfang Englands zurückgezogen habe, weil ihn einige Mitarbeiter darauf hingewiesen hatten, daß Deutschland dabei Punktabzüge hätte hinnehmen müssen. Julius nickte nur. Dann verabschiedete er sich noch einmal von seiner Schwiegermutter. Er verließ das örtliche Büro der Spiele- und Sportleiterin Frankreichs und disapparierte außerhalb des Rathauses.

nach seiner Schicht traf er Brittany Brocklehurst zusammen mit Linda Knowles vor dem Apfelhaus an. Sie gab gerade ein Interview.

"Ich bedanke mich für Ihre rasche Entgegnung, Mrs. Brocklehurst", sagte die Reporterin vom Westwind noch und lächelte Julius an.

"Sie wurden ja informiert, daß Mrs. Gildfork eine Klage gegen ihre Hausgästin Brittany Brocklehurst erheben möchte. Was sagen Sie in Ihrer offiziellen Funktion als Besucherbetreuer dazu?"

"Nun, abgesehen, daß ich die Frage mit dem Pressesprecher der Abteilung für magische Spiele und Sportarten abstimmen müßte kann ich nur sagen, daß mir bisher nicht bekannt ist, daß Mrs. Brocklehurst irgendwas getan hat, was die Form oder Einsatzbereitschaft der US-amerikanischen Quidditchnationalmannschaft beeinflußt hat. Falls ihre aus einer persönlichen Weltanschauung herrührende Besorgnis um das Wohlergehen des herbeitransportierten Großfußmännchens Bob Bigfoot die Spielmoral der US-Mannschaft gesenkt oder gar zerstört haben könnte, kann ich nur sagen, daß es in der magischen wie nichtmagischen Welt schlimmere Anfeindungen gegen Sportler und Sportfunktionäre gibt und in einer auf freie Meinungsäußerung bauenden Staatsform niemand eine Ruf- oder Geschäftsschädigung anzeigt, nur weil Mannschaften oder Einzelsportlern mangelnde Einsatzbereitschaft oder Unvermögen unterstellt wird. Dann müßten Millionen von Fußball-Fans und tausende von Sportberichterstattern andauernd irgendwelchen Vereinen was zahlen, weil da mal dieses oder jenes gesagt wurde. Ich hoffe, damit nicht gegen die mir auferlegten Veröffentlichungsbeschränkungen verstoßen zu haben." Brittany grinste.

"Wo lernen Sie derartige Formulierungen, junger Sir?" Wunderte sich Linda Knowles. "Wollen Sie einmal in obere Ministeriumsetagen vordringen?"

"Die Frage dürfen Sie mir vielleicht in einem oder zwei Jahren stellen, wenn ich sicher weiß, wie meine Abschlußprüfungen ausgefallen sind", erwiderte Julius schlagfertig. Linda Knowles nickte und bedankte sich noch einmal bei Brittany Brocklehurst für das spontane Interview.

"Ich habe mit meinem Mann bereits Kontakt zu anderen Personen, die ebenfalls verklagt werden sollen. Näheres dürfen Sie oder Ihre Kollegen vom Kristallherold dann erfahren, wenn die Angelegenheit klar eingeordnet ist", sagte Brittany noch. Dann sahen beide zu, wie Linda Knowles disapparierte.

Julius führte den Zauber aus, der alle Mithörer im Umkreis aussperrte und ließ sich von Brittany erzählen, was bereits geplant und angeschoben worden war. Dann erwähnte er auch, weshalb seine Schwiegermutter ihn zum Raport einbestellt hatte.

"Das steckst du sicher weg, Julius. Der Typ hätte sich nicht so blöd verhalten sollen", sagte Brittany.

Nachmittags betreute Julius die Besuchergruppen aus Australien und Neuseeland, während im nicht weit davon entfernt gelegenen Stadion gerade die Schweiz gegen Ungarn spielte. Julius hörte die weithallenden Töne echter Alphörner und immer wieder einen Chor aus Jodlern, wenn die Eidgenossen ein Tor erzielt hatten. Er fragte einmal, ob auch eine Gruppe von Redrock herübergekommen sei und erfuhr, daß diese wohl nur eintreffen würde, wenn Australien die Runde der letzten acht erreichte. Gewönnen sie heute, wären sie am ersten August unter den letzten sechzehn. Schafften sie auch in diesem Spiel einen Sieg ging es am dritten oder mindestens zwei Tage nach Spielende ins Halbfinale. Also würde die Gruppe aus der Redrock-Akademie wohl nicht vor dem ersten August eintrudeln.

Abends begleitete Julius die Fans aus dem Land unten drunter zum Hauptstadion. Dort traf er auf Aurora Dawn, die mit den Dusoleils zusammen hergekommen war, um Australiens Spiel gegen die Truppe aus Island zu bewundern. Die Isländer hatten in ihrem Eröffnungsspiel gegen Serbien knapp durch Schnatzfang gewonnen. Das Spiel an sich hatte aber knapp zehn Stunden gedauert und mehr als zweihundert Tore erbracht. Julius hatte schon davon gehört, daß die Isländer Huldren als Maskottchen mitgebracht hatten, eine Elfenrasse, die jedoch menschengroß wurde und ähnlich wie Kobolde und Hauselfen ohne Zauberstab verblüffende Sachen machen konnten. Er war gespannt, wie die sich mit den Wollawangas aus Australien vertrugen, nachdem die sich beim letzten Spiel mit den Meigas aus Spanien angelegt und den Kürzeren gezogen hatten. Den Stadionsprecher gab Monsieur Castello. Julius saß mit seiner Frau, sowie Aurora, Camille, Jeanne, Denise und Chloé Dusoleil in der Ehrenloge. Der isländische Zaubereiminister wirkte auf den ersten Blick sehr abschreckend. Zahlreiche Brandnarben im Gesicht und an den Händen entstellten ihn doch sehr. Auch meinte Julius, daß die smaragdgrünen Augen des höchsten isländischen Zauberers sich schneller und weiter zu bewegen vermochten als es bei natürlichen Augen möglich war. Björn Baldursson, so erfuhr Julius bei der offiziellen Vorstellung, war früher Drachenjäger gewesen, um die an den Kraterrändern und Eruptionsspalten nistenden Bergdrachen von den Städten und Dörfern fernzuhalten. Es hatte sogar eine Zeit gegeben, wo die Bauern und Bürger einem in der Nähe wohnenden Drachen Menschen vorgeworfen hatten, um nicht bei Nacht in ihren Häusern verbrannt zu werden. Erst Gunnar Haraldsson, ein weiterer Minister, der vorher Drachen gejagt hatte, habe vor hundert Jahren diese Praxis verboten und bei Nichtbefolgung alle Bewohner eines Ortes zwangsumgesiedelt, ohne sie finanziell zu entschädigen. Baldursson sprach akzentfreies Englisch. Mit dem Französischen tat er sich jedoch schwer. Er hoffte darauf, daß sein Land auch gegen Finnland oder Schweden spielen durfte. Dänemark und Norwegen waren ja schon aus dem Turnier ausgeschieden. Mrs. Rockridge, die australische Zaubereiministerin, erwiderte, daß die Mannschaft und die Fans aus Australien sicher nicht die weite Reise gemacht hätten, um ohne gegen England oder Irland zu spielen nach Hause zu reisen.

Die Wollawangas traten auf und versprühten wieder ihre Sandwolken, die durch ihre magischen Fähigkeiten in allen möglichen Formen erschienen. Sogar das weltberühmte Opernhaus von Sydney stellten sie aus wirbelndem Sand nach. Julius fragte, woher die kleinen Kerle dieses Bauwerk kannten. Aurora erwähnte, daß die Wollawangas vor der Abreise wohl das Opernhaus von Sydney gesehen hatten und irgendwie vermittelt bekamen, daß dort Menschen anderen Menschen was vorsängen. Auch wenn die kleinen, geflügelten Affenwesen die für Menschenohren hörbaren Töne nicht hören konnten hatten sie neben ihrer Vorliebe für Bilder und Zeichen auch eine Art Musik. Um die zu hören mußte man aber wohl die Transfrequenzaurikulare von Florymont Dusoleil benutzen. Julius griff diesen Hinweis als Vorschlag auf und erkundigte sich bei der australischen Zaubereiministerin, ob er diese magische Hörerweiterung mal in der Nähe von Wollawangas ausprobieren dürfe. Er wurde an Clyde Beaker verwiesen, der für die Unterbringung der Wollawangas zuständig war.

"Sie heizen den Sand auf", meinte Minister Baldursson. Julius konnte nichts erkennen, was darauf hinwies. Weder flimmerte noch glühte der aufgewirbelte Sand. So vermutete er, daß die Augen des Ministers magische Prothesen waren, die auch Infrarotstrahlung erkennen konnten.

"die wollen es wissen", meinte Julius, als er sah, wie die Wollawangas eine immer schneller rotierende Säule aus Sand um sich kreisen ließen, bis er meinte, eine flimmernde Glaswand zu erkennen. Diese flog nach zwei Minuten rotglühend auseinander, um für eine halbe Minute den tanzenden Schriftzug "Australia voran voran!" zu bilden. Dann rieselte der telekinetisch aufgewühlte Sand zu Boden.

"Das mit der Meiga haben die nicht vergessen. Jetzt wollen sie zeigen, welche Kräfte in ihnen stecken", sagte Aurora Dawn.

"Die Meigas sind doch schon längst zu Hause", meinte Jeanne, die wieder ihren schalldichten Umstandsumhang trug.

"Wollawangas sind sehr stolze Wesen. Sie freuen sich, daß sie noch zeigen dürfen, was sie können, während die Meigas, die ihnen so klar die Grenzen gezeigt haben, mit den Verlierern wieder abrücken mußten", bemerkte Aurora Dawn dazu. Die australische Zaubereiministerin nickte bestätigend.

Die Huldren waren wahrhaftig sehr schlanke, menschenähnliche Wesen, von denen fünf männliche und fünf weibliche auf das Spielfeld kamen. Julius dachte an die Darstellung der Elben aus Tolkiens Geschichten aus Mittelerde. Sie trugen weiße, sonnengelbe oder wasserblaue gewänder und besaßen goldblondes Haar. Muggel konnten sie nicht sehen, da sie eine magische Aura um sich verbreiteten, die magielosen Menschen ihre Anwesenheit verbarg. Zudem konnten sie diese Aura auch so beeinflussen, daß sie auch für Magieraugen unsichtbar wurden oder scheinbar in anderer Gestalt auftraten. Zu echten Körperverwandlungen waren nur die Tiervertrauten fähig, die bestimmte Tiere als Seelenverwandte besaßen. Sie widerstanden der Hitze des Feuers und der Kälte der Polarnächte und konnten Pflanzen mit Lebenskraft aufladen, daß ein Pflanzenmeister der Huldren es sogar einmal vollbracht hatte, eine echte Palme auf einem Gletscher gedeihen zu lassen, so Baldursson. Laurin Lighthouse fragte den Minister, warum dieser Pflanzenmagier das getan hatte.

"Weil er es konnte", war die einfache und unumstößliche Antwort Baldurssons. Dann begannen die Huldren zu singen. Es klang ähnlich wie bei den Veelas, und war doch eine eigene Kunst. Das lag wohl an der Sprache. Die Wirkung war auch eine andere. Vermochten die Veelas, vor allem Männer und halbwüchsige Jungen mit ihrem Gesang zu betören und zu den größten Dummheiten zu veranlassen, und schafften es die Meigas, mit ihren Liedern einen inneren und äußeren Frieden zu erzeugen, so fühlten sich die Zuhörer der Huldren immer stärker und aufmerksamer. Sie wurden regelrecht von den magischen Melodien mit Energie aufgeladen. Julius fühlte das besonders, weil der Gesang der Huldren nicht nur ihn selbst betraf, sondern über den Herzanhänger auch Millies Empfindungen vermittelte. So meinten beide, auf einem fröhlichen Tanzfest zu sein und aller Welt zu zeigen, wie hoch sie springen und wie schnell sie tanzen konnten. Außerdem meinte er, eine höchst angenehme Wärme zu fühlen, die in ihn hineinströmte. Auch erfüllte ihn eine zunehmende Begierde, mit seiner Angetrauten hier und jetzt zusammenzufinden. Millie merkte es wohl auch. Er fühlte, wie sie einander umarmten und im Rhythmus der magischen Musik gewandte Bewegungen vollführten. Doch sie konnten sich gerade noch beherrschen, sich vor allen Leuten hier körperlich zu lieben. Nicht wenige Zuschauer standen auf und sprangen im Takt der Huldrenweise. Julius gewahrte durch die Fluten wohltuender Wärme und Wonne, wie Liebes- und Ehepaare wie er und Millie in inniger Umarmung eigentlich ganz private Bewegungen vollführten, allerdings ohne sich zu entblößen. Erst als die magischen Wesen aus dem hohen Norden ihren Gesang beendeten, fanden die Zuschauer wieder zu ihrer Erwartungshaltung. Jeanne sah ziemlich blaß aus, straffte sich aber.

"Ui, durch den Umhang durch", seufzte sie. "Die haben meine Kinder zum tanzen getrieben. Hätte nicht mehr lange gedauert, und die wären mir regelrecht entsprungen. Das sollten Sie Ihren Zauberwesen aber bitte ausrichten, daß ihr Lied für werdende Mütter nicht ganz ungefährlich ist."

"Wieso, Madame Dusoleil, Sie fühlen sich doch noch wohl. Viele hoffnungsvolle Damen hoffen auf die Lieder der Huldren, weil das ihre Leiber mit der Freude und Ausdauer erfüllt, die sie für ihre Mutterrolle benötigen", erwiderte Baldursson und fügte hinzu: "Genau deshalb konnte ich selbst zu einem so ausdauernden Burschen werden, weil meine Mutter einem Chor von Huldren-Frauen gelauscht hat, als sie mich erwartete."

"Dann sollten Sie aber auch erwähnen, werter Herr Minister, daß die Wesen auch Lieder der Angst und Trübsal singen können", wandte ein isländischer Zauberer ein, der mit einem der Spieler verwandt war. "Ich kann mich noch gut dran erinnern, wie eine Baukolonne von Muggeln in heller Panik alles stehen und liegen ließ, weil aufgestörte Huldren sie regelrecht fortgesungen hatten."

"Echt?" Fragte Julius. "Dann kapiere ich nicht, warum die Normannen nach Gallien fahren mußten, um sich vom Barden Troubadix das Angsthaben beibringen zu lassen." Aurora grinste, während die anderen verstört dreinschauten. Millie lachte sogar und meinte, daß die Normannen dann wohl nicht da gewohnt haben, wo die Huldren wohnten."

"Stimmt, die waren ja eher in Schweden und Norwegen zu hause", erwiderte Julius darauf.

"Hui, ich fühle mich gerade um hundert Jahre jünger", sagte Castello mit magischer Stimme. "Hoffentlich kann ich das Spiel noch durchstehen, weil Säuglinge ja so früh schlafen müssen", scherzte er noch. Viele aus dem Publikum lachten. Dann rief Castello die australische Quidditchmannschaft auf den Platz. Danach kamen die Isländer, drei Zauberer und vier Hexen, wobei beide Treiberpositionen von Hexen ausgefüllt wurden, die gut und gern dem Walkürenheer des nordischen Gottes Odin angehört haben mochten. Der Sucher war ein ziemlich kleiner Mann mit goldenem Haar und Vollbart, der auf den Namen Thorinsson hörte. Millie flüsterte Julius auf Französisch zu: "Könnte auch von Oma Tetie abstammen. Die sagte ja, daß sie einige Kinder im Norden untergebracht hat." Julius nickte. Dann war Thorinsson ein Halbzwerg, ideal für die Rolle als Sucher.

Das Spiel wurde ein Paradestück für alle Flugtechniker und Formationskünstler. Offenbar ging es den Isländern nicht um Tore, sondern um das Vergnügen, mit der Weltspitze um die Wette zu fliegen. Die Australier zeigten ihr ganzes Können als eingeschworene Mannschaft. Da paßte jede Bewegung. Da fügte sich jeder Spieler nahtlos in die Spielzüge ein. Rhoda trumpfte mit drei Toren in Folge auf, was beim Fußball einen Hattrick bedeutet hätte. Die Mannschaft von der Feuerinsel im nordatlantik begann erst dann mit der Jagd auf Tore, als Australien knapp an der Punktegrenze war, wo den Isländern auch der Schnatzfang nichts mehr genutzt hätte. Das Spiel gewann ein schwindelerregendes Tempo, bei dem Julius sich schon fragte, ob er das jemals erreichen konnte, wenn er nach Beauxbatons doch erst einmal eine Quidditchlaufbahn einschlagen wollte. Immer wieder mußte er das Omniglas benutzen, um blitzartige Stellungswechsel und Vorstöße in einer für ihn überschaubaren Verzögerung nachzubetrachten. Das es nicht zu Zusammenstößen der rasend schnell gegeneinander anfliegenden Spieler kam war entweder ein Wunder oder absolute Bestform, was die Reaktionsgeschwindigkeit anging. Castello hatte ebenfalls Probleme, den Spielverlauf zu kommentieren. So begnügte er sich nur damit, die gerade den Quaffel führende Mannschaft zu erwähnen, wobei sich der Ballbesitz sekündlich ändern konnte. Die Treiber droschen die Klatscher mit solcher Wucht, daß Julius schon fürchtete, daß einer der Bälle einem Spieler den Schädel in tausend Trümmer zerschmettern würde. Tatsächlich mußten zwischendurch Spieler, die an Armen, Beinen oder dem Körper getroffen wurden, in medimagische Behandlung.

In Spielminute Fünfzig meinte Julius, den Schnatz zu sehen. Doch beiden Suchern wurde sofort der Flugweg verlegt, und der goldene Ball verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war. Australien besaß zwar die Torüberlegenheit und führte mit nun zweihundert Punkten Vorsprung vor Island. Doch die Spieler aus dem Norden hielten mit und versuchten, den Vorsprung zu schmälern.

Zwei Stunden dauerte die Partie. Julius fühlte trotz der rasanten Bewegungsabläufe noch keine Ermüdung. Er verfolgte die den Quaffel jagenden, hetzenden und schleudernden Jäger und holte sich die für ihn interessantesten Bewegungsabläufe in Zeitlupenwiederholung vor die Augen. Nach zwei Stunden stand es bereits 1000:600 Punkte für Australien. Doch die Geschwindigkeit der Flieger ließ langsam nach. Sowohl Australien als auch Island verzichtete auf rasante Vorstöße, wenn diese direkt in die Flugbahn der Gegner oder der Klatscher führten. Allerdings schafften es die Isländer auch, den großen Vorsprung Australiens mehr und mehr anzuknabbern. Nach zweieinhalb Stunden stockte allen der Atem, als Rhoda Redstone beinahe in beide Klatscher zugleich hineinflog. Einer der schwarzen Eisenbälle säbelte jedoch voll durch ihren Besenschweif, der wild funkensprühend auseinanderflog. Sofort rissen die Medimagier der Australier ihre Zauberstäbe hoch. Rhoda ließ sich vom Besen fallen, der raketengleich über die Torringe hinwegschoß, in der Luft einige wilde Salti schlug und dann abstürzte. Die aus dem Schweif geschlagenen Splitter regneten bereits auf das Spielfeld nieder, während der Stiel nun durchsackte und schräg in die Erde des Feldes hineinfuhr. Rhoda sank die zwanzig Meter bis zum Boden in den unsichtbaren Feldern eines Fallbremsezaubers und gelangte unverletzt auf ihre Füße. Das Spiel wurde natürlich sofort unterbrochen. Rhoda wurde untersucht und von den Heilern weiter für spieltauglich befunden. Sie erhielt nach Rückfrage beim Schiedsrichter einen neuen Besen, den sie erst einige Minuten probeflog. Dann ging das Spiel weiter.

Rhoda war jetzt wütend. Das konnte ihr jeder ansehen. Denn nun spielte sie wieder auf volles Risiko und jagte den Quaffel wie vom Katapult geschossen durch die Torringe. Erst als Island wieder den Weg zum Tor fand, mußte sie sich zurückfallen lassen. Es begann ein Trommelfeuer der Isländer mit den beiden Klatschern und dem Quaffel, und der Vorsprung Australiens schmolz erneut. Als die Mannschaft des fünften Kontinentes nur noch ein Polster von sechzig Punkten hatte verlud Pamela Lighthouse ihren direkten Gegenspieler Thorinsson. Dieser erkannte zu spät, daß seine direkte Gegenspielerin den Schnatz ausgemacht hatte. Seine Verfolgungsjagd wurde von beiden Klatschern empfindlich abgewürgt. Er bekam einen der Bälle voll auf das vordere Besenende, das wie eine Wunderkerze sprühend auseinanderplatzte. Thorinsson wurde vom eigenen Schwung nach vorne über das nun qualmende und Splitter ergießende Besenende hinweggeschleudert und stürzte rechts an Pamela Lighthouse vorbei, die in dem Moment den Schnatz mit links ergriff. Australien gewann die aufreibende und lange laufende Partie mit 1500 Punkten. Stürmischer Jubel bei den australischen Fans toste durch das Stadion, während die Isländer und ihre Maskottchen in Schockstarre verfielen. Denn Thorinsson raste immer noch dem Boden entgegen. Knapp einen Meter vor dem Aufprall gelang es seinen Betreuern, ihn abzubremsen. Er rollte sich ab und kam auf seine kurzen Beine. Wütend schüttelte er die kleinen Fäuste gegen die australischen Treiber, die ihn um den Fang seines Lebens gebracht hatten. Doch das Spiel war gelaufen. Es hatte nur zehn Strafwürfe auf beiden Seiten gesehen. Castello war glücklich, endlich nicht mehr dieses turboschnelle Spiel kommentieren zu müssen. Er erklärte Australien zum glücklichen und fairen Gewinner. Der Schaulauf der Mannschaft vom fünften Kontinent endete mit vier Ehrenrunden über dem Stadion, bei dem die Spieler und Spielerinnen noch ein paar Kunststücke vorführten, um dann auf ihrer Seite des Feldes zu landen und sich feiern zu lassen.

Julius war auch froh, daß diese Partie vorbei war. Er hatte wieder einmal sehen dürfen oder müssen, wie gefährlich Profi-Quidditch war und daß Mannschaften, die ohne Rücksicht auf ihre Unversehrtheit spielten, leicht den letzten Tag auf Erden erleben mochten. Er fragte sich, wo bei diesem Kampf noch der Gedanke an ein Spiel geherrscht hatte. Die Mannschaften hatten zwar überwiegend faire Mittel eingesetzt. Aber zwischenzeitlich hatten sie doch den Verdacht aufkommen lassen, um ihr nacktes Leben kämpfen zu müssen, als wenn sie sich in einer magischen Luftschlacht befanden. Zu dieser hatten nur die Zauberstäbe und zwischen ihnen hin und herfliegende Flüche gefehlt.

"So, dann habe ich wohl noch das Hochprozentigkeitsverbot für Minderjährige zu überwachen", seufzte Julius.

"Das machen Laura und ich, Julius", sagte Aurora Dawn mit beruhigender Stimme. "Wir haben uns in der Sache schon abgestimmt, daß alle Heiler aus Australien die Fans zum vernünftigen Feiern anhalten." Julius konnte daher in Ruhe den Ausmarsch der Zuschauer verfolgen und mußte nur noch sicherstellen, daß die Australier sich nicht mit den Isländern irgendwo trafen, die sicher etwas anderes von diesem Abend erhofft hatten.

Kurz nach Mitternacht kehrte Julius in das Apfelhaus zurück. Brittany strahlte ihn an. "Greenwood ist schon in Fahrt. Er hat die Kopien der Klageschriften eingefordert und will sehen, ob die von dir angedachte Gegenklage sinnvoll ist oder wir nicht vielleicht auf einen vorsetzlichen Zugewinn Mrs. Gildforks durch einen unnötigen Gerichtsprozeß plädieren lassen. Sollte sich herausstellen, daß Gildfork von vorne herein den durch das Ausscheiden entstandenen Schaden von sogenannten Dummköpfen einklagen wollte, die ihr zu laut von Ferientruppe und chancenlosen Freizeitspielern geredet hatten, kriegen wir sie vielleicht deswegen dran."

"Du meinst, sie könnte schon darauf gelauert haben, irgendwem die entstandenen Kosten aus dem Hemd zu leiern, falls die US-Truppe nicht mit dem Meisterpokal nach Hause geht?" Wollte Julius wissen.

"So hat sich Greenwood ausgedrückt. Offenbar hat der werte Mr. Gildfork schon einmal so eine Nummer abgezogen, als es um Schwächen beim Bronco Millennium ging. Da hat er glatt versucht, die Entwicklungskosten durch einen breitgestreuten Prozeß wieder reinzuholen. Das ist aber aufgeflogen, weil einer aus der Buchhaltung einen Plan gefunden hat, der die Unkosten für die Entwicklung des neuen Besens durch Schadensersatzprozesse wegen Geschäftsschädigung wieder reinholen sollte. Gildfork hat dann sehr bereitwillig auf den Prozeß verzichtet. Er mußte aber dreitausend Galleonen Strafe wegen sogenannten Prozeßbetruges bezahlen, weil er den Gamot aus dem Sommerurlaub zurückgeholt hat."

"Wenn seine Frau jetzt diese Tour reitet und das echt auch so laufen soll gibt es aber mächtigen Ärger", sagte Millie dazu. Linus grinste und erwiderte:

"Onkel Lucky meint, Bürokratia ist eine Pergament fressende und Tinte saufende Riesenraupe. Aber sie hat auch ein unerschöpfliches Gedächtnis. Wenn das für Gerichtsakten auch gilt, sollte sich mancher Kläger dreimal überlegen, ob er oder sie mit dem Kopf gegen eine schon mal zu hart erwiesene Wand rennen will."

""Dann hoffe ich mal, daß ihr dieser überragend gut genährten Dame klarmachen könnt, daß Gold nicht alles erlaubt", wünschte Julius Brittany und Linus. Die beiden nickten dankbar.

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Eigentlich fand in den Tagen zwischen dem 24. und 27. Juli das Schachturnier in Millemerveilles statt. Doch die sonst für das Turnier sicher gebuchten Spieler hatten genug Beschäftigung, um sich nicht zu langweilen. Ursuline Latierre hatte am 27. Juli ihren Kopf im Kamin von Millie und Julius erscheinen lassen und angekündigt, die eigentlich fällige Titelrevanche mit Julius' Mutter im Sonnenblumenschloß zu bestreiten. Julius hatte ihr entgegnet, daß er sich das nicht ansehen könne, weil an diesem Tag die letzten Spiele der laufenden Runde stattfanden und er deshalb zu arbeiten habe. "Meine Erstgeborene soll euch nicht so überfordern, Julius. Sonst kommt ihr ja zu nichts anderem mehr", hatte Ursuline mit vieldeutigem Grinsen geantwortet. Julius grinste zurück und mentiloquierte, daß nachts ja nicht Quidditch gespielt würde. Laut sagte er: "Ich fühle mich nicht überfordert. Dank deines Weihnachtsgeschenks von vor drei Jahren stehe ich vieles anstrengende locker durch."

"Trice wartet schon darauf, ihren Großneffen oder ihre Großnichte ankündigen zu dürfen", empfing er Ursulines Gedankenantwort. Sie sagte dann noch hörbar: "Ich sage euch jedenfalls, wie das Spiel ausgegangen ist." Dann verschwand ihr Kopf aus dem Kamin.

Brittany erwähnte, daß die Gegenklage auf dem Weg sei und am 12. August die erste Anhörung mit Vertretern des Gamots sei, die prüfen wollten, ob es eine große Verhandlung geben würde. Außer Brittany waren noch andere Personen aus den Staaten wegen angeblicher Rufschädigung angeklagt worden. Phoebe Gildfork hatte sogar versucht, einige Hexen und Zauberer aus Europa zu belangen. Doch deren Ministerien hatten klar gemacht, daß sie nach dem Ende der Todesserherrschaft wieder freie Meinungsäußerungen zuließen, solange diese nicht dazu dienten, Personengruppen herabzuwürdigen oder offen zum Kampf gegen Personengruppen anstachelten. Abfällige Bemerkungen über eine Quidditchmannschaft gehörten nicht zu dieser Art einzudämmender Behauptungen.

Robert Deloire schickte am 27. Juli noch eine Eule zu Julius und Millie, daß er mit seinen Eltern am 29. Juli nach Millemerveilles kommen wolle, um Gérard bei den Hochzeitsvorbereitungen zu helfen. Die Laplaces hatten sich für die Zeit bis nach der Hochzeit ein Varanca-Haus in Form einer Rosenblüte angemietet, mit dem sie keine sechshundert Meter vom Farbensee entfernt lagern wollten. Millie und Julius erhielten eine Einladung, sich das Haus einmal anzusehen.

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"Wir putzen die Tröteriche vom Kap aus dem Turnier", tönte Kevin, der sich auf die Partie Südafrika gegen Irland am 29. Juli freute. Julius erwiderte darauf:

"Dann müssen eure Leute aber Ohrenschützer aufsetzen, wenn die Südafrikaner mit ihren Vuvuzelas das Stadion zerlegen wollen."

"Ich dachte ihr zieht eine Linie um das Spielfeld, daß Krach nicht mehr durchkommt", erwiderte Kevin. Seine Cousine Gwyneth grinste darüber.

"Meine Schwiegermutter hat da was angeleiert. Weshalb ich gleich noch zu den Damen und Herren vom Kap hin muß. Wünsch mir mal Glück, daß die mir keine Kombination aus Voodoo und europäischen Flüchen aufhalsen."

"Ja, was macht ihr denn mit denen?" Fragte Kevin.

"Madame Latierre hat sich angesehen, wie diese Tröten aussehen und darauf aufbauend einen Beschluß gefaßt, daß durch das Zeigen von Farben nur die tröten dürfen, die gleichgefärbte Vuvuzelas haben. Jemand hat ihr nämlich erzählt, daß es in Mexikos Haupstadt eine Regel gibt, daß Autos mit roten Nummernschildern nur an einem Tag fahren dürfen, und Autos mit blauen oder weißen Nummernschildern an entsprechenden anderen Tagen. Mal sehen, wie die Jungs und Mädels aus dem Zulu-Land drauf ansprechen.""

"Achso, daß dann nur die mit den Blauen Krawalltuten blasen dürfen, wenn jemand eine blaue Fahne oder sowas schwenkt?" Fragte kevin. Julius nickte. "Hast du das ihr gesagt, was da in Mexiko laufen soll?" Julius schüttelte den Kopf und erinnerte Kevin daran, daß er nicht der einzige Muggelstämmige in der Besucherbetreuertruppe war. Kevin nickte. Er kannte Laurentine Hellersdorf schließlich auch.

"Hauptsache, Irland gewinnt", erwiderte Kevin darauf nur. Julius war dazu verdonnert, keine Zustimmung für eine bestimmte Mannschaft zu äußern. So sagte er nur, daß Irland sicher weiterkomme, wenn Lynch den Schnatz finge und der Hüter der Iren keinen Quaffel durchlasse. Kevin grinste darüber nur.

Das Lager der Südafrikaner war erfüllt von Musik und Gesang. Julius konnte zunächst nicht anders als dem Tanz und der Musik zu lauschen. So brauchte er eine halbe Stunde, bis er es endlich hinbekam, in die Mitte des Zeltplatzes zu treten und sich mit dem Sonorus-Zauber Gehör zu verschaffen. "Ladies and Gentlemen, ich möchte Ihre Vorfreude nicht unnötig unterbrechen oder eintrüben, doch ich erhielt den Auftrag von Madame Latierre, Sie alle über gewisse Verhaltensregeln zu informieren, die für das Spiel morgen abend und für jedes weitere Spiel bis zum Finale gelten werden, sofern Sie nicht gewillt sind, nur mit Trommeln und Gesang Ihre Mannschaft zu unterstützen", sprach er mit magisch verstärkter Stimme. Er hielt seinen Zauberstab fest in der Hand, aber mit der Spitze zum Boden zeigend, um niemanden hier zu provozieren. Das Trommeln, Singen und Jubeln hörte auf. Die Besucher aus Südafrika bildeten mehrere konzentrische Kreise um Julius. Er sah die Schwarzen und die Weißen, sowie die Indischstämmigen friedlich vereint zusammenstehen. War das in der Zaubererwelt schon immer so gewesen oder auch erst seit dem Ende der Appartheid möglich? Er sagte nun für jeden im Lager hörbar: "Um unnötige Proteste und Anfeindungen der mit Ihrer Mannschaft wetteifernden Mannschaften zu vermeiden hat Madame Latierre folgendes verfügt ..." Julius mußte sich sehr beherrschen, seine Ansage ohne Erregung zu machen. Als er den lauschenden Besuchern erzählt hatte, daß Hippolyte sich von Florymont eine Farbwechsellampe in sechs Farben hatte bauen lassen, die denen mit gelben, weißen, blauen, roten, orangen und grünen Vuvuzelas je zehn Minuten zum Tröten einräumte, waren es nicht wenige, die darüber entrüstet waren. Ein besonders großer und athletischer Ureinwohner Südafrikas trat vor und sagte mit einer tiefen und bedrohlich klingenden Stimme:

"Dann haben die Franzosen gelogen und geheuchelt, als sie sagten, daß jedes Gastland seine Kultur zeigen darf. Die Vuvuzela gehört zu unserer Art, Wettkämpfe zu begleiten, Mister. Wenn wir die nicht so blasen dürfen wie wir in Stimmung sind, ist das eine Abwertung unserer Kultur." Julius führte seinen Zauberstab mit einer ruhigen Bewegung zum Kehlkopf und murmelte "Quietus!" Dann sprach er den Südafrikaner so ruhig und fest er klingen konnte an:

"Sir, es gilt doch, daß jeder seine Mannschaft anfeuern darf. Wenn aber die eine Gruppe viermal so laut ist wie die andere Gruppe, ist die leisere Gruppe im Nachteil. Die Iren und Peruaner und Bulgaren machen genauso schöne Musik wie ich sie gerade von Ihnen und Ihren Landsleuten gehört habe. Die möchten natürlich auch von ihren Spielern gehört werden, das verstehen Sie doch sicher, oder?"

"Dann sollen die lauter spielen", lachte ein hellhäutiger Südafrikaner, dessen Akzent irgendwie härter klang als Julius es vom Englischen kannte. Womöglich gehörte der Mann zur Volksgruppe der Buren.

"Das würden Sie sicher nicht sagen, wenn irische Flöten und Dudelsäcke durch den Lautverstärkungszauber vier- bis fünfmal so laut klingen wie sonst. Außerdem haben Spieler schon behauptet, sich nicht abstimmen zu können, weil sie nicht über das Spiel Ihrer Blasinstrumente hinwegbrüllen konnten. Sie wollen doch sicher nicht, daß Madame Latierre Ihnen Stadionverbot erteilen muß, weil sie sich sonst der Anklage aussetzt, Mannschaften von vorne herein zu benachteiligen?" Die Südafrikaner grummelten verärgert. Der große dunkelhäutige Zauberer trat weiter aus dem Kreis seiner Leute hervor. Julius blieb fest auf seinem Platz stehen und straffte sich. Der andere mochte gerade so groß sein wie er, nur daß er noch eine Spur breiter gebaut war.

"Wenn wir nicht alle spielen dürfen, dann dürfen die aus Irland auch nicht alle spielen", sagte er. "Sonst ist das für uns nicht hinnehmbar." Eine kleine, braungetönte Hexe trat vor und sagte mit einer schnarrenden Stimme:

"Der junge Mann läßt sich von dir nicht beeindrucken, Amar. Recht hat er auch. Wir können wirklich etwas weniger mit diesen lauten Tröten rumlärmen. Die haben hier Hausrecht. Die müssen uns nicht ins Stadion reinlassen. Die können uns in die Stadien schicken, wo gerade nicht gespielt wird. Da können auch die Bilder aus dem Hauptstadion hinkopiert werden. Wollen wir das, nicht bei unseren Leuten sein?"

"Dann will ich das Gold wiederhaben, daß ich für mich und meine Familie hergeben mußte, um die Karten zu kriegen", knurrte der große Zauberer. Julius sagte dazu trocken: "Das steht Ihnen zu, Sir. Wenn Sie möchten und die anderen auch, können sie sofort zur Kartenverkaufsstelle hingehen und ihre Karten zurückgeben. Es gibt sicher genug Zuschauer, die gerne das Spiel des amtierenden Weltmeisters sehen möchten und keine Karten mehr für das Hauptstadion bekamen." Das wirkte. Die Südafrikaner tuschelten miteinander, gestikulierten und sprachen immer lauter. Julius verstärkte seine Stimme wieder und wartete einige Sekunden. Dann sagte er ganz hart klingend: "Sie haben es in der Hand. Wenn Sie sich nicht an die neue Verordnung halten möchten geben Sie Ihre Karten zurück und tauschen Sie entweder gegen das bezahlte Geld um oder gegen Karten in einem der dann freien Stadien oder vor den Übertragungswänden. Wenn Sie Ihre Karten nicht zurückgeben möchten stimmen Sie mit Ihrem Besuch im Hauptstadion allen dort geltenden Regeln zu und können belangt werden, wenn Sie sich nicht daran halten. Sie haben bis Morgen um fünf Uhr Nachmittag Zeit, Ihre Entscheidung zu treffen. Dann schließen die Kartenverkaufs- und -umtauschstellen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit."

"Siebenhundert Galleonen haben mich die Karten gekostet", versuchte sich der großgewachsene Zauberer noch einmal Luft zu machen. Doch Julius ging nicht darauf ein. Wie teuer die Karten waren wußte er doch längst. Er fühlte den Unmut bei einigen Leuten hier wachsen. Doch es gab auch welche, die wohl darüber nachdachten, ob sie sich wirklich Krach mit den Gastgebern leisten konnten. Am Ende wurde ihre Mannschaft noch disqualifiziert, weil die Organisatoren ihre Fans nicht zur Ruhe bringen konnten. Julius überwand den Drang, unverzüglich zu disapparieren. Er wollte nicht den Eindruck machen, vor dieser Meute da flüchten zu müssen. Zwei zauberer in dunkelgrünen Drachenhautjacken und weißen Hosen bahnten sich einen Weg durch die Menge und traten vor Julius hin, der genau aufpaßte, wie der offenbar auf seine Größe und Kraft setzende Amar reagierte.

"Clayton van Pieters", stellte sich der eine zauberer vor. "Ich bin der Sprecher der südafrikanischen Gruppe in der IOMSS, Mr. Latierre. "Ich werde mich noch einmal mit Ihrer Vorgesetzten unterhalten, inwieweit eine derartige Beschränkung unserer Spielbeteiligung sinnvoll ist. Ansonsten haben Sie recht, daß jeder mit dem Kauf einer Karte eine Zustimmung leistet, die im Stadion gültigen Verhaltensregeln einzuhalten. Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilung!"

"Isaac Masutu von den Kapstadt Canonballs und ebenfalls IOMSS-Mitglied", stellte sich der zweite, dunkler getönte Zauberer vor. "Das Problem mit der Abstimmung zwischen den Spielern in unserer Liga ist auch in Südafrika ein Thema. Daher möchte ich gerne diese Farbenlampe sehen, die den Einsatz bestimmter Gruppen von Vuvuzelas regeln soll. Bitte melden Sie uns bei ihrer Vorgesetzten für vier Uhr nachmittags an!" Julius überlegte, wieweit er den Terminplan seiner Schwiegermutter kannte. Er erwiderte dann:

"Falls sie den von Ihnen gewünschten Termin frei hat wird Sie Ihnen beiden eine Eule schicken, Mr. Masutu. Ich hoffe, damit alle Fragen geklärt zu haben." Van Pieters und Masutu nickten. Das war für den kriegergleichen Amar wohl ein Zeichen, sich besser jetzt zurückzuziehen. Julius nickte und apparierte vor das Rathaus von Millemerveilles. Hier atmete er auf. Das war echt kein Spaziergang, sich einer Meute von Fans auszuliefern und darauf zu hoffen, daß die ruhig blieben.

Vor dem Büro seiner Schwiegermutter und Ferienchefin standen und saßen bereits mehrere Hexen und Zauberer, die auf ihren Termin warteten. Da Julius seiner Schwiegermutter während der Arbeitszeit keine Melo-Nachrichten schicken durfte, solange es nicht unbedingt nötig war, mußte er warten, bis alle vor ihm eingetroffenen in ihrem Büro gewesen waren und er endlich hineingehen durfte.

"Na, du bist noch in einem Stück, wie ich sehr erfreut feststellen kann", sagte Hippolyte. Das Büro war ein Klangkerker. So konnte sie mit ihrem Schwiegersohn familiär sprechen.

"außer, daß ich mich fast mit einem Urenkel Shaka Zulus hätte prügeln dürfen und die anderen Fans jetzt nicht wissen, ob sie das Spiel überhaupt noch sehen wollen ging es, Madame Latierre. Ich erhielt von den Herren van Pieters und Masutu von der Südafrikanischen Gruppe des IOMSS die Anfrage, bei Ihnen um einen Termin um vier Uhr nachmittags zu bitten."

"Shaka Zulu? Der Name sagt mir zwar nichts. Ich vermute aber, daß du damit diesen großgewachsenen sportlichen Zauberer meinst, dessen Schwester in der südafrikanischen Auswahl Treiberin spielt. Okay, die Terminanfrage ..." Sie griff in eine Schreibtischschublade und zog einen kleinen bordeauxroten Terminkalender hervor und sagte laut: "Termine heute!" Mit einer mädchenhaft plärrenden Zauberstimme ratterte der Kalender alle eingetragenen Termine herunter. Für vier uhr nachmittags war noch kein fester Termin eingetragen. Hippolyte nickte und öffnete den Kalender, um mit einer besonderen Schreibfeder den Termin einzutragen. Julius erwähnte, daß die Herren eine Eule erhalten würden. Hippolyte nickte. "Dann ist es auch offiziell. Was sagen die Iren?"

"Die freuen sich, daß sie morgen eine Runde weiterkommen können", sagte Julius.

"Dann ist alles soweit in Ordnung. Millie ist noch bei den Peruanern. Bocafuegos Anhang wird langsam zudringlich. Deshalb habe ich ihr erlaubt, notfalls mit den Devoluptus-Zauber zu arbeiten, wenn die Personenschützer der mannschaft überfordert sein sollten." Julius nickte. Dann erwähnte er, daß er eine Einladung von den Laplaces erhalten habe, sich ihr Varanca-Haus anzusehen und ob er diese Einladung annehmen dürfe.

"Ich gehe davon aus, daß die Südafrikaner sich irgendwie damit arrangieren werden, daß ihre Trompeten morgen nicht alle zugleich geblasen werden dürfen. Ansonsten hast du heute nachmittag frei. Madame Lumière erwähnte sowas, daß es einen improvisierten Tanzabend gibt. Falls Mildrid und du Lust dazu haben könnt ihr hingehen." Julius nickte.

Nach dem Mittagessen erledigte Julius noch ausstehende Hausaufgaben vor dem Apfelhaus. Linus saß schweigend auf einem Gartenstuhl und las in der neueren Ausgabe der Stimme des Westwindes, bis Julius seine Bücher und Schreibsachen fortpackte.

"Haben die dir viel aufgeladen?" Fragte Linus Brocklehurst. Julius erwähnte, daß er in fast allen von ihm belegten UTZ-Fächern Hausarbeiten abzuliefern hatte, vor allem in Zaubertränken und alte Runen.

"zaubertränke? Das war für mich immer ein Tanz mit einer Drachendame. Vor allem wo die werte Professor Purplecloud immer behauptet hat, ich würde mich eines Tages selbst in Stücke sprengen, falls jemand so leichtsinnig sei, mir ein Zaubertranklabor zur Verfügung zu stellen. Die Dame war auf ihre beiden Fächer fixiert und zeigte jedem ihre Ablehnung, der oder die da nicht so gut mithalten konnte."

"Kenne ich auch wen aus Hogwarts. Aber es heißt ja, über Tote nichts wenn nichts gutes", erwiderte Julius darauf. Linus nickte.

"Tja, der hat auch ein höchst riskantes Spiel gespielt, dieser Severus Snape." Julius nickte. So sprachen sie über ihre UTZ-Fächer und was Julius an den alten Runen so faszinierte. Dann wurde es auch schon Zeit für Julius, das Reisehaus der Laplaces anzusteuern.

Er trug seinen weinroten Festumhang, als er zum See der Farben flog und an dessen Ufer nach einer überdinensionalen Rosenblüte Ausschau hielt. Als er dann etwas leuchtendrotes am Ufer sah lenkte er seinen Ganymed 10 darauf zu und staunte. Das Varanca-Haus sah wirklich aus wie ein auf ein zigfaches vergrößerter Blütenkelch mit Stempel und Staubgefäßen. Der Kelch ritt auf einem wohl zwei Meter durchmessenden Stiel, der aus dem Boden gewachsen schien, jedoch im Verhältnis zu kurz war um einen kompletten Rosenstengel mit Dornen und Blättern darzustellen. Insgesamt war das kunstvoll nachempfundene Reisehaus an die neun Meter hoch und am oberen Rand der Blüte zwölf Meter breit. Julius umkreiste das Reisehaus und beachtete vor allem die Befruchtungsorgane. Er fragte sich, wie jemand innerhalb dieser Konstruktion wohnen konnte. Da sah er, wie an der Spitze des Stempels eine Luke aufschwang und Gérard herauskletterte. Julius winkte ihm zu und sank über der Mitte der Rosenblüte nieder.

"Am Stiel ist der Eingang. Maman läßt dich rein. Wir trinken draußen Kaffee!" Rief Gérard seinem Schulkameraden zu. Julius bestätigte es und landete.

Von unten und nahe wirkte das Reisehaus noch größer. Julius fühlte sich auf die Größe eines Marienkäfers oder einer Honigbiene geschrumpft, als der am kurzen Stiel ankam. Da ging eine ähnliche Tür auf, wie sie auch im Apfelhaus vorhanden war, und Professeur Laplace, seine frühere Arithmantiklehrerin, erschien in der Türöffnung. Sie winkte ihm zu und fragte, warum er schon so festlich angezogen sei, wo die Hochzeit doch erst am ersten August stattfinde. Er hörte dabei genau, daß sie irgendwie nicht so begeistert davon war, daß Gérard heiraten würde. Julius erwähnte den Tanzabend, zu dem er gehen wolle. Dann nahm er die Einladung an, sich das Rosenblütenhaus von innen anzusehen.

"wir hätten zwar auch ein Fruchthaus nehmen können, wie Mildrid und du es bewohnt. Aber meine Schwiegermutter bestand darauf, ein Haus zu nehmen, daß dem Anlaß entsprechend ist. Außerdem würde das zu ihrem Vornamen passen. Ach, da ist sie ja." Julius sah eine ältere Hexe mit dunkelbraunem Haar, deren Nase der von Gérard ähnelte.

"Ah, Gérards Saalkamerad, Monsieur Latierre", sagte die ältere Hexe. "Rose Amélie Laplace", stellte sie sich vor. Julius erwiderte die Begrüßung. Dann bestaunte er die Eingangshalle, die im Rosenstiel enthalten war und durch Rauminhaltsvergrößerungszauber viermal mehr durchmaß als der Stiel von außen durchmaß. Wie im Apfelhaus der Latierres bildete eine von dünnem, unzerbrechlichem Glas umfaßte Wendeltreppe die genaue senkrechtachse. Julius ließ sich von den beiden Damen Laplace im Haus herumführen, das ähnlich viele Zimmer besaß wie das Apfelhaus, wobei die Zimmergröße jedoch auf den oberen Etagen zunahm. Ganz oben durchstießen sie den Stempel der Rosenblüte und standen nun zwischen den meterhohen, wie junge Bäume dicken Staubgefäßen, die als Wassersammelstellen herhielten, um das Reisehaus unterwegs zu versorgen. Gérard begrüßte Julius und erwähnte, daß Robert sich bereits ein Zimmer im Haus ausgesucht habe. Seine Eltern konnten Oma Roses Überzeugungskraft nicht widerstehen.

"Na, bevor dein Schulkamerad meint, ich hätte die Deloires verflucht oder mit anderen Mitteln gefügig gemacht sagen wir besser, daß sie es einsehen, daß der Trauzeuge nicht erst von irgendwo abgeholt werden muß, um den Bräutigam vor den Zeremonienmagier zu begleiten."

"Zumal bei französischen Zaubererhochzeiten ja eher der andersgeschlechtliche Elternteil die Braut und den Bräutigam in den Trauungskreis führt", wußte Julius von den verschiedenen Hochzeiten, die er schon besucht hatte. Madame Laplace die ältere nickte.

"Ich wollte aber noch einen Trauzeugen haben, weil Sandrine unbedingt noch ihre ältere Cousine Élise als Trauzeugin dabeihaben wollte. Onkel Auguste meint eh, ich hätte da echt noch ein Jahr warten können. Aber jetzt ist die Sache im Gang."

Julius erwähnte darauf nur, daß Gérard und Sandrine hinter der Entscheidung stehen müßten, niemand anderes. Gérards Großmutter wandte dann ein, daß es schon verbindlich geregelt werden müsse, wenn zwei Leute so jung zusammenleben sollten, allein schon, um jedem daraus entstehenden Kind eine sichere Grundlage zu geben. Julius hörte die Verachtung aus dieser Aussage. Er erinnerte sich, was Gérard erwähnt hatte, daß er mit Sandrine ein kleines Haus bewohnen durfte, das sein verstorbener Großvater väterlicherseits hinterlassen hatte, der jedoch keine Lust auf ein althergebrachtes Familienleben gehabt habe. So sagte Julius dazu nur:

"Das ist nicht sicher, ob Kinder, die in einer unzertifizierten aber glücklich verlaufenden Beziehung nicht besser dran sind als in einer mit Murren und Knurren aufrechterhaltenen Ehe oder gar einer solchen, die kaputtgeht und die Kinder dann zum Streitobjekt erniedrigt werden. Mein Vater wollte von mir nichts mehr wissen, weil ich Zaubern lernte und hat versucht, meine Mutter als geisteskrank hinzustellen, damit er mich von Hogwarts runternehmen könnte. Daran ist die Ehe meiner Eltern zerbrochen. Ich hoffe mal, Mildrid und mir bleibt sowas erspart." Gérard mußte verhalten grinsen, während seine Großmutter Julius verdrossen ansah, jedoch keine Erwiderung machte. Julius hoffte, es sich mit ihr nicht auf Anhieb verscherzt zu haben. Immerhin würde er sie in vier Tagen ja bei der Hochzeitsfeier wiedersehen.

"Was meine Oma sagen möchte ist, daß Zauberer sich das eben gut überlegen müssen, wann sie zu einer Hexe oder Muggelfrau ja sagen", stichelte Gérard. "Oder umgekehrt", legte er noch nach. Professeur Laplace erkannte den aufkommenden Konflikt und sagte sofort:

"Nun, wir alle sind uns einig, daß Sandrine und du noch ein Jahr Schule vor euch habt und deshalb womöglich noch hättet warten können. Aber wenn du sagst, daß Sandrine nicht auf dich hätte warten wollen und du sie als deine Ehefrau haben möchtest, können wir da nichts mehr gegen einwenden." Julius hörte ihr an, daß sie es aber nicht so locker hinnahm. So fragte er rasch: "Wohnen alle Ihre Verwandten, die bei der Hochzeit dabei sein werden in diesem Haus?"

"Mein Bruder mit seiner Familie, dann meine Eltern und noch ein Vetter meines Mannes", sagte Professeur Laplace. "Die sehen sich gerade in Millemerveilles um." Julius nickte.

Wie von Gérard erwähnt trafen sich dann alle auf dem Grundstück um den Rosenstiel, wo ein großer Tisch mit weißer Decke hingestellt wurde und Rose Amélie Laplace das Geschirr und den Kaffee und das Gebäck apportierzauberte. Gérards Vater sah wirklich aus wie eine ältere Ausgabe seines Sohnes und zeichnete sich bei der Unterhaltung als strenger Mann aus, der immer wieder betonte, daß er hoffe, daß Gérard der Verantwortung gerecht werde, die eine Ehe stelle. Julius wertete es als Überspielreaktion darauf, daß Gérards Vater von seiner Mutter alleine aufgezogen worden war. Daher mochte er noch mehr darauf beharren, daß Ehemänner eine besondere Verantwortung hatten. Gérards Onkel Auguste war ein schweigsamer Zauberer, der nur dann etwas sagte, wenn er vom Kaffee oder Kuchen was nachhaben wollte. Er sah Julius immer wieder so an, als müsse er ihn bedauern oder verachten. Julius sah sich das mehr als eine Stunde lang an und fragte dann doch:

"Monsieur Ravelle, bitte klären Sie mich auf, ob ich einem Mißverständnis aufgesessen bin, daß Sie mich aus irgendeinem Grund nicht recht leiden mögen." Eisiges Schweigen fiel über den Kaffeetisch. Dann sagte Professeur Laplaces älterer Bruder:

"Nun, wenn Sie es wirklich bar jeder höflichen Zurückhaltung darauf anlegen, meine Meinung zu hören, junger Monsieur Latierre, so kann ich Ihnen nur sagen, daß Sie für meinen Neffen ein schlechtes Vorbild sind, derartig früh derartig weittragende Entscheidungen zu fällen, noch dazu mit einer, deren Familie dafür bekannt und berüchtigt ist, vordringlich auf Fortpflanzung und Vermehrung auszugehen. Ich habe es meinem Neffen damals schon gesagt, daß dieses Frauenzimmer, dem Sie selbst nun angetraut sind, niemals eine fügsame und vernünftige Ehehexe sein wird und er sich von ihr nicht so gängeln lassen soll. Und ausgerechnet dieses Mädchen hat über Sie, weil Sie offenbar keine Ahnung von der hiesigen Zaubererwelt hatten, vollendete Tatsachen geschaffen, die Mademoiselle Dumas dazu antrieben, es sei doch sehr angenehm, schon als verheiratete Hexe in Beauxbatons zu lernen. Jetzt muß Gérard noch seinen Nachnamen aufgeben, weil die alte Regel das verlangt. Er hätte nach der unrühmlichen Episode mit Mildrid Latierre warten sollen, bis er sich auf eine derartige Entscheidung festlegt. Dann noch die Tochter einer Lehrerin, wo er selbst Sohn einer Lehrerin ist."

"Onkel Auguste, das ist mal wieder nett, mir zu unterstellen, ich hätte mich verschaukeln lassen. Außerdem kennst du Sandrine überhaupt nicht und von Millie hast du auch nur das mitbekommen, was ich in meinem Frust damals rumerzählt habe." Julius dankte Gérard innerlich, daß er ihm die Zeit verschafft hatte, sich eine gescheite Antwort zu überlegen. Er sagte:

"Nun, es besteht ja die Möglichkeit, daß Sie sich mit meiner Frau unterhalten können, da Sandrine und Gérard sie und mich ja eingeladen haben. Zudem kenne ich die Latierres mittlerweile gut genug um zu wissen, daß ich nicht verschaukelt worden bin und daß ich es mit den Latierres sehr gut getroffen habe. Und was den Nachwuchs angeht, Monsieur Ravelle, so kann ich mich geschmeichelt fühlen, daß Mildrid meine Kinder haben will. Soweit ich gelernt habe achten die Latierres schon darauf, nur mit Partnern Kinder zu haben, die vom Geist und vom Körper her brauchbare Erbgutspender sind. Wenn ich diese Bedingungen erfüllt habe muß ich da eher stolz drauf sein als es zu bedauern. Aber danke, daß Sie mir Ihre ehrliche Meinung verraten haben. So bleibt uns eine derartige Enthüllung während der Hochzeit erspart."

"Abgesehen davon tut das auch nichts zur Sache, wenn die Eltern Lehrer sind", sagte Gérard. "Außerdem ist Sandrines Mutter Schuldirektorin. Aber davon wolltest du ja nichts wissen, weil es dir eh zu früh ist, daß ich heirate", erwiderte Gérard.

"Dir etwa nicht, Gérard?" Erwiderte sein Onkel Auguste. Julius hörte sich dann an, wie Onkel und Neffe sich gegenseitig vorhielten, wer da wie von der frühen Ehe dachte. Gérards Mutter hielt sich dabei zurück und wartete offenbar, daß die beiden von selbst zur Ruhe kamen. Da dies jedoch nicht der Fall war wandte sie sich an Julius und sagte:

"Mein Bruder wollte lediglich ausdrücken, daß er eine Ehe über mehr definiert als über Kindersegen. Dabei hat er selbst drei Kinder gezeugt, von denen das erste in zwei Jahren nach Beauxbatons gehen wird." Julius nickte.

"Millie steht über derartige Sachen drüber und ist auch stolz auf ihre Familie. Die kann so schnell niemand schlechtreden", sagte er. Dann beschäftigte er sich mit seinem Stück Kuchen, daß ihm Rose Amélie Laplace auf den Teller gelegt hatte.

Um nicht länger in dieses Gezänk zwischen Auguste Ravelle und Gérard reinhören zu müssen schützte er noch einige Hausaufgaben vor, die er bis zum Tanzabend fertig haben wollte. Professeur Laplace erlaubte ihm, sich zu entfernen.

"Das gibt noch was, Millie", sagte Julius, als er seine Frau im Apfelhaus antraf. Sie war gerade dabei, sich für den Tanzabend umzuziehen. Er erwähnte kurz den Besuch bei den Laplaces. Sie lachte darüber.

"Ich kann dir das sagen, was den werten Monsieur Ravelle so annervt, der ist bei der zweibeinigen Artemis abgeblitzt, als die ihren hubert kennengelernt hat. Der hat ihm dann erzählt, daß die Latierres sich die Zeugungspartner für ihre Kinder eben genau aussuchen und Auguste wohl in einigen Sachen nicht die Mindestanforderungen erfülle. Das wurmt den bis heute noch."

"Achso, dann sind ihm die Kirschen nur zu sauer, an die er nicht ranreichen konnte", sagte Julius. Millie lächelte.

"Der wird gesehen haben, daß du körperlich was hermachst und weiß sicher von seiner Schwester, daß du auch was im Kopf hast. Deshalb hat der dich so angeglotzt, weil er nicht wußte, ob er dich jetzt verachten soll, weil du das hast, was uns Latierre-Mädels für dich begeistert oder dich bedauern soll, weil du nicht vor zehn Kindern in Ruhe gelassen wirst." Julius nickte. So war es ihm vorgekommen. "Dann ist das schon mal durch und muß nicht genau bei Sandrines Hochzeit auf den Tisch. Ich gehe eh davon aus, daß wir nicht in der Verwandtschaftsecke sitzen müssen." Julius teilte diese Vermutung. "mal sehen, wer sonst noch heute abend beim Tanz ist", sagte sie dann noch und prüfte, ob ihr apfelgrünes Ballkleid nicht zu sehr mit Julius weinrotem Umhang kontrastierte.

Der Musikpark war voller Leute. Eine riesige, runde Bühne war aufgebaut worden. Julius wollte für den Eintritt zahlen. Doch Madame Lumière, die er außerhalb offizieller Anlässe Roseanne nennen durfte, hatte ihm mit einer tadelnden Handbewegung zwei silberngerahmte Karten gegeben, mit denen er und Millie das Tor zum Park durchschreiten konnten. Denn über dem Park war ein Flugsperrenzauber aufgespannt, der anfliegende Besen wie in einem Netz auffing und solange festhielt, bis deren Reiter freiwillig wieder davonfliegen wollten.

Außer daß es keine Abschlußbewertung der Tanzenden geben würde und es sehr viele Leute mehr als sonst waren verlief der Tanzabend wie der Mittsommerball in Millemerveilles. In drei der fünf Stadien liefen die letzten Spiele der zweiten Runde. Wie das Spiel im Hauptstadion lief konnte jeder der wollte an einer großen Leinwand beobachten.

Millie wußte, daß sie ihren gut ausgebildeten Mann nicht den ganzen Abend für sich allein haben konnte. So sah sie zu, wie er mit vielen Schulkameradinnen aus Beauxbatons, aber auch mit jungen Hexen aus Hogwarts, Greifennest und Thorntails tanzte. Aber auch bereits im Berufs- und Familienleben stehende Hexen baten um Tänze mit Julius Latierre. So kam es sogar einmal dazu, daß Professor McGonagall, die mit ihrer Gruppe von Hogwarts-Schülern im Musikpark war, um einen Tanz bat und Julius seine Scheu überwandt und der Aufforderung nachkam.

"Ich habe es schon damals bewundert, wie sie Ihren älteren Mitschülern als Vorbild einer guten Tanzausbildung dienen konnten, Mr. Latierre", sagte die Schulleiterin von Hogwarts, die ihr sonst so streng hinter dem Nacken verknotetes Haar ein wenig aufgelockert trug und einen Festumhang in den Farben ihres Clans trug.

"Meine Mutter ist auch sehr zufrieden, daß sie und mein Vater mir etwas haben beibringen lassen, mit dem ich auch in der Zaubererwelt gut ankommen kann", antwortete Julius. Er wollte schon fragen, ob sie vielleicht schon näheres über ein trimagisches Turnier im nächsten Jahr wisse. Doch er verkniff es sich und konzentrierte sich darauf, nicht zu steif und verbissen zu tanzen, nur weil er gerade mit einer hochrangigen Hexe auf der Tanzfläche war.

Camille Dusoleil bat Julius ebenfalls um einen Tanz, ebenso Madame Faucon, die mit ihrer Gruppe von Beauxbatons-Schülern dabei war und zwischendurch nachsah, ob ihre Schützlinge sich auch anständig benahmen.

Die Barleys waren ebenfalls im Musikpark, so daß Julius sowohl mit Ceridwen, Megan und Galatea tanzen konnte. Zwischendurch mußte er doch an einen der getränke- und Verpflegungsstände, zumal er immer eine ihm bekannte Heilerin in der Nähe sah, sei es Aurora Dawn, Hera Matine oder Madame Rossignol. Ziemlich zum Schluß tanzte er noch mit Mrs. Proserpina Drake, die ihre beiden jüngsten Töchter in einer Kinderbetreuungsstätte zurückgelassen hatte.

"Du könntest locker Karriere im Ministerium machen, Julius. Da ist es auch wichtig, wie sich jemand auf Partys bewegen kann", lobte sie ihn. Julius erwiderte darauf nur, daß er seine Berufswahl eher davon abhängig machen würde, was ihm außer Tanzen noch alles liege. Sie antwortete darauf:

"Dafür hast du ja genug Leute um dich herum, die dir dabei helfen, das herauszufinden." Julius nickte nur. Zwar hielt er sich wacker auf den Beinen. Doch innerlich war ihm nicht so wohl dabei, mit einer Hexe zu tanzen, die womöglich zu den Nachtfraktionsschwestern gehörte. Doch dann hatte die wohl noch nicht wirklich was übles angerichtet, weil sie sonst nicht hier sein könnte. Er dachte auch daran, daß sie von ihm wußte, wie er nach Hogwarts gelangt war, um seine Freunde zu retten. Sein Trost war, daß sie es nicht von sich aus weitererzählen würde.

"Ui, jetzt spüre ich das langsam in den Füßen", sagte Julius, als Millie und er nach dem Tanzabend mit ihren Hausgästen ins Apfelhaus zurückkehrten.

"Du hast ja auch keinen Tanz ausgelassen", grinste Millie. Gloria und Pina hatten ja ebenfalls mit Julius tanzen dürfen, ebenso wie ihre Mütter Dione und Hortensia.

"Am besten schlafen wir heute mal richtig früh ein", sagte Millie. "Wenn ich das richtig ausgerechnet habe könnten wir den Vogel am dreißigsten bis zum ersten August wohl erfolgreich rufen." Julius stimmte dem zu. Zwar fühlte er sich noch wach genug. Doch er wußte, daß sie auch ruhig mal ein oder zwei Nächte pausieren konnten.

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Es waren tatsächlich nicht mehr so viele Südafrikaner im Stadion, als Julius am nächsten Abend mit seiner Frau in der Ehrenloge saß. Südafrikas Zaubereiminister war ein grauhaariger weißer Zauberer, der sich über die Jahre schon ein gutes Speckpolster zugelegt hatte. Mr. de Groot war unverheiratet geblieben. Rita Kimmkorn hatte es im Tagespropheten vom 28. Juli ausgewalzt, daß der südafrikanische Zaubereiminister ein leidenschaftlicher Großwildjäger war, wobei er die Gazellen, Löwen und sogar Nashörner mit Pfeil und Bogen erlegte. Nur vor Elefanten hatte er einen gewissen Respekt, hatte Kimmkorn behauptet. Sollte ihn das Julius Sympathisch machen, der als innere Tiergestalt einen afrikanischen Elefanten besaß?

"Nun, meine Landsleute würden Sie am liebsten mit einem bösen Zauber aus dem Buschland meiner Heimat belegen, werte Madame", sagte de Groot zu Hippolyte, die heute wieder als Stadionsprecherin auftreten wollte. Diese erwiderte darauf, daß sie sich von ihren Experten für animistische Zauberei mit Schutzartefakten gegen Geisterbeschwörungszauber abgesichert hatte. Andererseits hätten die Herren van Pieters und Masutu ja doch den großen Sturm der Entrüstung besänftigt. Julius sah auf die sechsfarbige Ampel, die den Vuvuzelabläsern anzeigte, wann sie mit ihren Anfeuerungsaktionen dran waren. Er hörte neben dem wie ein Hornissenschwarm klingenden Blasinstrumenten der Südafrikaner auch Trommeln und den Chorgesang aus dem Stamm der Zulu. Daneben fiedelten, trillerten und dudelten auch irische Musiker.

Die Leprechans hatten wieder einen großen Auftritt und warfen Unmengen ihres kurzlebigen Goldes über den Tribünen ab. "Gold nach Südafrika bringen ist so wie einem Drachen ein Feuer anzuzünden", lachte de Groot, weil seine Landsleute sich nicht um den Goldregen scherten, während die nicht-irischen Besucher nach den niedergehenden Goldstücken sprangen, hechteten und tauchten. Julius fragte sich echt, ob die alle da unten noch nicht wußten, daß es kein echtes Gold war. Er sah die Malones, die mitten im großen Block der grüngekleideten Irland-Fans saßen und erkannte auch die Gruppen aus Hogwarts, Thorntails und Beauxbatons mit ihren Schulleiterinnen.

Südafrikas Maskottchen waren Bergwichte vom Tafelberg, die äußerlich wie kleine Affen mit langen Armen, Beinen und Schwänzen aussahen, jedoch goldene Mähnen wie Löwen um ihre Köpfe trugen. Sie vermochten es, die Schwerkraft zu überwinden und ohne Flügel zu fliegen, wie es die Leprechans konnten. Gleichzeitig konnten sie die Stimmen afrikanischer Tiere so perfekt nachmachen, daß Julius sich fragte, wie das Trompeten eines Elefanten aus so einem kleinen Körper heraus erzeugt wurde. Dann rief Madame Latierre erst die irische und dann die südafrikanische Mannschaft auf das Feld. Als beide Mannschaften im wilden Tempo dreimal über das Feld hinweggeflogen waren erinnerte sie die Zuschauer noch einmal daran, daß die sechsfarbige Lampe anzeigte, wann welche der Vuvuzelas geblasen werden durften. Wer sich nicht daran halte dürfe das Stadion vorzeitig verlassen. Zur Antwort tröteten noch einmal alle Südafrikaner, die solch ein Blasinstrument mitführten trotzig drauf los. Doch als das Spiel begann, und die Ampel erst weißes Licht zeigte, besannen sich die bläser andersfarbiger Vuvuzelas recht schnell, daß sie besser nicht zu früh aus dem Stadion wollten. Zehn Minuten lang leuchtete das weiße Licht. Zulu-Sänger stimmten einen anspornenden Chorgesang mit Vorsänger und Antwortchor an. Die Iren übernahmen den Takt mit ihren Trommeln. In den Pausen der Südafrikaner spielten sie dann ihre Musik auf.

Irland legte einen grandiosen Schaulauf hin. Bereits in den ersten fünf Minuten erzielten die in Grün spielenden Profis vier Tore. Südafrikas Mannschaft, die in Blau und Gold spielte, schaffte gerade ein Tor in dieser Zeit. Als die Vuvuzela-Ampel auf Blau umsprang und die Besitzer der blauen Tröten nun sehr energisch lärmten, schafften die Südafrikaner die Tore zwei und drei. Doch Irland zeigte, daß es darauf brannte, den Weltmeistertitel zu verteidigen. So holten sich die Iren in den nächsten zehn Minuten weitere wichtige Tore. Der Lärm der Vuvuzelas war durch die Farbbeschränkung erträglich. Julius konnte auch andere Anfeuerungsrufe und Musik hören. Er bewunderte das schnelle Paßspiel der irischen Jäger, aber auch die Verteidigungsaktionen des südafrikanischen Hüters. Die Treiber beider Mannschaften hieben sich die Klatscher um die Ohren oder versuchten, Vorstöße des Gegners zu vereiteln oder Verteidigungen des Torraums zu erschüttern. Doch Irland holte sich in jeder Minute ein weiteres Tor. Südafrika konnte dagegen nur alle fünf Minuten ein Tor erzielen. Doch die Spieler vom Kap der guten Hoffnung blieben eisern an den drei sichtbaren Bällen. Den Schnatz hatte bisher keiner zu sehen bekommen.

Als die Farbenlampe Grün zeigte schafften es die Südafrikaner, vier Tore in schneller Folge zu erzielen. De Groot meinte dazu, daß auch in Südafrika Grün die Farbe der Hoffnung sei. Doch dann wurde er brutal widerlegt. Denn Lynch brach unvermittelt auf seinem Feuerblitz aus der kreisbahn aus, die er über dem Feld geflogen hatte und jagte an die rechte Außenbegrenzung, wo er senkrecht nach unten stieß. Der Sucher der Südafrikaner kam nicht mehr dazu, Lynch abzufangen. Denn beide Klatscher nahmen ihn aufs Korn. Aidan Lynch schlug einen Looping und riß die linke Faust hoch. Alle konnten den glänzenden Gegenstand darin sehen. Das Spiel war vorbei. Irland war seiner Favoritenrolle mehr als gerecht geworden. Die Ampel erlosch. Die Südafrikaner bliesen wütend in ihre Tröten und schimpften auf die Nachlässigkeit ihres Suchers. Lynch flog den ungarischen Schiedsrichter an, der schon längst abgepfiffen hatte. Madame Latierre verkündete den Sieg Irlands. Die Spieler von der grünen insel hatten das Viertelfinale erreicht. Sofort gingen Sicherheitszauberer in Stellung. Die Fans Südafrikas brüllten vor Wut und stürmten in Richtung Spielfeld. Doch da entstanden bereits silberne Schildzauber, die die wütende Menge davon abhielt, ihren eigenen Spielern und womöglich auch den Iren an den Kragen zu gehen. Die Fans der Iren feuerten grüne Funkenfontänen in den Himmel, während die Leprechans ein ums andere Mal verächtliche Gesten gegenüber den Bergwichten machten, die wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm über das Spielfeld wirbelten und auf eine Keilerei mit den Leprechans ausgingen. Diese warfen den fliegenden Affen ihre falschen Goldstücke entgegen und lieferten sich mit ihnen ein Gewusel, bei dem Julius schon fürchtete, daß der eine Leprechan oder der andere Bergwicht dabei zerrupft werden konnte. Doch die mitgereisten Mitarbeiter aus den jeweiligen Zaubereiministerien ließen nicht zu, daß die Maskottchen ihrer Mannschaften sich gegenseitig umbrachten. Silberne und violette Lichtstrahlen fuhren in die beiden sich bekriegenden Schwärme hinein und trieben sie auseinander. Julius konnte auch seine Schwiegertante Barbara erkennen, die mit einem breit fächernden Zauberlicht in die wütenden Wogen aus grün-roten und dunkelbraunen-goldenen Leibern hineinwischte.

"Ich denke, wir verlassen das Stadion besser durch den Hinterausgang", meinte Julius zu Hippolyte. Viele der zauberer aus Südafrika deuteten mit ihren Stäben auf die Ehrenloge.

"Wenn auch nur einer versucht, jemanden anderen anzugreifen wird er sofort ins Zauberergefängnis Tourresulatant verbracht!" Rief Hippolyte mit magisch verstärkter Stimme. Die Iren freuten sich unüberhörbar. Doch einige hielten ihre Zauberstäbe kampfbereit, weil es doch den ein oder anderen Südafrikaner gab, der wütend wurde. Deshalb errichteten Sicherheitszauberer hohe Lichtwände zwischen den beiden Fan-Gruppen. De Groot erbat sich die Erlaubnis, zu seinen Landsleuten zu sprechen und bezauberte seine Stimme mit dem Sonorus-Zauber. Er sprach ruhig aber unumstößlich davon, daß sie gute Verlierer sein sollten und sich in Würde aus dem Turnier verabschieden wollten. Außerdem würde kein Wutausbruch mehr etwas an dem Ergebnis ändern. Das wiederholte er so oft, bis er über das wilde Brummen und Tröten der Vuvuzelas und das Wutgeheul der enttäuschten Fans hinweg gehört wurde und die angespannte Lage sich entspannte.

"Sie gehen zu den Iren und sorgen für die Einhaltung der Alkoholbeschränkungsregeln für Minderjährige!" schickte Hippolyte Julius mit einem Auftrag los. Um die enttäuschten Südafrikaner sollten sich Sicherheitsleute vom Zaubereiministerium kümmern. Das kam Julius sehr entgegen.

Gegen Mitternacht kehrte Julius in sein Haus zurück. Brittany und Linus hörten sich an, wie das Spiel gelaufen war. Gloria und Pina freuten sich für Kevin, daß seine Mannschaft noch im Turnier war.

"Dann werden wir morgen wohl die frustrierten Südafrikaner nach Hause schicken dürfen", meinte Millie zu Julius. Er nickte ihr zustimmend zu.

__________

Die Tage bis zu Sandrines und Gérards Hochzeit verliefen mit der üblichen Routine. Die Südafrikaner hatten nach der ersten Wut bedröppelt aber friedlich die Heimreise angetreten. Julius hatte den hünenhaften Amar noch einmal gesehen. Doch der hatte keinen Blick für seine Umgebung. Seine Schwester war mit ihrer Mannschaft ausgeschieden. Diese Entehrung fraß schwer an seiner Seele.

Die Nächte gehörten dem Ruf nach dem Regenbogenvogel. Denn Millie und Julius wußten, daß sie nur noch wenige Tage hatten, in denen sie das den Mondtöchtern gegebene Versprechen einlösen konnten. Denn Millie würde erst wieder ihre fruchtbaren Tage erreichen, wenn sie wieder in Beauxbatons waren. Und dort durften sie sich nicht lieben, auch wenn sie volljährig und ordentlich verheiratet waren. Zumindest waren beide in bester Stimmung, als sie am ersten August zusammen mit Julius' Mutter Martha zu einem blütenweißen Festzelt mit goldenen Glocken und Phönixmotiven hinflogen. Da die Hochzeit nur im engsten Verwandten- und Freundeskreis stattfinden sollte mußten die geladenen Gäste ihre Einladungen vorzeigen, als sie von zwei in goldener Uniform steckenden Zauberern am Zelteingang begrüßt wurden. Julius trug zu diesem Anlaß seinen himmelblauen Festumhang. Millie hatte sich ebenfalls ein hellblaues Kleid angezogen.

Die Brauteltern trugen einheitlich gold-grüne Kleidung. Geneviève Dumas strahlte Julius' Mutter an, die natürlich wußte, warum. Gérards Eltern waren in blauen Festumhängen erschienen. Julius erkannte Professeur Laplaces Umhang von verschiedenen Schuljahresabschlußbällen her. Der Bräutigamvater trug zu seinem mitternachtsblauen Umhang einen schwarzen Spitzhut mit silbernem Stern. Gérard trug einen Festumhang mit Stehkragen und eine dunkle Krawatte. Der Umhang war nachtschwarz und mit silbernen Mond- und Sternchenmustern bestickt. Auf Gérards Kopf ritt ein altmodisch wirkender schwarzer Zylinder. Sandrine saß in Mitten ihrer zahlreichen Verwandten. Ihr blütenweißes Brautkleid überstrahlte selbst die goldenen Kleider ihrer vier Brautjungfern, von denen eine Laurentine Hellersdorf war. Sandrines kleine Schwester Véronique strahlte mit der Sonne um die Wette. Sie würde in diesem Jahr nach Beauxbatons kommen. Gérards Cousine Philoméne wußte offenbar nicht, ob das wirklich so richtig war, wie es laufen sollte.

Millie und Julius wurden von der Brautmutter zu den Ehepaaren aus der Nachbarschaft geschickt, zu denen auch Jeanne und Bruno Dusoleil gehörten. Sandrines kompletter Jahrgang aus dem gelben Saal war ebenso anwesend wie Constance und Céline Dornier mit ihren Eltern und die Deloires, die offenbar heute sehen wollten, was ihnen im nächsten Jahr bevorstehen mochte.

"Irland darf im nächsten Spiel gegen Luxemburg ran?" Fragte Bruno nach der Begrüßung. Julius bestätigte das. Peru würde auf Bulgarien treffen, Australien auf Bolivien und England bekam es mit Senegal zu tun. Das erwähnte er auch.

"Wir dürfen Brasilien raushauen", sagte Bruno. "Die meinen ja alle noch, die könnten mit ihrem Samba-Quidditch Weltmeister werden."

"Das hättet ihr im Endspiel kriegen müssen, dann wäre es genauso gelaufen wie vor einem Jahr beim Fußball", meinte Julius und erwähnte noch einmal, daß Frankreich in dieser Sportart den Weltmeistertitel geholt hatte.

"Dann sind die Leute aus dem Amazonas-Urwald ja gewarnt", feixte Bruno.

Martha eauvive war von Madame Dumas bei den aus anderen Ortschaften eingetrudelten Hexen aus dem Freundeskreis der Familien hingesetzt worden. Sie schien darüber nicht so unglücklich zu sein, daß sie nicht in der Nähe von Geneviève Dumas sitzen mußte. Julius beobachtete die Laplace-Familie. Gérards Onkel Auguste war immer noch sehr mürrisch und in sich gekehrt drauf. Julius war froh, nicht zu nahe bei ihm zu sitzen.

Als mit insgesamt sechzig Personen alle geladenen Gäste da waren traf auch Zeremonienmagier Laroche ein, der mal wieder im weißen Festunhang auftrat. Er überblickte die Gäste. Julius fühlte wieder, wie er flüchtig die an der Oberfläche treibenden Gedanken der Gäste und der beiden Familien abtastete. Bei Sandrine und Gérard nahm er sich etwas mehr Zeit, um sich zu vergewissern, ob sie wirklich aus freien Stücken heirateten. Julius konnte sich denken, daß Laroche stutzig werden mochte, wenn er herausfand, daß Sandrine ihren Bräutigam durch eine Wette und eine Hinhaltetaktik dazu bekniet hatte, sie zu heiraten. Gérard war jedoch nicht ganz unschuldig daran. Wenn Laroche das erfaßte, daß er Sandrine zu dieser Wette getrieben hatte, mochte er sich schon fragen, ob er die Zeremonie wirklich durchführen sollte. Julius fühlte, daß das noch einmal spannend werden konnte. Doch als Laroche in die Mitte des Zeltes trat und den dort aufgereihten Musikern ein Zeichen machte, daß sie einen Tusch spielen sollten, fiel die Spannung von Julius ab. Laroche hätte dann gleich darauf drängen können, die Hochzeit nicht stattfinden zu lassen. Im Grunde wollten beide Partner sich das Jawort geben. Nur daß es für Gérard so früh war war ihm offenbar nicht so geheuer.

"Heute sind wir alle in diesem festlichen Zelt zusammengekommen, um zwei jungen Menschen die wichtigste Frage ihres Lebens zu stellen", begann Laroche. "Heute, an diesem Tag, der in der Geschichte der Zaubererwelt Europas ein dunkles Kapitel einläutete, wollen Sandrine Dumas und Gérard Laplace einander bekunden, daß sie ihr ganzes gerade beginnendes Leben zusammen verbringen und füreinander einstehen möchten. Im Zeichen der Liebe und Verbundenheit wollen sie vor uns allen hier bekunden, daß trotz aller Düsternis in der Welt immer wieder das Licht der Freude und der Liebe über alles andere erstrahlt, wie die Sonne jeden Tag das Dunkel der Nacht besiegt." Er pausierte einige Sekunden, bevor er weiter davon sprach, daß Sandrine und Gérard sich schon in frühen Schuljahren sympathisch gefunden hatten. Jetzt sei der Augenblick da, wo sie beide eindeutig und für alle Anwesenden vernehmlich erklären sollten, ob aus der Freundschaft eine eheliche Partnerschaft werden sollte. Als Laroche diese Worte gesprochen hatte ließ er die Musiker noch einmal aufspielen und ein Lied anstimmen, daß wohl alle hier schon mal gehört hatten. Der Text dazu flog aus Laroches Zauberstab und schwebte nachlesbar über den Tischen. Julius hatte dieses Hochzeitslied auch schon bei Virginies Hochzeit gehört und sang es mit Millie zusammen mit. Dann sollte die Bräutigammutter den nervös dreinschauenden Bräutigam in den goldenen Kreis führen, dessen Zentrum der Zeremonienmagier bildete. Sie wurde gefragt, ob dieser junge Zauberer der von ihr geborene Sohn sei. Sie bestätigte es. Dann führte Monsieur Dumas seine strahlende Tochter in den goldenen Kreis. Die vier Brautjungfern trugen die an die vier Meter lange Schleppe. Julius erhaschte einen kurzen Blick auf Laurentine, die in einer Mischung aus Freude und Stolz mitmarschierte. Laurentine war nicht das erste Mal Brautjungfer. Daher war sie im Vergleich zu den drei anderen auch schon besser eingespielt, zumal Sandrines Großmutter Fantine die Proben von Braut und Brautjungfern beaufsichtigt hatte. Julius konnte wieder einmal mehr erkennen, daß sich blutsverwandte Hexen sehr ähneln konnten. Sandrines Großmutter mütterlicherseits sah ihrer Enkelin so ähnlich, daß Julius kein Problem damit hatte, sich Sandrine in vierzig oder fünfzig Jahren vorzustellen.

Die Brautjungfern sangen dem Paar noch ein Ständchen und tanzten dabei um die beiden herum. Dann bat Monsieur Laroche um Aufmerksamkeit. Alle Gäste standen auf, um mitzuverfolgen, wie die beiden Brautleute nun gefragt wurden. Gérard wurde zuerst gefragt. Er brauchte zwei Sekunden, um sich die Antwort zu überlegen. Dann sagte er laut: "Ja, ich will." Sandrine hatte mit der Antwort keine Probleme. Als Laroches Frage noch im weiten Zelt nachhallte sagte sie bereits: "Ja, ich will." Goldene Funken stoben aus dem Kreis und bildeten einen Wall aus wirbelnden Lichtchen. Der Zeremonienmagier fragte dann noch, welchen gemeinsamen Namen sie führen wollten. Da Gérard sich damit abgefunden hatte, daß Sandrine die erste von zwei Töchtern war, die heiratete, nahm er ihren Nachnamen Dumas an. Monsieur Laroche sprühte aus seinem Zauberstab ebenfalls Funken über die beiden soeben angetrauten, bevor diese sich den ersten offiziellen Kuß als Ehepaar geben durften. Alle klatschten Beifall. Julius fühlte von Millie her, daß sie einen Moment lang daran gedacht hatte, daß sie dort vorne neben Gérard hätte stehen können. Doch offenbar empfand sie jetzt eine große Beruhigung und Genugtuung, daß sie sich anders entschieden hatte.

Das der Trauung folgende Fest war eine Mischung aus Festschmaus und Tanzabend. Sandrine ließ es sich nicht nehmen, Julius und Millie Stücke der großen Hochzeitstorte vorzulegen. Julius hörte deutlich, wie Sandrine zu Millie flüsterte:

"Danke, daß du ihnn mir gegönnt hast, Mildrid. Alles gute für dich und Julius."

"Das wünsche ich euch beiden auch, Sandrine. Paß gut auf Gérard auf!" Julius bekräftigte diesen Wunsch und sagte noch:

"Ich freue mich für Gérard, daß er bei dir gelandet ist."

"Dann seid ihr nicht mehr das einzige UTZ-Ehepaar", grinste Sandrine. Dann ging sie weiter.

Monsieur Dumas hielt noch eine kurze Ansprache, in der er betonte, daß für ihn als Vater heute nicht nur Freude, sondern ein wenig Trauer bestand. Er habe seine kleine Tochter an einen anderen Mann verloren, der nun zum wichtigsten Mann ihres Lebens werden mochte. Er erwähnte jedoch auch, daß er sich bereits freue, irgendwann in den nächsten Jahren wie er aussehende Enkelsöhne zu sehen zu bekommen oder auch Enkeltöchter, die so aussehen mochten wie Sandrine, wo sie noch so klein war. Madame Dumas mußte bei der Rede einige Tränen in einem Taschentuch versenken. Julius sah sich für einen Sekundenbruchteil wieder auf jener Blumenwiese, auf die Claires losgelöster Geist ihn geführt hatte. Dort war auch Sandrine gewesen. Tja, das war also nun auch aus der Welt, dachte er. Gérard hatte vielleicht mit gewissem Unmut zugestimmt, an Sandrines Seite zu bleiben. Vielleicht waren Millie und Julius wirklich das Vorbild für die beiden, daß wer früh freite nicht bereute. Doch konnte er das mit absoluter Sicherheit sagen? Die Ehe seiner Eltern hatte auch nur dreizehn Jahre gehalten. Er hoffte, daß er seine Eltern in der Hinsicht weit weit überholen konnte.

Julius' Mutter hatte sich offenbar zu früh gefreut. Denn im Verlauf des Abends hatte Sandrines Mutter die Gelegenheit gefunden, sie zu einem Vier-Augen-Gespräch an einen der kleineren Tische zu bitten. Wie es verlief konnte Julius nicht sagen. Er stellte nur fest, daß seine Mutter angespannt war und immer wieder hilflos lächelte, als müsse sie jemandem eine höchst bittere Wahrheit versüßen. Doch Geneviève Dumas ließ nicht locker. Währenddessen bemerkte Julius, wie Gérards Onkel Auguste immer zu ihm und Millie herüberblickte. Millie erwiderte diese verdrossenen Blicke jedoch mit breitem Grinsen und aufrechter Haltung. Einmal überkam es sie und sie legte ihre Arme so eng um Julius, daß er ihr Herz durch seinen Brustkorb schlagen fühlen konnte. Er ging auf diese Geste ein und umschlang sie ebenfalls leidenschaftlich. Jeanne räusperte sich zwar, mußte aber verhalten grinsen, während Bruno ein wahrhaftes Lausbubengesicht machte. Die Reaktion darauf erfolgte, als Sandrines Großmutter väterlicherseits Véronique herüberkam und die beiden fragte, was das bitte sollte.

"Ich bekunde wie Ihre Enkeltochter, daß ich mich dem mir angetrauten sehr verbunden fühle", erwiderte Millie über Julius Schulter hinwegsprechend. Dann löste sie einen Arm und deutete sacht auf den Tisch, wo Auguste Ravelle mit seiner Familie saß und kurz davorstand, daß ihm die Augen aus dem Kopf fielen.

"Aha, diesem nicht so recht vergnügten Herren gilt diese Bekundung", sagte Sandrines Großmutter. "Wollt ihr das Fest meiner Enkeltochter wirklich derartig verderben?" Millie und Julius verneinten das kategorisch. Sie lösten sich voneinander und setzten sich sittsam nebeneinander.

"Die kennt die Geschichte, die ich dir erzählt habe", flüsterte Millie ihrem Mann zu. Dieser nickte ihr nur zu.

Beim fröhlichen Tanz durfte Julius wieder keine Pause einlegen, wenn er nicht ganz dringend zur Toilette mußte oder bewußt am Buffet stand und was aß. Er durfte auch einmal mit der strahlenden Braut tanzen und mit den Händen ergründen, daß ihr Kleid aus feinstem glatten Stoff bestand.

"Was war denn das eben? Woltet ihr Gérards miesepetrigen Onkel wütend machen oder mir und Gérard vorführen, wie sich ein innig liebendes Ehepaar umarmen muß?" Fragte Sandrine Julius.

"Ich war vor einigen Tagen bei deinen Schwiegereltern. Da habe ich mir von deinem Schwiegeronkel Auguste anhören müssen, daß ich bei Millie an eine geraten sei, deren Familie nur auf Fortpflanzung ausgehe. Offenbar hatte der selbst mal versucht, bei einer Hexe aus der Latierre-Familie zu landen und ist voll auf die Nase gefallen. Deshalb kam Millie wohl darauf, ihn ein wenig zu piesacken."

"Achso, und ich dachte schon, ihr wolltet Gérard und mir vorführen, was wir demnächst noch so anstellen dürfen", grinste Sandrine. "Aber das finden wir dann doch ganz für uns alleine heraus", fügte sie tiefgründig lächelnd hinzu. Julius war sich sicher, daß Sandrine auf den Vollzug der Ehe in den nächsten fünf Stunden bestehen würde, ob Gérard vom süßen Wein voll und müde war oder nicht.

Während Millie einen schnellen Tanz mit Bruno tanzte, den Julius seiner Mutter gönnte, tanzte er bei einem langsamen Tanz mit Jeanne und führte damit ohne es eigentlich zu wollen vor, wie ein gut ausgebildeter Tänzer eine schwangere Partnerin führen konnte, ohne daß die Bewegungen zu ausladend wurden oder der Herr zu viel Angst haben mußte, die Partnerin fallen zu lassen.

"Wenn ich es nicht wüßte, daß du darin schon längst Übung hast würde ich jetzt fragen, ob du heute für das nächste Jahr üben möchtest", mentiloquierte Jeanne ihrem Tanzpartner.

"Etwas zu können reicht nicht. Es muß auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit geübt werden", schickte Julius ihr zurück. Jeanne zog ihn so stark an sich, daß er wieder einmal meinte, ungeborene Kinder zu zerquetschen. Doch er genoß den Tanz. Jeanne hatte recht, daß war eine Übung für das nächste Jahr. Und vielleicht hatte er bereits mit seiner schwangeren Frau getanzt, ohne daß beide davon wußten. Jedenfalls hoffte er, daß Millie und er das Versprechen einlösten, nicht nur, um unangenehme Auswirkungen abzuwenden wenn nicht, sondern auch und vor allem, weil er es jetzt wirklich wollte, daß Millie ihm im nächsten Jahr sein erstes Kind gebar. Vorher würden Jeanne und einige andere ihre zweiten und dritten Kinder bekommen. Aber falls es so geklappt hatte, wie Millie und er sich das vorgestellt hatten, würden sie am nächsten ersten August zu dritt sein. Er dachte daran, daß vor genau zwei Jahren jene Party gefeiert wurde, an deren Ende die Todesser Mord und Zerstörung unter die Gäste gebracht hatten. Er hatte sie alle da rausgeholt, zusammen mit Millies Hilfe und Camilles Talisman und dem von Adrian Moonriver. Wenn Millie jetzt wirklich in die heißersehnten anderen Umstände kam, dann war das der letzte noch ausstehende Triumph über Voldemort, Umbridge und Didier, die alle versucht hatten, ihn zu töten oder zumindest ein Leben lang fortzusperren.

"Deine Frau darf sich glücklich schätzen, daß du sie auch mit Zwillingen im Bauch noch zum Tanzen führen kannst", sagte Jeanne nach dem Schlußakord des langsamen Walzers und bedankte sich bei Julius.

"Die will einfach nicht aufhören", grummelte Martha Eauvive, als sie auch einmal mit ihrem Sohn tanzen durfte. "Die hat mir jetzt einen Vortrag darüber gehalten, daß es unverantwortlich sei, das Wissen um die Unterschiede und die Gemeinsamkeit der beiden Welten für sich behalten zu wollen, wo es gerade nach der Ära der Todesser wichtig sei, daß Zauberer kinder den richtigen Umgang mit den Muggeln erlernten und sie nicht als niedere Tiere oder absonderliche Wesen ansähen. Ich weiß nicht, was ich hier wirklich geleistet habe. Meiner Meinung nach ist das den psychischen Aufwand nicht wert, den Geneviève sich leistet."

"Sieh es so, Mum: Du hast aus der Notlage, hier für länger bleiben zu müssen, eine Tugend gemacht und bei der Gelegenheit einen gut vorgebildeten Jahrgang nach Beauxbatons geschickt und den zweiten für dieses Jahr gleich hinterher. Deshalb möchte die werte Geneviève natürlich haben, daß das keine Ausnahmen sind."

"Ich habe ihr alle von mir angefertigten Unterlagen überlassen. Die können nach diesen Unterlagen weiterunterrichten", sagte Martha Eauvive. "Vor allem jetzt, wo Madeleine und Antoinette meinen, mich auch noch durch die UTZs zu kriegen weiß ich wirklich nicht, wie ich da noch Zeit haben soll, einen Haufen Kinder mit Grund- und Bruchrechenarten vertraut zu machen, für die Mathematik im späteren Leben dritt- oder viertrangig ist."

"Offenbar sieht Geneviève Dumas das anders als du und wertet das höher", vermutete Julius.

"In der Tat, das tut sie", erwiderte seine Mutter. "Zumindest hat sie dieses Argument von mir damit abgetan, daß für einen Umgang mit Bewohnern der nichtmagischen Welt genug Grundkenntnisse von deren Lebenswelt nötig sei und daß dazu ja die Rechenkunst gehöre, die über einfaches Addiren und Multiplizieren hinausginge."

"Ich habe das mit der Mathematik auch erst nach der Einschulung in Hogwarts richtig schätzen gelernt. Kann sein, daß es einige gibt, die dann im späteren Leben diese Sachen lernen möchten."

"Na ja, ich habe ihr gesagt, daß jetzt im Moment viel zu tun ist, weil es in der Welt offenbar eine neue Gefahr gibt oder eine alte und ich daher viel mit dem Internet arbeiten müsse, um zu koordinieren, wie sie bekämpft werden kann. Du hast ja die Mail aus Amerika auch bekommen." Julius nickte. "Ja, eben, und weil das damals mit diesem blauen Unhold so gut funktioniert hat wird mich die werte Nathalie Grandchapeau nicht mehr freigeben, zumal ihre Tochter demnächst wieder in Mutterschaftsurlaub geht. Außerdem gefällt mir die Arbeit, die ich mache. Denn da kann ich wirklich einbringen, was ich gelernt habe, ohne mit angezogener Handbremse voranzukommen. Aber das möchte Sandrines Mutter nicht hören. Sie sieht nur die Kinder in Millemerveilles, die hier schon lernen sollen, wie es bei den Muggeln zugeht, bevor sie je einen zu sehen bekommen haben."

"Sie geht eben auch in ihrem Beruf auf, Mum", sagte Julius dazu. Dem konnte seine Mutter nicht widersprechen.

Kurz nach Mitternacht verabschiedeten sich Sandrine und Gérard von ihren Gästen. Sandrines Eltern hatten dem jungen Brautpaar eine Hochzeitsreise spendiert, die sie nach Martinique in der Karibik führen würde. Von dort aus würden sie erst zurück nach Beauxbatons reisen und dann, wenn sie das Schuljahr beendet hatten, das von Gérard per Testament zugesprochene Haus beziehen.

Gegen eins zogen sich die Eltern des Bräutigams mit ihren Verwandten auch zurück. Jeanne und Bruno flogen auf dem Regenbogenprinzen zu ihrem Haus. Millie und Julius apparierten im Apfelhaus. Brittany und Linus schliefen heute Nacht bei den Redliefs, Gloria und Pina bei den Watermelons.

"Verdammt leer und still", meinte Millie, als sie durch das leere Apfelhaus gingen. Julius stimmte ihr zu. "Glaubst du, daß Aurore oder Taurus schon bei dir wohnt?" Fragte er dann noch.

"Außer meiner Uroma Barbara, die meinte, jedes ihrer Kinder schon bei der Zeugung verspürt zu haben kenne ich keine in unserer Familie, die das in der aller ersten Woche einer Schwangerschaft schon gefühlt hat", erwiderte Millie. "Aber ich hoffe doch, daß wir einen von den beiden oder beide zusammen geweckt haben und ich das in den nächsten zwei oder drei Wochen weiß, daß jemand bei mir eingezogen ist."

"Das hoffe ich auch", erwiderte Julius darauf so ehrlich, daß Millie ihn dafür anstrahlte.

ENDE

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