NEUE ZEITEN

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Die Junghexe Aurora Dawn hat die nächste Stufe in ihrem Leben erreicht. Sie hat das fünfte Jahr im Zaubereiinternat Hogwarts hinter sich gebracht. Fünf Jahre voller lustiger, trauriger, erschreckender und aufmunternder Ereignisse. Zwar sind sie und die in Slytherin untergebrachte Schülerin Tonya Rattler seit der Einschulung erbitterte Feindinnen, was sich auch nicht ändert, als beide zu Vertrauensschülerinnen ihrer Häuser erklärt wurden. Die dunkle Gefahr durch den bösen Zauberer Lord Voldemort ist überraschend gebannt worden, obwohl alle wissen, daß er nicht richtig gestorben ist. Aurora Hat sich mehr und mehr darauf eingerichtet, nach der Schule die magische Heilkunst zu erlernen. Wie ernst dieser Beruf sein kann muß sie erfahren, als ihr Klassenkamerad Roy Fielding, dessen Eltern zu den letzten Opfern Voldemorts gehören, von einer als Sabberhexe bezeichneten Kreatur gefangengenommen und in ihren Bann geschlagen wurde. Der altehrwürdige Schulleiter Dumbledore hätte dafür beinahe alle Ämter und Würden eingebüßt.

Sie ist stolz auf ihre Erfolge, wie die Wiedereinführung eigener Flugbesen in Hogwarts und daß sie als Mitglied ihrer Hausmannschaft im Quidditch zweimal den begehrten Pokal gewonnen hat und auch den Hauspokal für ihr Haus Ravenclaw miterringen konnte. Etwas traurig und wütend zugleich ist sie auf Bernhard Hawkins, ihren ersten festen Freund, weil dieser einfach so mit seinen Eltern und seiner Zwillingsschwestr Rebecca nach Amerika umzieht und sie nun wieder alleine ist. Gespannt ist sie darauf, wie ihre ZAGs ausgefallen sind. Sie freut sich auf die Sommerferien, in denen sie mit ihrem Vater einen Ausflug ins Ausland machen möchte, um erwachsene Kräuterkundler zu besuchen, die sich zu einem Kongress treffen wollen. Sie hofft, daß Roy Fielding in der Zeit von allen Nachwirkungen der Sabberhexe geheilt werden kann.

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In großer Entfernung, von ihr nicht zu sehen, aber dafür klar zu vernehmen, spielten die Kinder der Bauern, deren Felder nur fünf Besenflugminuten von ihrem Elternhaus entfernt lagen. Aurora Dawn lauschte dem Gejohle der Jungen, die wohl mit einem Ball spielten, den sie mit ihren Füßen traten. Sie kannte Fußball und wußte, daß es ein sehr beliebter Sport in der Welt der Nichtmagier war, die von ihr, ihren Eltern und den meisten anderen Hexen und Zauberern "Muggel" genannt wurden. Wenn sie so hörte, wie die Jungen und Mädchen miteinander herumtollten, überkam sie manchmal eine gewisse Einsamkeit. Doch dann fiel ihr wieder ein, daß sie nicht allein auf der Welt war. Sie hatte Freundinnen und Freunde, eben nur daß die mehrere hundert Meilen weit entfernt von ihr wohnten. Doch auch das war in ihrer Welt kein Problem. Sie brauchte ihre Eltern nur zu fragen, ob sie den Kamin benutzen durfte oder ob ihre Freundinnen Petula Woodlane oder Miriam Swann zu ihr floh-pulvern durften. Auch wäre es für sie kein Ding gewesen, sich ihren nagelneuen Nimbus 1500 zu nehmen und nach Hogsmeade zu fliegen. Immerhin hatte sie von Miriam ein Besenpflegeset mit einem auf den Besenstiel steckbaren Kompas zum Geburtstag bekommen. Doch sie wollte jetzt nicht einfach so durch die Gegend fliegen. Denn in drei Tagen, am siebzehnten Juli, wollten ihr Vater und sie nach Millemerveilles, wo ein Kongress magischer Kräuterkundler stattfinden sollte. Sie hatte den Brief Madame Dusoleils, der Gastgeberin dieser Zusammenkunft, wie einen Ehrenpreis ihren Eltern gezeigt und sie gefragt, ob sie hingehen dürfe, auch wenn der Kongress sehr nüchtern und fachbezogen ablaufen sollte. Ihre Mutter hatte nur gelächelt und geantwortet, daß sie dort hindürfe, wenn die ZAGs in den entsprechenden Fächern mindestens ein Erwartungen übertroffen ergeben würden. Das Problem dabei war nur, daß die ZAG-Kommission die Ergebnisse erst in der dritten Juli-Woche verschickte. Doch Regina Dawn hatte mit einem sehr zuversichtlichen Gesichtsausdruck verkündet, die für ihre Tochter schon vor dem achtzehnten Juli loseisen zu können. Auroras Vater Hugo hatte dazu gemeint, daß es für sie wohl schon sehr lehrreich sein würde, einen ernsthaften Fachvortrag erwachsener Experten mitzubekommen und zu sehen, wie wichtig eine disziplinierte Ausdrucksweise für das weitere Leben sei. Dann hatte er Madame Dusoleils Brief gelesen und gesagt, daß die Gastgeberin wohl genau in dem Zeitraum wichtigeres aber auch schönes erwarten mochte. Aurora hatte ihn daraufhin gefragt, was er meine. Er hatte sie nur geheimnisvoll angegrinst und bemerkt, daß sie das ja dann selbst sehen würde.

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Die Schleiereule flog auf das altehrwürdige Landhaus zu, das wohl schon zur Zeit der ersten Königin Elisabeth gebaut worden sein mochte. Sie segelte lautlos über den Garten hinweg, genau auf ein offenes Fenster zu, hinter dem leises Klappern von Besteck auf Geschirr erklang. Der Postvogel mit einem offiziell aussehenden Umschlag kiptte leicht nach vorne über und sauste vom restlichen Schwung seines Fluges getrieben hinein in die Küche, wo ein Mann mit schwarzem Haar und graugrünen Augen, eine Frau mit rotbraunem Haar und graublauen Augen und ein junges Mädchen mit derselben Haar- und Augenfarbe wie der Mann, aber ähnlichem Gesicht wie das der Frau an einem Tisch saßen und frühstückten. Die Eule steuerte zielgenau das junge Mädchen an und präsentierte noch vor der schnellen Landung vor ihrem Teller den Umschlag.

Oh, Mum, du hast recht gehabt. Dein Freund in der Ausbildungsabteilung hat die Ergebnisse echt schon losgeschickt", sagte Aurora sehr aufgeregt und nahm den Umschlag.

"Die waren dieses Jahr sowie so besser besetzt als im Jahr davor", sagte Regina Dawn fröhlich. "Außerdem kriegen deine Freundinnen und Klassenkameraden ihre ZAGs auch heute im Verlauf des Tages, spätestens morgen. Dann sieht es nicht so aus, als hätte dich wer bevorzugt. Sie haben deinen eben nur zuerst rausgeschickt, denke ich."

"Na, ein schlechtes Gewissen oder Grund zur Freude?" Fragte Mr. Dawn. Seine Tochter überlegte und meinte dann:

"Ich kann mir vorstellen, daß es in Zaubereigeschichte und Astronomie nicht geklappt hat. Aber die Fächer waren eh nicht mein Ding, Dad."

"Na, dann kuck mal nach, was du geschafft hast!" Forderte Hugo Dawn eher zuversichtlich als besorgt oder gar enttäuscht klingend. Er konnte sich nicht vorstellen, daß seine Tochter weniger als sieben ZAGs geschafft haben könnte. Aurora öffnete den Umschlag und zog einen wirklich edlen Pergamentbogen heraus und las:

ERGEBNIS DER ZAUBERERGRAD-PRÜFUNGEN

Bestanden mit den Noten: Nicht bestanden mit den Noten:

Ohnegleichen (O) Mies (M)
Erwartungen übertroffen (E) Schrecklich (S)
Annehmbar (A) Troll (T)

Alte Runen: E
Astronomie: E
Geschichte der Zauberei: M
Kräuterkunde O
Muggelkunde: O
Pflege Magischer Geschöpfe: A
Verteidigung gegen die dunklen Künste: O
Verwandlung: E
Zauberkunst: O
Zaubertränke O

"Und?" Fragte sein Vater, als Aurora mit immer leuchtenderen Augen ihre ZAG-Liste herunterlas. Statt einer Antwort gab sie ihm den Pergamentbogen in die Hand. Er las und strahlte. Dann gab er seiner Frau den Bogen zu lesen. Sie las, nickte, als habe sie ein erwartetes Ergebnis erhalten und strahlte dann ihre Tochter an.

"Zehn von zehn, Aurora. Herzlichen Glückwunsch. Ich bin echt stolz auf dich."

"Öhm, in Zaubereigeschichte steht aber ein M", wandte Aurora ein.

"Jetzt könnte ich meine Autorität dir gegenüber hervorkehren und sagen, daß ich in dem Fach ein A hatte", sagte ihr Vater, grinste jedoch jungenhaft. "Aber ich hatte bei diesem Schnarchgespenst ein S. Das habe ich aber mit zwei unterstrichenen Os ausgeglichen, zumal ich diesem Geist eh kein Jahr meiner Zeit mehr geben wollte als nötig."

"Höm, was haben die unterstrichenen Os denn zu bedeuten?" Stellte Aurora die Frage, die ihr beim Lesen der Ergebnisliste schon in den Sinn gekommen war.

"Das bedeutet, daß die Kommission erkannt hat, daß du darin nicht nur alles lernbare gelernt hast, sondern auch mit seltenem Engagement an die Sache herangegangen bist. Sowas kommt bei den praktischen Sachen immer heraus, kann aber auch in der Theoretischen Prüfung schon durchschimmern", sagte Auroras Mutter. "Wenn du mindestens zwei unterstrichene Ohne Gleichen in den ZAGs hast, kannst du bei nur einem verfehlten ZAG oder wenn du ausschließlich Os geschafft hast einen Zusatzgrad dazuzählen. Deshalb geht es manchmal, daß Leute dreizehn ZAGs schaffen, obwohl sie nur zwölf Fächer hatten, eben wenn in allen Fächern ein O steht, aber bei einigen dann Unterstreichungen vorkommen. Wie gesagt, wenn du nur einen verfehlten ZAG gemacht hast kannst du den mit zwei besonders unterstrichenen Ohne Gleichen oder mehr davon ausbügeln."

"Aha", erwiderte Aurora Dawn. "Das war mir neu."

"Ist aber schon seit hundert Jahren im Gebrauch, um Schülern, die besonders gute Ergebnisse brauchten für ihren Fleiß zu belohnen", sagte Mrs. Dawn. "Astronomie Erwartungen übertroffen. Willst du das weiterlernen?"

"Nein, das werde ich nicht weitermachen, Mum. Ich denke, ich nehme die Fächer, die mir Madame Pomfrey und Professor Flitwick für die Heilerausbildung empfohlen haben und auch Muggelkunde und alte Runen. Aber das ich Verteidigung gegen die dunklen Künste so gut hinbekommen habe wundert mich jetzt doch."

"Die Bitterling und der selige Patrokles Balder waren ja auch Spitzenkräfte", sagte ihr Vater. "Auf jeden Fall kannst du mit dem unterstrichenen O in Kräuterkunde locker zu dieser Versammlung von Fachi... Öhm, Experten für Kräuterkunde. Wir reisen morgen Abend per Flohpulver hin. Die Transfergebühr zahle ich gerne."

"Ich dachte, wir fliegen oder fahren mit dem fligenden Holländer", wunderte sich Aurora.

"Der fliegende Holländer fährt nicht über so kurze Strecken. Der fährt nur auf Ozeanen rum", grinste ihr Vater. Dann fragte er seine Frau, ob sie nicht doch mitkommen wolle.

"Mein Chef hat mich als Ferienvertretung für Gunilla Bluestein eingeteilt, Hugo. Da kann ich vor dem fünfundzwanzigsten nicht weg. Da soll der Kongress ja auch schon um sein, wenn ich das richtig mitbekommen habe."

"Schade", sagte Aurora. Ihr Vater bedauerte es auch. Dann schrieben sie alle Verwandten an, daß Aurora ihre Zags geschafft und sogar einen Ausgleichs-ZAG hinbekommen hatte. Die eulen würden wohl erst in einigen Tagen zurückkehren. Mr. Dawn und Aurora schrieben, daß die Verwandten bitte an Mrs. Regina Dawn schreiben sollten, damit die Eulen nicht elend lange durch die Gegend flögen. Einen Tag darauf packten die Dawns große Reisetaschen, die mit einem Rauminhaltsvergrößerungszauber belegt waren. Aurora nahm drei festliche Kleider und rote Haarbänder mit, während ihr Vater einen lindgrünen Festumhang und ein paar Alltagsumhänge einpackte.

"Wie machen wir das mit der Sprache, Dad. Ich weiß ja nicht, wer den Wechselzungentrank verkauft", sagte Aurora.

"Den bietet wohl die Apotheke von Millemerveilles an", sagte Hugo Dawn. Da kommen ja auch viele hin, die kein Französisch oder arabisch oder finnisch können. Ich habe das mal bei einer Eulenkundlerversammlung in Norwegen erlebt, daß die ein ganzes Faß mit dem Trank hingestellt haben und jeder, der eine Einladung vorweisen konnte einen Schluck daraus bekam. Förderte irgendwie auch die Verbundenheit der Teilnehmer. War schon eine tolle Atmosphäre da ... Vermutlich hat deine Korrespondentin das einkalkuliert und die internationale Kräuterkundevereinigung entsprechend gemolken, daß die in Millemerveilles auch ein ganzes Faß zur Begrüßung aufgebaut haben."

"Hoffentlich ist das mit diesem Chapeau du Magicien nicht zu teuer", meinte Aurora. Ihr Vater sagte dazu nur:

"Wenn der Wirt nicht blöd ist hat er die Preise erhöht. Aber mach dir bitte keine Gedanken ums Geld! Das ist mein Ding. Ich zahle gerne, wenn du dafür lernst, wie das später mal ist, wenn du in der Richtung dein Leben weiterführen willst. Erfahrung ist immer besser als reines Wissen. Oder so, Wissen hilft dazu, die Erfahrung zu machen, um es auf seine Brauchbarkeit hin zu prüfen. Hat zumindest Flitwick zu uns gesagt, als wir in der siebten Klasse waren."

"Macht's gut, ihr beiden!" Wünschte Regina Dawn. Aurora konnte zwei kleine Tränen in den Augen ihrer Mutter sehen. Sie umarmte sie herzlich und versprach, nichts dummes anzustellen.

"Versprich mir das bitte auch, Hugo!" Verlangte Regina Dawn von ihrem Mann. Dieser grinste sie an und meinte:

"Kommt drauf an, was die unter dumm oder gescheit verstehen, Regina. Ich habe dich lieb." Er umarmte seine Frau und gab ihr einen sehr langen Kuß auf den Mund. Dann winkte er Aurora zum Kamin.

"Zur Grenze!" Rief er, als er im vom Flohpulver smaragdgrün gefärbtem Feuer stand. Mit lautem Fauchen verschwand er. Aurora folgte ihm.

Sie bekam nicht mit, wieviel ihr Vater in der pompösen Höhle mit unzähligen Kaminen den dort herumlaufenden Hexen und Zauberern in die Hand drückte. Jedenfalls wurden sie zu einem anderen Kamin geführt, wo sie eine Prise Pulver hineinwarfen, die für zwei langen würde. Auroras Vater zwengte sich in den etwas niedrigen Kamin hinein und rief: "Frankreich!" Aurora steckte ihr langes Haar unter ihr blaues Kleid mit den silbernen Monden an Kragen und Schoß, das sie trug und rief das selbe Ziel aus.

Die Wirbelei durch das Flohnetz dauerte zwanzig Sekunden. Allerdings passierten sie dabei keine Kamine, bis sie in einer ähnlich riesenhaften Höhle ankamen, in der sie abgereist waren. Aurora hörte sofort das vielstimmige Gemurmel in der ihr völlig fremden Sprache. Sie fühlte ihr Herz unter der immer mehr erblühenden Brust pochen und fühlte sich wohlig aufgeregt, weil sie zum zweiten Mal in ihrem Leben ein fremdes Land besuchte. Es war anders als die Reise nach Australien, die sie in den vorletzten Osterferien mit ihren Eltern gemacht hatte. Erstens waren sie nun viel schneller von einem Land ins andere gereist und zweitens sprachen sie hier eine völlig andere Sprache. Hexen und Zauberer in blau-weiß-roten Umhängen wuselten eifrig herum um Anreisende zu begrüßen und Weiterreisende zu den Kaminen zu bringen, von denen aus sie im französischen Flohnetz an ihr endgültiges Reiseziel gelangen konnten.

"Bonjour Monsieur, bonjour Mademoiselle", begrüßte eine Hexe in Hugo Dawns Alter die Neuankömmlinge. "D'ou venez vous?"

"Angleterre, Madame. Nous voullons voyar à Millemerveilles. Je M'apelle Hugo Dawn et la Mademoiselle est ma fille Aurora", erwiderte Hugo Dawn. Aurora konnte gerade noch seinen und ihren Namen heraushören. Mehr war nicht.

"Bon, Monsieur. Vous parlez français. Sa fille aussie?" Sprach die Hexe was aus, das sich für Aurora nach einer Frage anhörte.

"Non, Madame. Elle ne parle pas français justement", erwiderte Auroras Vater.

"Oh macht nischts, Monsieur et Mademoiselle", erwiderte die Hexe nun auf Englisch mit starkem Akzent. "Willkommen in Fronkreisch, Mademoiselle Dawn! Sie möschten nach Millemerveilles?"

"Richtig", erwiderte Aurora Dawn.

"Haben Sie eine besondere Adresse, zu der sie verreisen, oder möschten Sie im Gast'of Chapeau du Magicien ankommen?" Fragte die Hexe.

"Genau da möchten wir ankommen", sagte Hugo Dawn.

"Bon, dann werde isch sischerstellen, daß der Kamin gerade frei benüsbar ist. Warten Sie bitte 'ier!"

"Wahrscheinlich müssen die erst durchrufen, daß da gleich wer kommt", vermutete Hugo Dawn. Doch keine halbe Minute später kehrte die Einreisehexe zurück und verkündete strahlend, daß sie gerade einen gewissen Freiraum hatten. So reisten die Dawns nach Ausruf von "Chapeau du Magicien" aus der Grenzhöhle ab.

Der Gastraum der Schenke, in der sie ankamen war gut besucht. Ein Mann mit brünettem Haar eilte auf die Neuankömmlinge zu. Hugo Dawn wechselte ein paar Sätze mit ihm auf Französisch. Aurora hörte das Schreien eines Babys, das aus einem Raum hinter einer großen Tür drang. Hugo Dawn schien sich über irgendwas zu amüsieren, weil er zwischendurch verhalten lachte. Der Zauberer in einer weißen Schürze lachte wesentlich freier und nickte wild. Dann sagte er noch etwas und deutete zu einem Tresen, an dem gerade ein dickbäuchiger Zauberer, eine spindeldürre Hexe und zwei halbwüchsige Jungen standen. Er schlüpfte kurz dahinter, fischte unter die breite Theke und holte einen silbern glänzenden Schlüssel heraus, den er Hugo Dawn in die Hand drückte.

"Er hat mir gesagt, daß du den Wechselzungentrank in der Dorfapotheke bekommst, wenn du den Brief von Madame Dusoleil vorzeigst. Der würde als Einladung akzeptiert. Er meinte nur, daß Madame Dusoleil vielleicht nicht am ganzen Kongress teilnehmen könnte. Aber warum das so ist wirst du ja dann sehen."

"Sollen wir erst die Sachen unterbringen und dann zur Apotheke?" Fragte Aurora. Ihr Vater nickte einverstanden.

Zu Fuß folgten sie einem jüngeren Zauberer, der sich erboten hatte, die Dawns zu führen. In der Apotheke sprach Hugo Dawn kurz mit der Hexe hinter dem Tresen. Diese rief nach jemandem, ihrem Angestellten oder wem auch immer. Der kam mit einem auf einem fahrbaren Gestell ruhenden Faß herein und begrüßte die Dawns. Dann ließ er sich den Brief der Gastgeberin zeigen, las ihn gründlich und nickte. Er reichte ihn Aurora Dawn zurück und zapfte eine scharlachrote Flüssigkeit aus dem Faß in ein kleines Glas, das er Aurora reichte. Sie beroch das Gebräu, das nach einer Mischung aus Aprikosen-, Johannesbeeren- und Möhrensaft roch. Ihr Vater nickte ihr zuversichtlich zu. Sie trank vorsichtig davon und fühlte ein leichtes Prickeln, als der Trank über ihre Zunge die Speiseröhre hinablief. Nachdem sie das Glas ganz leergetrunken hatte fühlte sie eine merkwürdige Lockerheit ihrer Zunge und meinte, jetzt wesentlich wacher als vorher zu sein. Dann sprach die Hexe hinter dem Tresen. Sie sprach weiterhin Französisch, doch Aurora hörte deutlich:

"Na, junge Dame, verstehst du mich?"

"Öhm, Ja", sagte Aurora, wobei es sich für sie merkwürdig anhörte, wie sie es sagte. Aber sie wußte genau, daß der Laut "oui" "ja" bedeutete. "Ich verstehe sie jetzt", sagte sie nun in fließendem Französisch.

"Die Einstimmung hält eine Stunde vor, Monsieur Dawn. In der Zeit möchten Sie bitte mit Ihrer Tochter nur Französisch sprechen oder dafür sorgen, daß sie mit Französisch sprechenden Leuten zusammen ist. Danach besteht keine Gefahr der Sprachverwirrung mehr", verstand Aurora die Apotheken-Hexe. Aurora nickte. Genauso hatte sie über die Wirkung des Wechselzungentrankes nachgelesen.

Wieder zurück im Gasthof ergab sich die vortreffliche Gelegenheit, mit den Besuchern dort die vorübergehend gelernte Sprache zu sprechen. Aurora lernte die Frau des Wirtes kennen, die sichtlich gerundet aussah und einen Säugling im rosaroten Tragetuch über der Schulter trug.

"Das ist unsere Tochter Caroline", stellte der Gastwirt, Monsieur Renard das kleine Mädchen vor. "Sie wurde uns vor zweieinhalb Monaten geboren. Zum Glück hat Camille den Kongress auf die Tage Mitte Juli festgelegt, obwohl sie ja selbst gerade Nachwuchs erwartet." Mr. Dawn verzog das Gesicht, als habe man ihm eine große Überraschung verdorben. Er grummelte auf Französisch:

"Ich wollte an und für sich, daß sie es dir selbst sagt, Kind. Aber jetzt, wo der nette Herr hier es erwähnt hat kann ich es dir ja verraten, daß das in den Zeilen stand, die Madame Dusoleil selbst geschrieben hat. Da stand wörtlich: "Ich freue mich sehr, euch alle in Millemerveilles zu empfangen, zumal ich gerade um die Zeit ungern eine weite Reise machen würde, denn ich bin auch glücklich, daß mein Mann und ich gerade in dem Zeitraum unser zweites Kind bekommen werden. Noch alles gute für die Prüfungen.""

"Tja, erst die Lumières, dann die Dumas, danach wir und demnächst noch die Dusoleils", sagte der Wirt vergnügt.

"Huch, so viele Babys?" Fragte Aurora verdutzt.

"Och, wir hatten vor zehn Jahren mal mehr hier im Dorf", sagte Madame Renard und verwickelte Vater und Tochter Dawn in eine gemütliche Plauderei über Millemerveilles, wie schön der Ort sei und wie viel freie Flächen es gab. So verflog die Stunde, in der der Zaubertrank jede neue Sprache ansatzlos verständlich und nachsprechbar machte. Sie redeten jedoch einfach weiter, über Hogwarts, wie es im Vergleich zu Beauxbatons war, was Mr. Dawn beruflich machte und daß Aurora gerade ihre ZAGs geschafft hatte. Sie verriet jedoch nicht, wie gut sie worin abgeschnitten hatte.

"Das Treffen morgen ist in der grünen Gasse. Ich gebe Ihnen nachher einen Plan mit", sagte Monsieur Renard.

Nach einem reichhaltigen Abendessen zogen sich die Dawns um zehn Uhr abends in ihr kleines, aber gemütliches Dachzimmer zurück, das die Renards ihnen gegeben hatten. Hugo Dawn führte seiner Tochter vor, daß sie im Moment wirklich kein Englisch mehr sprechen konnte. Sie grinste nur und meinte, daß er ja auch den Trank hätte nehmen können. Er meinte dazu nur, daß er das als gute Übung ansehe, die Sprache zu sprechen.

"Wohnt Professeur Faucon nicht auch in Millemerveilles?" Fragte Aurora Dawn.

"Ja, sie ist hiergeblieben. Aber ich denke, die wirst du beim Kongress nicht zu sehen kriegen. Monsieur Renard hat mir erzählt, sie sei mit ihrer Tochter in die Staaten gereist, zu einer Bekannten. Vielleicht kommt sie für das hier ablaufende Schachturnier wieder."

"Na ja, ich muß sie ja auch nicht unbedingt kennenlernen, nachdem was Monsieur Renard über sie erzählt hat."

"Die hat ihren Ruf, eine strenge Lehrerin zu sein, Aurora. Aber ich denke, sie kann auch umgänglicher sein." Er gähnte hinweisend. Aurora nickte und wünschte ihrem Vater eine gute nacht.

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Einmal wachte Aurora auf, weil Caroline unten schrie. Doch weil ihre Eltern wohl sehr schnell bei ihr waren, um was auch immer für sie zu tun, beruhigte sie sich schnell wieder.

Sie erwachte richtig um halb sieben vom Getrappel fremder Füße unter ihrer Dachkammer. Ihr Vater schlief jedoch noch tief und fest, was eigentlich ungewöhnlich war, da er gerne mit den Singvögeln aufstand, um ihrem Konzert zuzuhören. So nutzte Aurora die Gunst der Stunde und zwengte sich in das kleine Badezimmer mit der Dusche, dem Waschtisch und dem Wasserklo und machte sich tagesfertig. Sie wählte das smaragdgrüne Kleid, das sie eingepackt hatte und weckte ihren Vater.

"Das macht die fremde Sprache. Sie hat mich wohl sehr gründlich ausgelaugt", knurrte er, als er auf seine Uhr sah. Aurora grinste nur.

Nach dem Frühstück marschierten alle anderen im Haus wohnenden Kongressteilnehmer die weiten Wege durch das Zaubererdorf bis hin zu einer großflächigen Gartenanlage mit vielen Gewächshäusern. Aurora hielt sich mit ihrem Vater im respektvollen Abstand, als die Hexen und Zauberer verschiedener Altersschichten sich versammelten und so weit es ihnen gelang einander begrüßten, beglückwünschten, ihre Neuigkeiten weitergaben und sich gegenseitig einen erfolgreichen Kongress wünschten. Ein Besen schwirrte heran, auf dem eine kleine, kugelrunde Hexe mit grauem Haar und einem Flickenhut saß, die Aurora kannte.

"Ups, da ist ja auch Professor Sprout", zischte sie ihrem Vater zu. Dieser nickte. Dann kam etwas angeflogen, das Aurora nur einmal gesehen hatte, jedoch nicht lange genug, weil ein rrothaariger Zauberer vom Ministerium nicht wollte, daß sowas in Hogsmeade verkauft wurde. Es war ein bunter, fliegender Teppich. Darauf saßen drei Hexen, eine ältere in rosaroter Tracht wie eine Heilerin, eine ältere Hexe in veilchenblauem Kleid und eine jüngere in Waldgrün. Die Hexe in Grün und die in Veilchenblau wirkten mit ihrer kaffeebraunen Haut und dem nachtschwarzen Haar wie Bewohnerinnen eines orientalischen Landes und sahen sich so ähnlich, daß unschwer zu erkennen war, daß es sich dabei um Mutter und Tochter handelte. Die jüngere von ihnen erkannte Aurora als Camille Dusoleil. Ihr fielen sofort der sehr pralle Unterbauch und die üppigen Brüste der Hexe auf. Ja, sie erwartete tatsächlich ein Kind.

"Es ist also doch erlaubt, fliegende Teppiche hier zu besitzen und zu benutzen", sagte ein Zauberer mit schwarzem Haar und Vollbart, der ein wallendes, himmelblaues Gewand trug. Da landete der Teppich auch schon.

"Danke, Maman, daß du uns hergebracht hast. Hera und ich geben dir dann Bescheit, wenn wir wieder abgeholt werden möchten", sagte Camille Dusoleil. Zum erstenmal in ihremLeben konnte Aurora nun die Stimme dieser lebenslustigen, lebendig erzählenden Kräuterhexe hören und erstarrte für einen Moment in Ehrfurcht. Die Hexe, die Madame Dusoleil mit Maman angesprochen hatte nickte und ließ ihre beiden Mitreisenden absteigen. Dann gab sie dem Teppich ein unverständliches Kommando und brauste davon. Alle Anwesenden klatschten zur Begrüßung Beifall, als die in freudiger Erwartung befindliche Gastgeberin auf sie zusteuerte.

"So, jetzt gehen wir besser näher ran, damit wir nicht den Anschluß verpassen", sagte Auroras Vater. Sie gingen also näher heran. Dabei fing Aurora den Blick von Professor Sprout ein, die ihr unvermittelt zuwinkte und sie dabei anstrahlte.

"Weiß die etwa, welchen Kräuterkunde-ZAG ich gekriegt habe?" Fragte Aurora ihren Vater.

"So wie sie dich anstrahlt todsicher", erwiderte er mit breitem Grinsen. "Du siehst hier den ganzen Klüngel der internationalen Kräuterkunde-Experten, schätze ich. Ich kann mir vorstellen, daß sie sich vorher erkundigt hat, welche Schüler in den ZAG- und UTZ-Klassen supergut abgeschnitten haben. Sie winkt dir zu. Vielleicht kannst du sie ja fragen."

Aurora sah sich um, ob ihr das jemand übelnehmen würde, wenn sie jetzt einfach in die sich zusammenstellenden Experten hineinsteuern und ihrer Lehrerin einen guten Morgen wünschen würde. Doch sie empfand es als Einladung, hinzugehen. So begab sie sich ruhigen Schrittes zu den dort versammelten Kräuterkunde-Experten. Professor Sprout begrüßte gerade Madame Dusoleil, während die mit dieser angekommene Hexe einen respektvollen Abstand, aber noch in hörweite einhielt. Mr. Dawn folgte seiner Tochter und beobachtete die Begrüßung.

"Ah, also konntest du es doch einrichten, herzukommen, Aurora. Camille, das ist die junge Dame, die Ihnen wegen des Artikels im grünen Magier geschrieben hat."

"Oh, du bist Aurora Dawn?" Fragte Madame Dusoleil. Aurora nickte. "Ich freue mich, daß du gekommen bist. Ah, ist das dein Vater? Guten Morgen, Monsieur!"

Hugo Dawn kam näher und begrüßte die Gastgeberin. Er wünschte ihr für die bevorstehende Geburt alles gute.

"Wenn ich nicht schnell genug reagiere könnte es Ihnen sogar passieren, daß Sie alle Zeugen dieses Ereignisses werden", mischte sich die Hexe in der rosaroten Tracht ein. Aurora hörte sofort einen sehr strengen Unterton heraus, als werfe die ältere Hexe Madame Dusoleil Unvernunft vor oder sowas.

"Hera, ich bin zuversichtlich, daß meine Tochter nicht mitten in einem wichtigen Vortrag zur Welt kommen will", sagte Camille Dusoleil locker. Aurora war diese Hexe gleich wesentlich sympathischer als allein durch den Artikel oder ihren Brief. Sie strahlte was mädchenhaft unbefangenes aus, das ihr sehr gefiel. So hatte sich Aurora keine Mutter von bald zwei Kindern vorgestellt.

"Ich habe von einem Kommissionsmitglied erfahren, welche Schüler der ZAG- und UTZ-Klasse die besten Noten hatten und freue mich, nach zehn Jahren mal wieder ein unterstrichenes Ohne Gleichen zu sehen zu kriegen. Danke für deine Leistung, Aurora", sagte Professor Sprout ehrlich erfreut.

"Oh, Ohne Gleichen?" Fragte Camille Dusoleil sehr interessiert. "Dann hat mein Artikel ja wirklich was erreicht." Sie schmunzelte. Die Hexe in Rosa verzog das Gesicht.

"Camille, wenn du die anderen begrüßt hast sollten wir anfangen, damit du nicht zu lange stehen mußt."

"Wollen Sie dem Kongress auch beiwohnen, Monsieur Dawn?" Fragte Camille Dusoleil.

"Hmm, es bleibt mir nichts anderes übrig", sagte Hugo Dawn nicht sonderlich begeistert.

"Oh, das liegt Ihnen nicht?" Fragte Camille Dusoleil leicht bedauernd. Professor Sprout schüttelte den Kopf.

"Monsieur Dawn ist eher ein Tierfreund. Mit Kräutern und Pilzen hatte er es nie." Auroras Vater errötete und machte eine ungehaltene Miene. Um bessere Stimmung zu machen bot die Lehrerin an, auf Aurora aufzupassen, damit ihr nichts widerfuhr. Hugo Dawn stand eine Weile starr da, als würde die Aussicht, sich nicht mit für ihn unwichtigen Diskussionen befassen zu müssen mit seiner väterlichen Fürsorgepflicht kämpfen und der Körper dabei stillgelegt bleiben, bis eine Entscheidung feststand. Dann nickte er und sagte:

"Wenn es Ihnen keine Umstände macht, Professor Sprout. Aurora ist ja groß genug, um keine Schwierigkeiten zu machen und ..." Aurora funkelte ihren Vater an. Wenn er nicht mit ihr dabeisein wollte mußte er jetzt nicht noch groß darauf herumreiten, daß sie ja kein kleines Mädchen mehr war. Hugo Dawn bedankte sich bei Professor Sprout und sagte, daß er und Aurora im Chapeau wohnten. Dann ging er, nachdem er sich von seiner Tochter verabschiedet hatte davon.

In einem großen Gewächshaus, in dem buntblätterige Bäume standen, waren mehrere Dutzend Tische und Stühle aufgebaut worden. Professor Sprout setzte sich mit Aurora an einen tisch zu einigen Kollegen, darunter den hoch gewachsenen Professeur Trifolio, der in Beauxbatons unterrichtete und ihre Kollegin Verdant von der Thorntails-Akademie.

Camille begrüßte noch einmal alle Teilnehmer und Gäste des Kongresses und stellte kurz Madame Hera Matine vor, eine der Heilerinnen in Millemerveilles, die vor allem als Hebamme tätig war. In der Aurora sofort so sympathisch gewordenen Art erwähnte die Gastgeberin, daß Hera Matine nur darauf aufpassen wolle, das das Kind nicht mitten in den Kongress hineinplatzte. Einige der Zauberer lachten darüber. Madame Matine funkelte sie verärgert an.

Aurora hatte Schreibzeug mit und hing den Rednern an den Lippen und notierte sich das, was sie für wesentlich hielt. Wenn sie schon hier war, wollte sie zumindest was davon mitnehmen. Tatsächlich waren die ersten Vorträge sehr trocken und hätten genauso gut von Professor Binns gehalten werden können. Der Grund, warum Aurora nicht einschlief war das Interesse an dem Fachgebiet, sowie die Aufregung, bei einer echten, wichtigen Expertenkonferenz dabei zu sein. Auch amüsierte es sie innerlich, wie Camille und ihre hauseigene Hebamme sich immer wieder anblickten, wenn es im Unterleib der Gastgeberin wohl rumorte oder das noch ungeborene Mädchen seinen gerade verfügbaren Lebensraum erkundete. Als nach fünf Vorträgen mit anschließender Diskussion mehrere Hexen und Zauberer, darunter auch die Renards, Buffets mit Essbarem hereinschweben ließen nutzte Aurora die Gelegenheit, sich mit den jüngeren Fachleuten zu unterhalten. Einer, der aus Italien herübergekommen war, machte ihr Komplimente wegen ihres Vornamens, ihrer Haarfarbe und weil sie sich in dem Alter, wo er gerade erst irgendwas in der Schule interessant zu finden begonnen hatte, so aktiv beteiligte. Aurora hatte seit Bernhard Hawkins keine große Lust auf Schmeicheleien, die sich nicht mit ihrem Wissen befaßten. So war sie dankbar, als Professor Sprout herüberkam und sie bat, noch einmal zu Camille hinüberzugehen, weil diese sich mit ihr über ihre Ziele nach den UTZs unterhalten wollte.

"Salvatore weiß nie genau, ob er an einer Frau, die etwas jünger als er ist die äußeren oder inneren Werte bewundern kann. Wie soll das dann die betreffende junge Dame wissen", sagte Professor Sprout leicht ungehalten, jedoch nicht so, als mache sie das Aurora zum Vorwurf.

Mit Madame Dusoleil plauderte sie über ihr Interesse an der Herbologie, daß sie auch sehr an Zaubertränken interessiert sei und daß sie es bewunderte, daß eine bald zweifache Mutter immer noch ganz ihren Beruf ausübte.

"Sie möchten Heilerin werden, Mademoiselle?" Fragte Madame Matine, die wie eine Anstandsdame in der Nähe Madame Dusoleils blieb. "Haben Sie sich denn schon darüber orientiert, wie ihre Ausbildung verlaufen muß?"

"Ja, habe ich", entgegnete Aurora Dawn kurz und knapp. Diese strenge Hexe schmeckte ihr nicht sonderlich. Sie mochte vielleicht sehr erfahren sein und sich um Madame Dusoleil sorgen. Aber ein wenig mehr Freundlichkeit würde der bestimmt nicht wehtun.

"Nun, falls Sie diesen Beruf tatsächlich ergreifen möchten, Mademoiselle Dawn, werden Sie schnell erkennen, daß Enthusiasmus allein nicht ausreicht. Da gehört auch ein gerüttelt Maß an Pflichterfüllung zu und vor allem eine starke Durchsetzungskraft", sagte die Heilerin und Hebamme. Aurora straffte sich und sah sie verstimmt an. Dann atmete sie ein und aus und sagte kalt wie Eis:

"Ich bin Vertrauensschülerin von Ravenclaw. professor Dumbledore hat mich bestimmt nicht dazu gemacht, weil er denkt, daß ich mich nicht ordentlich einbringen und durchsetzen kann, Madame."

"Hera, du machst dem Mädchen noch Angst. Erzähl ihr doch lieber, wie wohl du dich fühlst, wenn du anderen helfen kannst und vor allem wenn du ganz neue Menschenwesen ins Leben holen kannst", sagte Camille Dusoleil. "Oder stimmt das etwa nicht, was du meiner Mutter erzählt hast?"

"Camille, das ist jetzt doch wohl zu privat, um hier vor dem Kind diskutiert zu werden."

"Eben haben Sie mich noch als junge Dame bezeichnet", begehrte Aurora Dawn leise auf. Camille nickte ihr zustimmend zu und grinste.

"Ganz wie Sie wollen. Mademoiselle Dawn. Ich wollte Ihnen lediglich helfen, sich keinen Illusionen hinzugeben, der Heilerberuf sei etwas spaßiges und amüsantes."

"Das habe ich schon von unserer Schulkrankenschwester gehört, Madame", erwiderte Aurora leicht angenervt. Camille Dusoleil wandte sich an die Hebamme:

"Hera, ich denke, du hast dem Mädchen das wichtigste gesagt. Außerdem steht ja noch nicht fest, daß sie wirklich Heilerin wird." Dann wandte sie sich an Aurora und sagte: "Du kannst mit Kräuterkunde alleine auch sehr glücklich werden, Aurora. Ich mache das jetzt seit Beauxbatons und habe bisher jeden Tag als schön und erbaulich empfunden. Egal welchen Beruf du auch ausüben willst, du allein mußt hinter deiner Arbeit stehen können, egal für wen du sie ausübst. Das gilt für mich, für meinen Mann, ja und auch für Hera Matine, auch wenn sie gerade die böse Hexe gibt."

"Du weißt, ich mache mir nur Sorgen um das Wohl meiner Patientinnen", knurrte Madame Matine, mußte aber unwillkürlich nicken.

"Das habe ich auch nie bestritten oder lächerlich zu reden versucht, Hera", erwiderte Camille. Dann sah sie auf die große Uhr, die am Ast eines der buntblätterigen Bäume hing und meinte: "Hups, jetzt haben wir uns doch fast verplaudert. Es geht weiter."

Den resttlichen Nachmittag schrieb Aurora eifrig mit, was sie für wichtig hielt. Abends brachte Professor Sprout sie zum Chapeau zurück. Ihr Vater war nicht da.

"Dein Vater hat sich wohl im Tierpark verirrt", sagte Monsieur Renard grinsend. professor Sprout sah ihn etwas mißgestimmt an. Dann meinte sie:

"Ich denke, hier kannst du nicht verloren gehen. Wir sehen uns dann morgen wieder."

Aurora beobachtete die Gäste im Schankraum, von denen einige am Kongress teilnahmen und andere wohl aus dem Dorf stammten und hier ihr zweites Wohnzimmer hatten. Als ihr Vater so um elf Uhr eintraf sah er sichtlich geschafft aus.

"Die verleihen hier Besen, Aurora. Ich habe den ganzen Nachmittag Quidditch gespielt", sagte er. "Vielleicht hast du Lust, wenn dir die Fachplauderei doch zu den Ohren wieder rauskommt ein paar Runden zu spielen."

"Nöh, Dad, das ist mir nicht zu langweilig. Ich habe mich nur über diese Hexe in Rosa geärgert, die an Madame Dusoleil dranhängt, weil sie ein Kind kriegt. Die war mir ein wenig zu steif und mürrisch."

"Tja, das mußt du auch lernen, daß nicht jeder so lebenslustig herumläuft wie wir. Einige haben in ihrem Leben zu viel schlimmes erlebt oder sich dumm und dämlich geschuftet und mögen es nicht, daß andere sich an dem freuen, was sie so machen."

___________

Der nächste Tag verlief wie der erste. Trotz der drögen Art, wie manche ihre Vorträge herunterratterten fand Aurora immer wieder was, was sie in den Pausen mit Professor Sprout besprechen konnte, die es wohl sehr angenehm fand, sich mit einer noch nicht zu sehr festgelegten Schülerin zu unterhalten. Sie fragte, was an den Sachen für sie wirklich interessantes hängengeblieben war. Immerhin, so bemerkte die Lehrerin, könne sie darauf aufbauend den Unterricht in den UTZ-Klassen fortführen. Aurora meinte dazu, daß sie hoffte, daß da nur die wirklich interessierten Leute reinkamen und nicht, weil sie das Fach geschafft hatten und meinten, damit ihren UTZ locker hinzubringen.

Am nächsten Tag hielt Camille Dusoleil einen mindestens zweistündigen Vortrag über die in der grünen Gasse zu besichtigenden Pflanzen und erzählte in einem hier sehr unpassend anmutenden Plauderton und mit viel Wortwitz, welche Pflanzen besonders interessant waren. Sie erwähnte auch solche, die in besonders starken Liebestränken verwendet wurden und scherzte, daß viele Kinder nur deshalb geboren wurden, weil einige Hexen und Zauberer ihre kaputt zu gehen drohende Beziehung durch solche Tränke aufpolierten. Einer der Teilnehmer warf ein, daß es aber auch solche Fälle gäbe, wo eine Hexe einen arglosen Mann, Muggel oder Zauberer zu Dummheiten verleitete. Der italienische Kräuterzauberer meinte dazu, daß ohne Liebe doch alles andere wertlos sei und daher alles, was in ihrem Namen passierte die Sache wert sei. Aurora lauschte, wie sich darauf hin eine hitzige Debatte entzündete, was an der Herstellung und Verabreichung von Liebestränken moralisch einwandfrei war oder nicht. Camille ließ sie eine Weile lang reden. Dabei schien es, als müsse sie einen Brechreiz unterdrücken oder wilde Magenkrämpfe abschütteln. Madame Matine stand wie eine Leibwächterin neben ihr. Dann sagte die Gastgeberin:

"Leute, was ist denn jetzt los? Sie streiten Sich um das Recht auf leidenschaftliche Liebe, als wenn es ein Verbrechen sei. Meine Tochter findet das sehr widerwärtig. Sie wollte schon Anstalten machen, herauszukommen und ihren Unmut darüber in die Welt zu schreien." Viele lachten, andere sahen sie mürrisch an. Doch sie lächelte die ungehaltenen Blicke einfach weg. "Ich will nicht sagen, daß man nicht über den richtigen Umgang mit Liebestränken reden soll. Aber hier sitzt eine minderjährige Hexe und eine andre wälzt sich angewidert herum und weiß nicht, ob sie jetzt dem ganzen ein Ende machen soll oder nicht. Ich habe hier einige gesehen, denen stand es in den Augen, daß sie gerne mal wieder richtig leidenschaftlich sein möchten. Denen sei es gegönnt, sofern sie dabei keinem ernsthaft wehtun! Das mit den Liebestränken ist aber nur eine Sache, was die von mir erwähnten Kräuter machen können. Interessiert es Sie nicht, was die anderen Anwendungsmöglichkeiten sind?" Wieder lachten einige. Andere schüttelten die Köpfe. Wieder andere nickten sehr zustimmend. Das war die Mehrheit. So sprach Camille Dusoleil weiter und beschrieb die sonstigen Anwendungsmöglichkeiten von Grünwurz, ohrblattfrüchten und anderen Zauberpflanzen, die sie in der grünen Gasse hielten. Zum Schluß kam sie auch auf Alraunen und verkündete stolz, daß in Millemerveilles zwanzig Stück in diesem Jahr nachgezogen werden konnten. die anwesenden Schullehrer gratulierten ihr und erwähnten, daß sie ebenfalls Erfolge mit den menschenförmigen Zauberpflanzen erzielt hatten. Zum Schluß sprachen sie von den erwähnten Pflanzen und besichtigten diese. So war dieser Tag der bisher interessanteste, den Aurora bei diesem Kongress erleben durfte.

Die zwei folgenden Tage verliefen wie der erste und der zweite. Madame Dusoleil machte jedoch einen immer müderen Eindruck. Als Professeur Trifolio über in der Dunkelheit gedeiende Pflanzen sprach, meinte Aurora zum ersten Mal, sich richtig zu langweilen. Nicht nur, daß der Lehrer der Beauxbatons-Akademie Sachen beschrieb, die Aurora noch nicht gut genug kannte, um sie zu verstehen, sondern auch daß er sehr eintönig sprach, als spreche er nicht zu anwesenden Zuhörern sondern lese einen ungeliebten Text für sich alleine laut vor.

"Bei dem hätte ich aber arge Probleme gekriegt", dachte Aurora, als der Vortrag endlich vorbei war und sie sich über ihre eigenen Notizen wunderte, was sie wohl für wichtig gehalten hatte. Madame Dusoleil, die diesmal nicht in der Mitte des Gewächshauses gesessen hatte sondern bei Aurora und Professor Sprout saß fragte das Mädchen, was sie davon wirklich für wichtig hielt. Aurora wollte ihre Notizen zu Rate ziehen. Doch Camille Dusoleil nahm sie ihr einfach weg und sagte ruhig aber entschlossen: "Ich möchte wissen, was du davon wirklich im Kopf behalten und für echt wichtig befunden hast, Aurora. Aufschreiben ist gut für später. Aber der Moment ist entscheidend."

"Öhm,", setzte Aurora an und wollte schon anfangen, was zu sagen, als Camille Dusoleil einen kurzen Schmerzensschrei ausstieß. Sofort war es totenstill im weiten Gewächshaus. Nur das leise Plätschern der künstlichen Bewässerung war zu hören. Aurora sah auf ihre Armbanduhr. Es war schon fünf Uhr nachmittags. Wo war die Zeit geblieben?

"Hera, ich denke, jetzt will sie raus", keuchte Madame Dusoleil. Hera Matine war sofort bei ihr und untersuchte sie mit ihrem Zauberstab und einem runden Gegenstand, der wie ein Spiegel aussah.

"Du hast recht, Camille, das war eine Senkwehe. Sage den anderen, daß der Tag für heute vorbei ist!" Befahl die Hebamme.

Madame Dusoleil schaffte es wohl noch, laut genug zu sagen, daß sie wohl nun etwas für sie lebenswichtiges vor sich hatte. Alle wünschten ihr zur wohl nun unmittelbar bevorstehenden Geburt alles gute. Sie bedankte sich. Dann verließ sie, gestützt auf Hera Matines Arm das Gewächshaus.

"Schade, daß wir nun nicht diskutieren können, was wer von meinem Vortrag hält", bedauerte Professeur Trifolio. Seine Kollegin Verdant sah ihn vorwurfsvoll an. Professor Sprout meinte dazu:

"Das werden wir dann eben morgen tun. Es sind ja auch nur noch zwei längere Vorträge auf der Tagesordnung, Ranunculus."

"Nun, aber gerade direkt nach dem Vortrag wäre es doch wesentlich besser gewesen", warf der Lehrer von Beauxbatons ein. Professor Verdant sagte:

"Ranunculus, ich habe selbst Kinder zur Welt gebracht und habe dem alles andere unterstellt. Das sollten Sie auch tun."

"Ich werfe Camille nichts vor, Silvana, sondern bedauere lediglich, daß die Kolleginnen und Kollegen morgen früh nur von ihren Notizen zehren können und die Meinung, die sie sich jetzt gebildet haben dadurch verfälscht werden kann."

"Ich denke schon, daß die Kolleginnen und Kollegen ihre Notizen schon so angefertigt haben, daß sie ihre Einwände und Beipflichtungen gesichert haben", sagte Professor Sprout. Der Lehrer sah Aurora an.

"Hat er Ihnen denn etwas nennenswertes gebracht, Mademoiselle?"

"Das weiß ich noch nicht, Professeur. Das kann ich wohl erst in einigen Jahren sagen, wenn ich mich an diesen Vortrag erinnere", erwiderte Aurora diplomatisch. Sie hatte schon gelernt, Leuten die Wahrheit zu sagen, ohne sie zu kränken. Professor Verdant schmunzelte darüber. Offenbar hatte sie das so verstanden, daß der Vortrag für Aurora selbst zu hoch war, sie aber nicht den Eindruck vermitteln wollte, damit nichts anfangen zu können. Aurora suchte ihre Notizen. Doch Camille hatte sie mitgenommen, als sie den Kongress verlassen mußte.

"Hoffentlich kriege ich die wieder", grummelte sie.

"Ich denke schon", sagte Professor Sprout zuversichtlich.

Früher als in den Tagen zuvor kehrte Aurora in das Gasthaus Chapeau du Magicien zurück. Der wirt fragte sie, ob es losgegangen sei. Aurora bestätigte das ohne groß zu überlegen.

"Na dann, auf Camille Dusoleil und ihr neues Baby!" Rief der Wirt und spendierte eine Lokalrunde. Seine Frau meinte zwar, daß das wohl verfrüht sei, darauf zu trinken, wenn das Kind noch nicht geboren war. Doch der Wirt sagte zuversichtlich:

"Hera hat die genauso begluckt wie dich, Cherie. Jede Mami, die unter Heras Aufsicht ein Kind bekommen hat hat das dann auch groß gekriegt."

Auroras Vater kam wieder am späten Abend. Diesmal war er in Begleitung einer rotblonden, ihn fast um einen Kopf überragenden Hexe mit rehbraunen Augen.

"Du bist seine Tochter?" Fragte sie Aurora. "Dein Vater ist vorhin vom Besen gerutscht. Monsieur Delourdes mußte ihm zwei gebrochene Rippen und beide Oberschenkel heilen."

"Dafür habe ich dieser Angeberin aber auch drei Dinger durch die Ringe geschossen, Kind", sagte Hugo Dawn stolz. "Vor allem der Quaffel, den ich ihr durch den mittleren Ring geknallt habe war ein Kracher."

"Na, Monsieur. Wenn mein Mann Sie so reden hört käme der auf ganz abwegige Ideen", lachte die Hexe. Dann setzte sie Auroras Vater einfach auf den nächsten freien Stuhl am Tisch von Aurora.

"Oh, habe ich jetzt was anzügliches gesagt?" Fragte Hugo Dawn und errötete leicht an den Ohren.

"Einige würden das so nennen", sagte die Hexe grinsend. "Im Grunde haben Sie Ihrer Tochter gegenüber damit geprahlt, mich erfolgreich geschwängert zu haben. Da ich gerade vor drei Monaten eine gesunde Tochter geboren habe wäre mein Mann sicher sehr ungehalten, wenn mich jemand derartig dreist neu aufgefüllt hätte. Angenehmen Abend noch."

"Öhm, Madame Lattier, wegen der Heilerrechnung", warf Hugo Dawn ein, während Aurora über die ungezwungene Art kichern mußte, wie sich die rotblonde Hexe ausdrückte.

"Das lasse ich über den Fond zur Studie internationaler Rennbesen laufen, Monsieur Dawn", sagte die hochgewachsene Hexe. "Ich muß jetzt wieder zu meinen Lieben. Tine muß ins Bett, und ich bezweifel, daß Albericus noch ohne Zauberkraft mit ihr fertig wird."

"Camille hat schon angefangen, Hipp", sagte der Wirt. "Morgen bist du nicht die einzige in diesem Jahr die zwei Töchter hat."

"Oh, hat sich ja doch an den Termin gehalten. Klar, wenn sowas strenges wie Hera Matine ihr sagt, wann sie gefälligst zur Welt zu kommen hat", erwiderte die Hexe. "Ich hoffe, die neue gerät genauso gut wie Jeanne. Tine wollte ja nicht von ihr weg, hat Albericus mir gemelot. Dann noch einen schönen Abend zusammen."

"Schlaf gut, solange die Kleine dich läßt", feixte ein Gast. Die Hexe lachte und verließ den Gastraum durch die Tür, um dann mit lautem Knall zu disapparieren.

"Ui, die Frau ist gewöhnungsbedürftig", meinte Hugo Dawn. "Aber ich habe sie fertiggemacht."

"Nach dem drögen Kram von heute das lustigste, was passiert ist", meinte Aurora.

"Das glauben Sie doch wirklich nicht, daß Sie Hippolyte Latierre fertigmachen können, nur weil die gerade 'ne kleine Nuggelmaus füttern muß", lachte der Gast, der die Hexe verabschiedet hatte. Monsieur Renard meinte dazu, daß man doch höflicher gegenüber ausländischen Gästen sein sollte, wie Hippolyte es ja wohl war.

"Hoffentlich träume ich nicht noch davon, mit der Frau irgendwelche Kinder in die Welt zu setzen", grummelte Hugo Dawn. Dann ließ er sich von Aurora berichten, was sie erlebt hatte.

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Am nächsten Morgen grüßte goldenes Sonnenlicht die Bewohner und Gäste von Millemerveilles. Aurora Dawn lief einige Male um den runden Teich, um den vier große und acht kleine Zauberwesen und Fabeltiere standen. Sie war frisch und munter, als sie ihren Vater zum Frühstück hinuntergeleiten wollte. Doch Hugo Dawn war noch viel zu müde.

"Du kennst doch jetzt den Weg zu diesen Gewächshäusern. Mum muß es ja nicht wissen, daß ich dich alleine habe rumlaufen lassen."

"Hat dich das Spiel gestern so geschlaucht, Dad?" Fragte Aurora amüsiert. Er nickte.

"Diese Hippolitte istgut. Ich glaube aber nicht, daß die mich hat gewinnen lassen. Mach's gut Kind, bis heute abend!"

"Gehst du wieder in den Zaubertierpark?" Fragte Aurora ihren Vater.

"Wahrscheinlich. Da gibt's noch einige Tierwesen, die ich noch nicht genau angeguckt habe", sagte Hugo Dawn.

Draußen vor der Tür landete gerade der fliegende Teppich, auf dem Camille, ihre Hebamme und ihre Mutter zum Kongress geflogen waren. Aurora sah auf ihre Uhr und dann zum Himmel, wo die Sommersonne nun klar und hell am Himmel stand. Auf dem Teppich saßen Madame Dusoleil, ihre Mutter und Madame Matine. Camille Dusoleil trug ein grasgrünes Kleid. Das rosafarbene Tragetuch hob sich davon sehr deutlich ab. Aus dem Tuch lugte ein runder Kopf mit einem zarten Flaum schwarzer Haare heraus. Das pausbäckige Gesichtchen ruhte an der Schulter der Hexe, die immer noch sehr füllig wirkte, aber nicht mehr so, als müsse sie gleich platzen.

"Ah, da bist du ja schon", sagte Madame Dusoleil erfreut und strahlte die Schülerin an. "Ich war gestern so böse und habe deine mühsamen Mitschriften mitgehen lassen. Hat Professeur Trifolio noch was gesagt?"

"Er war nur enttäuscht, weil keiner mit ihm über seinen Vortrag reden wollte", sagte Aurora Dawn und trat näher an den Teppich.

"Komm zu uns! Wir fliegen zum Kongress. Oder will dein Vater das nicht haben, daß du mit anderen mitfliegst?"

"Er sagte, ich soll zum Kongress und nicht auf ihn warten. Gestern hat eine Madame Latier oder Latierre gegen ihn Quidditch gespielt und ihn wohl heftig ausgepumpt."

"Oha, sie hat echt einen Ahnungslosen gefunden, den sie ärgern kann", grummelte Madame Matine.

"Was denkst du denn, Hera, bei der Mutter?" Erwiderte Camille Dusoleils Mutter.

"Camille, willst du ernsthaft zu dem Kongress?" Fragte Hera Matine.

"Ich habe das dir diese Nacht noch gesagt, als sie endlich da war, Hera. Ich habe den Kongress einberufen und möchte ihn auch zu Ende bringen. Auch sollen die Leute sehen, warum sie gestern so früh aufhören mußten."

Aurora setzte sich auf den Teppich, während Madame Matine Madame Dusoleil weiter zu überreden versuchte, sich nach der Geburt nicht gleich wieder in solche Strapatzen zu stürzen. Doch Madame Dusoleil blieb hart. Aurora betrachtete das Neugeborene. Sie hatte noch nie ein so kleines Menschenwesen gesehen. Madame Dusoleils Mutter bekam es mit und meinte:

"Sie kam eine Stunde nach Mitternacht zur Welt. Ihre Schwester konnte sich fast nicht mehr auf den Beinen halten."

"Wie klein sie noch ist", sagte Aurora unbefangen. Camille Dusoleil lachte laut.

"Sie war schon groß genug, als sie sich an die Luft gezwengt hat. Aber du hast recht. Sie ist noch klein genug, um herumgetragen zu werden."

"Als ich meine kleine Cousine Arcadia zum ersten Mal gesehen habe war sie schon einen Monat alt", sagte Aurora. "Gut, damals war ich wohl auch noch etwas kleiner als jetzt. Aber die war schon ziemlich groß im Vergleich zu Ihrer Tochter."

"Wenn ich mich ranhalte ist die in einem Monat auch einige Zentimeter Länger und einige Pfund schwerer", sagte Madame Dusoleil. Da fiel das Licht der Sonne auf das kleine Mädchen, das bis dahin geschlafen hatte. Sie erwachte und schrie.

"Oh, die Sonne ist ihr zu hell", sagte Aurora angerührt. Madame Dusoleil lachte und nahm ihre jüngste Tochter.

"Dabei heißt sie doch Sonnenschein", lachte Sie. "Claire Dusoleil."

Professor Sprout beglückwünschte Camille Dusoleil als erste, dann kam Professor Verdant, dann der Kollege von Beauxbatons. Als Camille Dusoleil ihre jüngste Tochter vorgestellt hatte und bereits für sie um Entschuldigung bat, wenn sie Hunger kriegen sollte oder anderweitige Probleme hatte, klatschten ihr alle Beifall. Dann gab Madame Matine Aurora ihre Aufzeichnungen und setzte sich zu ihren beiden Patientinnen, die nun jede für sich atmen und Lärm machen konnten.

Trifolio war leicht enttäuscht, weil der halbe Kongresstag damit zu Ende ging, daß alle sich mehr für Claire als für seinen Vortrag interessierten. Doch irgendwie schaffte es die ganz junge Mutter, die Disziplin des Kongresses zu retten. Zwar mußte sie zwischendurch hinaus, um der Kleinen zu Trinken zu geben. Aber sonst verlief der vorletzte Kongresstag sehr informativ.

Als Aurora von Camille Dusoleil, ihrer Mutter und Hera Matine in den Chapeau du Magicien zurückgebracht wurde, herrschte dort eine ausgelassene Feierstimmung. Monsieur Dusoleil hatte ein spontanes Willkommensfest für seine jüngste Tochter vorgeschlagen. Auch Hugo Dawn feierte mit. Immerhin kannte er es ja auch, ein stolzer Vater zu sein. Doch offenbar hatte er etwas viel Alkohol erwischt. Denn er sah seine Tochter so an, als wisse er nicht, wo sie gerade stand.

"Na gut, daß ich der Kleinen eine Zauberwindel angezogen habe, die für fünf hält", lachte Camille Dusoleil, als sie den Grund der Feier präsentierte. "So wie ihr die habt Pipi machen lassen war das wohl auch nötig." Alle lachten, ob nüchtern oder volltrunken. Aurora fühlte sich an die Pokalfeier in Ravenclaw erinnert, wo auch viel Butterbier und auch Met die Runde gemacht hatten. Monsieur Dusoleil fragte Hugo, ob er seiner Tochter wenigstens einen Schluck Wein anbieten dürfe.

"Wwwenn d.. Budderbier drin-gen kkkannn, icks! ... Dann gann die auch einen k-k-kleinen W-wein .. ein'n kleinen ... Hicks!" Lallte Hugo Dawn.

""Du auch Camille?" Fragte Monsieur Renard. Seine Frau trat ihm von hinten in die Hacken.

"Gut gemeint, aber solange die Kleine noch bei mir mittrinkt lasse ich besser jeden Alkohol aus", lehnte Camille das Angebot ab. Aurora trank vorsichtig einen Schluck Wein und stieß mit der jungen Mutter an. Dann sammelten sie Monsieur Dusoleil ein und kehrten mit ihm nach Hause zurück.

am nächsten Tag empfand Auroras Vater seinen Kopf so groß wie einen Planeten, sagte er zumindest. Aurora fragte, ob sie einen Heiler herholen sollte. Er grummelte nur, daß kein Mann sich besaufen solle, wenn er es nicht aushalten könne.

"Ich lass dich Hier. Madame Renard ist ja in der Nähe. Wenn du deinen nun übergroßen Schädel doch etwas kleiner haben willst. Aber davon muß Mum dann auch nichts wissen."

"Ich darf doch wohl mit einem jungen Vater seine Tochter feiern", knurrte Hugo Dawn. Aurora nickte und verließ das Zimmer, um ohne ihn zu frühstücken.

Der letzte Kongresstag verlief etwas lockerer als die ersten beiden. Die beiden letzten Redner faßten sich kurz und genossen dafür die Diskussion. Zum schluß bedankte sich Camille Dusoleil bei allen Anwesenden für die Teilnahme und das Interesse und wünschte allen eine gute Heimreise. Sie verabschiedete sich auch von Aurora Dawn und meinte:

"Was immer Hera dir gesagt hat, Aurora. Wenn du mit der Heilzunft nichts anfangen kannst, kannst du immer noch mit der Kräuterkunde was machen. Wie sowas dann geht hast du ja erlebt."

"Ja, noch einmal vielen Dank dafür", sagte aurora aus tiefstem Herzen. "Ich schreibe Ihnen gerne, wenn ich meine UTZs in Kräuterkunde habe. Ich werde mir wohl dieses Französischbuch von Babel und Polyglosse besorgen."

"Das wäre schön, auch ohne den Trank miteinander zu reden, Aurora. Aber ich bin ja nicht die einzige interessante Expertin hier. Salvatore hat wohl Gefallen an dir gefunden."

"Das werde ich wohl verhüten, Camille. Dieser Zeitgenosse verwechselt Wissenschaft mit Romanzen", sagte Professor Sprout sehr energisch. Zwar gehörte Aurora nicht zu ihrem Haus, aber nach Hogwarts, wo sie eben eine Hauslehrerin war.

Hugo Dawn hatte sich, nachdem er einen halben Tag im Bett gelegen hatte, von Madame Renard ein Mittel gegen die Nachwirkungen von zu viel Alkohol geben lassen. Am Abend kehrten sie nach England zurück, wo Regina Dawn Ehemann und Tochter erfreut in die Arme schloß.

"Der Brief mit der neuen Ausrüstungsliste ist schon gekommen, Aurora. Dumbledore wußte wohl, wo du warst. Er schrieb, daß er dich und seine Kollegin Sprout beneide, weil ihr in der südfranzösischen Sonne sein durftet, während er mit dem Zaubergamot die Wahl des neuen Zaubereiministers diskutieren mußte", sagte Regina Dawn.

"Mum, die Gastgeberin hat ein Kind bekommen. Das durfte ich mir acht Stunden nach der Geburt schon ansehen", sprudelte es aus Aurora heraus. Dann berichtete sie, was sie alles erlebt hatte. Hugo Dawn erzählte nur, daß er viel Quidditch gespielt habe und auch den Zaubertierpark besucht hatte. Spät abends gingen sie müde vom langen Erzählen ins Bett.

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In den nächsten Wochen besuchte Aurora zusammen mit ihrer Mutter und Erica Fielding ihren Klassenkameraden Roy, der in den ersten Ferienwochen in einer streng abgeschirmten Abteilung des St.-Mungo-Krankenhauses für magische Verletzungen und Krankheiten liegen mußte, nachdem ihm die Begegnung mit paarungswilligen Sabberhexen fast zum Verhängnis geworden war. Sie erfuhr, daß er wohl noch bis Ende August in Behandlung bleiben würde, um nach der Entwöhnung vom Einfluß Morpuoras und ihrer Töchter wegen der aufgekommenen Selbstvorwürfe und des Ekels vor sich selbst noch einige Zeit benötigt würde, um ihn zu heilen, damit er bedenkenlos nach Hogwarts zurückkehren könne.

"Ich habe Tim Abrahams Eltern angeboten, sie mit hierher zu nehmen. Doch Tims Vater stellte sich stur wie ein Panzerkreuzer. Seine Mutter sagte mir, daß er im August wieder Dienst auf See machen würde. Dann wolle sie mit mir herkommen", sagte Erica zu Mrs. und Aurora Dawn. Ihr Gesicht war von den Sorgen und Strapazen gezeichnet. Auf ihren Schultern ruhte die ganze Verantwortung für ihren Bruder, nachdem sie beide durch Voldemort zu Vollwaisen geworden waren.

"Ich denke mal, Aurora wird gerne ein Auge auf deinen Bruder haben, Erica", sagte Regina Dawn. Aurora nickte eher mechanisch als überzeugt. Dann meinte sie:

"Ich hoffe, das zwischen ihm und Dina renkt sich wieder ein. Das wäre für deinen Bruder sicherlich sehr wichtig, Erica. Ich kann aber auch verstehen, daß Dina ihn erst einmal nicht mehr näher an sich heranlassen möchte, wenn sie immer noch daran denkt, daß ihn diese Morpuora und ihre widerlichen Töchter und Nichten angefaßt und was weiß ich alles mit ihm angestellt haben."

"Du hast es ja mitgekriegt, wie heftig ihm das zusetzt", seufzte Erica. "Ich wollte ihm schon oft seine ZAGs mitteilen. Aber ich finde keinen passenden Moment dafür."

"Hat er denn welche verfehlt, die wichtig wären?" Fragte Aurora.

"Zaubertränke und Zaubereigeschichte. Zaubertränke mies, Zaubereigeschichte Troll", informierte Erica ihre ehemalige Haus- und Schulkameradin. Aurora nickte. Daß Roy keine Zaubertränke weitermachen wollte wußte sie ja. Da war ein M in diesem Fach für ihn kein Beinbruch, und mit Binns hatte sie es ja auch nicht gehabt.

"Das einzige Problem ist Verwandlung. Wenn er das weitermachen will könnte er Probleme kriegen, weil er da nur ein A hat und die McGonagall immer nur Leute mit einem E-ZAG zugelassen hat."

"Wer bitte?" Fragte Mrs. Dawn leicht vorwurfsvoll dreinschauend.

"Ich bin keine Schülerin mehr, Mrs. Dawn, und Sie sind keine Lehrerin mehr", begehrte Erica auf. "Also verschwenden Sie bitte nicht Ihre und meine Zeit für Maßregelungen!"

"Akzeptiert", erwiederte Auroras Mutter nicht ganz so begeistert.

"Ist auf jeden Fall sehr nett von Ihnen und dir, daß ihr mich begleitet habt", sagte Erica, um die Wogen etwas zu glätten. Regina Dawn lächelte freundlich, und Aurora sah die frühere Schulkameradin aufmunternd an.

"Du weißt, daß wir alle da sind, um auf Roy aufzupassen, wenn er das wirklich nötig hat, Erica, auch Mortimer und Bruster. Der ist in Hogwarts bestimmt besser dran als sonstwo."

"Das weiß ich, und deshalb werde ich ihn auch davon überzeugen, da wieder hinzufahren", sagte Erica leicht beklommmen."

"Wir bleiben in Verbindung", sagte Mrs. Dawn. Erica Fielding bedankte sich höflich und nickte.

Aurora schrieb Briefe an die Jungen aus ihrer Klasse, daß Roy wohl bald wieder auf dem Damm war und erfuhr, daß Mortimer einen Ohne-Gleichen-ZAG in Verwandlung hinbekommen habe.

Im August traf sich Aurora noch einmal mit Petula Woodlane bei Miriam in Hogsmeade. Petula hatte außer in Zaubereigeschichte alle ZAGs geschafft, wenngleich sie mit einem A in Verteidigung gegen die dunklen Künste Schwierigkeiten bei Professor Glaucos haben würde, falls der nur Leute mit einem E oder O in den UTZ-Klassen haben wolle. Aber zumindest hatte sie Zauberkunst mit einem unterstrichenen O hinbekommen.

"Dieses Jahr fangen wir an, alle alten und neuen Zauber ungesagt zu wirken", meinte Petula mit einer Mischung aus Unbehagen und gespannter Erwartung. "Das wird dann heftig."

"Bei Snape brauchen wir das ja nicht zu können", grummelte Miriam.

"Du machst Zaubertränke weiter?" Wunderte sich Petula nicht schlecht.

"Dad sagt, außer Zauberkunst und Verteidigung gegen die dunklen Künste sollte ich versuchen, ob das mit Zaubertränken was gibt. Flitwick hat zwar gesagt, Snape nimmt nur Leute mit einem O in seinen UTZ-Unterricht. Aber vielleicht läßt er mich mit dem E, das ich geschafft habe auch rein."

"Snape? Wovon träumst du nachts?" Fragte Petula. Aurora nickte ihr beipflichtend zu. Wenn Snape sowas losließ, er wolle nur Schüler mit einem Ohne-Gleichen-ZAG unterrichten, dann meinte der das auch so und nicht anders.

"Hast vielleicht recht. Wäre vielleicht kein schlechter Gedanke, die nächsten beiden Jahre auf diesen Fiesling zu verzichten", seufzte Miriam. "Dad meinte das nur."

"Weil der selbst in Zaubertränken super drauf war", warf Petula ein. "Aber damals hat noch der kugelrunde Slughorn unterrichtet, und der war anders drauf als die Bitterling oder Snape."

"Ach, habe ich mal erwähnt, daß Dad ein O in Zaubertränken hatte", grummelte Miriam. "Hast recht, Petula. Ich muß nicht alles machen, was Dad gut gemacht hat."

"Wenn du unbedingt Zaubertränke machen willst würde ich das zumindest mal drauf ankommen lassen", meinte Aurora. Miriam nickte schwerfällig.

Als die Mädchen sich voneinander verabschiedet hatten dachte Aurora daran, daß sie sich langsam wieder auf Hogwarts einstellen mußte. Den Brief der neuen Schulsprecherin hatte sie ja schon bekommen. Das übliche Spiel. Am ersten September sollten sich alle Vertrauensschüler im vorderen Wagon des Hogwarts-Expresses einfinden und sich abstimmen. Danach hieß es, durch den Zug zu patrouillieren und aufzupassen, daß es keine Schwierigkeiten gab. Wie würde Tonya Rattler nun drauf sein, wo sie letztes Jahr spät aber wohl noch rechtzeitig gemerkt hatte, daß ihre Begeisterung für den Unnennbaren falsch war? Wie würde sie bei den Slytherins dastehen, von denen trotz des Massenrauswurfs im letzten Jahr noch viele dem verschwundenen Schwarzmagier nachtrauerten? Aurora hoffte nur, daß Tonya Roy Fielding in Ruhe lassen würde. Ihn jetzt mit der Sache mit den Sabberhexen aufzuziehen wäre höchst unfair, und nun wo sie Vertrauensschülerin war konnte Aurora sich nicht davor drücken, Tonya dann zurechtzuweisen, auch wenn sie ihretwegen keine Punkte von Slytherin abziehen konnte.

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Schnaubend und ratternd eilte der Schulzug durch das verwildert wirkende Land. Dicke, graue Regenwolken hingen über den Berggipfeln, gaben aber keinen Tropfen Wasser ab. Es schien so, als warteten sie darauf, daß die im Zug sitzenden und schwatzenden Schüler endlich ankamen, um sie dann gebührend vollzuregnen. Aurora Dawns Befürchtungen, daß Tonya sich über Roys Misere lustig machen würde waren wohl unbegründet. Sie bekam es mit, daß Tonya einem Viertklässler, der Roy tatsächlich wegen der Sache mit Morpuora dumm anquatschte herunterputzte und ihm androhte, beim nächsten Mal ggleich zwanzig Punkte von Slytherin abzuziehen.

Sie traf Eunice Armstrong, die wie sie durch die Gänge patrouillierte, als sie zwei Erstklässler, die ziemlich heftig miteinander zankten zur Ordnung rief. Einer der Jungen besaß feuerrotes, leicht verstruweltes Haar. Der andere hatte eine schwarze Lockenfrisur und blickte aus tiefgrünen Augen sehr energisch umher.

"Wenn ihr euch nicht leise unterhalten wollt, dann soll einer in ein anderes Abteil gehen", sagte die Vertrauensschülerin der Gryffindors, die wie Aurora die UTZ-Klassen erreicht hatte.

"Dann soll der stinkende Blutschänderbastard hier rausgehen", knurrte der schwarzhaarige Junge angriffslustig und glotzte höhnisch grinsend auf das V-Abzeichen von Eunice. "Der kommt wohl eh zu euch Muggelfreunden nach Gryffindoof wie seine dreckigen Eltern."

"Ey, noch so'n Spruch und du kannst nur noch Flüssigzeug zu dir nehmen!" Schnarrte der rothaarige Junge. Eunice ergriff ihn energisch beim nach oben schnellenden Arm mit der zum Zuschlagen geballten Faust und zog ihn ansatzlos vom Sitz hoch. Dann fragte sie, welchen Koffer er habe. Er deutete auf einen ziemlich ramponiert aussehenden Schrankkoffer, bei dem das Außenleder schon abging und in dem tiefe Kerben eingefressen waren.

"Sieht denen ähnlich, so abgenudelte Koffer zu haben", feixte der Schwarzhaarige und deutete auf seinen schmucken Drachenhaut-Schrankkoffer. Der Rothaarige wollte zwar noch was sagen, doch Eunice hielt ihren Zauberstab in der Hand und holte den ramponierten Koffer mit einem unausgesprochenen Zauber aus dem Gepäcknetz. Aurora faszinierte es, daß Eunice kein lautes Wort sagen mußte. Doch sie wußte bereits, daß die Gryffindor-Vertrauensschülerin vier Ohne-Gleichen-ZAGs geschafft hatte, zwei davon unterstrichen, von ddenen einer in Zauberkunst und der andere in Verwandlung war. Wenn sie jetzt schon ungesagte Zauber konnte, würde sie im ersten UTZ-Jahr weniger Probleme haben als die, die schon mit laut ausgesprochenen Zaubern Schwierigkeiten hatten. Der Rothaarige sah das fünf Jahre ältere Mädchen beeindruckt an, als es den Koffer mit einem weiteren ungesagten Zauber dazu brachte, vor ihr und ihm herzuschweben. Aurora sah den schwarzhaarigen Jungen an. Sie vermutete, daß der sich schon in Slytherin wähnte und meinte eiskalt:

"Falls du keine Geschwister hattest glaubst du wohl, daß du immer alles kriegst, wenn du laut genug schreist. Aber falls du nach Slytherin kommst wirst du mitkriegen, daß da Leute wohnen, die das noch besser draufhaben als du."

"Rabenklo-Klugscheißerin", zischte der Junge verächtlich. Aurora nahm es ohne jede Gefühlsregung zur Kenntnis und zog die Abteiltür zu.

Sie folgte Eunice und dem Jungen mit dem Feuerroten Schopf zu einem Abteil, in dem Zweitklässler aus Eunices Haus beim Kartenspiel saßen. Einer winkte dem Neuen zu und meinte laut:

"Uch, der Erstgeborene von den Weasleys kommt nach Hogwarts. Hätte ich doch am Bahnsteig schon sehen müssen. Hattest du Krach mit wem?"

"Wohl einer, der schon in Slytherin angekommen ist, bevor wir in Hogwarts ankommen", knurrte Eunice und fragte, ob der Neue bei den Zweitklässlern unterkommen durfte. Die sagten sofort ja und halfen ihm beim Verstauen des Koffers. Dann gingen die Vertrauensschülerinnen weiter durch den Zug.

Nach der Ankunft im Schloß saßen die bereits mehr als ein Jahr dort lernenden Schülerinnen und Schüler an den vier Haustischen und warteten auf die Neuen, damit diese eingeteilt wurden. Aurora fragte sich, ob Ravenclaw dieses Jahr mehr Schüler dazubekommen würde als im letzten Jahr. Sonst würden noch mehr leere Stühle am Ravenclaw-Haustisch stehen. Aurora war sich jedoch sicher, zumindest eine Erstklässlerin zugeteilt zu kriegen. Denn ihre Cousine Agatha kam dieses Jahr auch nach Hogwarts. Deren Bruder Philipp war bereits in der vierten Klasse und war auch vom sprechenden Hut nach Ravenclaw zugeteilt worden.

Als die Neuen eintraten erkannte Aurora Agatha sofort, weil ihr rotbraunes Haar ganz dem ihrer Mutter glich. Sie stand neben dem Jungen, der feuerrotes Haar besaß und kampfeslustige Blicke zu dem Burschen mit den schwarzen Locken hinüberwarf, der zwischen zwei schlachsigen Jungen mit goldblondem Haar stand, die sich zwar sehr ähnelten, aber nicht so wie Zwillingsbrüder. Offenbar waren es zwei Vettern. Professor McGonagall trug den Stuhl herein, auf dem der zerschlissene Hut lag, von dem hier in Hogwarts abhing, wer wo wohnte. Als sie den Stuhl hingestellt hatte und alle, die neuen und die eingesessenen Schüler wie gebannt auf die betagte Kopfbedeckung starrten klaffte ein Riss über der Krempe auf, und der Hut sang mit einer hohen, raumfüllenden Stimme:

"Vor einer Zeit, so lange her,
gab's hier nur Gestein und Erden.
Doch das mißfiel so manchem sehr.
Was ganz besond'res sollt' hier werden.
Vier der Großen aller Zauberei
dachten an die Mägdelein und Knaben,
daß es für sie nützlich sei,
wenn sie ihre eig'ne Schule haben.

Sie bauten auf ein Schloß voll Pracht,
groß und stolz mit mächt'gen Türmen,
welches als es dann vollbracht
wacker trotzte allen Stürmen.
Hogwarts nannten sie ihr Werk,
drauf, daß jeglicher hier etwas lerne,
riefen sie von Tal und Berg
alle her aus Näh' und Ferne.

Diese vier, die es vollbracht
Hogwarts für euch zu errichten,
waren Leute voller Macht,
unterschiedlich taten sie gewichten.
Godric Gryffindor, einer der vier,
voll des Mutes und Gerechtigkeit,
Rief aus: "Kommt all zu mir,
Die ihr seid wie ich voll Prächtigkeit!">

Drauf Rowena Ravenclaw
sehr schön und voll großer Geistesgaben,
stellte hier sich vor das tor,
blickte an die Mädchen und die Knaben.
"Wer zu mir will sei gescheit!"
Rief sie aus "Ich unterricht' euch gerne.
klug und wissbegierig jederzeit,
das er oder sie bei mir viel lerne."

Eine weitere trat vor,
eine tugendhafte Hexendame,
voller Fleiß und Ehrgefühl,
Helga Hufflepuff der werte Name.
Sie rief aus: "Wer ohne Furcht
vor der harten Arbeit und der Plagen,
dem wird meine ganze Kraft
und auch Fürsorge sehr gut behagen."

Feist und stolz so trat er vor,
voller Strebsamkeit und aus auf Ehren,
Salazar Slytherin,
wollt' der Zauberjugend Wissen mehren.
So rief er: "Wer sehr schlau ist und dazu
ausgeprägt mit einem starken Willen,
höre mir aufmerksam zu!
Gern will ich jed' Wißbegierde stillen."

So ging es viele Jahre hin,
das die viere ihre Schüler lehrten.
Doch kam ihnen in den Sinn,
vorzusorgen wenn sie nicht mehr währten.
So flößten sie mir, dem Sprechenden Hut,
ihre Vorlieben und Gaben ein.
So setzt mich auf nun! Habt den Mut!
Denn ich teile euch gar richtig ein."

Danach las Professor McGonagall die Namen von einer langen Pergamentrolle ab. Diesmal sah es so aus, als würde jedes Haus gleichmäßig mit neuen Schülern bevölkert. Von den vierzig neuen Schülern kamen immer welche nach Ravenclaw, Hufflepuff, Gryffindor und Slytherin. Wie sie erwartet hatte wurde ihre Cousine Agatha Ravenclaw zugeteilt. Als Aurora die bisherigen fünf neuen Ravenclaws begutachtet hatte hörte sie Professor McGonagall ausrufen:

"Sikes, Anteros!" Sie sah die Reihe der noch nicht zugeteilten neuen Schüler an und erkannte im Aufgerufenen den schwarzgelockten Burschen, der sich im Zug so abfällig über den Rothaarigen geäußert hatte. Der Junge schritt stolz nach vorne, warf einen Blick zum Slytherin-Tisch hinüber als wolle er denen dort sagen, sie mögen ihm schon mal einen Platz freihalten, nahm den Hut und setzte ihn sich auf. Dann saß er einige Minuten auf dem Stuhl, schien dabei immer unruhiger zu werden. Dann rief der Hut:

"Slytherin!"

"Hat er also doch seinen Willen gekriegt", dachte Aurora, als Anteros Sikes siegestrunken zum Slytherin-Tisch hinüberging, nachdem er Styles, Muriel" den Hut lässig zugeworfen hatte, was der alten Kopfbedeckung ein mißbilligendes Räuspern entlockte. Bei Muriel ließ sich der Hut nur zehn Sekunden Zeit, bevor er "Ravenclaw!" in den Saal rief.

Die beiden Jungen, mit denen Anteros Sikes zusammengestanden hatte waren tatsächlich Cousins, denn zwischen dem ersten und dem zweiten wurden drei andere Schüler aufgerufen. Beide kamen nach Slytherin wie Anteros. Als dann noch zwei unzugeteilte Schüler übrig blieben rief Professor McGonagall:

"Weasley, William!"

Am Slytherin-Tisch erhob sich unverständliches Gemurmel, aus dem Aurora heraushören konnte, daß der neue Schüler dort wohl schon jetzt unbeliebt war. Das konnte noch was geben, fand sie.

"Öhm, ich heiße doch Bill", sagte der Aufgerufene leicht verunsichert. Professor McGonagall räusperte sich. Nelly Flowers am Ravenclaw-Tisch kicherte belustigt.

"Sehen Sie etwa noch einen Mr. Weasley in diesem Raum?" Fragte sie.

"Noch nicht, aber in zwei Jahren", erwiderte William oder Bill Weasley schlagfertig und brachte damit alle zum lachen, außer die Slytherins, die Unmutsgesten machten und Professor McGonagall, die sich auf die Zehen getreten vorkam. Doch der Junge erkannte wohl, wann es ratsam war, die Lehrerin nicht weiter zu reizen und schritt vorwärts, nahm den Hut von Clara Waterfront, die zu den Hufflepuffs hinüberging und setzte sich den Hut auf. Als er sich hinsetzen wollte rief der bezauberte Hut:

"Gryffindor!"

"Unrat zu Unrat!" Stieß Sikes dazu laut aus. Snape am Lehrertisch blickte ihn erst mit einem zustimmenden Ausdruck an, sah dann aber, daß seine Kollegen dem nicht zustimmen mochten.

"Offenbar legen Sie es an, dem Haus, in das Sie so vehement hineinwollten einen unvergesslichen Einstand zu geben, Mr. Sikes!" Schnarrte Professor McGonagall. "Fünfzig Punkte Abzug für Slytherin und eine noch zu benennende Strafarbeit! Damit Sie es früh genug lernen, wie man sich hier zu benehmen hat."

"Rums!" Erwiderte Roy. "Das hat der Blödmann davon."

Bill Weasley grinste den Klassenkameraden am Slytherin-Tisch schadenfroh an. Dann ging er zu den Gryffindors hinüber, die laut klatschten und ihn sehr herzlich begrüßten.

Nachdem "Weaver, Natasha" zu den Hufflepuffs geschickt worden war, setzte das allgemeine Raunen an den Haustischen wieder ein. Es ebbte erst ab, als der Schulleiter das Wort ergreifen wollte.

"Nun, da wir alle dort sind, wo wir hingehören und für die Nächsten Jahre so bleiben werden langt kräftig zu! Und wehe jemand beschwert sich, er oder sie bekäme nicht genug zu essen." Alle lachten außer Snape, der die fünfzig Minuspunkte für Slytherin wohl schwer verdauen konnte. Würde er Anteros Sikes nun besonders drangsalieren oder zusehen, das er wegen Bill Weasley genauso viele Punkte von Gryffindor abziehen konnte.

"Was ist denn das für eine Kiste mit dem Weasley?" Fragte Vivian Acer, eine der zwei Zweitklässlerinnen von Ravenclaw.

"Ach, diese Sache", meinte Nelly Flowers. "Angeblich stammt die Mutter von dem aus einer alten reinblütigen Familie ab und hat nicht so reinblütig geheiratet oder so. Deshalb machen die Slytherins so'n Gewese drum, zumal beide Elternteile in Gryffindor waren, was den Slytherins ja schon als Ablehnungsgrund ausreicht."

"Hakennase Snape war ja voll geplättet, weil sein Neuzugang dem Drecksladen gleich fünfzig Punkte Absturz eingebrockt hat. Das heißt, die müssen erst einmal fünfzig Punkte reinholen, um keine zu haben."

"Das einfache Prinzip der Mengenlehre", bemerkte Bruster Wiffle.

Sie unterhielten sich nun auch mit den neuen Mitschülern, wobei Philipp seinen Klassenkameradinnen seine Schwester Agatha vorstellte. Dann sprachen die Sechstklässler davon, daß sie in diesem Jahr wohl mehr Freistunden hatten und, was Roy vor allem begeisterte, daß sie in diesem Jahr das Apparieren erlernen durften, die Kunst, sich zeitlos an einen anderen, beliebig weit entfernten Ort zu versetzen.

"Beamen ohne Transporter, Roy", meinte Bruster Wiffle. Roy sagte dazu nur, daß er das im letzten Jahr schon einmal mitbekommen hatte, wie es sich anfühlte, aber das wohl nicht mehr richtig wisse, weil er da ziemlich heftig durch den Wind gewesen sei.

Nach dem Essen führten die Vertrauensschüler alle in die Häuser. Bruce, der gemalte Kuhhirte, war zur allgemeinen Erleichterung auf seinem Posten. Als Aurora Dawn "Mens sana in Corpore sano" sagte, schwang der gemalte Türhüter bei Seite und ließ alle ein.

Abends im Schlafsaal wandte sich Dina an Aurora. Sie hatte den ganzen Abend so gut wie kein Wort mehr als nötig gesprochen.

"Glaubst du wirklich, mit Roy ist alles wieder in Ordnung?" Fragte sie.

"Hmm, er hat auf mich den Eindruck gemacht, als sei wieder alles klar", sagte Aurora.

"Ja, aber wenn ich ihn anfasse, dann denke ich immer daran, daß dieses Scheusal ihn genauso angefaßt hat. Außerdem weiß ich nicht, ob das mit uns wieder so wird wie vorher, jetzt wo er ... du weißt schon."

"Da kann ich dir nichts zu sagen, Dina", bedauerte Aurora Dawn. "Wahrscheinlich denkt er ähnlich. Aber es kann auch sein, daß er dir zeigen möchte, daß er nichts dafür konnte, daß ihn diese Kreaturen überwältigt haben. Ich denke, es wäre gut, wenn du ihm die Möglichkeit gibst, wieder mit dir so klarzukommen wie vorher. Du darfst nicht dran denken, was ihm passiert ist. Sonst werdet ihr beide diese Kreaturen nicht los."

"Wahrscheinlich werden wir nicht mehr nach Hogsmeade reingehen, wenn die da immer noch rumlaufen", grummelte Dina.

"Müßt ihr ja auch nicht", sagte Aurora leise. "Hauptsache, ihr beiden schafft es, wieder miteinander klarzukommen."

"'ne andere Sache, Aurora. Ich weiß nicht, was ich hier eigentlich noch lernen kann. Zaubertränke und Kräuterkunde sind bei mir zwar sehr gut, und ich habe auch ein E in Zaubereigeschichte. Aber mit der Zauberkunst, Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste bin ich gerade bei einem A rausgekommen, wohl eher wegen der Theorie", meinte Dina.

"Du hast auch zwei unterstrichene Ohne Gleichen abgeräumt", meinte Aurora. "Dann kannst du bei einem der A-Fächer wohl was rausholen. Besser wäre dann Zauberkunst, weil man das ja doch häufiger braucht als Verwandlung. Kläre das mit Flitwick, wenn der uns morgen die neuen Stundenpläne gibt!"

"Haben meine Eltern schon angefragt. Flitwick hat schon gesagt, daß er mich wohl in die UTZ-Klassen nehmen würde. Allerdings dürfte ich mir nur dann Chancen auf einen UTZ ausrechnen, wenn meine Zauberfähigkeiten sich erheblich verbesserten."

"Wäre ja auch ein Hammer, wenn du in Fächern bestanden hast, wo du dann keine UTZ-Klassen machen dürftest", meinte Miriam. Aurora nickte. Andererseits verstand sie, daß die Schule wegen ihrer hohen Anforderungen schon hohe Maßstäbe anlegen mußte. Nachdem sie am Tag gesehen hatte, wie Eunice Armstrong ungesagte Fernlenkzauber ausgeübt hatte konnte sie sich Dina nicht als eine gewandte Hexe mit ungesagten Zaubern vorstellen. Da Dina auch in Astronomie ein E hatte, schlug Aurora vor, daß sie dieses Fach belegte. Gute Astronomen waren in der Zaubererwelt ebenso gefragt wie Zauberkunsthandwerker oder Ministerialzauberer. Als Dina meinte, daß sie das wohl machen würde fanden die Mädchen, es sei Zeit, genug vorzuschlafen, um den ersten Schultag durchzustehen.

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Als die Hauslehrer mit den Stundenplänen herumgingen beobachtete Aurora Snape, wie er mißmutig die Erstklässler der Slytherins begutachtete. Die Vertrauensschülerin fragte sich, ob Anteros Sikes so reinblütig war wie er heraushängen ließ, oder ob er nicht eher ein Halbmuggelstämmiger war, dessen Eltern jedoch irgendwie wütend auf den Rest der Zaubererwelt waren.

"... Und Sie meinen wirklich, daß ich bei Zaubertränken nicht reinkommen kann, Professor Flitwick?" Hörte sie Miriam den kleinen Hauslehrer fragen.

"Bedauere sehr", quiekte der weißhaarige Zauberkunstlehrer, "Aber Professor Snape besteht kategorisch darauf, daß ausschließlich Schüler mit einem Ohne-Gleichen-ZAG in seinen UTZ-Klassen lernen dürfen. Da er der Fachlehrer und gleichzeitig leiter eines Schulhauses ist, steht es mir nicht zu, ihn zu überzeugen, von seiner Meinung abzurücken. Aber ich denke, Sie werden auch ohne Zaubertränke eine passable Hexe sein, Ms. Swann. Auch fürchte ich nicht, daß Sie sich unterfordert fühlen werden, wenn Sie Verwandlung statt Zaubertränke belegen. Mit Ihrem Erwartungen-Übertroffen-ZAG in diesem Fach sind Sie bei meinr Kollegin Professor McGonagall willkommen."

"Na ja, war nicht so ganz meine erste Wahl", grummelte Miriam. Dann nickte sie jedoch und bestellte Flitwick, er möge sie für Verwandlung eintragen.

Als Flitwick bei Aurora Dawn anlangte warf er einen Blick auf die Liste ihrer ZAGs und nickte. Dann fragte er, welche Fächer sie noch belegen wolle. Sie sagte ihm, daß sie neben den O-Fächern noch Verwandlung, Alte Runen und Muggelkunde weiterlernen wolle, wo sie ja ein E erzielt habe. Flitwick nickte und gab ihr einen Stundenplan, auf dem alle Fächer der sechsten Klasse standen.

"Markieren Sie bitte die Sie betreffenden Stunden. Immerhin werden Sie alle nicht mehr nach Häusern separat unterrichtet", sagte er laut genug, daß alle Sechstklässler es mitbekamen. Dann ging er zu Dina Murphy, die rechts neben Aurora saß. "Nun, wie ich bereits auf dem Eulenpostweg mit Ihren Eltern und Ihnen diskutierte gestaltet es sich bei Ihnen leider etwas schwieriger, ein praktisches Zaubereifach zuzuteilen. Da Sie aber zumindest alle praktischen Fächer bestanden haben kann ich Ihnen zuversichtlich mitteilen, daß ich bereit bin, Sie in meinen Zauberkunst-UTZ-Klassen zu unterrichten, sofern Sie es schaffen, ihre praktischen Fähigkeiten in diesem Fach zu steigern. Sicherlich haben Ihre Eltern Ihnen erzählt, daß ab der sechsten Klasse nonverbale Zaubereien einstudiert werden. Vielleicht können Sie einige davon erlernen. Die ZAGs von Ihnen zeigen ja, daß Sie sehr fleißig sind und wir nur wegen gewisser praktischer Schwächen diesen Fleiß nicht ignorieren sollten. Außerdem können Sie mit der Kombination Zaubertränke und Kräuterkunde ebenfalls eine passable Laufbahn in der Zaubererwelt einschlagen, sofern Ihnen danach der Sinn steht."

"Aurora Dawn hat vorgeschlagen, ich könne ja auch Astronomie weitermachen", sagte Dina.

"Auch eine kluge Entscheidung. Ich weiß zuverlässig, daß es im Ministerium immer wieder vorkommt, daß gute Astronomen gesucht werden, insbesondere jetzt, wo die Weltraumfahrt der Muggel diesen ständig neue Einblicke in das Universum gibt und die astronomische Vereinigung der Zaubererwelt dem nicht nachstehen möchte. Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Erfolg in den nächsten beiden Jahren, Ms. Murphy."

Als Flitwick bei Bruster war lobte er diesen für die vielen guten ZAGs und beglückwünschte ihn vor allem zu dem O in Zaubertränke. Mortimer sah seinen Cousin erstaunt an. Bruster meinte dazu:

"Ich wollte mich nur gut aus Professor Snapes Unterricht verabschieden, damit er nicht denkt, seine Zeit mit mir verschwendet zu haben. Aber den O-ZAG in seinem Fach kann er sich an den Hut stecken. Ich habe kein Bedürfnis, bei ihm noch länger zu lernen. Vielen Dank!"

"Nun, daß ist Ihre Entscheidung", erwiderte Flitwick leicht verlegen. "Ein guter ZAG verpflichtet ja nicht zur weiteren Teilnahme am Unterricht in diesem Fach, sondern eröffnet nur die Möglichkeit, weiter darin unterwiesen zu werden. Ich freue mich auf jeden Fall, wenn ich Sie in meinen UTZ-Stunden begrüßen darf."

Als Flitwick die Runde fortsetzte und den Siebtklässlern ihre Stundenpläne überreicht hatte meinte Mortimer:

"Das hättest du mir echt schon längst erzählen können, daß du bei Snape ein O gebaut hast."

"Zum einen habe ich bei der Bitterling mehr gelernt als bei dem Schleimbeutel und zum zweiten wollte ich mir nicht auch noch von dir anhören, daß ich ja doch dieses Fach weitermachen soll. Ich bin mit dem Kerl durch und der ist bestimmt auch froh, mich in seinem Unterricht nicht ertragen zu müssen."

"Oh, das sage mal nicht! Der könnte sich beleidigt fühlen, weil einer mit einem O seinen Unterricht ablehnt. Der könnte denken, du würdest denken, nix bei ihm lernen zu können."

"Siehst du, Morty, deshalb habe ich das dir erst gar nicht auf's Brot geschmiert, daß die Kommission mir für meine Blubberschau ein O gegeben hat. Dann hätte ich mir die ganzen Ferien lang diesen Drachenmist anhören müssen, den du gerade verzapft hast. Ich habe genug am Hut, auch mit den Vertrauensschülersachen. Da möchte ich mir schon aussuchen, wem ich aus dem Weg bleibe."

"Ist ja gut", versuchte Mortimer, seinen Cousin zu beruhigen. "Ich meinte das auch nicht so ernst."

"Du könntest aber recht haben", knurrte Bruster. "Könnte sein, daß Snape echt alle ZAGs mitgekriegt hat und jetzt meint, ich hätte bei ihm im Kerker zu sitzen. Aber da hat er sich geschnitten."

"Wir haben gleich die erste Stunde Zauberkunst, Dina", sagte Aurora und deutete auf die erste Markierung, die sie gemacht hatte. "Dann Kräuterkunde."

"Stimmt", sagte Dina. "Du hast dann Verwandlung."

"Wenn die echt schon mit den ungesagten Zaubern anfangen wird das heute noch sehr heftig. Am Nachmittag Verteidigung gegen die dunklen Künste. Mal gespannt, wer da alles in den Klassen ist."

"Von den Slytherins werden wohl die Rattler und die Tormentus dabei sein", sagte Miriam. Bruster meinte, daß er das auch machen würde. Roy nickte beipflichtend, ebenso Mortimer. Petula würde ebenfalls dabei sein.

"Astronomie am Freitag abend. Da kann ich dann am nächsten Morgen ausschlafen", stellte Dina fest.

"Wann blüht euch Snape?" Fragte Roy.

"Morgen nachmittag und am Donnerstag in der Ersten", meinte Aurora und markierte die Stunden auf ihrem Plan. Das Roy und Bruster wie Aurora, Petula und Miriam Muggelkunde weitermachen würden verstand sich von selbst, wo Roy ja Muggelstämmig war und Brusters Vater ebenfalls ein Muggel war.

Als die Sechstklässler sich vor dem Zauberkunstraum einfanden, wobei Dina verschüchtert die Jungen und Mädchen aus den anderen Häusern ansah, stellte Aurora fest, daß die Zeit wohl endgültig vorbei war, wo sie Tonya Rattler aus dem Weg gehen konnte wie sie wollte. Denn diese war genauso dabei wie Loren Tormentus und alle verbliebenen Jungen aus dem Slytherin-Haus. Aus Gryffindor waren Isis Waverly, Eunice Armstrong und einige der Jungen dabei, sowie die drei Hufflepuff-Mädchen Tara Branigan, Cynthia Flowers und Melinda Bunton zusammen mit Dorian Dirkson, dessen Zuteilung zu Hufflepuff für Aurora immer noch unvergesslich war.

"Was will denn die hier?" Fragte Tonya auf Dina deutend. "Hast du eurem Hauslehrer was vorgeheult, daß du doch wenigstens ein echtes Zauberfach belegen müßtest?"

"Das war nicht nötig, ihm was vorzuheulen, Rattler", knurrte Dina verbittert. "Er erkannte meinen Fleiß an." Tonya lachte. Das klobig wirkende, fast so breit wie hoch gebaute Mädchen mit der weizenblonden Mähne, welches nun immer mehr seiner älteren Schwester Delila glich glotzte Dina ungläubig an. Dann wandte sie sich an Loren und zischte ihr was zu. Doch Loren schüttelte nur den Kopf und deutete auf den Korridor, wo gerade Flitwick herantrippelte. Der kleine Lehrer machte sehr schnelle Schritte, um genauso rasch voranzukommen wie ein üblich gewachsener Zauberer.

"Bitte alle zur Seite, damit ich öffnen kann", flötete der Zauberkunstlehrer. Alle gehorchten. Trotz seiner geringen Körpergröße strahlte Flitwick dieselbe Durchsetzungskraft aus wie etwa Professor McGonagall, eben nur daß er nicht all zu streng mit den Schülern umsprang. Mit einem Wink des Zauberstabes klickte es im Türschloß, und die Klassenzimmertür sprang auf. Tonya meinte unvorsichtig:

"So hätten wir die ja auch aufgekriegt."

"Bestimmt nicht", erwiderte Flitwick und trieb die Schüler an, die Klasse zu betreten. Als sie sich alle den Häusern nach sortiert hingesetzt hatten trat Flitwick vor die Tafel und winkte erneut mit dem zauberstab, ohne etwas zu sagen. Weiße Linien tauchten auf der Tafel auf und wirbelten umher, bis sie einen Text formten der sagte:

"Grundlagen nonverbaler Zauberkunst und erste Übungen damit."

Dina sackte fast auf ihrem Stuhl zusammen, während Tonya siegessicher dreinschaute und Aurora Dawn und Eunice herausfordernd ansah. Doch Eunice lächelte ebenso überlegen zurück und Aurora verzog keine Miene.

Wie ich Ihnen allen in drei einfachen Fällen vorführen konnte ist die nonverbale Zauberkunst, also das Zaubern ohne gesprochene Worte die wahre Reifeprüfung für jede Hexe und jeden Zauberer. Da Sie alle zuerst bei mir mit dieser Thematik zu tun bekommen möchte ich Sie darauf hinweisen, daß die nonverbale Zauberei auch in anderen zauberstaborientierten Disziplinen, welche Sie in den UTZ-Jahren belegen ausschlaggebend für eine gute Benotung und eine passable Abschlußprüfung sein wird, also in Verwandlung wie in der Verteidigung gegen die dunklen Künste. Jedoch stellt das ungesagte Zaubern in der zauberkunst eine Besondere Herausforderung dar, da mehrere magisch bewirkte Ereignisse zeitgleich ablaufen können, ohne daß Außenstehende die einzelnen Komponenten mitbekommen. So war es mir möglich, zwei ineinandergreifende Türverschlußzauber zu wirken, ohne daß Sie davon etwas mitbekamen. Der Ihnen allen geläufige Alohomora-Zauber hätte, verbal oder nonverbal, keine Wirkung getan, da Sie alle nicht wissen konnten, welche zweite Komponente ich im Verschlußzauber eingearbeitet habe. Ich mußte beide Komponenten in einem fließenden Ablauf von Bewegung und vor allem Gedanken einbringen, um die Tür zu öffnen. Ähnliches galt für den Text auf der Tafel oder das Verschließen der Tür."

"Moment mal, Professor Flitwick. Soll das heißen, sie haben uns eingesperrt?" Fragte Tonya. Flitwick nickte und schlug vor, die Tür mit Alohomora zu öffnen. Tonya versuchte es. Doch anstatt die Tür aufzuzaubern verlor sie fast ihren Zauberstab aus der Hand. Sie funkelte Flitwick an, der jedoch gelassen von unten zu ihr hochblickte.

"Was haben Sie angestellt? Mir wäre fast der Stab aus der Hand gehauen worden", knurrte sie.

"Genau das ist der Punkt. Ich habe einen Colloportus mit einem nur mir bekannten Rückprällzauber gekoppelt. Ich entriegel die Tür wieder, damit Sie alle nicht unter Platzangst zu leiden beginnen", sagte der Lehrer und machte eine rasche Abfolge von Zauberstabbewegungen, worauf die Tür wieder aufsprang. Dorian, der ihr am nächsten saß, durfte sie schließen, wieder öffnen und wieder schließen. Als er wieder saß fuhr der Lehrer fort:

"Sie alle wie Sie hier sitzen sind mehr oder weniger sehr bewandert in der praktischen und auch theoretischen Zauberkunst. Ich gehe also davon aus, daß Sie meinem Unterricht ohne nennenswerte Probleme folgen können. Ich hätte wohl jedem Interessenten abgeraten, den ich nicht für dazu geeignet befunden hätte."

"Kann der auch Gedanken lesen?" Wisperte Roy Aurora zu und deutete auf Tonya. Seine Hauskameradin sagte jedoch nichts dazu.

"Um Ihnen die ersten Eindrücke in der Handhabung nonverbaler Zauberei zu vermitteln möchte ich nun, daß Sie alle versuchen, erst den Lichtzauber zu wirken, ohne ihn laut auszusprechen. Wenn es Ihnen gelingt, löschen Sie das Licht ihrer Zauberstäbe wieder. - Ja, bitte?" Tonya hatte die Hand gehoben.

"Was ist, wenn jemand von uns nicht einen einzigen Zauber ohne ihn auszusprechen hinkriegt? Ist der Unterricht für den dann gelaufen?"

"Dieses Biest", zischte Petula, als ein leises Tuscheln anhob.

"Oh, ich bitte um Verzeihung, daß ich wohl nicht laut und deutlich genug war, daß Sie es mitbekommen konnten, Ms. Rattler. Aber ich sagte gerade, daß jeder und jede, die wie Sie in dieser Klasse sitzen von mir für fähig genug erachtet werden, das nötige Leistungsniveau zu erreichen. Nun, davon ausgehend, daß ich mich geirrt haben könnte, da ich ja nun auch nur ein Mensch und keine allwissende Gottheit bin, es geht hier nicht nur darum, alte Zauber unausgesprochen zu wirken, sondern auch um neue Zauber. Sei es, daß irgendjemand, vielleicht Sie, vielleicht jemand anderes hier nicht im Stande ist, nonverbal zu zaubern ist der Unterricht für die betreffende Person nicht umsonst. Immerhin könnte der- oder diejenige noch einen annehmbaren UTZ in diesem Fach erzielen, da ja bei den Prüfungen, wie Sie alle unlängst erleben durften, auch ein gutes Grundwissen der Materie abgefragt wird. Ich hoffe nun, Ihre Frage erschöpfend beantwortet zu haben."

Tonya verzichtete auf weitere Nickligkeiten, die wohl gegen Dina gehen sollten. Einen Punkteabzug für Slytherin zu riskieren, weil sie die Urteilskraft Flitwicks anzweifelte war ihr eben doch zu riskant. So übten sie den Zauberstablichtzauber ohne ihn auszusprechen. Dina schaffte es nicht sofort, während Bruster auf Anhieb seine Zauberstabspitze zum leuchten brachte. Eunice gönnte es sich, innerhalb von zehn Sekunden zwölfmal den Lumos- und den ihn aufhebenden Nox-Zauber zu wirken, ohne daß irgendwer ein Wort von ihr hörte. Tonya war nicht so schnell. Sie schaffte es zwar nach einer Minute, ihren Zauberstab zu entzünden, bekam ihn aber nicht mehr aus. Aurora hingegen entspannte sich und schaffte es in einer Minute fünfmal, "Lumos" und "Nox" so konzentriert zu denken, daß ihr Zauberstab darauf wie gewohnt reagierte. Sie fühlte jedoch, daß die unausgesprochenen Zauber schwieriger waren. Dina sprang vor Freude auf, als ihre Zauberstabspitze unvermittelt aufleuchtete, ohne daß irgendwer "Lumos" von ihr gehört hatte.

"Öhm, da hat wohl wer nachgeholfen", knurrte einer der Slytherins, der von Tonya angestachelt Dinas Übungen beobachtet hatte. Flitwick hörte das jedoch und sagte laut und schrill:

"Solche Unterstellungen sind nicht Ihre Sache. Fünf Punkte Abzug für Slytherin!"

"Arschloch!" Schnaubte Roy. Dina sah ihre Klassenkameraden an, als suche sie Schutz. Flitwick meinte zu ihr, sie möge nun das Licht wieder auszaubern, ohne ein Wort zu sagen und bat sie nach vorne, damit alle sehen konnten, ob ihr jemand half oder nicht. Tatsächlich dauerte es zwei Minuten, bis der Zauberstab wieder erlosch. Dann sagte der Lehrer:

"Wie Sie alle sehen konnten kann jeder hier nonverbal zaubern. Die einen können dies schon aus dem Handgelenk. Die anderen mühen sich sehr schwer ab. Aber jeder und jede hier hat es geschafft, diesen einfachen Zauber nonverbal zu wirken. Das wird mit der Zeit besser gehen, wenn Sie ihre Gedanken und Zauberstabbewegungen immer flüssiger aufeinander abstimmen. Übrigens muß ich wegen einer rüden Äußerung von Mr. Fielding Ravenclaw zehn Punkte abziehen. In meinem Unterricht verbitte ich mir derlei Derbheiten." Er sah Roy von unten her an. Aber Roy meinte, von einem drei Meter großen Koloss angestarrt zu werden.

"Kleine Leute haben große Ohren", feixte Bruster, als der Unterricht vorbei war und Roy schon jetzt gut erschöpft und wütend auf sich und Tonya Rattlers Bande den Klassenraum verließ.

"Das geht ja doch", sagte Dina zu Aurora. Eunice, die in dieser Stunde ihre Überlegenheit im wortlosen Zaubern bewiesen hatte klopfte ihr auf die Schultern und meinte:

"Du kannst das doch. Ich mußte auch viel üben, um das so hinzukriegen wie eben. Euer Hauslehrer hat recht, daß das alles eine Frage der Übung ist. Das ist ja kein Wettrennen hier."

"Ja, und warum hast du dann so angegeben, Armstrong?" Fauchte Tonya.

"Tja, damit du deine große Klappe endlich mal hältst, Rattler. Längst nicht jeder, den du für schwach hältst ist auch schwach, und du bist bestimmt nicht die beste in allem. Das wollte ich dir zeigen. Daß ich dafür zehn Punkte für Gryffindor mitnehmen durfte ist zweitrangig."

"Werden wir erleben, ob du echt so gut bist, wenn wir bei dem Halbmeerling haben", knurrte Tonya und schob ab. Dina bedankte sich bei Eunice für die aufmunternden Worte. Immerhin konnte sie in den Stunden, wo die anderen praktische Zauberfächer hatten nonverbale Zauberkunst üben. Wenn das stimmte, was Eunice sagte würde sie dann irgendwann ähnlich flott zaubern können.

In Kräuterkunde waren es nicht so viele wie in Zauberkunst. Außer Mel, Cynthia und Tara aus Hufflepuff hatten sich noch Isis und Eunice aus Gryffindor und eben Aurora und Dina aus Ravenclaw für Kräuterkunde als UTZ-Fach entschieden.

"Eine reine Hexentruppe", begrüßte Professor Pomona Sprout die Schülerinnen, die belustigt kicherten. Dann beschrieb sie die Schwerpunkte des nun beginnenden Schuljahres.

"Ob ihr nonverbal zaubern könnt oder nicht ist für meinen Unterricht nicht so von Belang. Falls es nötig ist, gegen außer Kontrolle geratende Pflanzen vorzugehen zaubert so, wie ihr es am besten könnt!"

"Wie gefährlich sind die Pflanzen denn. Springschnapper oder dergleichen?" Fragte Eunice. Dina verzog das Gesicht.

"Könnten euch auch begegnen", sagte die Lehrerin. Dann schloss sie die Tür zum Gewächshaus Nummer drei auf und ließ ihre Schülerinnen hinein.

Als sie sich mit Wurfdornlingen herumgeschlagen hatten, hinterhältigen Büschen, die zollange Stacheln verschießen konnten, die ein lähmendes Gift enthielten, damit die Pflanze sich langsam zu den davon getroffenen hinbewegen und sie einschnüren konnte, bis sie tot waren und sie warten konnte, bis die Verwesung ihr Fleisch verflüssigte, war Verwandlung für Aurora eine scheinbare Entspannungsübung. Es waren fast alle die in Professor McGonagalls Unterricht, die am Morgen schon in Zauberkunst waren. Nur Dorian, Roy und Dina fehlten. Dorian hatte ein A in Verwandlung und kam damit nicht in Frage für Professor McGonagalls UTZ-Klassen. Auch hier fingen sie mit nonverbalen Zauberübungen an. Und wie in Zauberkunst übertrumpfte Eunice Armstrong sie alle. Professor McGonagall gab jedem, der bereits nonverbal zaubern konnte zehn Punkte. Nur Eunice bekam fünf.

"Ich weiß natürlich, daß Sie bereits viel geübt haben, Ms. Armstrong. Daher kann ich die selbe Leistung bei Ihnen nur halb so hoch bewerten wie bei den anderen."

Tonya grinste bösartig. Doch Professor McGonagall sah es wohl und zog Slytherin deshalb fünf Punkte ab, wodurch sie gesamt genauso wenig bekommen hatte wie Eunice.

So verging der erste Unterrichtstag der sechsten Klasse, und Aurora fühlte sich entsprechend müde, als sie abends die neuen Ravenclaws bei den Hausaufgaben betreute. Dina übte wohl fleißig ungesagte Zauberkunst, während Roy mit Bruster über die erste Division der britischen Fußball-Liga diskutierte. Immerhin hatte die erzwungene Paarung mit den Sabberhexen seine Leidenschaft für diesen Einballsport nicht ganz ausgerottet. Philipp gesellte sich zu Aurora und half seiner Schwester Agatha bei den ersten Hogwarts-Hausaufgaben ihres Lebens.

"Mum hat einen Artikel in den Tagespropheten gesetzt, daß die Muggels demnächst wohl eine elektronische Weltbibliothek aufbauen können. In Muggelakademien hängen diese Computerdinger nun über Telefonkabel zusammen. Mum meint, in zehn Jahren könnte jeder mit so einem Rechnerkasten aus dieser Bibliothek lesen und Leuten Briefe schicken."

"Ja, das hat meine Mum mir auch erzählt, daß Tante June doch recht behalten hat. Die Frage ist nur, was uns das betrifft", meinte Aurora.

"Mum, also deine Tante June meint, daß die Zaubererwelt dann noch schärfer aufpassen muß, nichts rauskommen zu lassen, weil irgendein Muggel das sonst einfach in die ganze Welt posaunen könnte, und die Vergissmichs nicht schnell genug hinterherkommen. Sie meinte, für den Fall sollte es einen Beauftragten im Desinformationsbüro geben, der gezielt übertriebene Meldungen in diese Weltbibliothek einschleust, damit die echten Sachen nicht auffallen. Das Problem dabei ist nur, daß die meisten Hexen und Zauberer keine Lust auf Muggelmaschinen haben, um damit zu arbeiten."

"Dann kann doch deine Mutter diesen Job machen", meinte Aurora.

"Ja, aber das könnte ja auffallen, wenn von einer bestimmten Adresse die heftigsten Sachen reinkommen. Sie hat mir da was erzählt von wegen Absender und Adressen, die bestimmt irgendwo aufgezeichnet werden, egal ob diese Weltbibliothek wenige oder viele Besucher hat."

"Sie sagte ja was von zehn Jahren, Philipp. Bis dahin findet sich wohl wer, der diese gezielten Meldungen da reintut", sagte Aurora.

Dina mußte sich wohl so sehr angestrengt haben, daß sie, kaum daß sie im Bett lag, auch schon eingeschlafen war. Aurora und Miriam sprachen leise über die Unverschämtheiten Tonyas und ob die Lehrer ihr das noch lange durchgehen ließen.

"Nächsten Samstag ist Vertrauensschülerkonferenz. Da könnte es was geben, wenn sie nicht aufpaßt. Also was die sich bei Flitwick und McGonagall geleistet hat sollte der eigentlich Warnung genug sein", wisperte Aurora. Dann wünschte sie Miriam und Petula noch eine gute Nacht.

Die erste UTZ-Zaubertrank-Stunde bei Snape begann mit einem Sermon des Lehrers, daß sie nun erst wirklich gefordert wurden.

"Wer in diesen Klassen sitzt hat gefälligst alles hinzukriegen, was ich vorgebe. Ausreden und Schlampereien lasse ich nicht durchgehen. Die Zaubertrankbrauerei ist eine viel zu ernste Angelegenheit, um durch schuldhafte Patzer das eigene Leben und das anderer zu gefährden. Ihr habt es alle geschafft, ein Ohne Gleichen zu erreichen. Bei manchen frage ich mich zwar, ob sie nicht mehr Glück als Verstand hatten. Aber die Frage kann ich ja nun eingehend beantwortet kriegen, wenn ihr euch in den nächsten zwei Jahren ranhaltet oder doch zeigt, daß ihr mit der edlen Kunst der Zaubertrankbrauerei nicht ernsthaft genug umgehen könnt. Immerhin habe ich es ja nur mit sieben von euch zu tun und kann daher sehr genau darauf achten, wer meine Anforderungen erfüllt und wer nicht." Außer Aurora und Dina waren nur noch Eunice Armstrong aus Gryffindor, Melinda Bunton und Dorian Dirkson aus Hufflepuff, sowie Tonya Rattler und Loren Tormentus aus Slytherin in der Klasse. "Zwar hätte es noch zwei weitere Leute gegeben, die zumindest dem Pergament nach hier hineingedurft hätten. Aber die hielten es eben nicht für erforderlich, herauszufinden, ob es Glück oder echte Fleißarbeit war, die ihnen eine solche Chance eröffnet hatte."

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Die erste Woche verging. Aurora und ihre Klassenkameraden stellten fest, daß sie die Freistunden, die sie nun hatten dringend brauchten, um die von den Lehrern verlangten Aufgaben zu bewältigen. Dina hatte mit Roy, der in der nur aus vier Leuten bestehenden Astronomie-Klasse war eine Projektgruppe gebildet, um alle den Muggeln bekannten Himmelskörper mit den der Zaubererwelt bekannten zu vergleichen. Roy hatte gemeint, daß die Muggel sich wohl vertan hatten, weil sie Pluto als Planeten anerkannt hatten, wo von seiner Sorte noch dutzende anderer Himmelskörper im äußeren Sonnensystem herumflogen. Mortimer Swift, der als neuer Quidditch-Kapitän ausgewählt worden war, hatte bereits mit Madame Hooch gesprochen, wann die ersten Auswahlvorführungen stattfinden sollten. Immerhin mußten sie zwei neue Treiber finden.

Am Samstag trafen sich die Vertrauensschüler mit den Hauslehrern im runden Turmzimmer von Professor Dumbledore. Es ging darum, daß Roy Fielding sich wohl doch gut erholt hatte, wie die Häuser mit ihren Neuzugängen klarkamen und daß Tonya Rattler sich etwas zu sehr über angeblich unfähige Mitschüler geäußert hatte.

"Moment, Professor McGonagall", knurrte Tonya, als die Verwandlungslehrerin ihr vorgehalten hatte, sie sei wohl selbst für Slytherin-Verhältnisse überheblich. "Ich bin jetzt in der UTZ-Stufe. Da darf ich doch mal fragen, ob der hohe Anspruch, den Sie und die anderen Lehrer im Unterricht erwarten wirklich durchzuhalten ist, wenn da auch Leute sind, die nachweißlich arge Probleme mit der Zauberei haben."

"Fühlen Sie sich in irgendeiner Weise gehemmt, Ms. Rattler?" Fragte Professor McGonagall.

"Wenn wir alle auf die warten müssen, die langsamer machen, um einfache Sachen zu bringen schon, Professor McGonagall."

"Soweit ich orientiert bin gehören Sie in den praktischen Fächern nicht gerade zu denen, die dem geforderten Niveau weit überlegen sind", sagte Professor McGonagall. Dann wandte sie sich an Eunice und fragte diese, ob sie sich unterfordert oder gehemmt fühle.

"Keineswegs, professor. Ich übe nur jetzt schon einmal für den sicher eintretenden Fall, daß ich an meine Grenzen stoße", sagte die Gryffindor-Vertrauensschülerin.

"Schleimerin!" Spie Tonya ihr entgegen. Dumbledore räusperte sich und meinte:

"Es kommt doch hier nicht darauf an, wie lange jemand für eine bestimmte Wegstrecke braucht, sondern daß er den Weg geht und am Ziel ankommt. Das Ziel ist der UTZ und der Weg ist eben das, was im Unterricht drankommt, um dieses Ziel zu erreichen. Insofern bin ich mir sicher, daß deine Klassenkameraden in allen von dir belegten Fächern ans Ziel kommen und keiner dich hindert, es schneller zu erreichen. Jemanden eine Schleimerin zu nennen, nur weil sie genau das erkannt hat ist nicht gerade selbstsicher."

"Fünf Punkte Abzug für Slytherin", fauchte Professor McGonagall noch. Dann wurde Tonya auferlegt, sich in den nächsten Wochen mit Anzüglichkeiten und unmißverständlichen Andeutungen gegenüber Mitschülern zurückzunehmen, weil sie ansonsten damit zu rechnen habe, daß über ihren Status als Vertrauensschülerin neu nachgedacht würde. Dumbledore meinte:

"Vertrauensschülerin, da stecken zwei wichtige Wörter drin: Vertrauen und Schülerin. Tonya, du bist genauso eine UTZ-Schülerin wie Mr. Dirkson, Ms. Murphy oder Ms. Bunton, über die du dich mehr oder weniger harsch geäußert hast. Du erringst dadurch aber nicht gerade großes Vertrauen unter den anderen, wenn du derartig ungehalten bist. Ich könnte mir zwar vorstellen, daß in deinem Haus viele deiner Meinung sind. Aber im Bezug auf die übrigen Schüler gibst du kein sehr gutes Vorbild ab, zumal wir Lehrer uns ja auf euch Vertrauensschüler verlassen müssen. Ich hoffe, du verstehst, daß wir uns Sorgen machen müssen, wenn jemand mit dieser Verantwortung nicht mehr zurecht kommt. Ich meine, ich möchte niemanden unzumutbar belasten, wenn es herauskommt, daß mein Vertrauen jemandem zur Bürde wird."

"Wie Sie meinen, Professor Dumbledore", knurrte Tonya verbittert. Ihr schönes V-Abzeichen zu verspielen würde ihr in Slytherin gewiß nur Hohn und Spott eintragen, mehr als sie über Dina oder Dorian ausgegossen hatte.

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Eunice traf Aurora in der dritten Schulwoche Mittwochs in der Bibliothek, wo Aurora gerade etwas über mächtige Siegelrunen las, die dauerhafte Zauber verstärken konnten. Sie wartete, bis die Ravenclaw-Klassenkameradin das Buch und ihre Schreibutensilien bei Seite gelegt hatte und sagte so leise wie es sich hier gehörte:

"Hat die Rattler dir was erzählt, wie ihre Bande gegenüber dem Weasley-Jungen drauf ist?"

"Da wäre der Mond näher dran als ich, von der was zu hören", erwiderte Aurora Dawn leicht verstimmt. Dann bot sie Eunice an, sich zu ihr zu setzen.

"Nun, Bill ist ein ziemlich aufgeweckter Bursche und obendrein sehr schlagkräftig. Ich war gerade bei Madame Pomfrey, weil der zwei Drittklässlern aus Slytherin heftig in den Bauch getreten hat. Die haben zwar versucht, dem mit Flüchen zu kommen, aber der ist denen irgendwie ausgewichen. Frag mich nicht wie! Ich weiß nur, daß die Wand im Korridor des zweiten Stockwerks ziemlich verkohlt aussieht, weil irgendwelche Fahrkarten da reingegangen sind."

"Fahrkarten?" Fragte Aurora. Eunice lächelte vergnügt.

"Hat Roy sowas noch nie erwähnt oder Bruster? So heißt das, wenn jemand schießt oder einen Fluch loslässt aber am Ziel vorbei trifft. Aber was ich sagen wollte: Wir sollten uns mit Rattler und Calahan beraten, daß das aufhört, bevor Dumbledore wieder böse wird. Wir können die ja dran erinnern, was letztes Weihnachten los war."

"Ich weiß auch nicht, was mit diesem Jungen anders ist als mit anderen von euch Gryffindors. Gut, James Potter und Snape hatten sich in der Wolle. Aber das haben die selbst wohl irgendwie herangezüchtet."

"Du hast es ja wohl mitgekriegt, daß die Slytherins den Weasleys Verrat an der Zaubererehre und Blutschändung vorwerfen. An und für sich heißt das so, wenn Verwandte miteinander Liebe machen, also nur zum Beispiel du mit Philipp oder Mortimer mit einer seiner Schwestern. Aber bei den Weasleys sei was total heftiges passiert, daß die irgendwen von der vermaledeiten Black-Familie in der Ahnenlinie haben. Du weißt, Sirius Black, der seinen eigenen Freund verraten hat."

"Ich erinnere mich", knurrte Aurora Dawn. Wenn sie an James Potter dachte fiel ihr immer ihr Onkel Dustin ein, dessen Ermordung sie hatte mit ansehen müssen.

"Auf jeden Fall haben sich die Slytherins auf Weasley eingeschossen. Nur der kann sich wohl wehren. Wenn er das aber einmal zu oft macht könnte McGonagall ihn rauswerfen, um den Frieden von Hogwarts wieder herzustellen."

"Weasley ist doch der Sohn von dem Zauberer, der die verhexten Muggelsachen sucht und einzieht", erinnerte sich Aurora. Sie hatte den Vater des rothaarigen Burschen beim letzten Hogsmeade-Ausflug des vergangenen Schuljahres gesehen, wie er auf dem dortigen Markt einem ägyptischen Flugteppichhändler und einem Verkäufer von sogenannten Zauberwürfeln ordentlich die Tour vermasselt hatte.

"Ja, der ist das. Arthur Weasley. Ein ziemlich netter Typ übrigens, auch wenn er einen der undankbarsten Jobs macht, die das Ministerium nach dem Zentaurenverbindungsbüro auf Lager hat. Aber was Bill angeht müssen wir wohl mit Rattler und Archstone reden, daß die ihre Leute zurückpfeifen, wenn sie nicht wieder welche vorzeitig abgeben wollen."

"Die würden uns doch für Erpresserinnen halten", erwiderte Aurora. "Falls die Slytherins wirklich so bescheuert sind, einen erneuten Massenrauswurf zu riskieren und über Monate keine Punkte kriegen wollen, dann lassen wir die doch ins offene Messer rennen. Das zieht eher als jede Einmischung."

"Gut, das mag für dich zutreffen, Aurora. Aber der Junge wohnt in meinem Haus, und ich bin für den genauso zuständig wie McGonagall. Aber ich kann verstehen, was du meinst."

"Wir können eigentlich nicht mehr machen als Bill vor Schwierigkeiten zu schützen und darauf zu hoffen, daß die Slytherins merken, daß sie ihn so nicht loswerden können, falls es das ist, was die wollen. Die anderen Neuen bei euch kommen aber gut zurecht, oder?"

"Bis auf einen Muggelstämmigen, der Heimweh hatte, weil er nicht nach Hause telefonieren konnte alles soweit gut, kann nicht klagen. Hat sich Roy denn wirklich gut von dieser Sabberhexen-Sache erholt?"

"Sagen wir es so, daß er uns gegenüber so drauf ist, als wäre das nicht passiert. Dina ist aber immer noch der Meinung, daß er längst noch nicht wieder klar ist und eben nur alles andere vorschiebt, um da nicht mit behelligt zu werden."

"Am Samstag vor Halloween geht es ja wieder nach Hogsmeade, habe ich gehört. Vielleicht sollte der da erst einmal nicht mitgehen."

"Hat dina auch gesagt", meinte Aurora. "Was bringt Kesselbrand eigentlich jetzt im Unterricht?"

"Feuerkrabben. Schon was nettes, wenn man schön brav in Drachenhautklamotten zum Unterricht geht. Zumindest wissen wir jetzt, warum er einige Körperteile eingebüßt haben könnte", sagte Eunice. Sie war zusammen mit Isis Waverly eine von Zehn in den UTZ-Klassen von Kesselbrand.

"Wenn Professor Sprout uns die nonsessilen Fleischfresser vorführt wird das bestimmt auch sehr gefährlich", sagte Aurora. Eunice nutzte den Themenwechsel um sie über den Kräuterkundekongress in Millemerveilles auszufragen. Aurora erzählte leise aber glücklich von den sechs Tagen im französischen Magierdorf und berichtete auch wie erhaben es für sie war, die jüngste Tochter der Gastgeberin acht Stunden nach der Geburt schon sehen zu können.

"Wenn ich mir überlege wie weh so'ne Geburt einer Mutter und dem Baby tun muß schon was, wofür sich der Höllenritt lohnt", meinte Eunice. "Na ja, ich werde das wohl irgendwann rauskriegen, ob das die Sache wert ist."

"Das mit Dorian ist was festes?" Fragte Aurora verhalten.

"Ich seh das so. Hoffentlich er auch", meinte Eunice dazu. "Aber ob er der Vater meiner Kinder sein will muß ich erst noch rauskriegen. Immerhin kommt er ja in den ganzen Fächern, wo ich ihn sehe nicht dazu, mit mir über was anderes als die Schule zu reden."

"Auch jetzt, wo wir über die Waffen der Muggel reden. Das ist ja schon fies, was die alles gebaut haben."

"Komischerweise fasziniert ihn das ziemlich heftig. Die Vorstellung, jemanden auf Meilen hin umbringen zu können. Also mir macht sowas Angst. Wollte Roy nicht demnächst was über diese Atombomben erzählen?"

"Wenn Goldbridge ihn läßt", meinte Aurora.

Eine Erstklässlerin der Gryffindors kam herbei und entschuldigte sich bei den älteren Mitschülerinnen für die Störung.

"Bill hat sich mit Terry Sikes duelliert."

"Oh mist. Wie schlimm hat's ihn erwischt?" Fragte Eunice.

"Öhm, Bill geht's gut. Sikes hat einen Ballonbauch und spuckt die ganze Zeit Schnecken aus. Er will, daß Bill von der Schule fliegt. McGonagall ist bei Madame Pomfrey."

"Oh, da sollte ich mal kucken, daß meine V-Kameraden aus Gryffindor dranbleiben. Der hat diesem Blödmann Sikes echt den Schneckenspeier und den Kugelbauch aufgehalst?"

"Ist schon unheimlich, daß der so Flüche kann. Ich kriege ja noch nicht mal den Kitzelfluch hin, den Glaucos uns erklärt hat", sagte das Mädchen.

"Ich geh mal hin und höre mir an, was da gelaufen ist", seufzte Eunice. Sie entschuldigte sich bei Aurora Dawn und ging davon. Die Erstklässlerin, Gwendoline Honeydew, fragte Aurora, ob es stimme, daß sie so gut in Kräuterkunde und Zaubertränken sei. Sie nickte. Dann fragte sie, ob sie ihr ein paar wirklich gute Bücher empfehlen könne, wo sie das Zeug für Snape besser verstehen könnte. Aurora nickte und ging mit ihr zur Zaubertrankabteilung und deutete auf fünf Bücher für Einsteiger.

Abends erfuhr sie, daß Bill Gryffindor zehn Minuspunkte eingebrockt hatte, Anteros Sikes, genannt Terry hatte seinem Haus aber zwanzig Punkte Abzug beschert, weil er Bill Weasley zum Duell herausgefordert habe. Sie befürchtete, daß Bill wohl bald mit älteren Schülern aneinandergeraten würde, die austesten wollten, ob er nicht doch zu packen sei. Professor McGonagall hatte wohl angedroht, solche Zwischenfälle nicht mehr zu dulden. Sie hatte aber nicht erwähnt, was im Wiederholungsfall passieren würde.

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Mortimer war voll im Stress, als er in der vierten Schulwoche die neuen Quidditch-Spieler begutachtete. Dreißig Stück hatten sich bei Madame Hooch gemeldet, um die in den letzten beiden Jahren so ruhmreiche Mannschaft zu verstärken. Vor allem galt es neue Treiber zu finden. Philipp Priestley hatte sich ebenfalls gemeldet, um möglicherweise in die Mannschaft aufgenommen zu werden. Aurora durfte zweimal eine Übungsgegnerin spielen.

"Wenn ihr mit der mithalten könnt seid ihr so gut wie drin", sagte Mortimer, als zwei Jungen aus der zweiten Klasse die Schläger in die Hand nahmen und die Klatscher spielen wollten. Doch Aurora konterte sie mühelos aus, verursachte sogar Beinahezusammenstöße zwischen den Beiden.

"Hoihoi, wenn es danach geht sind wir jetzt erst einmal raus aus der Mannschaft", grummelte einer der beiden.

"Die nächsten bitte", sagte Mortimer laut und vernehmlich. Vivian Acer und Tim Preston versuchten auch, Auroras Doppelachsenflugtechnik auszukontern. Doch Tim stellte fest, daß er wohl eher sich als die Gegnerin treffen würde. Dennoch meinte Mortimer am Schluß der Übungseinheit:

"Also dafür, daß deine Eltern dir das Besenfliegen nicht beibringen konnten hast du dich besser empfohlen als andere hier. Halt dich mal bereit, wenn die Saison losgeht!"

"Mein Dad meint, das sei eh zu abgedreht, ich auf einem Hexenbesen. Aber er ist ja nicht dabei, wenn ich spiele."

"Hast recht", sagte Karin Meridies, die Sucherin der Ravenclaw-Hausmannschaft.

"Wenn wir sehen, wie die Gryffindors gegen die Slytherins spielen wissen wir, woran wir noch arbeiten müssen", prophezeite Mortimer Swift. Dann beendete er die Übungsstunde.

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Der Oktober brachte viel Wind und Regen nach Hogwarts. Es kam nicht selten vor, daß die Schülerinnen und Schüler, die Unterricht im Freien hatten, mehr den Impervius-Zauber übten oder die besonders begabten wie Aurora Dawn oder Eunice Armstrong den Parapluvius-Zauber gebrauchten, der eine unsichtbare Aura aus wasserabweisender Magie um jemanden legte. Damit half Aurora oft auch Dina aus, die bei eigenen Versuchen, den Zauber zu bringen, eher ganze Wasserfälle aus dem Nichts auf sich herabstürzen ließ.

"Spart irgendwie die Dusche", knurrte sie, als sie wieder einmal den Regenschutz-Zauber vermurkst hatte.

Wegen der anhaltenden Regenfluten und Herbststürme freuten sich die Schüler ab der dritten Klasse, die eine Besuchserlaubnis für Hogsmeade erhalten hatten, eher weniger auf den Ausflug in das Zaubererdorf in der Nähe der Schule. So fiel es nicht auf, daß Roy Fielding nicht an den Ausflügen teilnehmen wollte. Dina zog sich nach einem Versuch, mit ihm darüber zu reden wie ein begossener Pudel an einen freien Tisch zurück und versteckte sich hinter einem Buch über die höheren Elementarzauber, von denen sie bisher zwar gehört hatte, ihr aber unbehaglich war, wenn sie sie im Unterricht bringen mußte. Aurora Dawn half bei den jüngeren Schülern mit Informationen über ihre Lieblingsfächer aus, verbrachte aber auch viele freie Stunden im Krankenflügel, um sich dort von Madame Pomfrey einfachere Heilzauber zeigen zu lassen, die im regulären Unterricht nicht drankamen. Ihre Fertigkeiten im ungesagten Zaubern wuchsen langsam aber stetig. So schaffte sie es in der letzten Verwandlungsstunde vor dem Hogsmeade-Ausflug, eine Zigarrenkiste aus dem Nichts zu beschwören, während Tonya sich noch damit abquälte, eine Streichholzschachtel herbeizuzaubern. Eunice experimentierte bereits mit Stühlen, die sie wie beiläufig in leere Luft zeichnete, worauf sich dann erst schemenhafte, wild drehende und dann greifbare Möbelstücke materialisierten. Professor McGonagall ordnete an, daß Eunice ab sofort nur noch größere Conjuratus-Inanimatus-Zaubereien vorführen solle, da sie über die einfache Objektmaterialisation wohl schon hinaus sei. Die Quidditchübungen verliefen eher schlecht als recht. Immerhin hatte Mortimer Tim Preston zu einem der neuen Treiber gemacht und Vivian Acer durfte auf der Jägerinnenposition spielen. Im November würden sie sehen, wie weit sie schon waren, wenn Gryffindor gegen Slytherin spielte.

"Und du gehst echt nicht nach Hogsmeade?" Fragte Tonya Roy nach der Zauberkunststunde am Freitag Nachmittag. Roy meinte dazu nur, daß sie das nix angehe. "Hast wohl Schiss, daß du nicht alle grünen Bräute aufgefüllt hast und eine von denen dich noch mal haben will, was?" Schnarrte Tonya. Aurora sah sie warnend an und raunte:

"Das was McGonagall und Dumbledore dir auf den Weg mitgegeben haben gilt nicht nur für den Unterricht, Ms. Rattler."

"Solange du dich nicht von mir schwängern lassen willst geht's dich einen feuchten Kehricht an, was mir passiert ist oder nicht, Rattler", schnaubte Roy und drohte mit beiden Fäusten. Aurora hielt ihn bei der Schulter und flüsterte ihm was ins Ohr, worauf er vor unterdrückter Wut zitternd einen Schritt zurückwich, während Tonya ihn herausfordernd ansah. Bruster, der in der Nähe war, meinte zu Tonya:

"Spekulierst wohl drauf, daß du Roy wegen Unbeherrschtheit Punkte abziehen kannst, wie? Hätte ja auch nicht mehr viel gefehlt."

"Ich werde doch wohl deinen hier nicht hingehörenden Klassenkameraden fragen dürfen, ob er sich immer noch unwohl fühlt. Ich bin Vertrauensschülerin", erwiderte Tonya scheinheilig. Bruster mußte lachen. Hatte er früher wie Roy sehr leicht zugeschlagen, wenn Tonya oder ihre Mitläufer was über ihn oder Roy losließen, hatte er endlich erkannt, daß mit Prügeln nichts dagegen zu machen war, sondern nur mit Worten. So sagte er:

"Für die Slytherins, Tonya. Und Roy hat recht, wenn er meint, daß es dich nix angeht, was ihm passiert ist, solange du nicht genauso hinter ihm her bist wie diese Morpuora."

Tonya verzog ihr Gesicht und schüttelte sich angewidert. Dann zog sie einfach ab. Roy machte Anstalten, ihr hinterherzulaufen oder ihr was böses nachzurufen. Doch Bruster hielt ihn fest und Aurora legte ihm die Hand auf den Mund.

"Das ist eine Riesensauerei, jemandem mit den gemeinsten Sachen zu kommen, die der erlebt hat", schnarrte Bruster. "Aber die wollte uns wegen dir Punkte abziehen. Wegen mir kann sie es ja nicht, genau wie ich ihretwegen keine Punkte von ihrem Saustall abziehen kann. Komm, Roy, wir gehen dahin, wo dieses Gesocks nicht hindarf!"

Roy folgte Bruster mit zerknirschter Miene. Aurora konnte sich vorstellen, wie es in dem Jungen kochte, wie Erinnerungen an jenen verhängnisvollen Ausflug im Sommer immer noch in ihm wirkten, obwohl eine Gruppe Heiler ihn mehrere Wochen lang mit Tränken und Zaubern von den Auswirkungen Morpuoras und ihrer Töchter und Nichten kuriert hatte. Doch das Gedächtnis hatten sie ihm nicht verändert. Sie konnte sich vorstellen, daß er sich selbst anwiderte und nur um nach außen hin stark aufzutreten alles in sich hineinfraß, was ihn umtrieb. Sie schwor sich, daß wenn sie wirklich die magische Heilkunst erlernen sollte, gezielt nach Sachen zu forschen, um Leuten wie Roy wirklich helfen zu können.

Der Hogsmeade-Ausflug selbst fand bei verhältnismäßig schönem Wetter statt. Es regnete nicht. Aurora ging mit ihren Freundinnen Petula und Miriam durch die Läden, kaufte Süßigkeiten und Schmuck für festtliche Angelegenheiten und besuchte die Drei Besen. Ihr Frühwarnarmband, das sie geschenkt bekommen hatte, schlug kein einziges Mal an. Offenbar trieb sich um diese Zeit niemand mit dunklen Absichten in Hogsmeade herum. Im Pub trafen sie auf Mrs. Dione Porter, die mit ausdrücklicher Erlaubnis von Madame Rosmerta eine Verkaufsveranstaltung für Schönheitselixiere und Haarglanztonika abhielt. Viele Hexen unterschiedlichsten Alters von Drittklässlerinnen bis zu Urgroßmüttern verfolgten die Präsentation und zahlten Gold und Silber für die verschiedenen Produkte. Während Aurora ein Mittel namens "Sternennacht" kaufte, das speziell schwarzes Haar mit einem überirdischen Glitzern versehen konnte fragte sie:

"War das anstrengend, sich selbständig zu machen?"

"Gegen gewisse Konkurrenten schon", erwiderte Mrs. Porter. "Aber die meisten von denen haben sich zu sehr spezialisiert. Das mache ich nicht. Meine Sachen kann jeder und jede anwenden. Es ist echt schade, daß Jungen und Männer sich nicht trauen, öffentlich Kosmetika zu kaufen. Aber das hat mir auch geholfen, nachdem mein Mann mich bei einigen alten Kameraden empfohlen hat."

"ui, dieser Hautstraffungspinsel ist ja wahrhaftig sein Geld wert", meinte eine rundliche Hexe mit silbernen Ringellocken, die ähnlichkeiten mit der einer in Dumbledores Zimmer portraitierten ehemaligen Schulleiterin von Hogwarts hatte. Mrs. Porter entschuldigte sich bei Aurora und Eunice, die Auroras Beispiel gefolgt war und für ihr ebenso schwarzes Haar die Sternennacht-Lösung gekauft hatte.

"Pomponia Derwent, die traut sich wieder unter die Leute?" Fragte Eunice und deutete auf die rundliche Hexe in ihrem grünen Rüschenkleid.

"Kennst du die Dame?" Fragte Aurora.

"Klar, das ist eine Ururenkelin von Dilys Derwent, die mal in Hogwarts Schulleiterin und eine Meisterheilerin im St.-Mungo-Krankenhaus war. Sie wird in "Eine Geschichte von Hogwarts" erwähnt. Pomponia soll mit Dumbledore in Hogwarts gewesen sein, sagt meine Oma."

"Ui, das ist dann aber schon lange her", wisperte Aurora, während Mrs. Porter sich mit der besprochenen Dame unterhielt, dabei etwas lauter sprechend, weil die betagte Hexe wohl nicht mehr so gut hören konnte.

"Also gegen Schwerhörigkeit müßten die doch auch mal was erfinden", sagte Eunice zu Aurora. "Ist ja fies, wenn jeder mithört, was dir wer sagt, nur weil er oder sie lauter sprechen muß als üblich."

"Die Generation hält nix davon, sich was geben zu lassen, Eunice. Madame Pomfrey hat's mir erklärt, daß es in der Heilkunst den Unterzweig magische Prothesen gibt, wo unbrauchbar gewordene Körperglieder oder Sinnesorgane mit bezauberten Ersatzteilen ausgetauscht werden. Die Älteren wollen davon aber nichts wissen, nehmen lieber ein Hörrohr oder extragroße Brillen. Sie meinen, daß sie keine Fremdkörper im Körper haben wollen und lieber mit Sachen herumlaufen, die sie nachts ablegen können."

"Hat Mrs. Porter nicht ein Kind?" Fragte Eunice, um nicht andauernd über altersbedingte Erkrankungen sprechen zu müssen. Aurora nickte.

"Sie wird die Kleine wohl zu Hause gelassen haben. Mit einem Jahr muß sie ja nicht mehr die Brust kriegen."

"Och, das sag mal nicht. Meine Tanten Abigail und Ophelia haben meine insgesamt fünf Cousins und Cousinen zwei Jahre lang gestillt, teilweise untereinander abwechselnd."

"Ups, haben die das immer so hingekriegt, zeitgleich Kinder zu kriegen oder was?" Fragte Aurora belustigt. Eunice grinste zurück und meinte, daß sie wohl immer noch nicht genug hätten. Ihre Tante Abby sei wohl wieder schwanger, und falls ihre andere Tante ihren Göttergatten lang genug bearbeiten würde, käme sie wohl bald auch mit Familienzuwachs daher.

"Gönnt die eine der anderen nicht, ein Kind zu kriegen?" Fragte Aurora.

"Frag mich nicht, ich habe keine Schwester, nur zwei Brüder, von denen einer gerade mal laufen kann und der andere nächstes Jahr Lesen lernt", sagte Eunice. "Aber so wie die beiden drauf sind, wenn eine alleine was Kleines heranträgt könnte das stimmen. Aber wenn sie dann ihre Kinder haben sind sie sehr hilfsbereit zu einander."

"Sollte ich Petula mal erzählen", meinte Aurora nicht so ernst gemeint. Eunice grinste.

"Priscilla wird wohl die Chance nutzen, daß ihre kleine Schwester noch zur Schule gehen und brav sein muß."

"Was man so "Brav" nennt", feixte Aurora.

Einige der Jungen, die in die abgehaltene Verkaufsveranstaltung hineingerieten machten teils anzügliche, teils abfällige Bemerkungen über die Kundinnen, ob Mrs. Porter auch Sachen für Brustwachstum oder Liebestränke verkaufe und das die älteren Hexen ja schon ihr Gewicht in Gold hinlegen müßten, um genug Schönheitslotionen zu kaufen, um nicht beim Gehen zu zerfallen. Das schien einigen Hexen aus den älteren Jahrgängen doch etwas zu viel zu sein. Sie machten Gesten der Empörung und schimpften auf die mißratene Jugend. Madame Derwent jedoch lachte und sagte einem Jungen:

"Nur keinen Neid, weil ich mein Gewicht in Gold hinlegen kann um nicht zu zerfallen, junger Mann." Die jüngeren Hexen und einige der Jungen lachten darüber, während die Freundinnen oder Verwandten von Madame Derwent sie strafend anblickten, weil sie sich auf die Frechheiten eingelassen hatte.

"Da ist Derwentblut drin in der Lady", meinte Eunice. "Dilys war auch so humorvoll, konnte aber, wenn sie mußte auch sehr streng sein."

"War die in Gryffindor?" Fragte Aurora Eunice.

"Dilys Derwent oder Pomponia?" Erkundigte sich die Vertrauensschülerin der Gryffindors. Aurora deutete auf die rundliche Hexe. "Pomponia war in Gryffindor, sagte meine Oma. Dilys Derwent war ein Hufflepuff-Arbeitstier, die einzige aus dem Haus, die es bis zur Schulleiterin geschafft hat. Sonst waren das Slytherins wie Finias Nigellus, Ravenclaws wie Simon Moonbeam oder Gryffindors wie unser jetziger Schulleiter."

"Simon Moonbeam? War der nicht im 17. Jahrhundert Schulleiter, so um 1604 oder was?" Wollte Aurora wissen.

"Genau der. Das war in der Zeit, wo in Frankreich die dunkle Matriarchin Sardonia an der Macht war und ihre Nichte in England eine Außenstelle gegründet hat. Er hat sich damals gegen den amtierenden Zaubereiminister durchgesetzt, der verlangt hat, keine Hexen mehr als Lehrkräfte einzustellen, um mögliche Gefolgsleute dieser Hexe aus Hogwarts rauszuhalten. "Alle im Feld der Magie sind gleich, ob Hexe oder Zauberer", hat er gesagt und damit das sogenannte Moonbeam-Machtwort gesprochen."

"Das kenne ich. Hat meine Oma Regan mal erwähnt", sagte Aurora.

"Na dann", meinte Eunice und suchte ihren Freund Dorian, der sich mit den anderen Jungen an einen Tisch weit ab der Kosmetikschau niedergelassen hatte.

Bruster Wiffle saß ganz allein an einem Tisch. Aurora hatte nicht mitbekommen, wie er hereingekommen war. Es schien so, als wisse er nicht, was er hier solle, wo die Jungen und Männer sich mehr oder weniger genervt von der Verkaufsveranstaltung äußerten und die Mädchen zusahen, was interessantes und für ihr äußeres praktisches zu erhaschen.

"Hi, hast du dir auch was von der Schönheitskrämerin besorgt?" Fragte er leicht abfällig klingend. Aurora fragte sich, ob das nur Langeweile war oder echtes Mißfallen. Sie erwiderte ruhig, daß sie sich was besorgt habe, um ihre Haare zum glänzen zu bringen. Bruster meinte dazu:

"Ach, dann hat die Armstrong, öhm Eunice, sich bestimmt auch was davon zugelegt. Gibt's sowas auch für hellere Haarfarben?"

"Ja, gibt's auch", erwiderte Aurora. Dann fragte sie, ob er sich so allein hingesetzt habe, weil Mortimer keine Lust auf die drei Besen hatte.

"Mortimer? Soweit ich das mitbekommen habe ist der mit seinen Schwestern unterwegs durch die Läden hier, der arme Junge. Offenbar hat seine Mum ihm gepredigt, auf die drei aufzupassen. Kann nur passieren, daß die hier irgendwann aufkreuzen. Roy hätte auch mit rausgehen können. Von den Grünfratzen habe ich bisher keine gesehen."

"Was haben die Auroren damals erzählt? Wenn sie es geschafft haben, sich schwängern zu lassen tauchen die vier Jahre lang nicht auf", meinte Aurora Dawn dazu. Bruster grinste verschlagen, fast wie ein Slytherin, so schien es der Vertrauensschülerin.

"Dann hat er doch Ruhe vor denen. Denn wenn die erst in vier Jahren wieder auftauchen ist der doch schon längst durch mit Hogwarts."

"Das sag ihm selbst! Ich denke, ihn darauf anzusprechen wäre im Moment noch zu schwierig", erwiderte Aurora. Dann schwieg sie und lauschte dem Getuschel der jüngeren und älteren Hexen, die sich um Dione Porter scharten. Die Tür ging auf und Loren Tormentus trat ein. Sie wirkte nicht gerade begeistert. Vielleicht fühlte sie sich auch nicht so recht. Aurora konnte sich denken, was die Slytherin-Sechstklässlerin umtrieb. Sie kannte das ja selbst zu gut, daß ihr natürlicher Rhythmus keine reine Freude war. Doch wie die meisten anderen Mädchen hatte sie gelernt, sich nicht anmerken zu lassen, wenn sie davon härter betroffen war als sie es wollte.

"Och, fühlen wir uns nicht gut?" Fragte Bruster, als Loren an seinem Tisch vorbeiging. Sie warf ihm einen sehr vorwurfsvollen Blick zu und zischte:

"Sei bloß still, du!" Dann verschwand sie durch die Klapptür, auf die eine Frau im rosaroten Kleid gemalt war. Der Mann auf der Klapptür daneben, der hellblaue Hosen und ein sonnengelbes Hemd trug grinste verschlagen. Doch mehr passierte nicht.

"Mußte das jetzt sein, Bruster? Willst du dich echt auf das gehässige Getue der Slytherins einlassen?" Fragte Aurora.

"Man wird doch mal fragen dürfen", erwiderte Bruster schadenfroh grinsend. "Wußte ja nicht, daß sie gerade die Monatsübelkeit erwischt hat."

"Das hat dich auch nicht zu interessieren", knurrte Aurora etwas verunsichert, weil Bruster so fies drauf war. Er nickte ihr jedoch zustimmend zu und meinte, wenn sie wolle, könne sie sich ja zu ihm setzen. Doch Aurora verzichtete dankend. Sie kehrte zu Petula und Miriam zurück, die gerade für sich von den Lichttautropfen gekauft hatten, mit denen sie ihre Augen zum spiegeln bringen konnten. Danach gönnten sie sich eine Runde Butterbier. Mrs. Porter kam kurz zu ihnen herüber, als sie keine Kundschaft mehr hatte und flüsterte ihnen zu, daß sie sie einladen wolle. Die Mädchen nahmen an, und so spendierte die Kosmetikhexe eine Runde Met, wobei Madame Rosmerta den noch minderjährigen Mädchen kleinere Gläser gab.

"Ich möchte nicht, daß Professor Dumbledore mit mir schimpfen muß. Der Met ist sehr stark, aber auch sehr süß."

"Deshalb bat ich ja darum", sagte Mrs. Porter. Sie unterhielten sich über Hogwarts, was in den Sommerferien geschehen war und daß Dione Porter ihre Tochter bei ihrer Schwägerin Greta untergebracht hatte. Dann fragte sie nach Roys Befinden. Aurora erzählte ihr, daß er sich wohl wieder von der Sache erholt habe, aber im Moment wohl keine Lust auf Hogsmeade-Ausflüge habe.

"Bestellt ihm von Plinius und mir schöne Grüße!" Bat sie Aurora, Petula und Miriam, die die Wirkung des eichenfaßgereiften Mets langsam fühlten.

Am Nachmittag trafen sie auf Mortimer und seine drei Schwestern Rita, Ramona und Roxanne. Sie hatten Forins Schmiede besichtigt und dabei die zwergische Goldschmiedekunst bewundert. Eine kleine Gruppe von Kobolden, die wild schwatzend die gepflasterte Hauptstraße entlangkam blieb stehen. Der Anführer, ein faßgleich gebauter Bursche mit wildem roten Haar und Bart trat vor, sog laut fauchend Luft in seine Mohrrübennase und schüttelte sich wie angeekelt.

"Ihr stinkt nach Zwergen. I, und ihr schleppt Zwergenschrott mit euch rum. Widerlich!"

"Dann geht doch einfach weiter, wenn ihr das nicht aushaltet", erwiderte Mortimer so gelassen er konnte. Aurora machte ihm Zeichen, sich nicht auf einen Streit mit fünf Kobolden einzulassen. Doch jetzt waren bereits die ersten Worte gewechselt.

"Du weißt, was die in das Abkühlwasser reintun, damit die das von uns weggehamsterte Gold glatt und glänzend kriegen, Bursche. Die Pullerei ihrer eigenen Frauen", erwiderte der faßförmige Kobold mit garstiger Betonung. Laut und unmißverständlich gehässig lachten seine Kumpanen über diese Derbheit.

"Soso, also das gleiche, was die Färber verwendet haben, um das Blau in deiner Hose hinzukriegen", konterte Mortimer, während seine Schwestern verunsichert die goldenen Halsketten und Armbänder befingerten.

"Wie war das?" Fragte der Kobold herausfordernd. Da kam Bruster Wiffle um die nächste Straßenecke und blieb stehen.

"Hat dir keiner gesagt, daß die Einfärber in die Bottiche pinkeln, in denen sie den Färbesud anrühren wollen?" Sagte Mortimer mit in die Hüften gestemmten Händen. Aurora wollte ihm gerade sagen, daß es wohl genug sei, als einer der anderen Kobolde, der überdurchschnittlich groß aber dafür astdünn gebaut war vortrat und einer der Drillingsschwestern vor die Füße spuckte.

"Habt ihr Stress mit Forin. Hat der eurem Obermotz etwa tierisch in den stinkenden Allerwertesten getreten?" Mischte sich nun Bruster ein, der seinen Zauberstab gezückt hatte. Aurora winkte den Drillingen, sich zurückzuziehen, während Mortimer immer noch unerschüttert dastand.

"Ey, hältst du etwa zu dem? Der kauft bei schmutzbärtigen Zwergen", krächzte der dürre Kobold. Bruster sah ihn abschätzig an und meinte:

"Oh, dann stimmt die Geschichte von dem Kobold, der es mit seiner Frau so heftig getrieben hat, daß ihm dabei was wichtiges abgebrochen ist. Offenbar hat das Arme und Beine gekriegt und irgendwie sprechen gelernt."

"Wie war das?" Schnarrte der dürre Kobold und sprang vor, um voll in einen silbernen Lichtblitz hineinzukrachen, der ihn einige Meter zurückschleuderte und benommen liegen ließ.

"Wenn ihr was mit Forin auszumachen habt haltet euch an den!" Befahl Bruster mit der Entschlossenheit eines Soldatenausbilders. "Jetzt macht, daß ihr weiterkommt und laßt andere Leute in Ruhe!"

"Öi, keiner pöbelt uns an und haut uns mit Zaubern nieder, ohne daß ..." begehrte der rotbärtige Kobold auf, um im nächsten Moment von einem weiteren silbernen Lichtstoß niedergeworfen zu werden. Darauf befanden die drei, die sich bisher nicht geäußert hatten, daß es besser sei, das Feld zu räumen und liefen schnell und beinahe Lautlos davon.

"Das war nicht gerade ungefährlich", meinte Aurora zu Mortimer. Dieser sagte dazu:

"Ich lasse weder mich noch meine Schwestern beleidigen, schon gar nicht von Kobolden. Wenn der Bierfaßtyp Putz gewollt hätte, hätte er eins auf den roten Wuschelkopf bekommen, das die Funken fliegen. Aber was war das für'n Fluch, den du gebracht hast, Bruster?"

"Malleus Lunae, Mortimer. Kommt wohl im Moment nicht im Unterricht dran, deshalb übe ich den draußen. Hat ja was für sich", sagte Bruster. "Am besten laßt ihr euch nicht weiter dumm anquatschen. Kobolde können sehr nachtragend sein."

"Dann solltest du wohl ehr von hier verduften", tönte Mortimer. "Nicht daß Bierfaß und Zahnstocher sich bei Dumbledore ausheulen."

"Kann passieren", meinte Bruster und ging weiter. Mortimer winkte seinen Schwestern, ihm zu folgen. Aurora stand mit Petula und Miriam da und sah zu, wie die beiden niedergefluchten Kobolde langsam zu sich kamen.

Am Abend, als alle im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum waren und die mitgebrachten Geschenke an die jüngeren Mitbewohner verteilt hatten wirkte Bruster leicht betreten. Aurora fragte ihn, ob er sich Sorgen wegen der Sache mit den Kobolden mache. Er erwiderte darauf:

"Das war 'ne Bande von rauflustigen Typen. Die machen keinen neuen Ärger. Ich war nur so blöd, mich mit wem auf ein Schokofrosch-Wettessen einzulassen und habe dabei wohl einen Halloween-Frosch erwischt, den die bei Zonkos verscherbeln. Die sehen aus wie normale Schokofrösche sogar mit Sammelkarten, enthalten aber was, das einem das Gefühl von großen Steinen im Bauch beschert. Hätte ich mit rechnen sollen, daß man mich so unfair ausmanövrieren wollte."

"Wer war das, der mit dir das Wettessen gemacht hat?" Wollte Aurora wissen.

"Sage ich dir besser nicht. Meine eigene Blödheit reicht schon völlig. Da müssen die nicht noch Punkte für ihr Haus oder ihre Häuser abgeben."

"Du bist Vertrauensschüler, Bruster. Du mußt wissen, mit wem du dich auf was einläßt oder nicht", knurrte Aurora etwas verstimmt. Sie hatte doch nur helfen wollen. Vielleicht sollte sie sich das besser abschminken, anderen ohne gefragt worden zu sein zu helfen. Aber dann konnte sie die Heilerausbildung gleich ins nächste Klo spülen, ihretwegen genau in das von der maulenden Myrte.

__________

Für die Muggelstämmigen war Halloween in Hogwarts was ganz anderes als verkleidet durch die Straßen zu ziehen und "Streich oder Süßes!" zu rufen. Denn echte Geister, die, welche in Hogwarts wohnten und auswärtige Gespenster, die sich auf gruselige Gesangs- und Tanzdarbietungen verstanden, spukten den Schülerinnen und Schülern ordentlich was vor. Als dann um Mitternacht die Feier von Dumbledore beendet wurde hörte Aurora die Erstklässler aufgeregt darüber reden, was alles geschehen war.

Die Novembertage vergingen mit viel Schulkram und Quidditch. Obwohl die Ravenclaws erst als zweite antreten mußten legte Mortimer viel Wert darauf, daß seine Mannschaft bestmöglich eingestellt war. Als zweiten Treiber hatte er Philipp Priestley gewinnen können. Doch zunächst einmal sollten die Gryffindors gegen die Slytherins spielen.

Das oft so vorentscheidende Spiel zog sich über drei Stunden hin, wobei die Gryffindors sehr schlecht wegkamen. Als dann der Slytherin-Sucher auch noch den Schnatz fing, war großer Katzenjammer in Gryffindor angesagt. Um so gelöster und fröhlicher präsentierten sich die Slytherins. Das bekam Aurora gleich am Montag im Zauberkunstunterricht zu fühlen, als Tonya mit einem honigsüßen Lächeln heranschwebte und munter alle begrüßte. Dann sah sie Eunice an und meinte:

"Na, war wohl nix. Aber macht euch nicht gleich ins Unterzeug! Gegen die Hufflepuffs und Ravenclaws gewinnt ihr bestimmt irgendwann mal."

"Dafür verliert ihr gegen die alle", knurrte Eunice. Tonya lachte schallend, beließ es aber dabei und stellte sich zu ihren Hauskameraden. Eunice, die sonst die überlegenere der beiden Mädchen war, wirkte jetzt ziemlich geknickt. Zumindest hielt sie sich ran, die im Unterricht drankommenden Sachen hinzubekommen. Dina schaffte es, den Ventulus-zauber ohne Worte hinzubekommen. Als sie mit einem eiskalten Luftstoß aus ihrem Zauberstab den vor ihr liegenden Pergamentstapel quer durch das Klassenzimmer geblasen hatte meinte Flitwick:

"Offenbar wächst ihre Zauberkraft durch die Übung mit ungesagten Zaubern. Allerdings müssen Sie noch lernen, die von Ihnen gewirkten Zauber zu steuern, sonst passiert es Ihnen vielleicht, daß ein Elementarzauber ungerichtet einwirkt. Bei den externen Feuern, die sie entfachen können kann das sehr verheerend wirken, wie auch beim Wasserstrahl."

"Dann muß ich den Zauber wohl doch laut aussprechen", sagte Dina.

"Nicht unbedingt, wenn Sie herausbekommen, wie Sie ihn dosieren müssen", sagte Flitwick und gab ihr brauchbare Ratschläge. Als er sich wieder umwandte traf ihn ein eisiger Windstoß aus Tonyas Richtung, der wohl an Eunices Adresse gehen sollte. Diese konterte mit einem zauber, der einen raumhohen, heulenden Minitornado erzeugte, der schnurstracks auf Tonya zufegte und sie ansatzlos anhob und viermal um die eigene Achse drehte, ihr Kleidung und Haar zerzauste und sie dann unsanft auf die Füße kommen ließ.

"Ey, Armstrong, verdammtes Rabenaas!" Schrillte Tonya. Eunice sah sie sehr kampflustig an.

"wie du mir, so ich dir, Ms. Rattler", sagte sie.

"Das dulde ich nicht in meinem Unterricht. Wir studieren hier Zauberkunst und nicht die Kunst, sich gegenseitig zu drangsalieren! Zwanzig Punkte abzug sowohl für Gryffindor als auch für Slytherin, die Damen! Lernen Sie gefälligst, sich zu beherrschen!" Schrillte Flitwick wie eine wütende Seemöwe. Aurora sah bewundernd zu Eunice hinüber. Diesen Wirbelwind zu zaubern war bestimmt schwerer als den Ventulus-Zauber zu wirken. Dina blickte betreten zu Eunice hinüber. Das war zwar ein imposanter Zauber, den die Vertrauensschülerin der Gryffindors gebracht hatte, aber sie würde den wohl nie aufrufen können.

Professor McGonagall hatte es von ihrem Kollegen Flitwick erfahren, was in der Zauberkunststunde vorgefallen war und mahnte eindringlich dazu, sich nicht zu ähnlichen Sachen in ihrem Unterricht hinreißen zu lassen. Denn sonst würde sie jeden Missetäter nicht nur mit einem massiven Punktabzug für das von ihm bewohnte Haus bedenken, sondern auch den Ausschluß vom weiteren Unterricht beschließen.

Die restliche Woche verlief jedoch störungsfrei, abgesehen davon, daß Snape einmal mehr versuchte, Dina vor versammelter Klasse runterzumachen. Doch diese nahm es schweigend hin, was der hakennasige Lehrer ihr an den Kopf warf, so daß er keine Gelegenheit hatte, Ravenclaw ihretwegen Punkte abzuziehen.

Als dann der Tag anbrach, an dem die Ravenclaws gegen die Hufflepuffs spielen sollten, fühlte Aurora eine innere Anspannung. Sie hoffte, daß sie sich besser schlugen als die Gryffindors, um den Slytherins die momentane Tabellenführung abzujagen.

"Jetzt ist der Quaffel im Spiel und die Ravenclaws lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie den bereits einmal verteidigten Pokal weiterhin in ihrem Haus behalten wollen", sagte Jodocus Barkley, der Stadionsprecher. "Und da ist auch schon Aurora Dawn, jene Hoffnung der Ravenclaws mit den Händen am Quaffel. Zieht flink vorbei an Partridge von den Hufflepuffs, der heute sein erstes Spiel macht und gleich merkt, daß da noch viel zu lernen ist. Dawn vor dem Tor! Toooor! Zehn zu null in der ersten Minute!"

"Gegen die kann ja echt jeder gewinnen", grummelte Roy Fielding, der zusammen mit Dina auf der Tribüne saß. "Kuck dir das an, wie schnell unsere Aurora sich um zwei Jäger gleichzeitig rumgeschleudert hat. Die kucken ganz blöd aus der Wäsche."

"Langsam findest du doch Gefallen an dem Spiel, wie?" Fragte Dina.

"Wenn man kein Fußball kucken kann und ... Ooouuu! Da hätte es Karin fast vom Handfeger gepfeffert", sagte Roy.

Karin Meridies hatte da wohl ein wenig zu viel mit dem gegnerischen Sucher zu tun. Aber jetzt hat Priestley den Klatscher und legt auf Woodworth an, der gerade versucht, Dawn den Quaffel abzunehmen und ... Dawn wirft auf Acer, die heute ihr Jungfernspiel bestreitet und wohl noch einige Tricks lernen möchte. Sie kommt vor das Tor ... muß aber zurück weil beide Klatscher auf sie losgehen! Nein, Preston, eine weitere Neuerwerbung in der Ravenclaw-Mannschaft kann eine der schwarzen bösen Bälle weghauen, muß aber aufpassen, weil dessen genauso böser Bruder sich gleich rächen könnte und ... taucht mit einer Superseitenrolle drunter weg! Das ist schön anzusehen, aber Tore macht man nicht durch Akrobatik, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer", sprach Barkley weiter in das magische Megaphon, während Aurora sich von Vivian bedienen ließ und den Quaffel mit einer raschen Wedelbewegung und kühnem Schwung durch den mittleren Torring der Hufflepuffs beförderte. "Zwanzig zu null für Ravenclaw. Dawn ist immer noch in Spitzenform! Frage mich, warum sie sie nicht zur Kapitänin gemacht haben. - Sie kriegt den Quaffel bei Abschlag zu fassen und wirft zurück auf Acer, die gerade frei ist. Tja, zu spät gesehen von Woodworth, der gerade wieder einen Klatscher zu spielen versucht und ...Autsch-autsch! Das hat weh getan!"

Der Treiber der Hufflepuffs hatte den Klatscher zwar von sich wegschlagen können, dafür aber den zweiten schwarzen Ball von Preston genau in den Magen gedroschen bekommen. Schlaff wie ein leerer Sack hing Woodworth vom Besen herab, während die Hufflepuffs Sachen wie "Brutaler Kerl" und "Gemeiner Typ!" Riefen, während die Slytherins "Dreckiges Schlammblut!" Skandierten. Doch das ließ Dumbledore ihnen nicht durchgehen. Als der Kapitän der Hufflepuffs Madame Hooch um eine Auszeit gebeten hatte verkündete Dumbledore mit magisch verstärkter Stimme:

"Ist es denn wirklich schon so lange her, daß ich die Damen und Herren aus Slytherin hart bestrafen mußte, daß die meisten von euch das wieder vergessen konnten? hundert Punkte Abzug für Slytherin, und die Vertrauensschüler werden mir nach dem Spiel berichten, wer das gerade gerufen hat. Widrigenfalls ziehe ich noch einmal einhundert Punkte ab und verhänge ein Punktezuerkennungsverbot bis Weihnachten."

Das wirkte. Nun waren und blieben die Slytherins still. Inzwischen versorgte die Schulkrankenschwester den fast bewußtlosen Woodworth. Sie flößte ihm einen Trank ein, der ihn wieder fit machte und nickte Professor Sprout und Madame Hooch zu. Die Hufflepuffs klatschten ihr Beifall, weil der Treiber wieder spielen konnte.

"Andere fliegen aus dem Spiel", protestierte Roy. Dina sagte dazu:

"Wenn sie viele Knochenbrüche oder etwas am Kopf abgekriegt haben, Roy. Bei Magentreffern oder anderen Verletzungen kann ja noch geholfen werden.

"Die Auszeit ist vorbei und die Leiden für Hufflepuff gehen offenbar weiter. Dawn sofort wieder am Quaffel macht wohl gleich die nächsten zehn Punkte für ihre Mannschaft. Nein, sie will wohl heute die Neuen ins Spiel kommen lassen. Gibt ab auf Acer, die sagenhaft gut mit ihrem Komet 2/40 klarkommt und jetzt schon vor dem Tor ist! Bleibt im Torraum, obwohl Dirkson und Willows sie in die Zange zu nehmen versuchen! ... Tooor! Das Mädel hat es geschafft, ein Tor zu schießen und damit seinen Einstand gegeben. Kann sich also noch steigern!"

"Wo hat die so gut fliegen gelernt?" Fragte Roy Dina.

"Nachdem sie von ihren Eltern den Besen gekriegt hat hat sie doch andauernd trainiert, zusammen mit Nelly. Hättest du doch mitkriegen müssen", erwiderte Dina. Roy nickte. Daß Vivian einen Komet 2/40 bekommen hatte war wohl Aurora und Mortimer zu verdanken, die Briefe an Vivians Eltern geschickt hatten. Jetzt hatte die Zweitklässlerin ihr erstes Tor für Ravenclaw geschossen. Die nächsten beiden Tore erzielte Aurora Dawn. Nun stand es fünfzig zu null. Die Hufflepuffs kamen gar nicht mal aus ihrem Torraum heraus. Vivian, die unübersehbar zeigte, von wem sie die Quidditchkniffe gelernt hatte als sie mit Auroras Doppelachsenflugtechnik zwei Jäger gleichzeitig abschüttelte und sofort danach vor den Torstangen auftauchte durfte das halbe Dutzend vollmachen. Der dritte Jäger aus dem Ravenclaw-Team blieb als Rückversicherung im eigenen Torraum und ließ die beiden Junghexen machen. Als Karin Meridies nach dem neunundzwanzigsten Treffer ohne Gegentor den Schnatz erwischte und Ravenclaw damit einen Endstand von 440 Punkten bescherte jubelten ihre Hauskameraden.

"Die Slytherins sind doch sowas von bescheuert", tönte Roy, als er mit Aurora, Petula, Mortimer und Bruster auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum war. Vivian und Tim wurden von den älteren Mitschülern auf Händen getragen, weil sie im ersten Spiel so gut mitgehalten hatten.

"Du meinst die, die Tim angepöbelt haben?" Meinte Bruster. "Das stimmt, die sind voll bescheuert."

"Wenn die im Spiel gegen uns wieder so drauf sind kegelt Daddy D wieder hundert von denen raus. Dann können die Einzelzimmer einrichten", feixte Roy. In dem Moment kam Loren Tormentus um die Wegbiegung, die sich Ravenclaws und Slytherins auf dem Weg zu ihren Häusern teilten.

"O, daß ist aber nett, daß du mir ein eigenes Zimmer gönnen willst, Roy Fielding. Ich fürchte nur, dann müßten wir einen Teil von Ravenclaw beschlagnahmen", sagte sie. Dann grinste sie Aurora Dawn an und meinte: "Schon klug von dir, daß du eine brauchbare Nachfolgerin heranziehst. Könnte euch passieren, daß unsere Treiber dich vom Besen hauen, wie sie's fast mit Heatherbloom geschafft haben."

"Genau, fast, Loren", erwiderte Aurora. "Die sollten besser aufpassen, daß die sich nicht gegenseitig abschießen, wenn wir gegen euren Randaleverein ranmüssen."

"Sag das mit dem Randaleverein besser nicht gerade hier. Welche aus der UTZ-Klasse könnten das dir echt übelnehmen", raunte Loren feist grinsend und ging weiter.

"Also was soll ich jetzt meinen Eltern schreiben?" Fragte Tim, als er sich noch einmal bei Nelly Flowers für den Besen bedankte, den sie über ihre Eltern für ihn ergattert hatte. "Ihr wolltet das zwar nicht, aber ich spiele jetzt doch Quidditch und kann dabei andere Mitspieler mit einem schwarzen Ball vom Besen hauen?"

"Am besten schreibst du denen, daß du in unserer Mannschaft spielst und wir heute gewonnen haben", sagte Nelly Flowers vergnügt grinsend.

Der Sieg im ersten Spiel der Ravenclaws wurde ausgiebig gefeiert. Angelegte Butterbiervorräte wurden geplündert, um die Stimmung hoch zu halten. Süßigkeiten aus dem Honigtopf machten die Runde. Vivian probierte eine der Eismäuse und bekam daraufhin einen wilden Kälteanfall, daß sie mit den Zähnen klapperte und unkontrollierte Quieklaute von sich gab, was die um sie herumstehenden zum Lachen brachte. Stühle und Tische wurden zum tanzen gebracht, und einige der Jungen zündeten Dr. Filibusters hitzefreies nass zündendes Feuerwerk, jedoch keine Knallkörper, sondern wilde Wunderkerzen, die zischend zur Decke aufstiegen und dort goldene und silberne Sterne versprühten, farbige Flammenfontänen, die knapp unter die Decke schlugen oder lustige Leuchtkugeln, die gezündet wie auf- und abhüpfende Gummibälle immer höher aufstiegen, um in schillernden Figuren auseinanderzufließen, die lachende Clowns, krächzende Papageien, schnatternde Gänse und blökende Schafe aus silberblauem Licht erschufen, die für zehn Sekunden blieben und dann mit leisem Knacklaut in geruchlosen Rauch aufgingen.

"Hoffentlich habt ihr noch welche übrig für nach dem Endspiel", meinte Bruster zu einem der anderen Jungen.

"Da stellen wir den verblüffenden Vulkan auf", bekam er zur Antwort. Das war der mächtigste und gleichzeitig teuerste Feuerwerkskörper von Filibuster. Zehn Galleonen kostete dieser an die drei Meter hohe Vulkan aus magischen Feuerwerkszutaten, der einen täuschend echten Vulkanausbruch im Miniformat mit dumpfen Schlägen, Feuer- und Rauchsäulen und etwas wie ausfließende Lava produzierte. Sowas stellte man nur zu Neujahr und bei besonderen Feierlichkeiten auf.

"Ey, unser Hauslehrer kommt", raunte Bruster, der die Tür im Auge behielt. Da kam auch schon Professor Flitwick herein und räusperte sich. Er deutete auf die Standuhr und machte eine Geste, die von der Zeigerstellung eine Ziffer weiterging. Dabei sagte er laut genug, daß alle es hören konnten:

"In fünf Minuten möchten Sie bitte die Feierlichkeiten einstellen. Nicht, daß sich die Bewohner anderer Häuser beschweren. Ich wünsche noch eine gute Nacht." Als ihm alle Anwesenden ebenfalls eine gute Nacht gewünscht hatten verließ er Ravenclaw wieder.

"Die Hufflepuffs könnten echt finden, wir hätten keinen Grund zum feiern", feixte Bruster Wiffle. Roy Fielding setzte dem einen drauf und meinte:

"Die Slytherins würden uns wohl gerne das Feiern verbieten, könnten aber dann gleich die Lostrommel aufstellen, wer von denen dann den Abflug machen soll."

"Ja, und die Gryffindors ärgern sich doch nur, weil wir saufen dürfen und die immer noch den Kater vom letzten Spiel haben", erwiderte Bruster. Aurora, die dem improvisierten Wettbewerb in Spott und Häme zugehört hatte wunderte sich etwas über Brusters letzten Satz. Doch sie fand keine Worte, um ihn darauf anzusprechen. Außerdem hatte sie jetzt wichtigeres zu erledigen. Sie sammelte die jüngeren Mitschülerinnen um sich und schärfte ihnen ein, sich rasch bettfertig zu machen. Die anderen Vertrauensschüler gruppierten weitere Schüler um sich herum und hielten sie an, Flitwicks Aufforderung ohne großes Getue Folge zu leisten.

Im Schlafsaal der Sechstklässlerinnen fand Aurora Dina Murphy vor, die leise vor sich hinschluchzte. Jetzt erst fiel ihr auf, daß Dina den halben Abend lang nicht bei der Feier dabei gewesen war.

"Hallo, was ist mit dir los?" Fragte Aurora ehrlich bekümmert. Dina sah sie mit tränenfeuchten Augen an und schniefte:

"Ich bin so doof!"

"Wieso?" Fragte Aurora perplex.

"Hast du das nicht mitgekriegt? Hat Roy nix dazu gesagt?" Wimmerte Dina.

"Wovon?" Fragte Aurora zurück.

"Nach dem Spiel ... Wir waren so froh, gewonnen zu haben. Da hat Roy mich in die Arme genommen und wollte mich ... er wollte mir einen Kuß geben, auf den Mund. Da habe ich dieses grüne Monster vor mir gesehen, daß ihn angemacht und überfallen hat und dran gedacht, das er mit diesem Biest ... Das hat mich so erschreckt, daß ich ihm eine gescheuert habe. Darauf ist er einfach aufgestanden und weggegangen. Ich wollte ihm hinterher, mich entschuldigen. Aber er wollte nicht hören. Dann kam die Rattler zusammen mit der Tormentus von der Tribüne. Ich wollte nicht, daß die blöd über uns reden und habe ihn laufen lassen.

Abends wollte ich mich bei ihm entschuldigen. Er sagte nur, daß er jetzt kapiert habe, daß Frauen für ihn nix sind, nachdem er von dieser Raimorha vernascht worden sei und ich mir wen neuen suchen soll."

"Du hast es ihm zu erklären versucht?" Fragte Aurora betrübt dreinschauend.

"Brauchte ich doch nicht", wimmerte Dina. "Der hat das doch genauso gesehen, wie ich das gefühlt habe." Die letzten Worte stürzten in eine neue Tränenflut. "Ich hätte ihm doch keine runterhauen dürfen. Der konnte doch nix dafür ... nix dafür ... was die mit ihm gemacht hat."

"Ja, weiß er wohl auch, daß du das nicht so gemeint hast, Dina", versuchte Aurora, die Klassenkameradin zu beschwichtigen. Sie ging zu ihr und nahm sie in die Arme, um sie zu trösten. Da kamen Petula und Miriam herein. Beide Mädchen standen wie vor eine Glaswand gelaufen still und sahen die beiden Kameradinnen, die eine, die hemmungslos heulte und die andere, die sie im Arm hielt wie eine Mutter ihr verängstigtes Kind oder wie eine Geliebte ihren Geliebten. Petula räusperte sich und sah Aurora an. Diese sah zu ihr hin und sagte ruhig aber bestimmt:

"Dina hat Angst, sie hätte es sich mit Roy verdorben. Das hat sie fertig gemacht."

"Ich hab's mitgekriegt, daß Roy sich wegen der Ohrfeige wohl von ihr ferngehalten hat", meinte Miriam verunsichert. "Aber daß das sie so heftig umhaut."

"Das kannst du dir nicht vorstellen, Miriam, weil du bisher fein drauf aufgepasst hast, daß kein Junge dich so mag, daß er näher mit dir zu tun haben will", knurrte Petula. Miriam sah sie perplex an und fragte:

"Was soll das jetzt, Petula? Ich habe nur gesagt, daß das schon heftig ist, daß sie dieser dumme Zwischenfall so umhaut. Das Roy durch diese Sabberhexe einen Knacks in der Seele hat und selber Angst hat, er könne wen abstoßen kapiere ich ja. Aber ich lasse mir von dir nicht unterstellen, ich würde mich absichtlich unausstehlich machen. Ist schon richtig, daß ich echt nicht wweiß, wozu ich einen festen Freund haben soll, wo die meisten Jungen eh nur von der Tapete zur Wand denken können.""

"Hey, Leute, das muß jetzt echt nicht sein", zischte Aurora. "Dina ist davon ziemlich fertig, und wir sollten ihr helfen, damit klarzukommen oder es wieder hinzukriegen. - Ja, Miriam, ich weiß, ich bin hier die Vertrauensschülerin. Brauchst mich jetzt also nicht so komisch anzuglotzen." Miriam verzog ihr Gesicht, während Petula Aurora zustimmend zunickte. Dina löste sich derweil aus der Umarmung ihrer Klassenkameradin und wischte sich mit dem Umhang die Tränen aus dem Gesicht.

"Wie sollen wir denn das wieder klarkriegen? Sollen wir Roy einen Liebestrank unterjubeln oder den Imperius-Fluch benutzen? Das geht beides nicht", knurrte Miriam.

"Ihr könntet erst mal damit anfangen, daß ihr aufhört, euch zu zanken", schlug Aurora im Tonfall einer Lehrerin vor.

"Ist ja gut, Aurora! Bevor ich wegen dieser Kiste noch Punkte für Ravenclaw verjubel", knurrte Miriam und warf sich demonstrativ auf ihr Bett. So blieb Petula und Aurora nur übrig, ihr und Dina eine gute Nacht zu wünschen.

Am nächsten Morgen sprach Aurora mit Bruster über die Sache. Bruster sagte dazu:

"Das hat ihn echt nicht losgelassen. Okay, von dieser - Wie hieß die noch mal? - Raimorha ist er wohl losgekommen. Aber sie spukt in seinen Erinnerungen und auch in denen von Dina. Mum hat mir mal erzählt, daß manche Paare keine Chance haben, wenn sie vorher oder während der Beziehung mit wem anderem zusammen waren. Sie sagte was von unsichtbaren Bettgenossen, die da sind, wenn sich so'n paar ganz doll liebhaben will, weil beide an den oder die anderen oder Andere denken. Ich hoffe mal, daß mir sowas erspart bleibt."

"Wieso, hast du denn eine Freundin?" Fragte Aurora aus einer ihr selbst unverständlichen Regung heraus.

"Wie kommst du denn darauf?" Fragte Bruster. "Ich meinte nur, daß ich hoffe, daß mir nicht sowas passiert, daß ich mir wen mit einem anderen teilen muß oder sowas."

"War auch irgendwie 'ne zu direkte Frage. Abgesehen davon daß ich das ja wohl mitbekommen hätte, wenn du mit jemandem ... Aber lassen wir's!" Entgegnete Aurora Dawn leicht verlegen. Bruster nickte.

"Ja, aber was meinst du, sollten wir jetzt mit Roy und Dina machen. Kannst du einen Liebestrank brauen und was von Dina da reintun, damit Roy auf sie fliegt?"

"Abgesehen davon daß das ziemlich unfair Roy gegenüber ist würde das auch nicht lange anhalten. Der müßte ja dann immer wieder was davon trinken. Das würde ihn endgültig aus der Bahn werfen, wenn er dahinterkäme. Neh, Bruster. Das machen wir ganz bestimmt nicht. Außerdem kann Dina genauso gute Tränke brauen wie ich und selbst sie denkt wohl nicht daran, ihm sowas unterzujubeln."

"Stimmt, hast recht. Wäre ja echt fies für den, der sowas zu schlucken kriegt. Nachher jubelt mir die Rattler so'n Zeug unter, weil sie ihr inzüchtiges Erbgut mit meinen Automechanikergenen auffrischen will. Brrrr!. Da kann ich ja gleich einen wurmstichigen Schrank rammeln."

"Würdest du nicht finden, wenn sie dir wirklich einen Liebestrank eintrichtern wollte. Aber keine Sorge, die ist wohl von dir genauso angewidert wie du von ihr", entgegnete Aurora eiskalt. Bruster nickte.

"Ja, aber ich wüßte sonst nix, was Roy von seiner Vorstellung abbringt. Außerdem hat mir das auch egal zu sein, solange ich von den Lehrern keinen Anpfiff kriege, daß er im Unterricht durchhängt. Dir sollte das genauso egal sein, solange Dina nicht absackt, womöglich noch bei Professor Hakennase."

"Das ist einer der vielen kleinen Unterschiede zwischen euch Jungs und uns Mädchen. Ihr sagt, was mich nicht betrifft kann mir völlig egal sein. Wir sagen dagegen, daß es schon wichtig sein kann, wer was um uns herum hat oder nicht hat."

"Glaubst du das echt?" Fragte Bruster leicht verstimmt.

"Das brauche ich nicht zu glauben. Das weiß ich."

"Halleluja!" Tönte Bruster.

"Ey, pass auf, Bruster. Ich mag sowas nicht tun, aber wenn du meinst, mir dumm kommen zu müssen kann ich das gerne bei der nächsten LVK auf die Tagesordnung bringen, daß dir die Gemütslage deiner Mitschüler völlig egal ist."

"Würdest du glatt machen", knurrte Bruster. Wie stur Aurora sein konnte wußte er zu gut, wie sie sich nicht davon hatte abbringen lassen, das Eigenbesenverbot aufheben zu lassen.

"Das weißt du", bestätigte Aurora es mit der Wärme einer Südpolwindböe.

"Das wäre Erpressung, und für sowas kommt man nach Askaban", schnarrte Bruster gereizt.

"Dann müßte ich dich dazu anhalten, mir was zu geben, daß ich es nicht mache, und das tue ich nicht", erwiderte Aurora Dawn. "Ich wollte dir lediglich zu verstehen geben, was dein und mein Job hier ist. Aber du hast schon recht, daß wir Roy und Dina nicht zusammenketten können, bis sie sich wieder aufeinander besinnen. Vielleicht sucht Roy sich wen anderen aus und Dina auch."

"Was die beiden mal zusammengebracht hat schwant mir bis heute nicht", erwiderte Bruster.

"Der Umstand, daß er besser zaubern kann als sie und sie dafür besser mit Zaubertränken bescheid weiß als er", vermutete Aurora. Bruster grinste. Dann meinte er sarkastisch:

"Womit der Beziehung der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, weil Roy genauso schlau wie ich war und nach den ZAGs keinen Blubberbräuunterricht bei Professor Bin-ich-nicht-superfies Snape hat."

"Dem blieb ja nix anderes, weil der keinen Ohne Gleichen im Zaubertrankunterricht hatte", schnarrte Aurora gereizt. "Außerdem war da bestimmt schon mehr. Sonst würde sich Dina nicht solche Vorwürfe machen, weil sie daran gedacht hat, daß Roy mit dieser Sabberhexe zusammen war, ohne daß der das wollte. Da haben wir alle gepennt, daß nicht mitzukriegen, daß Tim Abrahams schon lange von dieser Morpuora abhängig war."

"Wenn du die Krankheit nicht kennst, erkennst du auch keine Symptome", deklamierte Bruster etwas, daß zu intelligent klang um von ihm zu stammen. Aurora scharrte mit ihrem Fuß auf dem Boden und knurrte:

"Toller Spruch, echt!"

"Solltest du an und für sich wissen, wo du Madame Pomfrey beerben willst", versetzte Bruster. "Den hat eine Dilys Derwent geprägt, jene, die von 1741 bis 1768 Schulleiterin in Hogwarts war."

"Gut, ich sehe es ein, daß ich es wohl nötig hatte, auf den Boden geholt zu werden, Bruster und Selbstvorwürfe mir nichts einbringen. Aber was machen wir jetzt?"

"Ich schlage eine expektative Therapie vor, Schwester Aurora", immitierte Bruster Mimik und Tonfall eines hochgebildeten Akademikers.

"Bitte was?" Fauchte Aurora, die sich nicht ganz zu unrecht auf den Arm genommen fühlte.

"So heißt es, wenn man ein Problem nicht anders lösen kann als einfach abzuwarten, daß es von selbst verschwindet oder eine Lösung daherkommt", sagte Bruster mit überlegenem Grinsen.

"Dann sag sowas doch gleich so, daß jeder es auch versteht", knurrte Aurora. "Oder rede ich so daher, als wolle ich so tun, als wenn ich die einzige sei, die was wissen darf?"

"Die Frage kann ich mit einem klaren Nein beantworten", erwiderte Bruster. Aurora kapierte wohl, daß der Klassenkamerad keine Veranlassung hatte, sich mit Dina und Roy zu befassen und entschuldigte sich für die unnütze Zeitverschwendung. Sie suchte die jüngeren Schüler, die sie darum gebeten hatten, mit ihnen in der Bibliothek einige Sachen für Snape nachzulesen. Die wollten zumindest Hilfe haben, dachte sie.

Da sie jedoch auch keine andere Möglichkeit fand, Roy wieder mit Dina zusammen zu bringen und auch nicht wußte, ob sie das auch tun durfte, stimmte sie Bruster innerlich zu, daß es besser sei, erst einmal abzuwarten.

__________

Es waren noch zwei Tage zu den Weihnachtsferien hin, als Aurora bei einem Übungsflug mit Vivian Acer über den Ländereien von Hogwarts Ohrenzeugin eines lauten Wortwechsels zwischen dem riesenhaften Wildhüter Hagrid und Professor Kesselbrand wurde.

"Hagrid, ihre Afinität zu heimtückischen, tödlich gefährlichen Kreaturen ist mir durchaus bekannt", hörten sie den Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe. "Aber in diesem Fall kann und werde ich das Ihnen nicht durchgehen lassen. Schlimm genug, daß Sie im verbotenen Wald eine Akromantulla-Population kultivieren. Aber der Hadesianer-Hund in unmittelbarer Nähe zum Schloß ist eine zu ernste Bedrohung. Werden Sie ihn los!"

"Das können se nich' von mir verlangen, Professor Kesselbrand", dröhnte Hagrids Stimme. Vivian erschrak über die Lautstärke, daß sie fast vom Besen fiel. Aurora landete, und sie landete auch. "Außerdem tut mein Fluffy doch keinem was. Der ist doch in seiner Hütte, die Professor Dumbledore mit mir gebaut hat."

"Keinesfalls immer", schnarrte der Zaubertierlehrer. "Ich habe ihn schon beobachtet, wie er um die Mittagszeit frei auf dem Gelände herumstreunte. Außerdem hat er eines meiner Vorführeinhörner aus seinem Pferch gejagt und fast erwischt. Wir können froh sein, daß Einhörner zu den schnellsten Landtierwesen gehören. Nicht auszudenken, wenn einige der Schüler mit Ihrem sogenannten Liebling zusammentreffen. Wie gesagt, Rubeus, schaffen Sie diese Kreatur vom Gelände, bevor ich als zuständiger Fachlehrer meine Autorität geltend machen und den Ausschuß zur Beseitigung gefährlicher Geschöpfe kontaktieren muß. Professor Dumbledore scheint Ihnen in dieser Sache ja zu viel Freiraum eingeräumt zu haben."

"Wegschaffen. Nur weil er drei Köpfe hat und noch sehr verspielt ist. Der ist doch noch ganz jung."

"Eben deshalb wird er seine Stärke unterschätzen und ohne daß Sie es wollen großen Schaden anrichten. Ich möchte ja nicht darauf hinweisen, daß Sie Ihre Zaubereiausbildung vorzeitig abbrechen mußten, weil Sie damals schon unvernünftig mit magischen Kreaturen umgingen. Ein Todesfall ist doch wahrlich genug Unheil, nicht wahr?"

"Sir, das war jetzt echt nicht in Ordnung, mir das zu sagen. Ich weiß doch, daß er damals nichts dafür konnte. Aber die anderen wollten es nicht glauben, und wenn Riddle mich nicht bei Dipped ... Nein, ich kann Fluffy nicht weggeben!" Polterte Hagrid. Doch aus seiner Donnerwetterstimme klang Wehmut und Verzweiflung heraus, als wäre er in die Enge gedrängt worden. Kesselbrand sagte dazu nur:

"Eine Woche. Ich rede mit Dumbledore. Schaffen Sie den Hund vom Gelände, weil Sie keine Kontrolle über ihn haben! Ist er in einer Woche noch da, kriegen Sie eine schriftliche Aufforderung vom Ausschuß zur Beseitigung gefährlicher Geschöpfe."

"Professor Dumbledore sagt, ich darf ihn behalten, wenn ich ihn sicher unterbringe", begehrte Hagrid auf.

"Ja, eben. Wenn Sie ihn sicher untergebracht halten. Aber genau das tun Sie ja nicht", versetzte Kesselbrand. Aurora sah zwischen den Bäumen hindurch, wie Hagrid hervortrat und hörte ihn rufen:

"Wenn Professor Dumbledore sagt, ich soll ihn loswerden, bringe ich ihn weg, wenn die Kinder alle in den Ferien sind."

"Zumindest etwas Vernunft ist Ihnen geblieben", knurrte Kesselbrand. Dann sah Aurora ihn, wie er aus der Baumdeckung trat und zum Schloß zurückkehrte. Leise forderte sie Vivian auf, mit ihr ebenfalls zurückzukehren. Im Schloß selbst erzählte sie der Zweitklässlerin von dem dreiköpfigen Hund, der schon als Welpe ein furchteinflößendes Geschöpf war. Wehmütig dachte sie daran, daß sie durch Fluffys Angriff auf die Hawkins-Geschwister mit Bernhard Hawkins zusammengekommen war. Es hätte doch so schön weitergehen können!

"Ja, und der Riese soll diesen Monsterhund jetzt loswerden, weil der uns sonst angreifen könnte", meinte Vivian. Aurora nickte.

"Schon 'ne gruselige Vorstellung, daß ein dreiköpfiger Höllenhund auf dem Schulgelände herumläuft."

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Die Weihnachtsferien kamen und mit ihnen der große Aufbruch nach Hause. Fast alle Schüler wollten die Feiertage bei ihren Familien verbringen. Lediglich drei Hufflepuffs und zwei Slytherins aus der siebten Klasse blieben in Hogwarts. Offenbar wollten sie das beinahe leere Schloß nutzen, um sich in Ruhe auf die im nächsten Jahr anstehenden Abschlußprüfungen vorzubereiten. Aurora und die anderen Vertrauensschülerinnen und -schüler patrouillierten wieder durch den Zug, verharrten mal hier oder da für eine kurze Plauderei mit Mitschülern oder jüngeren Hauskameraden. Aurora Freute sich, daß sie das erste Jahr nach dem Sturz von ihm, dessen Name nicht genannt werden durfte, so gut überstanden hatte. Was war jetzt noch so schlimmes in der Welt? Tonya war wiederUnausstehlicher geworden, besonders zu Dina und den beiden Mitschülern mit Muggelverwandtschaft ihrer Klasse, Dinas und Roys Beziehung war für's erste tiefgekühlt aber noch nicht vergangen, und im Quidditch hatte Ravenclaw eine gute Ausgangsposition für die beiden noch anstehenden Spiele erkämpft.

Als sie zusammen mit ihren Mitschülern den Zug verließ traf sie jenseits der Barriere zwischen Gleis 9 3/4 Vivian Acers Eltern, die sich mit Auroras Mutter unterhalten hatten. Sie bedankten sich bei Aurora, daß sie Vivian in Ravenclaw gut eingebürgert hatte. Dann ging es per Flohpulver in das alte Landhaus, das Zuhause der Dawn-Familie. Ferien! Aurora wußte, wie nötig sie diese hatte. Hoffentlich bekam sie auch die Erholung, die sie sich verdient hatte.

ENDE

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