Copyright © 2004 by thorsten Oberbossel
Das Hexenmädchen Aurora Dawn hat nun zwei Schuljahre in Hogwarts, der Schule für Zauberei und Hexerei hinter sich gebracht und viel erlebt.
Sie ist vom sprechenden Hut nach Ravenclaw geschickt worden, wo sie sich mit ihren Schlafsaalmitbewohnerinnen Petula Woodlane und Miriam Swann anfreundet. Die zum Teil oder vollständig von nichtmagischen Eltern abstammenden Jungen Bruster und Roy halten das Haus mit ihren häufigen Zankereien über den sogenannten Muggelsport Fußball in Atem. Die nach Slytherin gekommenen Mitschüler machen keinen Hehl daraus, daß sie was gegen Schüler haben, die nicht wie der größte Teil von ihnen aus reinen Zaubererfamilien stammen. Ihre Mitschülerin Dina Murphy hat im ersten Jahr Probleme mit ihrem Zauberstab und muß sich einen anderen besorgen, mit dem es im zweiten Jahr etwas besser läuft.
Die Untaten des bösen Zauberers Voldemort sorgen für Angst und Trauer in Hogwarts. Aurora Dawn muß in den Weihnachtsferien des zweiten Jahres mit ansehen, wie ihr Onkel Dustin ermordet wird, kann nur knapp entkommen und hat wie die meisten anderen Angst vor Voldemorts Leuten. Weil sie die gemalte Ausgabe der alten Hexenlady Medea nicht respektiert, wird sie von dieser regelrecht terrorisiert, bis sie sich bei ihr entschuldigt. Sie spielt in der Quidditchmannschaft ihres Hauses mit und empfiehlt sich für spätere Pokalerfolge. Doch in diesem Jahr holt Gryffindor mit dem Siebtklässler James Potter den Pokal noch einmal.
Im letzten Dritteljahr des zweiten Jahres wird es gar unheimlich, weil eine frühere Verlobte des als gruseliger Geist herumspukenden blutigen Barons Rache nehmen will und Hogwarts heimsucht. Die übermächtige Geisterfrau schafft es fast, ihren Plan zum Erfolg zu bringen. Nur mit vereinten Kräften schaffen es einige Schüler, darunter James Potter und Aurora Dawn, den übermächtigen Geist zu bändigen.
Nun freut sich Aurora auf das dritte Jahr. Sie hat drei neue Schulfächer gewählt. Wie wird sie damit zurechtkommen?
Es war ein herrlicher Tag, der sechzehnte August. Auf einer großen Wiese standen zwei bunt gedeckte Tische, und eine Schar fröhlich schwatzender Mädchen und Jungen feierte den dreizehnten Geburtstag von Petula Woodlane.
Petula war zierlich gebaut, besaß eine helle Haut und hellblondes Haar, das ihr bis auf die Schultern herabfiel. Ihre rehbraunen Augen glänzten, weil alle ihre guten Freunde gekommen waren. Ihre große Schwester Priscilla half ihrer Mutter dabei, Kuchen und Getränke aufzutischen, während sich Petula mit Aurora Dawn, einem schwarzhaarigen Mädchen mit graugrünen Augen und Miriam Swann, einem Mädchen mit rotblondem Haar unterhielt. Zwei Jungen saßen zusammen mit einem Mädchen mit graublondem, struweligem Haar auf der anderen Seite des Tisches und sprachen über ein großes Ding namens Skylab, das wohl vor einem Monat über Australien vom Himmel gefallen war.
Einer der Jungen war drahtig und besaß brünettes Haar. Der zweite wirkte dagegen stämmig und trug einen weizenblonden Haarschopf. Sie hatten beide die gleiche Himmelfahrtsnase, was vermuten ließ, daß sie miteinander irgendwie verwandt waren. Links neben Aurora Dawn saß noch ein Junge mit rotbraunem Haar, der sich emsig mit Bruster, dem weizenblonden Jungen unterhielt. Dann waren da noch vier Mädchen, die gerade elf oder zwölf Jahre alt waren.Sie saßen in einer Gruppe zusammen. Drei der Mädchen glichen sich mit ihren brünetten Pagenfrisuren und den hellblauen Augen und ihren himmelwärts weisenden Nasen wie ein Ei dem anderen. Das vierte Mädchen glich dem weizenblonden Jungen so sehr, daß sie nicht verleugnen konnten, Bruder und Schwester zu sein.
"Roy, dein Geschenk für Petula liegt noch im Wohnzimmer?" Fragte ein halbwüchsiges Mädchen aus dem großen Wohnhaus.
"Yep, Erica!" Rief Roy zurück.
"Es ist echt stark, daß ihr alle herkommen konntet", stellte Petula noch einmal fest, nachdem sie ihre Gäste alle noch einmal angeblickt hatte. "Vor allem ist es lustig, deine drei Schwestern alle schon jetzt zu sehen, Mortimer."
"Ja, die kommen dieses Jahr nach Hogwarts", grinste Mortimer Swift, der drahtige Junge mit der brünetten Haartracht.
"Wenn die alle nach Ravenclaw kommen wird die Hütte dieses Jahr voll", scherzte Bruster Wiffle, Mortimers Cousin, dessen Mutter eine Hexe und dessen Vater ein Automechaniker der Muggel war.
"Das hat meine Mum damals auch gedacht, als die unterwegs waren", scherzte Mortimer leise, daß die Drillinge das nicht mitbekamen.
"Genial wäre es, wenn die jede für sich in einem der drei anständigen Häuser unterkommen würden", bemerkte Roy noch dazu. Die Jungen lachten.
"Habt ihr's von uns?" fragte eines der drei Mädchen mit selbem Aussehen. Mortimer schüttelte den Kopf und antwortete:
"Nöh, nicht direkt, Rita. Wir freuen uns nur drauf, wenn ihr auch in Hogwarts seid."
"Klar, Mortimer", erwiderte die erste der Drillingsschwestern, die Ramona hieß. Rita, die fünf Minuten nach ihr geboren worden war, nickte nur. Roxanne, die eine halbe Stunde nach Ramona zur Welt gekommen war, grinste nur und unterhielt sich weiter mit Doris Wiffle, ihrer gemeinsamen Cousine, die bereits das erste Jahr in Hogwarts hinter sich hatte.
"Ist ja gut, daß wir Alessandros Geschwister nicht alle auf einen Schlag kriegen", meinte Aurora Dawn. Sie erinnerte Petula und Miriam daran, wie sie gestaunt hatte, als Alessandro Boulder, einer der Treiber in der Ravenclaw-Quidditchmannschaft, von seinen neun Geschwistern, vier Schwestern und fünf Brüdern, berichtet hatte.
"Ach klar. Der hat ja fast 'ne Fußballmannschaft Geschwister zu Hause", erinnerte sich auch Roy Fielding. "Soll seine älteste Schwester nicht dieses Jahr auch nach Hogwarts?"
"Sieht so aus", meinte Bruster grinsend. "Da kannst du mal sehen, wie heftig das reinhaut, wenn man weder Fernsehen noch Kinos kennt."
"Meinst du damit, daß die Muggel aussterben, weil sie vor lauter Maschinenkram keine Kinder mehr kriegen?" Fragte Miriam Swann herausfordernd. Mit Bruster und Roy hatte sie sich immer wieder in der Wolle, weil die ihr zu ungehobelt waren und keine Ahnung von den guten Sitten der Zaubererwelt hatten.
"Das nicht. Aber sie brauchen sich zumindest nicht andauernd Kinder dazuzukriegen", grinste Bruster verschmitzt.
"Miriam, lass das bitte!" Zischte Petula ihrer rotblonden Freundin zu. Diese lächelte jedoch gemein und rief noch zurück:
"Dann haben wir ja bald doch genauso viele Zauberer wie Muggel."
"Ihr müßt euch ja ranhalten. Kaninchen müssen das ja auch, weil der Fuchs sie ja sonst alle wegfrißt", entgegnete Bruster. Petula schnellte von ihrem Stuhl hoch und räusperte sich sehr drohend.
"Leute, heute habe ich Geburtstag und wollte bestimmt keine Leute hier haben, die sich andauernd und völlig unsinnig rumzanken wollen. Das gilt für euch, Bruster und Roy, wie auch für dich, Miriam. Vergiss doch bitte mal, daß du mehr von den Zauberertugenden hältst oder zieh nach Slytherin um!"
"Heh, Petula. Okay, du möchtest hier keinen Krach haben. Aber ich zieh doch nicht zu Tonya und dem Pack nach Slytherin, nur damit die beiden Ruhe haben", erwiderte Miriam sehr zornig. Mrs. Woodlane kam hinzu und stellte die Geburtstagstorte auf den Tisch. Dabei sah sie rasch auf Miriam und die Jungen am Tisch.
"Über die Familienplanung von anderen Leuten macht man keine Scherze. Wer es so haben will, kann das eben kriegen", sagte die Mutter des Geburtstagskindes ruhig aber unumstößlich. Dann zog sie sich wieder zurück. Von da an war Frieden.
"Wie war das jetzt noch mal genau mit diesem Himmelslabor?" Fragte Aurora Roy und Bruster. "Wieso ist das da oben gewesen und warum ist das jetzt wieder runtergefallen?"
"Wenn du es wirklich wissen möchtest, Aurora. Also Skylab war eine Raumstation, die die Amerikaner 1973 hochgeschossen haben. Die Raumstation sollte als Beobachtungsraum für Erd- und Sonnenforscher dienen und Sachen bei völliger Schwerelosigkeit möglich machen", berichtete Roy. "Ja, ein paar Jahre wurde dieses Ding auch ziemlich gut benutzt. Doch irgendwann wollte wohl niemand mehr dahin. Da flog es einige Zeit leer und ungenutzt in einer Erdumlaufbahn. Aber die Sonne hat die Lufthülle der Erde so stark angeheizt, daß dieses Himmelslabor langsam abgebremst wurde, bis es nicht mehr schnell genug für die Umlaufbahn war. Tja, und dann ging die Panik los. Wo fällt uns das schwere Teil genau runter? Kracht es wem auf den Kopf. Müssen vielleicht Städte geräumt werden? War schon heftig, die letzte Woche vor dem Absturz. Ja, und am elften Juli ist Skylab dann über dem Pazifik in die Erdatmosphäre eingetaucht, auseinandergebrochen und glühend runtergekommen. Einige Teile müssen wohl in Australien auf unbewohntem Gebiet aufgeschlagen sein. Zumindest ist kein Mensch dabei verletzt oder umgebracht worden."
"Moment, Roy. Das Himmelsding ist in die Erdatmosphäre reingeflogen, auseinandergebrochen und glühend abgestürzt?" Fragte Aurora. "Ich dachte, das wäre schon von der Erdatmosphäre abgebremst worden, also schon die ganze Zeit da drin gewesen."
Roy und Bruster lachten schallend. Dann sagte Bruster:
"Nicht ganz. Die Atmosphäre dehnt sich irgendwie aus, wenn sie von der Sonne angeheizt wird. Außerdem war das Ding soweit oben, daß es nur ein zehntausendstel oder noch weniger von der Lufthülle da oben gibt. Richtig heftig wird's ja erst so ab achtzig Kilometern Höhe."
"Warum schießen die Muggel sowas überhaupt in den Weltraum, wenn das so gefährlich ist?" Wollte Petula wissen.
"Das wäre noch für Jahre da oben geblieben, wenn es keine höheren Sonnenaktivitäten gegeben hätte", warf Roy sehr überlegen ein. "Die Sonne war für einige Tage stärker als sonst. Die Wärme von ihr hat die ganze Lufthülle ausgedehnt, wie 'ne Flamme Luft in einem Heißluftballon. Wenn die Amerikaner Skylab einige hundert Kilometer höher geparkt hätten, wäre das in hundert Jahren noch da oben."
"Wozu brauchen die Muggel diesen ganzen Weltraummaschinenkram überhaupt?" Wollte Miriam wissen.
"Wissenschaft und Technik. Fortschritt und Angeberei", wandte Erica Fielding, Roys große Schwester ein, die gerade neben ihrem Bruder Platz nahm. "Die Amerikaner zanken sich mit den Russen darum, wer in der Welt zu sagen hat, wo es langgeht. Weil die sich nicht bekriegen können, ohne gleich die ganze Welt zu verbrennen, machen die sowas, um zu zeigen, wieviel besser die eigenen Ansichten sind. Die Russen haben damals diese piepende Funkdose Sputnik nach oben geschossen, um zu zeigen, daß ihnen bald der Weltraum gehört, was natürlich totaler Quatsch ist. Aber die Amerikaner haben diesen Unsinn mitgemacht. Deshalb die Satelliten und deshalb die Mondlandungen und dieses Skylab. Wir sollten froh sein, daß dieser Brocken ohne Schaden anzurichten runtergekommen ist. Nicht auszudenken, wenn der in einer Stadt wie London oder Liverpool eingeschlagen wäre."
"Liverpool? Oh, das wäre doch genial gewesen. Dann hätten die vom FC das ideale Meisterschaftsgeschenk bekommen und ... Autsch!" Meinte Bruster und verzog das Gesicht, weil Dina ihm ziemlich unsanft auf den linken großen Zeh getreten hatte.
"Über sowas macht man keine Witze, Bruster", fauchte Erica. "Das solltest du doch gerade wissen."
"Okay, Erica. Kapiert", sagte Bruster und warf Dina einen bitterbösen Blick zu. Diese grinste jedoch nur.
Sie sprachen noch von anderen Ereignissen der Muggelwelt, daß nun seit über einem halben Jahr in Persien, was die Muggel nun Iran nannten, Prediger des Islams an der Macht waren und wie sich dort alles änderte. Mrs. Woodlane seufzte nur:
"Ich habe davon gehört, daß die persischen Hexen von ihren männlichen Kollegen angehalten werden, auf ihre Rangstellung zu verzichten, da auch unter den Zauberern ziemlich strenge Glaubensvorschriften vorherrschen sollen. Der persische Zaubereiminister hat jede Verbindung zu den Machthabern dort abgebrochen, damit er nicht zu sehr in deren Streitigkeiten hineingezogen wird. Dieser neue Machthaber, ein gewisser Khomeni, will alles umstoßen, was der Schah, also der persische Kaiser, in seinem Land für die Muggel getan hat. Allerdings, so habe ich das auch gehört, soll dieser Schah ja sehr brutal gegen sein Volk vorgegangen sein."
"Hmm, das stimmt leider, Mrs. Woodlane. Der wurde von Amerika und anderen Ländern im Westen so hofiert, daß keiner das wahrhaben wollte, was der so angerichtet hat", bestätigte Erica Fielding. "Vor allem die in den Staaten meinen, wenn jemand ihnen nach der Schnauze redet, ist er grundsätzlich gut, egal, was für ein Tyrann er im eigenen Land ist."
"Oh, dann haben sich die Leute da gewehrt?" Fragte Aurora. Erica nickte.
"Nur ist jetzt die Frage, was sie dafür kriegen. Das müssen wir jetzt abwarten."
"Seit wann hast du denn Ahnung von Politik?" Fragte Roy seine Schwester hämisch grinsend. "Seit Jahren liegst du mir in den Ohren, wir sollten uns darauf konzentrieren, in der Zaubererwelt klarzukommen, weil wir mit diesem sogenannten Muggelkram nicht mehr viel am Hut hätten. Macht das hier irgendwas aus, ob die im Iran jetzt einen grausamen Schah oder einen Ayatolla haben?"
"Natürlich macht das was aus, Roy", zischte Erica verärgert. "Offenbar bist du stocktaub vor lauter Rockmusik und Fußballstadien, daß du das was Mrs. Woodlane da gesagt hat nicht gehört hast. Selbst der persische Zaubereiminister macht sich bange vor den neuen Machthabern, obwohl ich mich erinnern kann, daß gottesfürchtige Magier im Islam besser angesehen sind als im Christentum."
"Das ist wohl auch noch jetzt so", wußte Petulas Mutter es. "Allerdings ist die Rolle der Hexen in arabischen und mohammedanischen Ländern sehr untergeordnet. Hexen, die Einfluß haben wollen, gelten als Dienerinnen Sheitans, also des Teufels, ähnlich wie es im Christentum behauptet wurde und in einigen Ländern noch immer behauptet wird. Es sollte uns in sofern interessieren, weil in der Welt wesentlich mehr Menschen zu Allah beten als zu Jesus oder Jehova."
"Alles klar", sagte Roy nur, um nicht den Eindruck zu machen, er sei eingeschüchtert.
Um die leichte Anspannung wieder zu lockern brachte das Geburtstagskind das Gespräch auf etwas, von dem sie dachte, es würde die Stimmung heben.
"Wie sieht es mit euch aus, Aurora, Miriam, Dina, Roy und Bruster? Habt ihr auch dieses Formular bekommen, um nach Hogsmeade zu können?"
"Jawohl, habe ich", sagte Aurora. Miriam grinste. Sie kam ja aus Hogsmeade und stieß immer erst zu ihren Mitschülern, wenn diese mit dem Hogwarts-Express ankamen. Doch es ging ja auch darum, ob die Eltern von Drittklässlern es erlaubten, nach Hogsmeade zu gehen. Es stellte sich heraus, daß alle Drittklässler am Tisch keine Probleme damit bekommen hatten. Roy war nur darauf hingewiesen worden, sich anständig zu benehmen, weil die Leute in Hogsmeade wohl nicht mit der sogenannten Muggelwelt klarkommen würden. Sie unterhielten sich darüber, wann die Ausflüge stattfanden und schwelgten in Vorfreuden, was sie dort so erleben würden. Dann erzählten Erica und Priscilla noch, daß sie Post von der ZAG-Kommission erhalten hatten. Den Schreiben nach hatte Priscilla 11 ZAGs erhalten, davon drei "Ohne Gleichen" und zwei "Erwartungen übertroffen". Erica hatte 10 ZAGs erreicht, davon ein "Ohne Gleichen" in Muggelkunde und fünf "Erwartungen übertroffen".
Nach dem Kaffeetrinken packte Petula ihre Geschenke aus. Aurora hatte ihr eine singende Meerjungfrau aus Porzellan in einer Muschelschale besorgt, als sie mit ihren Eltern in der Winkelgasse war, um die neuen Schulbücher und einen Satz größerer Hogwarts-Umhänge einzukaufen. Roy hatte Petula eine Schneekugel mit einer verkleinerten Ausgabe von Hogwarts darin geschenkt, während Erica ein Buch über die Alltagsgegenstände der Muggel besorgt hatte, da Petula ja in diesem Jahr wie Aurora auch Muggelkunde anfangen würde. Die Wiffles hatten ihr eine Flöte aus Bambus geschenkt, während Miriam ein selbstgemaltes Bild einer Strandansicht bei Sonnenschein schenkte. Dinas Geschenk war ein Erinnermich, eine kleine Glaskugel mit weißem Rauch gefüllt, die rot aufleuchten würde, wenn Petula sich an etwas erinnern sollte.
"Danke für das Besenpflegeset!" sagte Petula zu den Swifts, die nickten.
Es wurde noch eine lange vergnügliche Feier mit Musik und Tanz. Zwar waren wesentlich mehr Mädchen hier, sodaß keine üblichen Tanzpaare zusammenfinden konnten, aber es ging auch so, weil sie in größeren Gruppen tanzten. So um zehn Uhr holten die Dawns Aurora wieder ab, Erica und Roy wurden von ihren Eltern mit dem Auto abgeholt, wie auch die Wiffles. Die Swifts floh-Pulverten alleine nach Hause. Miriams Eltern kamen mit einem Besen und flogen mit ihr zurück nach Hogsmeade.
"Man sieht sich dann in Hogwarts!" Rief Miriam noch, bevor sie davonflog. Aurora und Petula riefen zurück, daß sie sich schon freuten.
Wieder zurück im Landhaus der Dawns erzählte Aurora, was sie so erlebt und von den Gesprächen behalten hatte.
"Ja, da hat Mrs. Woodlane recht, wenn wir uns auch für die Politik in der Muggelwelt interessieren sollten. Immerhin muß Ministerin Bagnold ja daran denken, sich mit den britischen Premierministern auseinanderzusetzen, egal, wer die sind", sagte Auroras Mutter Regina.
"Ja, aber so wichtig ist das was die Muggel für sich selber machen doch nicht für uns. Weil sonst müßten wir ja was dagegen machen, wenn sie etwas tun, was uns zu gefährlich wird", warf Aurora ein.
"Ja, du hast recht. Unsere geheimhaltung zwingt uns, viel zu übersehen, was da so alles passiert. Aber wir können das leider nicht ändern, solange viele Zauberer und Hexen sich damit besser zurechtfinden, daß die Muggelwelt nichts mehr davon weiß, daß es eine Zaubererwelt gibt", sagte Auroras Vater Hugo Dawn.
Nach einem langen Tag sichtlich müde legte sich Aurora ins Bett und schlief sofort tief und fest ein.
Es war wie die beiden Jahre zuvor, fand Aurora, als sie in der großen Halle von Hogwarts am langen Tisch der Ravenclaws saß. Diese herrliche knisternde Spannung, durchsetzt mit dem Getuschel der anderen Schüler, kribbelte wie ein Schwarm Ameisen über ihre Haut. Heute war Schuljahresbeginn, und wie immer würden die Neuen gleich durch die Tür kommen, von Professor McGonagall angeführt und ihrem unbekannten Schicksal entgegenfiebern.
Aurora dachte an die Zugfahrt hierher. Sie hatte Philipp Priestley zusammen mit anderen Erstklässlern, zu denen auch die Swift-Drillinge gehörten, in einem Abteil untergebracht. Sie wußte, daß er hoffte, in Ravenclaw oder Gryffindor zu landen. Sicher, Ravenclaw war das Haus, in dem seine Eltern und alle vier Großeltern gelebt und gelernt hatten. Doch würde dieser alte zerschlissene Hut das auch so sehen?
Professor McGonagall schritt gebieterisch wie eine Königin in die Halle, hinter ihr an die fünfzig Jungen und Mädchen zwischen elf und zwölf Jahren, einige aufgeregt trippelnd, andere verhalten daherschleichend. Erst als der letzte Schüler, ein kleiner Bursche mit herbstlaubrotem Haarschopf, durch die große Flügeltür hereingekommen war, blickte sich die Lehrerin mit dem strengen Haarknoten um und bestrich durch ihre quadratischen Brillengläser die aufgereihte Schar der Erstklässler. Dann holte sie den dreibeinigen Stuhl herbei, auf dem der uralte Zaubererhut lag, der hier in Hogwarts über die Zuteilung der Schülerinnen und Schüler bestimmte. Aurora und Petula hatten sich seit ihrer Einschulung hier gefragt, wo dieses ramponierte, dutzendfach geflickte Stoffding aufbewahrt wurde, das schon von den Gründern der Schule angefertigt worden sein sollte. Über der Krempe tat sich ein Riss auf wie ein Mund aus Filz, und der alte Hut stimmte laut und hoch klingend ein Lied an:
"Wohl eintausend Jahre und noch mehr,
solange ist es wohl schon her.
Da gab es hier nur Fels und Kraut.
Kein Mauerstein wart hier verbaut.
Doch fehlte es an einem Ort
der Bildung und der weisen Wort'
in allen Fragen der Magie
in Praxis und der Theorie.
Jedes Hexenmädchen und auch jeder Zaubererbube
lernte nur zu Hause in der eigenen Elternstube.
Natürlich war das vielerlei
und ohne großes Ziel dabei.
Vier mächtige der hohen Gaben,
die dieses wohl gesehen haben,
beschlossen etwas großes zu errichten,
um alle Zauberei zu unterrichten.
Sie bauten hier ein Schloß empor
mit Mauerwerk, Verlies und Tor.
Hogwarts sollt' es heißen sagten sie,
britanniens hohe Schule der Magie.
Jeder von den vieren, jene alten Hogwarts-Gründer
schuf sich eine Heimstatt für die hier belehrten Kinder.
Dabei suchte sich jeder aus
wer kommen sollte in sein Haus.
Der Gründer Godric Gryffindor,
der nahm sich jene Jugend vor,
die Mut und recht im Herzen trug.
Nur diese war ihm wohl genug.
Für Helga Hufflepuff nur Treu und Fleiß
verdienten ihre Gunst zum Preis.
Die Schüler, die dies wohl vollbrachten,
durften in ihrem Hause übernachten.
Jene die es schafften klug und eifrig gar zu meistern
Den vorgetragenen Lernstoff konnten sie wohl recht begeistern,
Rowena Ravenclaw sehr wohlbedacht,
die wurden dann bei ihr untergebracht.
Wer jagte nach viel Ruhm und Macht,
hat bei ihm stets ein Lächeln vorgebracht,
bei Salazar Slytherin dem schlauen,
auf seinesgleichen wollte er nur bauen.
Sie alle lehrten hier sehr lang.
Doch bei der Frage war es ihnen Bang:
Was geschieht, wenn wir einst werden sterben?
Wer wird uns danach wohl beerben?
Sie hielten Rat und faßten Mut
und schufen mich, den sprechenden Hut.
Von jedem dann erhielt ich seine Gabe,
weil ich für sie zu wählen habe.
Jedes Jahr aufs neue, wenn die Schulzeit wohl beginnt
setzt mich auf ein jedes hier neu eingeschulte Kind.
Dem sage ich nach Rat und Schluß,
wo es wohl etwas werden muß.
In allen Zeiten wußte ich Bescheid.
So macht euch nun für mich bereit!
In eure Köpfe und auch Herzen blick ich rein,
damit ihr hier fortan sollt wohl geborgen sein."
Die Schülerinnen und Schüler applaudierten dem Hut, der sich kurz vor allen verneigte. Professor McGonagall wies nun die Neuen an, bei Aufruf ihres Namens vorzutreten und den Hut aufzusetzen. Wenn der dann das passende Haus ausrief, sollte die neue Schülerin oder der Schüler dorthin gehen. Eingeschüchtert warteten die Erstklässler nun darauf, daß die Lehrerin ihre Namen von der Liste ablas.
Es folgten erst vier Gryffindor-Zuteilungen, dann mit "Barkley, Sharon", eine Hufflepuff, dann die Brüder Barrel, die nach Slytherin geschickt wurden. Als Professor McGonagall "Boulder, Bianca" aufrief, warf Aurora Dawn einen Blick zu Alessandro Boulder hinüber, dem stämmigen Treiber der Ravenclaw-Quidditchmannschaft. Bianca Boulder war leicht untersetzt. Doch sonst ähnelte sie ihrem älteren Bruder bis auf das nachtschwarze Haar und die stahlblauen Augen und die breite Nase. Aurora mußte ihre Vermutung verwerfen, daß Alessandro seine Nase durch häufige Klatschertreffer bekommen hatte. Das war also wirklich vererbt worden.
Bianca setzte den sprechenden Hut auf und ließ sich auf dem Stuhl nieder. Eine Minute verstrich lang und lautlos, weil alle Schüler schwiegen. Wenn der Hut sich so viel Zeit nahm, wußten die meisten hier aus eigener Erfahrung, dann war es ein schwieriger Kopf mit so vielen Eigenschaften der verschiedenen Häuser.
"Hufflepuff!" Rief der Hut nach einer scheinbar endlosen Warterei. Bianca stand auf, nahm den Hut ab und ging lächelnd zu den Hufflepuffs hinüber. Dabei blinzelte sie ihrem Bruder kurz zu, der unwillkürlich nickte.
"Die ist zu hibbelig für Ravenclaw", bedachte Alessandro die Entscheidung des Hutes, der bereits bis zur Nasenspitze den Kopf von "Bowman, Gwendoline" bedeckte. Bei ihr dauerte es keine Minute, bis der Hut auch sie nach Hufflepuff schickte.
"Oh, das wird aber jetzt interessant", sagte Miriam Swann. "Kriegen wir vielleicht auch noch wen neues?"
"Dieses Jahr nicht", feixte Roy Fielding drei Plätze weiter rechts von Aurora.
"Komm, irgendwer muß doch Ravenclaw-Eigenschaften haben", wandte Miriam ein. Doch zwanzig weitere Schüler setzten den Hut auf, wurden zugeteilt und gingen an die Tische von Gryffindor, Hufflepuff und Slytherin. Dann kam "Priestley, Philipp" an die Reihe. Auroras ältester Vetter schritt zuversichtlich an den Prüfungsstuhl heran, nahm den Hut von "Peabody, Francis", setzte ihn auf den Kopf und setzte sich auf den Stuhl. Doch kaum hatte sein Hinterteil die Sitzfläche berührt rief der Hut überdeutlich "Ravenclaw!" in die Halle.
Unter dem Beifall der Ravenclaws kam Philipp Priestley herüber. Er winkte Aurora Dawn, bevor Nathan Mentry ihm einen freien Stuhl zuwies.
"Ich denke, die bei Hufflepuff müssen anbauen", grinste Mortimer Swift, als fünf Neue in Serie dorthin zugeteilt wurden, drei weitere Mädchen und zwei Jungen.
"Also der übliche Fünferschlafsaal dürfte bei den Mädels jetzt voll besetzt sein", fügte Roy dem hinzu. Philipp sah derweil zu Aurora hinüber, schien sie ohne Worte um Hilfe zu bitten. Dann folgten die drei Swift-Schwestern, und Mortimer saß wie unter Dampf stehend auf seinem Platz.
"Und los geht's!" Wisperte er, als Ramona Swift den Hut als erste der drei aufsetzte. Der Hut brauchte eine Viertelminute, bis er "Ravenclaw!" ausrief. Bei Rita ließ er sich schon etwas mehr Zeit. Doch dann war auch Mortimers zweite Drillingsschwester eine Ravenclaw.
"Wenn Roxanne jetzt auch noch..." sagte Mortimer, als der Hut bereits "Ravenclaw!" ausrief. Damit waren alle drei Schwestern Mortimers in seinem Schulhaus angenommen.
Die Drillinge kamen gemeinsam herüber. Ramona und rita hatten abseits vom dreibeinigen Stuhl gewartet, bis auch Roxanne ihrem Haus zugeteilt war. Sie lachten Mortimer an, als sie an den Ravenclaw-Tisch traten, begrüßten Philipp Priestley und setzten sich neben ihn.
"Ach du grüne Grütze!" Stöhnte Bruster. "Den ganzen Clan im selben Haus!"
"Tja, Brusie, das ist das Erbgut", lachte Mortimer und winkte seinen Schwestern freudig zu.
"Wright, Elizabeth" war die letzte aus der Reihe der Erstklässler. Sie mußte vier Minuten unter dem alten Hut aushalten, bis dieser sie als vierte Ravenclaw-Erstklässlerin zuteilte.
"Oha, die hat's nicht leicht", raunte Roy. "Mit drei Schwestern allein im Schlafsaal?"
"Ihre Oma väterlicherseits leitet drüben in den Staaten eine Schule wie Hogwarts", zischte Mortimer Swift. "Thorntails ist das wohl."
"Ach, die Schule, von der Plinius Porter es hatte?" Fragte Aurora im Flüsterton. Mortimer nickte.
Plinius Porter hatte im letzten Jahr die siebte Klasse beendet und einen wesentlichen Anteil daran, daß der böse Geist einer einst mächtigen Hexe gebannt werden konnte.
"Hoffentlich bildet die sich nix drauf ein", raunte Roy Fielding.
Aurora sah nun noch mal über alle Tische hinweg. Tatsächlich hatten die Hufflepuffs in diesem Jahr siebzehn Schüler neu dazubekommen, die Slytherins zwölf und die Gryffindors dreizehn. Aurora fragte sich, wie das wohl hingebogen wurde.
"Die müssen die Erstklässlersäle mit Raumvergrößerungszaubern belegen oder die Nischenräume öffnen", sagte Amalia Hopfkirch, die wie Aurora die schier übervolle Klasse neuer Hufflepuffs betrachtet hatte.
"Nischenräume?" Fragte Roy Fielding.
"Ja. Hogwarts hat viele versteckte Räumlichkeiten, die nur für bestimmte Gelegenheiten erreichbar sind. Sie schrumpfen förmlich so stark zusammen, daß sie nicht bemerkt werden, solange sie nicht gebraucht werden. Die Gründer haben diese Maßnahmen bedacht, wenn in ein Haus mal mehr Schüler reinkommen als ursprünglich Platz gebaut worden war", wußte Amalia. Aurora fiel jetzt erst auf, daß sie das Schulsprecherinnenabzeichen von Hogwarts trug. Merkwürdig, was man doch übersehen konnte, wenn irgendwo was interessanteres abging, dachte Aurora Dawn noch.
Dumbledore erhob sich von seinem goldenen Stuhl. Der altehrwürdige Zauberer trug heute einen marineblauen Seidenumhang und hatte seinen silberweißen Bart verspielt um den Gürtel gewickelt, der seinen Umhang um der Taille zusammenhielt.
"Sehr schön", begann der Schulleiter mit leiser aber dennoch kraftvollen Stimme zu sprechen. "Herzlich willkommen in Hogwarts, Liebe Mädchen und Jungen, die ihr dieses Jahr in die erste Klasse gekommen seid. Wie ich feststellen darf, wurde das Haus Hufflepuff dieses Mal mit einem besonders starken Jahrgang bedacht. Nun, Mein Kollege Professor Flitwick wird nach meiner Ansprache dafür sorgen, daß niemand dort auf dem Fußboden schlafen muß." Die Schüler grinsten leise aber unverkennnbar. "Allerdings fordert die diesjährige Besetzung der neuen Klassen, daß im Lehrplan einige Korrekturen vorgenommen werden müssen. Wie ich sehe, hat das Haus Ravenclaw dieses Jahr die wenigsten Neuzugänge aufgenommen. Ich beschließe daher, das die Erstklässler von Hufflepuff in zwei Gruppen eingeteilt werden, von denen eine zusammen mit den Kameraden aus Ravenclaw im Verbund am Unterricht teilnimmt. Ja, es gibt genug Leute, die kleine Klassen als besonders gut zu beschulen ansehen. Aber diejenigen sagen auch, daß übergroße Klassen schwerer zu beschulen sind, da dort die Stärken und Schwächen der Einzelnen nicht gesondert beachtet werden können. Deshalb werden Professor McGonagall und ich nach dem Begrüßungsbankett mit dem sprechenden Hut ergründen, wer aus Hufflepuff am besten mit den Kameraden aus Ravenclaw zusammengeht, zumindest was den Unterricht angeht. Bei Zaubertränken ist die Einteilung ja ohnehin geregelt."
"Haha", machte Philipp Priestley. Elizabeth Wright verzog das Gesicht. Offenbar hatte sie darauf gehofft, in einer schön kleinen Klasse mehr vom Unterricht mitnehmen zu können. "Darüber hinaus möchte ich, bevor wir alle essen und trinken, was in unsere Bäuche reinpaßt, eine Neubesetzung verkünden", rückte Dumbledore noch mit etwas heraus, das bis dahin niemand erwartet hatte. "Zum einen wird meine werte Kollegin Professor Vector von Beginn dieses Schuljahres an die alleinige Lehrerin für Arithmantik sein. Zum anderen hat mich Professor Bitterling darum gebeten, ihr die alleinige Zuständigkeit für das Fach Zaubertränke zu übertragen und für das Schulfach Verteidigung gegen die dunklen Künste jemanden mit mehr zeitgenössischer Erfahrung zu berufen. Nun, ich bin dieser Bitte nachgekommen und habe einen qualifizierten Lehrer auftreiben können. Begrüßen wir alle mit einem herzlichen Applaus den neuen Kollegen, Professor Patrokles Balder!"
Die Slytherins zuckten mit den Schultern, als ein Mann mit fuchsrotem Haarschopf und gleichfarbigem Backenbart im limonengrünen Reiseumhang hereinschritt, würdevoll und eine Kraft ausstrahlend, die darauf lauerte, auf irgendwen oder irgendwas losgelassen zu werden. Er ging zwischen den vier Haustischen durch zum Lehrertisch und reichte Dumbledore die Hand. Danach begrüßte er Professor McGonagall und dann auch Professor Bitterling, die verkniffen lächelte. Offenbar war ihr das nicht recht oder zumindest nicht leicht, nur noch Zaubertränke unterrichten zu sollen. Aurora fragte sich auch, wieso die ihr als sehr stark und Zaubermächtig bekannte Lehrerin nur noch ein Fach unterrichten wollte. Konnte das was mit der Braut des blutigen Barons zu tun haben? Immerhin hatte der böse Geist sie und auch Dumbledore zeitweilig erstarren lassen. War ihr das so heftig in die Glieder gefahren? Aurora wußte es nicht. Darüber zu reden war zwar teilweise lustig. Aber rauskommen würde dabei nichts, wenn nicht auch die wie eine erhabene Frau aus dem Orient wirkende Zaubertranklehrerin selbst eine Rede halten und alles erklären würde. Doch das tat sie nicht. Dumbledore gab die Erlaubnis zum essen, und die meisten Schüler konnten nun ihre knurrenden Mägen beruhigen.
Nach dem Abendessen verließen die Schüler die große Halle. Amalia Hopfkirch warf im Vorbeigehen Darius Cale einen vielsagenden Blick zu. Auch der Schüler aus Hufflepuff trug das silberne Schulsprecherabzeichen, was Amalia sichtlich zu begeistern schien.
"Wie läuft denn das jetzt mit mir?" Wollte Philipp von Nathan Mentry, dem ältesten der Vertrauensschüler wissen.
"Du kommst in die Besenkammer", feixte Roy Fielding, der neben Aurora herging. Diese knirschte mit den Zähnen. Sollte sie Roy was erzählen oder es lassen? Sie beschloss, nicht die große Cousine raushängen zu lassen, nicht wegen eines dummen Spruchs. Roy war ja dafür bekannt, ein lockeres Mundwerk zu haben und auch leicht wütend zu machen.
"Wir steigen alle zu den Schlafsälen auf. Vielleicht hat man den freien Schlafsaal der letzten Siebtklässler für dich alleine reserviert", grinste Nathan belustigt.
"Hat der Bursche vielleicht angst, alleine zu pennen?" Fragte Roy gehässig. Nathan hörte das und funkelte Roy warnend an.
"Was hast du schon jetzt zu sticheln, Roy? Pass lieber auf, daß du dir in diesem Jahr nicht wieder eine unnötige Strafarbeit einhandelst!"
"Na klar!" Grummelte Roy, blieb jedoch danach schön still.
Vor dem Bild des ländlich gekleideten Burschen Bruce mit seiner braunweißen Kuh Maggy kam die Kolonne der Ravenclaws zum stehen. Nathan trat vor und sagte:
"Bruce, wir sind jetzt alle hier. Das Passwort ist Mens sana."
"Ja, geht klar", sagte der gemalte Türhüter und schwang mit dem Bild zur Seite.Nathan unterrichtete die fünf neuen Schüler, was in diesem Haus zu tun und zu lassen war. Dann führte er Philipp zum Schlaftrakt für Jungen. Die vier neuen Mädchen schwatzten noch miteinander, wobei Elizabeth einen stark amerikanischen Akzent sprach. Aurora war neugierig und fragte die vier, ob sie ihr etwas von sich erzählen würden, denn beim Abendessen hatten sie zu weit von ihr weggesessen. Roy käbbelte sich derweil mit Dina Murphy. Irgendwas schien zwischen den Beiden nicht im Lot zu sein oder mußte noch richtig ausgeknobelt werden.
"Stimmt das, daß deine Oma in den Staaten Schulleiterin ist?" Fragte Aurora nach fünf Minuten Elizabeth, die sich lieber Lissy nennen lassen wollte, um nicht mit der englischen Königin verwechselt zu werden.
"Yeh, Aurora. Oma Ernestine hat Thorntails. Deshalb wollte ich ja eigentlich hin, aber Dad hat gesagt, daß ich hier hinsoll. Wird wohl gut laufen hier. Dieser Dumbledore ist ja echt seltsam. Oma sagte, der sei schon über hundert. Stimmt das?"
"Habe ich ihn noch nicht gefragt", erwiderte Aurora leise grinsend. Sie war froh, daß Lissy was witziges gefragt hatte, um ihre Belustigung über den Dialekt oder Akzent der neuen Mitschülerin nicht unterdrücken zu müssen.
"Philipp hat gesagt, er sei dein Cousin, Aurora. Ist das 'n Problem für dich?" Fragte Ramona Swift.
"Wenn's für ihn keins ist", erwiderte Aurora Dawn verhalten lächelnd. "Ich hoffe nur, der wird nicht ständig damit aufgezogen. In Slytherin wuselt einiges Ungeziefer rum, das ihn oder mich damit belästigen könnte."
"Die Rattlers vielleicht oder Fischgräte Sharkey?" Wollte Rita wissen. Aurora grinste. Offenbar hatte Mortimer sein Dreierpack Schwestern schon gut vorgebildet.
"Die und noch'n paar anderes Gefleuch", bestätigte Aurora. Zumindest waren die ewig finster umherschreitenden Snape und Rossier nicht mehr in Hogwarts. Vielleicht wurde es in diesem Jahr etwas ruhiger hier.
"Wenn du aber jetzt nicht in Thorntails bist hast du bestimmt weniger Ärger hier", vermutete Aurora, Lissy anblickend.
"Hat Dad mir auch schon so gesagt. Mom ist da zwar anderer Meinung, aber das ist bei uns Standard", grinste Lissy. "Ihre drei Brüder haben aber zugestimmt. Immerhin hat Dad sie durch das Heiraten zur Engländerin gemacht. Deshalb bin ich nach Hoggie gekommen."
"Aber dafür sprichst du aber dasselbe Kaugummienglisch wie Jimmy Carter", meinte Roy, sich einmischen zu müssen. Lissy straffte ihren Körper, griff sich flüchtig in ihr walnußbraunes Haar und sah Roy dann konzentriert an.
"Wie war das?" Fragte sie gefährlich klingend. Roy wiederholte seine Bemerkung.
"Jungchen, besser jetzt als dann wenn's wirklich heftig ist. Klemm dich nicht in Gespräche von Ladies rein, wenn du nix besseres als Blödsinn ablassen kannst! Aber zumindest mit Jimmy Carter hast du recht. Meine Mom und meine Onkels kommen aus der Gegend, wo der seine Erdnußfarm betreibt. Ich habe den vor einem Jahr sogar mal gesehen, als Mom mit mir auf Besuch bei Oma Ernestine war. Aber das nur zur Info, damit du nicht dumm stirbst, Roy Fielding."
"Häh, woher weiß'n du, wie ich heiße?" Fragte Roy nun verdutzt.
"Weil mein Dad in der Ausbildungsabteilung arbeitet und da für die Muggelstämmigen zuständig ist. Der hat mir 'ne Liste mit allen Muggelstämmigen gegeben, die im Moment in Hogwarts rumlaufen, damit ich keine Probleme mit denen kriege."
"Ach, woher willst du denn wissen -?" Fragte Roy zurück. Aurora fragte sich derweil, ob Lissy nicht etwas zu überzogen war für eine zwei Jahre als sie selbst jüngere Schülerin, die gerade einmal ein paar Stunden in Hogwarts war.
"Du hast meinen Heimatakzent als Kaugummienglisch bezeichnet. Amerikanische Zauberer kauen das Zeug nicht, sondern rauchen lieber Pfeife oder Zigarette oder kauen Kautabak, nicht dieses künstliche Klebezeug. Dann hast du gemeint, ich rede wie Jimmy Carter. Auf den kommt kein englischer Zauberer, weil die Muggelpolitiker von Auswärts denen wenig bis gar nicht bekannt sind. Folgerung, du bist ein Muggelstämmiger. Da du in der dritten Klasse bist, konntest du nur Roy Fielding sein, denn Bruster Wiffle ist der Vetter von Ramona, Rita und Roxanne, den sie mir sofort gezeigt haben."
"Ach du Scheiße, eine Intelligenzbestie", stöhnte Roy und trollte sich, bevor Lissy darauf was sagen mochte. Sie knurrte nur verärgert, schluckte dann was immer sie geantwortet hätte runter und meinte zu Aurora:
"Um die Sache von eben richtig abzuschließen, Aurora: Ich hoffe, hier gut lernen zu können. Mehr später, wenn es wichtig wird."
Aurora zog sich zu Petula und Miriam zurück, während Roy sich mit Mortimer und Bruster unterhielt und dabei verstohlen zu Lissy Wright hinüberdeutete.
"Wieso heißt die eigentlich nicht nach ihrem Vater, wenn Professor Wright ihre Oma mütterlicherseits ist?" Wollte Miriam wissen. Aurora erwiderte darauf nur:
"Weil ihre Oma das so gewollt hat, sagt sie. Das war 'ne Bedingung, damit ihre Eltern heiraten konnten. Sollen sie doch. Meine Mutter ist mit ihrem Nachnamen gut bedient. Was meinen Namen angeht ist das dann sogar lustiger mit Dawn als mit Greenwich."
"Klar", gab Petula grinsend zurück. Dann meinte sie noch: "Aber diese Lissy scheint ziemlich eingebildet zu sein. Die kann doch nicht einfach einen älteren Schüler so vorführen."
"Da sie's gemacht hat kann sie das", grummelte Miriam. "Wenn Roy sich das bieten läßt, wo der sonst so schnell hochgeht soll es mir egal sein. Vielleicht kann die deshalb nicht anders, weil ihre Oma die nur mit supergescheiten Zauberern und Hexen zusammengebracht hat, Kronprinzessinnenkrankheit."
"Trotzdem", widersprach Petula. "Das macht keiner."
"Sag ihr das doch!" Machte Aurora einen nicht so ernst klingenden Vorschlag. Doch Petula schüttelte nur den Kopf. Damit war für die Drittklässlerinnen das Thema Lissy Wright vorerst erledigt.
Am nächsten Morgen gab es die Stundenpläne. Aurora erfuhr, daß Philipp tatsächlich ein Einzelzimmer bekommen hatte, das zwischen dem Drittklässlerschlafsaal und dem der fünftklässler wie aufgeblasen aufgetaucht war.
"Ach Zaubertränke gleich am Anfang. Das wird wieder was mit der Bitterling", knurrte Bruster und blickte sich rasch um, ob das jemand wichtiges gehört hatte. Denn er war nur noch in Hogwarts, weil er gelobt hatte, sich nicht mehr abfällig über Lehrer oder Mitschüler zu äußern und nach außen so brav und folgsam wie es nur ging blieb.
"Und danach Muggelkunde bei Professor Janus Goldbridge", stellte Roy Fielding fest. "Das wird zumindest lustig."
"Dann noch Kräuterkunde, dein Lieblingsfach, Aurora", flachste Mortimer. Aurora nickte. Am Nachmittag hatte Aurora zusammen mit Petula und Miriam alte Runen, während die Jungen Arithmantik und Dina Wahrsagen genommen hatten. Pflege magischer Geschöpfe hatten sie dann am nächsten Morgen als erstes, danach Verwandlung. Den neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste sollten sie erst Mittwochs kennenlernen, bevor Aurora wieder Muggelkunde mit ihren Klassenkameraden außer Dina und Mortimer haben würde. Alte Runen und Pflege magischer Geschöpfe gab es dann am Freitag noch einmal, unterbrochen von einer Stunde Zauberkunst.
"Na dann auf ins neue Jahr", brachte Roy einen Spruch zum neuen Stundenplan an.
Professor Semiramis Bitterling wirkte etwas kühler als ohnehin schon. Jeder sah ihr an, daß sie darauf lauerte, jede kleinste Unregelmäßigkeit sofort hart zu bestrafen. Sicher, daß sie sehr streng und unerbittlich war kannten die Schüler aus Ravenclaw und Hufflepuff schon, doch so kalt wie eine Eiswand hatte sie noch nie gewirkt. So verlief die erste Stunde des neuen Schuljahres sehr leise. Keiner wagte was zu sagen, wenn es nicht zum Unterricht paßte und dann nur verhalten, wenn er oder sie nicht eindeutig aufgerufen worden war. Roy und Bruster fiel ein Stein vom Herzen, als die Schulglocke das Stundenende verkündete und Professor Bitterling mit automatenhafter Betonung die Hausaufgaben für die nächste Stunde vergab. Leise aber schneller als üblich verließen die Drittklässler den Zaubertrankkerker und huschten die Treppen hinauf, um zu ihren nächsten Stunden zu laufen. Zusammen mit Cynthia Flowers und der kleinen, rundlichen Melinda Bunton, sowie deren Hufflepuff-Mitbewohner Dorian Dirkson suchte Aurora den Muggelkunderaum. Dabei stieß die schwarzhaarige Gryffindor-Schülerin Eunice Armstrong zu ihnen, zusammen mit einem zierlichen Mädchen mit dunkelblonden Ringellöckchen und grauen Augen, in denen eine lauernde Verwegenheit glänzte. Das war Loren Tormentus, eine von vielen, die vor drei Jahren nach Slytherin eingeteilt worden war, eine Schlafsaalkameradin von Tonya Rattler, der klobig wirkenden Blondine, mit der Aurora manche unangenehme Begegnung erlebt hatte.
"Das Slytherins Muggelkunde nehmen ist ja selten", bemerkte Roy Fielding leise zu Aurora. "Oder hat die beim Ankreuzen das falsche Feld erwischt?"
"Denke ich nicht", flüsterte Aurora, während sie zusammen mit ihren Schulkameraden zu einem Klassenraum im südlichen Teil des Schlosses eilte, wo ein hünenhafter Zauberer mit weizenblonder Löwemähne und Goldrandbrille wartete, der einen elegant wirkenden Umhang aus erdbeerrotem Samt trug.
"Ah, da sind ja die Kandidaten für das Fach Studium der Muggelwelt", grüßte er mit einer bauchkitzelnden Bassstimme und winkte den Drittklässlern freundlich zu.
"Heh, Roy Fielding!" Zischte Loren Tormentus. Dieser straffte sich wie vor einem Kampf. "Mach bloß nicht auf supervorgebildet! Wir alle wollen ja schließlich noch was lernen und nicht unverschuldet vorgebildete Experten bestaunen. Klar?"
"Wenn Professor Goldbridge mir sowas sagt, mach ich das. Aber von dir oder sonst einer aus eurem Laden lasse ich mir bestimmt nix vorschreiben, damit das mal klar ist", fauchte Roy leise zurück. Loren verzog das Gesicht und hastete rasch zu Professor Goldbridge, der seine neuen Schüler in den Klassenraum hineinwinkte.
Im Klassenraum standen, lagen und hingen seltsame Sachen herum. Da waren Bilder mit unbeweglichen Leuten drauf an den Wänden, die in verschiedenen Kleidern abgebildet waren. In den drei großen Regalen, die die drei türlosen Wände des Raumes beherrschten, lagen Instrumente herum, die Aurora schon einmal bei ihrer Tante June gesehen hatte, wie ein Fön, eine Schallplatte und eine Tonbandspule, sowie ein schwarzes Telefon mit aufgewickeltem Kabel. Sie erkannte viele Dinge aus der Muggelwelt, aber längst nicht alles. Roy grinste nur, als er sich umblickte und die Stecker und Steckdosen, Batterien, Spielzeugautos und -flugzeuge, die Schreibmaschine mit eingespanntem Papierbogen und die verschiedenen Glühlampen ansah. Dann gab es hier auch jede Menge Bücher und Fotoalben.
Als sich die Schüler an die Tische setzen wollten, trieb Goldbridge Roy und Bruster auseinander.
"Sie setzen sich bitte getrennt voneinander, damit sie während der Stunden mit ihren Mitschülern zusammenarbeiten können, die nicht die Voraussetzung haben, bereits mit echten Muggeln zusammengelebt zu haben!" Begründete der Lehrer diese Maßnahme. So setzte sich Bruster zu Eunice Armstrong, während sich Roy zu Aurora setzte. Petula und Miriam bildeten ein Paar, während Cynthia und Mel sich zusammensetzten. Dorian glubschte zwar verstört, als Goldbridge ihn mit einer unzweifelhaften Handbewegung zu Loren schickte, sezte sich dann aber neben die Slytherin, die ihn verhalten anlächelte. Das die Slytherins verächtlich über die angeblich so dummen und unfähigen Hufflepuffs herzogen war schulweit bekannt. Dennoch hatte Goldbridge diese Paarung zusammengestellt.
"So wie Sie jetzt sitzen, bleiben Sie bitte über die ganze Zeit, in der Sie meinem Unterricht folgen. Sie können ihn, wie alle neuen Fächer, unter Austausch mit einem anderen der angebotenen Fächer nach einem Jahr wieder abwählen. Aber bis dahin bitte ich mir aus, die Sitzordnung nicht zu ändern", stellte der Lehrer klar und trat an sein Pult. Leise klappte die Tür zu. Dann begann Professor Goldbridge mit der Verlesung der Teilnehmerliste. Als das erledigt war, ließ er fünf Minuten lang alle aufschreiben, was sie bereits über die nichtmagische Welt wußten und wieso sie darüber was lernen wollten, um zu erfahren, wer wie gut vorgebildet war. Roy grinste einmal, als er die erste Pergamentseite schon nach zwei Minuten voll hatte, während Aurora noch überlegte, was sie eigentlich schon kannte. Sie schrieb hin, was sie von ihrer Tante June über die Muggelwelt erfahren hatte und schon gesehen hatte und erwähnte, daß sie es spannend fand, über die nichtmagische Welt was zu lernen. Als die Zeit abgelaufen war sammelte Goldbridge die beschriebenen Pergamente ein und legte sie in einen Aktenkoffer. Dann erklärte er:
"In diesem Schuljahr werden wir uns mit den Dingen beschäftigen, die in der nichtmagischen Welt die Körperkräfte und ihre maschinelle Ausweitung betreffen, also wie Muggel mit schweren Lasten hantieren, ohne Schwebe- und Fernbewegungszauber zur Hand zu haben, die Verwendung jener universellen Kraft des elektrischen Stroms und die Anfänge der meechanischen Fahrzeuge, aus denen ja auch zum Teil der Hogwarts-Express hervorgegangen ist. Was das Thema elektrischen Strom betrifft, können wir nur die primitivsten Anwendungen wie das flammenlose Licht oder den einfachsten Kraftmechanismus in der Praxis vorführen, weil die komplexeren Nutzanwendungen des elektrischen Stroms durch die in Hogwarts wirkenden Zauber gestört werden. Ich hoffe, dadurch wird der Unterricht nicht zu theoretisch und vor allem nicht langweilig, selbst für jene, die meiner Kenntnis nach aus nichtmagischen Familien stammen. Jenen möchte ich jedoch dringend raten, ihr naturgemäßes Überwissen nicht abfällig den anderen gegenüber zu präsentieren, sondern es in Zusammenarbeit mit den anderen hier einzubringen. Ich sage das, weil ich fast jedes Jahr neue Schüler begrüßen kann, die meinen, weil sie muggelstämmig seien eine Selbstdarstellungsschau veranstalten zu müssen oder dieses Fach als sprudelnden Quell überragender Noten belegen zu können. Sicher können Sie hier alle gute Noten erwerben, wenn Sie sich an die Vorgaben halten, die in diesem Unterricht erteilt werden. Eine davon lautet, immer so zu formulieren, daß mit den Verhältnissen der nichtmagischen Welt unvertraute Hexen und Zauberer weder erniedrigt noch mit für sie unverständlichem Zeug beladen werden. Ich hoffe, diese Vorabankündigung hilft Ihnen, meinem Unterricht gut folgen zu können."
Die Stunde verlief mit Beschreibungen, was Muggel anstellen mußten, wenn sie einfachste Arbeiten völlig ohne Zauberkraft bewältigen mußten. Aus dem Standardbuch "Gegebenheiten der nichtmagischen Welt" zeichneten sie Bilder von Muggeln auf Fahrrädern und beim Lastenheben ab. Dann war die Stunde bereits vorbei.
"Na wunderbar", meinte Roy zu Aurora, als sie den Klassenraum verlassen hatten. "Sowas haben wir schon im Kindergarten malen dürfen. Hoffentlich machen wir in der nächsten Stunde was interessanteres."
"Du wirst dich wohl häufiger langweilen", grummelte Petula Woodlane. "Dann hättest du das Fach nicht nehmen sollen."
"Ich denke, nächste Woche komme ich schon besser damit klar", sagte Roy selbstsicher. Bruster verabschiedete sich von Eunice Armstrong und kam zu seinen Klassenkameraden herüber.
"Na, Roy! Sollen wir dem Lehrer mal vorschlagen, ein Fußballspiel vorzuführen, damit die hier mitkriegen, daß wir sogenannten Muggelabkömmlinge auch ohne Quidditch Supersport kennen?"
"Wenn er das macht, jeder Zeit", grinste Roy zurück. Das Stichwort "Quidditch" erinnerte Aurora daran, daß sie bald die neue Mannschaft mitbekommen würde. Noch hatte sie den neuen Kapitän der Ravenclaws nicht kennengelernt. Vielleicht wurde es Alessandro Boulder oder Ken Dasher.
Am Nachmittag erfuhr Aurora Dawn, daß die alten Runen wirksame Zauberzeichen waren aber auch gut als Schriftsprache verschiedener Zauberervölker verwendet werden konnten. In der Klasse war sie neben Petula und Miriam die einzige Ravenclaw. Die zweieiigen Hawkins-Zwillinge Rebecca und Bernahrd waren die einzigen zusätzlichen Klassenkameraden, als Professor Scribble ihnen die Bedeutung der Runen verdeutlichte.
Abends besprachen die Drittklässler, was sie so alles erlebt hatten. Dina war bei Wahrsagen gewesen, wo die steinalte Lehrerin Professor Angelhair ihr mit den ganzen Gryffindors was von Teeblättern und Kaffeesätzen erzählt hatte.
"Also wenn die nicht dieses innere Auge hätte, was einigen Hexen und Zauberern angeboren ist, hätte die bestimmt nix mitgekriegt, was wir sagen. Die hat für jedes Ohr ein Hörrohr und trägt eine Brille mit Froschaugengläsern", beschrieb Dina die Lehrerin, die bestimmt noch älter als der Schulleiter war. Aurora grinste belustigt, während Bruster und Mortimer über Professor Vector herzogen, die meinte, Arithmantik sei was total logisches, wenngleich vieles da auf willkürliche Festlegungen beruhte. Sie war froh, die Fächer genommen zu haben, die noch einen gewissen Sinn machten und obendrein noch spannend werden konnten.
So freute sie sich bereits auf die erste Stunde Pflege magischer Geschöpfe, als sie zusammen mit den Mädchen aus ihrem Schlafsaal zum Frühstück hinunterging. Sie sprach von den Wesen, von denen sie hoffte, gleich in der ersten Stunde welche zu sehen. Ihre gesamte Klasse hatte sich für dieses Fach entschieden. So zogen die Drittklässler gemeinsam mit ihren Arbeitsumhängen und Handschuhen los zu einem Klassenraum, auf dessen Tür ein pferdeähnliches Tier mit einem Horn auf der Stirn, ein Zwischending zwischen Pferd und Adler, sowie ein merkwürdig aussehender Vogel abgebildet waren. Vor der Tür wartete ein bereits grauhaariger Zauberer mit kinnlangem Bart und Hornbrille. Leicht abstoßend wirkten lange gezackte Narben in seinem Gesicht und daß das linke Ohr einen leicht angefressenen Eindruck machte. Als der Zauberer die rechte Hand hob, mußte Aurora schlucken. Denn der Lehrer besaß nur noch drei Finger an der rechten Hand.
"Spricht aber nicht gerade für seine Kenntnisse", unkte Cynthia Flowers, die zusammen mit Melinda, Dorian und Chester aus Hufflepuff in dieser Klasse war.
"Hoffentlich sehen wir nicht in einem Jahr ähnlich aus", seufzte Petula Woodlane.
"Sie nehmen Anstoß an meiner Erscheinung, Herrschaften?" Fragte Kesselbrand mit einer leicht verräuchert klingenden Stimme. "Nun, wer wie ich Jahrzehnte lang im Ausschuß zur Beseitigung gefährlicher Geschöpfe gearbeitet hat, riskiert so einiges. Aber deshalb bin ich froh, daß jedes Jahr neue Schüler dieses Schulfach wählen, damit ich ihnen beibringen kann, Unfälle zu vermeiden, wie sie mir passiert sind. Treten Sie nun ein!"
Die Schüler schlichen mit leicht gebeugten Köpfen in den Klassenraum. Dabei fiel Aurora auf, daß Kesselbrand das linke Bein merkwürdig bewegte, als sei es nachträglich an seinem Körper festgemacht worden. Er schloß die Tür mit der linken Hand, die in einem schwarzen Lederhandschuh steckte, aber wohl noch alle fünf Finger besaß.
"Nichts für Ungut, Professor Kesselbrand", setzte Miriam Swann an, "Aber wie wollen Sie sicherstellen,daß wir nicht so verletzt werden wie Sie?"
"Durch zwei Dinge, Ms. -", setzte der Lehrer an und wartete, bis Miriam sich vorgestellt hatte. "Also Ms. Swann: Zum einen werde ich mit Ihnen zunächst nur die magischen Geschöpfe durchnehmen, die in der Klassifizierung der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe auf den Klassen X bis XXXX rangieren, und zwar pro Klasse eine Stufe höher, sodaß Sie alle Sicherheitsvorgaben verinnerlichen können. Zum zweiten werde ich Sie grundsätzlich nicht unbeaufsichtigt und völlig alleine mit größeren Tierwesen arbeiten lassen, sondern einen nach dem anderen. Sollten Sie nach dem ZAG-Jahr beschließen, dieses Fach in ihren UTZ-Klassen zu behalten, werden Sie lediglich mit jenen Tierwesen alleine arbeiten, die eher fliehen als angreifen, wenn Sie unsachgemäß mit Ihnen umgehen. Ich weiß, einige der Herren unter Ihnen brennen darauf, mit Drachen oder Greifen zu arbeiten. Nun, Drachen dürfen auf dem Gelände von Hogwarts nicht gehalten werden und sind nur für volljährige Hexen und Zauberer zur Arbeit gestattet, da sie auf der Rangstufe XXXXX stehen, also tödlichgefährlich und schwer bis gar nicht zu bändigen sind. Greife unterliegen einer Bestimmung der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe nach gesonderten Zulassungskriterien und dürfen im Schulunterricht nur in ihrer Jungform vorgestellt werden. So viel zum ersten. Setzen Sie sich bitte hin! Ich werde dann die Sitzordnung mit Ihren Namen zusammen festhalten."
Aurora setzte sich zu Petula, während Miriam sich mit Dorian Dirkson zusammensetzte. Roy und Dina saßen zusammen, wie auch Cynthia und Melinda. Bruster hatte sich zu Chester hingesetzt. Kesselbrand schrieb sich mit schwerfälligen Bewegungen die Namen auf und begann dann mit einer Einführungsbefragung, wer bereits mit magischen Geschöpfen zu tun hatte. Bruster erzählte, daß er den Phönix in Dumbledores Büro gesehen habe, während Aurora von den Thestralen erzählte, die sie ja seit dem Tod ihres Onkels sehen konnte. Von Roy wollte der Lehrer wissen, was in der Muggelwelt an Zauberwesen bekannt war und teilte durch weiße und rote Kreide Tierwesen in Zauberwesen ein.
"Zauberwesen wie Hauselfen, Kobolde, Zwerge, Sabberhexen und Riesen unterscheiden sich von den Tierwesen darin, daß sie eigenes Bewußtsein besitzen und der menschlichen Sprache vollständig fähig sind. Zwar müßten Zentauren und Wassermenschen auch in der Riege der Zauberwesen erwähnt werden. Sie forderten jedoch, sie den Tierwesen zuzuordnen, da ihr Lebensraum zum einen für Hexen und Zauberer schwer zugänglich bis verboten sei und zum anderen sie nichts mit unserer Welt zu schaffen haben wollten, also nicht den Strafgesetzen und Lebensraumzuweisungen der Zaubererwelt unterworfen sein wollten. So schreibt es Skamander in seinem Buch "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind". Näheres über die einzelnen Zauberwesen können Sie im Buch "magische Mitgeschöpfe" von Sean Flanigan nachlesen. Die Tierwesen, mit denen wir uns also ausschließlich beschäftigen, werden in einzelnen Werken gesondert beschrieben. Am Ende dieser Stunde kann jede und Jeder von Ihnen eine Literaturliste von der Tafel abschreiben, die für die Schuljahre bis zum ZAG-Abschluß verbindlich ist", beendete er die kurze einführung. Dann schlugen sie ihre Bücher zum Thema einfacher Tierwesen wie Flubberwürmern, Gnome und Salamander auf. Kesselbrand hatte drei Gnome zur Vorführung mitgebracht und ließ sie im Klassenzimmer herumlaufen. Da der Boden nicht weich genug war, daß sie sich mit ihren verhornten Händen und Füßen eingraben konnten, flitzten sie wie aufgescheuchte Mäuse herum und versuchten, aus dem Klassenraum zu entwischen.
"Gnome gelten als Gartenschädlinge", rief Kesselbrand über das wilde Geschnatter der freigelassenen Winzlinge hinweg. "Ähnlich wie Maulwürfe untertunneln sie Beete und Rasenstücke und können so zu Erdrutschen oder Erdaufwerfungen führen, die der Gartengestaltung massive Probleme bereiten können. Es gibt verschiedene Arten, einen garten von Gnomen zu befreien, ihn zu entgnomen." Das Wort "Entgnomen" schrieb er rot an die Tafel, damit es sich alle aufschrieben. Dann führte er verschiedene Handtechniken vor, einen Gnom aus seinem Loch zu holen und entweder fortzuwerfen oder ihn in eine Kiste zu sperren. Danach erwähnte er noch Verdrängungselixiere, die durch Geruch, Geschmack oder ein für Gnome unangenehmes Prickeln auf der Haut ihre Lust an einem Garten hemmte und langfristig fernhielt. Am Schluß der Stunde gab er auf, zur nächsten Stunde alles über Gnome und Entgnomungsmöglichkeiten nachzulesen und aufzuschreiben. Daneben ließ er die Schüler die angekündigte Bücherliste abschreiben, die für den weiteren Unterricht hilfreich sein sollte. Als sie dann alle den Klassenraum verlassen hatten meinte Roy:
"Mann, der Typ sieht ja echt angefressen aus. Warum hat der uns nicht erzählt, was ihm passiert ist?"
"Damit du noch gut schlafen kannst, du Pappnase", meinte Dorian Dirkson grinsend. Roy sah ihn zwar erst merkwürdig an, mußte dann aber auch grinsen.
"Schade das wir keine Zauberwesen durchnehmen. Ich hätte gerne mal einen echten Zwerg oder Riesen gesehen", sagte Bruster.
"Ach, hat deine Mum dir noch keine zeigen können?" Fragte Cynthia Flowers.
"Wo denn? Solche Wesen gibt's doch in keinem Zoo", erwiderte Bruster.
"Sperr einen Riesen auch mal in einen Zoo ein. Das würde lustig", gab Mortimer zurück. "Die paar die es wohl noch geben soll sind zu unbeherrschbar, daß kein Zauberer alleine mit ihnen fertig würde. Außerdem ist der kleinste von denen mindestens fünf Meter hoch."
"Ach, nur ein wenig größer als dieser Hagrid?" Wollte Roy wissen.
"Hmm, ja", sagte Mortimer.
"Was soll bitte eine Sabberhexe sein?" Wollte Roy dann noch wissen.
"Das sind die, die in "Hänsel und Gretel vorkommen", wußte Bruster. "Meine Mum hat mir mal schlimme Geschichten von diesen Biestern erzählt, daß sie in Wäldern hausen, von selbst fliegen können und am liebsten kleine Kinder fressen, roh oder geröstet. Ich habe mir das im letzten Jahr mal durchgelesen. Die Sabberhexen sind Abarten von alten Waldhexenfamilien, die durch merkwürdige Sachen so verändert wurden, daß sie in der zivilisierten Zaubererwelt nicht klarkommen."
"Gibt es auch Sabberzauberer?" Fragte Roy verächtlich, weil er das wohl nicht sonderlich ernstnahm.
"Neh, die leben zum einen ziemlich lange und holen sich manchmal halbwüchsige Jungzauberer zur Fortpflanzung. Eigene Kinder haben's aber schwer. Söhne werden von denen gleich gefressen, Töchter, die innerhalb von vier Jahren nicht groß genug werden, werden auch gefressen."
"Ekelhaft", meinte Petula sichtlich angewidert.
"Ja, aber leider nicht zu ändern", meinte Kesselbrand, der hinter der Schülerschar hergegangen war und das kurze Gespräch mitgehört hatte.
"Oh, wußte nicht, daß Sie noch hintter uns sind", gab Roy verschämt zurück und errötete heftig vom Hals bis unters Haar.
"Sie sind ja auch noch langsam genug, daß ich Ihnen folgen konnte", wandte der Lehrer kühl ein und trieb die trödelnden Schüler zur Eile an, da ja die nächsten Stunden bald anfangen würden.
Im Verwandlungsunterricht erzählte Professor McGonagall den Drittklässlern, was bei der Invivo-ad-Vivo-Verwandlung zu beachten sei, die in diesem Schuljahr hauptsächlich einstudiert werden sollte. Außerdem führte sie vor, was ein Animagus sei, ein Zauberkundiger Mensch, der sich aus eigenem Willen heraus in ein Tier verwandeln konnte, ohne den Zauberstab zu benutzen. Sie verwandelte sich kurz in eine getigerte Katze mit viereckigen Mustern um die Augen, die ihrer quadratischen Brille ähnelten, blieb für zehn Sekunden in dieser Gestalt, nahm mit einer kurzen Verbeugung den üblichen Applaus entgegen und verwandelte sich in die Hexe im smaragdgrünen Umhang mit dem strengen Haarknoten und der Viereckbrille zurück.
"In dieser Klasse wird sich zeigen, wer wirklich gute Arbeit zu leisten vermag oder wer den Unterricht nicht sonderlich ernst nimmt. Die Invivo-ad-Vivo-Verwandlungen sind sehr schwer und verlangen unbedingte Konzentration auf alle dazugehörigen Komponenten", schärfte sie den Schülern ein, bevor sie zur Aufwärmübung noch einmal Verwandlungen von Tieren in tote Gegenstände ausführen ließ.
Nach der Stunde beeilten sich die Schüler, zur Geschichtsstunde bei Professor Binns zu kommen. Offenbar wollten sie nicht dasselbe erleben, was vorher bei Kesselbrand passiert war.
Am Mittwochmorgen war Aurora Dawn die erste, die vor den Klassenraum für Verteidigung gegen die dunklen Künste ankam. Sie wollte versuchen, den neuen Lehrer vor allen anderen zu treffen, um ihn zu fragen, wieso er jetzt als Lehrer arbeitete, wo sie ihn ein Jahr zuvor noch als Mitglied des Aurorencorps getroffen hatte. Doch Professor Balder kam nicht. Ihre Klassenkameraden trudelten nach und nach ein, ohne daß der neue Lehrer sich blicken ließ. Erst als alle vor dem Klassenraum standen, klickte das Türschloß, und Professor Balder steckte seinen Kopf durch die Türöffnung.
"So, jetzt könnt ihr alle reinkommen. Ich wollte nur nicht haben, daß hier einer nach dem anderen reintröpfelt", sagte er belustigt grinsend. Das wirkte irgendwie ansteckend. Denn alle Schülerinnen und Schüler mußten schmunzeln, als sie das Klassenzimmer betraten.
Nach der üblichen Vorstellungsrunde erzählte Professor Balder, was er vorher gemacht hatte und weshalb er jetzt als neuer Lehrer eingesprungen war.
"Viele von euch wissen sicher, daß ich fast zwanzig Jahre im Aurorentrupp mitgearbeitet habe und einige der schlimmsten Dunkelmagier dieser Zeit gejagt habe. Dabei ist mir ziemlich häufig aufgestoßen, wie hilflos meine Mithexen und -zauberer den dunklen Künsten gegenüber waren. Die Erwachsenen schienen sich gänzlich davon abgewandt zu haben, eigene Verteidigungspraxis zu behalten und die Schüler haben meistens nur unter Laborbedingungen gearbeitet. Außer denen, die von Professor Bitterling ständig herangezogen wurden, sich möglichst gut zu üben, habe ich keine Hexen und Zauberer angetroffen, die sich nach der Schule noch mit der Abwehr dunkler Kräfte beschäftigt hatten, ja an sich zu viel Angst hatten, dabei Probleme heraufzubeschwören.
Als nun vor drei Monaten Professor Bitterling angekündigt hat, sie wolle nur noch Zaubertränke unterrichten, hat Professor Dumbledore herumgefragt, wer von uns aus dem Aurorentrupp den Unterricht übernehmen würde. Ich habe mich bereiterklärt. Bei mir werdet ihr lernen, daß ihr euch nicht darauf verlassen dürft, daß ein Experte sofort zur Stelle ist, der sich dafür bezahlen läßt, euren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Es gibt Sachen, die könnt ihr jetzt schon anwenden, um einige Sachen im Ansatz zu vereiteln. Beispielsweise werde ich euch den Umgang mit magischen Fallen beibringen und zeigen, wie man verfluchte Gegenstände finden und unschädlich machen kann. Daneben werden wir, wie es für euch ja schon bekannt ist, Duellübungen abhalten und echte Kreaturen der Dunkelheit kennenlernen und bändigen. Meine geschätzte Kollegin hat bereits hohe Maßstäbe gesetzt, weiß ich aus ihren Unterlagen. Ihr werdet von mir lernen, euer Überleben als wichtigsten Maßstab anzuerkennen. Gerade durch die Bedrohung des Magiers, der hier nicht so unbedenklich beim Namen genannt wird, zeigt sich die Notwendigkeit eigener Verteidigungsfähigkeiten deutlicher als zu anderen Zeiten.
Sich wehren und anderen helfen zu können ist eine Pflichtübung, deren Sinn und Funktion ich euch beibringen werde. Wer das jetzt nicht glaubt, der oder die kann schon einmal ein Bett im Krankenflügel vorbestellen, weil es ihm oder ihr passieren mag, häufiger im Krankenflügel zu landen als am Unterricht teilzunehmen. Soviel zu mir und euch. Gehen wir es an!"
Balder hatte in einer gelassenen Art gesprochen, nicht streng oder drohend. Dennoch wirkten seine Worte wie letzte Warnungen auf die Schülerinnen und Schüler. Als er dann verlangte, man möge ihm zeigen, wer wie gut mit Flüchen und gegenflüchen hantieren könne, zeigte sich rasch, wer das im letzten Jahr gelernte noch gut bis nicht mehr behalten hatte. So landeten außer Aurora, Roy, Bruster und Miriam alle Schüler mit kleineren Fluchschäden im Krankenflügel und wußten, daß Bitterling einen würdigen Nachfolger gefunden hatte. Als dann am Mittag herumging, daß Balder und Bitterling einen Duellierclub gründen wollten, an dem alle Schüler ab der zweiten Klasse teilnehmen könnten, wand sich Petula Woodlane, die froh war, ihre Kopfhaare wiederzuhaben, nachdem Balder sie ihr mit einer blitzartigen Zauberstabbewegung hatte ausfallen lassen.
"Der sieht mich nur in seinem Unterricht", stieß sie aus. "Ich habe nicht vor, mich andauernd verhunzen zu lassen."
"Duellieren? Stark! Mach ich mit", verkündete Roy Fielding. Bruster nickte heftig. Auch Miriam und Aurora verrieten, daß sie wohl mitmachen würden.
Nach dem Mittagessen holte Alessandro Boulder Aurora, Ken Dasher, Norman Wayne und Karin Meridies kurz zu sich. Er war von Flitwick und Wood als neuer Quidditchkapitän ausgesucht worden.
"Am nächsten Freitag machen wir eine Auswahl der neuen Mannschaftsmitglieder. Wir müssen den Hüter und vielleicht zwei neue Jäger ermitteln. Ich hoffe mal, daß wir bis zum ersten Spiel eine Mannschaft kriegen, die dieses Jahr den Pokal holt."
"Haben sich denn schon welche angemeldet?" Wollte Ken wissen.
"Sieben Leute hat Madame Hooch schon auf der Liste. Darunter ist auch Mortimer Swift aus deiner Klasse, Aurora", sagte Alessandro. Aurora nickte."Der kann ziemlich gut spielen, Alessandro. Ich habe mit ihm vor einem Jahr eins gegen eins gespielt, er im Torraum und ich als Angreiferin. Der kann besser parieren als ich."
"Das werden wir sehen", sagte Alessandro. Dann wünschte er seinen Mannschaftskameraden noch einen schönen Wochenrest und eilte mit Ken und Norman zum Unterricht.
"Das wird aber dann lustig, wenn Mortimer auch mitspielt", dachte Aurora, bevor sie zu ihren Klassenkameraden zurückkehrte.
Die nächsten Wochen flossen wie ein wilder Bergbach davon. Der Unterricht ging mit größerer Härte weiter. Aurora und Miriam waren die besten in Verwandlung, während Dina Murphy immer noch Probleme beim Zaubern hatte. Sicher, ihr Zauberstab spielte nicht so verrückt wie in ihrem ersten Jahr. Aber oft passierte es ihr, daß bei Verwandlungszaubern sich andauernd ändernde Ergebnisse herauskamen. So verwandelte sich ein aus einer Untertasse gezauberter Regenwurm keine Sekunde nach seinem Erscheinen in einen Apfel oder ein gezauberter Käfer verformte sich andauernd zu anderen Insekten, ohne daß Dina weitere Zauber auf ihn anwendete.
"Offenkundig haben Sie ihr Anfangsproblem mit ihrer Zauberkraft wieder, Ms. Murphy", stellte Professor McGonagall fest und beendete die wilde Verwandlung des Käfers mit einem Verwandlungsstopzauber, sodaß der Käfer wieder zum Kragenknopf wurde. "Sie projizieren mehr Zauberkraft auf das Objekt und sind dabei offenbar nicht vollständig bei der Sache. Ihr Zauberstab scheint die Kraft zu stauen und in verkehrenden Magiefreisetzungen auf das Objekt zu übertragen. Am besten machen Sie vor jeder Zauberei eine Konzentrationspause, um die Gedanken ausschließlich auf das zu schaffende Ergebnis auszurichten!"
Der Unterricht bei Balder erwies sich auch als heftig, wenngleich fast keiner Punkte einbüßte, wenn er oder sie einen Fluch nicht abwehren konnte. Diejenigen, die sich trauten, in den Duellierclub einzutreten, waren auch im Unterricht die besseren Abwehrkünstler.
"Ihr seht, daß nichts schlimmer ist als die Vernachlässigung der eigenen Fähigkeiten", sagte Balder, als es ihm einmal gelungen war, Mortimer Swift in einen widerlich grünen Schleimmantel einzuhüllen. "Wachsamkeit und Einsatzfreude sind die Dinge, die euch vor schlimmerem bewahren können."
Neben Mortimer Swift waren noch Dorothy Corner und Cyrus Windslow als neue Mitglieder der Quidditchmannschaft angeworben worden. Mortimer hatte sich dabei als Hüter empfohlen, während Dorothy eine gute Jägerin abgab und der gedrungen wirkende Cyrus aus der vierten Klasse als Reservetreiber bereitgehalten wurde, wenn Ken oder Alessandro einmal ausfallen sollten. Zwischendurch erfuhr Aurora von den Hawkins-Geschwistern, daß beide sich für die Gryffindor-Mannschaft empfohlen hatten und der neue Kapitän der Gryffindors, Samuel Winchester als großartiger Jäger James Potters Nachfolge antreten würde. Mit etwas Unbehagen hatte Aurora es hingenommen, daß Samiel Sharkey von den Slytherins als Treiber angestellt worden war. Roy hatte ihr darauf mal gesagt, daß der ja gleich als Schläger gegen die Klatscher benutzt werden könne, solange seine Gestalt wie Haut und Knochen das mitmachte.
Am Tag des Halloweenabends kam der von den Drittklässlern lange herbeigesehnte Ausflug nach Hogsmeade. Aurora ging zusammen mit Petula und Miriam durch das Schloßtor, wo Filch der Hausmeister jeden argwöhnisch beäugte, der oder die nach Hogsmeade wollte. Als sie dann durch das Tor mit den beiden geflügelten Ebern aus Stein das weite Schulgelände verließen, fühlte Aurora Dawn, daß sie jetzt etwas machte, was sie vorhin noch nie getan hatte. Denn sie war früher nie ohne ihre Mutter oder ihren Vater ausgegangen. Und heute war sie ohne ihre Eltern unterwegs.
"Was muß man in Hogsmeade zuerst gesehen haben, Miriam?" Fragte Aurora. Miriam, die sich in der Rolle der Expertin für Hogsmeade gefiel. strahlte ihre Schulfreundin an.
"Also zuerst gehen wir zum Honigtopf. Da können wir uns mit dem besten Süßkram der Zaubererwelt eindecken. Anschließend kucken wir mal, was der Besenknecht für neue Hexenklamotten da hat. Ich hoffe, ihr habt genug Geld einstecken. Dann müssen wir mal das Postamt besuchen und bei Dervish & Banges rein, wo die magische Gegenstände haben. Die Jungs werden wohl bei Zonkos Scherzartikelladen reingehen und den Mumpitz da kaufen. Ja, und dann können wir entweder zu Madame Puddifoot gemütlich Tee trinken oder in die drei Besen. Den Eberkopf würde ich euch dringenst abraten. Da trifft sich eher sauflustiges Gesindel. meine Eltern sagen, daß Hexen, die da reingehen meistens keinen Anstand haben. Apropos, mein Daddy ist bei Dervish & Banges beschäftigt. Vielleicht treffen wir den ja da."
"Hmm, dann gehen wir da besser zuerst hin", schlug Aurora Vor. "Nachher macht der dir noch Vorwürfe, du hättest uns zur unpassenden Zeit angeschleppt."
"Ach, wenn ihr da was kauft ist das nie zur falschen Zeit", wußte Miriam darauf zu antworten. "Aber so gesehen ist das schon günstig. Der Laden liegt nämlich gleich am Ortseingang. Tja, die wissen schon, warum."
So eilten die drei Hexenmädchen schwatzend und fröhlich lachend in das Dorf, wo nur Hexen, Zauberer und Zauberwesen zu finden waren. Roy Fielding, der Halloween als Fest der Verkleidungen kannte, hatte sich muggelmäßig in Jeans und Pullover nach Hogsmeade aufgemacht. Bruster meinte nur, daß er entweder am Ortseingang abgewiesen oder von allen dort herumlaufenden Zauberern ausgelacht würde.
Dervish & Banges war ein großer Backsteinbau mit einer gläsernen Vordertür, über der ein vielstimmiges Glockenspiel die eintretenden Kunden begrüßte. Drinnen tickte, surrte, schnurrte, zirpte und Schnarrte es, quoll dort Rauch aus irgendeinem silbernen Ding und blitzte es da aus einem goldenen Etwas. Roy, der gerade mit Dina in den Laden hereinkam, staunte Bauklötze.
"Eh, voll cool. Was sind das alles für Sachen?" Fragte er. Dina, die wohl keine Ahnung von magischen Werk- und Spielzeugen hatte, blickte hilflos herum, ob jemand hier aufzutreiben war, der sich damit auskannte. Tatsächlich tauchte kurz nach dem Glockenspiel ein Zauberer mit rotblonder Igelfrisur hinter einer Eichenholztheke mit vergoldeten Kanten auf. Er trug einen mit silbernen Sternchen verzierten mitternachtsblauen Umhang. Er lächelte Miriam an, die das Lächeln erwiderte und betrachtete dann Roy.
"Streich oder Süßes?" Fragte der Zauberer lachend. Roy lief rot an.
"Öhm, woher kennen Sie denn das?" Fragte Roy verlegen.
"Du bist nicht der erste junge Mann, der in Muggelkleidung hereinkommt. Die meisten davon haben dann immer "Streich oder Süßes!" Gerufen, weil sie meinten, diese blauen Hosen und die knopflosen überziehhemden wären eine gelungene Verkleidung", grinste der Zauberer. Dann sah er Miriams Freundinnen an. Petula erkannte er offenbar. Denn er meinte:
"Ah, hat deine Schwester den Wasserfinder immer noch, den sie vor einem Jahr gekauft hat?"
"Ja, hat sie noch. Sie sind Mr. Swann?" Entgegnete Petula. Der Zauberer nickte und lächelte Miriam an, die sich in Pose warf und ihren Vater und ihre Klassenkameraden einander vorstellte. Dann fragte Roy noch einmal, was das alles für Gerätschaften hier waren.
"Tja, wir verkaufen Hilfsmittel und Werkzeuge. vieles davon vertreiben wir in Lizenz für Prazap, dem Laden in der Winkelgasse. Dazu gehören die Wunderwerkzeuge und magischen Messinstrumente", begann Mr. Swann und erläuterte, was ein Wasserfinder machte, den Petulas Schwester sich zugelegt hatte oder wozu ein Mehrmagnet gut war. Er zeigte verschiedene größere und kleinere Uhren und andere Messinstrumente, beispielsweise den Flammenfühler, der zeigte, ob eine Flamme gut brannte und wie heiß sie war.
"Für manche Zauber ist es wortwörtlich elementar wichtig, wie gut ein Feuer brennt. In der elementarmagie zählt Feuer ja zu den Naturerscheinungen mit eigenen Wesenszügen, wie der Wind auch."
"Hast du diese Zauberstabwaagen noch vorrätig, Dad?" Fragte Miriam.
"Aber gewiss, Schnüppchen", sagte Mr. Swann strahlend. Miriam lief rot an. Unbeeindruckt davon führte ihr Vater eine Messingwaage vor, auf die man seinen Zauberstab legen konnte. Aus einer Metalltrommel darunter kam dann ein Pergamentstreifen, der die Eigenschaften des Zauberstabs und wie lange mit ihm bereits gearbeitet wurde aufzeichnete. Dina fragte, wie teuer dieses Gerät war und holte aus ihrer Handtasche eine Kaninchenfellbörse und zählte zwanzig Goldmünzen auf den Ladentisch. Dann ließ sie sich die Zauberstabwaage einpacken.
"Wozu brauchst du sowas?" Wollte Roy wissen.
"Damit ich zwischendurch nachmessen kann, ob's mit meinem Zauberstab noch gut geht", zischte Dina leicht verärgert. Roy verstand. Er kaufte sich einen Regenbogenwürfel, der keine Augenzahlen sondern beim fallen eine bestimmte Farbe zeigte und einen Enthüller, einen rot glitzernden Radiergummi, der unsichtbare Tinte sichtbar rubbeln konnte. Aurora Dawn faszinierte ein Wecker aus Messing, der durch die eigene Stimme gestellt werden konnte und wochenlang nicht aufgezogen werden mußte. Als Uhrzeiger dienten verschiedene kleine Musiker auf der Oberseite. Wenn die Weckzeit kam, würden diese zwölf Musiker sogar laut genug ein Lied aufspielen, daß man ihnen mal vorgesungen oder vorgespielt hatte. Insgesamt konnte dieses Gerät einhundert Melodien in sich aufnehmen. Sie zahlte die sieben Galleonen dafür. Dann verabschiedeten sie sich von Mr. Swann und zogen weiter zum Besenknecht, wo sich die Mädchen Warmwollepantoffeln mit plüschigen Kaninchenkopfmustern an den Spitzen zulegten, die von alleine angehoppelt kamen, wenn man sie anziehen wollte. Roy und Dina waren bereits unterwegs zu einem anderen Laden von Hogsmeade.
"Oha, mein Vater wird mich fragen, ob ich noch ganz beieinander bin, wenn ich an einem Tag Taschengeld für drei Monate auf den Kopf haue", seufzte Aurora, als sie beim Honigtopf eine große Tüte mit allerlei Süßkram heraustrug. Miriam schmunzelte nur.
"Was meinst du, warum die von den Eltern eine Erlaubnis haben wollen, daß wir hier hingehen dürfen?" Meinte sie erheitert. Dem konnte Aurora nichts hinzufügen oder entgegenhalten.
Voll bepackt mit nützlichem und unsinnigem Zeug landeten die drei Mädchen in den drei Besen. Dort trafen sie Roy und Dina wieder. Roy wirkte sichtlich durcheinander. Aurora folgte seinen verstörten Blicken und sah ein Geschöpf, daß wohl weiblich war, etwas kleiner als sie selbst war, jedoch schon alle Körpermerkmale einer erwachsenen Frau besaß, grünlich im Gesicht und mit struweligem, schwarzblauen Haar. Es warf Roy aus seinen gelben Augen mit weißen Pupillen schelmische Blicke zu und entblößte beim Lächeln zwei reihen nagelspitzer, graugelber Zähne. Zudem saß es nicht auf einem Stuhl, sondern schwebte, sodaß seine klauenartigen Füße in den groben Holzschuhen fünf Zoll über dem Boden waren und der Saum des langen, dunkelgrünen Rocks, der mit Erde und anderem Dreck verunreinigt war, nicht die Sitzfläche berührte.
"Ach du meine Güte", dachte Aurora. Roy drehte sich von dem Geschöpf fort, das offenbar nicht das einzige seiner Art hier war. Denn weiter hinten an der Theke schwebte noch ein solches Wesen mit blutrotem Kleid und nahm gerade zwei dampfende Gefäße mit seinen spinnenbeinartigen Fingern entgegen. Eine Hexe mit gutmütigem Gesicht nahm die zwei Steine entgegen, in denen es golden schimmerte. Offenbar bezahlten diese Wesen mit unbehandeltem Gold, dachte Aurora, bevor Roy sie laut anrief. Sie eilte zu ihm hinüber. Dina wirkte noch verstörter als er.
"Das hat uns niemand vorher gesagt, daß diese Biester da auch hier herumwuseln", zischte er leise. Aurora nickte. Doch dann meinte sie:
"Hogsmeade ist der einzige Ort außer der Winkelgasse, wo die sich offen zeigen. Aber diese Sabberhexen tun dir doch nichts mehr. Du bist denen doch schon zu groß um in ihr Futterangebot zu fallen."
"Haha, Aurora. Dafür hat die gemeint, ich könnte ihr und ihrer Schwester was gutes tun. Die hat mich doch echt gefragt, ob ich schon was kleines machen könnte."
"Neh, ne? Das hat die nicht im ernst gefragt", stutzte Aurora und blickte nun genauso perplex wie Roy zu der einen grüngesichtigen Kreatur hinüber, die gerade ihrer Artgenossin, vielleicht ihrer Schwester, zuwinkte, die ohne mit einem Fuß aufzutreten herüberglitt.
"Das stimmt. die hat mich angesehen, gemeint, daß ich doch eh zu mickrig für ihn sei und ihn gefragt, ob er nicht mal eben mit ihr und ihrer Sorhag in die Büsche gehen wolle. Sie würden ihm auch helfen, es gut zu machen. Widerlich", sagte Dina mit Ekel in Tonfall und Ausdruck.
"Was hat uns Balder über Sabberhexen erzählt?" Fragte Aurora eher belustigt als ernst gemeint. "Salzvor sie hingestreut hindert sie am Schweben. Streust du dir reines Steinsalz auf die Hände oder das Gesicht, ziehen sie sich zurück. Ihr Geruchssinn verträgt kein reines Salz. Vielleicht solltest du dir welches von der Wirtin geben lassen."
"Gute Idee", meinte Roy und wollte schon aufspringen. Doch Aurora wieß ihn darauf hin, daß die zweite Sabberhexe gerade auf ihn blickte. Offenbar belauerte sie ihn wirklich. Sie bot an, was zu trinken und wenn es heimlich ging auch eine Prise Salz zu besorgen. Sie ging mit klopfendem Herzen an dem Tisch vorbei, wo die beiden grüngesichtigen Schwestern sich in einer schnatternden Sprache unterhielten und sie nicht gleich beachteten. Offenbar war das Gebräu in den großen Tontassen vor ihnen wichtiger, oder sie mußten aufpassen, was Roy Fielding machte. Aurora dachte echt an zwei Katzen, die ein Mauseloch bewachten oder sich für einen auserwählten Kater zur Schau stellten.
"Hallo, Kind! Was darf's sein?" Fragte die Wirtin, als Aurora an der Theke Stand. Sie bestellte Kokosschaumkakao für sich und Petula, sowie Butterbier für Roy und Dina. Dann fragte sie, ob sie nicht etwas Steinsalz haben könne, weil ihr Klassenkamerad den Umgang mit Sabberhexen nicht gewöhnt sei. Die Wirtin lächelte warm und ging auf ihren Stöckelschuhen durch eine Tür, um die heißen Getränke zu holen. Miriam tauchte neben Aurora auf und wartete, bis Madame Rosmerta, so hieß die Hexenwirtin, mit Auroras Bestellung zurückkehrte. Aurora sah unter einer kleinen Flasche Butterbier den Zipfel eines Papiertütchens hervorlugen. Miriam bestellte auch von dem Kokosschaumkakao und stellte ihre Tasse auf das Tablett, das Aurora gekonnt zum Tisch von Roy und Dina zurücktrug. Dabei bemerkte sie, wie die Sabberhexe im dunkelgrünen Rock sie angrinste und dann ihre runzelige Nase rümpfte.
"Das ist aber gar nicht fein von dir, Mädchen", schnatterte die Sabberhexe verärgert.
"Du mich auch, Grünfratze", dachte Aurora für sich und brachte das Tablett zu Roy und Dina hinüber. Petula und Miriam blickten die beiden fragend an. Dina und Roy nickten wild.
"Ein Lied, zwo, drei, vier!" Erscholl es urplötzlich von draußen mit einer sehr lauten, meckernden Stimme. Dann polterten fünf kleinwüchsige Gestalten mit breiten Brustkörben und knorrigen Armen und Beinen und langen Bärten herein. Sie trugen fünf unterschiedlich gefärbte Kapuzenmäntel und blickten aus mausähnlichen Knopfaugen herein, wer sie ansah.
"Ach du großer Mist, das ganze Sammelsurium der Gebrüder Grimm marschiert hier auf. Wenn zumindest noch ein Schneewittchen dabei wäre", seufzte Roy, als die fünf Zwerge laut gröhlend den Schankraum betraten. Der Chefzwerg, erkennbar am längsten der fünf Bärte und dem Schmiedehammer am breiten Gürtel, stakste zur Theke und bestellte ganz ungeniert für alle hörbar: "fünfzehn Schnackelmannbrandies, Frau Wirtin!"
"Ui, das ist das schärfste Gebräu, daß die Zaubererwelt kennt. Dagegen ist Feuerwhisky wie Quellwasser", bemerkte Miriam beeindruckt. "Mein Dad mußte mal mit einem von dieser Sorte trinken. Der ist gleich nach dem Eersten Schluck umgekippt, hat wild geröchelt und grünen Qualm aus dem Mund gehächelt. Heiler mußten ihm mehrere Becher Entweingeisterungstrank verabreichen, damit sein Magen nicht vom Brandwein durchlöchert wurde. Nur Zwerge, Oger und Riesen vertragen dieses Gesöff."
"Eh, kann man damit auch Sabberhexen umhauen?" fragte Roy, der wie das Kaninchen vor zwei Schlangen zu den grüngesichtigen Schwestern hinüberschielte, die verächtlich die Saufbrigade der Zwerge anglotzten. Doch als hätten sie ein Gespür für auf sie fallende Blicke warfen sie beide zur selben Zeit die struweligen Köpfe herum und grinsten Roy graugelb glänzend an. Dabei rann ihnen gelblich-grüner Speichel in feinen Tropfen aus den Mundwinkeln, und sie konnten die rotgrauen Zungen sehen, die wie halb ausgerollte Regenwürmer aussahen.
"Igitt", gab Dina ihrem Ekel Ausdruck.
"Die könnte Dumbledore glatt zu Halloween einladen", feixte Petula, die offenbar keine Angst vor Sabberhexen hatte.
"Die sehen nur anders aus als wir. Das ist kein Grund, sich zu sehr über die zu ekeln", meinte Aurora altklug.
"Eh, hast du vergessen, was Bruster und später auch Balder erzählt haben? Die fressen alles, was kleiner als sie ist", quetschte Roy angewidert hervor.
"Da hast du recht, daß wir denen nicht noch helfen sollten, sich zu vermehren. Aber hassen müssen wir die ja nicht gleich deswegen, solange wir lernen, wie wir mit denen umgehen können", wandte Aurora Dawn ein.
"Apropos, hast du das Salz mit?" Flüsterte Roy. Aurora deutete auf eine der Butterbierflaschen. Roy hob sie an, fand das Tütchen, riss es unbekümmert auf und streute sich schnell eine Portion auf die Hände, rieb sich das Salz großflächig darauf und strich sich sogar was davon ins Gesicht. Dina nahm auch davon und behandelte auch ihre Hände und ihre Wangen. Die beiden Sabberhexen sahen nun selbst angewidert zu ihnen herüber und feuerten böse Blicke auf Aurora ab.
"Kuck mal, die Zwerge da sind doch auch kleiner als die beiden Sabberschwestern", meinte Miriam belustigt. Dann sah sie, wie der Längstbärtige zwei Schnackelmannbrandies hintereinander zwischen seine Barthaare schüttete und genüßlich schluckte. Er schüttelte sich und warf seinen Trinkbrüdern einen höchstzufriedenen Blick zu.
"Auf harten Stein und ewigglange Bärte!" Trank er noch seinen vier Kumpels zu und versenkte den dritten Brandwein in seinem offenbar gußeisernen Magen.
"Die werden heute nicht mehr gefressen", grinste Petula, die offenbar keinen Draht für Roys Bedrängnis hatte. Sicher, sie hatte ja auch nicht mitbekommen, was Roy Aurora erzählt hatte.
"Hoffentlich spucken die hier kein Feuer", flachste Miriam noch. "Ich habe doch echt mal einen Zwerg erlebt, der Roster Bodenlos hieß. Der hat vier von diesen Brandies auf Ex runtergekippt und dann mit einer Stichflamme aufgestoßen. Gut, daß Rosmerta ihre Möbel mit Flammenschutzzauberfarbe angestrichen hat. Der Feuerstoß ging mindestens drei Meter weit."
"Eh, langsam kommt's mir vor, als würdest du uns hier einen ganzen Zoo voller Bären aufbinden, Miriam", gab Roy leicht verärgert zurück. Miriam lächelte kalt. Dann rülpste der Längstbärtige, und tatsächlich flogen rote und gelbe Funken aus seinem Mund. Er wischte sich schnell mit einem seiner Ärmel über den Bart, damit dieser nicht anbrennen würde.
"'Tschuldigung, Miriam", sagte Roy mit abbittendem Blick zu Miriam. Sie nickte.
Als dann noch Professor McGonagall, Professor Flitwick und Professor Bitterling den Schankraum betraten, beruhigte sich Roy Fielding wieder. Denn die Sabberhexen schienen die Hogwarts-Lehrer sehr stark zu respektieren. Sie tranken ruhig ihre Tassen leer und schwebten ohne weiteres Wort oder weitere Gesten aus dem Schankraum, während die Zwerge ungeniert ein Trinklied nach dem anderen anstimmten. Irgendwann wurde das Professor McGonagall zu viel. Sie stand auf, räusperte sich sehr laut und sagte mit gebieterischer Stimme:
"Meine Herren, Ihre Feierstimmung in Ehren. Aber Sie haben sicher gesehen, daß sich einige unserer Schüler im Schankraum aufhalten. Ich möchte Sie daher bitten, Ihre derben Sangeskünste nicht weiter zu üben oder sich ins Hinterzimmer zurückzuziehen. Bringen Sie das fertig?"
"Häh?! Was will die?" Fragte ein Zwerg mit dunklem Bart. Der Chefzwerg zischte ihm was in einer nichtmenschlichen Sprache zu was den Frager kuschen ließ. Die Zwerge zogen sich in das Hinterzimmer zurück, an dessen Tür "Nur für Volljährige" stand.
"Madame Rosmerta vermietet das Zimmer manchmal für Kartenspielabende. Irgendwann hat mein Dad mal da mit dem Leiter der Spiele-und-Sport-Abteilung um einen Sack voll Galleonen gepokert", flüsterte Miriam.
"Auf jeden Fall hat McGonagall diese Rohlinge voll im Griff", bemerkte Petula anerkennend.
Professor Bitterling blickte sich um und sah Roy Fielding, an dessen Nasenspitze ein weißer Salzkrümel hing. Sie kam herüber, betrachtete Roy und meinte:
"Hatten Sie Probleme mit diesen beiden Sabberhexen, Mr. Fielding?"
"Öhm, ja in der Richtung, Professor Bitterling", sagte Roy kleinlaut.
"Welcher Art waren diese Probleme?" Wollte die Zaubertranklehrerin wissen. Roy lief tomatenrot an, was das Salz auf seinen Wangen weiß hervorschimmern ließ. Dann erzählte er kurz und leise, was die beiden Sabberhexen ihm gesagt hatten. Professor Bitterling rümpfte die Nase. Dann sah sie an Roy herunter und nickte, als habe sie eine Bestätigung für etwas gefunden. Sie straffte ihren Körper und sagte mit ernster Betonung:
"Offenbar meinten Sie, sich wie ein Muggel kleiden zu müssen sei spaßig. Aber Sabberhexen reagieren auf nackte Beine oder zumindest auf Beine, die frei zu sehen sind, wie Ihre Röhrenhosen das ermöglichen. Wenn eine Sabberhexe in Hitze ist sind alle männlichen Beine, die länger als für ihr Beuteschema sind, Schlüsselreize für ihren Fortpflanzungstrieb. Hinzu kommt dann noch der Schweißgeruch unberührter Knaben, die aber schon zeugungsfähig sein können. Da Ihre Hose sehr eng im Schritt anliegt, dürfte das den sichtbaren Reiz noch ergänzt haben. Gewöhnen Sie sich besser an, in den nächsten vier Jahren ordentliche Zauberergewänder zu tragen, wenn Sie nicht weitere Begegnungen dieser Art erleben möchten!"
"Ich habe es wohl begriffen", gab Roy eingeschüchtert zur Antwort.
"Wer hat Ihnen das Salz beschafft?" Fragte die Zaubertranklehrerin. Aurora nickte ihr zu. Professor Bitterling nahm die kleine Tüte, in der noch ein Rest Steinsalz enthalten war und gab es Aurora.
"Reiben Sie sich am besten auch damit ein, Ms. Dawn", empfahl sie und kehrte dann zu ihren Kollegen zurück. Aurora zögerte nicht und streute sich den Rest aus der Tüte auf die Handflächen und rieb sich die Hände und die Wangen ein.
"Nachher sind die noch rachsüchtig", meinte sie.
"Sonst hätte dir die Bitterling wohl kaum geraten, dich auch noch zu würzen", feixte Petula. "Immerhin haben die zwanzigmal bessere Nasen."
Also nach dem kostenlosen Zirkus hier wird die Halloweenparty in Hogwarts wohl ganz beschaulich", meinte Roy noch.
"Wird wohl sein", sagte Miriam.
Nach ungefähr einer Stunde verließen die Drittklässler die Drei Besen wieder und besuchten noch das Postamt von Hogsmeade, wo sie Miriams Mutter trafen, die dort als Eulenpflegerin arbeitete. Sie führte ihnen den Expressdienst der Eulen vor, daß Zauberer mit einer Eule per Flohpulver aus einem Kamin abreisten und die Eule weit entfernt aufließen, damit sie ihre Post zustellen konnte. aurora schickte einen Brief an ihren Vater, der gerade in Schottland unterwegs war und ging dann mit ihren Schulfreundinnen, sowie Roy und Dina zurück nach Hogwarts. Unterwegs meinte sie, zwei gelbe Augenpaare würden sie aus einem Gebüsch heraus anblinzeln. Doch mehr passierte nicht. Offenbar hielt das Salz auf Auroras Händen und Wangen die beiden Sabberhexen gründlich auf Abstand. Als sie dann noch durch das große Tor mit den geflügelten Steinebern waren, fiel jedes Unbehagen von ihnen ab. Jetzt waren sie wieder im Schutzbereich von Hogwarts.
Im Waschraum der Mädchen wuschen sich Aurora und Dina den Salzüberzug vom Gesicht und den Händen. Dina bedankte sich noch einmal bei der Klassenkameradin, daß sie ihr und Roy geholfen hatte.
"War selbstverständlich, Dina. Roy war ja wirklich total durcheinander. Haben diese Sabberhexen den wirklich zur Paarung haben wollen?"
"Warum sollte Roy dich belügen?" Gab Dina leicht verstimmt zurück. Aurora Dawn sah abbittend auf Dina, die ihr immer wieder merkwürdig selbstsicher vorkam, wenn sie sich wegen Roy aufregte. War da vielleicht doch was zwischen ihr und ihm?
"Manche Jungs erfinden die tollsten Geschichten, wenn sie einem Mädchen was spannendes oder haarsträubendes erzählen wollen. Aber ich denke, mit der Zuneigung irgendwelcher Sabberhexen anzugeben gehört nicht zu solchen Geschichten." Dina lachte darüber. Dann gingen die beiden Mädchen hinunter in den Gemeinschaftsraum. Dort trafen sie sich mit ihren Schulkameraden.
Dann kam die Halloweenfeier. Diesmal hatte Dumbledore weder Gespenster noch lebendige Gerippe engagiert wie die beiden Jahre zuvor, sondern einen Dompteur für rote Riesenraupen, mit Schwellzaubern auf mehr als einen Meter aufgeblähte, schleimige Tiere, die in einem großen Bassin auf einer Bühne zum jaulenden Spiel einer singenden Säge Kunststücke vorführten, wobei sie sich ineinander zu verknäulen schienen oder zum zerreißen gestrafft senkrecht nach oben standen. Dazu gab es tanzende Flammen, die der Artist aus einer kleinen Messingschale aufsteigen und in der Halle herumgleiten ließ. Sie formten sich zu Schreckensfratzen oder bildeten funkensprühend die großen Kürbisse nach, die den Schmuck der Halle bildeten. Als die Schüler dann nach Mitternacht in ihre Schlafsäle zurückkehrten spukten ihnen die schauerlichen Monsterraupen noch im Kopf herum, wie sie sich aufblähten, langzogen, drehten und ihre vielen Beine und die Fühler zur jammernden Musik der Säge bewegten.
"Das war ja richtig gruselig", meinte Petula Woodlane, als sie im Mädchentrakt der Ravenclaws angelangt waren. Aurora erwiderte darauf nur:
"Die lassen sich aber immer was einfallen, um irgendwelchen Unsinn mit Tieren zu machen. Ob das wirklich so schön ist, solche Riesenbiester zu haben?"
"Vielleicht werden die nach Halloween getötet", vermutete Dina Murphy. Das fanden ihre Schlafsaalmitbewohnerinnen zutreffend. Wer brauchte nach Halloween schon Monster, die wohl nur zum schaurigen Vergnügen gezüchtet worden waren?
"Man müßte nur wissen, ob das Tierquälerei ist, harmlose Tiere durch Magie zu verunstalten", wandte Miriam ein. "Nachher macht jeder mit den Tieren seiner Umgebung was er oder sie will."
"Da gibt's doch die Kreuzungsbeschränkungen", erinnerte sich Aurora Dawn. "Das hat uns Kesselbrand doch im Unterricht erzählt, daß nicht einfach einer hergehen und beliebig mit Lebewesen rumhokuspokussen kann.
"Na ja, da waren die Knochengerüste letztes Jahr richtig elegant gegen", meinte Petula.
"Hast recht", pflichtete Aurora ihr bei.
Die Wochen darauf bangten alle der Eröffnung des schuleigenen Quidditchturnieres entgegen. Das Training wurde härter, und Aurora meinte oft, sie würde wieder ihren Besen zerlegen, bevor sie überhaupt spielen könnte.
Als dann das erste Spiel der Saison zwischen Gryffindor und Slytherin begann, war Aurora gespannt, was die neuen Mannschaften hermachten. Sie dachte daran, daß diese Begegnung in ihren beiden ersten Jahren hier immer eine heillose, schmutzige Keilerei auf fliegenden Besen war und konnte sich nicht vorstellen, daß Gryffindor oder Slytherin mal fair spielen würde. Tatsächlich war es so, daß Gryffindor mehr auf regelgerechtes Spiel setzte, während die Slytherins meinten, alles anstellen zu dürfen, um den Quaffel zu kriegen oder die Gegner vom Besen zu hauen, nicht nur mit den Klatschern. Madame Hooch, die Fluglehrerin und Schiedsrichterin, mußte zwischendurch fünf Freiwürfe für Gryffindor aussprechen, die von Sam Winchester sicher verwandelt wurden, trotz oder gerade wegen der lauten Buhrufe der Slytherins auf der Zuschauertribüne. Es endete jedoch nicht mit dem Sieg für Gryffindor, den viele schon als pflichtgemäß ansahen, sondern mit Schnatzfang für Slytherin in der dreißigsten Minute. Damit zogen die Slytherins mit 230 zu 100 Punkten weit an die Tabellenspitze. Die nächsten Runden würden es zeigen müssen, ob sie dort in Ruhe auf den Pokal warten konnten oder nicht.
"Na toll", bemerkte Mortimer Swift, als sie wieder im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws waren. "Mit den beiden kriegen wir gut Spaß. Die Gryffindors müssen was gut machen, und die Slytherins bilden sich nun ein, durch ihr schmutziges Spiel alles kriegen zu können. Gut, daß wir in der neuen Besetzung erst mit den Hufflepuffs trainieren, bevor wir die echten Gegner kriegen."
"Die Hufflepuffs hätten vor zwei Jahren fast den Pokal gekriegt, Mortimer. Das weißt du doch noch", stellte Aurora Dawn klar. Mortimer nickte.
"Das stimmt schon. Aber die hatten damals genauso 'ne andere Mannschaft wie wir oder die Gryffindors. Das dürfte diesmal anders laufen. Und gegen die Hufflepuffs haben wir immer gewonnen, solange ich hier bin. Du selbst hast doch schon gegen die spielen können, Aurora."
"Ja, aber gerade darum will ich das nicht denken, daß die einfache Gegner sind", sagte Aurora Dawn entschlossen. Bruster Wiffle meinte dazu nur:
"Das soll man bloß nicht denken, Mortimer. ManU hätte fast eine Höllenpleite erlebt, weil die gegen einen Club aus der dritten Division antraten wie der Bär gegen den Hasen und dafür fast mit zwei zu null vom Platz gekegelt worden sind. Da hieß es am nächsten Morgen in der Zeitung: "United fast die Lachnummer der obersten Liga?" Mann, der Stuhl von dem Trainer hat sowas von gewackelt. Mein Dad hat gesagt, daß es keine Freundschaftsspiele gibt, wenn dabei das ganze Land zuschauen will. Aber vielleicht gilt das ja nur für Fußball, und bei Quidditch ist das total egal."
"Eben nicht, Bruster. Auch in der Quidditchliga gab's so'n Ding, daß eine Mannschaft, die Wimbourne Wasps, gegen eine Amateurmannschaft aus Wales mit zweihundert Punkten hinten reingerutscht ist, weil die meinten, die anderen ruhig ihr Spiel machen zu lassen. Hätte Bagman da nicht die Bremse gezogen und beim Stand von zweihundert zu zehn wild mit den Klatschern gearbeitet, hätte der Sucher von dieser Mannschaft glatt noch den Schnatz gekriegt und die Pleite total gemacht. So fiel der Sucher aus, und die Wasps konnten sich aus dem eigenen Sumpf wieder rausspielen und am Ende mit vierhundertzehn Punkten durch Schnatzfang noch als echte Profis glänzen. Deshalb habe ich Mortimer ja gesagt, wir sollen die Hufflepuffs nicht unterschätzen."
"Ja, ja, ja, Aurora. Ich hab's jetzt kapiert", knurrte Mortimer und schob ab. Aurora fragte sich, wieso Mortimer so sehr eingeschnappt war. Bruster sah seinem Cousin nach, schüttelte verhalten den Kopf und meinte:
"Irgendwie ist der im Moment leicht aus dem Tritt zu bringen. Dabei hat doch keiner von uns dem was böses gesagt, oder?"
"Ich nicht. Und du hast dem auch nichts böses gesagt, Bruster. Vielleicht hängt's an was anderem."
"Achso, dann kann ich's mir denken", grinste Bruster lausbubenhaft. Aurora sah ihn fragend an. Doch Bruster schüttelte den Kopf. Er wollte keine Frage dazu beantworten.
"Also in zwei Wochen seit ihr fällig? Hoffentlich werdet ihr schneller fertig als die Gryffindors und Slytherins heute. Diese Klopperei ist doch kein Sport gewesen, nur weil die fliegen."
"Nichts für ungut, Bruster, aber ich hörte, daß Fußballspieler nicht gerade friedlicher sind, besonders dann, wenn sie Spitzenspieler sind, die viel Geld kriegen, wenn sie gewinnen", bremste Aurora Brusters Tirade. Dieser nickte verstohlen und sagte:
"Sogesehen ist es beim Fußball besser, daß die nicht noch mit mehr als hundert Sachen durch die Luft sausen. Was machst du jetzt mit dem angebrochenen Tag?"
"Öhm, ich? Seit wann interessiert dich, was 'n Hexenmädchen macht?" Wunderte sich Aurora Dawn sichtlich. Bruster lief an den Ohren rot an. Er zupfte sich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand am Umhang und räusperte sich verlegen. Dann sagte er leise und verschüchtert:
"Öhm, das ging mir um diesen Wendeblattbusch, den uns Sprout die Woche gezeigt hat. Irgendwie habe ich das nicht rausgekriegt, wieso man den nicht ganz gewöhnlich beschneiden kann."
"Ach, eine rein unterrichtsmäßige Sache also", gab Aurora überlegen lächelnd zurück. Dann erklärte sie Bruster anhand von Pergamentblättern, wieso der Wendeblattbusch nicht wie gewöhnliches Strauchwerk beschnitten werden konnte, nämlich weil die Zweige eine rasche Wiederverfestigungsgabe besaßen. Durchtrennte man einen Zweig mit einem Messer, heilte der Schnitt sofort wieder nach, sobald die Klinge weitergeführt worden war. So sah es aus, daß die Pflanze aus einer zähflüssigen Masse bestand, die sich wieder zusammenfügte. Selbst mit den üblichen Heckenscheren ging das nicht. Das einzige, was half, war das verdunkeln der Blätter am Zweig, der gerade beschnitten werden sollte. Denn die Blätter holten sich die Kraft von der Sonne, um die Zweige wieder zu heilen und konnten sich blitzschnell in die Richtung ausklappen, wo das meiste Sonnenlicht herkam, daher ihr Name. Ein Kräuterhexer, Spinifex Dilocty, hatte diese Pflanzen vor sechshundert Jahren aus Kreuzungen arabischer Wüstenpflanzen, Sonnenblumen und Mimosen hervorgebracht. Damals, das hatte ihnen Professor Sprout im Unterricht gesagt, hätten die Blätter heilsame Säfte gegen Feuerschäden und drohende Erblindung geboten. Heute seien dafür bessere Tränke bekannt, und die Pflanze sei nur noch als Objekt für den Umgang mit schnell beweglichen Zauberpflanzen zu gebrauchen.
"Also, wenn du einen Zweig abtrennen oder verkürzen willst, überdecke die daran hängenden Blätter mit dunklem Stoff. Dann kann der Zweig sich nicht mehr zusammenfügen", beendete Aurora Dawn ihre kurze Wiederholung des letzten Themas.
"Diese Alraunen sind dagegen einfacher zu handhaben", sagte Bruster. Dann unterhielten sie sich noch über die Sachen aus Muggelkunde, warum man den elektrischen Strom durch Stecker und Steckdose in ein damit angetriebenes Gerät kriegen konnte, was daran so gefährlich war und wo Strom herkam, wenn er nicht aus einer Batterie stammte, wie sie sie bei Professor Goldbridge eingehend untersucht hatten. So hatte jeder vom anderen dessen Sachkenntnis und konnte die eigenen Hausaufgaben besser als alleine hinbekommen.
Manchmal kam es vor, daß Philipp Priestley mit seiner Klassenkameradin Elizabeth Wright Streit hatte. Sie meinte, ein Sohn einer so angesehenen Familie habe sich gefälligst auch so zu benehmen. Er hingegen fand Lissy Wright zu überheblich, prinzessinnenhaft. Aurora, die sich das die ersten Monate ruhig mit angesehen und vor allem angehört hatte, ohne was dazu zu sagen, fand es nach einer anstrengenden Trainingsrunde vor dem Spiel Ravenclaw gegen Hufflepuff zu nervig, die beiden herumzanken zu lassen. Sie blickte sich um. Die Swift-Drillinge hockten mit ihrem Bruder und ihrem Cousin zusammen. Roy Fielding saß zusammen mit Dina Murphy an einer Hausaufgabe für Bitterling, und Petula diskutierte mit ihrer Schwester Priscilla über irgendwas wichtiges. Aurora Stand auf und ging hinüber zu Lissy, die herablassend auf Philipp einredete, als sei sie seine große Schwester oder seine Mutter.
"... und bei diesem Balder hättest du ruhig besser aufpassen können. War ja peinlich, wie du diesen einfachen Gegenfluch verfehlt hast", hörte Aurora sie noch sagen. Philipp schien sich nicht sicher zu sein, ob er dieses Theater noch länger ertragen oder irgendwas dagegen sagen oder tun sollte. Als seine ältere Cousine noch dazukam, schien er regelrecht unter Druck zu stehen.
"Hallo, Philipp! Angenehmen Tag gehabt?" Begrüßte sie ihren Vetter.
"Vergiss es, Aurora. Wenn du als einziger Typ in einer Horde schnatternder Gänse eingepfercht bist und dieser Schleifer Balder meint, dir alles mögliche überbraten zu müssen, um zu zeigen, ob du was dagegen machen kannst oder nicht und dann noch von dieser Ms. Übergut da angequakt wirst, würdest du so blöde Fragen nicht beantworten. Also was willst du wirklich?" Knurrte Philipp gereizt. Lissy verzog das Gesicht und meinte:
"Jede von uns hat diesen Finite-Zauber hingekriegt, Aurora. Nur deiner Tante Sohn hat den absolut verpatzt. Das ist schon das zehnte Mal, daß der die einfachsten Gegenzauber nicht hinbekommt", zeterte Lissy.
"Kann ich dich denn fragen, Lissy, wieso dich das so betrifft, ob einer deiner Klassenkameraden was kann oder nicht kann? Hat dir mein Onkel geschrieben, du sollst Philipps Gouvernante sein oder wie diese besserwisserischen Schachteln sich nennen?" Stieß Aurora eiskalt aus. Lissy glotzte sie mit großen Augen an und schien versteinert zu sein. Dann sagte sie mit fester Stimme:
"Entschuldigung, aber mich läßt sowas nicht kalt, wenn alle außer einem die gesetzten Ziele erreichen. Ich ging davon aus, in Ravenclaw wären alle geistig fähig, die Anforderungen spielend zu erfüllen. Könnte es sein, daß ich mich da vertan habe?"
"Würde dir keiner zum Vorwurf machen. Du bist ja erst elf Jahre alt", erwiderte Aurora knochentrocken. "Der Begriff Schule", fuhr sie dann mit einer künstlich auf wichtig getrimmten Tonlage fort "bezeichnet einen Ort, wo Leute, die viel können denen, die es noch nicht können alles beibringen, damit sie es können, wenn sie wieder herauskommen. Da du genauso wie Philipp zu den Leuten hier gehörst, die noch lernen müssen, was zu können, würde ich an deiner Stelle ganz schnell von dem hohen Thron runtersteigen, auf den du dich selbst gesetzt hast. Das sage ich nicht als Philipps Cousine, sondern als ältere Schülerin, die selbst noch was lernen muß. Oder bildest du dir ein, weil deine Oma in diesem Horntails die Chefin ist, wärst du das hier auch? Weiß deine Oma denn, was du hier so machst?"
"Was fällt dir ein?" Fauchte Lissy wie eine gereizte Katze. "Ich bin nur hier, weil es hieß, Hogwarts sei die beste Schule für englischsprachige Zauberer in Europa. Wenn's nach meiner Oma gegangen wäre, wäre ich in Thorntails. Thorn-Tails, Ms. Dawn! Aber offenbar wird hier wirklich jeder und jede reingelassen, der oder die gerade mal einen Zauberstab halten kann."
"Genau deshalb bist du ja hier", erwiderte Philipp nun eiskalt lächelnd. "Weil du einen Zauberstab halten kannst."
"Du hältst dich besser ganz zurück", zischte Lissy. Aurora sah die jüngere Mitschülerin bedauernd an. Sie wiegte den Kopf und sagte:
"Das genau ist dein Problem. Du hast eine Mordsangst, hier nicht so gut auszusehen, Lissy. Wahrscheinlich meinst du, deine Klasse müßte aus Superleuten bestehen, damit deine Noten noch besser rüberkommen. Du kannst mir nur leid tun. Mit jedem Spruch, den du gegen Philipp oder auch Ramona oder Rita losläßt zeigst du mir und allen anderen, was für'n armes verzogenes Gör du bist. Also, komm runter von dem hohen Thron! Sonst fällst du damit noch um und wirst davon begraben."
"Aurora, muß das jetzt echt sein?" Fragte Philipp, der meinte, Aurora würde das nur seinetwegen sagen.
"Besser jetzt als überhaupt nicht", versetzte Aurora.
"Du hast selbst gesagt, daß du ja auch nur eine Schülerin hier bist, Aurora. So nimm's mir nicht übel, wenn ich deinen netten Vorschlag nicht umsetzen werde", gab Lissy in einer überheblichen Körperhaltung zurück. "Wenn dein kleiner Cousin es nötig hat, sich bei dir auszuheulen, dann wird er ja wissen, wo du bist. Ansonsten häng dich nicht in die Angelegenheiten unserer Klasse rein!"
"Habe ich nicht eben gesagt, du bist erst elf? Ich bin schon dreizehn. Ich lasse mir von dir bestimmt nicht reinreden, wem ich was zu sagen habe. Klar?" Schnaubte Aurora. "Und was deine Klasse angeht, so bist du keine Chefin. Anders als das was Roy mir über die Muggelschulen erzählt hat, gibt's in Hogwarts oder einer anderen Zauberschule keine Klassensprecher. Und mit deiner Art, mit Leuten umzugehen würde dich auch niemand als Klassensprecherin wählen, Elizabeth. Du hast gesagt, du möchtest nicht beim vollen Vornamen genannt werden, weil du nicht mit unserer Königin verwechselt werden willst. Dann spiel dich auch nicht auf, als wärest du 'ne Königin oder Kronprinzessin hier!"
"Eh, Aurora, die kannst du nicht ändern", warf Philipp ein.
"Die soll sich auch selber ändern", fauchte Aurora. Lissy Wright funkelte beide an, stand dann auf und verließ den Gemeinschaftsraum durch das Portraitloch.
"Na toll. Jetzt hast du mich als Jungen voll blamiert", knurrte Philipp. "Die denkt doch jetzt, ich hätte es nötig, mir von dir helfen zu lassen."
"Dann hättest du aber was, das sie nicht hat", fiel Aurora dazu ein. Dann lächelte sie und meinte: "Im Moment denkt die eher, daß sie nichts mehr sagen konnte. Sonst wäre sie ja wohl nicht sofort aus Ravenclaw rausgegangen. Es ging auch nicht um dich allein. Es ging darum, daß dieses Mädchen sich hier als supertoll aufspielt und meint, andere runterputzen zu müssen, obwohl sie das nicht darf."
"Ach ja? Hätte dich das gejuckt, wenn die nicht ausgerechnet mich so angemacht hätte?" Wollte Philipp wissen.
"Wenn sie andauernd so hochnäsig rumläuft ja. Weil irgendwann hätte die ja auch mich so anblaffen können. Außerdem habe ich der jetzt zeigen können, wie hilflos die ist. Oder glaubst du, ihre berühmte omama würde ihr das durchgehen lassen, wenn sie in Thorntails wäre. Die hätte ihr das keine zwei Tage durchgehen lassen. Glaub's mir! Außerdem habe ich dir nichts kaputt gemacht. Im Gegenteil. Jetzt weißt du, was mit der los ist und du kannst dich wehren, wenn sie wieder meint, dich von so hoch oben herab anflaumen zu dürfen", sagte Aurora und deutete kurz mit einem Arm nach oben, um ihn schnell herabsausen zu lassen. Philipp nickte. Dann sagte er jedoch:
"Aber sie hat damit recht, daß ich mit ihr alleine klarkommen sollte. Also nicht das du meinst, mich wie einen kleinen Bruder an der Hand führen zu müssen!"
"Wie käme ich zu sowas?" Grinste Aurora. Dann sagte sie noch: "Mir ging dieses Getue heute auf die Nerven. Ich habe heute wieder mit einem dieser alten Besen rumfliegen müssen. Von einem solchen Stecken bin ich ja letztes Jahr runtergefallen. Ich finde, die sollten jedem hier den eigenen Besen gönnen. Bis 1902 war das doch üblich."
"Ich habe "Eine Geschichte von Hogwarts" auch gelesen, Aurora. Es ging ja irgendwie darum, daß man keinen Neid unter den Schülern aufkommen lassen wollte, weil die einen sich die besseren Besen zulegen könnten und die anderen Gebrauchtbesen nehmen müßten. Kuck dir diese Ms. Übergut an! Die und diese Slytherin-Idioten würden sich doch damit aufspielen, was für Superbesen die kriegen könnten, und die Swift-Mädels müßten sich einen Besen teilen, weil die Boulders vor lauter Kinderkriegen keinen Zaster mehr haben. Dann besser diese Schulkrücken. Du hast das ja überlebt."
"Nett von dir, mir das so zartfühlend zu sagen, Philipp", fauchte Aurora zornig. "Ich wäre tot, wenn James Potter und seine Freunde meinen Absturz nicht abgebremst hätten. Aber du warst ja nicht hier und hast da natürlich keine Ahnung von."
"Eh, schnapp nicht ein, Aurora! So habe ich das nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, daß die ja jetzt wohl besser aufpassen, welche Besen für die Mannschaften besser geeignet sind. Natürlich weiß ich das, was dir im letzten Jahr passiert ist. Tut mir leid!"
"In Ordnung. Vielleicht habe ich jetzt auch zu heftig reagiert", gestand Aurora Dawn ihrem Vetter ein. "Aber das Training war schon anstrengend. Da wollte ich das Gezeter von dieser kleinen Prinzessin nicht länger als nötig hören. Ich denke schon, daß du hier auch ohne meine Hilfe klarkommst. Wenn du sie aber trotzdem haben möchtest, du hast es ja gehört. Du weißt dann, wo du mich finden kannst. Wir klären dann, was du möchtest, das wir's klären."
"Danke für das Angebot. Ich versuche erst einmal, alleine klarzukommen. Nachher sagt mein Dad deiner Mum noch, ich käme hier nicht klar oder sowas", sagte Philipp halblaut. Aurora nickte und zog sich an den Tisch zurück, wo sie bis zu diesem Gespräch an der Hausaufgabe für Alte Runen gesessen hatte.
Bruster kam herüber. Er wollte wissen, was da mit Lissy Wright gewesen war. Aurora erzählte ihm kurz, daß Lissy wohl das Problem hätte, bloß nichts verkehrt machen zu dürfen oder sich für ihre Klassenkameraden zu schämen hätte, wenn die was nicht so gut hinkriegten.
"Das hat Ramona auch schon gesagt, daß die so überzogen drauf ist. Wundert mich nur, daß du nicht so warst, solange deine Mum hier unterrichtet hat."
"Tja, eben", versetzte Aurora. "meine Mum war zu nahe bei mir. Wenn ich mir sowas wie Lissy erlaubt hätte hätte ich sofort Ärger gekriegt", setzte sie noch einen drauf.
"Ach, dann sollte diese Mrs. Wright mal herkommen, um ihre Enkeltochter zusammenzustauchen?" Wollte Bruster mit einem Nicht-so-ernst-gemeint-Ausdruck wissen.
"Mum hat mir mal gesagt, daß Direktorin Wright eine Art sanfter Vulkan ist. Sie ist meistens ganz ruhig und läßt vieles über sich ergehen. Aber wenn irgendwas sie unter Druck setzt kracht es richtig heftig. Deshalb ist Lady Lissy ja so abgezogen, weil ich ihr das unter die Nase gerieben habe, daß ihre Oma das wohl nicht gern hören oder lesen würde, wie sie sich hier aufplustert."
"Komisch,daß Lissy so überdreht ist, und Loren so umgänglich. Dabei singt doch diese verfilzte Rieseneistüte jeden Schuljahresanfang was drüber, daß die Slytherins alle so machtgierig und abgehoben sind."
"Du meinst die Tormentus, die mit uns in der Muggelkundeklasse ist?" Wollte es Aurora ganz sicher wissen. Bruster nickte.
"Die hat mir ihre Eule geschickt, ob ich ihr nicht genauer erklären könne, was der Unterschied zwischen Batteriestrom und Steckdosenstrom ist. Offenbar ist die sich nicht zu fein für den Muggelbrütigen."
"Ja, stimmt. Die ist tatsächlich die ruhigste von dieser Bande. Könnte es sein, daß sie selbst Muggel in der Verwandtschaft hat? Ach neh, dann wüßte die ja alles in Muggelkunde und müßte dich nicht fragen. Oder sie ffragt dich, weil sie was anderes von dir will."
"Klar, Bonbons, wie alle Mädchen, die einen Jungen anlächeln", grinste Bruster. Aurora lief leicht rot an, mußte dann aber auch schmunzeln. Wie konnte sie auf derartige Ideen kommen?
"Und, wirst du dich mit ihr treffen?" Fragte sie ihn. Er nickte verhalten.
"Mal sehen, ob die es ernst meint oder nur angeben will, wie überlegen sie den Muggeln doch ist. Aber das kriege ich ja eben nur raus, wenn ich mich mal drauf einlasse. Natürlich will ich nicht, daß das Klotzweib Rattler sich das Maul drüber zerreißen kann. Aber wenn ich das richtig mitgekriegt habe, steht sich Loren nicht so doll mit der. Denkst du das auch, so mit dem Hirn eines Mädchens?"
"Suchst du Streit oder was? Aber ansonsten stimme ich dir zu, Bruster. Die Rattler hat sich schon im letzten Jahr wohl über Loren Tormentus das Maul zerrissen. Ich habe die mal belauscht, wie die sich mit 'ner Klassenkameradin über wen unterhalten hat, der oder die Muggelkunde gewählt hat. Ich dachte erst, die hätte es von mir. Aber so wichtig bin ich der ja doch nicht. Also hat die ihre Hauskameradin gemeint."
"Die Rattler hängt zu sehr mit ihrem Stall rum. Die ist genauso abgehoben wie Lady Lissy, oder wie du die genannt hast", mußte Bruster noch beipflichten. Dann hörte er seinen Namen rufen.
"Ach du meine Güte, die Dreierbande will noch was über Zauberkunst von mir. Dann wollen wir mal den großen Cousin raushängen", lachte er und kehrte zu den Swift-Drillingen zurück, die sich mit Mortimer unterhielten.
"Dann zurück zu den Runen", dachte Aurora und vertiefte sich in die anstehenden Aufgaben.
"Dawn hat den Quaffel, rückt vor zum Torraum. Schön ausgewichen. Sie setzt an, wirft ab. Tooor!" Rief Jodocus Barkley, der neue Stadionsprecher, als Aurora Dawn gleich in der ersten Minute einen schnellen Vorstoß hinbekam und den Hüter der Hufflepuffs austrickste.
"Ja, spielen die Hufflepuffs denn überhaupt noch mit?" Spottete Barkley, als Aurora zusammen mit Norman Wayne eine Zweierstaffette nach der Anderen zum Torraum der Hufflepuffs durchzog und innerhalb von fünf Minuten sieben Tore machte. Tatsächlich schien die Mannschaft aus Hufflepuff von dieser schnellen Spielweise total aus dem Tritt zu sein. Ja, die Treiber der in Kanariengelb spielenden Mannschaft droschen aus lauter Frust auf gegnerische Jäger ein. Das brachte für Ravenclaw noch vier Freiwürfe ein, die Aurora verwandelte. So sahen es die Hufflepuffs es doch eher als Erlösung als als Niederlage, als Karin Meridies in der zwanzigsten Spielminute beim Stand von 240 zu 20 den Schnatz fing und den Ravenclaws damit die vorläufige Tabellenspitze bescherte. Die Gryffindors jubelten. Sicher, sie hatten ihren Auftakt vermasselt. Aber daß die Ravenclaws sich so gut über die Slytherins hinweggesetzt hatten mußten sie anerkennen.
"Na bitte, habe ich es nicht gesagt, daß wir die Hufflepuffs gut wegputzen?" Fragte Mortimer Swift, als sich die Mannschaft von ihren Anhängern feiern ließ.
"Ja, und die Slytherins sind jetzt so richtig sauer", lachte Roy Fielding. "Ich habe dieses Klotzweib und ihre klobige Schwester angesehen. Die haben ihren klapperdürren Treiber Sharkey andauernd angeguckt, als hätte der das Spiel vermasselt. Ich glaube, ihr müßt euch warm anziehen, wenn ihr gegen die ranmüßt."
"Ach, die Hufflepuffs lassen sich von denen erst einige hundert Punkte abjagen, bevor wir gegen die ranmüssen", sagte Mortimer.
"Wenn die so weitermachen sind die die Schießbude von Hogwarts", mußte Roy noch einen gehässigen Kommentar einwerfen. Bruster grinste.
"Ist der Zirkus noch so klein, einer muß der August sein."
"Häh?" Machte Aurora.
"Das heißt, in jedem Laden gibt's nützliche Idioten", übersetzte Roy den Spruch. In dem Fall ist das Hufflepuff."
"Na ja, die können jetzt palavern, wer da wie was nicht gemacht hat", meinte Petula Woodlane, die diesen turmhohen Sieg der Ravenclaw-Mannschaft nicht so recht feiern wollte, weil ihr die Hufflepuffs leid taten.
"Dann haben wir aber nichts mehr mit denen am Hut. Zumindest in diesem Jahr nicht mehr", bemerkte Bruster Wiffle. Dann ging er davon. Keiner wußte, wohin er wollte außer ihm.
"Huch, wo ist denn der jetzt hin?" Wunderte sich Roy Fielding. Aurora Dawn überlegte, kam auf eine Antwort und schwieg. Brusters Sache sollte der selbst herumerzählen.
"Platz eins der ersten Runde, Leute!" Freute sich Alessandro Boulder wie ein Schneekönig.
"Glaub das nicht,daß die das hinnehmen, wenn die gegen uns spielen müssen!" Warnte Ken Dasher. "Das schreit doch förmlich nach Rache."
"Können wir was dafür, daß die Hufflepuffs so mies drauf waren?" Tat Alessandro unschuldig.
"Sicher, wir hätten ein paar Tore weniger schießen sollen", spottete Mortimer Swift. "Oder besser, wir hätten Karin verbieten sollen, den Schnatz zu fangen."
"Klar, dafür lasse ich mich auch von den Treiber mit den Klatschern beharken", wandte Karin Meridies ein, die sich nicht von ihrer großen Freude abbringen lassen wollte.
"Na, ob Flitwick mal was feines rausrückt, weil wir endlich eine gute Mannschaft haben?" Fragte Mortimer.
"Das nimmt der als selbstverständlich hin, Mortimer. Vergiss es also!" Dämpfte Alessandro Mortimers Hochstimmung.
"Im Fußball heißt es, der nächste Gegner ist immer der Schwerste", gab Roy eine Weißheit zum besten.
"Das paßt für die Slytherins voll", mußte Alessandro zugeben.
Am Abend nach dem Spiel gab es eine kleine Feier im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws. Sie dauerte bis Mitternacht. Als der kleine Professor Flitwick in den Gemeinschaftsraum trat und gebot, daß man doch nun leise zu sein hätte, beendeten die gut gelaunten Schüler das spontane Fest und wünschten einander gute Nacht.Der Unterricht bei Professor Balder geriet zur Schreckensvorstellung. Denn der ehemalige Eliteauror wendete Flüche und Fallen an, die nicht nur den Körper, sondern auch die Seele betrafen. So mußte Miriam, die sonst zu einer der Besten im Unterricht gehörte, wegen einer heftigen Panikattacke in den Krankenflügel. Der Fluch der schlimmsten Träume hatte in ihr Bilder und Geräusche ihrer schlimmsten Ängste entfacht. Es dauerte eine Stunde, bis Madame Pomfrey, die Schulkrankenschwester, sie als wiederhergestellt entließ. Aurora fragte bei Professor Flitwick an, ob der Alptraumverstärkungsfluch wirklich schon in der dritten Klasse im Unterricht gebracht werden sollte. Flitwick meinte dazu nur, daß es vor einem Jahr eine ganze Familie ausgelöscht hatte, weil Leute des Unnennbaren diesen Fluch über ein Familienhaus gelegt hatten. Alle Familienmitglieder waren alleine deshalb gestorben, weil sie der festen Überzeugung waren, in tödlichster Gefahr zu schweben.
"An und für sich ist dieser Fluch einfach zu kontern, wenn man das erste Lieblingslied singt, daß man im Leben hatte. Denn im Lieblingslied schwingt die eigene Geborgeneit und die Zuwendung der Liebenden mit. Daß Ms. Swann nicht rechtzeitig daran gedacht hat und zu tief in die implantierten Träume hineingeriet. Ich habe Professor Balder bereits empfohlen, seine Stunden etwas sorgfältiger abzusichern. Mehr möchte ich dazu nicht unternehmen."
"Na klar, verstehe", sagte Aurora kleinlaut und verließ Flitwicks Büro.
In Pflege magischer Geschöpfe waren sie mittlerweile bei den Feuersalamandern angelangt, und zwar denen, die wirklich im Feuer lebten. Gerade diese Unterrichtsstunden waren sehr angenehm, weil dabei im Freien große Feuer entzündet wurden, was die kalten Vorboten des anrückenden Winters auf Abstand hielt.
Aurora Dawn trainierte mit Mortimer Jägertaktiken. Dabei wurde dieser immer besser. Aurora wagte sogar ein Manöver, an das sie einmal gedacht hatte, als sie mit ihrem Vater in den Ferien geübt hatte. Sie probierte aus, ob sie sich mit einer schnellen Bewegungsabfolge gleich um zwei Achsen drehen und damit eine vollständige Wende in wesentlich kürzerer Zeit hinbekam oder einen schnellen Sprung zur Seite oder nach oben oder unten hinbekam. Sie flog solange die wildesten Figuren, bis sie den Ansatz fand, um eine doppelachsige Wende anzusetzen. Sie fand heraus, wo sie welche Körperbewegung machen mußte und wie sie ihre Hände zu benutzen hatte, um den Endpunkt des Flugmanövers vorherbestimmen zu können.
In Muggelkunde kristallisierten sich zwei Gruppen heraus, die mit mehr und weniger Interesse das Fach besuchten. Zu der Gruppe mit mehr Interesse gehörten Aurora, Bruster, Roy und Loren, während die übrigen sich mehr auf die nur zu erbringenden Aufgaben konzentrierten. Aurora wagte nicht, Bruster zu fragen, ob er die Einzelbesprechungen mit Loren nur wegen der Schularbeiten so gerne abhielt oder ob die Slytherin doch etwas weitergehendes mit ihm angefangen hatte. Doch zum einen war Tonya Rattler diejenige, die immer tönte, daß Muggelkunde zu abgedrehten Gedanken anregte und Loren wohl vergessen habe, wohin sie gehörte, nachdem sie ihre Hauskameradin einmal mit Bruster zusammen in der Bibliothek getroffen hatte. Zum anderen schien Bruster seit dem neuen Jahr wesentlich umgänglicher zu sein. Er regte sich nicht mehr so leicht auf, wenn ihm was nicht paßte. Er holte in allen Fächern viele Punkte für Ravenclaw herein und war weit davon weg, seine Bewährung zu verspielen, die er von Dumbledore und McGonagall aufgebrummt bekommen hatte. Zwar meinte Professor Bitterling einmal, er habe sich zu einem Heuchler entwickelt, weil er wisse, daß seine "abstrusen Ansichten" ihm schaden würden. Doch selbst das hatte Bruster kalt gelassen.
Offensichtlicher als etwas zwischen Bruster und Loren war das immer stärkere Verhältnis zwischen Roy und Dina. Das äußerte sich darin, daß Dina wie ein Muttertier auf Abwehr ging, wenn Roy in Schwierigkeiten geriet oder Roy ihr sofort beisprang, wenn sie mit ihrem Zauberstab wieder nicht so punktgenau gezaubert hatte. Außerdem hielt sie mit ihm einzelne Zaubertrank- und Kräuterkundenachhilfestunden ab, daß Petula und Miriam mal meinten, daß Aurora bloß nicht auch noch für Mortimer oder Bruster alleine da zu sein habe, damit sie nicht im Unterricht nachließen. Aurora hatte darüber nur lachen müssen.
Auch bei Amalia, die sonst sehr verbiestert und in sich gekehrt herumlief, war die Freundschaft mit Darius Cale sehr aufbauend. So fand Sie eine Woche vor dem Beginn der Weihnachtsferien die Muße, Ravenclaws Gemeinschaftsraum zu schmücken und beteiligte sich an den Musikdarbietungen der Mitschüler.
Aurora Dawn überlegte sich ernsthaft, ob sie nicht über die Ferien in Hogwarts bleiben solle. Doch als Petula und Miriam verkündeten, sie wollten nach Hause, verzichtete sie darauf, in der Schule zu bleiben.
So saßen Aurora, Petula und Priscilla zusammen mit Roy und seiner Schwester Erica in einem Abteil des Hogwarts-Expresses, während Bruster und Mortimer mit ihren Geschwistern ein Abteil besetzt hatten. Sie unterhielten sich über das abgeschlossene Dritteljahr, Quidditch, die neuen Fächer, die Mitschüler, die neu dazugekommen waren und die Sache mit den Sabberhexen und den Zwergen.
"Also wer in Hogsmeade lebt muß echt hart im Nehmen sein", meinte Roy. "Gut, daß diese Sabberhexen nicht so nachtragend sind und uns hier beim Bahnhof aufgelauert haben."
"Das hat dich schon heftig mitgenommen, was?" Fragte Erica ihren Bruder besorgt. Dieser nickte schwerfällig.
"Willst du mit einem Geschöpf kuscheln, das vorher vielleicht irgendein Kind gefressen hat und so aussieht wie ausgekübelt?"
"Sicher nicht", meinte Erica erheitert. "Am besten erzählen wir das Mum und Dad auch nicht. Wenn die mit uns wieder in See stechen, wollen die sowieso nix von Hogwarts oder diesem dunklen Lord hören, geschweige denn, daß sie bald 'ne Sabberhexe als Schwiegertochter oder Mutter ihrer Enkeltöchter bekommen hätten."
"I, ja, die fressen ja ihre neugeborenen Söhne", erinnerte sich Petula. Sofort wechselten sie das Thema.
"Was macht ihr denn in der See, wenn ihr da reinstecht?" Fragte Aurora. Erica hielt ihrem Bruder den Mund zu, weil dieser unvermittelt loslachte. Dann erklärte sie:
"Roy hat euch doch erzählt, daß unsere Eltern bei einer Kreuzfahrtreederei arbeiten. Dad ist Ingenieur, Mum ist in der Passagierregistrierung tätig. Zweimal im Jahr dürfen die auf Firmenkosten an einer Schiffsreise teilnehmen. Weil wir nun beide in Hogwarts sind haben die diese Reisen immer für Weihnachten gebucht. Hat auch was gutes, weil wir da die bucklige Muggelverwandtschaft nicht ertragen müssen, die wissen wollen, was wir so in der Schule machen."
"Ihr erzählt denen doch nicht etwa, daß ihr zaubern lernt?" Wunderte sich Aurora.
"Bloß nicht!" Stießen Erica und Roy Fielding gleichzeitig aus. Dann sprach Erica weiter. "Wir haben denen nur erzählt, daß ich in ein Internat gehe und Roy da auch angenommen wurde, weil das für unsere Eltern geldlich hinging und auch vom organisatorischen. Das reicht den meisten. Der einzige, der uns da gefährlich wird ist unser Onkel Bryan. Der ist Professor in Cambridge. Er unterrichtet erwachsene Studenten in Muggelrecht. Der hätte es am liebsten, wenn ich auch Rechtswissenschaften studiere und Roy Ingenieur wie unser Dad wird. Weil er zwischendurch Geld auf unsere Konten legt, meint er, er dürfe uns vorbeten, was wir mal zu werden hätten. Ich denke, der würde Mum, Dad, Roy und mich sofort in eine Irrenanstalt schicken, wenn er mitkriegt, was Roy und ich in Wirklichkeit tun."
"Sag doch nicht immer Muggel oder Muggeldingsbums!" Schnaubte Roy. "Das sind doch immer noch unsere Familiensachen und unsere Welt."
"Roy, ich muß dir dazu nichts mehr sagen", schickte Erica zurück. Aurora fragte, ob das nicht praktisch für die Zaubererwelt sei, wenn eine muggelstämmige Hexe die Rechte in der Muggelwelt kennen würde. Es könnte ja mal passieren, daß man mit Eltern von Zauberern verhandeln müsse.
"Im Moment möchte ich eher in die Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit. Die Muggelkunde habe ich nur behalten, weil ich für die UTZs vielleicht noch gute Noten zum Aufbessern brauche. Die im Ministerium wollen nämlich drei Ohne-Gleichen-UTZs haben, davon einen in Zauberkunst und einen in Zaubereigeschichte. Dann habe ich noch Zaubertränke, Verwandlung und eben Muggelkunde."
"Zaubereigeschichte? Das kann man abwählen, wenn die ZAGs durch sind?" Fragte Petula. Priscilla grinste und nickte.
"Wenn du nicht gerade in so'nem bürokratischen Apparat mitmischen willst, Schwester, brauchst du die Schnarchgespenststunden von Binns nach den ZAGs nicht mehr zu nehmen", sagte die ältere Woodlane.
"Da sind ja noch zwei ganze und ein Zweidritteljahr zwischen", meinte Roy und erzählte noch was von der letzten Kreuzfahrt. Sie waren mit einem Flugzeug nach Mexiko Stadt geflogen und dort auf eines der Schiffe umgestiegen, das der Firma seiner Eltern gehörte. Dann seien sie in der karibischen See herumgeschippert, hätten Barbados, Belice und San Pedro besucht und wären noch nach Yukatan gereist, wo eine alte Indianerkultur zwei große Städte und mehrere Pyramiden gebaut hatte. Das faszinierte Aurora. Sie fragte, ob diese Pyramiden auch Grabstätten wären wie die in Ägypten.
"Die Pyramiden der Mayas waren eher große Kalender oder Sternwarten, wenn ich das richtig verstanden habe. Pico, der uns die Pyramiden erklärt hat, sprach ein sehr gebrochenes Englisch. Zwischendurch mußte Dad auf Spanisch nachfragen. Fremdsprachen sind schon was nützliches, wenn man in der ganzen Welt herumfährt."
"Stimmt. Meine Mutter hat in Hogwarts Französisch gelernt. Da gibt es mehrere bezauberte Bücher, mit denen du Sprachen sehr schnell und fließend sprechen, lesen und schreiben lernen kannst", sagte Petula dazu. Aurora nickte. Sie hatte auch schon davon gehört. Ihr Vater ärgerte sich oft genug darüber, daß er nie eine andere Sprache gut genug gelernt hatte, obwohl er genau wie Roys Eltern in der Welt herumreisen mußte.
So verflog die Heimfahrtszeit, und unter dem Schutz eines Aurorentrupps verließen die Ferienheimkehrer den Bahnsteig von Gleis 9 3/4 und verabschiedeten sich bis nach den Weihnachtsferien.
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