STURM UND SONNE

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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p r o l o g

Wo ist die Zeit geblieben? Aurora Dawn befindet sich vor dem ersten großen Entscheidungsjahr ihres Lebens. Denn in fünften Schuljahr soll sie die ZAG-Prüfungen ablegen, die Zwischenprüfungen, die ihr weiteres Leben vorprägen könnten. Sie hat schon soviel erlebt, daß sie stundenlang davon erzählen könnte, wie sie in Hogwarts lebt, über ihre Freundinnen Miriam und Petula, über die Klassenkameraden Roy und Bruster, die sich gerne über Fußball zanken oder das nicht gerade nette Verhalten der klobigen Slytherin-Schülerin Tonya Rattler. Gerne denkt sie an ihre Spiele in der Quidditch-Hausmannschaft, und vor allem daran, wie sie im vergangenen Schuljahr den Pokal für ihr Haus Ravenclaw gewonnen hat. Ungern erinnert sie sich an den Tod ihres Onkels Dustin, der ein Opfer jener dunklen Vereinigung ist, die von dem gefürchteten Lord Voldemort angeführt wird. Ebenso graust es sie immer noch, wenn sie an die mächtige Gespensterbraut zurückdenkt, die sie in ihrem zweiten Schuljahr kennenlernen mußte. Unheimlich aber auch sehr schön findet sie, was sich im letzten Schuljahr zwischen ihr und dem Gryffindor-Bewohner Bernhard Hawkins entwickelt hat, und daß das wohl noch richtig nett werden könnte.

In den vergangenen Osterferien hat sie die australische Zaubererwelt kennenlernen dürfen und interessante Dinge und Menschen angetroffen. Diesen Sommer, so freut sie sich jetzt schon, wird sie ihre häufig leicht aufbrausende Schulfreundin Miriam Swann besuchen, die mit ihren Eltern im Dorf Hogsmeade lebt, das in der Nähe ihrer Schule Hogwarts liegt.

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"Noch immer kein Brief aus Hogwarts?" Fragte Aurora Dawn ihre Mutter, die gerade vom Briefkasten des altehrwürdigen Landhauses zurückkam. Jeden Tag seit Ferienbeginn hatte Aurora den großen, roten Kasten neben der wuchtigen Eichenholztür angesehen, als müsse der ihr mal erzählen, was anstand. Ihr ging das Gespräch mit ihren Freundinnen Petula Woodlane und Miriam Swann nicht aus dem Kopf, wer wohl von ihnen ab der fünften Klasse Vertrauensschülerin der Ravenclaws sein würde. Petula, deren ältere Schwester Priscilla diese Aufgabe gehabt hatte, hatte ihr offen eingestanden, daß sie diese Bürde auf keinen Fall tragen wolle. Miriam hatte das sogar ausgeschlossen, daß Schuldirektor Dumbledore sie aussuchen würde. Dina Murphy, die vierte Klassenkameradin aus ihrem Haus, würde wohl eh nicht einmal im Traum als Vertrauensschülerin drankommen, da sie mit den praktischen Zauberfertigkeiten Probleme hatte und deshalb wohl nicht geeignet war. Immerhin hatte Aurora von Bernhard Hawkins, ihrem ersten richtigen Freund, einige Briefe bekommen, daß er im Sommer mit seinen Eltern in Amerika herumfuhr und sich wieder freute, wenn's nach Hogwarts zurückging.

"Die quaken sich hier was zurecht, wenn sie den Mund aufmachen. Da denkt man, daß seien alles in Menschen verwandelte Frösche oder Enten", hatte er ihr geschrieben. Das hatte ihr ein amüsiertes Grinsen ins Gesicht gezaubert. Sie kannte den Akzent der Amerikaner von Lissy Wright, ihrer zwei Jahre jüngeren Hauskameradin, einer streberhaften, überheblichen Göre, die sich immer wieder über ihre angeblich unfähigen Mitschüler ausließ.

Aurora hatte Bernhard zurückgeschrieben, sie würde am ersten August zu Miriam nach Hogsmeade fahren, um sich mal anzusehen, wie sie wohnte und warte immer noch auf einen Brief aus Hogwarts.

"Oma Regan fragt, ob du schon Vertrauensschülerin geworden bist", lächelte Regina Dawn ihre Tochter an. "Offenbar ist das für sie eine ausgemachte Sache."

"Haha, Mum", grummelte Aurora. "Petula und ich haben uns ja schon drum gestritten, wer's wird. Sie will's nicht, und ich auch nicht."

"Tja, aber eine aus der fünften muß es machen. Nachdem wie ich Dina Murphy mitbekommen konnte und noch von ihr gehört habe, ist die ja davon ganz weit weg und bestimmt auch froh drüber", grinste Mrs. Dawn, deren rotbraunes Haar und graublaue Augen nicht zu dem nachtschwarzen Haar und den graugrünen Augen ihrer Tochter passen mochten.

"Miriam soll das meinetwegen machen, wenn petula das schon nicht machen will", knurrte Aurora. Innerlich gönnte sie es Miriam, dieses blau-bronzene Abzeichen zu tragen, bis sie mit Hogwarts fertig waren.

"Dumbledore muß sich das genau überlegen, wen er bestimmt. Ich bin froh, daß ich das nicht machen muß", sagte Mrs. Dawn.

"Kann er jemandem das wieder aberkennen, wenn er oder sie das nicht richtig macht?" Fragte Aurora Dawn.

"Höchst selten, wenngleich es in der Lehrer- und Schulleiterverordnung für Hogwarts ausdrücklich drinsteht, daß er es machen kann. Allerdings würde ein Schulleiter ja dann zugeben müssen, sich vertan zu haben. Deshalb wird er sich schon genau überlegen, wen er nimmt, besonders aus Slytherin oder Gryffindor. Ihr Ravenclaws seid ja da eher ein untergeordnetes Problem."

"Hihi, Mum, weil er aus dem Misthaufen Slytherin ja einen rauspicken muß, der mit allen Schülern manierlich klarkommt und auch von den anderen Schmeißfliegen für voll genommen wird."

"Na, beleidige nicht die Schmeißfliegen!" Tadelte Mrs. Dawn ihre Tochter mit feistem Grinsen. Aurora mußte darüber auch lächeln, ob sie wollte oder nicht.

Ein schwirrendes Geräusch klang von draußen. Dann ein leises Scharren und Rascheln. auroras Vater war wieder da.

"Salemaleikum zusammen!" Begrüßte er Frau und Kind, als er durch die Eingangstür hereintrat, braungebrannt und bärtig wie ein Wüstenreiter.

"Dir auch einen schönen Tag, Hugo", wünschte seine Frau mit warmem Lächeln und umarmte den Mann, von dem Aurora das schwarze Haar und die graugrünen Augen geerbt hatte. Dieser wollte Regina Dawn küssen. Doch sie stieß ihn unmißverständlich zurück.

"Erst machst du dir diese Fußmatte aus dem Gesicht, du Räuberhauptmann! Oder denkst du, ich möchte mir die Lippen aufreißen?"

"Das ist wahre Liebe, Regina", gab Hugo enttäuscht zurück. Aurora sah ihren Vater an, den sie höchst selten mit Vollbart zu sehen bekam, dann nämlich nur, wenn er wochenlang mit interessanten Vögeln arbeitete und keine Zeit und Lust hatte, sich zu rasieren. Der Bart, schwarz wie das Kopfhaar, hing wahrlich wie eine dicke Fußmatte vom Gesicht ihres Vaters herunter. Nur an den oberen Wangenpartien und der Nase konnte Aurora die freie Haut dunkelbraun durchlugen sehen.

"In zehn Minuten bin ich wohl wieder fein genug für meine Königin, und natürlich für meine Kronprinzessin", gelobte Hugo Dawn und empfahl sich ins Badezimmer.

"Manchmal frage ich mich ehrlich, wieso der nicht eine Woche am Stück zu Hause bleiben kann", schnaubte Mrs. Dawn, als sie die vom Reisestaub bedeckten Kleidungsstücke ihres Mannes in einen großen Waschkessel warf, in dem bezauberte Bürsten daran gingen, den Schmutz herauszurubbeln und zu klopfen, während das aufgewühlte Waschwasser weiß schäumte.

"Weil ein Vogel Roch aufregender ist als wir oder die Gegend hier", vermutete Aurora. Da klackerte es im Briefkasten.

"Ich hole ihn", sagte Aurora rasch und stürzte schon zur Tür, bevor ihre Mutter was dazu sagen konnte. Als Aurora mit einem Umschlag zurückkam, wirkte sie angespannt. Auf dem gelben Umschlag prangte das Wappen mit dem großen H, um das ein Löwe, ein Adler, ein Dachs und eine Schlange gruppiert waren. Rasch öffnete sie den Brief und schüttelte drei Pergamentbögen heraus. Ihr Gesicht wollte sich gerade entspannen, als zwischen zwei Bögen ein Stück blauen Stoffs mit bronzefarbener Verzierung herausrutschte und auf dem Tisch landete. Mit der Spitze voran wies ein bronzefarbenes V genau auf Aurora Dawn. Die beiden auseinanderweisenden Schenkel des großen Buchstabens zeigten auf Mrs. Dawn, die erst darauf starrte, als wisse sie nicht, ob sie wachte oder träumte und dann strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

"Jetzt hast du deinen Brief aus Hogwarts", sagte sie amüsiert. Dann wandte sie sich um und rief in Richtung Badezimmer:

"Hugo, unsere kleine hat das Abzeichen gekriegt! Sie ist als Vertrauensschülerin ausgewählt worden!"

"Soll ein Drache das Ding fressen oder verbrennen", knurrte Aurora, als sie wie vor einem ihr geltenden Angriff auf das Abzeichen starrte, das völlig harmlos vor ihr lag und doch eine Menge Schwierigkeiten androhte. Dumbledore hatte sie tatsächlich zur Vertrauensschülerin erklärt. Der alte, manchmal kauzig wirkende Zauberer mit dem silberweißen Haar und dem langen Bart fand also, daß sie diesen Job machen sollte, machen konnte. Sie meinte, ihn in seinem purpurroten Umhang vor sich stehen zu sehen, sie durch die halbmondförmigen Brillengläser strahlendblau anblickend, amüsiert doch erhaben, die lange, Adlerschnabelartige Nase spitz auf sie deutend, wie das verfluchte V auf dem Abzeichen.

"Lies am besten den Brief, bevor du meinst, irgendwas böses sagen zu müssen!" Schlug Regina Dawn mit einer warmen, aber unumstößlich willensstarken Betonung vor.

"Muß ich wohl", knurrte Aurora und nahm die drei Bögen Pergament vom Tisch. Einer war die Ausstattungsliste für das nächste Schuljahr. Aurora hatte eh vor, sich neue Umhänge und einen neuen, etwas netter wirkenden Zaubererhut zuzulegen. Die Bücher würde sie bei der Gelegenheit gleich mitkaufen. Der Zweite Briefbogen war schon wichtiger. Sie las laut vor:

"Sehr geehrte Ms. Dawn,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, daß Schuldirektor Professor Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore nach besten Wissen und Gewissen beschlossen Hat, Sie ab dem kommenden Schuljahr bis zu Ihrem hoffentlich erfolgreichen Abschluß in unserer Lehranstalt mit dem Amt der Vertrauensschülerin zu betrauen, da Sie in den verstrichenen vier Schuljahren sowohl auf schulischem, wie auch gesellschaftlichen Niveau alle Anforderungen erfüllt haben, die Ihnen das Recht geben, die Rechte und Pflichten einer Vertrauensschülerin wahrzunehmen, und sowohl unser ehrenwerter Schulleiter als auch wir vom Lehrerkollegium der Meinung sind, daß Sie unter den damit verbundenen Anforderungen nicht zusammenbrechen werden. Sie dürfen stolz darauf sein, zu jener erlesenen Gruppe Mitschüler zu gehören, die als Vermittler zwischen den Belangen des Lehrkörpers als auch der Schülerschaft dazu beitragen dürfen, daß unsere altehrwürdige Schule auch weiterhin gerühmt und geachtet bleiben wird. Näheres über die Ihnen zufallenden Aufgaben und Vorrechte lesen Sie bitte auf dem beigefügten Pergament, das von Professor Dumbledore höchstpersönlich verfertigt wurde.

Wie alle anderen Schülerinnen und Schüler möchten wir Sie darauf hinweisen, daß das nächste Schuljahr am ersten September beginnt und sie dem diesen Brief beigefügten Fahrausweis für den Hogwarts-Express für die Fahrt ab 11 Uhr Vormittags von Gleis 9 3/4 vom londoner Bahnhof Kings Cross benutzen mögen.

Mit hochachtungsvollen Grüßen, Professor Albus Dumbledore und Professor Filius Flitwick"

"Na bitte", sagte Regina Dawn aufmunternd.

Mit Schaum im Gesicht, die linke Seite schon entbartet, eilte Mr. Dawn ins Wohnzimmer und setzte schon an, seiner Tochter zu gratulieren. Doch sowohl das leicht mißmutige Gesicht seiner Tochter, als auch der ungehaltene Ausdruck im Blick seiner Frau ließen ihn zurückprallen.

"Du bist noch nicht fertig, Hugo", bemerkte Mrs. Dawn kalt. "Der Brief läuft dir bestimmt nicht mehr weg und Aurora möchte bestimmt keinen Rasierschaum im Gesicht haben."

"Okay, in einer Minute bin ich durch", sagte Mr. Dawn und trollte sich zurück ins Badezimmer.

"Liest du mir bitte vor, was Professor Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore dir schreibt! Oder denkst du, es sei zu privat, und deine Mutter könnte darüber so sehr erschrecken, daß sie zusammenbricht?" Wandte sich Mrs. Dawn an ihre Tochter.

"Muß das sein?" Fragte Aurora nörgelig.

"Muß nicht. Wäre aber nett, nachdem mir deine Tante June ihren Brief nicht vorgelesen hat."

"Okay, Mum", gab Aurora mürrisch dreinschauend nach, nahm den handgeschriebenen Pergamentbogen und las laut und kühl klingend vor:

"Hallo, Aurora, du wirst wohl nicht direkt darauf ausgegangen sein, daß ich dich als neue Vertrauensschülerin für Ravenclaw ausgesucht habe. Ich weiß jetzt nicht, ob du dich freust oder ärgerst, ob du stolz bist oder dich in die Enge gedrängt fühlst oder wie du sonst darauf reagierst. Deshalb möchte ich dir gerne einige Sachen schreiben, die das, was du ab nächstes Jahr machen mußt, leichter fallen lassen. Jedenfalls bin ich ganz fest davon überzeugt, daß du das auch hinkriegst, ganz egal, ob du es darauf angelegt hast oder nicht.

Vertrauensschüler oder Vertrauensschülerin in Hogwarts zu sein, das ist schon was besonderes, weil keiner wirklich darauf hinarbeiten kann. Ich, der jeden Schüler ab der fünften Klasse beurteile, ob er oder sie das auch hinbekommt, muß mir immer wieder neu überlegen, ob es wirklich etwas ist, womit jemand zurechtkommt. Dabei ist es nur die halbe Wahrheit, daß die Schulnoten oder das Verhalten im Unterricht wichtig für diese weitreichende Entscheidung sind. Vielmehr muß ich wissen, wie jemand überhaupt in der ganzen Gemeinschaft klarkommt. Bei dir ist mir aufgefallen, daß du sehr willensstark bist, dich gut mit Leuten aus den anderen Häusern verstehst und auch sehr hilfsbereit zu anderen bist. Gut, das macht niemanden gleich zum Vertrauensschüler. Auch die Herkunft, falls dir jemand mal sowas vorhalten könnte, zeichnet keinen Vertrauensschüler aus, weil für mich nicht die Herkunft zählt, sondern dein ganz eigenes Wesen, was du bist, was du tust oder läßt. Damit bin ich auch schon bei dem eigentlichen Grund, weshalb ich unter den Mädchen aus deiner Klasse dich ausgesucht habe: Nicht nur deine Leistungen in der Schule, deine guten Umgangsformen mit anderen und die Willensstärke zeichnen dich aus, sondern dein Talent, Streitigkeiten zu vermeiden oder zu schlichten. Ja, ich habe das schon mitbekommen, daß es zwischen dir und anderen Schülern nicht immer glatt lief. Aber ich konnte dabei auch erfahren, daß du gelernt hast, völlig ohne unsere Unterstützung, ganz aus dir selbst heraus, damit umzugehen, dich nicht in Wut versetzen zu lassen oder gleich eingeschüchtert vom Platz zurückzuweichen. Denn genau das, sich aufkommenden Konflikten selbstbewußt und ohne Angst vor ihnen zu stellen und sie zu bewältigen, ist das wahre Prädikat für einen guten Vertrauensschüler oder eine gute Vertrauensschülerin. Hinzu kommen die deinem Haus zugeschriebenen Eigenschaften zum Tragen, die dich mit dieser hohen Würde, meinetwegen auch Bürde, auszeichnen. Ich bin der ganz festen Überzeugung, daß ich mit dir die richtige junge Hexe ausgesucht habe, die nach dem Weggang von Priscilla Woodlane die Aufgaben der Vertrauensschülerin von Ravenclaw ausfüllen kann. Sicher, es sind noch zwei Mädchen in den Klassen über dir mit diesem Amt ausgestattet. Mit denen kannst und wirst du aber wohl sehr gut zurechtkommen.

Was darfst du als Vertrauensschülerin alles, was sonst keiner tun darf. Das einprägsamste ist, daß du wie wir Lehrer Punkte vergeben oder abziehen kannst, wenn Mitschüler entsprechende Verhaltensweisen zeigen. Wir als Lehrer haben zwar das Recht, solche Punktzumessungen oder -abzüge zu widerrufen, wenden das aber nur dann an, wenn wir erkennen, daß hier nach Sympathie oder Antipathie bewertet wird. Außerdem gilt diese Regelung nur für alle, die keine Vertrauensschüler sind. Sich gegenseitig Punkte zuzuweisen oder abzuziehen wäre dem Amt des Vertrauensschülers sehr abträglich. Wie ich gerade geschrieben habe darfst du das, wenn Schüler sich durch Leistung oder Fehlverhalten auszeichnen. Außerdem darfst du die für Vertrauensschüler bestehenden Einrichtungen wie das Dutzend-Quellen-Bad benutzen oder eigene Freizeitgruppen gründen und Leiten, sofern du im Rahmen der Schulordnung bleibst, also die Mitschüler und du nicht von der übrigen Arbeit abgebracht werdet oder es allzu leicht zu Verletzungen kommen kann.

Kommen wir zu den leidigen Pflichten, die dich vielleicht abgeschreckt haben könnten, aber für unsere Schule unumgänglich sind. Wir Lehrer können nicht überall sein. Wenn also was passiert, was Schüler gefährdet oder die Ordnung in Ravenclaw stört, mußt du in unserem Namen einschreiten und darfst nicht davor zurückschrecken, uns auch Dinge zu melden, auch wenn du meinst es sei unkameradschaftlich. Hinzu kommen die alle zwei Wochen abzuhaltenden Konferenzen, an denen die Schulsprecher, die Hausleiter und ich teilnehmen. Für diese Konferenzen müßt ihr Berichte verfassen, damit wir wissen, was in den Häusern vielleicht verbesserungsbedürftig ist. Verstehe dies bitte nicht als Kontrollauftrag, deine Mitschüler zu überwachen! Es geht eher darum, den gesamten Schulbetrieb so gut wie möglich aufrecht zu erhalten.

Du bist mit deinen männlichen Kollegen und den älteren Vertrauensschülern auch und vor allem für die jüngeren Mitschüler deines Hauses verantwortlich. Das heißt, du mußt dafür sorgen, daß sie ihren Weg nach Ravenclaw finden, sich mit den Schulräumen vertraut machen und mit der Schulordnung zurechtkommen lernen. Die Schulordnung selbst erhältst du zusammen mit den übrigen neuen Vertrauensschülern auf der Fahrt nach Hogwarts. Du möchtest dich dazu bei der Abfahrt im vorderen Wagen im Abteil der Vertrauensschüler einfinden, wo das Schulsprecherpaar dir und den weiteren neuen Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschülern die letzten Anweisungen zum Antritt dieses wichtigen Amtes übergeben wird.

Um deine Stellung und Funktion deutlich für alle zu zeigen, möchtest du das Abzeichen, welches in deinem Brief enthalten ist, immer auf dem Umhang tragen, damit unnötige Mißverständnisse beim Umgang mit deinen Mitschülern vermieden werden.

Ich wünsche dir alles gute, einen immer kühlen Kopf und eine sichere Hand in deiner neuen Stellung, Vertrauensschülerin Aurora Dawn! Ich freue mich, dich in deiner neuen Funktion in Hogwarts begrüßen zu dürfen.

Alles Gute, Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore"

"Hmm, klingt für mich wie ein gewöhnlicher Auftragsbrief, nicht sonderlich überschwenglich", bemerkte Regina Dawn dazu. Aurora sagte dazu nur:

"Der will mir das nicht zu madig machen, Mum. Ich habe es doch mitgekriegt, wie Priscilla mit einigen Leuten rumgestritten hat, weil sie ihren Job machen mußte. Andererseits war der Zauberkunstclub schon toll. Ob der weitergeht?"

"Achso, weil da die UTZ-Leute geleitet haben?" Fragte Mrs. Dawn nach.

"Genau", meinte Aurora. Dann grummelte sie noch: "Wenn ich mir vorstelle, daß ich jetzt mit dieser arroganten Pute Wright öfter zu tun habe, weil sofort jeder nach der Vertrauensschülerin ruft, wenn die wieder über ihre Mitschüler herzieht. Außerdem möchte ich auch nicht unbedingt mit denen aus Slytherin zusammenarbeiten. Nachher wird's noch die Rattler. Obwohl, wenn Dumbledore meint, der Umgang sei wichtig, dann dürfte die doch voll durch seine Auswahl gerasselt sein."

"Wie immer das auch ist, Aurora, Kind. Du hast von Dumbledore den Job bekommen, weil er dir vertraut. Zurückgeben kannst du den nicht, es sei denn, du fliegst von der Schule, was ich dir ja nicht rate."

Mr. Dawn kehrte glattrasiert und schaumfrei aus dem Badezimmer zurück. Erst umarmte er Aurora und küßte sie. Dann gab er auch seiner Frau einen langen Begrüßungskuß.

"Ich freue mich, Prinzesschen. Ich habe es leider nicht hingekriegt. Deine Oma Regan hat mich tagelang nur schief angesehen, warum ich nicht auch Vertrauensschüler geworden bin wie sie oder dein Opa Arco. Ich denke, sie freut sich schon, daß du es endlich geschafft hast."

"Als wenn ich darum gebeten oder was besonderes angestellt hätte", nörgelte Aurora.

"Irgendwas wirst du dafür schon getan haben", lachte Mr. Dawn amüsiert, weil seine Tochter einen Schmollmund zog. Ihre Mutter sagte noch:

"Ich denke, deine Tante June wird sich auch freuen, daß aus unserer Familie noch wer die große Ehre verdient hat. Vielleicht kann Philipp ja auch Vertrauensschüler werden oder Agatha oder Arcadia. Aber jetzt schon eine Ravenclaw-Vertrauensschülerin in der Familie zu haben ist doch irgendwie schön."

"Mum, ich sehe nicht viel tolles daran, kleine Streithammel und verdrehte Mädels zu maßregeln. Mit dem Job macht man sich doch eher unbeliebt als sonstwas."

"Wenn du immer die Vertrauensschülerin raushängen läßt, Kind. Wenn du's aber hinkriegst, zwischen Pflicht und Kameradschaft zu wählen ...", sagte Mr. Dawn. Aurora fuhr ihm ins Wort:

"Eben, ich muß mir überlegen, was noch Spaß oder schon regelwidrig ist. So'ne Spaßbremse zu sein habe ich nicht vor."

"Mädchen, Dumbledore hat dich ausgesucht, weil er findet, du könntest das schaffen. Der ist schon Jahre in Hogwarts. Der weiß schon, mit wem er was machen kann und mit wem nicht. Außerdem kenne ich ihn gut genug um zu wissen, daß er auch Humor hat. Er will keine Überwachungstruppe haben, sondern Leute, die helfen, daß jeder in Hogwarts gut zurechtkommt. Nicht mehr aber auch nicht weniger ist das", sagte Mrs. Dawn entschlossen. Mr. Dawn meinte dazu noch:

"Auf jeden Fall mal was anderes als der Schultrott, nicht war?"

"Haha, Dad! Wir haben dieses Jahr ZAGs. Da habe ich bestimmt schon genug um die Ohren", knurrte Aurora. Doch dann schien irgendwas in ihrem Inneren umgesprungen zu sein. Das mißmutige Gesicht wandelte sich zu einer grinsenden Miene. Vielleicht konnte sie als Vertrauensschülerin Sachen vorschlagen, die sie als Normalschülerin nicht rüberbringen könnte. Vielleicht war an dem Job ja doch etwas nettes dran. Sicher, die anderen würden sie wohl schräg ansehen, wenn sie was machen mußte, was sie früher blöd gefunden hatte. Aber vielleicht stimmte das ja, daß man erst einmal sehen mußte, was man eigentlich so anstellen konnte, bevor man sich drüber ärgerte. Sie sagte dann:

"Vielleicht kann ich dann mit den anderen drüber reden, ob nicht doch wieder eigene Besen beim Quidditch erlaubt sind, ja Schüler über der ersten Klasse eigene Besen mithaben dürfen. Ich schreibe mal an Priscilla Woodlane, was die wie gemacht hat."

"Ja, aber du mußt deinen eigenen Stil finden, Aurora. Nur zu machen, was andere vorgemacht haben, ist für diesen Job nicht genug oder auch total verkehrt", sagte ihr Vater. Aurora nickte. Trotzdem wollte sie Petulas Schwester schreiben, aber erst, wenn Petula das von ihr erfahren hatte.

So schickte sie am Abend Briefe los, zu Petula Woodlane und Miriam Swann. In dem für Petula schrieb sie, daß diese froh sein konnte, daß sie Priscillas Job nicht geerbt hatte und wohl weiter normal bleiben durfte. An Miriam schrieb sie, daß sie auch mit V-Abzeichen weiterhin gerne ihre Freundin bleiben wolle. Bernhard anzuschreiben wäre Unsinn gewesen. Denn mit einer gewöhnlichen Posteule würde der Brief Wochen unterwegs sein, bis er ihn erreichte.

Als sie abends zu Bett ging, dachte sie daran, was sie wohl als erstes erleben würde, wenn sie im Zug nach Hogwarts saß. Die frühere fröhliche Runde mit den anderen Mädels ihrer Klasse war ja erst einmal nicht drin. Hoffentlich war die Rattler nicht auch zur Vertrauensschülerin gewählt worden. Sie grinste, wenn sie sich vorstellte, daß Becky Hawkins oder Isis Waverly die Gryffindor-Vertrauensschülerinnen wären. Tja, aber wer von den Jungs war nun Vertrauensschüler der Ravenclaws? Bestimmt nicht Roy Fielding. Dessen Streitlust hatte bestimmt nichts mit guter Konfliktlösungsfähigkeit zu tun. Bruster hatte sich nach dem haarscharf entgangenen Rauswurf vor nun bald drei Jahren zum Musterschüler gemausert, der sich nur noch vernünftig mit anderen unterhielt, von dem Fußballgeplänkel mit Roy abgesehen. Allerdings war eben dieser gerade so abgewendete Rauswurf auch ein Grund, ihn nicht zu wählen. Denn ein Vertrauensschüler durfte sich mit keinen Lehrern zanken, und Professor Bitterling, die südländisch aussehende Zaubertranklehrerin und Hausvorsteherin der Slytherins, hatte bestimmt nicht vergessen, wie er ihr Sympathiebenotung und Bevorzugung ihrer Hausschüler vorgehalten hatte. War also noch Mortimer Swift, der Sohn eines Freundes ihres Vaters, der die beste Grundhaltung für den Job hatte, fand Aurora. Doch wer es nun sein würde, würde sie dann wohl erst am ersten September mitkriegen.

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Fast wären die Dawns nicht nach Hogsmeade gefahren. Denn am 31. Juli überschlug sich der Tagesprophet mit Nachrichten über weitere Mordanschläge der Todesser auf ehrbare Zaubererfamilien. Hugo Dawn schrak ein ums andere Mal zusammen. Er erbleichte und sagte:

"Verdammt, die Sawyers haben sie jetzt auch umgebracht" oder "Oh, der war mit mir in Hogwarts." Aurora Dawn fühlte die Drohung der Todesser wie eine Kalte Hand um ihren Hals. Sie hatte selbst mit ansehen müssen, wie mehrere Mitzauberer und -hexen getötet worden waren, weil dieser machtsüchtige Hexer, dessen Name niemand laut zu nennen wagte, einen erbitterten Haß auf die Zaubererschaft hatte, die nicht seinen Vorstellungen entsprach.

"Vielleicht wäre es besser, wir fliegen morgen nicht nach Hogsmeade", meinte Hugo Dawn einmal.

"Wenn sie uns auch umbringen wollten wären die schon längst hier", meinte Auroras Mutter. "Ob die uns in Hogsmeade erwischen oder in unserem Haus ist völlig bedeutungslos."

"Du hast ja recht, Regina", gestand Hugo Dawn seiner Frau zu.

"Am Besten gehen wir vorher noch in die Winkelgasse, um die neuen Sachen einzukaufen", sagte Auroras Mutter. Dabei lächelte sie tiefgründig. Offenbar hatte sie was besonderes vor.

So reisten die Dawns noch am Mittag des 31. Juli in die Zaubererstraße in London, ganz in der Nähe des Bahnhofs Kings Cross. Hier herrschte eine Stimmung wie in einer belagerten Festung. Überall liefen Mitglieder des Aurorenkorps herum, die kontrollierten und befragten. Aurora Dawn erkannte den fuchsfellhaarigen Patrokles Balder, der seit zwei Jahren ihr Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste war. Er unterhielt sich mit Alastor Moody, einem früheren Berufskollegen vor Madame Malkins Laden für Kleidung für alle Gelegenheiten.

"Der wird immer schlimmer, Pat. Offenbar meint der, er würde bald alles niedergemacht haben, was ihm gefährlich wird", hörte Aurora Moodys unheimlich knurrige Stimme. Dann ging sie rasch in den Laden hinein, um den beiden Zauberern nicht aufzufallen.

Madame Malkin wirkte leicht angespannt. Ihr Lächeln war wie das einer freundlich wirkenden Puppe, nicht so warm wie vor zwei Jahren noch, wo Aurora sich das letzte Mal mit neuen Schulumhängen eingedeckt hatte.

"Neue Umhänge, Mädchen?" Fragte sie Aurora.

"Ja, bitte", erwiderte Aurora.

In diesem Moment trat Mrs. Regan Dawn, Auroras Großmutter väterlicherseits ein. Als sie ihre Enkelin sah strahlte sie über ihr ganzes Gesicht.

"Hallo, Aurora Kind! Ich hörte, du seist heute hier zu finden. habe leider erst gestern alles erledigen können, was noch ausstand. Herzlichen Glückwunsch zur Vertrauensschülerin!"

Aurora errötete. Ihre Großmutter schien das putzig zu finden. Sie grinste wie ein Schulmädchen. Madame Malkin schien aus ihrer krampfhaften Haltung freizukommen. Ihr berufsmäßiges Lächeln wurde warm und herzlich.

"Oh, für welches Haus, wenn ich fragen darf?" Wandte sie sich an Aurora. Diese, immer noch rot vor Verlegenheit, sagte halblaut: "Ravenclaw."

"ah ja. Ist wohl nicht einfach, da zur Vertrauensschülerin zu werden", erwiderte die Inhaberin des Bekleidungsgeschäftes. Dann fragte sie Aurora, welche Umhänge sie haben wollte, Baumwolle, Leinen oder Seide. Aurora wollte die üblichen Baumwollumhänge haben. Doch ihre Großmutter bestand darauf, daß Aurora mindestens einen Seidenumhang für besondere Anlässe bekam, von ihr bezahlt. Dazu suchte sich das Hexenmädchen einen passenden schwarzen Hut aus und ließ sich von ihrer Oma noch einen smaragdgrünen Festumhang aufdrängen, obwohl Aurora nicht wußte, wann sie den anziehen sollte. Als sie dann beide den Laden verließen, fanden sie Regina Dawn im Gespräch mit Mrs. Swift, der Mutter von Mortimer. Diese wirkte nicht sonderlich glücklich. Aurora wollte schon warten, bis die beiden Hexen ihr Gespräch beendeten. Doch ihre Mutter winkte ihr, näherzutreten. Als sie dann noch ihre Schwiegermutter sah, lächelte sie.

"Hat Hugo dir also doch erzählt, wo wir sind, Ma?"

"Hat er schon vor zwei Tagen, Regina. Ich wäre auch da schon zu euch rübergekommen. Aber ich mußte wichtige Sachen erledigen. Hallo Mrs. Swift! Was macht die Familie?"

"Mrs. Dawn, die ältere. Mein Mann hat sich in Südamerika einquartiert, um peruanische Vipernzähne zu erforschen. Der kommt erst am letzten Augusttag zurück, um unsere Kinder zum Bahnhof zu bringen. Die Mädchen sind gerade in Schottland bei den Großeltern, und Mortimer ist bei den Wiffles."

"Ach ja, Bruster. Ich hörte, er hätte sich gut gemacht in den letzten jahren."

"Besser als Morttimer, scheint's", seufzte Mrs. Swift auf Mrs. Regan Dawns Bemerkung hin. "Jedenfalls hat es mich schon etwas erschüttert, das unser Sohn das Abzeichen nicht gekriegt hat. Ich hätte nicht geglaubt, daß Bruster das kriegt. Aber wer weiß schon, was in Dumbledore vorgeht?"

"Bruster ist Vertrauensschüler geworden?" Wunderte sich Aurora, die an und für sich nur mit Mortimer gerechnet hatte.

"Meine Schwägerin Norma ist ja förmlich übergequollen vor Stolz, als wir vor einer Woche bei ihr waren, um Mortimer hinzubringen. Hoffentlich vertragen sich die beiden."

"Es sind Vettern, die vertragen sich schon, Divine", beruhigte Mrs. Regina Dawn die Bekannte. "Bei Brüdern wäre ich da nicht so sicher", legte sie noch nach. Mrs. Swift mußte unwillkürlich schmunzeln.

"Mag sein. Aber ein bißchen hat es mir schon wehgetan, daß Mortimer sich abgeschuftet hat und wesentlich besonnener mit seinen Mitschülern umging als Bruster. Na ja, hauptsache die ZAGs werden gut", sagte Mortimers Mutter. Dem konnten die Dawns nichts hinzufügen.

"Weißt du schon, wer von euch Mädchen das Abzeichen gekriegt hat?" Fragte Mrs. Swift Aurora. Diese errötete wieder. Ihre Oma sah sie vorwurfsvoll an und meinte:

"Dafür mußt du dich nicht schämen, Kind! Mrs. Swift, meine Enkeltochter weiß nicht, was sie damit machen soll. Aber Dumbledore hat ihr das V-Abzeichen zugeschickt."

"Herzlichen Glückwunsch. Zumindest eine, die es wert ist", erwiderte Mortimers Mutter. Aurora hörte sowas wie "Bruster ist das nicht wert" heraus. Sie bedankte sich aber nur artig und ging dann mit ihrer Oma weiter, weil ihre Mutter noch ein wenig mit Mrs. Swift plaudern wollte.

"Was für einen Besen fliegst du im Moment, Kind?" Fragte Regan Dawn. Aurora erwiederte, daß sie noch einen Himmelsstürmer flog. Daraufhin zog Mrs. Dawn ihre Enkeltochter zum Laden Qualität für Quidditch, wo sie Aurora einen Nimbus 1500 für satte 50 Galleonen kaufte, den zur Zeit besten Rennbesen des britischen Raums, vielleicht sogar der ganzen Welt.

"Schade nur, daß ich auf dem nicht zum Quidditch fliegen darf, weil die in Hogwarts keine eigenen Besen erlauben", grummelte Aurora.

"Nimm ihn trotzdem mit, Aurora! Schaden kann's nicht", sagte Mrs. Dawn. Für Aurora klang das wie ein strickter Befehl. Sie wußte, daß ihre Großmutter sehr stolz darauf war, daß Aurora nun Vertrauensschülerin war und das gerne zeigte. Also nahm Aurora mit herzlichem Dank den schnittigen Flugbesen an.

Als die Dawns sich im tropfenden Kessel trafen, um durch den Kamin wieder zurückzureisen, tauchte ein gerade elfjähriges Mädchen mit dunkelblonden Ringellöckchen und hellgrauen Augen in einem tulpenroten Kleidchen auf, das sich verstohlen umblickte. Aurora meinte zuerst, Loren Tormentus, eine Jahrgangskameradin aus Slytherin, zu sehen. Doch Loren sah bereits wie eine junge Frau aus, während dieses Mädchen noch nicht einmal den Ansatz eines Busens hatte.

"Eurynea, du sollst doch nicht immer weglaufen", schimpfte eine Hexe, die um Luft ringend durch die Hintertür den Pub betrat. Sie trug einen grasgrünen Umhang und einen kirschroten kleinen Hut. Ansonsten sah sie wie eine zwanzig oder dreißig Jahre ältere Version von Loren Tormentus aus. Das Mädchen, daß gerade hereingelaufen war, sah die Hexe abbittend an. Dann trat Loren Tormentus selbst ein, die in einem himmelblauen Rock und sonnengelber Bluse daherkam. Ansonsten besaß sie die gleichen dunkelblonden Ringellöckchen und hellgrauen Augen wie das andere Mädchen. Aurora hatte nicht gewußt, daß Loren eine jüngere Schwester hatte. Woher auch? Von Slytherins bekam sie sowas nur mit, wenn die schon Geschwister in Hogwarts hatten. Außerdem interessierte es sie nicht sonderlich. Regan Dawn schien die Hexe im grasgrünen Umhang zu kennen, wie diese auch sie erkennend ansah.

"Ach nein, die nette Ethel Tormentus, die zwei Klassen über Hugo war", zischte sie Aurora zu. "Ihre erste Tochter kennst du wohl, Kind."

"Die ist mit mir in Muggelkunde und dem Zauberkunstclub", flüsterte Aurora. Als dann noch ein gedrungen wirkender Zauberer im mitternachtsblauen Umhang mit Silbersternchen drauf eintrat meinte Mrs. Regan Dawn:

"Und ihr Göttergatte Barabas ist auch zugegen." Der Erwähnte wandte sich um und erkannte Regan Dawn. Feist lächelnd meinte er laut:

"Ach, Mrs. Dawn. Haben Sie sich wieder aus dem Haus getraut, obwohl der böse Unnennbare umherstreift?"

"Die Welt ist zu groß, um andauernd im Haus zu hocken, Mr. Tormentus", entgegnete Regan Dawn kalt. Unvermittelt trat eine bedrückende Stille im Pub ein. Tom der Wirt stellte ein Tablett mit vollen Gläsern auf die Theke zurück und beobachtete, was weiter geschah. Doch außer einigen ungehaltenen Blicken, die sich Regan Dawn und Barabas Tormentus zuwarfen, geschah nichts weiteres. Bald kehrte das übliche Raunen und Schwatzen zurück. Tom nahm das Tablett vom Tresen und bediente die Gäste, die die Getränke bestellt hatten. Die Dawns standen auf und traten an den Kamin, um mit Flohpulver in ihr Landhaus zurückzukehren. Aurora wollte gerade eine Prise des Zauberpulvers in das Feuer werfen, als das silberne Armband, das sie am linken Handgelenk trug, wie wild zu vibrieren begann. Sie erbleichte. Das war ihr Frühwarner, der böse Wesen ankündigte. Das erste und bisher letztemal, wo sie ihn gespürt hatte war in den Weihnachtsferien gewesen, wo sie mit Bernhard in der Winkelgasse gewesen war und den kleinen Draco Malfoy gerettet hatte. Da hörte sie auch schon einen lauten Tumult von der Winkelgasse her. Sie waren wirklich wieder da.

"In den Schlamm, aus dem ihr Maden gekrochen seid, im Namen des dunklen Lords!" Brüllte jemand. Dann krachte es laut.

"Sie haben es tatsächlich wieder gewagt", schnaubte Regan Dawn. "Aurora, mach, daß du zu euch nach Hause kommst!" Herrschte sie ihre Enkeltochter an, gerade als von draußen die Worte "Avada Kedavra" erklangen. Aurora zitterte. Das war der Todesfluch. Damit war ihr Onkel Dustin ...

"Los, mach schon!" Fauchte Regan Dawn sehr ungehalten und schob Aurora nach vorne. Diese warf eine Prise Flohpulver ins Feuer, sprang in die hochlodernde Feuerwand und rief hastig den Namen ihres Hauses aus. Gerade als sie im Wirbel der Flohpulvermagie verschwand, stürmten fünf vermummte Zauberer den Pub.

Aurora landete voller Angst im Kamin des alten Landhauses. Panik überkam sie, weil sie daran dachte, daß ihre Eltern und ihre Oma noch im tropfenden Kessel waren und jederzeit getötet werden konnten. Sie wimmerte, weil sie nicht wußte, was sie tun sollte. Die Minuten, die verstrichen, waren die schrecklichsten ihres Lebens, obwohl ihr selbst nichts passierte. Es passierte überhaupt nichts, und das gerade verstärkte die Panik in Aurora. Sie wollte schon nach dem Flohpulver-Krug ihrer Eltern greifen, um irgendwo hinzureisen, als ein lautes Rauschen im Kamin erklang. Sie dachte einen winzigen Moment daran, daß einer der Todesser hereinkommen würde und hätte fast losgeschrien, als sich etwas im Umhang aus dem Funkenwirbel schälte. Doch dann erkannte sie ihre Mutter und vergoss Tränen der übermäßigen Erleichterung.

"Kind, ist alles gut", sprach Regina Dawn beruhigend auf ihre Tochter ein. "Wir sind alle noch heil geblieben. Allerdings hätte so ein klobiger Kerl mich fast erwischt. Der Kamin mußte erst repariert werden. Deine Oma und diese Ethel Tormentus haben die fünf Verbrecher ziemlich heftig beharkt. Das habe ich noch nie gesehen, wie die mit Flüchen und Fernbewegungszaubern hantiert haben."

Hugo Dawn erschien aus dem Nichts heraus. Sein Umhang war leicht angerußt, und sein Haar war mit Asche verschmutzt.

"Diese Bastarde haben den tropfenden Kessel angezündet. Mum hat einen von denen mit einem Incapsovulus-Fluch eingekerkert, den kriegen die schon. Die anderen sind wie feige Ratten abgehauen, als der Pub zu brennen angefangen hat", sagte er.

"Wo ist Oma Regan?" Fragte Aurora. Wie zur Antwort ploppte es vernehmlich, und Mrs. Regan Dawn stand nach Qualm und verbranntem Haar stinkend im Raum und blickte zornig umher. Als sie dann aber sah, wie aufgelöst ihre Enkelin war, weil diese immer noch hemmungslos weinte, hellte sich ihre Miene auf. Sie trat zu Aurora, nahm sie in ihre Arme und sprach beruhigend auf sie ein.

"Ist gut, kleine Prinzessin. Oma geht es gut, und Mum und Dad sind auch wieder da. Die bösen zauberer sind alle weg oder zur Unkenntlichkeit verhext. Ich wußte schon immer, daß die biedere Ethel Tormentus geborene Morgan ziemlich gut mit heftigen Flüchen bescheidweiß. Aber was die gezaubert hat hat selbst mich noch in Erstaunen versetzt. Irgendwoher hat die das Bannlied der Sabberhexen gelernt und für gewöhnliche Hexen nutzbar gemacht. Jedenfalls sind von den acht, die reingestürmt sind sechs wie in Trance davonmarschiert, nachdem sie einen Kraftfängerzauber gewirkt hat, der niedere Flüche anzieht und schluckt. Zwei haben wir unabgesprochen mit dem Incapsovulus-Fluch eingesperrt. Ich denke, Moodys Truppe wird die zu gegebener Zeit verhören."

"Pat ist gestorben, Mum", sagte Hugo Dawn. "Ich konnte vor dem Disapparieren noch sehen, wie zwei Todesflüche gleichzeitig auf ihn losgeschossen sind. Das kann er unmöglich überlebt haben."

"Nein!" Rief Aurora Dawn erschrocken. Patrokles Balder sollte tot sein? Sicher, er war ein strenger Lehrer gewesen. Doch sie hatte nie den Eindruck gehabt, er wolle sie oder andere demütigen oder drangsalieren.

"Wenn die in die Winkelgasse reingestürmt sind, dann gehen die auch nach Hogsmeade", heulte Aurora Dawn. "Dann bringen die alle da um."

"Kann sein", warf Regan Dawn ein. Ihre Schwiegertochter sah sie daraufhin tadelnd an. Mr. Dawn meinte zu seiner Mutter:

"Wir wollten Aurora morgen zu ihrer Freundin Miriam hinbringen. Sollen wir das besser lassen und den Swanns absagen?"

"Wenn das eine Aktion des erzbösen Hexers ist, sind die jetzt schon in Hogsmeade. Die Sache mit dem Drachenturm wird ihm noch gehörig schwer im Magen liegen."

"Dann sollen wir besser warten", meinte Mrs. Regina Dawn.

Aurora dachte nur daran, daß Miriam und ihre Eltern vielleicht auch sterben würden, einfach so. Eiskalte Angst umklammerte sie. Würden die Todesser auch das Dawn-Haus angreifen?

"Am Besten ziehen wir eine Apparitionsmauer hoch und legen einen Desintrusionsbann um das Haus", schlug Regan Dawn vor. Hugo und Regina nickten. Aurora wurde auf das Sofa gesetzt und sollte sich nicht mehr rühren. Regan Dawn behexte das bequeme Möbelstück irgendwie und ging dann mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter aus dem Haus, um dort irgendwas zu zaubern. Als sie nach einer Viertelstunde zurückkamen setzten sie sich rasch zu Aurora auf das Sofa. Diese meinte, ein leises Säuslen zu hören, nur für einen Moment. Dann war es totenstill im Haus.

"So, der Bann gegen unerwünschte Eindringlinge ist nun wirksam. Er wird einen vollen Tag vorhalten. Ich hoffe, danach wird euch keiner Angreifen", sagte Regan Dawn. Dann zauberte sie noch eine Sperre in den Kamin, daß niemand mit Flohpulver hereinkommen konnte.

Der folgende Tag war ein einziges banges Warten. Morgens hatte eine Eule die Zeitung gebracht, die mit fingerlangen Buchstaben verkündete:

KAMPF UM DIE WINKELGASSE


ÜBERFALL DESSEN, DESSEN NAME NICHT GENANNT WERDEN DARF FORDERTE ZWANZIG UNSCHULDIGE LEBEN

Aurora hatte aus der Zeitung erfahren, daß nicht nur der langjährige Auror Balder ein Opfer dieses Überfalls geworden war, sondern auch Familien von Muggelstämmigen, die mit ihren Kindern gerade in der Winkelgasse einkaufen wollten. Auch auf Hogsmeade waren sie losgegangen. Doch wirksame Wehrzauber hatten die bösen Zauberer zurückgedrängt. Dabei waren einige von ihnen zu Stein erstarrt, andere in eine Art Totenstarre versetzt worden. Es gab noch einen Nachruf auf Roland Chesterfield, einen von Balders Kollegen und Balder selbst. Ministerin Millicent Bagnold empörte sich über die Vorwürfe, man habe die Winkelgasse schutzlos gelassen und kündigte strenge Strafen für alle gefaßten Todesser an. Ihr Strafverfolgungsleiter Crouch persönlich verkündete, daß man die Familien dieser Verbrecher sehr gründlich nach weiteren Todessern absuchen und jeden weiteren bekannten Helfer des Unnennbaren gnadenlos verfolgen würde. Regan Dawn hatte dazu gemeint, daß Crouch in Gefahr sei, genauso brutal zu werden wie der dunkle Hexenmeister, den er jagte.

"Wer in diesem Beruf arbeitet muß ständig aufpassen, daß er nicht selbst zum Diener böser Mächte wird", hatte sie gesagt.

Als eine schnelle Eule aus Hogsmeade am Mittag eintraf und zwei Briefe auf einmal mitbrachte, dachte Aurora schon, Miriams Familie sei was passiert. Ein Brief war für ihre Eltern. Der zweite war für sie.

Hallo Aurora,

wir hatten gestern wieder unangenehmen Besuch von seinen Leuten. Aber unsere Leute hier haben diesmal so heftig dagegengehalten, daß wir von den zwanzig, die reingekommen sind, achtzehn kampfunfähig geflucht haben. Der Dorfrat hat verfügt, daß um unser Dorf ein Antiapparitionswall hochgezogen wird und Flohpulvern nur noch nach schriftlicher Genehmigung passieren soll. Da meine Eltern und ich nicht einsehen, daß wir uns hier bis zum ersten September einigeln sollen, haben wir beschlossen, daß ihr, also Petula, Bruster, Mortimer und du morgen zu uns kommen sollt. Wir wollen diesem Mörder nicht erlauben, uns selbst wie Gefangene zu verhalten, wo er doch derjenige ist, der eingesperrt gehört. Mein Vater meinte sogar, den sollten sie mit Kopf, Händen und Füßen an Flugbesen binden und dann in fünf Richtungen auseinanderreißen. Aber ich fürchte, die Bagnold wird sowas nicht erlauben. Auf jeden Fall sind wir hier alle sauer auf diese Bande. Sicher, viele haben eine Mordsangst vor dem, aber deshalb sind die ja alle stocksauer auf den Unnennbaren und seine Mistkäfer.

Also komm am besten morgen mittag zu uns. Wir wohnen im Haus auf dem Hasenrücken, einem Hügel im westen von Hogsmeade. Von da aus kann man sogar die Turmspitzen von Hogwarts sehen.

Wir sehen uns
                    Miriam

P.S. Herzlichen Glückwunsch zum Vertrauensschülerinnenabzeichen!

"Die Swanns schreiben, du möchtest allein oder mit einem von uns zu ihnen fliegen, besser auf einem Besen als per Flohpulver, weil die Hogsmeade jetzt abriegeln. Willst du hin?" Fragte Mr. Dawn.

"Ja, bitte", sagte Aurora. Miriams trotziger Brief hatte ihr gezeigt, daß Bangemachen vor dem Unnennbaren nichts brachte. Nein, auch sie wollte nicht wie eine Gefangene leben.

So flogen Mr. Dawn und Aurora am nächsten Morgen früh los. Sie hatten Auroras Nimbus-Besen genommen, und Mr. Dawn hatte Aurora hinter sich sitzen. Innerhalb einiger Stunden erreichten sie Hogsmeade. Sie wären bestimmt schneller angekommen. Doch wegen der Muggel mußten sie Umwege fliegen, um die Straßen und Städte zu meiden. Als dann am Mittag die Woodlane-Geschwister Priscilla und Petula eintrafen, und gegen eins auch Bruster Wiffle zusammen mit Mortimer und seiner Mutter Norma auf Thestralen angeritten kam, war die Runde komplett.

"Diese Viecher sind mir unheimlich", bemerkte Aurora, als Mrs. Wiffle die drei Tiere angepflöckt hatte, die wie eine gespenstische Kreuzung aus Pferd und Flugechse aussahen und beinahe nur aus den Knochen bestanden. Die fahlen Augen der Thestrale verstärkten den gruseligen Eindruck um ein vielfaches. Aurora dachte, wer außer ihr diese Tiere mit den Augen sehen konnte. Petula und Priscilla sahen sie offenbar nicht, konnten sich aber denken, daß es diese Wesen sein mußten, die nur sehen konnte, wer den Tod mit eigenen Augen hatte ansehen müssen.

"Woher haben sie die Thestrale?" Fragte Mr. Dawn Mrs. Wiffle.

"Als Hagrid eine Herde von denen gezüchtet hat, konnte ich vier Fohlen von denen abkaufen, weil Dumbledore eine Stückzahlenbeschränkung verfügt hat. Sicher, nicht jeder kann die benutzen. Aber ich sehe zumindest zwei hier, die sie sehen können."

"Meine Tochter und mich", grummelte Mr. Dawn, während Mrs. Wiffle ihrem Sohn und ihrem Neffen von den für diese unsichtbaren Tieren herabhalf.

"Aber praktisch sind diese Tiere schon", sagte Mrs. Wiffle. "Die finden einen noch nie angeflogenen Ort ohne sich zu verirren und sind schneller als mancher Flugbesen."

Aurora wandte sich von den gespenstischen Tieren ab und betrachtete das weißgetünchte Haus der Swanns, das auf sie den Eindruck einer zweistöckigen Torte machte. Es besaß nämlich keine Ecke, sondern war kreisrund, während die gewölbten Fenster wie Blütenkelche aus Glas mit Rändern aus kirschrotem Holz wirkten. Das Dach des etwa fünfzehn Meter durchmessenden Rundhauses vervollständigte den Eindruck, es mit einem Kuchen aus gemauertem Stein zu tun zu haben, weil es flach und mit perlweißen Pfannen verklinkert war und einen kurzen, dafür sehr breiten Schornstein in der Mitte trug, aus dem wolkenweißer Rauch wie ein Sahnehäubchen herausquoll.

"Konnten die Architekten keine rechten Winkel zeichnen, oder warum sieht das Haus wie'n UFO aus?" Fragte Bruster, als er das kreisrunde Haus lange genug angeglotzt hatte. Miriam verzog das Gesicht wie eine beleidigte Leberwurst. Ihre Mutter jedoch lachte.

"Tritons Großeltern haben das hier gebaut, ganz alleine. Weil meine Schwiegergroßmutter eine Zuckerbäckerin war, hat ihr Mann ihr dieses Hochzeitstortenhaus hingestellt, bevor er sie geheiratet hat." Aurora erkannte, daß Miriam die rotblonde Haarpracht von ihrer Mutter geerbt hatte, die blaßblauen Augen aber von ihrem Vater.

"Was ist denn bitte ein UFO?" Wollte Miriam wissen.

"Eine fliegende Untertasse, ein Weltraumschiff von einem anderen Stern", erklärte Mrs. Wiffle rasch und sah dabei etwas ungehalten zu ihrem Sohn hinüber. "Muggelkram, den man lernt, wenn man mit Muggeln zusammen auskommt."

"Das war mir schon klar", meinte Miriam leicht vergrätzt und blickte Bruster leicht vorwurfsvoll an.

"Ich hörte, du seist die neue Vertrauensschülerin in Ravenclaw", sprach Mrs. Swann Aurora an, als sie sich auf der mit weißem und rotem Marmor gefließten Terrasse des Hochzeitstortenhauses an einen ovalen Gartentisch gesetzt hatten. Aurora zwang sich, nicht wieder zu erröten. Sie nickte. Petula und ihre Schwester gratulierten ihr ebenso wie Miriam, Bruster und Mortimer. Mortimer schien anders als seine Mutter keine Probleme damit zu haben, daß Bruster das V-Abzeichen bekommen hatte. Er hatte nur einmal gesagt:

"Da mußt du nur mit bestem Beispiel vorangehen und dich mit Roy nicht mehr so über diesen Einballkrempel zanken, Brusi." Bruster, der wohl wie Aurora nicht besonders scharf auf das Vertrauensschüler-Abzeichen gewesen war, grummelte nur was von "Wenn der nicht damit anfängt", sagte aber sonst nichts dazu.

Nach anfänglicher Angespanntheit wegen der Übergriffe der Todesser von gestern bekamen die Swanns und ihre Gäste bald eine ungezwungene Stimmung hin. Zwischendurch strich Feuerball, Miriams Kniesel, um die Beine der Anwesenden. Das wie eine etwas größere Hauskatze aussehende Tier mit dem erdbraunen Fell mit den fuchsroten Tupfern drauf, den großen Ohren und dem orangeroten Schwanz mit der Quaste schien irgendwie nicht so recht zu wissen, was es mit Mrs. Wiffle anfangen sollte. Von den angepflöckten Thestralen hielt es sich sehr weit fern.

"Auf jeden Fall ist das schön, daß ihr doch noch hergekommen seid", bekräftigte Miriam, als sie ihren Freundinnen ihr Zimmer zeigte, das wie ein Achteltortenstück gebaut war und zwei der Blumenfenster nach außen besaß. In der Ecke des Zimmers stand der große Kleiderschrank mit Röcken, Blusen, Tanzkleidern und diversen Umhängen. Dann hingen noch verschiedene Zaubererbilder an den zwei fensterlosen Wänden. Zwei rundbogenartige Türen führten aus dem geräumigen Zimmer heraus.

"Meine Oma meinte, wir sollten uns bloß nicht zu lange ducken, sonst bekämen wir alle Hexenschuß", meinte Aurora und erntete ein befreites Lachen von Petula und Miriam. Die Mädchen unterhielten sich darüber, wie sie das neue Jahr angehen sollten, jetzt, wo Aurora die Vertrauensschülerin aus der fünften Klasse war und nicht sofort mit ihnen im selben Zugabteil sitzen konnte. Irgendwann kamen noch Bruster und Mortimer hinzu, die sich von Mr. Swann ausführlich die Wohnräume des Hauses hatten zeigen lassen.

"Diese Hebeschnecke in der Mitte ist schon genial, wie 'ne Rolltreppe im Muggelkaufhaus", sagte Bruster beeindruckt, als Mr. Swann den weizenblonden Jungen mit der Himmelfahrtsnase durch die zur nach außen gewölbten wand hin linken Tür hereinbugsierte, nachdem er artig geklopft und Miriams "Herein" abgewartet hatte.

"Ja, das hat Urgroßvater Octavius alles für Urgroßmutter Virginia gebaut. Das hält ewig, wenn nicht wer meint ... Aber denken wir nicht dran", sagte Miriam. Ja, daran zu denken, daß ein so kurioses Haus von Leuten des Unnennbaren zerstört werden konnte, war hier nicht erwünscht.

Die Mädchen und Jungen plauderten noch etwas weiter über das anstehende ZAG-Jahr. Bruster meinte, er hätte es Mortimer gegönnt, das Vertrauensschülerabzeichen zu kriegen. Mortimer meinte nur, daß er sich bestimmt nicht darum geprügelt hätte und Bruster wohl von Dumbledore getestet wurde, ob er noch mehr bringen könne als was er in den beiden letzten Jahren schon gebracht hatte.

"Den Eindruck habe ich auch. Der ist so drauf", meinte Bruster verlegen.

"Auf jeden Fall können die dich jetzt nicht mehr so ohne weiteres rauswerfen", meinte Mortimer gehässig.

"Die McGonagall würde ihn dann wohl eher in einen Putzlumpen verwandeln, als Abschreckung, daß ein Vertrauensschüler sich nicht den Rauswurf einhandeln darf", feixte Petula. Bruster lachte, obwohl Aurora nicht wußte, ob er aus Trotz oder aus Humor lachte.

"Bin mal gespannt, wie Roy drauf reagiert, wenn du mit dem V auf der Brust anrückst", meinte Mortimer.

"Der wird denken, jetzt hätte ich mich erst recht bei den Lehrern eingeschleimt", meinte Bruster, diesmal etwas verstimmt klingend. "Ich will mir auch nicht vorstellen, wie die Bitterling das hinnimmt. Jetzt wo Balder von diesem Unnennbaren umgebracht wurde wird sie ja wohl wieder seinen Job machen und noch unausstehlicher sein."

"Ach, hast du es noch nicht gehört? Ach neh, stand ja noch nicht im Tagespropheten", setzte Miriam an. "Professor Bitterling hat den Job in Hogwarts hingeworfen. Angeblich hat sie einen Ruf ans Podeum der Zaubertrankbraumeister gekriegt und den angenommen. Das ist die Clique von Zaubertrankexperten und -innen."

"Häh? Wieso denn das?" Fragte Bruster, der sich wunderte, warum die nicht von jedem so gemochte Bitterling den Beruf einfach niederlegen würde.

"Im Zweifelsfall mehr Gold", meinte Mortimer.

"Neh, die Frau will Großmeisterin für Zaubertränke werden. Außerdem scheint sie wohl genug von ignoranten Schülern zu haben", meinte Miriam.

"Woher hast du das?" Wollte Petula wissen.

"Die war vor zwei Tagen im Dervish und hat sich da einen Vielraumkoffer besorgt, weil sie nicht mehr mit so viel Gepäck rumlaufen wollte. Daddys Kollegin hat sie gefragt, wohin sie denn verreisen wolle, und da hat die Bitterling es ihr erzählt, daß sie wohl mit dem Unterrichten schlußmacht und nach Sussex umsiedelt, wo die vom Zaubertrankpodeum ihr Hauptquartier haben, weit genug weg vom Londoner Trubel und versteckt genug, so wie Hogwarts."

"Dann müßte Dumbledore doch eine Anzeige im Propheten drinhaben: "Suche Fachkraft für magische Tränke und Lösungen sowie Fachkraft für die Abwehr dunkler Künste"", meinte Bruster.

"Wird wohl noch kommen. Wir haben ja heute erst den zweiten August", erwiderte Aurora.

"Hoffentlich kriegen wir mal einen, der besser drauf ist als die Bitterling", sagte Mortimer.

"Stimmt, und eine, die nicht nach Sympathie benotet", knurrte Bruster. Dann fiel ihm was ein. "Oh, Mist, dann haben die Slytherins ja keinen Hauslehrer. Dumbledore muß also einen Slytherin anstellen, der den Job dann macht. So ein Mist!"

"Wieso ein "Der", Bruster. Kann ja auch 'ne "Die" sein", warf Miriam ein.

"Mann, so sagt man das, egal ob's Männer oder Frauen machen sollen", belehrte Mortimer die Klassenkameradin. Miriam schien damit nicht so recht einverstanden zu sein, verkniff sich aber jede Antwort.

Um die gereizte Stimmung wieder aufzulockern begann Aurora eine Diskussion darüber, wer wohl Bitterlings Nachfolge in Hogwarts antreten würde und wer Balders Job machen würde. Denn sicher war, daß Dumbledore nicht einen Lehrer für beides engagieren würde. So um vier Uhr herum tranken sie zusammen mit den Erwachsenen Kaffee im großen Saal im ersten Stockwerk, zu dem sie auf der Hebeschnecke, einer sich ständig bewegenden Rampe im Mittelpunkt des Kuchenbaus herabglitten. Um fünf Uhr war allgemeines Verabschieden angesagt. Miriam bedankte sich für den Besuch und wünschte Aurora für ihre Vertrauensschüleraufgaben alles Glück und die nötige Ruhe, die sie selbst wohl nie aufbringen könne. Mrs. Wiffle half Bruster und Mortimer mit den für diese unsichtbaren Thestralen, saß auf dem dritten Tier auf und kommandierte den Abflug. Aurora sah den geflügelten Zaubertieren nach, wie sie pfeilschnell aufstiegen und in weniger als einer Minute aus ihrer Sicht verschwanden. Dann flogen sie und ihr Vater auf dem Nimbus 1500 zurück zum Landhaus der Dawns. Aurora hatte Miriam und die anderen zu einem Gegenbesuch eingeladen, wenn Weihnachten war und es hoffentlich wieder Schnee geben würde, der das Landhaus verzierte. Wieder zu Hause berichtete sie ihrer Mutter, was sie erlebt hatte.

"Und du hast gemeint, du hättest nicht das Zeug zur Vertrauensschülerin, Aurora. Diese Sache, wie du den Zank zwischen Miriam und den Jungs beendet hast, ohne sie zu maßregeln ist doch ein Beweis, daß du die richtige dafür bist. So und nicht anders kannst du das auch in Hogwarts machen", sagte Mrs. Dawn. Aurora sah sie zwar ungläubig an, mußte es aber einsehen.

__________

In den nächsten Wochen erhielt Aurora noch einen Brief der neuen Schulsprecherin, Alwine Silversmith aus Hufflepuff, die ihr mitteilte, daß sie am ersten September im vorderen Wagon im schallgedämmten Abteil des Zuges zur Zusammenkunft der alten und neuen Vertrauensschüler dazukommen sollte. Allerdings verriet Alwine nicht, wer aus den anderen Häusern zu den Vertrauensschülerinnen gehörte. Das sollten dann wohl alle am Tag der Abfahrt erfahren.

In den Tagen vor dem ersten September jagte eine Mordnachricht nach der nächsten Hetzjagd durch die Ausgaben des Tagespropheten. Es tat Aurora immer wieder weh, wenn sie bekannte Familiennamen lesen mußte. Jeder in Hogwarts, so schien es, hatte Angehörige zu betrauern. Sie konnte im Grunde von Glück reden, daß ihre Verwandtschaft noch unbehelligt geblieben war. Doch was sie stutzig machte war, daß keine Suchanzeige für neue Lehrer in der Zeitung abgedruckt wurde. Stimmte es denn wirklich, daß Professor Bitterling nicht mehr weiterunterrichten wollte?

Am vorletzten Tag machte der Tagesprophet mit einem Artikel auf, die Aurora zu tiefst erschütterte.

JETZT AUCH DIE MUGGEL


DER; DESSEN NAME NICHT GENANNT WERDEN DARF; TÖTET MANNSCHAFT EINES MUGGEL-DAMPFERS

Darunter stand ein Artikel von einem Vergnügungs-Dampfschiff der Muggel, der "Southern Sunrise", die zu einer Reisefirma namens "Joyful Journeys" gehörte. Das Schiff habe im Hafen von Dover gelegen, um Passagiere einer Skandinavienrundreise von Bord gehen zu lassen, als fünfzehn vermummte Leute, angeführt von ihm, dem dunklen Lord selbst, aus dem Nichts aufgetaucht seien und die an Bord befindlichen Schiffsleute und einige der Passagiere mit Feuer- und Todesflüchen niedergemetzelt hätten. Danach hätten sie das ganze Schiff angezündet und das weithin gefürchtete dunkle Mal in den Himmel beschworen. Unter den Toten seien auch die Eltern einiger muggelstämmiger Hogwarts-Schüler gewesen, wie der Maschinenwart Fielding und dessen Frau, die zusammen mit den beiden Kindern gerade von dieser Reise zurückgekehrt sei. Vater und Mutter seien den Vernichtungsflüchen zum Opfer gefallen. Von den Kindern habe man nichts finden können. Offenbar seien diese zur Unkenntlichkeit verbrannt. Das Aurorenkorps, sowie das Büro für Desinformation der Muggelwelt und das Büro für muggeltaugliche Entschuldigungen hätten nach dem Erscheinen des dunklen Males alle lebenden Zeugen mit Gedächtniszaubern belegen müssen und den Großbrand als Folge eines Maschinenölaustritts und Funkenfluges aus einem elektrischen Gerät ausgegeben.

Aurora Dawn weinte bitterlich, als sie die Schwarz-Weiß-Fotografie eines brennenden Dampfschiffes mit einem großen, leuchtenden Totenschädel darüber sah. Aus dem lippenlosen Mund des Schädels lugte eine züngelnde Schlange hervor, die die ganze Welt zu verhöhnen schien. Sie dachte an Roy, der nun wohl zu den Toten gehörte, die man nicht mehr erkennen konnte. Sie dachte daran, daß Roy früher immer gespottet hatte, daß sie zu unwichtig für den Unnennbaren seien. Und jetzt hatte dieser ihn, seine Eltern und wohl auch seine Schwester Erica ausgelöscht, einfach so, weil er keine Muggelstämmigen mochte. Er hatte Dutzende von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern hingeschlachtet und dann noch dieses verfluchte Zeichen in den Himmel gezaubert, damit ja alle sahen, wer das getan hatte. Auroras Mutter, die ihrer Tochter die Zeitung wegnehmen wollte, nahm sie in die Arme und meinte:

"Ich weiß, du kamst mit den Fielding-Kindern gut klar, auch wenn Roy mit seiner Fußballbegeisterung und seiner leicht weckbaren Wut nicht immer einfach war. Aber das ist bestimmt kein Grund, ihn und Erica einfach umzubringen. Ganz bestimmt nicht."

"Warum macht der das? Was haben die ihm getan?" Heulte Aurora Dawn hemmungslos.

"Das weiß keiner. Vielleicht weiß der das selbst nicht einmal, warum er Leute umbringt. Die haben dem überhaupt nichts getan. Die wußten ja noch nicht mal was von dem. Wir können da jetzt nichts mehr dran ändern, Aurora", sagte Mrs. Dawn betrübt. "Da hat jetzt niemand mit rechnen können."

"Warum?! Warum?!" Rief Aurora mit tränenblinden Augen.

"Das Wort hast du schon tausendmal benutzt, und ich konnte da immer was zu antworten. Aber heute kann ich dir dazu keine Antwort geben, Prinzesschen", sagte Mrs. Dawn und schluckte, weil auch ihr die Tränen in die Augen traten. Sie war traurig, weil ihre Tochter traurig war und litt, weil ihre Tochter litt.

Als Mr. Dawn am Abend von einem Tagesausflug mit dem Fahrenden Ritter zurückkehrte und erfuhr, was passiert war, konnte auch er keine Worte finden, die Auroras Kummer linderten.

Am vorletzten Ferientag kam ein Brief von Bernhard Hawkins bei Aurora an. Bernhard schien das mit dem Muggel-Dampfschiff nicht mitbekommen zu haben. Er schrieb ihr, daß er Vertrauensschüler geworden sei und sich schon freue, mit ihr wieder nach Hogwarts zu fahren und das er eine echt tolle Zeit in den Staaten erlebt habe. Aurora war drauf und dran, ihm zu schreiben, daß sie nicht mehr nach Hogwarts zurückkehren wollte, weil sie keine Lust hatte, leere Stühle am Ravenclaw-Tisch zu sehen oder gar mitzukriegen, wie sich ein Erstklässler auf einen Platz setzte, wo Roy Fielding hätte sitzen sollen. Doch ihre Eltern machten ihr unumstößlich klar, daß ihr Leben weiterzulaufen habe.

"Du bringst den Jungen nicht mehr zurück, wenn du jetzt alles hinwirfst, Aurora. Dann wäre er umsonst gestorben und seine Schwester Erica, die dir ja wohl auch oft geholfen hat würde das auch nicht wollen, daß du ihretwegen die Schule hinschmeißt", sagte Mrs. Dawn. Auch ihr Vater meinte:

"Oma Regan und Onkel Dustin, auch wenn er tot ist, haben dir immer gesagt, dich nicht unterkriegen zu lassen. Solange du atmest, dein Herz schlägt und du irgendwas empfindest mußt du weiterleben. Das wäre eine eingestandene Niederlage vor diesem Verbrecher, der deine Klassenkameraden umgebracht hat. Also, morgen früh bringen wir dich zum Bahnhof und in den Zug. Du hast Verpflichtungen, junge Lady, vor uns, vor deinen Mitschülern und vor allem vor dir. Die wirst du einhalten. Hast du das verstanden?"

"Ja, Dad", gab Aurora halblaut zurück. Sie hatte ihren Vater noch nie so über die Maßen streng erlebt. Er hatte sie immer mit netten Worten von bösen Taten abzuhalten geschafft, wo sie klein war. Er hatte ihr auch erklärt, warum sie nicht mehr mit den Muggelkindern spielen durfte. Für ihn war "Du tust, was ich sage" nicht genug. Er hatte ihr immer was dazu sagen können, damit sie es auch verstand, warum sie es tun sollte. Ihre Mutter war da nie anders gewesen. Doch jetzt sah sie sich einem Vater gegenüber, der ihr offen zeigte, daß er böse werden würde, wenn sie nicht tat, was er sagte. Das erschreckte sie, imponierte ihr aber auch. Sie ging auf ihr Zimmer und packte den Koffer, den sie an und für sich nicht packen wollte. Sie legte auch den Nimbus 1500 in den Koffer, obwohl sie wußte, daß sie ihn zum Schulquidditch nicht benutzen durfte. Aber ihre Oma Regan hatte darauf bestanden, daß sie ihn bekam, weil sie Vertrauensschülerin geworden war. Also nahm sie ihn mit. Was spielte es noch für eine Rolle, was sie mitnahm und was nicht. Sie glaubte eh nicht daran, daß sie in Hogwarts noch was nettes erleben würde. Allein schon der Gedanke an dieses Vertrauensschülertreffen morgen früh im Zug bereitete ihr Unbehagen. Doch ihre Eltern wollten das, daß sie weiterlebte, und sich zu verkriechen und die Augen rot zu heulen brachte es wirklich nicht. Nein, das wollte sie Leuten wie Tonya Rattler und Samiel Sharkey nicht gönnen, sich derartig über sie zu amüsieren.

Als sie im Bett lag dachte sie krampfhaft an alles mögliche, was ihr eine gute Stimmung bescherte. Irgendwann war sie müde genug, daß sie in einen tiefen Schlaf hinüberglitt.

__________

Der erste September begrüßte die Dawns mit einem fabelhaften Sonnenaufgang an wolkenfreiem Himmel. Der ewige Feuerball, in dessen Schwerefeld die Erde ihre Bahn zog, schien ein pausbäckiges orangerotes Gesicht zu haben, daß alle, die es ansahen anlächelte, als sei die Welt wieder neu und alles Böse für alle Zeit vergangen. Aurora genoß diesen Gruß des wärmenden Gestirns und schien wie davon beflügelt, das neue Schuljahr willkommen zu heißen, das heute beginnen würde. Sie war Vertrauensschülerin. Sie hatte Aufgaben zu erledigen, die andere nicht aufgeladen bekamen. Ab heute begann für sie ein neues Leben, nachdem sie vor vier Jahren zum ersten Mal mit dem Hogwarts-Express gefahren war. Sie würde heute mit Leuten zusammensitzen, die ebenso auf ihre neuen Aufgaben warteten wie sie. Sie würde in der großen Halle am Ravenclaw-Tisch sitzen, und mit Leuten wie Geoffrey Forester und Stella Morrow, einer der ältesten noch in Hogwarts lernenden Vertrauensschülerin, wie auch mit Bruster Wiffle aufpassen, daß in Ravenclaw alles in Ordnung blieb. Sicher, Roy Fielding würde nicht zurückkommen, und Bruster hätte einen gewohnten Mitstreiter weniger. Doch es würden neue Schüler kommen, die auch neue Sachen machten. Hogwarts war doch besser als zu Hause herumzuhängen. Das merkte sie nicht zuletzt daran, daß ihre Mutter sie neidvoll ansah, als sie mit Hugo Dawn und ihr durch die magische Barriere trat, die Gleis 9 von Gleis 9 3/4 trennte.

"Da vorne mußt du rein, junge Lady", sagte Mrs. Dawn und deutete auf den Wagon direkt hinter der scharlachroten Lok, aus deren Schornstein bereits die ersten Dampfwolken pafften und zischten. Aurora sah sich um, wo vertraute Gesichter auftauchten. Sie sah die Rattlers, beide Schwestern, Delila, eine gelungene Kreuzung zwischen einem Kleiderschrank und einer Frau mit blonder Mähne und prallen Brüsten und Tonya, deren Körper daran zu arbeiten schien, den ihrer Schwester zu kopieren. Sie sah die Woodlanes, sowohl die Eltern als auch Petula und ihre Schwester Priscilla. Als diese Auroras Blick bemerkte, winkte sie ihr zu. Aurora nickte ihren Eltern zu, mal eben hinüberzugehen, da es ja noch zehn Minuten bis zur Abfahrt waren.

"Petula hat mich damit aufgezogen, daß ich der falschen Viertklässlerin meine guten Ratschläge gegeben habe", sagte Priscilla lächelnd und deutete auf Auroras blau-bronzenes Vertrauensschülerinnenabzeichen. "Deshalb möchte ich nicht noch mal so viele Minuten vertun und dir nur drei Sachen mit auf deinen neuen Weg geben:

Erstens fang keinen Streit an, sondern beende ihn nur, aber so, daß du weder Respekt noch Kameradschaft einbüßt!

Zweitens schläfst du immer gut, wenn du rausfindest, was es wert ist, an die Lehrer weitererzählt zu werden und was nicht.

Drittens werde nicht überheblich, sondern bleibe du selbst! Das wirst du dir von allen anderen am meisten danken. Ach ja, wenn dir wer was im Vertrauen erzählt, tratsche es nicht rum! Das ist der vierte Ratschlag. Ich habe Amtskolleginnen erlebt, die nichts besseres zu tun hatten, als Leuten, die das V auf ihren Abzeichen wörtlich zu verstehen, bei Lehrern und Mitschülern einen miesen Stand zu verpassen. Wahrscheinlich hat Dumbledore dir geschrieben, daß er dich nicht als Überwacherin eingestellt hat. Lass dir das also auch nicht von anderen aufschwatzen, so zu handeln!"

"Das war jetzt der fünfte Ratschlag", erkannte Aurora Dawn frech. Priscilla grinste.

"Nein, das war kein Ratschlag, sondern nur ein Beispiel aus meinem Leben. Mach's gut und vertrage dich schön weiter mit meiner kleinen Schwester!"

Aurora wollte wohl noch was zu Roy Fieldings Tod sagen. Doch sie schluckte es hinunter. Das sollte Dumbledore tun, wenn dem danach war. Sie kehrte zu ihren Eltern zurück, gab Vater und Mutter einen Abschiedskuß und schritt verhalten zum Einstieg des vorderen Wagons.

"Zum Hogwarts-Express alles einsteigen und die Türen Schließen! Rief der Lokomotivführer, der mit rußgeschwärztem Gesicht aus dem rechten Fenster im Führerhaus blickte. Er trug eine scharlachrote Uniform mit großen Eisenknöpfen, auf denen jeweils die verschnörkelten Buchstaben H und E eingraviert waren.

"Na, junge Miss. Willkommen im Club der Verantwortungsträger", lachte er Aurora mit einer leicht angerauhten Stimme an, bevor er das Fenster wieder schloß. Aurora erklomm den Einstieg des vorderen Wagons und sah, wie ein hellblonder Schopf hinter ihr auftauchte, mit einem klobigen Körper unten dran. Aurora fühlte, wie ein kopfgroßer Stein in ihren Magen sackte. Es war also wirklich passiert. Dumbledore hatte die Rattler zur Vertrauensschülerin erklärt. Sie mußte das grün-silberne V-Abzeichen unter der linken Brust Tonyas nicht sehen, um die Bestätigung zu erhalten. Tonya enterte den Wagon und schob Aurora nach vorne.

"Habe mir schon gedacht, daß der Alte dich zur V-Trägerin eurer Eierkopfbagage macht", zischte sie Aurora gehässig zu. Insofern war sie wie früher und damit vertraut, erkannte Aurora Dawn. Hätte es nicht Loren Tormentus oder Baphomeda Roylott sein können? Nachher war Sharkey noch der "V-Träger" der Slytherins und das unerträgliche Duo damit komplett. Aurora würdigte Tonya nur mit einem "Ich wünsche gleichfalls alles Gute zum Schulanfang, Tonya und ging alleine weiter ins Abteil, das sich von den übrigen Abteilen dadurch abhob, daß es komplett mit scharlachrotem Samt und dicken Teppichen ausgelegt war und die Lampen in vergoldeten Halterungen steckten. Außerdem waren hier vier Sitzreihen zu sechs Sitzen um Tische mit abgerundeten Kanten gruppiert. Die Tische waren mit weißen Leinentüchern irischer Herstellung gedeckt und trugen kristallene Blumenvasen und golden glänzende Kerzenleuchter mit weißen Kerzen darin. Dann stand da noch ein Podest mit zwei hochlehnigen Stühlen, die wohl am Podest selbst angeschraubt waren. Auf den Stühlen lag ein rosanes und ein himmelblaues Kissen mit einem großen, eingestickten S darauf. Als Aurora die Innenausstattung des Abteils lange genug bestaunt hatte, fanden ihre Augen die übrigen Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschüler, zumindest zehn davon. Tonya Rattler und sie waren nicht die letzten gewesen. Aurora erkannte, daß von den Ravenclaws nun alle da waren, während aus Hufflepuff, Slytherin und Gryffindor noch welche fehlten. Tonya setzte sich einfach hin, ohne um Erlaubnis oder Sitzordnung gefragt zu haben.

Eine schlanke Fünftklässlerin mit dunkelblondem Haar, blauen Augen und einer niedlichen Stubsnase trat zusammen mit einem Klassenkameraden mit dichtem, schwarzen Haar und blauen Augen ein. Aurora lächelte. Cynthia Flowers war also die jüngste Vertrauensschülerin der Hufflepuffs, zusammen mit Herman Archstone, der wohl gerne in die Hufflepuff-Quidditchmannschaft nachgerückt wäre und sich ziemlich gut mit Verwandlung, Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste auskannte, in Zaubertränken dagegen aber nur deshalb wohl brauchbare Noten bekam, weil Cynthia und deren Freundin Melinda Bunton ihm halfen. Aber wo war Bernhard Hawkins, der neue Vertrauensschüler der Gryffindors?

Hallo, wo sind denn die anderen?" Fragte Cynthia laut, weil der Zug gerade anruckte und wohl schon aus dem Bahnhof hinausfuhr.

"Werden schon kommen, Flowers", sagte Tonya Rattler und schlug die Beine übereinander. Tatsächlich ergoss sich ein Strom eiliger Nachzügler in das Sonderabteil, angetrieben von der hochgewachsenen Alwine Silversmith aus Hufflepuff und Simon Honeydrop aus Gryffindor. Aurora sah Bernhard Hawkins zusammen mit der schwarzhaarigen Eunice Armstrong hereinkommen, die ihn wohl förmlch antreiben mußte. Zu Auroras Erleichterung war nicht der klapperdürre Samiel Sharkey der neue Vertrauensschüler der Slytherins, sondern der etwas attraktiver aussehende Bazil Calahan. Alwine zählte durch und schloß die Tür zum Abteil. Schlagartig war es totenstill im Abteil. Nicht ein Geräusch verriet, daß der Zug bereits Fahrt aufnahm und gerade um die lange Kurve schnaufte und ratterte, die vom Bahnhof fortführte. Simon Honeydrop, ein kastanienbrauner Sportlertyp mit graublauen Augen, musterte Tonya Rattler, die als einzige bereits saß. Alwine Silversmith sah die Slytherin an und meinte dann:

"Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie so müde von der Anreise sind, daß Sie sich sofort hinsetzen mußten, Ms. Rattler. Stehen Sie bitte noch mal auf, damit wir uns alle förmlich begrüßen können!" Sie hatte nicht laut gesprochen und auch nicht streng geklungen. Doch Tonya schnellte von ihrem Platz, als habe Professor Bitterling ihr diesen Befehl gegeben und nicht eine aus Hufflepuff, die ein silbernes Abzeichen mit dem Schriftzug SCHULSPRECHERIN trug.

Nachdem sich alle alten und neuen Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschüler gegenseitig begrüßt und formal viel Erfolg für die neuen Aufgaben gewünscht hatten, teilten Schulsprecher und Schulsprecherin die Plätze zu, auf die sich alle setzten. Es galt, daß nicht alle ganz jungen auf einem Haufen zusammenhingen und auch nicht die Vertrauensschüler der einzelnen Häuser für sich blieben. So landete Aurora neben Lisa Fairfax, einer Gryffindor-Sechstklässlerin und der Siebtklässlerin Joanna Marsfield aus Slytherin auf derselben Sitzbank. Als sich dann die beiden wichtigsten Schüler von Hogwarts auf die ihnen zustehenden Sitze niederließen, kehrte diese Totenstille wieder ein, die beim Schließen der Abteiltür eingetreten war. Simon Honeydrop ergriff das Wort.

"Im Namen unserer Schule Hogwarts darf ich als neuer Schulsprecher alle hier versammelten Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschüler zum Beginn des neuen Schuljahres begrüßen. Ich weiß, Sie wären jetzt ganz gerne bei den Klassenkameraden oder Freunden aus anderen Häusern und würden sich gegenseitig Ihre Ferienerlebnisse erzählen. Aber die Würde, die Professor Dumbledore Ihnen zugedacht hat verpflichtet Sie, uns beiden, Alwine Silversmith und mir, Simon Honeydrop, mindestens eine Viertelstunde Zeit zu widmen. Wir haben nämlich den Auftrag, Sie mit den anstehenden Rechten und Pflichten vertraut zu machen und denen, die neu zu uns gestoßen sind die schriftliche Ausgabe der Schulordnung auszuhändigen. Sie müssen diese nicht ständig unter dem Arm tragen. Aber der Wert eines Buches oder Heftes ergründet sich darin, daß man es liest." Wenige wagten laut zu lachen. Die meisten beließen es beim Schmunzeln.

Alwine fuhr nun mit der allgemeinen Ansprache fort und erläuterte den neuen Vertrauensschülern, was sie nun zu tun und zu lassen hatten. Einmal fragte Tonya Rattler:

"Können wir dieses förmliche Angequatsche nicht lassen. Wir sind doch hier nicht in so'ner Althexenversammlung." Keiner lachte. Alwine sah Tonya an und meinte dazu:

"Das ist nicht schlecht, wenn man früh genug lernt, sich ordentlich miteinander zu unterhalten, Ms. Rattler. Aber Da Sie diesen Punkt schon ansprechen, Außerhalb dieses Abteils kann jeder von euch den anderen und auch uns beim Vornamen nennen. Will er oder sie aber den Nachnamen gebrauchen, dann hat er oder sie gefälligst Mister oder Miss voranzustellen und nicht einfach nur den Nachnamen zu gebrauchen. Dieses Privileg haben nur die Lehrerinnen und Lehrer. Damit das auch gleich ganz klar ist - und das sollten Sie neu dazugestoßenen sich besser ganz dick hinter beide Ohren schreiben - wir Schulsprecher sind neben den Lehrern diejenigen, die selbst Vertrauensschülern noch Punkte abziehen und Strafarbeiten auferlegen dürfen. Dies nur für den unwahrscheinlichen Fall, daß jemand sich mal herausnehmen will, sich danebenzubenehmen und denkt, ihm oder ihr könne keiner was."

Als alle genickt hatten, auch Tonya Rattler, fuhr Simon damit fort, wie sie das regeln mußten, was in der Schule geschah, Hausaufgabenbetreuung und dergleichen organisierten oder die Freizeitclubs in Gang hielten. Dann rückte das Schulsprecherpaar die in smaragdgrün eingeschlagenen Schulordnungen heraus. Alwine bediente die Mädchen, Simon die Jungen. Als die Schulsprecherin bei Aurora vorbeikam flüsterte sie ihr zu:

"Ich habe mir schon gedacht, daß Dumbledore dich nimmt, weil er wohl mal wen anderen als eine Woodlane-Tochter nehmen wollte. Viel Erfolg noch!"

"Was läuft jetzt ab, wo Sie uns das alles erzählt haben?" Fragte Tonya Rattler unangemessen vorlaut.

"Nun, wir treten nun alle zum Patrouillengang durch den Zug an, um sicherzustellen, daß keine Unfälle passieren oder Fragen der Erstklässler zu beantworten, die sicherlich noch aufgeregt sind", sagte Simon. "Die Hexe mit dem Imbiswagen wird gleich Tee, Wein, Kürbissaft und Kesselkuchen hereinbringen, für uns hier umsonst, solange wir es in diesem Abteil essen. Daraus kann sich die Gelegenheit ergeben, die anderen Vertrauensschüler kennenzulernen, die alten die neuen und umgekehrt. Ansonsten können Sie sich auch mit Ihren Klassenkameraden oder Freunden treffen und über die Ferien plaudern, sofern es was gibt, worüber Sie plaudern möchten. Wir Schulsprecher bleiben hier und können eventuelle Fragen klären, die Sie noch haben sollten."

"Wenn Sie wünschen, dürfen Sie jetzt gehen", entließ Alwine mit einer sachten Armbewegung die angetretenen Vertrauensschüler. Aurora überlegte sich, ob sie mit Bernhard nicht hier im Abteil bleiben sollte. Aber dann dachte sie daran, daß das Schulsprecherpaar nicht mitkriegen mußte, daß sie beide zusammen waren. Sie stand also auf, nickte Bernhard kurz zu und verließ das Abteil. Tonya Rattler saß noch mit einer Sechstklässlerin aus Ravenclaw zusammen, wohl auf irgendwas hoffend oder lauernd. Aurora Dawn durchschritt die Tür und hörte nun wieder das nahe Schnaufen der Lok und das Rattern der Räder auf den Schienen. Sie ging schnell aber nicht allzu ailig dahin, warf hier und da einen Blick durch eine Abteiltür und entdeckte zunächst nur ältere Mitschüler aus anderen Häusern, besonders der Slytherins. Einmal machte Samiel Sharkey die Tür auf, sah Aurora Dawn an und verzog das Gesicht.

"Hat dieser alte Zausel dich echt zur Vertrauensschülerin gemacht. Tonya und ich haben uns schon gefragt, wen von euch Eierköpfen sie in den nächsten Jahren ertragen muß."

"Ich bin zumindest froh, dich nicht als Vertrauensschüler ertragen zu müssen, Samiel. Genügt mir schon, wenn du Quidditch spielst. Schönen Tag noch!" Aurora zog die Abteiltür einfach zu. Samiel Sharkey konnte gerade noch seinen Arm zurückziehen, sonst hätte Aurora ihn wohl glatt eingequetscht. Sie ging ruhig weiter. Hinter ihr tauchte Eunice Armstrong auf.

"Also, daß Dumbledore einen merkwürdigen Humor hat ist jetzt eindeutig klar. Sonst hätte der bestimmt nicht Tonya Rattler ausgesucht. Gehst du zu deinen Klassenkameraden oder machst du die Patrouille?"

"Ich will erst einmal sehen, wo meine Klassenkameraden und die neuen so sitzen. Du hast nicht zufällig Geschwister oder Verwandte, die dieses Jahr neu dazugekommen sind?"

"Dieses Jahr noch nicht, Aurora. Okay, ich gehe mal Streife. Lasse mich aber nicht alleine mit den anderen Leuten aus unserem Abteil herumlatschen, bitte!"

"Geht Klar, Eunice", sagte Aurora lächelnd und setzte ihren Weg fort. Dabei kam sie an einem Abteil mit laut schnatternden Mädchen vorbei, die wohl alle in die erste Klasse kamen. Eines davon zog die Tür auf. Aurora dachte zunächst, sie hätte Cynthia Flowers vor sich, bis ihr auffiel, daß das Mädchen wohl gerade erst elf Jahre sein konnte.

"'tschuldigung - Oh, Vertrauensschülerin - Öhm, wo geht's hier zum Klo? Meine Oma hat uns vor der Abfahrt zuviel Tee aufgeschwatzt."

"Moment, ich zeige es dir. Muß noch wer? Wenn wir in Hogwarts sind kann es lange dauern, bis man wieder gehen kann." Noch ein Mädchen trat aus dem Abteil. Es war Lorens jüngere Schwester. Aurora führte die beiden zum nächsten Toilettenraum, der anders als einer in Muggelzügen innen so groß wie ein Badezimmer war und sogar eine Dusche enthielt. Das Mädchen, daß Cynthia ähnelte verschwand zuerst.

"Du bist Aurora Dawn, oder muß ich Ms. Dawn sagen?" Wandte sich Lorens Schwester an Aurora.

"Du darfst mich ruhig beim Vornamen nennen, solange du mich nicht beleidigen willst", grinste Aurora.

"Meine große Schwester geht ja mit dir in die Muggelkundeklasse. Sie wollte keine Vertrauensschülerin werden. Wen haben die denn von den Slytherins genommen?"

"Ms. Tonya Rattler", erwiderte Aurora kühl. "Möchtest du auch nach Slytherin, wo deine Schwester Loren wohnt?"

"Hmm, die hat mir was von so'ner Prüfung erzählt, wo wir rauskriegen, wohin wir eigentlich sollen. Aber mehr wollte die nicht rauslassen. Die hat mich hier bei Nell und Petra hingesetzt und gemeint, ich sollte die Fahrt genießen. Mußt du jetzt durch den Zug laufen und alle kontrollieren?"

"Nicht alle, nur die was anstellen", sagte Aurora, die langsam mit ihrer neuen Rolle warm zu werden begann, jetzt, wo ihr dieses von Hogwarts unvorbehandelte Mädchen so schön einfache Fragen stellte.

"Gut, dann will ich dich nicht länger stören. Ich warte hier, bis Nell wieder rauskommt und gehe dann alleine zurück."

"Hat deine Schwester gesagt, du darfst sie nicht besuchen?" Wollte Aurora wissen.

"Sie hat gesagt, sie käm vorbei", sagte die noch unzugeteilte Hexe. Aurora Fragte sich, ob die wirklich nach Slytherin gehörte. Sie war weder überheblich noch gehässig wie die sonstige Brut von da.

"Joh, dann gehe ich weiter. Komm gut zurück, ... Ähm ..."

"Eurynea, du kannst aber Nea zu mir sagen. Der Name war mir schon immer zu lang", erwiderte das Mädchen mit den dunkelblonden Ringellöckchen. Aurora wünschte der im Toilettenraum sitzenden Erstklässlerin noch eine schöne Fahrt und ging weiter, bis sie zu einem Abteil mit schwatzenden Jungen kam. Es waren Hufflepuffs und Ravenclaws aus ihrer Klasse. Als sie Mortimer durch die Abteiltür winken sah, öffnete sie diese, blickte hinein - und stand wie vom Donner gerührt still da. Ihre Augen wurden groß wie Äpfel, so schien es, als sie den Jungen mit dem rotbraunen Haar, der in der Mitte saß ansah. Das konnte unmöglich sein! Aber der war doch ...

"Roy Fielding", brach es aus ihr heraus

"Wieder Roy Fielding", erwiderte der Junge, der einen so heftigen Eindruck auf sie gemacht hatte. Sie schlüpfte rasch ins Abteil und schloß die Tür. Mortimer machte ihr Platz, sodaß Aurora Roy direkt gegenübersaß. In ihr kämpften Trauer, Verzweiflung und überschwengliche Erleichterung um die Vorherrschaft in ihrem Verstand. Dann sagte sie:

"Es stand im Tagespropheten, daß deine Eltern, Erica und du ..."

"Ermordet wurden", schnaubte Roy. "Was unsere Eltern angeht stimmt das auch, weil diese Schweinehunde einfach überall auf dem Schiff appariert sind und wohl gezielt nach denen gesucht haben. Irgendwer hat diesen Voldemort drauf gebracht, mal unbescholtene Leute aus der sogenannten Muggelwelt niederzumachen. Vielleicht wollte der auch nur uns killen. Keiner weiß, was in dem seinem kranken Hirn vorgegangen ist", erzählte Roy eher unbändig wütend als eingeschüchtert wirkend. "Aber Erica und ich konnten uns dünnemachen, als klar war, daß Mum und Dad tot waren. Erica wollteMum noch rausholen, als ein Feuerball in unserer Kabine explodiert ist. Die mußte sich die Haare mit Zauberkraft löschen und hatte heftige Brandwunden im Gesicht, als sie mich fand. Dann tauchten diese feigen Saukerle auf -Ach, eine Tussi war auch dabei, die rumgeschrillt hat, alle Zaubererweltbeschmutzer endlich auszuradieren. Ich bekam noch mit, wie sie einen Steward mit diesem Avada-Kedavra-Fluch abgemurkst hat, einfach so. Dann ist mir was passiert ..." er beugte sich vor und flüsterte Aurora ins Ohr. "Irgendwas hat mich getroffen und einschrumpfen lassen, aber nicht so, als hätte ich Arme und Beine. Dann kam 'ne große Hand, hat mich richtig zusammengeknüllt irgendwo wo's dunkel war hingepackt und dann in einen Strudel aus Farben und Geräuschen geworfen. Ich bekam mit, wie Erica sich mit Priscilla unterhalten hat, daß sie mich nicht mehr zurückverwandeln könne, weil sie wohl zu hektisch gezaubert hätte. Priscilla meinte dann, sie solle erst die Brandwunden behandeln lassen. Erica wollte nicht in dieses St.-Mungos rein, weil die Leute von Voldemort da welche rumlaufen haben könnten, die sie und mich endgültig über den Jordan schicken könnten. Da hat sie wohl wen bekanntes aus der eigenen Umgebung geholt. Ich bekam davon nix mit, bekam weder Hunger noch Durst, kann mich noch nicht mal erinnern, einen Atemzug getan zu haben. Dann, so kurz vor der Abfahrt, hat Priscilla mich wieder aus dem dunklen Etwas gezogen, langgestreckt und dann wohl gezaubert. Jedenfalls wurde ich dann wieder völlig klar und schnappte erst einmal nur nach Luft und schlug um mich, als wenn meine Arme und Beine von ganz alleine leben würden. Priscilla hat mich dann hier sitzen lassen. Mein Koffer muß wohl im Gepäckwagen liegen. Ich hörte nur sowas, daß ich für die Muggelwelt wohl tot zu sein hätte und nur für die Zauberer leben dürfte, wegen irgendwelcher Sorgerechtssachen, meinte Erica."

"Klar, weil die Muggel glauben, ihr wäret alle in dem Schiff verbrannt. Wahrscheinlich ist Erica mit dir disappariert, wie mein Dad es von der Sache mit dem Hotel in Frankreich erzählt hat, wo eine Beauxbatons-Lehrerin ihre Tochter und deren Freundin nur durch Einschrumpfen retten konnte, sagte Aurora.

"Aurora, die hat mich nicht nur eingeschrumpft. Eingeschrumpfte Viecher kann selbst ich wieder großmachen. Die hat irgendwas ganz verdrehtes mit mir angestellt, was nur Priscilla mit ihrem Ohne-Gleichen-UTZ in Verwandlung wieder umkrempeln konnte. Jedenfalls, so meinten die beiden Hexenladies, sollte ich jetzt nach Hogwarts, weil es keinen sichereren Ort gäbe. Erica wird wohl untertauchen, bis sie klarhat, wie's weitergeht."

"Echt 'ne kaputte Kiste, was Aurora?" Fragte Mortimer, als Roy sich wieder in seinen Sitz zurücklehnte. Aurora nickte nur, konnte aber nicht mehr dazu sagen. Sie erzählte dann, um sich abzulenken, von der Einberufungsveranstaltung und wer von welchem Haus neuer Vertrauensschüler sei. Roy und Mortimer verzogen die Gesichter zu verächtlichen Fratzen.

"Die Rattler darf also jetzt anderen Leuten Punkte wegnehmen. Da wird dem Klotzweib aber wohl einer nach dem anderen abgehen", sagte Roy voller Verachtung. "Die soll sich aber nicht einbilden, ich würde vor der jetzt kuschen. Wenn's nach ihrem Liebling Mr. Unnennbar ginge, wäre ich ja jetzt sowieso tot. Wer soll mir da noch was anhaben?"

"Ich würde es aber nicht drauf anlegen, mit Tonya Rattler Krach zu kriegen. Du weißt ja nicht, wer neuer Hauslehrer von Slytherin wird. Nachher fliegst du noch von der Schule, wie's Bruster bald passiert wäre", warnte Aurora und ärgerte sich gleich darüber, weil sie schon wie eine Lehrerin quatschte.

"Keine Sorge, ich lasse mich bestimmt nicht mehr so leicht erwischen, wenn ich der einen reinwürge", grinste Roy gehässig. "Wenn die keine Zeugen findet kann die mir nicht viel, Vau-Mädchen hin oder her. Außerdem was heißt'n das, die Schlitterreins kriegen einen neuen Hauslehrer. Was ist denn mit der Bitterling?"

"Ups, das habe ich dir noch nicht erzählt", sagte Mortimer schuldbewußt Roy anblickend. Aurora fragte, ob er das übernehmen könne, weil sie noch nach Petula sehen wollte. Mortimer nickte und gab die Tür frei. Aurora verließ das Abteil. Draußen stand Bernhard Hawkins. Er zog sie wortlos mit sich bis zum nächsten Toilettenraum. Aurora fürchtete schon, er wolle mit ihr darin verschwinden, um sie zu küssen oder herumzuschmusen. Doch Bernhard meinte nur:

"Schon Mist, daß wir jetzt beide dieses Ding tragen müssen. Da ist es mit dem heimlichen Treffen im Park nicht mehr weit hin. Freunde bleiben wir aber doch, oder?"

"Natürlich, Bernhard", entgegnete Aurora rasch. Bernhard nickte ihr zu und hastete durch den Gang dahin. Die Toilettentür ging auf, und Loren Tormentus trat auf den Gang, auch schon im Hogwarts-Umhang.

"Und, hat sich Madame Blondschopf schon gut eingeführt?" Fragte Loren feist grinsend.

"Wen meinst du?" Fragte Aurora. Loren grinste noch breiter.

"Die nette Ms. Rattler, Tonya. Ich gönne es ihr, jetzt mal in dieser Tretmühle zu sein, wenngleich es schon fies ist, daß die nun Punkte abziehen kann. Aber da ich ja eine Slytherin bin wie sie, wird die sich das dreimal überlegen", sagte Loren selbstsicher.

"Ich habe deine Schwester schon gesehen. Denkst du, die kommt bei euch rein?" Fragte Aurora.

"Wenn die Mums Erbgut hat ja, wenn nicht, dann bloß nicht zu den Gryffindoofs oder den Schlaffelpaffs. Dann besser bei euch rein. Bei euch ist zumindest noch alles drin."

"Mag sein, Loren. Ich muß dann mal weiter", würgte Aurora die Unterhaltung ab. Loren nickte ihr zu und schloß die Toilettentür von außen.

Unterwegs durch den Zug traf Aurora die kugelrunde Hexe mit dem Imbiswagen. Diese lächelte sie pausbäckig an und meinte:

"Bist du nachher vorne bei den anderen oder willst du dich mit deinen anderen Kameraden treffen?"

"Hmm, muß ich mir noch überlegen", sagte Aurora. Sie schlüpfte kurz in ein Abteil, um den breiten Wagen vorbeirollen zu lassen. Dabei erwischte sie einen, in dem Becky Hawkins zusammen mit Isis Waverly und Doris Wiffle Karten spielte.

"Hi, Aurora. Wie lief's?" Fragte Rebecca Hawkins, die ihrem Bruder von Gesicht und Haarfarbe her wie ein Ei dem anderen glich.

"Simon hat uns zusammen mit Alwine über unsere Rechte und Pflichten aufgeklärt. War Bernhard auch schon hier? Ich traf ihn unterwegs."

"Ja, der war auch schon hier", sagte Rebecca.

"Okay, Mädels, dann will ich eure Pokerrunde nicht weiter stören. Aber laßt euch nicht von Tonya Rattler erwischen! Die will sonst mitspielen."

"Neh ist klar, Aurora", sagte Becky Hawkins. "Die war schon hier und hat geglotzt, ob sie uns schon auf dem halben Weg nach Hogwarts Punkte abzwacken kann. Da kam aber auch Bruster und hat uns einen schönen Tag gewünscht. Da schob die klobige Krawallhexe ab. ohne ihr lieb' Schwesterlein hat die's auch mit diesem V-Zeichen schwerer."

Aurora ging weiter und fand Petula, die gerade mit einer neuen Schülerin von einer Toilettenkabine zurückkam und sie in ein Abteil mit anderen Erstklässlern, drei Jungen und zwei Mädchen, hineinbugsierte.

"Das ist jetzt mein Job", flachste Aurora Dawn. Petula lachte glockenhell.

"Es gibt bestimmt andere Dinge, die ich dir wegnehmen wollte als den Job, Aurora. Hat Priscilla dich noch auf Linie gebracht?"

"Zwischen Abpfiff und Anfahren", meinte Aurora. Petula zog Aurora in das Abteil, wo sie gerade mit Dina und Philipp Priestley saß. Aurora gönnte sich die Zeit, mit den Hauskameraden zu plaudern. Dina Murphy wirkte gelöst, ja sichtlich erfreut, obwohl sie vielleicht noch dachte, das Roy ...

"Hast du Roy schon getroffen. Petulas Schwester meinte, sie würde ihn in den Zug schmuggeln. Mann, habe ich einen Schrecken gekriegt, als ich diesen Artikel las", sprudelte es aus Dina heraus. Aurora nickte ihr zu, daß sie Roy schon gesprochen hatte. Petula erzählte ihr:

"Erica hat den glatt in son Stofftaschentuch verwandelt und ist mit dem disappariert, weil sie mit ihm als ganzes nicht so gut weggekommen wäre. Blöderweise hat die den Reverso-Mutatus-Zauber nicht so drauf wie Priscilla und mußte zu uns kommen. Die hat erst so'n Ursprungsgestaltbildanzeiger draufgehauen. Ich habe schon gedacht, Erica hätte uns was abgedrehtes erzählt. Aber es stimmte. Na ja, Priscilla hat dann angeboten, Roy wieder richtig zu machen und in den Zug zu setzen. Erica sah leicht angekokelt aus, echt aua", erzählte Petula. Aurora stutzte. Erica hatte ihren Bruder in ein Taschentuch verwandelt?

"Das kann nicht sein, Petula. Der hat mir gerade erzählt, wie er das mit der Flucht von dem Schiff mitbekommen hat. Tote Sachen können doch nix fühlen."

"Glaube es mir, Aurora, ich habe das gesehen", sagte Petula, die nicht wußte, ob Aurora dachte, sie würde ihr einen Bären aufbinden.

"Heftig", meinte Aurora dazu. Sie hatte immer gedacht, Tiere, die in tote Dinge verwandelt würden hätten dann auch kein Gefühl mehr. Vielleicht war die Verwandlung auch nicht vollständig genug oder bei Menschen eben nicht so hinzukriegen. Auf jeden Fall mußte sie das schnell wieder vergessen, bevor sie im Verwandlungsunterricht nur noch daran dachte. Roy würde vielleicht Probleme damit haben, wie auch Petula und Dina. Aber sie durfte sich diese Probleme nicht leisten, nicht mehr.

Nach kurzer Plauderei über den Rest der Ferien ging Aurora noch weiter durch den Zug, begrüßte Mitspieler der Quidditchmannschaft, die ihr noch einmal zum Vertrauensschülerinnenabzeichen gratulierten, aber gleich fragten, ob sie zumindest noch mitspielen würde. Aurora antwortete darauf immer, daß sie sich nicht sonderlich anders verhalten würde als früher. Dann erreichte sie das Ende des Zuges, kehrte um und ging zurück, wobei sie die übrigen Vertrauensschüler und -schülerinnen traf, die entweder wie sie auf Streife waren oder in den Abteilen saßen und mit den Kameraden redeten. Als sie bei Roys Kabine vorbeikam, stand da breit und blöd Tonya Rattler, die in die Kabine glotzte als sähe sie einen Geist. Wahrscheinlich dachte sie das auch.

"Eh, Mann, ich dachte, du wärst Asche", sagte sie total entrüstet.

"Wenn's nach deinem Mr. Unnennbar ginge bestimmt. Aber nach dem geht's ja nicht", kam Roys selbstsichere Stimme zurück. "Aber meine Eltern sind tot, weil dein Lieblingshexenmeister einen rathausgroßen Furz im Hirn hat. Glaube ja nicht, dein V-Dings da würde mich davon abhalten, dir die Meinung zu sagen, was ich von diesem Bastard halte. Eines Tages kriegen sie ihn doch und machen den dann richtig alle. Ich wollte dich nicht aufhalten, Ms. Vertrauensschülerin." Tonya wandte sich von der Tür ab und stakste völlig durcheinander den Gang entlang, wobei sie auf Aurora prallte.

"Eh pass doch auf, ich bin Vert...", blaffte Tonya, bevor sie merkte, mit wem sie da kollidiert war.

"Was für'n Zufall, ich auch", sagte Aurora und schlüpfte keck an der klotzartig gebauten Mitschülerin vorbei und ging beschwingt den Gang entlang. Sicher, Roy war wiedereinmal sehr flink mit dem Mundwerk gewesen und könnte später dafür noch Ärger kriegen. Aber was er gesagt hatte stimmte, und daß es Tonya aus dem Tritt gebracht hatte, machte Aurora richtig glücklich. Sie ging wieder nach vorne zum Vertrauensschülerabteil, wo Alwine gerade über einem Wollknäuel saß und strickte.

"Sag jetzt ja nicht, daß sei Oma-Kram wie Ms. Rattler!" Zischte Alwine. "Ich brauch sowas zum Entspannen." Aurora schloß die Abteiltür. Simon hatte sich auf einer Sitzbank langgemacht und schnarchte vernehmlich.

"Uff! Das ist ja richtig anstrengend, durch den ganzen Zug zu laufen", gestand Aurora.

"Deshalb bin ich froh, Schulsprecherin zu sein. Ich bin nur einmal bei meinen Freundinnen gewesen und dann wieder zurück", sagte Alwine. Sie sprach mit normaler Lautstärke, was in diesem absolut schallgedämpften Raum ziemlich laut sein mochte. Aber Simon schlief ruhig weiter.

"Wenn von den anderen einer reinkommt und ihn so sieht geht der ganze Respekt flöten", grinste Aurora leise.

"Privileg des Schulsprechers", grinste Alwine. "der hat mir vor dem Einschlafen erzählt, daß er bei fahrenden Zügen oder Schiffen immer sehr müde wird und dann kuckt, ob er schlafen kann. Dann kann den nur ein Klaps auf's Hinterteil wecken."

"Ich habe jemanden getroffen, mit dem ich nicht mehr gerechnet habe", sagte Aurora geheimnisvoll. Alwine winkte sie zu sich heran und flüsterte:

"Ich weiß. Priscilla hat mir das gestern noch zukommen lassen, daß die Fieldings den feigen Anschlag überlebt haben. Erica muß erst einmal klären, wie sie weiterleben kann. Solange Du-weißt-schon-wer denkt, sie und Roy seien tot, muß sie sich von St.-Mungos und anderen öffentlichen Sachen fernhalten. Priscilla hat sie wohl nach Aussiland geschickt. Die hat da im Sommer eine Heilerin kennengelernt, die mit Madame Herbregis zusammenarbeitet. Ich hörte, du warst da auch schon."

"Nicht in der Sano, wie sie ihr Krankenhaus da nennen, Alwine", sagte Aurora. "Aber ich habe Heilerin Herbregis in Aktion erlebt, als sie so'n irres Pärchen von so einem magischen Rauschelixier heilen mußte."

"Auf jeden Fall will Erica wohl erst einmal da wieder in Ordnung kommen. Die haben da zwar auch so'n Pack rumlaufen, aber wenn der Unnennbare dem keine Bilder rübergeschickt hat, wovon wir ausgehen, wird die da keiner behelligen. Wichtiger ist, daß sie für die Muggel tot bleibt, wegen deren altmodischer Volljährigkeitsgrenze. Wir sind ja mit siebzehn schon vollmündig. Bei denen erst ab achtzehn oder sogar einundzwanzig."

"Wieso ist das so wichtig?" Fragte Aurora. Dann fiel es ihr ein. Erica und Roy hätten ja dann zu ihren Muggelverwandten ziehen müssen, wohl diesem Rechtsanwalts-Onkel, der beide wohl in ein Irrenhaus gesteckt hätte, wie es Roy erzählt hatte. Insofern war es für Erica Fielding nicht unpraktisch, für tot gehalten zu werden. Allerdings hieß das dann auch, daß sie keinen Kontakt mehr zur Familie aufnehmen durfte. Aber Erica wollte sowieso alle Brücken in die Muggelwelt abbrechen. Für Roy war das schon schwieriger. Darauf mußte sie nun achten und ärgerte sich, daß ihr diese Verantwortung aufgeladen worden war. Vielleicht sollte sie noch mal mit Dumbledore reden ...

"Von allen, die jetzt neu dazugekommen sind sind von den Mädchen Eunice, Cynthia und du wirkliche Glückstreffer. Ich hatte schon befürchtet, Professor Dumbledore nimmt Melinda Bunton oder Miriam Swann als Vertrauensschülerinnen auf. Ich verstehe bloß nicht, wieso ... aber lassen wir's! Ich darf mir ja doch kein Urteil erlauben", knurrte Alwine.

Die Hexe mit dem Imbiswagen polterte an die Tür. Aurora half ihr, Tee, Wein, Kürbissaft und Kesselkuchen auf die Tische zu verfrachten. Als die Hexe fragte, was mit Simon sei, meinte Alwine, daß er schon wieder wach würde, wenn es was zu essen gäbe. Die kugelrunde Hexe lächelte mütterlich und bugsierte ihren Wagen wieder zur Tür. Aurora sprang ihr nach und holte zwei Galleonen aus der Tasche. Dann flüsterte sie ihr zu, da wo Petula saß und da wo Roy saß eine Runde Süßigkeiten und Getränke springen zu lassen mit Grüßen von Aurora Dawn. Die Hexe lächelte und schob ihren Wagen weiter. Aurora sah noch, daß Tonya Rattler in ein Abteil abtauchen mußte, um dem Wagen platzzumachen. Dann kehrte sie ins Vertrauensschülerabteil zurück. Sie aß etwas, trank von dem Wein und dem Kürbissaft. Der Wein hatte es in sich, stellte sie fest. Sie konnte fünf Gläser Butterbier trinken und fühlte nicht dasselbe, was sie nach dem einen Glas Wein empfand. Nach etwa einer Viertelstunde trudelten weitere Vertrauensschüler ein. Bernhard setzte sich zwanglos zu Aurora und unterhielt sich mit ihr über die Ferien. Er flüsterte ihr einmal zu:

"Mein Vater spielt immer noch mit dem Gedanken, da ganz hinzugehen. Mal sehen."

"Dann wäre Dumbledore aber traurig", flüsterte Aurora keck. Bernhard grinste, sagte aber nichts weiteres dazu, weil ihm hier zu viele hochgestellte Mitschüler herumsaßen.

Tonya polterte herein und sprudelte los:

"Ms. Silversmith, dieser Roy Fielding sitzt im Zug. Der lebt noch!"

"Hmm, stimmt", sagte Alwine ganz gelassen. "Ich habe ihn auch schon gesehen."

"Weiß Dumbledore das?" Fragte Tonya ziemlich konfus.

"Nun, wenn Roy Fielding im Zug sitzt wird Professor Dumbledore das wohl genehmigt haben. Will sagen, er hat einen gültigen Fahrschein. Sonst wäre er ja wohl nicht durch die Barriere gekommen."

"Bei allem Respekt, Ms. Silversmith, nur weil ich aus Slytherin bin und Ihr Haus nicht versteht, wie wichtig das ist, brauchen Sie mich jetzt nicht für blöd zu halten", knurrte Tonya. Aurora grinste in sich hinein.

"Im Gegenteil, ich halte Sie für sehr gescheit, Ms. Rattler. Sonst hätte Professor Dumbledore Sie bestimmt nicht unter vielen hochqualifizierten Kameradinnen aus Ihrem Haus ausgesucht", erwiderte Alwine kühl wie ein Eisblock. Tonya verstand wohl, daß Alwine nur wegen des Schulleiters akzeptierte, daß sie Vertrauensschülerin geworden war, nicht weil sie sie dafür für geeignet hielt. Doch Tonya wollte sich nicht gleich am ersten Tag mit der Schulsprecherin anlegen. Slytherins waren machtgierig, aber wußten auch, sich nicht mit denen, die Macht hatten, zu verkrachen, wenn sie diese nicht geschickt oder mit brutaler Gewalt aus dem Weg räumen konnten.

Aurora patrouillierte nach dem Essen weiter durch den Zug. Petula und Dina bedankten sich für das spendierte Essen und Trinken, ebenso Roy und Mortimer, zu denen sich auch Bruster gesellt hatte, um sich Roys heftige Geschichte anzuhören. Kurz vor Ende der Fahrt versammelten sich die Vertrauensschüler noch einmal im vorderen Abteil und klärten ab, wer wo aus dem Zug ausstieg, um die Schüler nicht durcheinanderlaufen zu lassen. Aurora bot an, in der nähe von Petula Woodlane zu bleiben, natürlich sagte sie es nicht so. Bernhard wollte natürlich bei seiner Schwester sein, Tonya bei Samiel Sharkey, Eunice bei Isis und ihren anderen Kameradinnen aus Gryffindor. So schafften sie es, sich so über den Zug zu verteilen, daß sie an allen Türen der Wagons Leute hatten. Einmal wies Eunice ein neues Schulmädchen darauf hin, besser einen Umhang über die blauen Jeans anzuziehen und den Hut aufzusetzen. Dann hielt der Zug, und alle verließen die Wagons. Draußen wartete schon der Riese Hagrid, der mit seiner weitreichenden Stimme "Erstklässler hier herüber!" Donnerte und dabei eine übergroße Laterne schwenkte. Loren Tormentus schob ihre kleine Schwester Nea in Hagrids Richtung, bevor sie mit anderen Mädchen aus ihrem Haus eine der ersten von Thestralen gezogenen Kutschen ansteuerte. Tonya gönnte sich das Vergnügen, einen Erstklässler darauf hinzuweisen, er solle gefälligst den Hut richtig aufsetzen, damit nicht jeder sehe, daß er ein Muggelstämmiger sei. Zusammen mit Petula, Dina, der hier zu ihnen stoßenden Miriam Swann, sowie den Jungen Roy und Mortimer bestieg Aurora die Kutsche. Der Himmel hing voller bleigrauer Wolken, die gerade noch soviel Sonnenlicht durchließen, daß sie noch ohne Lichter was sehen konnten. Doch bald würde die Sonne untergehen und es hier zappenduster werden. Dann könnte es auch noch zu regnen anfangen. Bis dahin wollten sie bestimmt alle im warmen, trockenen Schloß sein.

Roy schrak zurück, als er die skelettdürren, schuppigen Tiere mit dem schwarzen Fell, mehr einer Haut als einem Pelz ähnlich sah, die ihn aus ihren bleichen Augen anstarrten. Aurora nahm ihn sachte bei der Hand und meinte:

"Daran mußt du dich gewöhnen, Roy. Wir können die sehen, andere haben Glück und können die nicht sehen."

"Das sind diese Thesteral-Pferde?" Fragte Roy.

"Ja, das sind sie", sagte Aurora ruhig. Sie wußte, was in Roy vorging. Als ihr Onkel Dustin vor ihren Augen ermordet worden war, konnte sie diese für andere unsichtbaren Wesen auch sehen, und es hatte sie sichtlich erschreckt. Sie schaffte es, Roy in den Wagen zu verfrachten, schloß hinter sich die Tür von innen und saß ruhig da, während die Kutschen von selbst losfuhren.

Im Schloß angekommen winkte der älteste Vertrauensschüler der Ravenclaws Aurora und Bruster zu sich und flüsterte ihnen zu:

"Unser Passwort lautet: Lupus in Fabula, wenn Bruce im Bild ist."

Aurora nickte, Bruster auch. Sie gingen in die große Halle und setzten sich an ihren Haustisch. Aurora sah sofort zum Lehrertisch hinüber. Außer Professor McGonagall, die die Erstklässler erwartete, wie es die Tradition gebot, saßen die kleine, runde Professor Sprout, Professor Goldbridge, der winzige Professor Flitwick sowie die Arithmantiklehrerin Professor Vector schon am Tisch. Dumbledore fehlte genauso wie Professor Kesselbrand, welcher die Zaubertierstunden gab und Professor Sinistra, die Astronomielehrerin. Tja, und dann mußte dann wohl noch jemand kommen, der entweder nur Zaubertränke oder Verteidigung gegen die dunklen Künste gab oder beide Fächer unterrichten würde. Aurora war schon gespannt, wenngleich sie nicht gerade großes erwartete, weil es wohl bei einem der Lehrer ein ehemaliger Slytherin-Bewohner sein mußte, der dann dieses überhebliche Schulhaus als Hauslehrer betreuen sollte.

Dumbledore trat ein. Erhaben schritt der trotz seines hohen Alters noch kerzengerade und hochgewachsen gebaute Zauberer im purpurfarbenen Umhang ein. Auf seinem Kopf saß ein violetter Hut mit einer roten Hahnenfeder. Sein silberweißes Haar an Kopf und Bart wallte frei bis zur Hüfte herab, und durch die halbmondförmigen Brillengläser zwinkerte er jedem Tisch blaßblau zu. Jeder andere in Dumbledores Aufzug hätte wohl ein schallendes Lachen ausgelöst. Doch der altehrwürdige Schulleiter, von dem mit recht behauptet wurde, daß er der einzige sei, vor dem der grausame Lord Voldemort Angst habe, strahlte schon im bloßen Vorbeigehen eine solche Kraft und Würde aus, daß selbst die Slytherins nicht einmal zu grinsen wagten. Bis Dumbledore an seinem vergoldeten Lehnstuhl vor Kopf des Lehrertisches eintraf herrschte gespanntes Schweigen. Dann setzte das vielhundertstimmige Gemurmel an den Tischen wieder ein.

"Bin gespannt, wen der uns in Zaubertränken und Kampfübungen aufdrückt", raunte Roy Fielding, der seit der Kutschfahrt neben Aurora Dawn geblieben war, bei der er sich irgendwie geborgen zu fühlen schien.

"Mach dir keine Hoffnungen, daß wir einen menschlichen Lehrer kriegen, wenn der Slytherin leitet", sagte Aurora. Sie blikcte sich um, wer vielleicht alles auf sie und ihr Vertrauensschülerinnenabzeichen blicken mochte. Sie erinnerte sich, daß sie im ersten Schuljahr Lily Evans nachgesehen hatte, weil diese das V auf dem Brustteil trug. Wieviele Erstklässler mochten ihr so hinterhersehen, wenn die Zuteilung geschehen war?

Die Halle füllte sich weiter und schließlich trafen auch die restlichen vertrauten Lehrer und der Wildhüter Hagrid ein, der seine Schuldigkeit als Führer der Erstklässler erledigt hatte. Dann trat Professor McGonagall an der Spitze einer langen Reihe von Elfjährigen ein. Sie kommandierte den Trupp der Erstklässler mit gewohnt gebieterischer Stimme so, daß sie sich brav vor dem Lehrertisch aufbauten, der quer zu den vier Haustischen stand. Dann stellte sie einen dreibeinigen Stuhl hin, auf dem der alte, zerschlissene Hut lag, der hier über die Unterbringung der Schüler bestimmte. Stille legte sich über alle Tische, bis man in der weitläufigen Halle, die von tausenden schwebender Kerzen erhellt wurde, jede Stecknadel hätte fallen hören können. Dann bewegte sich der Hut. Über seiner Krempe tat sich ein Riss auf, und mit hoher Stimme raumfüllend erklang das Lied des Hutes:

"Vor Zeiten so lange,
wie zwei Bäume leben
tat es nicht Mauer noch Balken hier geben.
Karg war das Land hier und unwichtig gar,
wo kein Hort für Wissen und Zauberkunst war.
Die Kinder von Zauberern lernten zu Haus,
doch dabei kam selten was brauchbares raus.

Vier machtvolle Weise im magischen tun,
die ließ dieser Zustand nicht Rasten noch ruh'n.
Sie schworen zu schaffen ein Werk groß wie nie,
ein Schulhaus zur Lehre im Brauch der Magie

Zunächst da baute Gryffindor,
ein großes, starkes Flügeltor und Sprach:
"Wer Mutig und Gerecht,
der sei mir sehr sehr recht."
Ans Mauern ging dann Hufflepuff,
die wurde nimmer müd und Schlaff. Sie sagte:
"Dem lehre ich Altes und auch neue,
wer arbeitsame und übt die Treue."

Drauf zog die kluge Ravenclaw,
die Wände hoch mit Tür und Tor.
Sie blickte dann zum Fenster raus
und Rief: "Die lerneifrigen in mein Haus!"

Darauf formte Slytherin das Dach,
über Saal und Schlafgemach, wobei er immerwährend sprach:
"Wer Macht und Ruhm verlangt, mir nach!"

So bauten dann die vier,
dieses stolze Schlößchen hier.
Nach ihren Lehren lernten alle,
in Leseraum und Wissenshalle.


Doch selbst die vier die groß und prächtig,
ereilt die Zeit, so leis, doch mächtig.
Dies wußten sie jedoch genau
und schufen etwas, stark und schlau.

Sie brachten in mich Hütelein,
ein Stück von ihren Gaben ein.
Ich sollte finden Heim und Haus,
dem, wer hier geht auf Wissen aus.

So Bube oder Mägdelein,
sollst länger nicht verzaget sein!
Leg deinen Kopf in mich hinein,
so sag' ich deine Wohnstatt ein.

Jede Wahl gelang mir gut,
mir, dem alten, sprechenden Hut."

Wie üblich erklang Beifall durch die Halle, und der Hut verbeugte sich artig vor den applaudierenden Lehrern und Schülern. Professor McGonagall wartete einige Zeit, bis sie sich straffte und mit einer Handbewegung um Ruhe bat.

"Ihr habt gehört, was der Hut euch vorgesungen hat", sprach sie laut und unerbittlich. Sie nagelte mit dem Blick durch ihre quadratischen Brillengläser die auffgereihten Schüler förmlich fest. "Ich werde jetzt jeden von Ihnen in der Alphabetischen Reihenfolge der Nachnamen aufrufen. Wer aufgerufen wurde kommt zu mir und setzt den Hut auf. Wenn der Hut erkannt hat, in welches Haus der gerade aufgerufene gehört, geht er oder sie an den Tisch, der für das ausgerufene Haus steht! Also, Acer, Vivian!"

Ein ziemlich hoch aufgeschossenes, sportlich wirkendes Mädchen mit walnusbraunem Haar trat entschlossen vor. Aurora dachte schon an Slytherin oder Gryffindor. Doch als Vivian den Hut bis übers Kinn auf dem Kopf trug rief dieser auch schon:

"Ravenclaw!"

"Heh, wie kommen wir denn zu so'ner tollen Braut?" Fragte Roy Fielding, als Vivian den Hut vom Kopf nahm. Aurora fragte sich, ob Vivian Muggelstämmige war. Denn eine Familie Acer, die Mitglieder in Ravenclaw gehabt hatte, war ihr nicht bekannt.

"Buckley, Melanie!" Rief Professor McGonagall. Ein weiteres dunkelhaariges Mädchen trat vor, nahm den Hut, setzte ihn auf und landete in:

"Slytherin!"

Der hat wieder nur eine Sekunde gebraucht", erkannte Petula Woodlane. "Der ist wohl heute besonders gut in Form."

Byron, Wilfried!" Rief Professor McGonagall, während Vivian Acer sich bereits am Ravenclaw-Tisch niederließ. Aurora ertappte sich dabei, wie sie das neue Mädchen ansah und unwillkürlich auf ihr Abzeichen wies. Wie hatte Oma Regan gesagt:

"In übergroße Kleider kann man immer noch reinwachsen."

"Gryffindor!" Tönte des Hutes schrille Stimme durch die Halle. Wilfried nahm den zerschlissenen Spitzhut ab und reichte ihn an den nächsten weiter. Irgendwann, so nach zehn oder zwanzig neuen Zuteilungen, die meisten davon nach Hufflepuff und Gryffindor, wobei der Hut sich nie länger als eine halbe Minute aufhielt, rief Professor McGonagall:

"Flowers, Petronella!"

"Ich heiße aber Nelly", protestierte die Angesprochene, Cynthias kleine Schwester, wie es nun wohl klar war.

"Da Sie sich dennoch angesprochen fühlten, würden Sie bitte vortreten und diesen Hut hier anprobieren!" Fauchte Professor McGonagall wie eine gereizte Katze. Fast alle grinsten. Einige lachten sogar erheitert, als Nelly Flowers schnell vortrat, den Hut nahm, ihn aufsetzte und sich auf den Stuhl setzte. Diesmal dauerte es Minuten, genausolange wie bei allen Malen zuvor zusammen. Dann erst rief der Hut:

"Ravenclaw!"

"Och, Menno!" Quängelte Nelly, als sie den Hut vom Kopf zog. Sie wartete ab, bis Professor McGonagall: "Fullerton, Marianne!" ausrief.

Wie ein begossener Pudel, immer wieder zum Hufflepuff-Tisch hinüberblickend, kam Nelly Flowers herüber. Aurora meinte:

"Ich hhatte nie 'ne Schwester. Könntest du dich, wenn sie Probleme damit hat, nicht bei Cyn zu wohnen, mal mit ihr unterhalten, falls sie Lust drauf hat und du auch?" Wandte sich Aurora an Petula. Roy fühlte sich zwar auch angesprochen und meinte, daß das schon gut sei, wenn die große Schwester nicht im selben Schulhaus wohne, bekam aber von Petula zurück:

"Sie sprach mit mir von Mädchen zu Mädchen, Roy. Nur weil du lebendiger bist als Du-weißt-schon-wer gedacht hat mußt du dir nicht alle angesparten Frechheiten der letzten vier Jahre rausnehmen."

"petula, ist schon gut. Jeder hat seine Meinung. Aber ich habe wirklich mit dir gesprochen", versuchte Aurora, die Wogen zu glätten, bevor sie zu hoch schlagen konnten. Man wuchs also doch in ein übergroßes Kleid hinein, in die Länge oder auch nur in die Breite.

"Tormentus, Eurynea" hatte hingegen Glück, als sie den Slytherins zugesellt wurde und als vorletzte der Erstklässler zum Tisch von Loren und Tonya hinüberging. Aurora stutzte, als der letzte Schüler, "Yellowstone, Jonathan" zum Hufflepuff ausgerufen worden war.

"Eh, könnte es sein, daß wir Ravenclaws jedes Jahr weniger werden?" Fragte Roy verblüfft, als er nur die beiden Mädchen sah, die der Hut aus den fünfzig bis sechzig neuen Schülern für sie ausgewählt hatte. "Nicht mal ein mickriger Junge dabei. Hua, das kann ja noch was geben."

"Ist das noch normal?" Fragte Bruster laut. "Die Hufflepuffs haben zwanzig Stück aufgeladen bekommen, die Slytherins ganze fünfzehn. Hilfe, was hat den alten Hut heute geritten?"

"Hätte er sich bei einigen nicht etwas länger Zeit lassen sollen?" Fragte Mortimer, den Kopf wiegend.

"Das wird lustig", sagte Roy vergnügt, während Nelly Flowers verstört herüberblickte, als sei sie hier nicht willkommen, könne aber nichts dafür, hier zu sein. Aurora sah die älteren Vertrauensschülerinnen an. Diese grinsten sie an. Das hieß wohl, daß sie, die Neue, die beiden Kleinen nach Ravenclaw zu bringen hatte. Na ja, klein anfangen, groß rauskommen, riesig aufhören.

"Also, meine werten Kollegen und natürlich liebe Schüler", ergriff Dumbledore das Wort, als das wilde Geplapper an den Tischen unabstellbar schien. Sofort war Ruhe. "Schön, man hört mir doch noch zu", bemerkte Dumbledore breit grinsend und löste eine befreite Lachsalve aus. Als diese verklungen war, sprach der Schulleiter weiter: "Wir haben dieses Jahr mal wieder einen heftigen Überhang in einigen Häusern und anderswo eine Unterbesetzung. Da unsere Traditionen jedoch nicht zu umgehen sind, und die Zuteilung des Hutes verbindlich ist, bleibt uns allen nur, da, wo mehrere hingeschickt wurden, den Stundenplan zu gestalten, daß wir zum fünften Mal in der Geschichte von Hogwarts, die ja, wie ihr alle gehört habt, schon so lang wie zwei Baumgenerationen dauert, Parallelklassen aus dem gleichen Haus bilden müssen und die beiden jungen Damen, die als einzige in Ravenclaw gelandet sind, einzuteilen. Ich beschlie´ße hiermit, daß sie in die 1a aus Hufflepuff gehen möchten, da hier eine gute Einteilung der Klassen noch möglich ist. Wer in diese Parallelklasse gehört, werde ich, wie im vorigen Jahr, mit dem Hut erörtern."

"Dann hätten die doch gleich nach Hufflepuff gekonnt", warf einer vom Slytherin-Tisch ein. Merkwürdigerweise stimmten ihm viele von den anderen Haustischen zu, obwohl die Meinung von Slytherins dort selten beachtet wurde.

"Der Hut nimmt sich die Zeit, die er wirklich braucht, Kinder. Wenn er nach einer Sekunde schon alles weiß was nötig ist, teilt er zu, ohne weitere Sekunden oder Minuten zu verschenken. Das ist ja auch in eurem Sinne, denn um so früher können wir mit dem Festmahl anfangen", erwiderte Dumbledore, der die Lage nicht als schwierig, sondern wohl als willkommene Abwechslung vom üblichen verstand.

"Die werden bei den Hufflepuffs den Gemeinschaftsraum zum Schlafsaal umbauen", feixte Bruster Wiffle. Roy meinte:

"Neh, die tun dreistöckige Betten in die Schlafsäle, wie beim Militär, zackzack!

"So weit kommt's noch", protestierte Miriam. "Die Himmelbetten gegen diese Muggelschlafregale auszutauschen, wo die Leute eingelagert werden."

"Wieso, Miriam. Etagenbetten sind genial platzsparend. Wenn ich 'n Mädchen geworden wäre, hätte mein Dad ..." setzte Roy an und erbleichte, weil ihm jetzt sonnengrell aufging, daß er gerade nie wieder zurückholbare schöne Zeiten in sein Gedächtnis heraufbeschwor, die ihn sofort in eine trübe Endzeitstimmung stürzten. Aurora merkte das wohl und sagte:

"Ich denke, deine Schwester und du habt euch daran gewöhnt, daß jeder ein eigenes Zimmer hatte. Außerdem wäre es in Hogwarts bestimmt nicht so gemütlich, wenn hier hunderte von Leuten in einem engen Haus zusammengefercht werden, wie das in diesen Militärkasernen passiert."

"Da hast du recht, Aurora", meinte Tim Abrahams, ein Siebtklässler, dessen Vater wohl ein Flugmaschinenpilot bei der Marine der Muggel war. "Ich war mal mit meinem Dad auf 'nem Flugzeugträger. Von außen sehen die supergroß aus. Aber die Leute da werden echt gestapelt. Nur die Offiziere kriegen eigene kleine Zimmerchen. Bin froh, in Hogwarts gelandet zu sein und auf einem Besen fliegen zu können."

"Man, dann sollen die mich nach Hufflepuff umsiedeln. Dann haben die das Problem nicht mit der Klasseneinteilung. Wenn ich eh mit denen zusammen bin", nölte Nelly.

"Hallo, ich war zwar irgendwie hin und weg, als diese Stofftüte "Ravenclaw" gerufen hat. Aber nachdem, was mir dieser Watergate über dieses Haus erzählt hat nicht die schlechteste Wahl", sagte Vivian Acer. Damit war nun klar, daß sie eine Muggelstämmige war. Denn Mr. Watergate war ein Zauberer, der im Auftrag von Hogwarts die neuen Schüler aus reinen Muggelfamilien bis zur Einschulung betreute.

"Ach neh, du hast den auch gehabt?" Fragte Roy. "Ich habe mit dem auch zu tun gehabt."

"Du bist der Roy Fielding, der angeblich in der "Southern Sunrise" verbrannt ist?" Fragte Vivian. "Die Fernsehnachrichten haben das ziemlich heftig breitgetreten, und der Chef von der Firma hat seinen Hut nehmen müssen und zehn Ingenieure aus seinem Stab mitnehmen müssen."

"Oh, Scheiße, dieser Voldemort ist schon ein Drecksack. meine Eltern kannten doch alle von denen, und Mr. Ferrington war ein ganz netter Typ für'n Chef", empörte sich Roy. Seine Niedergeschlagenheit war wieder lodernder Wut gewichen. Denn welche Folgen das Massaker auf dem Luxusdampfer noch gehabt hatte, konnte Roy ja nicht mitgekriegt haben. Aurora schlug vor, entweder das Thema zu wechseln oder Vivian und Nelly zu Roy herüberzusetzen. Die anderen Vertrauensschüler, auch Bruster, nickten anerkennend. So setzten sich Nelly und Vivian um, sodaß die Muggelstämmige in Flüsterweite neben Roy saß und eine gedämpfte Unterhaltung möglich war. Nelly saß nun zwischen Vivian und Aurora und erzählte ihr während des Abendessens, daß sie versucht hatte, den Hut dazu zu kriegen, sie nach Hufflepuff zu schicken, weil Cynthia ihr von den netten Leuten da erzählt hatte. Außerdem sei sie ja da Vertrauensschülerin und könnte ihr wohl gut helfen.

"In Ravenclaw wohnen auch nette Leute, Nelly. Es wird halt immer gesagt, wir würden nur lernen, lernen, lernen. Aber das sagt man über die Hufflepuffs komischerweise auch", erwiderte Aurora lächelnd. Nelly mußte grinsen. Aurora verbuchte das als Punktgewinn und erzählte ihr so, was in Ravenclaw los war und auch, was in den letzten vier Jahren schon alles passiert war. Nelly wußte das mit dem blutigen Baron und seiner bösen Braut schon von Cynthia.

"Aber, Nelly, glaub's mir. 'ne Große Schwester im selben Schulhaus zu haben kann schon nerven", sagte Petula, ähnlich wie Roy vorhin. Doch sie fügte hinzu: "Aber ich war auch froh, bei Priscilla mit reinzukommen. Als die dann Vertrauensschülerin wurde, hatte die aber nicht mehr so viel Zeit für mich. Da war ich froh, schon etwas älter und vertrauter mit dem allen hier zu sein. Wir sehen die ja im Zaubertrankunterricht und in Muggelkunde und so. Wenn wir ihr was ausrichten sollen, sag uns das ruhig! Das ist kein Problem." Aurora nickte dem nur zustimmend zu.

Dina Murphy warf immer wieder kritische Blicke zu Vivian, die mit Roy offenbar sofort gut plaudern konnte. Aurora spürte den Drang, ihr zu sagen, daß das nicht hieß, daß sie jetzt abgemeldet war, verkniff es sich aber. Überall vermitteln konnte sie nicht. Also sollte sie es auch nicht erst probieren. Petula meinte noch:

"Überhaupt, Dumbledore hat uns noch gar nicht gesagt, wer den Zaubertrankunterricht und den Verteidigungskram machen wird. Fallen die Fächer etwa aus?"

"Schön wär's, wenn Zaubertränke ausfallen würde", mußte Roy schnell einwerfen. Dina widersprach ihm und wies ihn darauf hin, daß Professor Bitterling ihnen sehr nützliche Zaubertränke gezeigt hatte.

"Gezeigt? Ins Hirn hat die uns die ellenlangen Rezepte gebimst und zwar mit Presslufthammerstärke."

"Dann ist es ja niet- und nagelfest darin vermauert", lachte Petula. Roy mußte auch darüber lachen. Am Ende des Jahres würde sich ja zeigen, ob was hängengeblieben war oder nicht. So aßen sie weiter, bis Nelly meinte, sie könne nicht mehr und ihr Besteck fortlegte. Als dann auch die anderen ihr Essbesteck fortgelegt hatten, erhob sich Dumbledore erneut und klopfte an seinen Trinkkelch. Sofort war wieder Ruhe.

"Liebe Kollegen, Liebe Schüler, wie es mein Recht und meine Pflicht als Leiter der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei ist, möchte ich gerne noch einige Worte an Sie und euch richten.

Für viele hat heute die Zeit in unseren Mauern begonnen. Für andere wird die Schulzeit am Ende dieses neuen Schuljahres beendet sein. Es ist für mich traurig, zu hören, daß Sie und ihr in den zurückliegenden Ferien Verluste in der Familie und unmittelbaren Verwandtschaft erlitten haben und habt. Ich bedauere es sehr, daß die Zeiten, in denen wir jetzt leben, so grausam sind, daß niemand heute weiß, ob die, die er liebt, morgen noch da sein werden. Auch wir Lehrer haben einen geschätzten Kollegen verloren, Professor Patrokles Balder, der bis zum letzten Atemzug dafür eintrat, unsere Welt sicherer zu machen und das Unrecht und die Grausamkeit niederzuringen. Ihm gilt meine Besinnung genauso wie den geliebten Verwandten aus euren Reihen, die es nicht mehr miterleben dürfen, wie ihr hier, ob gerade erst eingeschult oder im letzten Jahr der grundlegenden Ausbildung, diese Schule mit Stolz und dem Bewußtsein verlaßt, etwas großartiges gelernt zu haben. Viele, gerade jene aus den Familien der mit Magie nicht vertrauten oder begabten Menschen fürchten die Zauberei auch und gerade wegen der grausamen Auswüchse, die eine Minderheit von macht- und mordgierigen Zeitgenossen ausgetrieben hat. Meine Gedanken und Anteilnahme gehören diesen Menschen, die Angst haben, weil sie nicht wissen, womit sie es zu tun haben und jenen, die all zu früh gestorben sind, weil eine Gruppe tötungssüchtiger Zauberer und Hexen Spaß am sinnlosen oder terroristischen Morden hat." Die Slytherins grinsten zwar, aber Dumbledore sah sie ruhig an und meinte:

"Jeder möchte gerne leben. Leben heißt nicht nur atmen, essen, trinkn und schlafen. Es heißt auch, die eigene Persönlichkeit unbedroht ausbilden und entfalten zu können, ohne dem Nachbarn eine Bedrohung zu sein oder sich von seinen Nachbarn bedroht fühlen zu müssen. Die, die in den Ferien grausame Bluttaten verübt haben wollen das nicht verstehen, und einige, die hier in diesen Mauern leben, können dies noch nicht verstehen. Aber ist es richtig, zu hoffen, daß sie es lernen? Hoffnung ist ein Kind des Guten Willens und lebt länger als alle Qualen. Ein Muggel, dessen Name mir jetzt nicht geläufig ist und hier auch wohl niemanden interessiert sagte einst: "Die Hoffnung stirbt zum Schluß." Aber Hoffnung alleine reicht nicht. Manchmal muß auch gekämpft werden, um die Schieflage in der Welt etwas mehr ins Lot zu bringen. Ganz wird das nie gelingen. Aber die Hoffnung stirbt ja erst zum Schluß." Alle grinsten. Laut zu lachen traute sich keiner. "Was ich mit meiner weitschweifigen Rede sagen möchte, liebe Kolegen des Lehrkörpers, wie auch ihr, liebe Schülerinnen und Schüler: Wir leben, also müssen wir denen, die dieses unser Leben nicht mehr mitverfolgen können zumindest die Ehre erweisen, unser Leben weiterzuführen, die Last und die Lust gleichberechtigt nebeneinander zu achten und zu erleben, jeden Tag, jede Aufgabe, alles neue und altvertraute in Ehrfurcht zu genießen, um denen, die nicht mehr mit uns und für uns da sein können den Respekt zu zollen, den ihre Bemühungen für uns verlangen. Ich bitte alle, deren Eltern, Onkel, Tanten, Großeltern oder Bekannte nicht mehr unter uns sind, die Hoffnung nicht aufzugeben, das eigene Leben zu einem persönlichen Erfolg zu machen und zu zeigen, daß wir, die wir leben, es wert sind, weil wir leben. Ich bedauere es, daß ich viele, die für euch wichtig waren, nicht persönlich kennenlernen durfte. Ich freue mich jedoch, daß wir alle wieder hier sind. Es ist eine große Familie, deren Stärke unbegrenzt ist. Das mag die, die geliebte Angehörige verloren haben nicht trösten. Bestimmt aber kann es ihnen helfen, sich nicht alleine zu fühlen.

Daß die Hoffnung nicht vergebens ist zeigt sich, wenn Menschen, die in tödlicher Gefahr schwebten, daraus entrinnen konnten und nun das ihnen geschenkte Leben weiterführen können. Gedenken wir in einer Schweigeminute allen, die wir verloren haben und bitten sie im Geiste, uns immer in Herzen und Gedanken zu begleiten!"

Tatsächlich wurde mehr als eine Minute lang vollständiges Schweigen an allen Tischen eingehalten. Roy, dem zwischendurch kleine Tränen in die Augen gestiegen waren, fühlte sich plötzlich irgendwie erhoben, auf einem warmen Luftstrom schwebend dahingetragen. Aurora, die sich durch den Tod ihres Onkels und anderer Bekannter angesprochen fühlte, empfand ein ähnlich erhebendes Gefühl. Als Dumbledore wieder zu sprechen anfing, wirkte er irgendwie erheitert, als amüsiere es ihn, was er da angerichtet hatte. Doch er redete nicht mehr von den Verstorbenen, sondern von was anderem.

"Nun, nachdem wir wissen, daß wir uns haben, stelle ich fest, daß offenbar niemand Professor Bitterling vermißt. Nicht mal die Bewohner von Slytherin sind zu mir gekommen und haben mich gefragt: "Herr Professor Dumbledore, was ist denn mit unserer Hauslehrerin?" Nun, obwohl ihr mir diese Frage nicht gestellt habt, muß ich sie beantworten.

Professor Semiramis Bitterling, die mehr als dreißig Jahre eine sehr kompetente Lehrerin gewesen ist, hat es an der Zeit gefunden, dem ihr wohl doch arg zusetzenden Trubel hier zu entsagen und mich um ihre Entlassung gebeten. Nun, schwer ist es mir schon gefallen, wenn ich daran denke, was wir hier so alles erlebt haben. Aber Lehrer sind nicht das Eigentum des Schulleiters. Wenn ihnen danach ist, können sie gehen. Es heißt ja nicht, daß sie nicht wieder zurückkommen. Zumindest hat sie mir den Gefallen getan und mir dabei geholfen, einen würdigen Nachfolger für sie im Fach Zaubertränke zu finden. Außerdem konnte ich für den leider zu früh von uns gegangenen Professor Balder einen kompetenten Nachfolger finden. Ich hoffe, die beiden Kollegen sind nun eingetroffen, da ich hörte, sie hätten beide noch gewisse Dinge zu regeln, bevor sie hier antreten könnten. Professor McGonagall, würden Sie bitte nachsehen -? Danke!" Professor McGonagall stand auf, verließ die Halle durch die Flügeltür und kehrte nach einer Minute zurück. In ihrer Begleitung waren zwei pitschnasse Zauberer in Reiseumhängen. Denn während des Abendessens hatte es zu regnen begonnen, was durch die Dunkelheit des an die Hallendecke gezauberten Abbilds des Himmels nicht zu sehen gewesen war. Ein Zauberer war klein, drahtig und lief auf merkwürdig steifen Beinen daher. Der andere trat in die Halle ein, als sei er hier zu Hause oder wäre es mal gewesen. Sicher stimmte das, daß die meisten englischen Zauberer hier zur Schule gegangen waren. Aber so, wie der Ankömmling hereinschritt vermeinte Aurora, er sei gewiß, alte Bekannte wiederzusehen und freue sich schon darauf. Roy fiel das auf. Er beugte sich an Nelly vorbei und flüsterte Aurora zu:

"Der hagere Zauberer tut so, als wäre er gestern erst hier gewesen. Ich habe da gerade ein verdammt dummes Gefühl."

"Was für eins?" Fragte Aurora?"

"Das mir nicht gefällt, was da gleich ausgepackt wird."

Die Slytherins sahen den großen, hageren Zauberer sehr erwartungsvoll an. Würde er ihr Haus leiten? Immerhin war es ein Zauberer und keine Hexe.

"Nun, ich hoffe, die Anreise war nicht so unangenehm", sagte Dumbledore, als Professor McGonagall zum Lehrertisch zurückkehrte. "Darf ich Ihnen und euch nun die neuen Kollegen vorstellen. In Verteidigung gegen die dunklen Künste konnte ich meinen alten Schulkameraden Undarius Glaucos gewinnen, der sich vor allem mit Flüchen und düsteren Kreaturen gut auskennt." Der Benannte schlug seine Kapuze zurück und zeigte grauweißes, an einigen Stellen merkwürdig grünlich schimmerndes Haar. Seine Haut war bläulich-grau und seine Augen wirkten eher wie die eines Fisches als die eines Menschen. beinahe Flach und silbriggrau, groß wie Pflaumen waren sie. Irgendwie strahlte dieser Zauberer etwas merkwürdig gruseliges aber auch faszinierendes aus.

"Von welchem Planeten ist der denn?" Raunte Roy. Aurora fragte, wie er darauf komme, der neue Lehrer sei von einem fremden Planeten.

"Kuck dir den doch an. Der sieht richtig außerirdisch aus."

"Professor Glaucos' Aussehen mag einige abstoßen oder zu merkwürdigen Fragen verleiten", griff Dumbledore Roys Gedanken auf, ohne ihn gehört zu haben. "Seine Mutter ist eine Meerfrau, deren Cousine, Murkus, heute im großen See von Hogwarts lebt. Nach einer Sonderregelung mit Ministerin Bagnold konnte ich ihn als neuen Lehrer anstellen, obwohl oder gerade weil er das Kind zweier unterschiedlichrassiger Eltern ist. Dies nur, um jedes Gerücht, er sei ein Marsmensch oder ähnlichen Unfug gleich auszuräumen. Undarius Glaucos hat mir erlaubt, euch das sofort zu sagen. Das erspart ihm dumme Fragen vor seinem Unterricht, meint er." Der erwähnte nickte heftig und stakste zum Lehrertisch, wobei er den durchnässten Reiseumhang auszog und zusammenknüllte. Darunter trug er einen hautengen Anzug, der wie ein maßgeschneiderter Schwamm mit roter Färbung wirkte. Der zweite Zauberer tapste nun ungeduldig vor dem Lehrertisch herum, wollte wohl auch die nasse Kleidung loswerden, durfte aber nicht. Offenbar mußte Dumbledore die Schüler auf ihn einstimmen, fand Aurora. Endlich tat er ihm den Gefallen.

"Der Lehrer, der Professor Bitterlings Fach übernehmen wird und auch die Leitung des Hauses Slytherin anvertraut bekommt, hat in diesem Frühjahr seine Meisterprüfung in der Zubereitung magischer Tränke und Elixiere in der Hälfte der sonst veranschlagten Zeit absolviert und mit Maxima cum laude, dem höchsten Lob seiner Prüfer, bestanden. Professor Bitterling selbst hat die Prüfungsergebnisse gesichtet, die Prüfungsaufgaben nachvollzogen und bestätigt, daß er ein würdiger Nachfolger für sie ist. Begrüßen wir nun mit allem gebotenen Respekt und mit der Freude, einen noch nicht all zu lange aus diesen Mauern ferngebliebenen Schüler als Lehrer willkommen heißen zu können: Professor Severus Snape."

Es gab keinen Schüler oberhalb der dritten Klasse, der nicht in wildes Geplapper ausbrach. Schlagartig füllte sich die große Halle mit lautstarkem Palaver, während der hagere Zauberer seine Kapuze zurückwarf und einen dunklen, ölig und struwelig wirkenden Haarschopf freilegte. Mit seinen funkelnden Augen suchte er zunächst die Schüler am Tisch der Slytherins, seinem alten und neuen Haus. Viele jubelten ihm zu und winkten, darunter Tonya Rattler und Samiel Sharkey. An den anderen Tischen waren die älteren Schüler dabei, den jüngeren in weniger als einer Minute alles über Snape zu berichten, ob selbst erlebtes oder von anderen zugetragenes. Nelly sah den Zauberer mit der bleichen Haut und der Hakennase kritisch an.

"Ihr braucht mir von dem nix zu erzählen. Cyn hat mir schon von dem genug erzählt. Sie war froh, als der aus Hogwarts raus war und seine Saubande mitgenommen hat. Cyn meinte sogar, ihr-wißt-schon-wer hätte ihn angeworben."

"Das ist der dickste Hund,den Dumbledore je auf uns losgelassen hat", schnaubte Roy. "Dieses Arschloch, das mit der Rattler und Sharkey Bruster und mich verkloppt und verflucht hat ist jetzt Lehrer. In welchem Scheißfilm bin ich denn jetzt gelandet?!"

"Darth Vader läßt grüßen, nö, Roy?" Erwiderte Bruster. "Als ich Euch verließ war ich Euer Schüler. Jetzt bin ich der Meister.""

"Nur ein Meister des Bösen, Darth, hat der alte Jedimeister ihm da geantwortet, Bruster", knurrte Roy."Ich schreibe Erica, sie soll mich rausholen und mit nach Australien nehmen. Den hier mitzukriegen war das Überleben nicht wert. Jetzt weiß ich auch, warum Dumbledore so um den heißen Brei herumgeschlichen ist. Ich fahr gleich wieder nach Hause."

"Das wäre voll feige", sagte Miriam. "Ich kann diesen Wurm auch nicht ab, Roy. Aber jetzt die Fliege zu machen, weil Dumbledore ein schlechter Scherz eingefallen ist, über den wir wohl alle nicht lachen können, wäre doch total feige."

"Das hat mit Feigheit nix zu tun, Miriam, sondern mit Ehre. Soll ich mir jetzt freiwillig von diesem Typen da alle Gehässigkeiten gefallen lassen, die der als Schüler schon an mir und Bruster ausgetestet hat? Nein, Danke, mir reicht's. Tschüs, Kollegen, die Show ist gelaufen. ZAG findet ohne Roy Fielding statt."

"Heh, Roy", zischte Aurora und deutete auf Snape, der gerade die Ravenclaws anblickte als wolle er fragen: "Na, habt ihr mich vermißt?" "Wenn du jetzt hier rausgehst, hat der Kerl da gewonnen. Willst du dir das dein ganzes Leben vorwerfen lassen, daß dieser Schmierhaarkönig dich ohne ein einziges Wort in die Flucht schlagen konnte?"

"Ich weiß, Aurora, du mußt sowas jetzt sagen. Aber glauben tust du den Schrott doch selber nicht."

"Ich glaube, sie hat recht", sagte Bruster. "Der Typ ist eine schleimige, hinterhältige Kanalratte, Roy. Aber gerade deshalb bleibe ich jetzt hier, damit der nicht meint, was er als Schüler nicht geschafft hat, kriegt der als Lehrer hin. Außerdem, wie willst du nach Hause? Der Hogwarts-Express ist wohl schon vor einer Stunde wieder abgedampft, und ich denke nicht, daß Erica dich bei sich haben will, wenn du ihr erzählst, daß Schniefelus Snape dich aus Hogwarts rausgegrault hat, ohne dich nur einmal scharf angesehen zu haben. Ich bleibe hier. Vielleicht hat der sich ja auch geändert."

"Du glaubst auch noch an den Weihnachtsmann, Bruster", knurrte Roy.

"Klar, auch an Hexen auf fliegenden Besen, Drachen und Meerjungfrauen, singende Plüscheier und von selbst fliegende Teller und Tassen", sagte Bruster schlagfertig. Roy meinte nur:

"Du bist Vertrauensschüler. Vielleicht nimmt er dich jetzt ja für voll."

"Komm, das ist schwach, mir jetzt sowas aufs Brot zu schmieren, Roy. Der nimmt mich bestimmt nicht für voller als dich, Vivian oder Nelly. Ich denke, der kuscht nur vor Dumbledore und sonst keinem. Weiß man, wo der die letzten zwei Jahre rumgehangen hat, wenn er nicht gerade Zaubertränke gebüffelt und gebraut hat?"

"In irgendwelchen Spilunken?" Fragte Roy gehässig.

"Eben. Wenn das so ist, dann hat er vielleicht was zurückzuzahlen, was er wem schuldet, Dumbledore oder einem Kredithai oder vielleicht diesem Mr. Unnennbar."

"Eh, Bruster, da macht man keine Witze drüber. Das solltest gerade du jetzt sehr genau beachten", maßregelte Geoffrey Forester den neuen Vertrauensschüler. Bruster nickte.

"Aber was ich rüberbringen wollte habe ich rübergebracht, Roy. Wenn du jetzt den Abflug machst, fühlt sich dieser Typ superstark und kann alle hier anraunzen, schikanieren und runtermachen wie er will. Klappt doch, die Muggelstämmigen damit rauszuekeln."

"Okay, Brusi Baby. Kann sein, daß du recht hast. Aber wenn mir der Typ zu heftig auf den Keks geht, schwirr ich ab. Ob ihr mich dann einen Feigling nennt oder nicht ist mir dann Schnuppe."

"Genauso wie's Du-weißt-schon-wem Schnuppe ist, daß du ihn eine feige Ratte nennst?" Fragte Aurora Dawn ohne Vorwarnung. Das traf, saß und hielt vor. Roy sagte keinen Ton mehr. Snape stand derweil neben Dumbledore und reichte diesem die Hand. Die Slytherins jubelten und skandierten:

""Professor Snape! Professor Snape!"

"Huch, sind wir jetzt beim Fußball?" Fragte Bruster. "Sollen wir jetzt unseren Hauslehrer anfeuern oder was?"

"Wenn dann sind wir beim Quidditch", meinte Nelly Flowers unerwartet selbstbewußt. "Fußball ist ein Spiel gegen Schlafstörungen."

"Öi!" Machten Roy und Bruster gleichzeitig.

"Leute, ich glaube, unser neuer Lieblingslehrer will was sagen", wies Aurora auf den Lehrertisch hin. Snape hatte sich gerade in erhabene Pose geworfen und schien um Ruhe zu ersuchen. Tatsächlich hörten die Professor-Snape-Rufe am Slytherin-Tisch auf, und auch das Palaver an den anderen Haustischen ebbte ab.

"Liebe neuen Kollegen, liebe Schüler von Hogwarts", begann Snape mit einer für ihn ungewohnt lauten Stimme zu sprechen. "Ich freue mich, nach so kurzer Zeit der Abwesenheit, wieder in die altehrwürdigen Mauern von Hogwarts zurückgekehrt zu sein, um von dem, was ich hier bekommen habe, einiges wieder zurückgeben zu können." Alle Nichtstslytherins oberhalb der dritten Klasse lachten. "Ich weiß, einige haben mich sehr vermißt. Aber da war ich nur ein Schüler unter Schülern. Jetzt muß ich hier eine wichtige Aufgabe erfüllen, nämlich jedem von euch die Grundlagen und Feinheiten der Zaubertrankbraukunst zu verdeutlichen. Das ist eine schwere Aufgabe und ich hoffe stark, daß ihr mir alle helft, sie zu schaffen, indem ihr aufmerksam und ohne falsche Vorbehalte an jede Stunde herangeht, die ich mit euch abhalten werde, egal ob ihr gerade frisch eingeschult worden seid oder das letzte Jahr vor euch habt. Vielleicht gibt es ja einige, die meinen, weil sie Zaubertränke abgewählt haben, wird es ihnen gleich sein, wer dieses Fach gibt. Bei denen bedanke ich mich, weil ich mich dann auf die konzentrieren kann, die ganz aus freien Stücken dieses erhabene Fach weiterbelegen wollen und mit der entsprechend hohen Arbeitsbereitschaft herangehen werden. Ich möchte nicht zu lange reden. Klar ist, ich bin jetzt wieder hier. Ich bedanke mich bei Professor Dumbledore, daß er mich als Lehrer angestellt hat und ich nun anderen weitergeben kann, was ich hier gelernt habe. Die Bewohner des mir anvertrauten Hauses werde ich gleich noch einmal aufsuchen, um mit ihnen zu plaudern und zu erfahren, was in den vergangenen Jahren so gelaufen ist. Einige von euch kenne ich ja noch persönlich."

"Da kannst du einen feuerroten Furz drauf lassen", schnaubte Roy. "Kuck dir mal die Rattler an. Die schwebt ja auf Wolke sieben."

"Wenn du über andre ablästern kannst bist du wieder klar, Roy", meinte Bruster dazu. Doch auch er mußte über das überglückliche Gesicht von Tonya Rattler grinsen. Es war kein Geheimnis, daß Tonya versucht hatte, Snape als ersten festen Freund an Land zu ziehen. Blöd nur, daß Snape eher für seine Studien und Übungen gelebt hatte. Jetzt als Lehrer war er für Mädels wohl noch weiter weg, besonders für klobige Klotzweiber, Kleiderschränke mit Dutteln, wie Roy und Bruster Tonya und Delila mal genannt hatten.

Dumbledore erkannte, daß die Stimmung wohl gerade ziemlich angespannt war. So sagte er noch:

"Werte Kollegen, liebe Schüler. Jetzt denkt ihr alle, der olle Dumbledore hat euch einen bösen Streich gespielt, euch einen jungen Spunt als Lehrer vorgesetzt, den die älteren von euch ja selbst noch in Schuluniform hier gesehen haben. Aber glaubt mir, Professor Snape ist der kompetenteste Lehreranwärter, den ich nach dem Weggang Professor Bitterlings habe auftreiben können. Als Schulleiter muß ich immer das Beste nehmen. Das werdet ihr mir eines Tages danken, daß ich das so und nicht anders gemacht habe. So, und jetzt noch die üblichen Abschllußworte zur guten Nacht. Bitte denkt daran, daß ihr ohne Auftrag und Aufsicht eines Lehrers nicht in den Wald auf dem Schulgelände gehen dürft! Außerdem, das gilt für unsere Erstklässler und auch für die, die es sich nicht so gut merken können: In den Korridoren wird nicht herumgezaubert und böswillige Scherzartikel machen auch keine neuen Freunde. Was da so zugehört kann jeder wenn er oder sie Zeit hat bei Hausmeister Filch nachlesen. Die Liste mit den bald 300 Gegenständen hängt an seiner Tür aus. So, und jetzt husch husch in die Betten mit euch!"

Die Tür war breit, aber an diesem Abend nicht breit genug, schien es. Aurora Dawn, die den wortlosen Auftrag der älteren Vertrauensschüler erhalten hatte, die beiden einzigen Neuzugänge nach Ravenclaw zu führen, bedeutete Vivian und Nelly, erst eimal zu warten, bis die Häuser mit den meisten Neuzugängen die Halle verlassen hatten. Dabei sah sie Tonya Rattler, die vergnügt, ja schon dümmlich grinsend zwischen den Tischen herging, wobei sie die jüngeren Mitschüler wie ein Schäferhund die Herde zusammentrieb und voranjagte. Sie sah Aurora Dawn an, die wartete. Sie machte eine Siegergeste. Aurora ignorierte es. Sollte die doch glauben, mit Snape hätte sie die ganze Schule in der Tasche. Um so böser würde das Erwachen sein, wenn Snape noch abweisender war als vorher schon.

"He, ihr drei, wenn ihr nicht bald losmarschiert müßt ihr hier pennen", lachte Cynthia Flowers, die hinter dem langen Tross der Erstklässler dahinging. Nelly warf ihrer Schwester einen wehmutsvollen Blick zu. Doch Cynthia schüttelte den Kopf.

"Hast gedacht, die würde dich bei dem Gewusel noch unterkriegen?" Fragte Vivian. "Komm, das kannst du mir nicht antun, Nelly. Nachher stellen die mein Bett noch in einen Besenschrank, weil für eine alleine kein Schlafsaal freigemacht wird.

"So, Mädels, wir können", sagte Aurora auf locker machend. Zumindest war sie froh, nicht an die zwanzig Erstklässler dirigieren und beaufsichtigen zu müssen, wie Cynthia oder gar Tonya. Ohne Hektik führte sie die beiden Mädchen durch die verzwickt wirkenden Gänge, über die Richtungswechseltreppen, durch die Zeitversetztkorridore und Geheimtüren zum Eingang der Ravenclaws, wo gerade eine braun-weiße Kuh im Galopp aus dem Gemälde entwischte, verfolgt von einem ländlich gekleideten Burschen mit großem Hut. Hinterdrein hetzte eine Hexe im roten Kleid.

"Willkommen in Hogwarts", knurrte Aurora Dawn. "Der da in dem Türgemälde ist Bruce, unser Türwächter. Da er eine unberechenbare Kuh hütet, ist er häufig weg oder hat Ärger mit anderen gemalten Leuten, wie der Hexe, die ihr da gerade gesehen habt."

"Eh, vieles muß ich ja schlucken. Aber lebende Bilder", meinte Vivian.

"Sehen heißt glauben, hat Roy mir mal erzählt. Also seht her und glaubt es!" Sagte Aurora und holte mit dem Reinitimaginus-Zauber Bruce und sein flüchtiges Rindvieh Maggy zurück in das angestammte Bild.

"Mann, die ist stocksauer auf Maggy und mich und du holst mich mit dieser Grausamkeit wieder zurück, wo sie mich sofort wieder einkriegt", quängelte Bruce. Aurora grinste nur überlegen.

"wir haben das Passwort. Lupus in fabula. Mach auf und lass uns rein, dann kannst du weiter mit Mylady Medea Fangen spielen."

"Geht schon klar", sagte Bruce und schwang sich mit dem ganzen Bild zur Seite. Aurora führte ihre Schützlinge hinein und zeigte ihnen Ravenclaw. Geoffrey kam ihr entgegen und gab ihr einen Zettel.

"Oh, die haben für euch keinen eigenen Schlafsaal freigemacht. Ihr schlaft bei denen aus der zweiten Klasse", sagte Aurora Dawn. Dann zeige ich euch mal, wo der Mädchentrakt ist und wo euer Schlafsaal liegt." Sprach's und führte die beiden Mädchen durch Ravenclaw, zu den Mädchen-Schlafsälen und den Waschräumen. Anschließend erzählte sie ihnen vor dem Schlafsaal der Zweitklässler, was sie so zu beachten hatten. Dann wünschte sie ihnen eine gute Nacht.

"Hallo, unsere Koffer?" Fragte Vivian.

"Stehen vor den Betten, die sie euch reingestellt haben", erwiderte Aurora noch ganz ruhig und locker klingend.

"Danke, Aurora", sagte Nelly.

Aurora suchte sofort den Waschraum für Fünftklässler auf. Miriam war schon beim Umziehen.

"Habt ihr nicht ein eigenes Bad?" Fragte sie schalkhaft zwinkernd.

"Das teste ich in den nächsten drei Jahren ausgiebiger. Heute ist genug mit der V-Trägerei. Obwohl die beiden Mädels schon umgänglich sind. Nelly hat halt nur Heimweh und wäre gerne bei Cynthia gelandet. Aber die hat mit dem, was wir nicht zugeschustert kriegten, verdammt viel um die Ohren. Da ist Nelly besser bei uns."

"War Bruce noch da als du kamst?" Wollte Miriam noch wissen.

"Als ich gezaubert habe war er wieder da", sagte Aurora. "Vielleicht sollte ich mit diesem neuen Job als erstes einen neuen Türhüter für uns bestellen. Vielleicht macht Lady Medea das dann für uns."

"Was hat Roy zu Bruster gesagt? Du glaubst noch an den Weihnachtsmann?"

"Komm, sag nichts böses über den Weihnachtsmann, sonst müßte ich Ravenclaw glatt fünf Punkte abziehen, weil du schlecht über eine altehrwürdige Traditionsfigur redest, Miriam." Miriam mußte darüber lachen.

"Oha, das wird bestimmt noch lustig mit dir", kicherte sie.

"Ja, bestimmt. Vor allem wenn dieser Witz des Jahrhunderts, den Dumbledore mit uns treibt erst richtig zur Geltung kommt und ich mir von Professor Severus Snape anhören muß, wie ignorant und unbelehrbar doch alle achso klugen Ravenclaws in Wirklichkeit sind."

"Ich wollte eigentlich noch gut schlafen, Ms. Aurora Dawn."

"Das kannst du, weil der Alptraum erst kommt, sobald du wach bist."

Im eigenen Schlafsaal fragte Petula, ob Nelly und Vivian wirklich bei den Zweitklässlern untergekommen seien. Aurora nickte.

"Zumindest Vivian kommt dann gut bei uns rein. Da sind ja 'n paar Muggelstämmige drin. Auf jeden Fall ein leichter Einstieg gewesen heute, wie?"

"Ich denke, man muß voll einsteigen, um nicht am Ende leer auszugehen", sagte Aurora. Die Mädchen lachten. Dann kehrte endlich Ruhe ein.

__________

Die, die morgens den Tagespropheten bekamen diskutierten schon über neue Gräueltaten des Unnennbaren. Vivian erzählte Aurora, daß sie sich mit Anne Singer und Phiona aus der zweiten Klasse schon angefreundet hatte, da sie ja außer Nelly noch keine Erstklässlerinnen kannte, mit denen sie sich anfreunden konnte. Als die Stundenpläne eintrudelten, freute sich Roy wie ein Schneekönig, daß sie Snape erst am Mittwoch Morgen haben würden aber dafür als letzten vor dem Wochenende noch mal.

"Besuchen Sie Professor Snape, und das Wochenende kann kommen", lästerte Mortimer.

"Mußt du den Kleinen noch den Weg zum Unterricht zeigen?" Fragte Bruster Wiffle.

"Hmm, kommt darauf an, was die haben. Vivian, was habt ihr zuerst?"

"Moment, Aurora. Geschichte der Zauberei bei einem Professor Binns. Ist das nicht der Gespensterlehrer?"

"Yep", machten Roy und Bruster. Nelly reichte Aurora den Erstklässler-Stundenplan herüber. Sie besah ihn sich. Dann fragte sie, ob Roy einen dieser praktischen Füllfederhalter mithatte. Roy grinste und reichte ihr das praktische Schreibgerät, sodaß Aurora Nelly aufzeichnen konnte, wie es zu welchem Raum ging. das verdoppelte sie unter dem Tisch und reichte beide Zeichnungen an Vivian und Nelly weiter. Vivian staunte, wie der Vermehrungstrick ging. Phiona erzählte ihr was vom Multiplicus-Zauber.

"Goldbridge macht heute den Anfang", freute sich Roy. "Mal sehen, ob der uns heute was wirklich interessantes vorführt."

"Eine Laserkanone oder ein Walkie-talkie", sagte Bruster.

"Mal sehen, sagte Roy.

Tatsächlich führte Professor Janus Goldbridge in Muggelkunde etwas vor, nämlich eine Druckmaschine mit beweglichen Lettern. Sie sprachen darüber, wie diese Erfindung die Wissensweitergabe in der Muggelwelt maßgeblich geprägt hatte und auch bei den Zauberern große Anerkennung gefunden hatte.

"Wie alles in der Menschenwelt hat jedes Ding seine zwei Seiten", sagte Goldbridge noch. "Man kann es zum Guten verwenden, also Wissen und brauchbare Erfahrungen weitergeben, wie auch Lügen und Hetzschriften verbreiten, um Chaos und Mißtrauen zu schüren. Insofern hat die Erfindung des Buchdruckens sowohl friedliche Forschung als auch kriegerische Verleumdungsfeldzüge begünstigt. Wir müssen uns das immer vor Augen halten, daß gerade in der Entwicklung viele Menschen erreichender Mittel immer auch die Gefahr begründet ist, viele Menschen gleichzeitig oder in sehr kurzer Zeit ins Unglück zu stürzen. Die Buchdruckerkunst wird in der Muggelwelt gleichwertig neben der Zauberei als "Schwarze Kunst" bezeichnet, was für die Druckerei wohl zutrifft und für die Zauberei nur dahingehend stimmt, wenn jemand böswillige Zaubereien übt und anwendet. Jedenfalls gelang es durch diesen Apparat und die vertauschbaren Metallbuchstaben, auch den Leuten ein Publikum zu eröffnen, die von den Herrschenden unterdrückt oder wegen ihrer Herkunft nicht beachtet wurden. Von der Druckerei ausgehend nahm die Entwicklung der sogenannten Massenmedien, auf die ich im Verlauf der Gesellschaftsdiskussion ab der Klasse Sechs noch genauer eingehen werde, eine entscheidende Entwicklung. Doch dieses Jahr werden wir uns schwerpunktmäßig mit den technischen Dingen befassen, von denen wir im letzten Jahr schon einiges hatten, unter anderem wie die nichtmagischen Menschen das Fliegen gemeistert haben und welche Maschinen sie benutzen, um für gewöhnliche Dinge unaufspürbare Objekte oder Strukturen zu betrachten."

Nach Muggelkunde kam Kräuterkunde bei Sprout, ein Heimspiel für Aurora Dawn, obgleich Tonya Rattler wieder einmal versuchte, sie aus dem Tritt zu bringen. In jeder Stunde erzählten die Lehrer, wie wichtig es nun sei, sich besonders anzustrengen und daß der Ausgang der ZAG-Prüfungen über das weitere Leben bestimmen würde.

Nachmittags waren sie bei Flitwick, ihrem Hauslehrer, der ihnen zu dem am Morgen schon erzählten Kram über die ZAGs eröffnete, daß sie vor den Abschlußprüfungen bei ihm zur Berufsberatung antreten konnten.

In der ersten Dienstagsstunde waren die magischen Geschöpfe dran. Professor Kesselbrand führte ihnen die Bowtruckels vor, Baumwächter, die wie dürre Äste mit holzigen Händchen und Krallen aussahen. Aurora wunderte sich immer wieder, wie der mit vielen Verstümmelungen geplagte Lehrer so geschickt mit den quirligen Bowtruckels umging. Offenbar machte die Übung den Meister.

In der Stunde danach war Verwandlung dran. Es galt, tote Objekte und später lebende Wesen verschwinden zu lassen, eine Grundübung, wollten sie später einmal das Beschwören von Dingen aus dem Nichts heraus erlernen. Nach dem Unterricht hielt Professor McGonagall Roy Fielding, Bruster Wiffle und Aurora Dawn zurück.

"Ich weiß und habe es vorgestern wieder beobachten können, daß Sie drei sich wohl nicht sonderlich gut mit der Einberufung von Professor Snape arrangieren können. Da ich nicht ihre Hauslehrerin bin, aber Sie Mr. Fielding, durch den tragischen Verlust in einer besonders schwierigen Lage sind und sie beiden, Ms. Dawn und Mr. Wiffle Vertrauensschüler sind, möchte ich lediglich darauf hinweisen, daß auch Professor Severus Snape nur die Grenzen einhalten kann, die wir Lehrer alle einzuhalten haben. ansonsten bleibt mir nichts weiteres zu erwähnen, was Ihr Hauslehrer nicht schon erwähnt hätte oder noch erwähnen wird."

"Wir werden versuchen, Ihren neuen Kollegen nicht zu vergiften", sagte Roy Fielding gehässig. Professor McGonagall schnaubte ungehalten und meinte dann:

"Versuchen Sie besser, sich nicht von ihm vergiften zu lassen."

"Versprochen", sagte Bruster Wiffle. Dann verließen die drei Fünftklässler den Verwandlungsraum.

"Die kann den auch nicht ab", grinste Roy. "Sonst hätte die uns doch nicht diesen Tip mit dem Nicht-vergiften-lassen gegeben."

"Ja, aber sie darf nichts gegen Dumbledores Entscheidung sagen. Weiß der Teufel, was den dazu getrieben hat, Snape als Lehrer auf uns loszulassen. Als wenn die Welt nicht schon kaputt genug wäre", sagte Roy.

"Vielleicht war er es gerade, der Teufel, der Dumbledore geritten hat", feixte Bruster. Sie gingen um die Ecke und hörten noch, wie Tonya Rattler mit Loren Tormentus stritt.

"Deine Schleimertour und das Kulleraugenkunststück haben den schon damals nicht beeindruckt. Das wird's jetzt auch nicht. Wenn der sich auf'n Mädchen hätte einlassen wollen hätte der sich was nicht so junges gesucht."

"Loren, du gehst mir langsam so auf die Nerven mit deiner alles überblickenden Art. Professor Snape, nenn' ihn gefälligst so, war als Schüler schon genial, wenn gleich das niemand hier so recht kapiert hat. Der ist als Lehrer bestimmt noch besser drauf."

"Tonya, außer dir glaubt das auch bei uns keiner, daß der so genial war. Weißt du, was ich glaube: Außer, daß der nur gebüffelt und geackert hat, hat der sich noch mit Gripsschärfern noch und nöcher zugeballert, die sein Hirn zwanzigmal stärker gemacht haben. Aber sowas kann irgendwann nach hinten losgehen, weil durch die Gehirnverstärkung andre Organe versagen. Vielleicht wollter desahlb nix von Mädels."

"Loren, das reicht. Das - das ist - unglaublich- gemein", schnaubte Tonya außer sich. Loren lachte nur.

"Du kannst doch Punkte dafür abziehen, weil ich sehr schlecht über unseren Hauslehrer gesprochen habe. Fallls Professor Snape mich dann zusammenstauchen will, bitte. Was ich weiß, weiß ich und er weiß auch, woher ich das weiß und du nicht. also, wie viele Punkte möchtest du mir dafür abziehen?"

"Strafarbeit. Du putzt die Bettpfannen bei Madame Pomfrey!" Stieß Tonya bösartig aus.

"Hallo, wenn du mir eine Strafarbeit auferlegen willst, mußt du schon Punkte abziehen, mindestens zwanzig, weil die Lehrer sonst nicht einsehen, wozu ich Strafarbeiten machen soll. So steht's geschrieben."

"Irgendwie kriegst du's noch, Tormentus! Da können dir selbst deine guten Bekannten nicht helfen. Wenn nicht ich, dann macht er dich alle!"

"Wer, Professor Snape?"

"Du-weißt-schon-wer."

"Ui, jetzt kriege ich doch Angst. Oh, Ms. Rattler, ich bitte vielmals um Vergebung, daß ich Ihren Lieblingslehrer derartig respektlos bezeichnet habe", erwiderte Loren mit eindeutig heuchelnder Betonung. Tonya wandte sich um und sah Aurora, Bruster und Roy.

"Ihr macht, daß ihr wegkommt! Das ist Slytherin-Angelegenheit!"

"Hmm, wo's um den neuen Lehrer geht, der euer Haus leitet. Wenn ich das mitgekriegt habe, hat Loren den eben heftig beleidigt, weil sie ihm Drogensucht und damit verbundene Impotenz vorgeworfen hat. Kein Mann läßt sich sowas nachsagen", meinte Bruster mit öligem Grinsen. "Ich könnte Loren glatt hundert Punkte dafür abziehen und ihr neben der von dir vorgeschlagenen Strafarbeit noch aufgeben, einen Monat Lang euren Gemeinschaftsraum sauberzuhalten."

"Untersteh dich!" Rief Tonya. "Wenn hier jemand Loren Tormentus Punkte abzieht, bin ich das", sagte Tonya.

"Weil sie mit den Gryffindors schon ausgekungelt hat, daß die den Pokal dieses Jahr kriegen", feixte Loren Tormentus und grinste überlegen. Dann wandte sie sich um und lief davon, nicht fluchtartig, sondern wie eine, die das Interesse an einer Sache verloren hat.

"Macht das ihr weiterkommt. Freu dich, daß ich deinem Haus wegen dir keine Punkte abziehe, Wiffle!"

"Für Sie immer noch Mister Wiffle, Miss Rattler", bestand Bruster auf die korrekten Umgangsformen zwischen Vertrauensschülern. Tonya schnaubte nur was von wegen er könne sie mal und schob ab.

"Neh, Mädel, den Gefallen tu ich dir nicht für eine Million Galleonen", grummelte Bruster.

"Die macht die Rattler fix und alle", grinste Roy. "Tonya wird es nicht wagen, Slytherin Punkte abzuziehen."

"Ja, aber Tonya Rattler könnte Loren in Slytherin zur Buhhexe machen, sie wie den letzten Dreck behandeln lassen", sagte Aurora.

"Glaubst du, die Tormentus wüßte das nicht?" Meinte Bruster. "Trotzdem führt die die klobige Vertrauensschnäpfe vor wie'n Tanzbär. Vielleicht weiß Loren was, was die Rattler blöd aussehen macht, wenn die ihr die Hölle heißmacht?"

"Das mit ihrem Onkel, der für Ihr-wißt-schon-wen arbeitete. Das ist ein weltweit bekannter Hut", meinte Aurora.

"Nicht nur das", meinte Bruster. "Die sind beide Slytherins und belauern sich, wer wem besser ans Bein pinkeln kann."

"Abgesehen davon, daß das weder Loren noch Tonya vom Körperbau her hinkriegten ist es für dich nicht gerade eine empfehlenswerte Wortwahl, Herr Vertrauensschüler", wies Aurora Bruster darauf hin, besser manierlichere Ausdrücke zu verwenden. Bruster grinste nur, sagte aber nichts dazu.

Das Objekt, besser Subjekt des Streits zwischen Loren und Tonya hieß die Fünftklässler am Mittwoch Morgen mit einer überlegenen Miene willkommen. Snape, gehüllt in einen schwarzen Umhang, verkündete, daß er alle in diesem Jahr anfallenden Zaubertränke auf ZAG-Niveau prüfen würde und daß er keine Rücksicht auf etwaige Abstammungsprobleme oder Schwächen im Umgang mit Magie oder tragische Verluste nehmen würde. Nach der Stunde, in der Ravenclaw glatte 20 und Hufflepuff glatte 30 Punkte verloren hatten, mußte Aurora Dina Murphy trösten. Die hatte sich in den ersten vier Jahren immer als Musterschülerin in Zaubertränken hervorgetan. Doch Snape, beziehungsweise Professor Snape, hatte ihr innerhalb einer Doppelstunde alle Selbstsicherheit ausgetrieben, weil er sie regelrecht vorgeführt hatte. anfangs hatte sie gut mithalten können. Doch als sie nach komplizierten Rezepturen befragt worden war, hatte sie mehrere Fehler gemacht. Snape hatte das eiskalt ausgenutzt und behauptet, Dina sei wohl zu sanft behandelt worden und wäre der Illusion verfallen, gut zu sein. Aurora wollte schon einwerfen, daß er Professor Bitterling damit beleidigte, doch Snape war schon an seinem nächsten Opfer, Dorian Dirkson aus Hufflepuff.

"Du bist gut, Dina. Wer bei Bitterling gut war, ist wirklich gut", sprach Aurora Dina immer wieder vor. "Der wollte dich blöd aussehen lassen und hat dir einen UTZ-Trank zum Herunterbeten vorgeknallt. So läuft das also bei dem. Alle, die besser sind als die schlechtesten Slytherins werden schikaniert. Der kleine Severus darf nun endlich seine Rache an denen üben, die ihn nicht für voll nehmen wollten. Das ist für den 'ne Genugtuung, ausgerechnet uns beide, die wir in den ersten zwei Jahren die Slytherins von Loren mal abgesehen übertroffen haben, so richtig in die Pfanne zu hauen. Da wir das jetzt wissen, Dina, können wir uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist, nämlich unsere für ZAG-Prüfungen angemessenen Tränke vorzubereiten."

"Dabei sind Zaubertränke so interessant. Der macht das alles kaputt", schluchzte Dina.

"Wenn wir ihn lassen", schnaubte Aurora. Ihr Dickkopf war wieder erwacht, der bei Freunden und Verwandten gefürchtet war. Zusammen mit Bruster und Roy klärte sie ab, daß sie sich bei Snape nur auf die Zubereitung der Tränke konzentrieren sollten, nicht auf seine hämischen Bemerkungen.

"Vielleicht bleibt der Kerl nur das eine Jahr, bis Dumbledore einen besseren findet", hoffte Roy.

"Neh, Roy, der ist hier und bleibt hier. Ich habe das Gefühl, der wird in fünfzehn Jahren noch Schüler hier drangsalieren, während wir nur noch über die ach so guten, alten Schulzeiten lachen."

"Ich weiß auf jeden Fall eins: Wenn Flitwick uns zum Berufsberatungsgespräch einläd, suche ich mir das aus, wo ich keine Zaubertränke mehr büffeln muß."

"Ja, aber das Jahr hat gerade erst angefangen", unkte Bruster.

Snapes Art wurde nicht besser. Wieso auch? Die meisten Schüler ließen sich gut von ihm einschüchtern. Außer Cynthia und Melinda brachte es aus Hufflepuff kein Fünftklässler über ein M wie Mies in den nächsten Zaubertrankrezepturen hinaus. Aurora hielt mit ihrem betonharten Dickschädel aus, was Snape ihr unterstellte, daß sie meine, Zaubertränke seien ihr wohl zu einfach und er würde ihr schon ihre Grenzen zeigen. Dina, nach anfänglichen Zusammenbrüchen etwas selbstsicherer, versuchte er immer wieder festzunageln, kompliziertere Zaubertränke herunterzubeten. Irgendwann, so in der dritten Schulwoche, wo Snape bereits zum unbeliebtesten Lehrer avanciert war, stand Dina auf und meinte:

"Ich frage mich, ob Sie sich wirklich alle Unterlagen von Professor Bitterling durchgelesen haben. Wenn ja, dann sollten Sie ihrer Lehrerin wohl zugestehen, daß sie uns hier richtig beurteilt. Falls nicht müßten wir Professor Bitterling fragen, was die typischen ZAG-Prüfungstränke sind. Ich fürchte, Sie übernehmen Sich, wenn Sie uns alle in einem Jahr zur UTZ-Prüfungsreife treiben wollen."

"Das sind zwanzig Punkte Abzug für Ravenclaw und die Strafarbeit, die Käfige der Zaubertiere auszumisten, ohne Zauberkraft, Ms. Murphy. Oder sollte ich besser verlangen, daß Sie die Käfige mit Zauberkraft säubern. Dann dauert es auch richtig lange."

"Tun Sie, was Sie nicht lassen können", schnaubte Dina wütend. Doch nach dem Unterricht heulte sie sich im Mädchenklo der Ravenclaws aus. Aurora meinte am Abend zu ihr:

"Danke, daß du endlich bewiesen hast, daß Professor Snape ein bösartiger, parteiischer Kerl ist. Deine Schwäche in Zauberkraft so genüßlich auszubreiten ist absolut unprofessionell. Aber Dumbledore wird auf dem Ohr taub sein. Irgendwas hat den veranlaßt, diesen Drecksack zu engagieren. Solange wir nicht wissen, was das ist, können wir ihn nicht davon abbringen, Snape auf uns loszulassen. Roy, langsam muß ich zugeben, daß du vielleicht doch recht hast."

"Auch auf die Gefahr hin, Punkte zu verjubeln, Aurora: Ist das jetzt die Anerkenntnis männlicher Logik oder deine weibliche Intuition?"

"Sagen wir's so, mit meinem Bauch konnte ich ergründen, was dir durch den Kopf ging. Aber wenn wir jetzt schon Hilfe und Weh schreien machen wir diesen Schleimbeutel nur noch stärker", zischte Aurora. Sie mußte nämlich darauf achten, daß ältere Vertrauensschüler das nicht mitbekamen. Sie konnten Ravenclaw ihretwegen keine Punkte abziehen, aber sie bei Flitwick oder dem Schulsprecher anschwärzen, weil sie unverhohlen respektlos über den neuen Lehrer herzog.

Im Gegensatz zu Snape war Professor Glaucos ein sehr umgänglicher Typ, der sein merkwürdiges Aussehen als gelungenen Einstieg nahm, über menschenähnliche Zauberwesen zu sprechen und die schriftliche Aufgabe verteilte, über ihnen bekannte Zauberwesen in menschlicher Gestalt zu schreiben. Da sie es bei Binns gerade von den Kriegen der Riesen hatten, hatten sich Mortimer und Bruster die Riesen ausgesucht, während Roy über Sabberhexen schrieb, Aurora über Vampire und Werwölfe schrieb und Petula und Miriam über Zwerge schrieben. Anschließend wurden die erwähnten Zauberwesen erst in Gutartig, neutral, leicht reizbar, bösartig und tödlich gefährlich eingeteilt und dann die gutartigen von der Tafel gewischt.

"Wir reden über die dunklen Künste, also auch über die damit behafteten oder damit arbeitenden Zauberwesen. Mr. Fielding, Sie hatten schon einige unangenehme Berührungen mit Sabberhexen, konnte ich Ihrem Essay entnehmen", sagte der halbmeerische Lehrer mit seiner silberhellen Tenorstimme, die einem Opernsänger die Neidesblässe ins Gesicht getrieben hätte.

"Ja, das stimmt. Irgendeine von denen war hinter mir her oder ist es immer noch. Diese Biester sind ja ziemlich ausdauernd."

"Nun, manchmal ziehen diese Kreaturen weiter, wenn sie sich hier nicht mehr wohl genug fühlen können, weil der Wald nicht mehr düster genug ist oder zuviele große Menschen darin herumwuseln oder die Luft verpesten oder oder oder. Meine Vorvorgängerin in diesem Fach hat mir natürlich eine Liste mit abgehandelten Themen zukommen lassen. Mein seliger Vorgänger Balder konnte dies ja leider nicht mehr tun. Nun, ich hoffe, ich konnte den Wissensstand von Ihnen gut genug ausloten, um zu ergründen, was ich Ihnen für die ZAGs noch beizubringen habe und was nicht", sagte Glaucos. Aurora beobachtete, wie er sich über den roten Schwammanzug strich. Sie hörte ein leises Schmatzen und erschauderte. Glaucos hatte ihnen zwar erklärt, daß seine Haut immer wieder nachgefeuchtet werden müsse. Aber es war doch schon irgendwie unheimlich.

Nach der fünften Stunde in Verteidigung gegen die dunklen Künste durften sie endlich wieder Flüche proben, um zu sehen, ob sie noch gut in Form waren. Dieser Unterricht gefiel ihnen ausgezeichnet.

In der zweiten Septemberwoche, nachdem sie alle im Schulalltag richtig drinsteckten, berief Dumbledore die Schulsprecher und Vertrauensschüler zur ersten Konferenz mit den Hauslehrern ein. Aurora und Bruster bekamen am zweiten Freitag im September Eulenpost vom Schulleiter, die ihnen mitteilte, daß sie sich am Samstag Nachmittag in seinem Turmzimmer einzufinden hätten. Anbei war eine Wegbeschreibung und das Passwort "Kribbels Kekse", das in dem Moment unlesbar wurde, als Aurora es mehrmals in Gedanken aussprach um es sich zu merken. Nach der Nachmittagsstunde bei Snape traf sie sich mit Bruster im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws.

"Was meinst du, sollen wir Dumbledore fragen, was ihn dazu gebracht hat, Snape einzustellen?" Fragte Aurora Dawn.

"Hmm, kribbelt mir schon auf der Zunge, das zu fragen. Ich hätte auch keine Probleme damit, daß Snape dabei ist. Allerdings will ich nicht den armen drangsalierten Muggelstämmigen raushängen lassen. Wenn ich was handfestes habe, was Dumbledores Entscheidung verkehrt aussehen läßt, dann frage ich den. Wir haben ja schon genug Beschwerden gesammelt, nicht wahr?"

"Nicht zu knapp. Aber ich fürchte, Dumbledore und Snape werden das locker abschütteln. Ich werde das Gefühl nicht los, daß Snape für Dumbledore wichtig ist und Dumbledore ihn in der Nähe halten muß."

"Du meinst, der spioniert für Dumbledore bei diesem Mörderlord?" Fragte Bruster leise und erbleichte, weil ihm dieser Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

"Habe ich nicht behauptet", sagte Aurora halblaut. "Aber ich fürchte, wenn wir wirklich wollen, daß Snape seine Art ändert, mit Schülern umzugehen, dann müssen wir was haben, was ihn dazu zwingt. Auf Schülergeschwätz wird der nicht eingehen, schon gar nicht von Muggelstämmigen. Ich hörte von Eunice, daß die Gryffindors da mehr Probleme mit dem haben. Wenn die meinen, jetzt schon Beschwerde einlegen zu können, lass die das mal machen!"

"Ist das nicht feige, Aurora?" Fragte Bruster.

"Sich vor dingen zu drücken, die unangenehm aber wichtig sind ist feige. Unterlegene Leute anzugreifen ist feige, aber genau zu überlegen, was man wann fragt oder behauptet ist besonnen", belehrte Aurora Bruster. Dieser wiegte den Kopf. Dann meinte er:

"Ja, aber unsere Leute werden fragen, wozu wir eigentlich da sind, wenn Snape so weitermachen kann. Der hat selbst Dina aus dem Tritt gebracht, und die hatte schon bei der Bitterling einen schweren Stand. Aber wie du meinst. Vielleicht würden wir uns die Schnauze verbrennen, wenn wir ohne haltbare Gründe gegen Snape protestieren. Dumbledore weiß das eh schon, was für'n dickes Ei er uns da gelegt hat."

"Dann sehen wir also erst einmal, wie das überhaupt läuft?" Fragte Aurora.

"Besser ist's wohl", willigte Bruster ein.

So trafen sich dann am Samstag Nachmittag um vier sämtliche Vertrauensschülerinnen und Vertrauensschüler vor jenen steinernen Wasserspeiern, die den Eingang zu Dumbledores Turmgemach bewachten.

"Kribbels Kekse!" Rief Bruster, als er zusammen mit Aurora und Geoffrey vor den Wasserspeiern stand. Diese hüpfte behände zur Seite und gaben einen Durchgang frei, der zu einer Wendeltreppe führte. Diese erklommen sie und betraten nach Anklopfen die runde Kammer, in der allerlei geheimnisvolle Apparaturen und Meßgeräte herumstanden. Es wurde ziemlich eng, als sich alle vierundzwanzig älteren Schülerinnen und Schüler im Zimmer zusammenfanden. Aurora Dawn betrachtete den rot-goldenen Vogel, der auf seiner Stange saß und die eintrudelnden Mädchen und Jungen neugierig anblickte. Als dann auch noch die vier Hauslehrer eintrafen, schloß Dumbledore die Tür. In den an den Wänden hängenden Gemälden alter Schulleiter trat gespannte Erwartung ein. Alle abgebildeten Hexen und Zauberer blickten auf die versammelte Schüler- und Lehrerschar.

"Ich freue mich, daß Sie und ihr alle so pünktlich erschienen Sind und seid", begrüßte Professor Dumbledore die Anwesenden. Professor McGonagall nickte bekräftigend, Professor Sprout und Professor Flitwick saßen ganz ruhig auf den gepolsterten Stühlen, und Professor Snape sah jeden hier lauernd an, wer wohl als erster irgendwas über ihn sagen würde.

"Jetzt sind wir alle schon wieder zwei Wochen hier. Der Unterricht hat wieder angefangen, und die Erstklässler leben sich wohl langsam ein", sprach Professor Dumbledore weiter. Keiner sagte was dazu. Dann bat der Schulleiter das Schulsprecherpaar, ihre Beobachtungen zur allgemeinen Lage zu berichten. Alwine und Simon erzählten, daß sie durch die in den letzten Wochen immer heftigeren Überfälle der Todesser eine zur Wut umschlagende Angst bei den Mitschülern mitbekommen hätten. Snape schien darüber amüsiert zu sein, es aber gerade so noch zu unterdrücken. Dann rückte Simon damit heraus, daß es wegen der neuen Lehrer einigen Unmut gebe.

"Einige von den älteren Schülern sind recht beunruhigt, daß Sie, Professor Dumbledore, einen so jungen Lehrer, der gerade erst mit der Grundausbildung fertig wurde, als Fachkraft und Hauslehrer eingestellt haben." Er sah Snape dabei sehr entschlossen an und widerstand dem leicht drohendem Blick des neuen Lehrers.

"Wie äußert sich dieser Unmut?" Fragte Dumbledore ganz ruhig.

"Einige können sich noch an Professor Snape, wo er nur Severus Snape, der Mitschüler war, erinnern, Sir. Nichts für ungut, Professor Snape, aber einige tragen Ihnen die dummen Streiche nach, die Sie als Schüler gespielt haben. Ich zweifele nicht Ihre Kompetenz an, hier zu unterrichten. Allerdings wäre es vielleicht günstiger gewesen, den Weggang der letzten Schüler abzuwarten, die ihn als Schüler noch erlebt haben."

"Was Sie nicht sagen, Honeydrop", zischte Snape verächtlich. Professor Dumbledore warf einen prüfenden Blick auf die versammelten Vertrauensschüler. Dabei schaute er Bruster merkwürdig genau an, als wolle er ihm durch dessen Augen in den Kopf hineinsehen. Bruster blieb jedoch ruhig, zeigte keine Regung und sagte kein Wort. Aurora hatte eher den Eindruck, als müsse er sich voll auf irgendwas konzentrieren, wahrscheinlich darauf, seine sonst nicht gerade berühmte Selbstbeherrschung zu behalten. Als Dumbledore Aurora ansah, wurde sie das Gefühl nicht los, als wolle Dumbledore von ihr wissen, was sie darüber dachte. Aber dieses Gefühl war so vage, daß sie es sich durchaus auch hätte einbilden können.

"Hat sonst noch jemand irgendwas zu diesem Einwurf zu sagen, der direkt mit den Mitschülern spricht?" Fragte der Schulleiter. Tonya Rattler hob die Hand und bat ums Wort.

"Wir in Slytherin haben mit unserem neuen Hauslehrer kein Problem, Professor Dumbledore. Wahrscheinlich liegt dieser, - Wie nannte Mr. Honeydrop es? - Unmut daran, daß eben diese älteren Mitschüler meinten, sich mit ihm anlegen zu müssen und nun Angst haben, er könne sich nun rächen." Ein leises Raunen ging durch die Turmkammer. Dann meinte Geoffrey Forester, einer der älteren Vertrauensschüler der Ravenclaws:

"Ich gehe stark davon aus, daß Sie, Professor Dumbledore, genau überlegt haben, Mr. Snape zum Lehrer zu ernennen und er weiß, daß er nicht einfach alte Streitigkeiten mit noch hier lernenden Schülern aufwärmen kann, wenn er seine Arbeit so gut es geht machen will."

"Wer wird auch schon was auf dummes Geschwätz von Leuten geben, die meinen, mich jetzt mit Gewalt schlechtreden zu wollen", mußte Snape dazu loslassen. Bruster warf Aurora und Bernhard einen raschen Blick zu. Genau diese Reaktion hatten sie wohl erwartet.

"Sie alle gehen also davon aus, daß ich nicht auf meine alten Tage nachlässig im Umgang mit Lehrern und Schülern geworden bin?" Stellte Dumbledore eine rhetorische Frage, die niemand bei klarem Verstand mit Nein beantworten würde, wenn er oder sie nicht was ganz konkretes zur Begründung vorbringen konnte.

"Wie gesagt, wir halten Snape, Entschuldigung, Professor Snape, für einen kompetenten Fachlehrer", sagte Simon Honeydrop. "Sie baten uns nur darum, unsere Eindrücke aus den Schulhäusern darzulegen."

"Ich hoffe, damit haben wir diesen Punkt geklärt", meinte der Schulleiter, und Aurora hörte sowas wie verhaltenen Unmut aus diesen Worten heraus.

Sie sprachen noch über die Erstklässler, vor allem die Überhänge in Gryffindor, Slytherin und vor allem Hufflepuff, wie sich die Stundenplanung damit arrangiert hatte und hörten sich an, was die Hauslehrer dazu zu sagen hatten. Professor Sprout, die dieses Mal eine bis auf Nelly und Vivian reine Hufflepuff-Klasse in Kräuterkunde und eine reine Slytherin-Klasse in ihrem Fach unterrichtete, berichtete von den raschen Einstiegsfortschritten. Professor McGonagall führte an, daß es ihr dieses Jahr gut zu Pass käme, daß viele Sechstklässler keinen Verwandlungsunterricht bei ihr hätten und sie dadurch keine größeren Schwierigkeiten mit den neuen Klassen hatte. Professor Flitwick bedankte sich bei den Vertrauensschülern aus Hufflepuff, daß sie seine neuen Mitschüler im Unterricht so gut unterstützten und erwähnte die UTZ-Klassen, bei denen er in diesem Jahr sehr viele Schüler in Zauberkunst unterrichtete. Zum Schluß wurde noch darüber gesprochen, wie mit den Zeitungsmeldungen und eventuellen betrüblichen Mitteilungen umzugehen sei. Bruster sprach davon, daß es wohl für alle, die betroffen wären, schwerer sei, in diesem Schuljahr klarzukommen, da sie ja doch irgendwie Angst um ihre Verwandten hätten und zum anderen Schuldgefühle, weil sie hier in Hogwarts so sicher seien. Snape mußte dazu bemerken:

"Meinen Sie, wir sollten die Sicherheitsvorkehrungen von Hogwarts lockern, um diese falschen Schuldgefühle zu entkräften, Wiffle?"

"Professor Snape, ich sagte nur, daß viele sich vorwürfe machen, tatenlos hier zu sein und nichts tun können, um ihre Angehörigen zu schützen oder zu trösten. Das wäre ja Unfug, die guten Sicherheitszauber aufzuheben, falls Sie oder Professor Dumbledore überhaupt wissen, wie das geht, da es ja schon ziemlich alte Zauber sind, die ineinandergreifen."

"Nun, gehen Sie davon aus, daß wir das wissen, Wiffle", schnarrte Snape. Professor McGonagall räusperte sich und fügte hinzu:

"Nun, Schuldgefühle sind bei gewaltsamen oder unnatürlichen Todesfällen ein Bestandteil der betroffenheit. Natürlich will niemand haben, die Schutzzauber und Abwehrflüche zu tilgen, Severus."

"Worauf möchtest du dann hinaus, Bruster?" Fragte Dumbledore.

"Ich möchte darauf hinaus, daß weder Sie noch wir es uns leisten können, hier noch mehr böses Blut zu schüren, Sir. Ich fürchte genau das passiert, wenn einige Mitschüler damit weitermachen, über die herzuziehen, die Angehörige verloren haben. - Ja, ich meine vor allem die Damen und Herren aus Slytherin", sagte Bruster. Tonya und ihre Kollegen aus Slytherin, ja auch Snape starrten ihn ungehalten an. Doch Bruster blieb ruhig und aufrecht sitzen. "Das bringt absolut nichts, wenn die einen meinen, über anderer Leute Verluste dumm ablästern zu müssen, weil sie sich einbilden, ihnen selbst würde sowas ja nicht passieren, auch wenn manche Leute es schon lernen mußten, daß das nicht stimmt." Er sah Tonya sehr genau an. Diese zuckte mit beiden Wimpern und schien mit dem Stuhl zurückweichen zu wollen. Aurora erkannte, daß Bruster diese Gelegenheit ungern ausgelassen hätte, ihr das mal zu sagen, ohne gleich mit ihr in eine wilde Klopperei zu geraten. Tonyas Klassenkamerad sah Bruster drohend an. Doch weil Sowohl Dumbledore als auch McGonagall die Slytherins durch ihre ungewöhnlich geformten Brillengläser im Blick behielten, beließen sie es wohl bei bösen Blicken. Aurora war sich zwar sicher, daß Bruster das außerhalb dieser geheiligten Turmkammer zurückkriegen würde, doch Bruster hatte noch nie eine direkte Auseinandersetzung mit den Slytherins gescheut. Keiner wußte das besser als Professor Severus Snape, der Bruster und Roy schon einmal aus dem Hinterhalt angegriffen hatte, weil Tonya ihn irgendwie dazu beschwatzt hatte. Womöglich bereute er das heute, konnte man ihm das doch immer wieder auf's Brot schmieren.

"Nun, wir können die vorgefaßten Meinungen von Schülern nur ändern, wenn wir mit ihnen darüber diskutieren", sagte Dumbledore und zwinkerte Bruster zu. "Deshalb sitzen wir ja hier zusammen, um Eindrücke, die wir sammeln, klug und sorgfältig an die jeweiligen Mitschüler weitergeben zu können." Das wirkte. Die aufgekommene Feindseligkeit verflog einstweilen. Da es sonst nichts mehr gab, was alle Schulhäuser gleichermaßen betraf oder anging, verabschiedete Dumbledore die Schulsprecher und Vertrauensschüler. Die Hauslehrer sollten noch bei ihm bleiben.

Ruhig ging Bruster die Treppe hinunter, Aurora war wie zufällig bei Bernhard Hawkins, Alwine Silversmith noch zufälliger hinter den beiden. Aurora wollte gerade was zu Bernhard sagen, als sie sah, wie Tonya Rattler ihren Zauberstab unter dem Umhang hervorlugen und auf Bruster deuten ließ. Sie wandte sich um und sah Alwine an und deutete auf Tonya.

"Das würde ich an Ihrer Stelle gar nicht erst versuchen, Ms. Rattler. In den Wänden des Turmes sind Zauberkrafterspürer eingemauert, die dem Direktor sofort melden, wo in seinem Turm welcher Zauber angewandt wird."

Tonya fuhr herum und ließ ihren Zauberstab wieder unter dem Umhang verschwinden. Der älteste Vertrauensschüler aus Slytherin eilte zu ihr hin und zischte ihr was zu. Bruster, der geahnt hatte, daß er wohl angegriffen werden sollte, sah sie an und setzte ein feistes Grinsen auf. Dann erreichte er den Fuß der Wendeltreppe und drückte seine Hand gegen die nahtlos vermauert wirkende Steinwand, die aufschwang und ihn hinausließ.

Draußen trafen sich die Vertrauensschüler noch einmal. Alwine sah ihre Klassenkameraden aus Slytherin an und meinte:

"Da ich den Versuch beobachtet habe, ohne zu wissen, welchen Zauber eure Mitschülerin ausprobieren wollte, kann ich Slytherin nur fünf Punkte wegen unerlaubter Zauberei abziehen. Bringt ihr bitte bei, etwas beherrschter aufzutreten, wenn Sie eurem Haus nicht irgendwann große Schande machen möchte!"

"Klar, Alwine", knurrte Loki Mirkwood verbittert. Als Tonya von ihren Mitschülern aus Slytherin in die Mitte genommen und mit sanftem Nachdruck zum weitergehen angetrieben wurde, meinte Bruster noch zu Aurora:

"Das sie blöd ist, wußten wir ja schon längst. Aber daß sie supersaublöd ist hätte ich jetzt echt nicht gedacht. Wäre aber nicht nötig gewesen, Winchen drauf zu bringen, daß mir Madame Klobig was aufbrennen wollte. Ich war drauf gefaßt. oder denkst du, ich lehne mich soweit aus dem Fenster, ohne mich gut festzuhalten?"

"Woher weißt denn du, daß ich ..."

"Wußte ich nicht, aber danke für die Bestätigung", erwiderte Bruster mit verschmitztem Grinsen. Aurora knurrte vor Wut. Auf so einen billigen Trick hereinzufallen ärgerte sie. Beinahe hätte sie was böses gesagt, schluckte es aber gerade so noch hinunter.

__________

Die nächsten Tage vergingen. Zwar wurden die Schlagzeilen über weitere Angriffe auf Muggelstämmige oder reine Muggel nicht weniger, und das Ministerium Bagnold und die Strafverfolgungsabteilung Crouch hatten Mühe, den Reportern und damit den Lesern des Tagespropheten zu erklären, daß sie alles taten, um der überhand nehmenden metzelei der Todesser zu begegnen, doch wenn es nicht gerade wieder Leute betraf, die mit Schülerinnen und Schülern in Hogwarts bekannt oder verwandt waren, wollte das keiner mehr lesen. Roy meinte einmal sarkastisch:

"Wen interessiert das jetzt noch, wo der böse Unnennbare wieder zugeschlagen hat und wen es erwischt hat. Keiner bringt ihn um, und seine Gangster machen weiter wie bisher. Crouch hat recht, wenn er sagt, auch mit den Unverzeihlichen gegenhalten zu müssen. Die Aborigines in Australien bekämpfen Buschbrände doch auch mit Feuer, und das was da läuft ist ein Buschbrand."

"Das ist ein Hurrikan, Roy. Meine Mum ist mit ihrem Besen mal in so'n Monstersturm reingeraten. Seitdem sieht die jedes Wetter gelassen", setzte Bruster einen drauf.

"Leute, das ist voll fies, wie's draußen zugeht. Täglich sterben Leute, die wir kennen oder die einfach nur in diese Haßkiste von Ihr-Wißt-schon-wem reinpassen", meinte Mortimer. "Ich warte jeden Tag drauf, daß wer aus meiner Familie draufgeht. Das ist ein stinkender Drachenmist, mit dieser Angst zu leben. Vor allem kommen in dieses Käseblatt ja nur Sachen rein, die heftig blutrünstig und vor allem nachweisbar sind. Von vorgetäuschten Unfällen, bei denen jemand stirbt oder Anschlägen aus dem Freundeskreis der Opfer will ja keiner was schreiben, weil das zu fürchterlich ist."

"Aus dem Freundeskreis? Glaubst du, jemand brächte seinen besten Freund um?" Fragte Roy. Bruster und Mortimer tauschten kurze Blicke aus. Dann meinte Bruster:

"Jungchen, auch in der Muggelwelt schleimen sich Leute irgendwo ein, um dann wen umzubringen, wegen Geld oder Macht und so. In der Zaubererwelt geht das sogar noch heftiger, weil es den Imperius-Fluch gibt, der zu den drei Unverzeihlichen gehört. Glaucos wird die uns bestimmt bald vorführen, wenn er wenigstens das Geld wert ist, das er hier bekommt."

"Was heißt denn er wenigstens?" Fragte Geoffrey Forester mißtrauisch. Roy grinste.

"Das dein Kollege damit sagen will, daß Professor Schniefelus Snake hier alles ist, nur nicht sein Geld wert", meinte Roy. Dann meinte er etwas weniger gehässig:

"Mist, das mit dem Imperium-Fluch habe ich verdrängt. Erica hat mir von dem erzählt. Der haut rein wie diese Hypnostrahlen von Außerirdischen oder hypnotische Telepathie. Wirkt wohl auch so ähnlich."

"Bruster, sagst du bitte deinem Klassenkameraden, daß unser Zaubertranklehrer Snape heißt und nicht Snake! Schniefelus war der Spitzname, mit dem Chaoten wie Potter und Black ihn belegt haben. Du machst dich nicht beliebt bei ihm, wenn du ihn auch in Abwesenheit so nennst, Roy", sagte Geoffrey.

"Ich glaube, ich war's im letzten Jahr, der dir gesagt hat, daß ein Grashalm mehr Rückgrat hat als du, Geoffrey. Das denke ich immer noch", sagte Bruster und fügte hinzu: "Und diesmal kannst du wegen mir Ravenclaw keine zwanzig Punkte abziehen."

"Ui, bist du nachtragend", feixte Roy und lachte dann. Bruster meinte dazu:

"Ich bin nicht nachtragend. Ich merke mir nur alles wichtige gut."

"Neh, is' klar", lachte Roy. Auch Mortimer mußte darüber lachen. Bruster war doch noch derselbe wie vor dem V-Abzeichen. Falls Dumbledore vorgehabt hatte, ihn umzupolen, war das ihm kurz vor dem Klo in die Hose gegangen.

"Snape ist es wohl wert, sich über ihn aufzuregen", meinte Aurora Dawn. Offenbar fanden das ihre Klassenkameraden nicht und wechselten das Thema.

"Haben sich schon neue für Quidditch gemeldet?" Fragte Mortimer. So sprachen sie über die möglichen neuen Spieler in der Hausmannschaft.

__________

Der September ging, und der Oktober grüßte mit kalten, nebeligen Morgen. Die Massakermeldungen im Tagespropheten, die sich mit Berichten von Überlebenden und Drohbriefen des dunklen Lords abwechselten gingen langsam zurück. Es schien, als sei Voldemort doch auf heftigeren Widerstand gestoßen als er ursprünglich erwartet hatte. Irgendwie mußte Dumbledore damit zu tun haben, weil er bei den alle zwei Wochen stattfindenden Vertrauensschülerzusammenkünften immer kurz angebunden war, als habe er es eilig, irgendwo hinzukommen oder warte auf eine wichtige Nachricht. Die Stimmung in Hogwarts wurde auch nicht besser. Denn die betroffenen Schülerinnen und Schüler begannen, ihre Mehrzahl den Slytherins gegenüber als neue Stärke zu empfinden. So kam es alle paar Tage vor, daß entweder Slytherin-Schüler oder Gryffindors und Hufflepuffs wegen mehrfacher Fluchschäden im Krankenflügel landeten. Auf Anfrage Brusters und Bernhards, ob denn der Duellierclub weitergeführt würde, hatte Glaucos kategorisch abgelehnt.

"Damit ihr euch noch besser drangsalieren könnt? Der Duellierclub findet einstweilen nicht statt."

Dafür wurde der Zauberkunstclub fortgeführt, wo die ältesten Vertrauensschüler sich jede Woche abwechselten, um den Schülerinnen und Schülern ab der dritten Klasse praktische Zaubereien zu zeigen.

"Wann fangen wir mit dem Training an?" Fragte Aurora Alessandro Boulder, den Kapitän der Ravenclaw-Quidditchmannschaft. Dieser sagte:

"Die Slytherins, Gryffindors und Hufflepuffs haben für die nächsten drei Wochen das Feld gebucht. Snape hat mir den Zettel unter die Nase gehalten, daß seine Mannschaft besonders hart trainieren soll. Klar, der war ja noch da, wie Potter mit seinen Jungs und Mädels die grünen Rotzklumpen niedergemacht hat. Ich fürchte, vor dem Wochenende vor Halloween kriegen wir das Feld nicht für uns."

"Alessandro, wir brauchen genauso viel training wie die anderen", versetzte Aurora. "Wir müssen neue Leute für die freigewordenen Positionen finden. Bruster hat gemeint, er könne das ausprobieren."

"Oh, ist er von seinem Fußballkoller geheilt, seitdem er Vertrauensschüler ist. Habe ich nicht mitgekriegt."

"Nein, ist er nicht. Er will nur nicht, daß wir ohne gescheite Leute dastehen."

"Dann kuck ich mir den mal an. Und wehe, der steig falsch rum auf den Besen!" Erwiderte Alessandro Boulder. Er war jetzt wie Ken Dasher in der siebten Klasse und würde das letzte Jahr Kapitän der Ravenclaws sein. Noch mal den Pokal zu kriegen, den die Ravenclaws im letzten Schuljahr nach einem halsbrecherischen Endspiel gewonnen hatten, wäre ihm wohl genauso wichtig wie gute UTZs. Also rannte Aurora weit offene Türen ein.

"Weißt du schon was über Hogsmeade? Die haben noch keinen Aushang gemacht", sprach Alessandro über etwas anderes. Aurora schüttelte den Kopf.

"Die sagen uns dazu auch nichts. Vielleicht will Dumbledore wissen, ob es sicher genug ist, da Schüler hinzuschicken. Miriam sagte was, daß die irgendwelche französischen Experten für Abwehrzauber herholen wollten. Aber Ministerin Bagnold hat das wohl verboten. Keiner weiß warum."

"Experten aus Frankreich? Oh, dann kann ich mir denken, was los ist. Die haben da ein zaubererdorf, daß unter einer ziemlich starken Glocke aus Bann- und Schutzzaubern liegt, wo sogar dunkle Magier und die meisten düsteren Kreaturen nicht durchdringen können. Allerdings wurde diese magische Glocke auch mit heftigen Flüchen und anderen dunklen Zaubern hochgezogen. Kann sein, daß Bagnold und Crouch das abgelehnt haben. Da soll 'ne ziemlich finstere Hexenlady Menschen für geopfert haben, um Leute wie sich aus ihrem Dorf rauszuhalten. Binns soll das mal erwähnt haben, in 'nem Nebensatz. Aber vielleicht habe ich das auch nur geträumt", sagte Alessandro Boulder.

"Jedenfalls haben die wegen Hogsmeade noch nichts neues rausgelassen", sagte Aurora.

Snape wurde immer unausstehlicher. Besonders Dina, Roy und Bruster schikanierte er. Aber auch Aurora, die in den letzten vier Jahren immer zu den besten des Jahrgangs gehört hatte, bekam Kostproben von Snapes Abneigung ab. Einmal konnte sie nicht rechtzeitig eingreifen, als sie, durch ein Geräusch hinter sich abgelenkt, nicht auf ihren Kessel achtete und der Trank von ihr fast in Flammen aufgegangen wäre. Snape hatte Ravenclaw deswegen eiskalt lächelnd Punkte abgezogen und Mit Strafarbeiten oder Entzug gewisser Privilegien gedroht, wenn sie sich nicht zusammenriss. Aurora hatte sich zwar erst heftig geärgert, daß sie ausgerechnet diesen Trank verhunzt hatte. Als sie aber später von Dorian Dirkson erfuhr, daß Snape zwei grüne Pfefferkörner in ihren Trank hatte fallen lassen, als sie sich kurz umgeblickt hatte, schlug ihre Wut in grimmige Verachtung um. Snape hatte es also nötig, ihre Arbeit zu vermurksen, weil sie ihm zu gut war. Gut zu wissen. Sie würde beim nächsten Trank nicht nur besser hinsehen, was sie braute, sondern vor allem Mittel dabei haben, um mögliche Verfälschungen zu korrigieren. Das riet sie auch Dina, Roy und Bruster, die nickten.

"Dümmer geht also auch bei Ex-Slytherins wie Snape", knurrte Roy. "Hat der sich eingebildet, keiner hätt's gesehen?"

"Er dachte wohl er, daß keiner das weitererzählt", knurrte Aurora.

"Willst du zu Dumbledore und dich über die Sabotage beschweren?" Fragte Bruster.

"Damit Aussage gegen Aussage steht und Dorian von dem noch heftiger abgebürstet wird als sowieso schon? Neh, ich schlage den mit seinen Waffen, Können und Gerissenheit. Der hat zwar wohl Supernoten in seinen Fachprüfungen gekriegt. Aber er kann nicht überall gleichzeitig sein."

"heute trainieren die Gryffindors", sagte Roy. "Willst du dir das ansehen?"

"Die haben Wachen aufgestellt, um Spione fernzuhalten. Die wollen den Pokal wieder haben. Die sehen das als Ausrutscher, daß die uns den überlassen mußten. Du hast doch Eunice gehört, wie sie meinte, Flitwick könne ja drin baden, aber nicht drüber wegkucken."

"Ausgerechnet Eunice hat das gesagt?" Wunderte sich Roy. "Scheint doch was dran zu sein, daß Macht zu bösen Sachen verführt."

"Du meinst, weil außer den Schulsprechern und Lehrern keiner Punkte dafür abziehen darf? Kann sein. Aber als machttrunken habe ich Eunice nicht kennengelernt", sagte Aurora. Dann überlegte sie, ob sie nicht zumindest in die Nähe des Feldes gehen sollte, um Bernhard nach dem Training kurz zu sprechen. Seit sie beide Vertrauensschüler waren hatten sie sich nicht ein einziges Mal länger als eine Minute alleine getroffen. Das mußte besser werden. Aber da Bernhard mit Eunice und dem zweitjüngsten Vertrauensschülerparr die Neuen betreute, die immer wieder was von ihm wollten, konnte er nicht. Aurora war froh, daß Vivian und Nelly sich mit den anderen Ravenclaws gut beschäftigen konnten. Petula hatte Auroras Bitte erfüllt und sich mit Nelly immer wieder getroffen, wenn diese vom Heimweh geplagt wurde. Und Vivian verstand sich gut mit Bruster, Roy und Tim Abrahams aus Alessandros Klasse, weil Vivians Vater auch bei der britischen Kriegsmarine war, als Lieutenant auf einem Zerstörer, während ihre Mutter die sieben Jahre jüngere Schwester Christine versorgte und nebenher in einem Schnellimbis arbeitete, wo sie Bratfisch und Pommes Frites verkaufte. So hatte Aurora sehr viel mehr Freiraum als andere Vertrauensschüler. Ihr gefiel es, daß Tonya Rattler immer wieder von jungen Slytherins umzingelt war, wenn sie nach dem Unterricht durch das Schloß ging. Zwar versuchte sie zwischendurch immer wieder, Aurora dumm anzuquatschen, um ihren Frust loszuwerden, doch diese ging nicht darauf ein.

So stand Aurora nun vor dem Quidditchfeld. Zehn bullige Gryffindors mit einsatzbereiten Zauberstäben standen Wache, gerade weit genug voneinander fort, um unerwünschte Zuschauer sicher mit Flüchen von zwei Seiten treffen zu können. Sie fragte zwar einmal, ob sie nicht hinkönne, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Doch der Wachposten schüttelte den Kopf.

"Nix gibt's, Aurora. Is' egal, ob du Vertrauensschülerin bist oder nicht. Die Slytherins und ihr habt uns in den letzten Jahren zu oft geärgert. Den Pott kriegen wir dieses Jahr wieder."

"Mann, seid ihr eingeschnappt", nölte Aurora und sah nach oben. Doch außer roten Flecken unter dem Himmel war nichts zu erkennen.

"Den Trick kenne ich, Mädchen. Gleich sagst du was, von wegen, Kuck mal da oben und so und läufst dann einfach durch", grummelte der Wachposten, ein Siebtklässler, der dafür berüchtigt war, noch aufbrausender zu reagieren als Roy und Miriam zusammen.

"Ich wollte nur sehen, ob ich auch von hier aus wen erkennen kann. Geht aber nicht", sagte Aurora. Dann erstarrte sie. Von der Seite gegenüber des Feldes stürmten an die fünfzig unförmig wirkende Gestalten im Laufschritt zum Feld und schleuderten vielfarbige Zauber gegen die Wachen.

"Eh, drüben am anderen Rand des Feldes gibt's Ärger!" Rief Aurora Dawn. Der Wächter, der sie aufgehalten hatte lachte. Doch als sein Kamerad angelaufen kam und ihn ruppig in die Richtung herumwirbelte, wo der Tumult losgebrochen war, erstarrte der Gryffindor. Dann stürzte er zusammen mit den anderen dort hin, wo die fünfzig Störenfriede den Platz stürmten. Aurora wandte sich schnell um, um zu sehen, ob aus der anderen Richtung auch welche kamen. Doch offenbar wollten die Angreifer, ziemlich sicher Slytherins, vom Schloß her nicht gesehen werden, bevor sie nicht auf dem Feld waren.

"Diese Schweinehunde!" Fluchte Aurora Dawn. Sie blickte nach oben und sah, wie die insgesamt neun Spieler, die trainierten, nach unten sanken, mitten hinein in ein Gewitter aus Flüchen und anderen Zaubern.

"ich muß Hilfe holen", dachte Aurora, als gerade zwei muskelüberladene Slytherins übers Feld gejachert kamen, direkt auf sie zu. Sie erkannte, daß sie nicht schnell genug fortlaufen konnte, um einem Angriff zu entrinnen. Also mußte sie versuchen, den ihr geltenden Flüchen auszuweichen. Sie riss ihren Zauberstab hervor und rief:

"Protego!" Um sie herum baute sich innerhalb eines Sekundenbruchteils ein unsichtbarer Schild auf, keine sekunde zu früh. Laut fauchend fegte ein strahlendblauer Blitz heran und zerbarst mit lautem Knall auf der magischen Barriere. Aurora fühlte, daß sie den Schild wohl nicht lange würde halten können.

"Bist du blöd, das ist die Dawn. Die ist Vertrauensschülerin!" Schrie der eine dem anderen zu, der gerade seinen Fluch auf Aurora geschleudert hatte.

"Besser kann's nicht werden!" Rief der andere und zielte wieder auf Aurora.

"Stupor!" Rief Aurora. Aus ihrem Zauberstab schlug ein roter Blitz und fand sein Ziel. Schlapp wie ein Handtuch fiel der Angreifer zusammen. Der zweite, wohl mit mehr Skrupeln als Spaß am Quälen beladen, wirbelte herum und jagte übers Feld davon. Dabei erwischte ihn von rechts ein regenbogenfarbiger Strahl und hüllte ihn in eine Wolke irritierender Lichtentladungen. Der Flüchtende kam von der Bahn ab, stolperte und fiel um. Dann traf ihn ein weißgelber Blitz, der auf seinem Körper aufschlug und zu einer dichten weißen Wolke wurde, die immer dichter und runder wurde, bis sie den am Boden liegenden wie eine ziemlich große Eierschale umschloß. Aurora nickte. Das war der Incapsovulus-Fluch. Ihre Oma Regan hatte ihr erklärt, was er tat und daß er von Hexen fünfmal schneller und stärker gewirkt werden konnte als von zauberern. Sie meinte, das käme durch die weiblichen Ausprägungen in der Magie zu Stande. Aurora blickte sich um. Wo war die Hexe, die das getan haben mußte. Sie entdeckte hinter einem der goldenen Feiler, die zwanzig Meter in die Höhe ragten und je einen der drei Torringe auf einer Seite trugen einen schwarzen Haarschopf unter dem Schülerhut. Dann hörte sie, wie fallende Leute vor Angst schrien. Sie sah hoch und entdeckte Bernhard und Gideon Heatherbloom, die ohne Besen in die Tiefe fielen. Sie stürzte los, den Zauberstab hochhaltend.

"Cadelento!" Rief sie. Doch ihr Zauberspruch wirkte nicht. Sie war zu weit weg. Sie rannte weiter. "Cadelento! - Cadelento!!!" Rief sie. Endlich griff ihr Zauber. Doch es war für Bernhard zu spät. Er krachte auf den Boden, Arme und Beine weit von sich gestreckt und in einer ungesunden Verdrehung. Sie lief los, um zu helfen. Gideon Heatherbloom schwebte derweil in einer silber schimmernden Wolke sicher zu Boden. Kaum war er sicher gelandet, zerfloss die Wolke zu glitzernden Funken, die nach allen Seiten davonschwebten und weit voneinander entfernt erloschen.

"Bernhard!" Rief Aurora. Ihr Herz hatte einen Schlag übersprungen und hämmerte nun wild bis hinauf zu ihren Ohren. In ihrem Magen machte sich gähnende Leere breit, und ihre Beine wurden weich wie Gummi. Sie begann zu zittern. Dann, in einer letzten Anstrengung ihres klaren Verstandes, riss sie den Zauberstab senkrecht hoch und vollführte eine Drehung links und rechts herum über ihrem Kopf, wobei sie "Advoco Medicum!" Rief.

Sie hoffte, daß ein Heiler, wahrscheinlich Madame Pomfrey, rasch herbeikommen würde. Leider konnte hier niemand apparieren, wußte sie. Denn sonst wäre innerhalb einer halben Minute Hilfe vor Ort.

"Du hast ihn gerade so noch erwischt, Aurora!" Keuchte Eunice Armstrong, die außer Atem angeprescht kam und sich den Absturzort besah. "Vielleicht hat ihm das das Leben gerettet."

"Er regt sich nicht mehr. Er ist tot!" Rief Aurora mit tränenblinden Augen. Von ganz nahe hörte sie gehässiges Lachen.

"Dann hat er's hinter sich, Dawn!" Rief einer der hinterhältigen Angreifer.

"Genau wie du, Spike!" Fauchte Eunice und ließ ihren Zauberstab mit lautem Knall niedersausen. Aurora sah die lodernde Wut in den Augen des Mädchens mit dem seidigglatten, nachtschwarzen Haar, das sogar noch eine Spur dunkler als das von Aurrora war und fließend Schultern und Oberkörper umspielte. Eunice war schön, mußte sie etwas neidvoll erkennen. Aber im Moment war sie auch wütend.

"Eh, Drachenscheiße, wo ist Spike?!" Rief ein anderer Übeltäter.

"Pass auf, daß du nicht drauftrittst, Aspergillus!" schnaubte Eunice. Aurora fragte sich derweil, ob sie ein Zauberwort gehört hatte. Doch Eunice Armstrong hatte völlig ohne lautes Wort gezaubert. Sie wußte, daß viele einfache Zauber bei guter Übung durch reines Denken an die Worte aufgerufen werden konnten und sah es an Erwachsenen immer wieder, daß es auch klappte, kompliziertere Zauber ohne Ausruf zu wirken.

"Sabberhexenschleim! Was hat die Mit Spike gemacht? Crucio!" Krakehlte der am nächsten stehende Angreifer und richtete den Zauberstab gegen Eunice. Diese warf sich blitzartig zur Seite. Aurora hörte einen gellenden Schrei aus zehn Schritt entfernung hinter sich. Sie sah, wie der gerade wohl einen bösen Zauber gegen Eunice machende Schüler erschrocken den Stab fallen ließ und mit entsetzennsstarrem Gesicht auf die Hexe in der weißen Schwesterntracht starrte, die unter heftigen Zuckungen, als habe sie gerade einen unerträglichen Schmerz überstanden, auf den Absturzort zuwankte.

"Das war ein Wort zu viel!" Schrie sie, riss den Zauberstab hoch und belegte den Missetäter mit demselben weißen Nebel, den Eunice schon gezaubert hatte. Innerhalb von drei Sekunden härtete die magische Wolke zu einer stahlharten Schale wie von einem riesigen Ei aus. Aurora hörte, wie der darin eingesperrte Junge wehklagte, sie solle ihn wieder freilassen.

"Wer war war noch beteiligt?" Fragte Madame Pomfrey. Doch die übrige Bagage hatte sich in Windeseile verdünnisiert. Auf dem Boden lagen die zwei schneeweißen Rieseneier, eher Einkerkerungskapseln, die abgestürzten Bernhard und ideon und etwas winziges, das mit piepsiger Stimme Laute gab, die wie weit entfernte Hilferufe klangen.

"Warst du das, Mädchen?" Fragte Madame Pomfrey Aurora. Diese schüttelte den Kopf. Eunice nickte wild.

"Das war Notwehr und Nothilfe, Madame Pomfrey. 'ne Bande von Slytherin-Raufbolden hat das Training unserer Mannschaft gestört und die Spiler angegriffen. Aber wo kommen Sie jetzt her?"

"Man hat mich gerufen. Wer war das?" Erwiderte Madame Pomfrey. Aurora nickte ihr zu.

"Gut gemacht, Aurora. Oha, ich sehe schon. Bernhard hat's böse erwischt. Vivideo!"

Aurora sah, wie aus Madame Pomfreys Zauberstab ein grünes Leuchten Drang, jedoch nicht als Lichtstrahl, sondern nur als Lichtpunkt. Doch als die Stabspitze auf Bernhard zeigte, flackerte und waberte ein phosphoreszenzgrüner Nebeldunst, der dichter und wieder dünner wurde.

"Hart an der Grenze!" Sagte Madame Pomfrey Rasch. "Nox!" Das grüne Wabern und Flackern erlosch. Dann sprach Madame Pomfrey einige Zauberformeln, die Aurora mit weit offenen Ohren aufsog und genau beobachtete, was geschah. Bernhards Körper wurde von einer durchsichtigen Schicht aus einer Art Kristall umhüllt. Dann wirkte er wie in Glas gegossen und rührte sich nicht.

"Der absolute letzte Notfallzauber, wenn jemand zu nahe am Exitus ist, Aurora", sagte die Schulkrankenschwester. "Den kriege ich alleine nicht geheilt. Der muß ins St.-Mungos."

"Was ist das für'n Zauber?" Fragte Aurora zwischen Bangen und Bewunderung.

"Der Conservacorpus-Zauber, Aurora. Er ist ähnlich dem Conservatempus-Zauber, von dem du bestimmt schon gehört hast. Allerdings kann Conservatempus keine lebenden Wesen betreffen. Conservacorpus kann alle Prozesse in einem Lebewesen auf ein zehntausendstel herabsetzen und den Körper in einem Kristallmantel einhüllen, um die Haut für Keime und Umwelteinflüsse unerreichbar zu machen. Im St.-Mungos werden sie die Bezauberung aufheben und die verletzten Knochen und Organe wieder heilen. Das dauert aber. Wahrscheinlich werden sie ihn vor zwei Wochen nicht entlassen können. Drecksbande, und feige wie Küchenschaben, wenn das Licht angeht. Apropos, Ms. Armstrong, den centiminisierten Unhold rückvergrößerst du besser, bevor Professor Dumbledore dir dafür noch Strafarbeit oder gar den Schulverweis erteilt!"

"Wenn es sein muß", knurrte Eunice. Dann winkte sie dem winzigen Etwas zu, das wie ein hilfloses Insekt am Boden herumzappelte und wohl keinen Schritt voranzukommen vermochte. Wieder ohne Zauberworte wuchs das winzige Etwas zu einem grobschlächtigen Burschen von sechzehn Jahren an, der in einer Mischung aus Angst und brennendem Hass auf Eunice starrte, bevor die Schulkrankenschwester ihn auch in die stahlharte Eierschalenkapsel einsperrte, ehe der Betroffene einen Gegenzauber versuchen konnte.

"Was ist mit den Anderen los?" Fragte Aurora und suchte das Feld ab. Viele der angegriffenen Spiler hatten eine Notlandung geschafft, waren aber durch unterschiedliche Flüche so sehr verunstaltet, daß sie kaum von der Stelle kamen. Einer hatte sogar einen Ziegenbockschädel und Hufe statt Hände und gab meckernde Laute von sich.

"Eine verhungerte Verwandlung, schätze ich. Die kann ich umkehren. Die Anderen müssen zu mir in den Krankenflügel. Aurora, Eunice, ihr geht ins Schloß und holt Professor McGonagall und Professor Dumbledore, wenn er da ist."

"Ich übernehme den Direktor", erbot sich Aurora. Eunice nickte und lief zum Schloß. Aurora schnappte sich einen noch flugfähigen Besen und schwirrte damit zur Spitze des Turmes, wo der Direktor seine Wohnräume hatte. Die Fenster waren unzerbrechlich und von außen undurchsichtig, wußte sie. Doch das war der schnellste Weg, um Dumbledore zu erreichen. Sie klopfte mit allen Fingerknöcheln der rechten Hand ans Fenster und rief:

"Professor Dumbledore, Sir! Auf dem Quidditchfeld ist was schlimmes passiert. Leute aus Slytherin haben die Quidditchspieler von Gryffindor überfallen und zusammengeflucht. Bernhard Hawkins ist fast gestorben.

"Das Fenster wurde mit drei lauten Klicklauten entriegelt, und das bärtige Gesicht Dumbledores erschien im Rahmen.

"Wirklich", sagte der Schulleiter. "Deshalb kommst du mit dem Besen vor mein Fenster? Dann ist das ein echter Notfall, wenn du derartig massiv gegen die Schulordnung verstößt. Flieg näher ran, ich setz zu dir über!"

Aurora gehorchte. Daß sie die Schulregeln verletzte, weil sie es wagte, den Direktor von außen, am Fenster zu stören, war ihr im Traum nicht eingefallen. Doch es stimmte. Niemand durfte sich dem Privatgemach des Schulleiters von einer anderen Stelle als von der Tür her nähern. Ansonsten drohten dem Haus des Missetäters 100 Punkte Abzug, eine Strafarbeit mit anschließendem Schulverweis. Die Ungestörtheit der Schulleiter war in Hogwarts heilig.

Dumbledore schwang sich gelenkiger als für einen Mann seines Alters zu erwarten war auf den Besen, schob Aurora etwas nach vorne und übernahm den Flug. Aurora ließ ihn steuern. Doch der alte Besen ruckelte und schüttelte sich, als sei ihm diese Last zu viel und er wolle sie abwerfen. Doch Dumbledore gelang es, den Schulbesen unfallfrei zum Quidditchfeld zu lenken und mit leichtem Holpern zu landen.

"Entschuldigung, Professor Dumbledore. Ich war nicht schnell genug. Sonst hätte ich das Mädchen daran gehindert, mit dem Besen ..."

"War schon in Ordnung, Poppy. Für dieses Mal war das die schnellste und damit einzig richtige Handlung. Ich hoffe nur, es war gerechtfertigt und ..." Sagte Dumbledore. Dann sah er das Unglück. Mit einem Zauber, den Aurora auch noch nicht kannte, ließ er eine Unzahl von Fußabdrücken in bläulichem Licht erstrahlen.

"Wieviele waren es?" Fragte Dumbledore mit unheimlicher Betonung.

"Irgendwie um die fünfzig, Sir", sagte Aurora.

"Bernhard Hawkins ist schwer gestürzt, Professor Dumbledore. Ich mußte seinen Körper erstarren lassen, damit er transportiert werden kann. Ich alleine kann ihn nicht behandeln. Da müssen Experten für Besenunglücke und innere Organe ran. Seine Lebensaura hat schon sehr bedrohlich geflackert, Sir", berichtete Madame Pomfrey mit besorgter Stimme. Dann deutete sie auf die übrigen Opfer des Überfalls. Dumbledore besah sich aber eher die drei kalkweißen Kapseln. In zweien von diesen polterte und Krakehlte es.

"Mist, Heh! Rauslassen! Scheiß Hexenzauber!"

"Aha, drei haben wir. Damit haben wir den Schwanz der Ratte. Ziehen wir dran, um die ganze Ratte zu kriegen", lachte Dumbledore. Schlagartig verstummte das Gepolter und Krakehlen in den Zauberkapseln.

"Die können doch ersticken", wandte sich Aurora an Madame Pomfrey.

"Nein, tun die nicht. Die Schalen lassen genug Frischluft eindringen, wie bei gewöhnlichen Vogeleiern auch. Sie können sich halt nur nicht herauszaubern oder anderswie befreien", sagte die Heilerin von Hogwarts und begutachtete die von Flüchen verunstalteten Schüler. Den, der zur Hälfte ein Ziegenbock geworden war, konnte sie erlösen, indem sie jenen Reverso-Mutatus-Zauber benutzte, den Priscilla Woodlane einmal vorgeführt hatte, als Dina anstatt einer harmlosen Maus ein wütendes Wasserschwein gezaubert hatte.

Eunice kehrte mit Professor McGonagall zurück. Inzwischen war der Slytherin erwacht, der von Eunice in die magische Schale eingekerkert worden war. Er klopfte gegen die stahlharte Umhüllung, konnte sich aber nicht befreien. Als er Dumbledores und Professor McGonagalls Stimmen hörte, wurde er schlagartig still.

"So eine unverfrorene, widerliche und feige Untat!" Schimpfte die Hauslehrerin der Gryffindors. Dann trat sie mit dem rechten Fuß gegen die erste Schale und bellte: "Name!"

"Costello", kam es wie aus dem Inneren eines Kessels zurück. So verfuhr Professor McGonagall weiter, während Dumbledore half, die von den Flüchen betroffenen Schüler auf Tragen zu zaubern und transportfertig zu machen.

"Minerva, warten Sie hier, während Poppy und ich die Geschädigten in den Krankenflügel bringen und den Abtransport von Bernhard Hawkins veranlassen.

"Seine Schwester ist bei den übrigen Opfern", sagte Aurora überflüssigerweise. Sicher wußten die Lehrer das, wer in den einzelnen Quidditchmannschaften mitspielte. Gideon Heatherbloom war der einzige, der unverletzt war, wenngleich er ziemlich benebelt wirkte, was wohl mit dem Zauber zu tun hatte, den Eunice gegen ihn gewirkt hatte. Jedenfalls mußte er mühsam aus einer Art Betäubung aufgeweckt werden. Aurora fragte Eunice, was in aller Welt sie da gemacht hatte.

"Ziemlich krasser Zauber, ist schon wahr", flüsterte Eunice. "Die Wolkenwiege, ein Hexenzauber aus Amerika, den eine Maya Unittamo erfunden hat, weil der übliche Fallbremser nicht immer voll wirkt. Der damit belegte wird in einer Wolke aus halbgasförmiger Zauberkraft eingebettet und wie eine Feder nach unten getragen, unangreifbar für die Elemente, bis er sicher auf dem Boden liegt. Dann löst sie sich wieder auf. Allerdings wirkt der Zauber wie zwanzig Gläser Kirschwein auf einmal. Warum das so ist konnte Madame Unittamo noch nicht rausfinden. Jedenfalls hat es funktioniert."

"Oh, da werde ich meine Kollegin Unittamo mal anschreiben, daß ihr Zauber tatsächlich was taugt", sagte Professor McGonagall. Dann meinte sie noch:

"Sie haben sich also endgültig von Wendels Lehren verabschiedet, Ms. Armstrong? Ich wollte Sie das eigentlich erst vor den ZAGs fragen. "

"Ich komme mit den Unittamo-Techniken besser klar, Professor MCGonagall", sagte Eunice leicht verlegen.

"Sie müssen mich nicht so verlegen ansehen, als wäre ich mit Wendels Techniken verheiratet. Allerdings lehre ich diese, weil sie für Anfänger besser zu verinnerlichen sind und eine höhere Fehlertoleranz besitzen, im Gegensatz zu den sehr punktbezogenen Techniken von Professor Unittamo", erwiderte Professor McGonagall gutmütig. "Ich liege da immer im Disput mit Fachkollegen aus anderen Zauberakademien. Aber das tut nichts zur Sache."

"Stimmt, Madame Faucon in Beauxbatons wendet diese Unittamo-Techniken ja auch an", erinnerte sich Aurora, was ihr Vater ihr erzählt hatte.

"Das ist korrekt. Suum cuique", erwiederte Professor McGonagall.

"Sum was?" Fragte Aurora.

"Jedem Tierchen sein Pläsierchen", erwiderte Eunice.

"Nicht ganz wortgetreu aber sinngemäß richtig", bestätigte die Hauslehrerin der Gryffindors, deren unbändige Wut im Moment wohl verraucht war. Sie würde noch die Gelegenheit kriegen, sich noch einmal heftig zu erregen, dachte Aurora.

Als Dumbledore mit der Schulkrankenschwester zurückkehrte sagte er zu den beiden Mädchen:

"Ihr beide kommt schon mal mit. Minerva, ich kontaktfeuere Ministerin Bagnold und Mr. Crouch, daß sie den Missetäter sofort abholen können, der den Cruciatus-Fluch ausgesprochen hat. Noch leite ich diese Schule, und solange das so ist wird hier kein Schüler gegen wen auch immer irgendeinen der unverzeihlichen Flüche auch nur versuchen und damit ungestraft durchkommen." Dumbledore machte Aurora etwas Angst. Sie hatte ihn immer sehr ruhig, gelassen, ja manchmal etwas kauzig aber auch sehr bedacht und geduldig erlebt. Doch jetzt wirkte er auf sie wie ein kurz vor dem Zerbersten stehender Dampfkessel, ein Vulkan vor dem Ausbruch, in dem es rumorte und polterte, bevor er seinen feurigen Inhalt herausschleuderte.

Gehorsam folgten die beiden Vertrauensschülerinnen dem obersten Zauberer von Hogwarts in dessen Büro, wo Dumbledore mit Flohpulver hantierte und erst Professor Snape durchs Feuer rief, er solle zu ihm kommen. Dann steckte er den Kopf in die grünen Flammen und rief ein Ziel aus. Eunice und Aurora kannten das Spiel, daß der Kopf in den Flammen einfach in einem Wirbel verschwand und der Körper zurückblieb. Sie hörten Dumbledore wie am andren Ende eines langen Tunnels mit jemanden reden. Dann wirbelte Dumbledores Kopf zurück auf seinen Körper. Der Schulleiter schüttelte noch eine Prise Flohpulver ins Feuer, steckte den Kopf wieder in die Flammen und rief ein weiteres Ziel aus. Wieder hörte man ihn wie aus weiter Ferne mit jemandem sprechen, diesmal einem Mann. Irgendwann wurde er richtig laut und ungehalten.

"Nein, Bartemius, nein! Solange ich hier Schulleiter bin, wird keines dieser Geschöpfe das Gelände von Hogwarts betreten. Auf gar keinen Fall. Schicken Sie Moody und vier andere vom Aurorentrupp her, aber auf gar keinen Fall auch nur einen Dementor! Haben Sie mich verstanden?"

Offenbar hatteBartemius, wohl Mr. Crouch, verstanden, daß Dumbledore keine Dementoren in Hogwarts haben wollte, was vollkommen verständlich war. Aurora erinnerte sich noch zu gut an den Drachenturm in Hogsmeade und den Versuch des bösen Zauberers Voldemort, mit ihm treuen Dementoren die Leute in den Drei Besen zu überrumpeln. Die Finsternis und Kälte, die diese Wesen umgab, würde sie genauso wenig vergessen, wie das immer schrecklicher werdende Gefühl grenzenloser Verzweiflung.

Snape betrat das Büro, als Dumbledore seinen Kopf wieder aus den Flammen gezogen und den Türverschlußzauber aufgehoben hatte. Der hakennasige, gerade erst in seinen Zwanzigern befindliche Lehrer sah Aurora und Eunice an. Aurora meinte, glühende Verachtung in den Augen des Lehrers zu sehen. Doch als Dumbledore ihn ansah, machte Snape eine ungewohnt unterwürfige Miene und setzte sich auf den Wink des Direktors hin.

"Severus, ich habe Ihnen einen großen Spielraum für die Führung von Slytherin eingeräumt, weil ich Ihnen vertraue. Ich will Ihnen auch nicht unterstellen, diesen Feigen Überfall auf die Gryffindor-Mannschaft befohlen oder gar duldend in Kauf genommen zu haben. Jedoch muß ich Ihnen ernsthaft gestehen, daß ich sehr erbost bin. Wer auch immer das war, der direkt oder mittelbar an dieser unverzeihlichen Aktion beteiligt war, wird diese Schule unverzüglich zu verlassen haben, damit wir uns ganz klar verstehen." Dumbledore wirkte jetzt wieder wie ein kurz vor dem Zerplatzen stehender Kessel, eine aufgestaute Kraft immer mühsamer zurückhaltend. Severus Snape wirkte jezt eher wie ein Erstklässler, der bei einem unfeinen Streich erwischt wurde als ein überlegen auftretender, unfairer Lehrer. Das machte ihn Aurora für einen winzigen Augenblick sympathisch.

"Herr Direktor. Ich versichere Ihnen, daß ich auf keinen Fall irgendwas befohlen oder anderweitig angeregt habe, um die Gryffindor-Mannschaft beim Training zu überfallen. Was ist eigentlich passiert?"

Dumbledore erzählte Snape in kurzen, knappen Sätzen die ihm bekannten Einzelheiten. Aurora und Eunice sollten dann als Augenzeuginnen ergänzen, was Dumbledore nicht genauer ausführen konnte. Snape sah Eunice immer wider verächtlich an, kuschte aber sofort, wenn die blaßblauen Augen Dumbledores auf ihn gerichtet waren.

"Severus, gehen Sie nach Slytherin, holen Sie sämtliche Vertrauensschüler zusammen. Fehlt einer von denen, ist er bei den Missetätern zu suchen. Bringen Sie alle hier an! Ich werde diesen etwas auftragen, das sie ausführen werden, wenn sie sich noch länger als vier Stunden in Hogwarts aufzuhalten wünschen. Bitte, Severus!"

"Wie Sie wünschen, Herr Direktor", katzbuckelte Snape und entschwand eilig aus dem runden Raum mit den schnurrenden, zischenden, rasselnden, blinkenden und glitzernden, paffenden und qualmenden Gerätschaften und dem Phönix Fawkes, der gerade den Kopf unter dem linken Flügel hervorzog und leicht verschlafen umherblickte.

"Sollen wir noch hierbleiben oder gehen, Professor Dumbledore?" Fragte Eunice Armstrong.

"Ihr dürft gehen. Der Rest betrifft jetzt erst einmal nur die Slytherins", schnaubte Dumbledore, bevor ihm klar wurde, daß die beiden Mädchen nicht der Grund für seine Wut waren und er sie wohlwollend anlächelte.

"Schön, daß ihr so schnell geholfen habt. Die Wolkenwiege ist übrigens ein sehr hochprozentiger Zauber, Eunice. Aber zehnmal besser als der Fallbremser. Ich persönlich würde den aber trotzdem immer noch vorziehen, wenn ich nahe genug herangekommen bin. Er wird übrigens durch Übung immer stärker. Am Besten schlagt ihr den für eure Zauberkunstclubs vor!"

"Ja, Professor", sagte Aurora Dawn.

Unten vor den Wasserspeiern krakehlte Peeves, der Poltergeist. Er freute sich, daß es ein wunderschönes Chaos gegeben hatte, nachdem man ihm gemeinerweise den Zugang zum Quidditchfeld verbaut hatte.

"Schwirr ab, Fliegendreck!" Fauchte Eunice und hob den Zauberstab. Aurora ignorierte den Poltergeist, der immer wieder sang:

"Oh oh oh, Gryffindor ist jetzt KO!"

"Wirkt der Incapsovulus auch bei Poltergeistern?" Fragte Aurora.

"Leider nicht, weil er mit der Zauberkraft von Lebewesen wechselwirkt", knurrte Eunice und schickte einen Minitornado gegen Peeves los, der den schwebenden Unruhegeist ergriff und mehrmals wie einen Kreisel herumwirbeln ließ, bevor der Poltergeist wutschnaubend davonzischte.

"Pech für ihn, daß die Elementarzauber auf ihn einwirken", grinste Eunice.

Aurora verließ Eunice Armstrong am Absatz der breiten Treppe zur großen Halle und kehrte in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum zurück.

Als sie den dort anwesenden Vertrauensschülern die Geschichte erzählt hatte und damit schloß, daß sie Angst um Bernhard habe, gab es keinen, der nicht wütend war. Auch die beiden Erstklässlerinnen, die gerade mit Petula und Miriam über Zaubererweltmusik gesprochen hatten, waren sichtlich erzürnt.

"Meine Eltern haben mir geraten, aufzupassen, weil hier vielleicht durchgeknallte Typen herumlaufen. Aber das die voll sado drauf sind hat mir keiner gesagt", meinte Vivian.

"Sado?" Fragte Dina Murphy.

"Sadistisch, scharf drauf, andere Leute zu quälen", übersetzte Vivian.

Lady Medeas gemaltes Ich wanderte durch die Bilder im Gemeinschaftsraum und hörte wohl zu, was los war. Als dann die Abendessensstunde kam, verkündete Geoffrey Forester:

"Also, was immer mit denen aus Slytherin passiert, die diese Schweinerei verzapft haben, sollten wir uns nicht mit rumschlagen. Wer keinen Hunger hat bleibt hier. Ansonsten alle runter zum Essen!"

"Aye aye, Sir", erwiderte Vivian. Tim Abrahams lachte erheitert und rief auch "Aye aye, Sir."

"Scheiße, das Matrosengen schlägt durch", grummelte Roy, mußte dann aber grinsen. Sein Vater war ja auch Matrose gewesen, und Roy konnte stolz darauf sein. Warum nicht auch Vivian und Tim.

Es gab einen Stau. Das hatte es noch nie gegeben, wußte Aurora. Die Treppe vor der großen Halle war gerammelt voll mit Schülerinnen und Schülern. Die Halle quoll über vor Schülern, die immer wieder an den Flügeln der Tür zerrten, die in die große Halle führte. Sie wichen jedoch keinen Millimeter auseinander.

"Huch, wieso haben die die Halle zugemacht?" Fragte Nelly Flowers, die zwischen Aurora und Petula ging.

"Vielleicht 'ne Strafmaßnahme von Dumbledore", vermutete Petula. "Vielleicht will er erst die Slytherins einzeln reinholen und ausfragen. In seinem Zimmer ist dafür kein Platz."

"Da hat dieser Unrat auch nix drin verloren", knurrte Bruster und blickte sich um, ob er welche von den Slytherins sehen konnte. Er sah sie vor dem bauchigen Punkteglas, das wie eine mannshohe Sanduhr in der Eingangshalle stand. Es war das Punkteglas der Slytherins, das mit Smaragden für die Punkte gefüllt war. In der unteren Hälfte konnte man schon soviele sehen, daß sie bis zur 300-Punkte-Marke reichten. Im mit Rubinen gefüllten Gryffindor-Glas lagen gerade einmal 150 Steinchen unten. Ravenclaw machte mit 210 Saphiren einen guten Schnitt, und Hufflepuff hielt sich wacker mit 140 Bernsteinchen.

"Die wollen noch mal sehen, wieviele Punkte sie hatten, bevor Dumbledore gleich alle wieder abzieht", feixte Roy Fielding.

"Blödsinn, Roy. Der kann doch nicht alle erreichten Punkte nur wegen ein paar bekloppter Typen abziehen", sagte Bruster.

"Wettest du?" Wollte Roy wissen.

"Darf ich nicht. Bin Vertrauensschüler", sagte Bruster darauf.

"Feigling!" Stieß Roy aus.

"Bitte was?"

"Feig-ling!" Wiederholte Roy das Schimpfwort langsam.

"Lassen wir's mal bei fünf Punkten Abzug für Ravenclaw bewenden", sagte Bruster. Klackernd sprangen fünf Saphire im Ravenclaw-Glas in die obere, undurchsichtige Hälfte. Niemand schien genau zu wissen, wieviele Punkte ein Haus höchstens erringen konnte. Der Rekord lag wohl bei 711 Punkten und war im Jahre 1824 von Gryffindor aufgestellt worden, wußte Aurora von Bernhard und aus "Eine Geschichte von Hogwarts".

"Aber damit du siehst, daß ich kein Feigling bin, Roy. Wenn du recht hast, und der zieht wirklich alle gesammelten Punkte der Slytherins ab, trage ich für den Rest des Schuljahres einen FC-Liverpoolschal, solange wir nicht im Unterricht sind. Gewinne ich aber, und es bleibt den Slytherins auch nur ein grüner Kullerstein im unteren Glas liegen, trägst du die Farben von Manchester United bis zum Beginn der Sommerferien, außer im Unterricht."

"Öhm, Mist! Öhm, geht nicht auch was anderes?" Fragte Roy. Bruster grinste überlegen.

"Dann bist du der Feigling und nicht ich, Roy", sagte Bruster.

"Neh, so lasse ich mich nicht nennen. Ich nehme die Wette an", knurrte Roy ärgerlich und schlug bei Bruster durch.

"Ihr kommt auf Ideen", meinte Aurora amüsiert. Bruster meinte dazu nur, daß sie ja nicht um Geld wetten durften.

"Eh, ich habe Kohldampf!" Meuterte ein baumlanger Hufflepuff-Sechstklässler vor der verschlossenen Tür zur großen Halle.

"Da werden heute abend nur die reingehen, die es auch verdient haben, an den Hogwarts-Tischen zu speisen", schnarrte Professor McGonagalls Stimme. Der hungrige Hufflepuff schrak von der Tür zurück, als habe die ihm einen saftigen Stromschlag versetzt. Die Gryffindor-Hauslehrerin schritt gebieterisch wie eine Königin in ihrem smaragdgrünen Umhang einher. Alle machten ihr respektvoll platz, sodaß sie freie Bahn bis zu Tür der großen Halle hatte.

"Der Schulleiter hat einige ganz wichtige Punkte zu klären, bevor wir, die wir es würdig sind, hier zu speisen, in die große Halle eingelassen werden", sagte Professor McGonagall. Tatsächlich erschien Professor Dumbledore zusammen mit den drei anderen Hauslehrern, sowie Madame Pomfrey und einem schnieke angezogenen Zauberer, den Aurora schon häufig im Tagespropheten gesehen hatte. Es war Bartemius Crouch, Leiter der Strafverfolgungsabteilung im Zaubereiministerium. Alle die nun in die Eingangshalle traten, sahen unerbittlich streng auf die Schülerinnen und Schüler. Dann stellte sich Dumbledore kerzengerade vor alle versammelten Schüler hin und gebot Ruhe.

"Werte Kolleginnen und Kollegen, sowie alle anständigen Schülerinnen und Schüler", begrüßte er alle. Die Slytherins begannen zu raunen und zu tuscheln. Doch Dumbledore machte nur einmal Schsch, dann war wieder Ruhe. "Heute nachmittag ist etwas bis dahin unfassbares auf dem Gelände von Hogwarts vorgefallen. Während die Quidditchmannschaft des Hauses Gryffindor für die anstehenden Spiele trainierte, wurde sie von einer ganz und gar fehlgeleiteten Rotte böswilliger Mitschüler aus dem Haus Slytherin überfallen und durch Flüche schwer bis lebensbedrohlich verletzt. Dieser Überfall entbehrt jeder verzeihlichen Grundlage. Das war kein Streich von Schülern gegen Schüler oder Lehrer, sondern ein heimtückischer, höchstkrimineller Anschlag auf das Leben der Schulkameraden. Unerheblich, welche Animositäten zwischen Gryffindor und Slytherin bestanden und bestehen, darf, kann, will und werde ich als amtierender Schulleiter dieses Verbrechen, jawohl Verbrechen, nicht ungesühnt hinnehmen. Ich habe mich sowohl mit dem Hauslehrer, Professor Snape, sowie den Vertrauensschülern darüber ins Benehmen gesetzt, solche unkameradschaftlichen, menschenlebenverachtenden Elemente nicht länger unter diesem Dach und in diesen Mauern zu dulden. Daher habe ich den Vertrauensschülern aus Slytherin die strickte Anweisung erteilt, die Rädelsführer und Beteiligten an diesem feigen Anschlag ausfindig zu machen und mir ihre Namen zu melden." Die Slytherins zuckten mit den Achseln und blickten ihre sechs Vertrauensschüler sehr lauernd an. Tonya, die durch ihren quaderförmigen Rücken und dem blonden Rundschädel darüber gut zu erkennen war, schien in sich zusammenzusinken. "Um sicherzustellen, daß die Vertrauensschüler nicht nach Sympathie und Antipathie die Namen zusammentragen habe ich Professor Snape ein Pergament mitgegeben, daß mit einem Zwang-zur-Wahrheit-Fluch belegt wurde. So habe ich jetzt eine wahrheitsgetreue Liste. Diese Liste ist gleichbedeutend mit einer sofortigen Entlassung der auf ihr verzeichneten Schülerinnen und Schüler. Wenn ich die Namen verlese, werden die Mitarbeiter von Mr. Bartemius Crouch jeden einzelnen nach draußen geleiten und zum Donnerball bringen." Die Slytherins zuckten die Achseln. Aurora konnte an einigen Körperhaltungen erkennen, wer sich nun betroffen fühlte und wer nicht.

"Was ist der Donnerball?" Fragte Vivian leise.

"Was ganz Ffinsteres, wie 'ne Kreuzung zwischen 'nem Drachen und 'nem Lastzug."

"Drei eurer Mitschüler sind bereits vom Gelände herunter, einer davon auf dem Weg nach Askaban, weil er einen unverzeihlichen Fluch auf eine Gryffindor-Mitschülerin legen wollte und unsere Madame Pomfrey getroffen hat. - Keine Sorge, sie lebt noch", setzte Dumbledore fort. Alle atmeten auf. "Also, noch einmal für alle, damit die, die uns gleich auf nimmer Wiedersehen verlassen es auch mitbekommen. Ich, Professor Dr. Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore, amtierender Leiter von Hogwarts, der britischen Schule für Hexerei und Zauberei, dulde keinen organisierten oder vereinzelten gewalttätigen Anschlag von Schülern auf Schüler oder Mitglieder des Lehrkörpers. Solange ich hier die Verantwortung trage, kommt dies nicht noch einmal vor. Noch leite ich diese Schule und nicht etwa Lord Voldemort." Bei den letzten Worten fühlte jeder die unbändige Wut, die von Dumbledore ausging. Doch der Name Voldemort traf jeden Zauberergeborenen wie einKeulenschlag in den Magen. Sie wußten zwar alle, daß Dumbledore diesen Namen unbeeindruckt laut auszusprechen wagte und dies auch vonjedem anderen forderte, aber ihn gerade in diesen düsteren Wochen und nach diesem Überfall zu hören traf schmerzhaft in die Seele.

"Mr. Crouch, ich verlese gleich die Namen der erkannten Delinquenten. Vorher jedoch", Dumbledore sah auf das Punkteglas der Slytherins. Roy und Bruster fixierten es im selben Moment. "Wegen höchst unwürdigen Betragens, böswilliger Zauberei gegen Mitschüler und gefährlicher Körperverletzung, sowie den Gebrauch des unverzeihlichen Cruciatus-Fluches ziehe ich Slytherin alle bisher errungenen Punkte ab und verfüge, daß bis zu den Weihnachtsferien keine neuen Punkte an Slytherin gehen sollen. Das gilt auch für die Vertrauensschüler." Mit in die Ohren stechendem Rasseln flogen sämtliche grünen Steine aus dem unteren Kolben des Punkteglases der Slytherins. Gähnende Leere kehrte dort ein. "Sehe ich bis zu den Weihnachtsferien auch nur einen einzigen Smaragd im Punkteglas von Slytherin, werde ich schon herausfinden, welcher Vertrauensschüler oder Lehrer diesem Gebot von mir zuwiderhandelte, daß in Einklang mit Schulordnungsartikel 26 steht, demnach den allgemeinen Schulfrieden bedrohende Handlungen seitens eines bestimmten Hauses mit Punkteaberkennung und Punktevorenthaltung bestraft werden kann. Dieser Artikel wurde auch von Salazar Slytherin mit verfaßt, dem es darum ging, die sich anbahnenden Feindseligkeiten innerhalb der Schülerschaft zu unterbinden. Dies zur allgemeinen Kenntnisnahme für die die hierbleiben dürfen. Es erfolgt nun die unehrenhafte Verabschiedung der straffällig gewordenen Schüler", sagte Dumbledore sehr erzürnt und verlas die Namensliste, die eine Fahrkarte ohne Rückfahrt für jeden war, dessen Name laut verlesen wurde. Aurora konnte sehen, daß jeder, der genannt wurde, tatsächlich an dem Anschlag beteiligt gewesen sein mußte, weil jeder trotzig und voller Ingrimm durch das weit geöffnete Portal ging, wo ihn gleich zwei Auroren kassierten. Sieben Hexen waren unter den Untätern. Zumindest keine Tonya Rattler und auch keine Loren Tormentus. Aber was Aurora auffiel, es waren alles Leute aus den oberen Klassen. Tatsächlich mußte auch Samiel Sharkey durch die Tür, der wild und boshaft Tonya Rattler anfunkelte, als hätte die ihn in diese Lage gebracht.

"Ups, die ganze Quidditchmannschaft von denen geht ja da raus", zischte Bruster Aurora zu, als ein hagerer Junge, der bei den Slytherins mal als Jäger gegen Hufflepuff gespielt hatte, von Dumbledore durch das Portal geschickt wurde.

"Du bleibst nicht mehr lange hier, Schlammblutfreund!" Rief einer der letzten Ausgewiesenen. "Du kannst seinen Namen noch so verächtlich ausrufen. Er wird dich kriegen, zerbröseln und dann diesen Mistladen hier ausfegen, mit eisernem Besen durchkehren!"

"Oh, das sollte wohl ein Fluch werden", spottete Roy. "Wie bei Dornröschen, wo die nicht eingeladene Fee reinkommt und .."

"Roy, sei bitte still!" Zischte Petula energisch.

Krachend schloß sich hinter dem letzten von Hogwarts verwiesenen Schüler das Portal. Vivian hatte es aber sehen können, jenes pechschwarze Ungetüm, das wie ein Urweltungeheuer auf Rädern aussah und vorne ein langes, spitzes Maul mit schimmernden Zähnen besaß.

"Uh, wie gruselig. Wozu haben die das Ding?" Fragte Vivian.

"Das ist das Antistück zum fahrenden Ritter, Vivian. Damit werden Leute eingesammelt, die Aufruhr gemacht haben oder wie die Idioten da eben als Bande überfallen haben", sagte Aurora.

"Es heißt, in dem Ding drin läuft immer so'ne gruselige Musik mit ganz tiefen Tönen, die Angst machen. Erinnert mich fies an diesen Drachenturm", sagte Bruster.

"Was ist ein Schlammblutfreund?" Fragte Vivian. Petula knurrte mißmutig, Aurora überlegte, ob sie die Frage gehört haben wollte oder nicht. Roy sagte:

"Schlammblut, das, ist sowas wie ich, sowas wie du, wie Anne, Tim Preston ja und Bruster, weil dem sein Vater auch Muggel ist."

"Das ist ein ganz böses Wort, Vivian. Wer dich so nennt, bildet sich was auf seine achso lange Zaubererahnenlinie ein", ergänzte Aurora Dawn.

"Ach sowas wie "Nigger" oder "Judenschwein" oder andere Gemeinheiten", sagte Vivian verlegen.

"Aus dreißig Metern direkt ins obere Eck und tor", trällerte Roy Fielding.

"Vergessen wir das bitte ganz schnell! Ja?" Wandte sich Aurora an Roy, Vivian und Petula. Sie deutete auf die Tür zur großen Halle, die gerade aufschwang.

"Nicht drängeln, das Essen wartet auf jeden von euch!" Rief Dumbledore, um jede Überhast im Keim zu ersticken. Die Schüler lachten. Der Druck der letzten Minuten war von allen abgefallen.

"Mann, das Sharkey so doof ist hätte ich jetzt echt nicht gedacht", mampfte Roy zwischen Hauptgang und Nachtisch. Aurora nickte. Die ganze Quidditchmannschaft von Slytherin war nun weg. Wie konnten die so dumm oder so verbohrt gewesen sein. Oder hatten die gedacht, demnächst wirklich hier die große Nummer werden zu können? Plante der Unnennbare vielleicht was, daß ihnen allen an den Kragen gehen mochte? Nein! Sie wollte nicht an sowas denken. Hogwarts war anders als die restliche Zaubererwelt, solange Albus Dumbledore hier Schulleiter war.

Nach dem Abendessen trollten sich die Slytherins außerordentlich schnell aus der großen Halle. Wahrscheinlich würden sie bald Eulen verschicken, daß ihnen heute alle Punkte abgezogen worden waren und fünfzig Schüler auf einen Rutsch rausgeflogen waren. Zumindest platzte Slytherin jetzt nicht mehr aus allen Nähten, fand Roy, der immer wieder Bruster angrinste.

"Wo willst du so schnell 'nen Liverpool-Schal herkriegen, Roy?"

"Das ist doch 'ne Zaubererschule hier. Ich zaubere nachher einen. Oder willst du doch zugeben, daß du der Feigling bist?"

"Wettschulden sind Ehrenschulden, Roy. Ich habe mich auf den Quatsch eingelassen und nehm jetzt auch alles hin, was mir deshalb passieren muß. Ich hätte nicht gedacht, daß Daddy D. so böse werden kann. Huijuijuijuijui! War der vielleicht geladen."

"Jau, Daddy D. ist cool, Bruster", lachte Roy.

"Du wirst doch nicht respektlos von unserem Schulleiter sprechen, Roy Fielding?" Fragte Geoffrey.

"Nöh, ganz im Gegenteil. Der hat mir heute schwer imponiert. Mein lieber Herr Gesangverein", sagte Roy Fielding.

Nach dem Abendessen diskutierten sie im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum die Sache vom Nachmittag weiter. Roy kam zwischendurch aus dem Schlafsaal der Jungen und schwenkte einen Schal in den Farben des 1. FC Liverpool. Feierlich zog er seinen Zauberstab, tippte den Schal damit an, sagte "Multiplico" und ließ aus einer Rauchwolke einen zweiten Schal seines Lieblingsvereins entstehen. Dann trat er zu Bruster und legte ihm für alle sichtbar den Schal um.

"Das könnte man zwar als Entweihung der ehrenvollen Farben ansehen, Bruster. Aber tröste dich, du trägst jetzt die Farben des kommenden englischen Meisters."

"Fußball! Das hinterletzte", knurrte Mortimer. "Drum zu wetten, wer den Schal seiner verhaßten Mannschaft anziehen muß."

"Ach dann hättest du keine Probleme, die Ts der Tudshill Tornados zu tragen?" Fragte Aurora.

"Nicht für eine Tonne Gold, Aurora. Nachher werde ich noch von sämtlichen Stechern Englands zusammengeprügelt oder gar in einen Abfalleimer verwandelt oder sowas."

"Stecher?" Fragte Vivian, die das Wort irgendwie anders verstand als Mortimer.

"So heißen die Fans der Wimbourne Wasps, der genialsten Mannschaft Britanniens. Ludo Bagman spielt da Treiber und ist auch englischer Nationalspieler."

"Madame Hooch hat uns gesagt, Quidditch ist ziemlich gefährlich, und wir sollten erst einmal gut fliegen können, bevor wir uns für sowas melden", sagte Vivian.

"Da kannst du einen drauf lassen, Vivian. Aber wenn die Schlittereins jetzt keine Mannschaft mehr haben, können wir dieses Jahr wohl ausnahmsweise mal sauber spielen."

"Die kriegen wieder 'ne Mannschaft, und wenn sie sämtliche Vertrauensschüler verdonnern, ihre Knochen hinzuhalten", prophezeite Aurora.

"Tonya im Tor? Mach mir keine Angst, Aurora. Da paßt ja dann wirklich kein Ball mehr durch die Ringe, wenn dieser Klotz davor herumwuselt."

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Vorerst wurde verfügt, daß keine Quidditch-Übungen gemacht werden durften, bis Slytherin und Gryffindor wieder einsatzbereite Mannschaften hatten. Aurora vertrieb sich die Zeit ziemlich häufig bei Madame Pomfrey im Krankenflügel. Sie erkundigte sich nach Bernhard und fragte nach den verschiedenen Zaubern, die die Heilerin vor ihren Augen verwendet hatte. Sie sagte einmal:

"Irgendwie kam ich mir total hilflos vor. Ich lief auf das Feld zu und hätte Bernhard fast nicht abbremsen können. Ich konnte nur diesen Notrufzauber."

"Der schon sehr wichtig ist, Aurora. Den sollten alle können, egal, ob sie mal heilen wollen oder nicht. Ich habe Professor Dumbledore mal gefragt, ob der nicht in der allerersten Stunde Zauberkunst drangenommen werden sollte. Aber der Direktor meinte, man müsse ja doch erst herausfinden, wer wie gut mit dem Zauberstab umgehen könne, und dafür wäre der Lichtzauber besser. Ich habe aber jedem Vertrauensschüler vor dir schon erzählt, er oder sie könne ihn bei mir lernen, wie auch diverse leichteren Heilzauber wie Inuriclausa oder Lentavita, der eine schwache Vorstufe des Conservacorpus-Zaubers ist, um starke Blutungen oder Vergiftungsprozesse zu verzögern. Aber wer nach Hogwarts wirklich Heiler oder Heilerin werden will, der oder die muß nicht nur was tolles können wollen, sondern das auch als persönliche Berufung begreifen. Nicht jeder, der geheilt werden muß, sieht das auch ein. Da braucht man Feinfühligkeit, Willensstärke, Überzeugungskraft, Geschicklichkeit, Geduld und noch mal geduld. Von praktischen Talenten und einer hohen Auffassungsgabe muß ich nicht reden, weil sich das von selbst versteht. Manchmal ärgere ich mich schon, daß hier viele meine Arbeit als Selbstverständlich hinnehmen. Tut einem Was weh, Madame Pomfrey kommt. Murkst jemand mit zaubern und Tränken rum, kein Problem, weil ja die Schulkrankenschwester da ist. Sicher, ich bin gerne hier in Hogwarts und verstehe auch, was Lehrer wie Professor Dumbledore, Professor Flitwick und Professor McGonagall hier hält. doch manchmal scheint es mir, als gehöre ich nur zur Dekoration, wie Madame Pince oder die Hauselfen oder die Hausgeister hier. Dann gibt es auch wieder Tage, wo ich merke, daß ich wirklich wichtig bin. Falls du oder sonst wer aus deinem Freundeskreis nach dem ZAG-Jahr denkt, in den Heilerberuf einzutreten, mußt du oder wer auch immer das wirklich als wichtig empfinden, so wichtig, daß egal, wo die Heilerzunft dich oder wen immer hinschickt davon überzeugt bist, daß du da auch gebraucht wirst, oder wer immer das mal machen will. An und für sich sollten wir hier auch sowas wie in Beauxbatons haben, wo die Schulheiler sich freiwillige Zauberer als Hilfspflegekräfte halten können. Aber die Schulordnung sieht das für Hogwarts nicht vor, weil die Schüler unbeeinflußt von einer einzigen Berufsgruppe lernen sollen, heißt es. Aber zwischendurch, wenn nicht gerade eine Grippewelle oder die Wackelnasenkrankheit grassiert, kann ich dir oder sonstwem gerne die ungefährlicheren Zauber beibringen. Das darf ich, wenn die Leistungen im Unterricht nicht nachlassen."

"Ungefährlich für wen?" Fragte Aurora.

"Klar, die Frage war vorherzusehen", lächelte Madame Pomfrey. "Ungefährlich für dich und den zu behandelnden. Was ich bei deinem Freund Bernhard gemacht habe war sehr kompliziert, anders als es aussah. Ein Fehler hätte ihn komplett kristallisieren können oder wie Glas zerspringen lassen, wenn der Fluß der Zeit nicht gleichmäßig verzögert und die Organe gleichmäßig verlangsamt werden. Den zauber bringen Sie Heilern nur nach dem praktischen Jahr bei, wenn sie eigenständig praktizieren oder in der Notfallbehandlung arbeiten wollen. Weil ich hier die amtliche Heilerin bin, bin ich auch die amtliche Notfallheilerin. Für manche Sachen muß ich aber doch Kollegen im St.Mungos konsultieren, wie eben bei deinem Freund."

"Woher wissen Sie, daß Bernhard mein fester Freund ist?" Fragte Aurora.

"Mädchen, ich war selbst mal jung und zum ersten Mal in einen Jungen verknallt. Später, hier in Hogwarts, habe ich hunderte von jungen Pärchen beobachten können. Deine Reaktionen am Quidditchfeld haben das mir verraten, daß du viel für den Jungen übrig haben mußt."

"Ich hoffe, er kommt wieder in Ordnung und ist bald wieder hier. Schweinehunde, diese!"

"Dafür sind sie jetzt auch raus aus Hogwarts und einige bestimmt auch in Askaban. Nachdem was die da neuerdings so halten, hätten die sich mal besser zusammenreißen und diesen Unsinn bleiben lassen sollen."

Aurora nickte nur. Sie fragte, ob sie mal wieder vorbeikommen dürfe und erhielt die Erlaubnis, wenn sie mit ihren Vertrauensschülerpflichten und der Schule keine Probleme kriegen würde. Immerhin sei ja das ZAG-Jahr.

__________

"Also an Halloween geht's nach Hogsmeade", verkündete Simon Honeydrop den Vertrauensschülern. "Die Aushänge werden morgen früh in den Gemeinschaftsräumen hängen."

Aurora freute sich. Hogsmeade, das hieß etwas außergewöhnliches machen. Allerdings war ihr etwas mulmig, weil Bernhard immer noch im St.-Mungo-Krankenhaus lag. Sie hatte mit Becky Hawkins häufig genug zusammengesessen und Briefe dorthin geschickt. Aurora hatte Bernhard, der zur Zeit in einem Beruhigungsanzug lag, um keine überflüssigen Bewegungen zu machen, aus Hogsmeade Schokofrösche und andere Süßigkeiten zu besorgen.

Merkwürdigerweise flaute der düstere Sturm aufeinanderfolgender Anschläge und Drohungen immer mehr ab. Der Tagesprophet brachte nur noch jeden zweiten, dann nur noch jeden vierten Tag etwas über die Mordtaten der Todesser. Roy meinte einmal:

"Entweder sind keine verhaßten Muggelbrütigen mehr übrig, oder Crouch bläst die jetzt wirklich mit Hundert Pfund pro Quadratzoll vom Feld, und Mr. Unnennbar muß immer wieder in Deckung gehen, um nicht weggeputzt zu werden."

"Ich denke eher, die Todesser greifen nur noch einzelne Leute an und drehen das dann so, als seien es Unfälle. Ich fürchte mich eher vor dem, was nicht in der Zeitung steht als vor dem, was jeder lesen kann."

"Hmm, stimmt schon, Aurora. In der Muggelwelt haben sie alle Angst vor dem Atomkrieg. Die Geheimdienste von Russen und Amerikanern belauern und bekriegen sich heimlich. Zwischendurch verschwindet mal hier einer, mal da, und davon steht nix in der Zeitung. Als meine Eltern - meine Eltern mir erzählt haben - wie dieser Reagan, der gerade in Amerika Präsident ist, niedergeschossen wurde, haben alle gedacht, das könnte Krieg geben. Oder was mit dem Papst passiert ist, dem Chef von den Katholiken. Überall knallt es. Aber wir kriegen längst nicht alles mit. Ich hab's mir angewöhnt, dann nicht weiter drüber nachzudenken."

"Eben, entweder tun wir so, als wenn gar nichts passiert oder haben Angst vor dem, was wir nicht mitkriegen", grummelte Aurora.

In der letzten Woche vor Halloween erreichten die Meldungen in den Zeitungen eine so einschläfernde Belanglosigkeit, daß Roy schon vom Auge des Hurrikans sprach. Vielleicht bereitete Voldemort etwas großes vor und sammelte seine Kräfte. Jedenfalls arbeiteten Crouch und seine Leute daran, die Schäden zu begutachten und Sicherheitsmaßnahmen zu verbessern. Dumbledore hatte in Hogsmeade eine zweite Sternenbrüderfackel gefunden, erzählte er den Vertrauensschülern bei einer kurzen Zusammenkunft am Tag vor dem Hogsmeade-Ausflug. Offenbar hatten die einst dort ansässigen Meister der hellen Künste damit gerechnet, daß es nach dem Auftauchen des Drachenturms noch wweitere Anschläge der dunklen Mächte geben könnte. Da ihr Hauptquartier bei den Drei Besen gelegen hatte, würde sich dort die schützende und heilende Zauberkraft bündeln, wie bei dem Vorfall mit dem Drachenturm. Derartig mit guten Nachrichten ausgestattet gingen die Vertrauensschüler in ihre Häuser, wo sie den Ausflug vorbereiteten.

Am nächsten Morgen nahmen Dina und Roy wieder Steinsalz mit. Die letzten Ausflüge nach Hogsmeade hatten beiden nicht nur schöne Erinnerungen gebracht. Aurora ging mit Petula und Miriam zusammen los. Filch kontrollierte wieder die hinausgehenden Schüler. Wie immer wirkte er total mies gelaunt.

Im Dorf Hogsmeade suchten die drei Fünftklässlerinnen Dervish & Banges auf, wo Aurora für ihre Cousine Agatha eine Plapperpuppe besorgte, die kurze Sätze nachsprechen konnte und Miriam sich von einer Kollegin ihres Vaters einen Ausmacher abschwatzte.

"Das darf dein Daddy aber nicht spitzkriegen, Mädchen", sagte die Hexe hinter dem Ladentisch. Aurora Dawn, die als Vertrauensschülerin dazu verdonnert worden war, die Marschroute festzulegen, zeigte ihren Freundinnen die Zaubergärten und besuchte die Niederlassung für Qualität für Quidditch. Dabei liefen sie alten Schulkameraden über den Weg, Dione Craft und Plinius Porter. Sie liefen hinter einem selbstfahrenden kleinen Wagen her, aus dem der große, runde Kopf eines Babys herauslugte.

"Ach, eh, Plinius und Dione kommen nach Hogsmeade", flötete aurora Dawn und eilte auf die beiden zu.

"Hallo, Aurora. Hui, Vertrauensschülerin. Glückwunsch oder Beileid?" Fragte Dione, eine blondgelockte Hexe mit graugrünen Augen, die etwas rundlicher aussah als Aurora sie in Erinnerung hatte.

"Das könnte ich euch, öhm, Sie, jetzt auch fragen. Oder ist das Kleine da nicht Euers?"

"Die Kleine ist wirklich unsere", lachte Dione. "Ich muß das wissen. Denn bis vorgestern habe ich die noch mit mir rumgetragen und für sie mitgegessen."

"Wie heißt du jetzt, oder müssen wir echt Sie sagen?" Fragte Miriam.

"Dione Porter und Plinius Porter. Wir haben Halloween vor einem Jahr geheiratet. Das kleine Bündel Leben da im Kinderwagen ist unsere Kronprinzessin Gloria", sagte Dione. Ihr Ehemann, ebenfalls blondhaarig, aber nicht mit so großen weichen Locken wie seine Frau gesegnet, strahlte ein gekonntes Glücklicher-Vater-Gefühl aus als er Aurora und die beiden anderen begrüßte.

"Was machst du jetzt beruflich, Dione?" Fragte Aurora.

"Ich habe vor zwei Monaten, gerade noch vor der heißen Phase der Schwangerschaft, einen kleinen Kosmetikladen übernommen. Meine Zaubertrank und Verwandlungskünste kamen gut bei den Gewerbeprüfern an. Gegen die Bürokratie ist auch bei uns noch kein Kraut gewachsen. Und ihr habt jetzt das Jahr der ziemlich argen Gemeinheiten?

"So habt ihr das ZAG-Jahr genannt", erinnerte sich Petula.

"Was macht Priscilla? Die müßte doch auch schon fertig sein", fragte Plinius.

"Hmm, die hat jetzt beim Ministerium als Mitarbeiterin in der Abteilung für magischen Personenverkehr angefangen", sagte Petula. "Und du, Plinius, bist du doch Geisterjäger geworden?"

"Um Himmels Willen, das eine Mal hat mir gereicht. Nein, lass das meine Mom machen. Ich bin schön in Altengland geblieben und habe mich bei den Kobolden von Gringotts als Edelstein- und Edelmetallsucher verdingt. Ist mal langweilig und mal aufregend. Bringt auf jeden Fall was ein."

"Ich dachte, deine Mom wollte dich mit zurück nach Amerika holen", meinte Miriam.

"Neh, Leute, hier kenne ich mehr gute Bekannte als drüben. Auch wenn von denen viele entweder in irgendwelchen abgelegenen Gegenden untergetaucht sind oder nicht mehr leben. Aber lassen wir das, bitte? Irgendwie bin ich froh, daß wir unsere Tochter hier gekriegt haben. Meine Mom sagte mal, eine Geburt kann dunkle Zeiten vertreiben. Vielleicht hat sie ja recht."

"Wie bei Weihnachten", vermutete Petula. Plinius und Dione nickten.

Sie plauderten noch über die Schule, daß auch die Porters mitbekommen hatten, daß Anfang Oktober eine große Ladung Slytherins rausgeflogen war und es wohl vorerst kein Quidditch geben würde. Aurora erzählte Dione bei einem Frau-zu-Frau-Gespräch, daß sie nun einen festen Freund habe. Dione kannte die Hawkinses.

"Der Vater von den Zwillingen fühlt wohl gerade vor, ob er in der neuen Welt was reißen kann. Meine Schwiegermutter hat uns mal miteinander bekannt gemacht, als ich mit meinem Babybauch drüben war. Die ist auch in Europa und will heute Abend zum Halloween kommen. Vorher besucht sie ihre Freundin Bläänch in Beauxbatons."

"Häh?" Machte Aurora, mußte dann aber grinsen. Sicher sprach sich die Dame ganz anders aus.

"Ich dachte, die hätten da keinen Feiertag, weil die Walpurgis oder was immer anstatt Halloween feiern", wunderte sich Aurora.

"Das wird wohl eher so'n Schulterschlußbesuch, weil dieser Unnennbare hier so brutal dreingehauen hat. Auf jeden Fall wünsche ich dir alles Glück mit dem jungen Bernhard und die nötige Ruhe als Vertrauensschülerin!"

Nach der Plauderei mit den Porters ging es zu den drei Besen, wo sie die Mannschaft aus Forins Schmiede beim Kampftrinken bewundern konnten. Ein junger Zwerg hatte den Meisterschmied herausgefordert. Wie es der Zwergenbrauch gebot, mußte der junge Zwerg, der sein eigener Meister werden wollte, seinen eigenen Bart an der Spitze abschneiden, das Ende um den Arm des Meisters knoten, den noch festsitzenden Bart daran anbinden und mit dem Kopf gegen den Arm des Meisters antreten. Riss der Zwerg den angebundenen Bartrest aus, ohne sich den angewachsenen Bart auszureißen, war er frei. Wollte er dann noch des Meisters Stelle übernehmen, mußte er ihn in einem Trinkduell besiegen. Das dauerte ganze drei Stunden, bis der Jungspunt völlig knülle unter dem Tisch lag. Die Anwesenden Zwerge und Menschen applaudierten Forin, der zwar wankte, aber noch aufrecht stehen blieb, ohne sich abstützen zu müssen.

"Vieln - Hicks -Dank, alle schuschammennnn!" Lallte Forin. Dann zog er sich mit seinen Gesellen zurück. Der junge Zwerg unter dem Tisch mußte mit kaltem Wasser geweckt werden. Nach den Zwergenregeln war er zwar sein eigener Meister, aber auch ohne die alte Anstellung.

"Zumindest waren diese komischen Grünfratzen heute nicht hier", sagte Roy. Aurora erschrak. Wenn die hier gewesen wären, wo Gloria Porter gerade von ihren Eltern ... Aber Plinius kannte sich mit dem Gewusel hier aus. Der würde bestimmt nirgendwo hingehen, wo hungrige Sabberhexen seine Tochter rauben und fressen wollten.

Als sie wieder zurück im Schloß waren, herrschte eine angespannte Stimmung. Aurora war das langsam lästig. Immer wieder schien etwas unheilvolles über die Schule zu kommen und unbemerkt wieder zu verschwinden. Was war es heute?

"Heh, Aurora! Auf ein Wort", winkte Tonya Rattler Aurora kurz hinter dem Eingangsportal zu sich. Aurora ging hinüber, gefaßt auf eine Gemeinheit Tonyas oder wieder mal eine Gehässigkeit von ihr.

"Ja, Ms. Rattler?" Fragte Aurora steif.

"Eh, irgendwas ist mit den Leuten aus meinem Haus komisch. Die haben sich heute gar nicht so echt in Hogsmeade umgetan. Die sind zum Postamt und haben da Eulen losgeschickt und sind dann wieder zum Schloß zurück. War irgendwas im Dorf?"

"Wie, du warst doch auch da", erwiderte Aurora.

"Natürlich, Dawn. Ich war auch da. Aber irgendwie war mir das da zu ruhig."

"Kann ich mir vorstellen, dein Busenfreund, Du-weißt-schon-Wer hat heute nichts angestellt. Ich bin froh drüber."

"Der Typ ist doch irre", sagte Tonya. "Der ist doch einfach irre."

"Bitte?!" Entfuhr es Aurora. Sollte das jetzt eine neue Masche von Tonya sein, nachdem sie in den Jahren vorher immer geprahlt hatte, wie toll und mächtig der böse Hexenmeister doch war, den kein anständiger Zauberer beim Namen nannte.

"Ich habe erst gedacht, der hat die richtigen Ideen und würde die wahren Zaubererwerte wieder durchsetzen. Aber was der in den letzten drei Monaten gemacht hat oder angeleiert hat ist nur irre. Das hat mit Zaubererehre oder Reinblütigkeitsansprüchen nix mehr zu tun. Der ist wahnsinnig. Das hätte ich an und für sich schon raffen sollen, als mein Onkel draufgegangen ist. Was nämlich nicht in diesem Schmierblatt drinsteht ist nämlich, daß auch Familien dran glauben mußten, die ihm an und für sich hinterherlaufen wollten, wie die Blacks."

"Tonya, soll ich dir das jetzt echt abkaufen, was du da erzählst?" Fragte Aurora. Ihr gefiel es nicht, daß Tonya sie vielleicht verulken wollte, ein Scherz zu Halloween womöglich.

"Neh, Aurora, ich war noch nie so klar wie gestern und heute. Gestern hat der nämlich alle Cousins und Cousinnen von mir ausradiert zusammen mit Lucius Malfoy und seiner Schwägerin Bella, bin aber nicht schön Lestrange. Die haben dem nix getan, hätten dem sogar noch den Arsch geküßt, wenn der ihnen den hingehalten hätte. Der hat die einfach niedergemacht wie 'ne Ladung Kakerlaken. Meine Mum hat mir das gestern Abend noch per Schnelleule zugeschickt. Mann, wie bescheuert war ich?"

"Du meinst bist du, Tonya?" Knurrte Aurora. Ihr war nicht danach, Tonyas Selbstvorwürfe abzukaufen.

"Okay, du konntest mich nicht ab, weil ich eben denke, daß man sich mit Muggelbrütigen und Blutsverwässerern nicht einlassen soll. Aber dieser Typ ist doch nur krank. Der will doch nur noch Leute massakrieren. Das hat doch nichts mehr mit Macht zu tun. Aber sei's drum, ich habe es ja so hingebogen, wie es zwischen uns ist, warum sollte das sich jetzt geradebiegen. Schönes Halloween noch."

Aurora schritt verdutzt davon. Zwischendurch warf sie einen schnellen Blick zurück, ob Tonya jetzt nicht über ihr dummes Gesicht lachen mußte, weil sie ihr so einen genialen Scherz bereitet hatte. Dennoch ließ sie das nicht los. Sie erzählte es Petula und Miriam. Miriam meinte dazu nur:

"Tja, wenn sie es jetzt wirklich einsieht, was für'n Schweinehund der ist, dann kommt das ein bißchen spät, oder? Aber wenn das mit ihren Cousins stimmt, dann weiß die jetzt, wie Roy, Bruster und alle anderen sich fühlen müssen. Vielleicht hat das Vertrauensschülerabzeichen auch irgendwas bei ihr umgekrempelt, wie bei dir und Bruster auch."

"Ach, bei mir hat es was umgekrempelt?" Wollte Aurora wissen und sah Miriam lauernd an.

"Klar, weil du jetzt irgendwie gerne Aufgaben übernimmst, da bist, wenn jemand mal wen zu fragen sucht oder dich auch um die Kleinen kümmerst, was dich vor einem Jahr nur sehr wenig interessiert hat. Daddy D. oder wie Bruster Dumbledore getauft hat hat dich echt total richtig erkannt und das gemacht, was dich richtig aus dir rauskommen läßt. Bei Bruster ist mal abgesehen von diesem schwarz-weißen Lederklumpen in seinem Hirn auch was neues hochgekommen. Der kann auf einmal ganz ruhig mit anderen quatschen, braust nicht so schnell auf- Ja, bevor du's sagst, wie ich - und hat rausgekriegt, wie man Streitigkeiten zu klärenden Gesprächen ummodelt. Ihr seid da reingewachsen. Wenn Dumbledore euch nicht die Abzeichen verpaßt hätte, wäret ihr nie so gut geworden wie gerade jetzt."

"Wird sich zeigen. Warten wir's ab! Ich fürchte, bald knallt es hier wieder so wie vor ein paar Wochen. Ich trau dem Braten nicht. Mir scheint's, daß Tonya auch nicht so ganz wohl in ihrer Haut ist. Klar, die hiergebliebenen Slytherins halten die doch jetzt für 'ne Verräterin. Das schmekct ihr ganz bestimmt nicht, zumal ihr klapperdürrer Schoßhund Sharkey auch mit rausgefeuert wurde. Da könnte sie schon auf abgedrehte Ideen kommen."

"Nun, für die Slytherins bist du zumindest nicht zuständig", sagte Miriam. Petula grinste darüber nur.

Gruselig wie immerwar die Halloweenaufmachung. Fledermäuse unter der Decke, Ausgehöhlte Riesenkürbisse, in denen Kerzen leuchteten, Spinnweben zwischen den Säulen, orangerot, weiß und schwarz dekorierte Wände und Tische.

Diesmal führten die hier wohnenden Geister wieder einen langen Tanz auf und sangen in einem unheimlich schauerlich wimmernden Chor von dunklen Gräbern und Verliesen, wo sie einst gewesen waren und gerne wieder einkehren würden, wenn ihre Zeit hier doch einmal zu Ende sein sollte.

Es war so um zehn Uhr, als Dumbledore wie vom Blitz getroffen zusammenfuhr und sich an die Stirn griff. Er schien seinen Kopf stützen zu müssen. Alle sahen ihn erschrocken an.

"Oh, Mist, der wird doch wohl keinen Schlag gekriegt haben", unkte Roy. Bruster flüsterte:

"Hoffentlich wird er nicht aus der Ferne angegriffen, Voodoo oder sowas."

"Voodoo kommt hier nicht durch", zischte Petula. "Fernflüche und Bildnismagie waren den Gründern schon gut bekannt, daß sie dagegen was machen konnten. Dann sprang Dumbledore auf, warf Minerva McGonagall einen durchdringenden Blick zu und sagte über das leise Getuschel hinweg:

"Liebe Kollegen, Liebe Schüler. Ich hätte gerne noch mit Ihnen und Euch weitergefeirt. Aber ich muß sehr dringend fort. Es ist lebenswichtig. Machen Sie sich keine Sorgen! Ich komme so bald es geht zurück. Feiert bitte weiter! Mir geht es ganz gut, Danke für eure Besorgnis!" Dann eilte er mit wehendem Umhang aus der Halle und verschwand.

"Bitte bleiben Sie alle sitzen!" Übernahm Professor McGonagall das Kommando. "Es besteht kein Grund zur Besorgnis für Sie hier! Wir befinden uns nicht in Gefahr."

"Wir nicht", knurrte Roy. "Aber wer weiß, wer."

An Feiern war im Moment nicht zu denken. Sie saßen da, redeten über alles, was Dumbledore aufgescheucht hatte. Dann fiel Bruster was ein:

"Oh, ich glaube, ich weiß jetzt, was passiert ist. Irgendwer hat ihn um Hilfe gerufen."

"Häh?" Machte Roy. "Wie soll das denn gehen?"

"Du meinst durch Telepathie", vermutete Vivian, die wieder zwischen Roy und Aurora saß.

"Genau. Jemand hat ihn in Gedanken gerufen, und das muß ihm volle Pulle ins Hirn geknallt haben. Das war ganz bestimmt ein Notruf."

"Ich dachte, sowas ginge in Hogwarts nicht", meinte Roy. "Ich hörte mal von Erica was, daß Geschwister sich auf eine art In-Gedanken-Sprechen unterhalten können, Mentrilokismus nannte die das wohl."

"Mentiloquismus", berichtigte Bruster rasch und zuckte dann die Achseln. Hatte er das jetzt wirklich sagen wollen?

"Meinetwegen auch so. Jedenfalls soll das zwischen Geschwistern und Müttern und Kindern am besten gehen, weil das Blut wohl eine Rolle spielt."

"Mann, ihr macht mir irgendwie Angst", sagte Aurora frei heraus. "Wenn das nämlich möglich ist, jemanden in Gedanken zu rufen, dann könnte ja auch jemand jemandem eintrichtern, aus Hogwarts rauszukommen, irgendwo hinzugehen und sich dann aus dem Hinterhalt umbringen zu lassen."

"Eben deshalb kann das was Bruster meint ja auch nicht gehen. Die haben bestimmt auch Schutzzauber gegen böse Telepathie, Hypnostrahlen, Gehirnverneblungsflüche aus der Ferne und sowas aufgerufen. In den letzten tausend Jahren ist doch noch einiges dazugekommen", sagte Roy. Aurora wurde jetzt aber etwas anderes siedendheiß klar. Jetzt wußte sie, wie die gemalte Lady Medea damals, wo die Braut des blutigen Barons in Hogwarts gewesen war, ohne es gesagt bekommen zu haben wußte, wo die gerade war. jemand hatte es ihr in Gedanken zugerufen. Aber Wer hatte Dumbledore jetzt was zugerufen. Lebenswichtig sollte es sein. Lebenswichtig für wen?

"professor McGonagall erkannte bald, daß an eine geordnete Feier nicht mehr zu denken war. Das, was Dumbledore aus dem Haus getrieben hatte war gruseliger als Geistertanz und Fledermäuse. Sie entließ die Schüler in die Häuser.

"Am Besten legen wir uns alle schlafen", schlug Aurora vor. "Wenn wir nicht in Gefahr sind, können wir so besser abwarten."

"Ja, Mummy", flachste Bruster. Doch dann erkannte er, daß die Idee nicht so dumm war und ging mit gutem Beispiel voran.

Zwar lagen die Mädchen der ZAG-Klasse noch eine ganze Weile wach, weil sie alle an Dumbledore und was ihn so plötzlich aus der Feier herausgerissen hatte denken mußten. Doch wenn er es ihnen nicht sagte, konnten sie es auch nicht verstehen. Irgendwann schliefen sie wohl doch ein. Aurora hörte noch Dinas Schnarchen, bevor sie selbst in einen tiefen Schlaf hinüberglitt. Sie träumte, der dunkle Lord stünde vor ihr, lachte sie aus und richtete dann seinen Zauberstab auf sie:

"Avada Kedavra!" Rief er. Sie sah einen grünen Blitz auf sie zujagen und schrak laut wimmernd aus dem Schlaf. Als sie erkannte, daß sie wohl nur geträumt hatte, beruhigte sie sich langsam. Sie legte sich auf die linke Seite und hoffte, wieder in den Schlaf zu finden ...

"Avada Kedavra", schrillte es plötzlich genau an ihrem rechten Ohr. Sie schoss förmlich bis unter den Betthimmel. Als sie merkte, daß sie nicht mit dem Todesfluch angegriffen wurde, sondern eben nur noch nicht richtig wach oder schon wieder im Traumschlaf gewesen war, ärgerte sie sich über diesen Mordsschrecken.

"aurora, hast du was böses geträumt?" Grummelte Petula noch halb schlafend.

"Schon vorbei, Petula", flüsterte Aurora. "Schon vorbei."

"Schreib es dir auf. Manchmal gehen Alpträume einem besser aus dem Kopf, wenn man sie erzählt oder niederschreibt und dann merkt, warum man jetzt gerade das geträumt hat, sagt meine Mum."

"Mann, was habt ihr zu quatschen", nölte Miriam schlaftrunken.

"Ich habe nur geträumt, Ihr-wißt-schon-wer hätte mich umbringen wollen. Ich muß wohl zwischen Schlaf und Traum gehangen haben, als ich das noch mal gehört habe und erst dachte, er wäre hier im Raum."

"Was, Du-weißt-schon-wer", erschrak Miriam. Dann grummelte sie. "Eh, Mann wegen deinem Gequatsche kriege ich jetzt auch noch Alpträume,Aurora."

"Der kann hier nich' rein. Das Schloß ist gesichert", sagte Petula.

"Der Dunkle Lord ist niedergefallen in der grünen Flamme der Vernichtung. Das junge Leben, das er nehmen wollte, wart behütet zu gut und zu stark für den Meister der bösen Macht", grummelte Dina Murphy mit einer merkwürdigen Stimme, die nicht ihre zu sein schien. "Weil eine gegeben, in Liebe ihr Leben, kann leben der Kleine, und fort ging der eine, der Meister der bösen Macht."

"Hallo, Dina, was ist mit dir los?" Fragte Petula, die nun vollkommen wach war.

"Eh Aurora, schreib das auf!" Zischte Miriam. "Das glaubt uns kein Mensch, auch Dina nicht.

Aurora griff schnell nach einem Pergament und schrieb auf, was sie von Dinas merkwürdig weltentrückter Dichtung behalten hatte. Dann sagte Dina noch etwas, mit dem Aurora gar nichts anfangen konnte, obwohl es ihr doch soviel sagte:

"Harry Potter"

"Häh?" machte Miriam. "Ist das nicht der Junge von James und Lily. Haben meine Eltern zumindest erzählt."

"Ja, stimmt. Wieso hat die jetzt den Namen genannt?"

"Sollen wir sie aufwecken oder warten, bis sie noch was sagt?" Flüsterte Miriam.

"Hmm, ja, wir warten. Ich habe den dumpfen Verdacht, die hat uns gerade was ganz wichtiges erzählt, unheimlich aber auch irgendwie beruhigend."

"Zeigst du mir das noch mal?" Flüsterte Miriam. Petula schlüpfte ebenfalls aus dem Bett. Sie trafen sich bei Aurora, die ihnen im schwachen Zauberstablicht zeigte, was sie von Dinas Schlafgemurmel mitgekriegt hatte. Merkwürdigerweise hatte sie die Verse, die Dina gemurmelt hatte, eins zu eins niederschreiben können, und unten drunter stand der Name Harry Potter.

"Weiß diese Trelawney das? Vielleicht war das eine hellsichtige Trance, wie die von Nostradamus", meinte Petula leise.

"ich weiß nicht, was es war. Sie klang auf jeden Fall nicht wie sie selbst", sagte Aurora Dawn ganz leise. Dina wand sich in ihrem Bett und gähnte.

"Hallo, seid ihr wach oder was?" Sagte sie mit ihrer gewöhnlichen, wenn auch schlaftrunkenen Stimme.

"Aurora hat schlecht geträumt, und du hast im Schlaf gesprochen", sagte Petula zu Dina.

"Echt, dann stimmt das. Meine Cousine Meridith hat das mal behauptet, ich würde im Schlaf reden. Ich habe sie gefragt, was das war. Sie meinte was von Früchten aus schwarzer Erde, die fressen, bevor man sie fressen könne. Zwei Tage später ist meine Tante in einem Feld bei Wales verschwunden. Wir wissen bis heute nicht wie. Meine Cousine behauptet seitdem, ich sei sowas wie'ne Todesfee und wollte nie wieder bei mir übernachten."

"Ah ja", sagte Petula verwirrt. "Sie ist auf einem Feld spurlos verschwunden?"

"Ja, in Wales. Sie wollte da was suchen, Zauberpflanzen, deren Wurzeln das Knochenwachstum beschleunigen, wenn man den Sud in Bandagen gibt und die Brüche damit schient. Sie war noch eine auf dem Pfad der Druiden."

"Oh, Mist. Jetzt kommt mir was", erschrak Aurora. Petula grinste mädchenhaft.

"Das erschreckt dich so."

"Diese Wurzeln, Knochentrost heißt das Kraut, ist ein Rübengewächs das nur auf niedergebrannter Erde wächst. Allerdings sind die sehr empfindlich gegen Vogelkot und andren Unrat. Deshalb leben die gerne in Nutzbeziehung zu Springschnappern, ziemlich gefährliche Teratophyten, also Monsterpflanzen, fleischfressend natürlich. Die schlagen mit ihren Fangapparaten aus ebener Erde raus, fangen sich fliegende Vögel, Fledermäuse und sonst was und natürlich auch Tiere oder Menschen in der Reichweite. Tja, und das ziehen sie dann unter die Erde, die danach ganz normal aussieht."

"Früchte aus schwarzer Erde", murmelte Petula. "Damit waren wohl deine Knochentrostpflanzen gemeint. Früchte, die Fressen, bevor sie gefressen werden. Oha, Dina! Oha!"

"Mach mir bitte keine Angst. Ich habe Nächte lang wach gelegen, weil ich damals schon dachte, ich hätte meine Tante totgemacht. Deshalb habe ich euch und auch Roy diese Kiste nie erzählt. Ja, bitte erzählt das keinem!" Flehte Dina. Aurora multiplizierte dann das, was dina in diser Nacht gesagt hatte und zeigte es ihr.

"Wie komme ich denn auf Harry Potter?" Fragte Dina. Dann las sie noch mal, was davor stand und fragte, ob jemand was mit grünem Feuer der Vernichtung anfangen konnte. Aurora fiel dazu nur der Todesfluch ein, dessen Zauber ein grüner Blitz war und alles tötete, was er traf. Dina Erinnerte sich. Natürlich hatte sie das beim Drachenturm in Hogsmeade auch mitbekommen.

"Moment, das würde ja heißen, wenn es stimmt, daß Du-weißt-schon-wer sich selbst mit diesem Fluch ausradiert hat. So verstehe ich das jetzt."

"Weil eine gegeben in Liebe ihr Leben ..." überflog Aurora eine andere Zeile.

"Hui, langsam glaube ich doch, daß Wahrsagen was taugen könnte, wenn es von echten Talenten betrieben wird."

"Mit dem Satz können wir noch nichts anfangen. Aber ich bin mir sicher, daß du uns was weisgesagt hast, Dina, oder vielleicht was vergangenes wiedergegeben hast. Wovon has'n du geträumt?"

"So'n total öder Traum. Ich war in einer Wüste, nur Sand und die grelle Sonne, ganz heiß. Dann sah ich so einen Kamelreiter, der langsam auf mich zukam und mich ansprach, aber für mich total unverständlich. Weil ich ihn nicht verstehen konnte, ist er weitergeritten. Das war's auch schon."

"Hast du, wo du das mit den Pflanzen gesagt hast auch was merkwürdiges oder total langweiliges geträumt?" Wollte Aurora wissen.

"Eh, da war ich gerade fünf. Das weiß ich heute nicht mehr", maulte Dina. Doch Aurora empfand es so, als ärgere Dina sich darüber, daß sie jetzt, wo man ihr den Spruch von damals gedeutet hatte, sowas vielleicht wichtiges nicht mehr wußte. Deshalb nahm sie rasch Pergament und Federkiel zur Hand und schrieb sich ihren heutigen Traum auf. Dabei schien ihr einzufallen, wie die Wüste genau aussah, was der Kamelreiter anhatte und versuchte, sich einige Wortfetzen aus dem Gedächtnis zu graben. Doch irgendwann entschlüpfte ihr der Traum. Doch was sie im Schlaf gesprochen hatte war niedergeschrieben.

"Ihr müßt mir versprechen, daß ihr das keinem von den anderen Schülern erzählt, was ich diese Nacht gesagt habe. Fehlt noch, daß ich hier für 'ne durchgedrehte Orakelschwester gehalten werde. Das möchte ich nicht", bat Dina.

"Das verspreche ich dir, Dina. Aber ich möchte dich um die Erlaubnis bitten, deine Wörter im Schlaf Dumbledore zu zeigen, wenn er wieder da ist. Wenn das wirklich eine Weissagung wahr, die echt durch dich hindurchgekommen ist, dann könnte sie wichtig sein. Ich hörte, daß es irgendwo im Zaubereiministerium eine Abteilung gibt, die die Zukunft erforscht und irgendwelche Prophezeiungen sammelt. Keine Sorge, ich gebe denen das von dir nicht. Aber vielleicht möchte Dumbledore das für sich alleine haben und behält das nur für sich, wenn du das so willst."

"Ich sehe es ein, daß du dir damit was auflädst, wenn du es nicht an Dumbledore weitergibst. Aber sage ihm bitte, ich wüßte nicht, woher das kam und ob ich das von mir aus kann oder es irgendwie zu mir kommt und dann wieder geht."

"Mache ich", versprach Aurora Dawn. Dann zogen sich die Mädchen in die Betten zurück und holten noch etwas Schlaf nach.

Am nächsten Morgen stand Aurora Dawn sehr früh auf, verließ den Schlafsaal und beeilte sich mit dem Waschen und Anziehen. Sie wollte unbedingt nachsehen, ob Professor Dumbledore schon wieder zurückgekehrt war. Sie lief durch das noch ziemlich dunkle Schloß zu den Wasserspeiern vor dem Eingang zum Turm des Schulleiters. Gerade in dem Moment tat sich die steinerne Tür vor ihr auf, und Professor McGonagall trat auf den Korridor hinaus.

"Was suchen Sie hier, Ms. Dawn?" Herrschte sie Aurora an, die erschrocken zurückgesprungen war.

"Ich wollte fragen, ob Professor Dumbledore wieder da ist, Professor McGonagall. Diese Nacht ist was merkwürdiges in unserem Schlafsaal passiert, was ich ihm erzählen wollte."

"Professor Dumbledore ist diese Nacht nur einmal zurückgekehrt, um uns Lehrer zu instruieren, wie der heutige Tag stattfinden soll. Außerdem kann das, was diese Nacht in Ihrem Schlafsaal geschehen ist, nicht so überragend sein, wie das, was hoffentlich in dieser Nacht in Godric's Hollow passiert ist", sagte die Lehrerin und lächelte erst, um dann verbittert dreinzuschauen. Aurora wußte nicht, was das bedeutete. Sie fragte:

"Was ist denn geschehen?"

"Das wird der Schulleiter Ihnen und allen anderen schon früh genug erklären, wenn feststeht, daß es wirklich geschehen ist", sagte Professor McGonagall. Dann schob sie Aurora bei seite, sodaß der Einstieg zum Turm sich schloß.

"Gehen Sie bitte umgehend in Ihren Gemeinschaftsraum zurück. Ich habe zu Tun", fauchte die Verwandlungslehrerin und bugsierte Aurora in Richtung Korridor. "Gehen Sie bitte wieder zurück in Ihren Gemeinschaftsraum! Sie haben bestimmt genug Aufgaben dort zu erledigen", fügte sie noch unerbittlich hinzu.

Aurora fühlte, daß die Hexe im smaragdgrünen Umhang es sehr ernst meinte und fügte sich der Anweisung.

Im Gemeinschaftsraum warteten schon Petula, Miriam und Dina. Bruster kam mit Mortimer und Roy auch aus dem Schlaftrakt.

"Dumbledore war diese Nacht nur kurz hier, sagte mir Professor McGonagall. Sie hat mich vor dem Eingang zum Direktorenturm abgefangen", berichtete Aurora schnell.

"Hast du ihr was erzählt?" Fragte Petula ganz leise. Aurora Dawn schüttelte den Kopf. Petula nickte.

"Wir haben abgemacht, daß nur Dumbledore das wissen soll", flüsterte die neue Vertrauensschülerin in Ravenclaw. Die Mädchen nickten.

"Du warst bei Dumbledore?" Fragte Bruster, der nur den Namen und das mit dem Turm herausgehört hatte.

"Ich wollte zu ihm, aber Professor McGonagall hat mich dort erwischt und mich zurückgescheucht. Dumbledore sei was rauskriegen, was ganz wichtig sei, und es sei wohl etwas sehr überragendes in der Nacht passiert. Mehr hat sie nicht gesagt", sagte Aurora nun laut genug.

"Jaa und?" fragte Roy.

"Sie ist jetzt irgendwo unterwegs. Irgendwie hatte sie es eilig", sagte Aurora Dawn.

"Komisch", meinte Mortimer. "Hoffentlich ist nichts mieses passiert, das Ihr-wißt-schon-wer verbrochen hat!"

"Den gibt's nicht mehr", sagte unvermittelt Geoffrey Forester und hielt einen Brief in der Hand. "Die Eule kam gerade von meinem Onkel Austin aus Godric's Hollow. Der hat beobachtet, wie er, der nicht beim Namen genannt werden darf, in ein Haus hineingestürmt ist, sich mit einem schwarzhaarigen Zauberer ein ziemlich heftiges Duell geliefert hat und dabei das Haus in Trümmern gelegt hat. Er hörte wohl noch eine Frau um Hilfe und Gnade rufen, und das ihr Harry nicht sterben sollte. Dann war erst Ruhe und dann krachte es heftig. Mein Onkel schreibt, er habe mehrere grüne Blitze sehen können, aber der letzte sei der heftigste gewesen. Die hätten lange gewartet, ob das dunkle Mal am Himmel auftauchen würde. Aber es kam nichts. Niemand kam aus dem Haus raus. Dann seien welche hingegangen und hätten nachgesehen. Dabei haben sie ein Ehepaar tot und einen schreienden Jungen gefunden, der eine ziemlich heftige Wunde an der Stirn gehabt haben soll. Dumbledore sei zusammen mit Hagrid da aufgetaucht und hat sich mit den Leuten unterhalten. Dann hat er die Toten begutachtet und dann den Jungen. Schließlich hat er den Umhang des Unnennbaren gefunden. Der war auf Bauchhhöhe eingerissen, schreibt mein Onkel. Doch von ihm selbst war nichts zu finden."

"Moment, soll das heißen, dieser Mörder wäre verschwunden?" Fragte Roy Fielding.

"Er kam nicht aus dem Haus raus und disapparieren kann man in Godri'c Hollow nicht, fragt mich nicht warum, vielleicht weil da auch Muggel unmittelbar nebendran wohnen. Jedenfalls hat Dumbledore alle zurück in die Häuser geschickt."

"Dann hat dein Onkel nichts eiligeres zu tun gehabt, dir den Brief zu schicken?" Fragte Aurora etwas mißtrauisch. Es wäre zu schön, wenn der dunkle Lord, der nicht nur ihrer Familie so viel Leid zugefügt hatte einfach verschwunden war.

Der Gemeinschaftsraum füllte sich. Viele Schüler hatten Eulen bekommen und jubelten schon: "Du-weißt-schon-wer ist weg!"

"Das müssen wir erst von jemandem hören, der näheres darüber sagen kann", wandte Geoffrey ein.

Die Nachricht, er, dessen Name nicht genannt werden durfte, sei verschwunden, war in dieser Nacht wohl an mehrere Leute in Hogwarts geschickt worden. Jedenfalls sprachen die Schüler auf dem Weg zur großen Halle von nichts anderem.

Snape und Flitwick, die in der Halle am Lehrertisch saßen, diskutierten erregt über etwas, eindeutig dasselbe Thema wie die Schüler. Irgendwann stand Flitwick auf und stellte sich auf einen Stuhl, um alle überblicken zu können.

"Hallo, darf ich mal was sagen?!" Rief er mit seiner hohen, quiekenden Stimme in die wilde Plapperei hinein. Es dauerte einige Schschschs und mindestens eine Minute, bis alle still waren. "Danke Ihnen, daß Sie mir zuhören. Also, wie ich mitbekommen habe, wissen einige von Ihnen schon, daß am Abend von Halloween ein Überfall auf ein Haus in Godri'cs Hollow stattgefunden hat. Er, der in den letzten Jahren so viel Unheil und Tod über uns alle gebracht hat, hat eine junge Familie, die Familie Potter angegriffen und die beiden Eheleute getötet. Offenbar wollte er auch den Jungen Harry töten. Aber irgendwie mißlang ihm das wohl sehr gründlich. Wir wissen nicht wieso, aber es spricht sehr viel dafür, daß sein tödlicher Fluch, den er auf den kleinen Jungen schleudern wollte, auf ihn selbst zurückgefallen ist. Die Beobachtungen der Augenzeugen sprechen von einer Leuchterscheinung, die sehr intensiv war. Am Ort des Geschehens fand man nur noch seinen Umhang vor, keine Leiche und keine wie auch immer geartete Hinterlassenschaft des grausamen Magiers. Da wegen der überwiegenden Anzahl von Muggeln in Godri'cs Hollow eine Antiapparitions und -disapparitionsbezauberung wirksam ist, kann er nicht auf die übliche rasche Art verschwunden sein. Er ist also fort."

"Ist der Bastard tot?" Fragte ein Gryffindor-Viertklässler.

"Hüte dich, ihn so zu nennen!" Brüllte ein Slytherin-Viertklässler zurück. Aurora sah jedoch in den Gesichtern vieler Slytherins eine tiefe Ratlosigkeit. Bei einigen, darunter auch Tonya Rattler und Loren Tormentus, entdeckte sie etwas wie Erleichterung.

"Nun, wenn keine Leiche gefunden werden kann, ist er nicht tot", sagte Flitwick schnell. Darauf hin hob wildes Durcheinanderplappern an. Der Zauberkunstlehrer winkte wild mit seinen dünnen, kurzen Ärmchen, bis wieder Stille eintrat. Dann sagte er ruhig:

"Aber wir müssen davon ausgehen, daß er alle Macht verloren hat. Wenn der Fluch ihn wirklich getroffen hat, kann er unmöglich bei vollen Kräften geblieben sein. Mehr kann und möchte ich im Moment nicht sagen. Nur soviel: Professor Dumbledore hat uns Lehrer gebeten, heute nichts in Richtung Unterricht zu unternehmen, bis er wieder da ist. Allerdings möchte er haben, daß wir bis zu seiner Rückkehr nicht vor die Tür gehen. Also kehren Sie in Ihre Häuser zurück oder bleiben Sie in den Räumen der Bibliothek! Zumindest aber frühstücken Sie alle reichlich!"

"Verdammt, ist dieser Kerl nun erledigt oder nicht?" Wollte der Gryffindor-Viertklässler von eben wissen.

"Im Sinne von entmachtet sicher", sagte Flitwick, während Snape sehr ungehalten umherblickte. Dann fingen einige an, den Namen Harry Potter zu skandieren. Das die Eltern des Jungen, die die älteren Schüler hier noch kennengelernt hatten tot waren, ermordet von ihm, dessen Name nicht genannt werden durfte, oder doch jetzt vielleicht, wog schwer. Doch die Freude, daß der achso gefürchtete und gehaßte Schwarzmagier seinem eigenen Fluch zum Opfer gefallen war überflügelte diese traurige Erkenntnis um ein vielfaches.

"Warum sollen wir im Schloß bleiben?" Fragte Aurora Dawn Geoffrey.

"Weiß nicht. Vielleicht wollen die nur sicherstellen, daß ..."

Eulen schwirrten aufgeregt in die Halle hinein und suchten Schülerinnen und Schüler, für die sie Briefe oder Päckchen hatten. Jeder, ausnahmslos jeder, wurde von einer Eule angeflogen. Aurora wurde von der Eule ihrer Großmutter Regan angeflogen. Sie las einen Brief von ihr, wo drinstand, daß die beinahe verschwundene Hoffnung, der Unnennbare würde doch noch fallen, sich endlich erfüllt habe. Mrs. Regan Dawn schilderte, was sie selbst in der Nacht noch von einem Bekannten in der Nähe von Godric's Hollow erfahren hatte, was sich mit dem Deckte, was Professor Flitwick erzählt hatte. Als dann noch alle, die den Tagespropheten bezogen, ihre Tagesausgaben bekamen, jubelten alle wieder lauthals. Zwar prangte auf der Titelseite die abstoßend schreckliche Fratze des gefürchteten Erzdunkelmagiers, doch quer darüber, als wollten die Seitengestalter zeigen, daß sie ihn nicht mehr zu fürchten brauchten, zog sich die Riesenschlagzeile:

DER UNNENNBARE IST AUF WUNDERSAME WEISE VERSCHWUNDEN

"Das hinter den fingerlangen Buchstaben wie hinter einem Zaun befindliche Gesicht funkelte alle verhaßt an, die es betrachteten, wippte vor und zurück, doch prallte ständig gegen die vor ihm liegenden Buchstaben. Dazu stand noch ein kurzer Artikel, gewürzt mit Augenzeugenberichten. Der Reporter, der diesen Artikel geschrieben hatte, fragte, wann Dumbledore diese Sensation verkünden und seinen Sieg im jahrelangen Kampf gegen den Unnennbaren feiern würde. Auf der nächsten Seite stand:

"Harry Potter, der Junge der noch lebt". Darin wurde über die Potters berichtet, daß sie sehr gute Schüler in Hogwarts gewesen waren und wohl zu einer guten Existenzgrundlage gekommen waren. Harry, der Erstgeborene, sei in diesem Sommer gerade ein Jahr alt geworden. Wie er den Todesfluch überleben konnte könne sich niemand erklären. Feststehe nur, daß das Kleinkind eine geheimnisvolle Kraft besitzen müsse, die dem dunklen Lord den Garaus gemacht hatte. Damit sei Harry Potter ein Held ohne es zu wissen, der Junge, der lebte.

Wieder riefen die Schülerinnen und Schüler an den Tischen von Ravenclaw, Hufflepuff und am lautesten dem der Gryffindors: "Harry Potter! Harry Potter!" Dabei klatschten sie, als würden sie den Jungen beim Quidditch anfeuern. Snape sah dabei sehr zornig aus. Mochte es angehen, daß er es nicht unterdrücken konnte, wie weh es ihm tat, daß Voldemort von einem kleinen, unschuldigen Jungen entmachtet worden sein sollte. Immer wieder hob er den linken Arm, um sich Schweißtropfen von der Stirn zu wischen. Flitwick sah hilfesuchen Professor Sprout an. Als Snape drauf und dran war, aufzuspringen und die Harry-Potter-Rufe mit seinem zauberstab verstummen zu lassen, griffen Flitwick und die runde Kräuterkundelehrerin ihn beide bei den Schultern. Dann stand Flitwick auf, stellte sich abermals auf den Stuhl und schrillte:

"Hallo, meine Damen und Herren! Ruhe!!!" Alle blieben wie vom Donner gerührt starr und stumm sitzen.

"Wir, die Hauslehrer, haben gerade beschlossen, daß bis auf weiteres niemand außerhalb der Gemeinschaftsräume der zugeteilten Häuser herumlaufen darf. Ich weiß, Sie alle freuen sich nun unbändig, weil eine sehr große Bedrohung von uns abgefallen ist. Aber dies darf nicht in unüberlegte Aktionen ausarten. Kehren Sie also bitte alle in Ihre Häuser zurück!"

"Häh?" Fragte Roy. Aurora deutete auf den Slytherin- und den Gryffindor-Tisch.

"Wir machen besser, was er gesagt hat. Kuck sie dir an. Die Slytherins sind ziemlich verärgert, und die Gryffindors lauern wohl auf eine Gelegenheit, sich mit denen zu prügeln oder mit Zaubern zu beharken. Also kommt bitte! Vivian, Nelly, ihr bleibt bitte ganz dicht bei mir!" Kommandierte Aurora Dawn mit selbst ihr unheimlicher Strenge.

Kaum waren die ersten Reihen von Schülern aus der Halle, hörten sie auch schon das Zischen und Prasseln von Flüchen. Aurora Dawn zwang sich, nicht in panischer Eile davonzurennen. Bruster, der mit den anderen Vertrauensschülern die Nachhut bildete, wirbelte einmal zur Halle herum, den Zauberstab hochreißend. Da krachte ein blauer Blitz auf ihn, prallte laut fauchend davon und schlug dumpf krachend in die Wand ein. Die Vertrauensschüler hatten Mühe, ihre Schützlinge von einer unkontrollierbaren Flucht abzuhalten. So rannten sie immer schneller, bis sie das Eingangsportrait erreicht hatten. Bruce war da. Zum Glück! So konnten alle Ravenclaws rasch in ihren Gemeinschaftsraum hinüberwechseln. Geoffrey Forester sprang als letzter durch den Einstieg. Das Portrait fiel hinter ihnen in seine Ausgangsstellung zurück.

"Mist, wie konnte sowas passieren?" Fragte Geoffrey außer Atem.

"Spontane Randale, Geoffrey. Das passiert auf Fußballplätzen der Muggel ziemlich oft. Die einen sind vor Freude und von Alkohol besoffen, weil ihre Mannschaft gewonnen hat, die anderen sind total wütend und auch besoffen. Dann kann Jubel ganz schnell in eine wilde Prügelei umschlagen", sagte Bruster. "Habt ihr Professor Snape gesehen. Der hätte am liebsten alle niedergeflucht, weil sie den kleinen Harry Potter bejubelt haben. Wußte doch, daß der nicht so harmlos ist."

"Keine Unterstellungen, Bruster. Das ist nicht deine Aufgabe", maßregelte Forester den jüngeren Kameraden und Vertrauensschüler.

"Flitwick hat's gerochen, daß es zum großen Knall kommt", sagte Petula. "Klar denken die Gryffindors jetzt, die Slytherins für die ganze Grausamkeit zahlen zu lassen. Dumbledore soll machen, daß er wieder herkommt."

"Wir bleiben in den Häusern. Niemand verläßt ohne die eindeutige Anweisung eines Lehrers diesen Raum! Verstanden?" Kommandierte Geoffrey. Alle nickten. Geoffrey wirkte sichtlich verängstigt. Die Lage war für ihn total unübersichtlich.

Der Belagerungszustand, den Flitwick und die anderen Lehrer verfügt hatten, hielt bis zum Mittagessen vor. Dann durften kleinere Gruppen der Schüler in die große Halle zum Essen, immer begleitet von einem Vertrauensschüler. Anschließend durften die Schülerinnen und Schüler zumindest in die Bibliothek, um dort zu lesen und sich mit Kameraden aus anderen Häusern zu treffen. Dann kam das Abendessen, das wieder so eingeteilt wurde, daß sich kleinere Gruppen in der Halle aufhalten durften. Danach wurden alle wieder in ihre Häuser geschickt.

Spontane Parties wurden organisiert. Jeder holte die Süßigkeiten und Getränke, die einen Tag zuvor in Hogsmeade angeschafft worden waren und die mindestens eine Woche hätten reichen sollen. Spät abends erschien Professor Flitwick im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und forderte unmißverständlich alle auf, sofort in die Schlafsäle zu verschwinden. Widerspruchslos gehorchten die Schülerinnen und Schüler.

"Bin gespannt, was mit dem Jungen passiert", sagte Miriam.

"Mit Harry Potter. Hat der keinen Paten?" Fragte Aurora Dawn.

"Bestimmt. Aber die Leute vom Tagespropheten werden den nicht mehr in Ruhe lassen. Außerdem könnten die Leute von Ihr-Wißt-schon-wem sich rächen wollen."

"Oh, kann passieren. Aber wenn der Meister schon nicht gegen den Jungen gewinnen konnte, dann kriegen die Handlanger den auch nicht unter", erwiderte Petula. "Außerdem sind die jetzt Führungslos. Vielleicht bekriegen die sich jetzt sogar untereinander, wer von ihnen der Stärkere ist."

"Oh nein, dann geht der Terror doch weiter", quängelte Dina.

"Du glaubst doch nicht, daß Dumbledore jetzt, wo die ihren großen Anführer verloren haben, aufhört, bevor er und Crouch nicht alle einkassiert haben, die als erwiesene Helfer von ihm herumgelaufen sind", sagte Aurora.

"Wenn sie die alle kriegen, Aurora", knurrte Miriam.

Am nächsten Morgen waren Dumbledore und Professor McGonagall wieder da. Dumbledore bestätigte noch einmal, daß Voldemort ein Opfer seines eigenen Fluches geworden sei, aber wohl nicht tot im eigentlichen Sinne war, sondern wohl in einer körperlosen Existenzform zubrachte. Auf die Frage, was mit Harry Potter sei sagte Dumbledore:

"Harrys Mutter war Muggelstämmig. Ich habe den Jungen bei seinen nichtmagischen Verwandten untergebracht. Dort ist er vor allen Nachstellungen und Bedrängnissen sicher."

"Bei Muggeln?" Fragte Roy.

"Jawohl, Roy. Dort allein kann er in Ruhe aufwachsen, ohne den Ruhm, den er ohne es zu wollen erworben hat, ohne Angst vor den Erben Voldemorts und in Frieden."

"Mag sein", grummelte Roy. Da Dumbledore nicht verraten wollte, wo diese Muggel lebten, war nicht mehr zu dieser Sache herauszubekommen. Der zweite November, der zweite Tag nach dem Sturz Voldemorts, wurde als normaler Unterrichtstag fortgesetzt.

Am Nachmittag ging Aurora zusammen mit Petula, Dina und Miriam zu Dumbledore und erzählte ihm von Dinas im Schlaf gesprochener Prophezeiung. Denn für die vier Mädchen stand nun fest, daß Dina den Fall des Unnennbaren beschrieben hatte. Dumbledore hörte es sich ruhig an. Aurora fürchtete schon, er könne ihnen vorhalten, es sei Wichtigtuerei, ihm jetzt mit dieser Geschichte zu kommen. Doch der Schulleiter nahm sehr Aufmerksam Notiz von der Sache und fragte Dina, ob sie das schon früher erlebt hatte, irgendwas im Schlaf erzählt zu haben, das entweder weit weg gerade passierte oder erst später passiert sei. Dina nickte und erzählte die Sache, die sie Aurora erzählt hatte.

"Eine Traumseherin. Selten aber in der Literatur als bereits vorgekommen belegt", sagte Dumbledore. "Manche können in ihren Träumen Dinge miterleben oder vorhersehen oder von etwas träumen, daß ihnen Rätsel aufgibt, die sich durch die wirklichen Ereignisse lösen lassen. Du hast von einer Wüste und einem Kamelreiter geträumt, sagst du?" Dina nickte. "Der Sand war hell, das Fell des Kamels war auch hell und die Sonne schien. Wahrscheinlich steht die Sonne für die Kraft des Lichtes, also das, was wir banal als das Gute bezeichnen. Daß der Kamelreiter mit dir in einer für dich unverständlichen Sprache gesprochen hat könnte dafür stehen, daß etwas großes, dir nicht oder noch nicht greifbares geschehen ist. Ich habe Imagos Traumorakel ziemlich häufig studiert, um echte von falscher Präkognition, also der Voraussicht der Zukunft unterscheiden zu können. Du möchtest, daß ich das von dir gehörte für mich behalte? Das werde ich tun. Ich kann dir nur sagen, es stimmt alles, was du im Schlaf gesagt hast."

Als die Mädchen sich von Dumbledore verabschiedet hatten, lächelte der Schulleiter. Dina hatte tatsächlich den gesamten Zusammenhang widergegeben. Aber da sie nicht wollte, daß jemand anderes davon wußte, mußte er sie auch nicht dazu anhalten, es keinem zu erzählen.

__________

Die Novemberwochen waren eine Mischung aus Freudenfest und Anstrengungen. Im Unterricht drangsalierten ausnahmslos alle Lehrer ihre ZAG-Schüler. Doch Snape schien es eine wahre Wonne zu sein, Punkte von allen Häusern abziehen zu können, wenn er Gelegenheit dazu bekam. Offenbar wollte er keinem einen übergroßen Vorsprung vor Slytherin gönnen, solange dieses Haus keine Punkte zugesprochen bekommen durfte.

Aurora Dawn hmußte einmal Vivian aus einer Spontanschlacht zwischen Gryffindors und Slytherins herausholen. Denn seit dem offiziellen Ende der Schreckensherrschaft Voldemorts machten sich die Angehörigen getöteter Hexen und Zauberer unverhohlen Luft und bedrängten die Slytherins förmlich mit Vergeltungsmaßnahmen. Aurora brachte Vivian in den Krankenflügel, weil ein Fluch ihren rechten Arm mit grünen Schuppen überzogen hatte und die echsenartigen Hautlappen sich rasch über die Schulter und den Nacken auszubreiten begonnen hatten.

"Ach, der Krokodilhautfluch", knurrte Madame Pomfrey, bevor sie mit einigen Gegenzaubern erst die krankhafte Vermehrung der grünen Hautlappen stoppte und sie sich dann mit einem Gegenfluch zurückbilden ließ. Als dann noch weitere Opfer des magischen Gerangels eingeliefert wurden, schimpfte sie, was das sollte, sich derartig hemmungslos zu verunstalten oder zu verletzen.

Zwei Tage dauerten die wilden Zauberkämpfe in den Korridoren, in den Parks und auf dem Schulhof an, bis Dumbledore beim Abendessen aufstand und sprach:

"Ich sehe nicht ein, daß wir nun, wo wir von dem Alpdruck Voldemorts befreit sind, in grenzenloser Barbarei aufeinander einfluchen sollen. In einer Woche soll das Training der Quidditchmannschaften wieder aufgenommen werden. Ich sehe es jedoch nicht ein, dieses Jahr und überhaupt danach noch ein Turnier zu gestatten, wenn meine Schüler sich derartig wild gebärden. Deshalb schreibt euch das hinter die Ohren, ganz dick, von jetzt an herrscht wieder Ruhe und Ordnung in Hogwarts. Bekomme ich mit, daß ihr euch nicht mehr benehmen könnt, sage ich das Quidditchturnier ab und werde zudem noch alle Punktegläser verhüllen lassen. Ihr werdet dann alle keinen einzigen Punkt für eines eurer Häuser erhalten, und das für den Rest des Schuljahres. Ich bin immer noch der Schulleiter hier und dulde das nicht! Habt ihr das verstanden?"

"Jawohl, Professor Dumbledore", sprachen alle Schüler im Chor.

"Das hoffe ich. Denn sonst werde ich noch ganz andere Saiten aufziehen müssen", schnaufte Dumbledore. Sein langer Bart bebte förmlich vor Wut. Aurora fühlte es wie die anderen hier auch, daß man Dumbledore zu lange geärgert hatte.

Tatsächlich gab es ab diesem Abend keine unerlaubten Zaubererkämpfe mehr. Bernhard Hawwkins, der nach den Wochen im St.-Mungos-Hospital wieder der Alte war, traf sich mit Aurora im Park, kurz nur, weil er sich nicht länger als nötig von seinen Aufgaben abhalten lassen durfte.

"Bin froh, daß der Kerl weg ist, Aurora. Du auch?"

"Wenn du den Unnennbaren meinst, bin ich auch froh, Bernhard."

"Das wird dieses Jahr eng mit dem Turnierplan. Ich hörte von Professor McGonagall, daß der Vorweihnachtsausflug nach Hogsmeade ausfallen soll, um das Spiel ihr gegen Hufflepuff stattfinden zu lassen."

"Ich freue mich drauf", sagte Aurora Dawn. Dann gab sie Bernhard noch einen Kuß zum Abschied und kehrte ins Schloß zurück.

__________

Gryffindors Mannschaft spielte überlegen. Die eilig von Slytherin zusammengewürfelte Mannschaft ging bereits in den ersten zehn Spielminuten gnadenlos baden. So war der Schnatzfang für Gryffindor eher eine Erlösung als eine Demütigung für die Slytherins, die wußten, daß sie sich selbst ein Bein gestellt hatten. Doch Dumbledores Wut war auch ihnen, die sonst so alles überragend auftraten, zu gefährlich, um gegen seine Anweisungen zu verstoßen.

Bei klirrender Kälte fand kurz vor Weihnachten das zweite Spiel statt. Im dichten Schneetreiben versuchten Hufflepuffs und Ravenclaws, sich die Klatscher um die Ohren zu hauen, den Quaffel im gegnerischen Tor unterzubringen und vor allem den Schnatz zu fangen. Eine halbe Stunde dauerte dieses Spiel, während der fallende Schnee alle Spieler wie in Puderzucker einhüllte. Da krachten zwei der alten Schulbesen im Flug auseinander. Die Reisigbündel waren durch den Schnee zu steif geworden, und eine Kurve reichte, sie in der Mitte auseinanderzubrechen. Schnell holten die Lehrer die beiden besenlosen Spieler sicher auf den Boden herunter. Doch als Mortimers Besen bei einem schnellen Steigflug einen Teil seines Schweifes verlor und Mortimer hilflos nach unten trudelte, wußte Aurora, daß diese Flugbesen im Winter nichts taugten. Sie merkte es selber, daß ihr Besen die wilden Manöver nicht mehr mitmachen wollte. Zwar trug sie gefütterte Handschuhe und ein Kopftuch unter ihrem blauen Hut. Doch sie bangte um jede Sekunde, die sie näher an den nächsten Absturz heranbringen würde. Als sie dann noch einem Klatscher ausweichen mußte, knirschte der Besen bedrohlich unter ihr und schüttelte sich protestierend.

"Meridies hat den Schnatz!" Rief Jodocus Barkley, der zwar schon einmal ein Spiel für den im letzten Jahr fertig gewordenen Lograft kommentiert hatte und nun noch zwei Jahre als neuer Stadionsprecher engagiert war. Aurora Dawn brachte den Besen rasch zu Boden. Als sie absaß, brach der Besenschweif ab.

"Brennholz!" Schnaubte Aurora und trat den flugunfähig gewordenen Besen mit dem linken Fuß weg.

"Madame Hooch, so geht's nicht mehr weiter", schnaubte sie die Fluglehrerin und Quidditch-Schiedsrichterin an.

"Das finde ich zwar auch, Ms. Dawn. Aber es läßt sich nichts daran Ändern. Bei Schneefall haben wir die Besen seltenst benutzt."

"Ich bin schon im Winter geflogen, Madame Hooch. Aber diese Krücken da halten nix aus."

"Ich bin die falsche Adresse für Beschwerden", schnaubte die gelbäugige Lehrerin mit dem grauen Haarschopf.

"Sie sind die Fachleiterin Besenflug und Quidditch", zischte Aurora. "Bei wem sollen wir uns bitte sonst beschweren?"

"Beim Schulleiter und dem Elternrat", schnaubte Madame Hooch zurück. Dann eilte sie ohne weiteres Wort davon.

"Das Sind Selbstmordgeräte", schimpfte Mortimer im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum. "Wenn wir nach Neujahr auf diesen morschen Ästen gegen die Slytherins ranmüssen hauen die uns und sich alle vom Himmel."

"wir können nix dagegen machen", wandte Bruster ein. "Die Schulordnung verbietet die Benutzung eigener, modernerer Rennbesen, weil angeblich die Gleichberechtigung zwischen den Schülern leidet, weil die einen teure Superbesen wie den Nimbus 1500 und die anderen museumsreifen Sauberwisch 1 und 2 benutzen, deren Eltern keinen Knut mehr als nötig haben."

"Das ist kein Grund", erwiderte Aurora, und Mortimer nickte.

"Leute, wir sollten nach Weihnachten mit Professor Dumbledore reden, daß das Unsinn ist, auf überholten und angeknacksten Rennbesen zu spielen", sagte Aurora Dawn.

"Das Verbot für eigene Besen ist jahrzehnte im Gebrauch, seitdem einige überreiche Slytherins supergute Besen ihrer Zeit hatten. Das wird schwer sein, was dagegen zu machen."

"Ich werde notfalls alleine mit Professor Dumbledore reden. Allerdings mache ich das erst nach Weihnachten", sagte Aurora Dawn.

"Wie du meinst", sagte Bruster Wiffle.

__________

An einem Morgen vor den Weihnachtsferien brachte der Tagesprophet eine verspätete Nachricht von einem gefaßten Todesser. Der Zauberer Sirius Black war einen Tag nach dem Sturz des Unnennbaren von einem Zauberer namens Peter Pettigrew auf einer Muggelstraße gestellt worden. Black hatte dabei 13 Leute mit einem einzigen Fluch erledigt, Muggel und Pettigrew. Darüber hatte er nur laut gelacht und sich beinahe widerstandslos von den Strafverfolgungszauberern festnehmen lassen.

"Wir erhielten diese Nachricht erst jetzt, da das Zaubereiministerium prüfen mußte, ob außer Black noch weitere ehemalige Gefolgsleute dessen, dessen Name nicht genannt werden darf, in unmittelbarer Nähe waren und eventuell noch hätten gefaßt werden können", las Aurora die Begründung, weshalb erst jetzt, so viele Wochen später die Meldung über Blacks Festnahme gebracht worden war. Denn da sich der Vorfall auf einer Muggelstraße zugetragen hatte, war wohl kein Zauberer außer den Ministerialbeamten darüber informiert gewesn.

Aurora erschreckte diese Nachricht. Denn sie hatte Sirius Black als angeblich besten Freund von James Potter und Peter Pettigrew erlebt. Mochte es sein, daß das nur vorgetäuscht gewesen war? Hatte Sirius Black seinen einstigen Schulkameraden verraten und danach noch Peter Pettigrew ermordet? Das wäre grausam, weil es zeigte, daß man wirklich niemandem trauen durfte. Aurora wußte nicht, was sie mit dieser Meldung anfangen sollte. Doch Dumbledore erzählte am Abend, daß es durchaus vorkommen könne, daß Leute, die einmal gut miteinander befreundet waren, zu erbitterten Feinden werden konnten, wenn Angst und Neid die Beziehung vergifteten. Er warnte alle, sich nicht von diesen bösartigen Gefühlen anstecken zu lassen, da Freundschaft und Kameradschaft die wichtigsten Besitztümer im Leben waren. Aurora hörte ihm an, daß er sehr traurig war. Offenbar fühlte er sich irgendwie schuldig an dem Tod der Potters und dem, was aus Sirius Black geworden war.

Professor Dumbledore verließ Hogwarts immer wieder, um an Gerichtsverhandlungen gegen gefaßte Todesser teilzunehmen. Doch Professor McGonagall paßte scharf auf, daß in seiner Abwesenheit niemand über die Stränge schlug.

Roy bekam einen Brief seiner Schwester Erica, die ihm mitteilte, sie würde im neuen Jahr nach England zurückkehren, um ein kleines Haus in der Nähe von Liverpool zu beziehen. Roy könne zu ihr nach Australien kommen oder in Hogwarts bleiben. Er entschied sich, wie alle seine ZAG-Kameraden in die Ferien zu fahren. Das schickte er Erica mit einer Expresseule über Hogsmeade.

Als die, die in die Ferien fahren wollten, am Bahnhof Kings Cross aus dem Hogwarts-Express ausstiegen, fühlten sie gleich, daß es jetzt etwas anderes war. Keine Aurorentruppe stand hier wache. Sicher, die jagten die schwarzen Magier, die nun versprengt im Lande herumstromerten. Doch für Gleis 9 3/4 schien keine Gefahr mehr zu bestehen.

Die Dawns und Priestleys holten ihre Kinder vom Zug ab. Aurora sah Erica Fielding, die zwischen den Murphys Stand, die auf ihre Tochter Dina warteten. Sie winkte ihr zu. Erica lächelte. Ihr Gesicht wies keinerlei Narben auf. Nur ihre Nase war etwas kleiner geworrden. Offenbar hatte man in der Sana-Novodies-Klinik unrettbare Hautpartien durch Stückchen aus der Nase ersetzen müssen. Aurora hatte von Madame Pomfrey gehört, daß sowas bei Gesichtsverletzungen vorkam.

Als sie mit ihren Eltern durch die Barriere gegangen war, atmete sie die kalte Luft der Großstadt. Trotz des Muggelqualms und des Lärms unzähliger Autos genoß Aurora die Umgebung. Es weihnachtete, das erste Weihnachten ohne den Zauberer, dessen Namen auch nach seinem wundersamen Niedergang niemand laut auszusprechen wagte.

ENDE

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