REX ARBORUM

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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Vorige Story

P R O L O G

Nach erfolgreich bestandenen ZAG-Prüfungen reist Aurora Dawn mit ihrem Vater zur Kräuterkundlerkonferenz nach Millemerveilles in Südfrankreich, wo sie die kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes stehende und sehr muntere Kräuterhexe Camille Dusoleil trifft. Sie gewinnt einen Eindruck von der Nüchternheit eines Expertenkongresses und bekommt mit, daß Madame Dusoleil zum zweiten Mal einer Tochter das Leben schenkt, die sie acht Stunden nach der Geburt schon besichtigen darf.

Wieder zurück in Hogwarts bekommt sie mit, wie der rothaarige Junge Bill Weasley eingeschult wird, der sogleich den Unmut der Slytherins auf sich zieht, weil diese seine Eltern für Verräter an der Zaubererehre halten.

Im Unterricht sollen nun alle Zauber möglichst wortlos gewirkt werden. Dina Murphy, die zwar nur ein Annehmbar in Zauberkunst erreichte, darf jedoch in Professor Flitwicks Zauberkunstklasse mitmachen. Roy Fielding scheint von den Auswirkungen der Sabberhexen kuriert zu sein, die ihn im letzten Sommer überfallen und vorübergehend von sich abhängig gemacht haben. Doch die Beziehung zwischen ihm und Dina ist wegen dieser Sache stark unterkühlt.

Im Quidditch verlieren die Gryffindors gegen ihre Erzrivalen aus Slytherin. Die Ravenclaws mit Aurora Dawn gewinnen aber gegen Hufflepuff.

Trotz der Freistunden in der sechsten Klasse freut sich Aurora auf die Weihnachtsferien, um sich zu erholen. Denn das nächste Drittelschuljahr wird bestimmt noch anstrengender.

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"Fliege mit dem Winde und den weißen Flocken!
Folge dem hellen Klang der Glocken!
Höre sie jubeln! Höre sie klingen!
"Weihnacht, Weihnacht, ist's was sie singen."

Die Dawns sangen dieses beschwingte Lied der Zauberer an die Weihnachtsfreude zusammen mit ihren älteren Verwandten, die bei Ihnen zu Gast waren. Auch die Priestleys waren angereist, um mit den Verwandten den Tag der Freude und des Friedens auf Erden zu feiern. Agatha strahlte mit den Weihnachtsbaumkerzen um die Wette, als sie ein langes Paket öffnete und einen Sauberwisch 5 daraus befreite.

"Den darfst du zwar erst ab der zweiten Klasse in Hogwarts haben. Aber für die Ferien hast du dann schon was, womit du üben kannst", sagte Tony Priestley, Auroras Onkel mütterlicherseits.

"Schön, ein eigener Besen", jubelte Agatha. Ihre kleine Schwester Arcadia lief vor und griff nach dem blankpolierten Stiel des Flugbesens.

"Eh, weg. Das is' nix für kleine Kinder!" Schnaubte Agatha. Ihr Vater räusperte sich warnend. Dann sagte er entschieden:

"Zank dich nicht mit deiner Schwester, Agatha! Arcadia, kuck ihn dir an, aber mach nichts damit!"

Arcadia betastete den Flugbesen und warf scheue Blicke zu ihrer großen Schwester hinüber und sah dann Aurora an, die gerade einen Umschlag öffnete und einen Zettel herausnahm, der in der Handschrift ihres Vaters beschrieben war:

APPARATIONSSTUNDENGUTSCHEIN

Hiermit erhält Ms. Aurora Dawn die Garantie, an einem am 1. Februar 1983 beginnenden, zwölf wochen dauernden Kurs zum Erwerb der Kenntnisse in der Kunst des Apparierens teilnehmen zu dürfen und damit die Möglichkeit, bei gewissenhafter Übung am Ende des Monats Mai 1983 die Prüfung in dieser praktischen Kunst abzulegen und damit die Erlaubnis zu erwerben, die magische Fertigkeit des zeitlosen Ortswechsels nach eigenem Belieben anzuwenden.

Aurora, ich habe die zwölf Galleonen, die der Apparierkurs für Hogwarts-Schüler, die bald siebzehn werden bereits bezahlt, weil ich mir absolut sicher bin, daß du diese Kunst erlernen willst und das auch schaffst.

Fröhliche Weihnachten
              dein dich liebender Vater Hugo Dawn

"Oh, Danke, Daddy", freute sich Aurora und umarmte ihren Vater. "Ich wußte nicht, daß das was kostet, Apparieren zu lernen."

"Muß so sein, weil damit das Apparationsprüfbüro und die Apparationsunfallbehebungstruppe bezahlt werden wollen", sagte Hugo Dawn und sah seinen Schwager Tony an, der als amtlicher prüfer und Überwacher der Apparatoren arbeitete.

"Tony, du hast dir von Hugo echt Geld geben lassen, um deiner Nichte den Apparierkurs zu genehmigen?" Fragte Regina Dawn. "Schämst du dich nicht?"

"Hast du mir damals nicht gesagt, wir sollten unsere Beziehungen nicht willkürlich ausnutzen, nur weil deine Tochter mit uns verwandt ist?" Konterte Onkel Tony verbissen dreinschauend.

"Das galt für mein Verhältnis zu ihr", knurrte Auroras Mutter. "Ich wollte nicht, daß man sie oder mich wegen unserer Verwandtschaft behelligt, solange ich in Hogwarts gearbeitet habe."

"Och, jetzt streitet euch bitte nicht wegen mir!" Warf Aurora ein, die fühlte, daß der friedliche und wärmende Weihnachtsgeist zu verschwinden drohte. Ihre Oma Regan nickte ihr zu und sagte ihrer Schwiegertochter und deren Schwager:

"Aurora hat völlig recht. Das ist doch wohl nicht nötig, jetzt und hier darüber zu streiten, ob sie den Kurs von ihrem Vater oder ihrem Onkel geschenkt bekommt. Hauptsache, sie kann ihn machen."

"Ich will das auch lernen", warf Philipp ein. "Dad, schenkst du mir sowas zum ZAG?"

"Das geht echt nicht, Philipp. Um apparieren zu dürfen mußt du siebzehn Jahre alt sein. Das weit vorher zu lernen bringt also nichts", sagte sein Vater entschlossen.

"Drachenmist!" Knurrte Philipp und fing sich von den Erwachsenen tadelnde Blicke ein. Aurora sah ihren Cousin an und sagte ganz ruhig:

"Das hast du doch von Roy und Bruster gehört, daß auch die Muggel ihre Autos nur fahren dürfen, wenn die volljährig sind, vorher nicht."

"Klar, wie mit dem Zaubern auch", knurrte Philipp. Aurora schwieg dazu. Im Moment wollte der Weihnachtsgeist wohl nicht bei den Dawns und Priestleys sein. Für einige Minuten war die Stimmung so kaalt wie der Wind, der um das alte Landhaus strich. Erst als Arcadia sich über die anderen Pakete mit ihrem Namen hermachte kehrte wieder eine gewisse Harmonie ein. Onkel Tony und Auroras Mutter entschuldigten sich beieinander. Die Kinder packten ihre Geschenke aus. Neben dem Gutschein hatte Aurora noch die erweiterte Ausgabe des Französischbuches von Polyglosse und Babel bekommen, um besonders die Fachsprache der Zaubertrankbrauer und Kräuterkundler zu lernen. Das allgemeine Buch hatte sie ja im Sommer schon besorgt und mit Petula und Miriam zusammen damit gelernt. Mittlerweile konnte sie auch ohne den Wechselzungentrank die wichtigsten Redewendungen. Doch es lagen noch über zwei Drittel des allgemeinen Buches vor ihr, selbst wenn der darin eingewirkte Gedächtnisverstärkungszauber für das Gelesene alles so einprägen ließ, als würde der Benutzer die Lektion zehnmal hintereinander wiederholen.

Nach dem von Oma Regan zubereiteten Weihnachtsessen spielten Tante June und Opa Samson Schach, während Aurora mit Philipp, Agatah und Arcadia im Garten Flugübungen machte, beaufsichtigt von Hugo Dawn.

Sie flogen über den Schnee dahin. Der Himmel war sternenklar, und die Kälte schien ihnen nichts auszumachen. Doch als Hugo Dawn meinte, es sei nun genug, merkte Aurora, daß ihr die Nase ziemlich gut gefroren war.

Sehr spät am Abend verließen die Priestleys, Meadows und anderen direkten Verwandten von Regina, Hugo und Aurora das Haus der Dawns durch den Kamin. Als alle fort waren wandte sich Hugo Dawn noch einmal an seine Frau.

"Das war doch jetzt wirklich nicht nötig, Tony damit zu trietzen, daß ich ihm für Aurora den Kurs bezahlt habe, Regina. Jetzt meint der bestimmt, du würdest ihm böse sein."

"Und du mußtest Aurora gegenüber auch nicht verraten, wie teuer dieser Kurs ist", Hugo. Geschenke sind die besten, wenn kein Preisschild dranhängt."

"Ob sie es heute erfährt oder dann, wenn das allgemeine Angebot rumgeht ist nicht so wichtig, Regina. Ich habe mich nur daran gehalten, was du und ich damals mit ihr abgeklärt haben, nämlich daß sie nicht Vorteile aus ihren Verwandten ziehen möchte."

"Wie dem auch sei, Hugo. Ich wollte nur wissen, ob das echt nötig war, daß du Tony den Kurs bezahlen mußtest oder nicht?"

"Ich denke, wir versauen Aurora nur die Freude an dem Kurs, wenn wir beide und Tony uns drüber haben, ob sie den von mir, dir oder ihn bekommen sollte oder vom Taschengeld bezahlen sollte", sagte Hugo Dawn. Aurora, die es leid war, daß man über sie redete, wo sie dabeistand wünschte ihren Eltern eine gute nacht und ging zu Bett.

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Als die Ferien zu Ende waren trafen sich die Schüler von Hogwarts auf Gleis 9 3/4. Roy Fielding wurde von seiner Schwester Erica begleitet, die in für die Muggelwelt typische Winterkleidung gehüllt war.

"Hallo, Aurora! Angenehme Ferien gehabt?" Fragte sie die Vertrauensschülerin aus der sechsten Klasse.

"Ja, hatte ich. Wir hatten volles Haus."

"Gut ins neue Jahr reingekommen?" Fragte Roy.

"Ja, bin ich", erwiderte Aurora lächelnd. Dann sah sie Tonya Rattler und verzog das Gesicht, weil diese eine Gruppe muggelstämmiger Erstklässler ansteuerte, die sich wohl angeregt unterhielten.

"Fängt die wieder mit der Pöbelei an", knurrte Erica. Aurora nickte bestätigend. Die Erstklässler sahen die klobig wirkende Sechstklässlerin aus Slytherin an und schienen zu überlegen, ob sie das Weite suchen oder sie vereint angreifen sollten. Da eilten auch Cynthia Flowers von den Hufflepuffs und Eunice Armstrong hinüber. Den Gesten nach lästerte Tonya gerade über eine merkwürdige Stoffpuppe einer Erstklässlerin, welche entfernt menschenähnlich war und doch nicht menschlich mit ihrem untersetzten, klein und gedrungen wirkenden Körper, den kurzen, vogelartigen Beinen mit den zwei langen und einer kurzen Zehe oder dem vorne breiten und nach hinten schmaler werdenden Kopf mit den Großen Augen.

"Na klar, daß die Rattler blöde Bemerkungen macht", knurrte Roy. "Die hat ja auch keinen Dunst von genialen Filmen."

"Was meinst du?" Fragte Aurora, die sah, daß Cynthia und Eunice Tonya bereits von der Erstklässlergruppe wegbugsierten und auf sie einsprachen.

"Wir haben uns, wohl wie die Erstklässler da drüben auch, über Weihnachten einen Kinofilm über einen Außerirdischen angesehen", sagte Erica Fielding. Roy nickte bestätigend.

"Ich dachte, Außerirdische wären in den Muggelfilmen kleine grüne Männchen oder reptilienartige Geschöpfe. Gibt's nicht so viele Filme wo Wesen von anderen Sternen vorkommen?" Wollte Aurora wissen.

"Das schon, aber meistens nur in der Form, daß die der Erdbevölkerung was tun wollen oder von Raumfahrern aufgestöbert werden, wenn die auf anderen Planeten landen", sagte Erica. Roy meinte dazu:

"Ich wollte da erst nicht rein, als ich die ganzen Mädels vor der Kinokasse gesehen habe. Ich habe schon gedacht, daß kann nix für mich sein, und vor allem die ganzen Mummies und Daddies mit ihren Kurzen an der Hand. Aber Irgendwie war der nicht nur plüschig, sondern auch spannend."

"Du kannst ihr später erzählen, was in dem Film passiert ist", sagte Erica, die wohl merkte, wie Roy ins schwärmen kam. "Aber jetzt solltest du in den Zug rein. Es ist schon fünf vor elf."

"Ja, Erica, ich weiß", schnaubte Roy angenervt und winkte Aurora ein "Bis nachher" zu.

"Offenbar hat der sowas gebraucht, was immer das mit diesem Kinofilm zu tun hat", dachte Aurora und kletterte in den vorderen Wagen, wo das luxuriöse und schallgedämpfte Vertrauensschülerabteil lag. Als sie dort eintraf war Bruster bereits in einer angeregten Diskussion mit Tonya Rattler, wurde jedoch dabei von Eunice und Herman unterstützt, während Tonya lautlose Zustimmung von ihren Slytherin-Kameraden bekam.

"... Das ist doch der schlagende Beweis, daß diese Leute nix in Hogwarts zu suchen haben, wenn die das nicht für überragend halten, Zauberer zu sein und sich Erfundene Geschichten von irgendwelchen scheußlichen Monstern aus dem Weltraum antun", sagte Tonya gerade. Die Slytherins nickten ihr beipflichtend zu.

"Ach, du meinst, die müßten alles für Blödsinn ansehen, was in der Welt ihrer Eltern passiert und dürften sich für nichts mehr interessieren oder an was freuen, was da zur Unterhaltung gemacht wird? Fragte Bruster. Eunice sagte:

"Stimmt, Bruster. Die können ja nicht hergehen, gerade wenn die erst in der ersten Klasse bei uns sind und sagen: "Was interessieren mich Außerirdische? Ich bin doch 'n Zauberer oder 'ne Hexe!" Wenn die das toll finden, wenn jemand so Geschichten für einen Kinofilm erfindet ist das doch nicht dein Problem, Tonya."

"Klar, weil diese Idioten ja aus euren Häusern kommen", sagte Tonya abfällig. "Aber es ist mein Problem, wenn die es nicht wahrhaben wollen, wo die jetzt sind und was die da lernen sollen. Professor Snape würde solche Typen sofort rauswerfen, die meinen, diesen Muggelmärchenkram tollfinden zu müssen."

"Ach, und du bist die von Snape beauftragte Aufpasserin, daß solches verträumte Muggelgesocks keine Chance in Hogwarts hat", knallte Bruster ihr vor. "Das ihr Slytherins euch was auf eure sogenannte Reinblütigkeit einbildet ist ein älterer Bruder des sprechenden Hutes. Ich habe den besagten Film nicht gesehen, weil Mum meinte, ich solle mich jetzt, wo ich bald siebzehn werde mehr auf meine zauberei konzentrieren, weil ich damit ja dann offiziell rumhantieren darf. Aber Roy hat den wohl gesehen. Ich freu mich schon drauf, mir das von dem erzählen zu lassen."

"So ein gequirlter Schneckenschleim", bemerkte Tonyas ein Jahr älterer Vertrauensschülerkamerad aus Slytherin, schwieg aber sonst.

"Tonya, ob du das für totalen Quatsch hältst, daß Muggel sich Geschichten von Außerirdischen erzählen, ist das das gleiche wie mit der Zaubererwelt. Da sind Hexen und Zauberer genauso glaubhaft oder unglaubhaft wie Außerirdische. Für die meisten Muggel gibt's dich doch gar nicht, Tonya", sagte Bruster überlegen grinsend.

"Dich aber auch nicht", knurrte Tonya gereizt. Bruster grinste noch breiter.

"Ich hab'n ordentlichen Personalausweis, genau wie mein Dad und auch meine Mum. Also gibt's uns, auch amtlich gesehen." Die übrigen Vertrauensschüler, die nicht aus Slytherin kamen übernahmen das Grinsen Brusters, weil Tonya ihn verächtlich anstarrte und offenbar arg nach Worten suchte, die sie beim besten Willen nicht finden konnte. Da kamen Schulsprecher und Schulsprecherin herein und beendeten jede weitere Debatte, um die übliche Abstimmung für den Patrouillengang durch den Zug festzuklopfen.

Aurora war froh, daß sie nicht in die Debatte hineingezogen worden war. Normalerweise ließ Tonya keine Gelegenheit aus, sie dumm anzumachen. Aber jetzt war ihr das wohl nicht eingefallen oder ihr nicht so wichtig gewesen. jedenfalls ging Aurora nach der Besprechung durch den Zug, vorbei an den Abteilen, wo geredet, gespielt oder auf den letzten Drücker an einer Hausaufgabe herumgewerkelt wurde. Als sie am Abteil mit Vivian Acer, Nelly Flowers und einigen Zweitklässlern aus Hufflepuff und Gryffindor vorbeikam hörte sie, daß die sich wohl auch über diesen Film über den Außerirdischen unterhielten und gerade erzählten, daß der ganz am Schluß der Geschichte mit seinen irdischen Freunden, die noch kleine Kinder waren, auf Tretzweirädern über einen Wald geflogen seien, weil Soldaten den Fremden von den Sternen einfangen wollten. Sie ging weiter und kam zu einem abteil, in dem die muggelstämmigen Erstklässler saßen, die Tonya nicht in den Kram passten. Sie beschloß, sie zu fragen, was auf dem Bahnsteig passiert sei und sich dann bei der Gelegenheit die im Kinofilm erzählte Geschichte nacherzählen zu lassen. Vielleicht konnte sie damit verhindern, daß Tonya Rattler auf die Idee kam, denen noch mehr Fiesheiten an die Köpfe zu werfen.

Sie öffnete nach kurzem Anklopfen die Tür und schlüpfte ins Abteil. Dann fragte sie aufmunternd lächelnd, ob sie schöne Ferien gehabt hatten und was auf dem Bahnsteig los war.

"Die breite Blondine aus Slytherin, die auch 'ne Vertrauensschülerin ist hat uns blöd angequatscht wegen E.T.", sagte ein Mädchen mit zwei braunen Zöpfen, die die Stoffpuppe dieses Weltraumwesns getragen hatte. Aurora ließ sich darauf hin die Filmhandlung erzählen, wobei sie lächeln mußte, als ihr ein schmächtig wirkender Hufflepuff-Erstklässler erzählte, daß dieses Wesen zu seinen Kameraden nach Hause telefonieren wollte. Hatte Eunice nicht genau diese Redewendung gebraucht, als sie sie fragte, ob die neuen in Gryffindor gut reingekommen seien?

"Hört sich auf jeden Fall schön an. Es geht also darum, das fühlende Wesen einander helfen können, auch wenn sie sich sehr fremd sind. Klar, daß das einem Slytherin nicht in den Kram passt. Das ist ja das komplette Gegenteil von deren Auffassung", sagte Aurora abschließend. Sie blickte hinaus in den Gang. Eunice stand vor der Tür. Einer aus Gryffindor machte auf und ließ sie auch herein.

"Ah, Aurora! Danke dir, daß du bei ihnen warst!" Sagte sie. "Unsere klobige V-Kameradin aus Schlitterrein ging hier vor einer Minute lang und hat wohl gedacht, hier noch einmal Putz zu machen. Aber die wollte wohl nicht, daß wir das dem Schulsprecherpaar dann auf's Brot schmieren. Weil die können ihretwegen Punkte abziehen" Sie lächelte genüßlich.

"Ich wollte wissen, was los war und habe mich gut mit den Leuten hier unterhalten", sagte Aurora ruhig. Dann verabschiedete sie sich und ging weiter, um bei petula Woodlane hereinzusehen, die mit Dina Murphy, Isis Waverly, Roy Fielding und Mortimer Swift im Abteil saß.

"... und die Rattler meinte, daß die deswegen von Hogwarts runter müssen, weil die sich so für einen Kinofilm begeistert haben?" fragte Petula, nachdem Aurora ihr und den Klassenkameraden von der Besprechung erzählt hatte. "Traue ich ihr zu", legte sie noch nach.

"Die Antwort von Bruster war genial", meinte Roy. "Die soll sich echt nicht um sowas scheren. Die hat genug eigenen Dreck vor der Tür."

"Ich dachte, Erica und du dürftet in der Muggelwelt nicht mehr rumlaufen, weil ihr offiziell tot seid", fiel Aurora etwas ein, das sie schon die ganze Zeit umgetrieben hatte. Roy grinste.

"Offiziell für die Muggelwelt Englands. Aber wenn deine große Schwester wen in Australien kennt, wo der Film, der ja aus Amerika stammt gezeigt wird, konnten wir da ohne Probleme in ein Kino rein. Die Schweinerei mit der "Southern Sunrise" ist ja schon so lange her, und im Kino fraggt dich ja keiner nach Namen und Geburtstag, besonders wenn so'n Film schon für sechsjährige Ströpps erlaubt ist."

"Die sind mit dem fliegenden Holländer rübergefahren", sagte Mortimer. "Die Erica hat wohl gut verdient."

"Weihnachtsgeschenk", sagte Roy dazu nur. "Eigentlich wollten wir Priscilla auch noch mitnehmen. Aber die ist ja jetzt voll im Stress wegen der Ministeriumssache. Seitdem Fudge der neue Zaubereiminister is', haben die da 'ne menge zu schaffen."

"Die wird wieder Zeit finden, sich mit deiner Schwester zu treffen", sagte Petula. "So wie ich das jetzt von allen, die Muggelverwandte haben mitgekriegt habe ist dieser E.T.-Film ja ein voller Erfolg und wird wohl noch eine Zeit lang in den Kinos sein."

"Ich hoffe nur, Tonya findet sich damit ab, daß es Leute gibt, die sich gerne sowas ansehen", meinte Aurora. Roy grinste nur überlegen und meinte:

"Die lebt doch mit ihrer Bagage in Inzucht. Inzucht läßt irgendwann alles verkümmern. Trau der also nicht so große Leistungen zu!"

"Roy, entschuldigung, du mußt nicht auf ihrem Niveau zurückpöbeln", fühlte sich Aurora genötigt, die Vertrauensschülerin raushängen zu lassen.

"Hast recht, Aurora", knurrte Mortimer. "Die ist es eh nicht wert, sich deretwegen aufzuregen."

"Wie du meinst", knurrte Roy verbittert. Dina sah ihn und dann Aurora an. Doch was immer sie gerade sagen wollte, ihr fehlte der Mut oder die Lust, das auch zu sagen. Aurora befand, daß sie besser den Patrouillengang fortsetzen sollte und verabschiedete sich von den Kameraden.

Die restliche Fahrt verging ohne nennenswerte Ereignisse. Als dann alle von dichtem Schneetreiben am Bahnhof Hogsmeade begrüßt empfangen wurden und der riesenhafte Wildhüter Hagrid die Erstklässler einsammelte, gesellte sich Miriam Swann noch zu der Sechstklässlergruppe aus Ravenclaw. In den von den für die meisten Schüler unsichtbaren Thestralen gezogenen Kutschen ging es hinauf nach Hogwarts, wo Peeves, der Poltergeist sie mit wild herumschwirrenden Schneebällen beharkte, so daß alle arglos durch das Portal tretenden erschrocken aufschrien, als sie von den irrwitzig anfliegenden Geschossen an Kopf und Oberkörper getroffen wurden.

"Warum schmeißt den keiner raus?!" Schnarrte Bazil Calahan, Vertrauensschüler der Slytherins, als ihm drei telekinierte Schneebälle gleichzeitig getroffen hatten. Eunice winkte mit dem Zauberstab, als zwei ihr geltende weiße Kugeln heranschwirrten. Mit leisem Zischen zerflossen die beiden Bälle und waren einfach fort. Ein verstimmtes Schnauben kam aus dem Nichts.

"Hast du dir so gedacht, Peeves!" Rief Eunice und ließ fünf Schneebälle zusammenfligen und dann kurz vor dem Auftreffen auf ihr Gesicht einfach verschwinden. Wieder bestaunte Aurora diese Leichtigkeit, mit der Eunice ungesagte Zauber hintereinander wirken konnte.

"Peeves, ist gut jetzt!" Rief eine Stimme zwischen Tadel und Vergnügen. Es war Dumbledore. Sofort hörte das Schneebombardement auf, und die Schüler konnten unangefochten in die große Halle gehen.

"Ich bin ja nicht schlecht mit den Nonverbalen. Aber Eunice scheint bald keinen Zauberstab mehr zu brauchen, wenn die in dem Tempo weiterlernt", meinte Aurora beeindruckt zu Petula und Miriam.

"Ja, das kann einen schon neidisch machen", meinte Miriam.

Der Schulleiter wartete, bis alle saßen und sich angeregt über die Ferien unterhielten, weil ja längst nicht jeder mit jedem im Zug gesprochen hatte. Dann erhob er sich und bat um Ruhe:

"Liebe Schüler, ich freue mich sehr, daß ihr alle wieder da seid. Hogwarts kommt einem doch etwas zu leer vor, wenn fast keiner in seinen Räumen herumwuselt", bemerkte er mit einem verstohlenen belustigten Grinsen. Die Schüler lachten. "Außerdem ist es für mich eine große Freude, daß wir alle wieder vollzählig sind, weil es mir sagt, daß wir tatsächlich ruhigere zeiten erreicht haben als noch vor anderthalb Jahren, wo das ja nicht selbstverständlich war, daß jeder hierher zurückkam." Die Schüler oberhalb der zweiten Klasse nickten ihm zustimmend zu. "Nun, damit das auch so bleibt, daß wir alle hier friedlich zusammensitzen und uns den Bauch vollschlagen können muß ich euch noch einmal daran erinnern, daß ihr ohne Aufsicht von Professor Kesselbrand oder unserem Wildhüter Hagrid nicht in den Wald auf den Ländereien gehen dürft. Einer eurer Kameraden, der hiergeblieben ist, wollte zwei Tage nach Weihnachten heimlich darin herumlaufen. Hagrid mußte ihn vor angriffslustigen Säbelschnäblern retten. Da im Wald leben gefährliche Kreaturen und auch Wesen, die nicht von uns gestört werden wollen. Deshalb heißt der Wald ja auch der verbotene Wald. Ich hoffe, ihr seid so vernünftig und beachtet das Verbot."

"Säbelschnäbler?" Fragte Roy, als Dumbledore sich wieder hingesetzt hatte.

"Eine Mischung aus Straußenvogel und Lämmergeier", warf Mortimer ein, der einer der wenigen war, die Pflege Magischer Geschöpfe weitermachten. "Die wurden als Wach- und Verteidigungstiere afrikanischer zauberer gezüchtet. Irgendwer hat im neunzehnten Jahrhundert ein Gelege von denen nach England geschmuggelt. Die Biester mögen jedoch keine Kälte. Dann sind die nicht mehr zu bändigen. Deshalb leben die im verbotenen Wald. Im Moment gibt's wohl zwanzig Stück von denen. Die können sauschnell rennen, aber dafür nur langsam fliegen. Sie fressen zwar nur tote Tiere, können aber, wenn man sie an ihren Schlafplätzen aufstöbert auch einen Menschen tödlich verletzen. kesselbrand hat uns eindringlich gewarnt, denen nicht zu zeigen, wie überlegen die uns sind, damit die nicht auf die Idee kommen, Menschenfleish erbeuten zu müssen, wie die Akromantulla-Spinnen oder die Mantikore oder Drachen."

"Toll, und ein Idiot, der über die Ferien hiergeblieben ist hat diese Vögel aufgestöbert und wäre fast von denen zu Frikassee verarbeitet worden", schnaubte Roy. Er dachte daran, ob auch Sabberhexen in diesem Wald lebten. Doch dann fiel ihm ein, das Bannzauber gegen denkende, rein schwarzmagisch belebte Wesen die Ländereien von Hogwarts beschützten.

"Die sind also harmlos, solange man denen nicht auf die Zehen tritt", bemerkte Bruster Wiffle.

"Ja, genau, Bruster", bestätigte Mortimer. "Die mögen nur keine Kälte. Deshalb sind die entsprechend leicht reizbar."

"Abgesehen soll's im verbotenen Wald auch Werwolffamilien geben", warf Aurora Dawn ein. "Also auch solche, die Werwolfkinder zur Welt bringen, die in Wolfsgestalt geboren werden und erst nach fünf Jahren menschliche Gestalt bekommen. Glaucos hat uns das doch vor kurzem erzählt, daß Paare aus Werwölfen ihren Fluch an die Kinder weitervererben, wo bei einer Mensch-Werwolf-Verbindung der Fluch nicht weitervererbt werde."

"Diese Nativlykantrhopen, Aurora. Hat Kesselbrand uns auch erzählt, daß die da leben. Die sind echt gefährlich, weil die nix von menschlichen Grundwerten und Lebensart lernen. Wer von denen erwischt wird kann seinem Schöpfer danken, wenn er dabei umgebracht wird. Wer von diesen Kreaturen gebissen wird und das überlebt wird nicht nur zum Werwolf, sondern verliert mit der Zeit auch jede menschliche Denkart."

"Sagt Glaucos auch", bestätigte Aurora. Also war das Verbot Dumbledores durchaus sinnvoll.

Nach dem Abendessen ging es zurück in die Gemeinschaftsräume, wo Aurora sich mit Petula und Miriam über die im verbotenen Wald lebenden Tierwesen unterhielt.

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In der ersten Stunde Muggelkunde nach den Weihnachtsferien kam wegen der hartnäckig aufrecht erhaltenen Begeisterung der Muggelstämmigen für E:T., den Außerirdischen eine erneute Debatte über Sinn und Unsinn der Geschichten aus der Muggelwelt auf.

Professor Goldbridge fragte Roy und Bruster, was es mit diesem Kinofilm auf sich habe, da er festgestellt habe, daß sich daran die Meinungen zwischen reinen Muggelstämmigen und Zauberergeborenen rieben. Danach folgte eine lange, von ihm streng überwachte Debatte über den Glauben der Muggel an Wesen auf anderen Planeten, und ob es eines Tages möglich sein mochte, diese Wesen zu treffen, entweder auf der Erde oder auf ihren Heimatplaneten. Roy beschrieb dabei die Vorstellungen von Raumfahrzeugen, die schneller als das Licht sein mochten, aber im wirklichen Universum wohl nie funktionieren würden. Loren meinte unerwartet interessiert dazu:

"Du hast was von Antriebsmaschinen erzählt, die solche Fahrzeuge durch den Weltraum bringen. Jetzt wissen wir hier ja, daß es Magie gibt und die der Muggeltechnik uneinholbar überlegen ist. Wenn es irgendwo da draußen", sie deutete zur Zimmerdecke um den nicht sichtbaren Sternenhimmel zu bezeichnen, "Wesen gibt, die es echt für wertvoll halten, uns zu besuchen, könnten die doch eher Magie benutzen als irgendwelche Weltraumschiffe. Sie könnten eine Form des Superweitapparierens oder magische Ferntore benutzen, die zwischen unserem Planetensystem und deren Heimatplaneten liegen. Außerdem könnten die sich dann bestimmt auch unsichtbar machen und in Menschen oder irdische Tiere verwandeln, um nicht aufzufallen, solange sie uns erforschen wollen. Also können wir doch nicht wissen, ob wir nicht schon die ganze zeit von solchen Extraterrestriern ausspioniert werden."

"Sogesehen könnten wir in der zaubererwelt die Nachfahren solcher Wesen sein", warf Bruster ein und schuf damit eine Minute betretenes Schweigen. Dann sprach Goldbridge:

"Nun, wie wir hier alle im Astronomiekurs gelernt haben liegen selbst die nächsten Sterne so weit weg, daß das Licht Jahre braucht, um von dort zu uns zu kommen. Raum und Zeit wirken sich auch in der Zauberei im Verhältnis zu ihren Abmessungen aus. Sie werden demnächst ja die Gelegenheit erhalten, das Apparieren, also die zeitlose Reise zwischen zwei Standorten zu erlernen. Dabei werden Sie alle die Erfahrung machen, daß es sehr schwierig ist, die natürlichen Gegebenheiten des Raum-Zeit-Gefüges zu überwinden. Mr. Fielding hat uns allen ja eben sehr nachvollziehbar die Theorie dieses Kosmologietheoretikers Albert Einstein erläutert, dessen Meinung nach das Licht das schnellste Naturphänomen im Kosmos ist und es nichts schnelleres gibt. Jetzt kann man versucht sein ihm zu widersprechen, daß ja durch die Zauberei viele Dinge in Raum und Zeit beeinflußt werden können und damit die Lichtgeschwindigkeit unwichtig ist. Doch auch wenn dem so sein mag gilt der räumliche und zeitliche Widerstand im Verhältnis zur Entfernung und räumlichen Abmessung eines Gegenstandes oder Lebewesens. Insofern dürfte es ziemlich unwahrscheinlich sein, daß selbst magiebegabte Wesen auf anderen Planeten, deren übernatürliche Begabung uns hundertfach überlegen ist, über derartige Distanzen besuchen können und wir daher wohl auch nicht davon auszugehen haben, daß wir Zauberer Nachfahren derartiger Stellarmagier sind."

"Warum nicht, Professor?" Warf Roy ein. "Einstein schließt nicht grundsätzlich die Möglichkeit von Abkürzungen im Raum-Zeit-Gefüge Aus. Sogenannte Wurmlöcher, die zwei räumlich weit voneinander getrennte Punkte direkt verbinden. Wenn es möglich ist, diese technisch oder durch Zauberei zu kontrollieren, dann könnten solche Wesen doch zu uns vordringen. Insofern ist Lorens Vermutung kein absoluter Quatsch."

"Oh, vielen Dank!" Erwiderte Loren darauf.

"Hmm, natürlich kursieren die wildesten Theorien über die Entstehung der magischen Ordnung in der Natur und auch über die Entstehung der magisch begabten Menschheit, Tier- und Pflanzenwelt. Da gibt es die Befürworter der Urkraftverteilungstheorie, dernach in früheren Zeiten wesentlich mehr Magie auf engem Raum konzentriert gewesen sein soll als heute. Aber das dürfen Sie dann bitte mit Professor Flitwick oder Professor Binns ausdiskutieren! Nach meinem Dafürhalten stellen die kosmischen Entfernungen ein zu großes Hindernis für schnelle und regelmäßige Reisen von anderen Sternen zu uns dar. Sicher erfüllen Gestirne wie die Sonne, der Mond und auch die Planeten vielfältige magische Gegebenheiten, und die Fixsterne liefern wohl auch etwas von der uns gebotenen Grundkraft. Dennoch wird es wohl auf unbestimmte Zeit hin versagt bleiben, diese Entfernungen zu überwinden, sei es durch Zauberkraft oder durch ordinärphysikalische Mechanismen."

Das heißt, Sie glauben nicht an echte Außerirdische?" Fragte Roy. Goldbridge rümpfte die Nase. Dann sagte er:

"Ich bin der Überzeugung, daß das Leben auf der Erde nicht ein reiner Zufall ist, sondern auf Grund von Zusammenwirken verschiedener Kräfte entstanden ist, die durchaus auch auf anderen Planeten zu lebenden Wesen mit Bewußtsein und Seele führen können. Insofern bin ich mir sicher, daß es irgendwo im Kosmos andere Leben tragende Planeten gibt, auch wenn wir wohl nicht im Stande sind, sie zu erforschen oder von dortigen Bewohnern besucht zu werden."

"Abgesehen davon würden uns Außerirdische, die das doch raushaben, wie sie so große Strecken zurücklegen nicht auf die Bude rücken, wenn sie mitkriegen, wie viel Angst wir eigentlich vor ihnen haben", sagte Bruster Wiffle ungewohnt ernst. "Die würden erst einmal schön weit weg abwarten, ob wir klarkriegen, wie wir mit uns selber zurechtkommen und erst dann auf der Erde erscheinen, wenn wir das gelernt haben. Das kriegen wir wohl nicht mehr mit."

"Wenn die nicht schon getarnt und heimlich ausspionieren, wie wir leben", warf Loren ein.

"Nun, unsere Existenz ist den Nichtmagiern ja gleichermaßen unvorstellbar, ja abwegig wie die Vorstellung von vernunftbegabten Wesen auf anderen Planeten", meinte Goldbridge. "Sogesehen gingen wir in der Vorstellung der nichtmagischen Welt genausogut als Außerirdische Kreaturen durch, obwohl wir auf dieser Welt gezeugt und geboren wurden. Daher wäre es nun wohl an der Zeit, daß Thema zu beenden, weil ja nichts weiterhin konstruktives bei herumkommt."

"Entschuldigen Sie bitte, daß ich Ihnen da widerspreche", meldete sich Aurora Dawn zu Wort. "Das mag für uns in der Zaubererwelt völlig unwichtig weil nicht weiter zu ergründen sein. Aber wenn die Muggel sich Geschichten über solche Wesen erzählen, dann verrät uns das doch was über deren Weltanschauung, und dann ist das zumindest für Ihren Unterricht wichtig, ob die daran glauben oder nicht."

"Ja, nur können wir uns nicht dauernd damit befassen, über fiktive oder rein theoretische Ansätze zu diskutieren, wenn die meisten hier, Sie eingeschlossen, erst einmal mit den wirklich bestehenden Dingen in der nichtmagischen Welt umzugehen lernen müssen, Ms. Dawn", erwiderte Goldbridge sichtlich ungehalten, weil er sein heutiges Unterrichtspensum nicht durchziehen konnte. Vielleicht hatten ihn auch andere Klassen schon mit diesem Thema bei Laune gehalten. Keiner wagte einen Widerspruch. So kehrte Goldbridge zum eigentlichen Lehrplan zurück, in dem es um die verheerenden Waffen der Muggelwelt ging, über die Roy und Bruster für alle verständliche Vorträge gehalten hatten.

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Zu Goldbridges und bestimmt auch Snapes großer Genugtuung kehrte der Alltag in Hogwarts wieder ein. Alle Schüler, muggelstämmig oder Zauberergeboren, besannen sich auf den Unterricht und die Hausaufgaben. So vergingen die ersten Wochen mit anstrengender Arbeit, bis ein neues Thema die Gespräche der Sechstklässler bestimmte.

Es war mitte Januar, und das Quidditchspiel Slytherin gegen Hufflepuff stand kurz bevor, als über Nacht eine Bekanntmachung an den schwarzen Brettern der vier Gemeinschaftsräume auftauchte.

"Na endlich", meinte Roy, als er den Aushang las. Aurora nickte ihm zu. "Zwölf Galleonen wollen die dafür haben. Die spinnen doch echt. Erica hat damals zehn bezahlt."

"Das heißt, du machst nicht mit?" Fragte Aurora herausfordernd.

"Aber sicher lerne ich das auch. ich will doch nicht als der Depp dastehen, der das nicht gelernt hat, schon gar nicht, weil es zu teuer war. Erica will mir die Hälfte für den Kurs dabeitun. Den Rest soll ich vom Taschengeld abstottern. Du weißt ja, sie ist jetzt meine Erziehungsberechtigte, mein Vormund. Außerdem muß ich das unbedingt lernen, damit mir sowas wie im letzten Sommer nicht noch mal passiert. Wenn ich da hätte disapparieren können hätte diese .... Na, du weißt schon, was ich meine.""

"Natürlich", erwiderte Aurora leicht geknickt dreinschauend. Sicher ärgerte sich Roy darüber, daß er erst jetzt wie alle anderen auch, die bis zum 31. August dieses Jahres volljährig wurden, die Kunst des Apparierens erlernen konnte, wo er das im letzten Sommer kurz vor den Ferien dringendst gebraucht hätte.

"Du machst das ja auch mit. Die Heiler im st. Mungo wollen ja eine bestandene Apparierprüfung in den zeugnissen haben", sagte Roy Fielding.

"Stimmt", bestätigte Aurora Dawn. "Wenn ich das wirklich durchziehen will mit der Heilerausbildung muß ich apparieren können. Das habe ich ja auch gesehen, als dir das passiert ist", sprach sie leise und behutsam. Roy nickte. Bruster stieß noch zu ihnen, blickte auf die Bekanntmachung und sagte:

"Ist zwar 'ne menge Gold, was dafür bezahlt wird, aber das ist es auch wert. Mum meint, die könnten auch hundert Galleonen verlangen, und dann wäre der Kurs immer noch preiswert."

"Deine Mum spinnt doch total", knurrte Roy. "Hundert Galleonen für einen Kurs, wo ein guter Besen schon für fünfundzwanzig Galleonen zu kriegen ist."

"Ey, das nimmst du bitte zurück, Roy, was du gerade über meine Mutter gesagt hast", entgegnete Bruster unvermittelt wütend. Roy schüttelte den Kopf.

"Wenn die Geld scheißen kann, Bruster, dann soll die meinetwegen tausend Galleonen für dich rauslassen, damit du apparieren kannst. Aber ich habe nicht so viel Gold und Erica will mir auch nicht mal eben hundert Galleonen rüberreichen."

"Du nimmst das sofort zurück, Roy Fielding", knurrte Bruster Wiffle.

"Oder sonst?" Fragte Roy angriffslustig dreinschauend.

"Ziehe ich Ravenclaw zwanzig Punkte wegen respektloser Äußerungen gegenüber einem Vertrauensschüler ab und kriege Professor Flitwick dazu, daß du den Gemeinschaftsraum blitzblank scheuerst - ohne Zauberkraft versteht sich."

"Na klar, Muttersöhnchen. Du meinst, weil du Vertrauensschüler bist seist du mir über, was. Aber für eine direkte Antwort bist du zu schwach oder zu feige", erwiderte Roy. "Könntest ja rausfliegen, wenn du dich mit mir von Mann zu Mann schlägst."

"Roy, ist gut jetzt", ging Aurora dazwischen, weil Bruster bereits Anstalten machte, ihm doch die Faust ins Gesicht zu dreschen. "Wer so daherredet wie du sollte sich fragen, ob er wirklich schon als Mann durchgeht."

"Jetzt versteckst du dich noch hinter Aurora", feixte Roy. Bruster sah die Kameradin an, die jedoch unerschütterlich ernst dreinschaute.

"Ihr prügelt euch hier nicht wegen einer blöden Äußerung, die Roy über deine Mutter gemacht hat oder weil deine Mutter meinte, ihr sei der Kurs nicht teuer genug, Bruster", sprach Aurora dem Vertrauensschülerkameraden zugewandt. Dann wandte sie sich wieder an Roy und gab diesem noch mit: "Nach allem, was dir passiert ist und wie heftig dich das auch immer fertiggemacht hat, Roy, ist es echt nicht gerade erwachsen, wen wegen einer einzigen Äußerung gleich wie ein kampflustiger Gockel entgegenzukrähen. Außerdem ist der Kurs nur zwölf Galleonen teuer, an die auch viele Muggelstämmige herankommen können, notfalls über den Fond zur Unterstützung muggelstämmiger Schüler, den Dumbledore vor zehn Jahren mit Ministerin Bagnold und dem Leiter der Ausbildungsabteilung durchgesetzt hat. - Wenn ich das richtig verstanden habe meinte Brusters Mutter das auch eher so, daß egal wie teuer der Kurs wäre er immer noch das Geld wert wäre, weil das, was du, Bruster oder ich dabei lernen uns sehr beweglich und von Reisezeiten unabhängig macht. Also kühl jetzt bitte runter!" Dann drehte sie sich Bruster noch einmal zu, der wohl überlegte, ob er ihr jetzt eine runterhauen oder ihr zustimmen sollte und sagte: "Ich denke nicht, daß Roy deine Mutter absichtlich schlecht reden wollte. Ihm stieß es nur auf, daß jemand gesagt haben soll, daß der Kurs auch hundert Galleonen hätte kosten können, wo zwölf Galleonen schon etwas happig sind."

Bruster nahm die halbherzig zur Faust geballte Hand wieder runter und nickte schwerfällig. Roy sah Aurora an, die unerbittlich von einem zum Anderen sah. Bruster überlegte, ob er Ravenclaw wegen Roy nicht doch Punkte abziehen sollte, befand aber wohl, daß er dem Haus damit ja eher schadete als Roy. Aurora schlug noch vor, daß die beiden sich beieinander entschuldigen sollten und sah zu, wie sie sich die Hände schüttelten, wobei sie jedoch so stark zudrückten wie sie konnten, um zu sehen, wer vielleicht vor Schmerz zurückzuckte. Doch beide hielten sich eine Minute an den Händen geklammert, ohne daß der eine oder andere zurücksteckte. Erst als sie fühlten, wie ihnen die Finger zu sehr zu verkrampfen drohten ließen sie voneinander ab und grinsten sich anerkennend an.

"Dumbledore wußte echt, was er tat, als der dich zur Vertrauensschülerin erklärt hat", sagte Geoffrey Forester, der älteste Vertrauensschüler der Ravenclaws. Aurora und Bruster sahen ihn leicht verwundert an. Dann meinte sie:

"Du hättest es drauf ankommen lassen, daß die beiden sich schlagen, oder?"

"Das ist eine böswillige Unterstellung", knurrte Geoffrey. Doch Roy grinste verächtlich. Bruster sagte dazu:

"Überhaupt nicht. Du hättest gewartet, was ich mache. Und wenn ich mich mit ihm gekloppt hätte hättest du gewartet, ob ich echt von den Vertrauensschülerrechten gebrauch mache oder dem so eine einschenke. Dann hättest du bei Flitwick und Dumbledore rumerzählt, ich hätte mich voll danebenbenommen und sei es nicht mehr wert, überhaupt hier zu lernen. Mit anderen Worten, ich Riesendepp wäre dir fast ins offene Messer gerannt."

"Ich kann Ravenclaw deswegen leider keine Punkte für diese unverschämte Unterstellung abziehen", knurrte Geoffrey, schien dabei aber leicht zu zittern, als sei ihm etwas kalt geworden. "Aber deinen Vorschlag kann ich annehmen und mit Professor Flitwick und Professor Dumbledore dein Verhalten erörtern."

"Würde ich an deiner Stelle nur machen, wenn du dich selbst blamieren willst, weil du ja nicht erkennen konntest, ob ich mich mit Roy geprügelt oder ihn diszipliniert hätte", meinte Bruster selbstsicher. Aurora warf dazu noch ein:

"Geoffrey, er hat mit dem, was er sagte recht. Du hättest die beiden nicht abgehalten. Du hältst Bruster offenbar nicht für fähig."

"Professor Dumbledore hätte sich ja durchaus vertun können und ...", setzte Geoffrey an, bevor ihm siedendheiß einfiel, daß er sich damit gerade selbst ein Bein stellte. Wenn Dumbledore sich bei der Auswahl der Vertrauensschüler vertun konnte, dann wäre das bei ihm ja auch möglich gewesen. Er ließ den Satz unvollendet und verzog das Gesicht. Dann wandte er sich demonstrativ ab und ging davon.

"Das wäre fast ein Eigentor durch den Torwart geworden", feixte Bruster leise. Roy grinste und nickte ihm beipflichtend zu.

"Was den Apparierkurs angeht, Roy, gilt das gleiche für dich, was wir damals Dina vorgeschlagen haben, als sie einen auf sie besser abgestimmten Zauberstab kaufen sollte." Roy schüttelte heftig den Kopf.

"Ich bleche die sechs Galleonen vom Taschengeld. Ich kriege ja vier pro Monat. Dann bin ich in zwei Monaten wieder voll flüssig. Erica hat ja schon gesagt, daß sie die andere Hälfte dabeitun will."

"In Ordnung", sagte Aurora ruhig. Dann zog sie sich an einen freien Tisch zurück, um für Snape die Gesetze Golpalotss über Gifte und Gegengifte zu büffeln.

"Muß man zum Apparieren eigentlich seinen Zauberstab benutzen?" Fragte Dina sie, als eine Stunde vergangen war. Aurora hob den Kopf und überlegte. Sie hatte bisher Hexen und Zauberer immer mit dem Zauberstab in der Hand auftauchen oder verschwinden sehen. Doch dann fiel ihr etwas ein, was sie Dina sagen konnte.

"Apparieren ist ein aus dir heraus durch alle Körperfasern wirkender Zauber, der nur dich und die gerade von deinem Körper direkt berührten Sachen oder Wesen betrifft. Kann sein, daß man am Anfang, wenn man das noch nicht richtig raushat den Stab halten sollte, um die Magie richtig auszurichten. Aber ich denke, wer das gut geübt hat braucht< keinen Zauberstab mehr zu benutzen. Das ist wohl so wie bei einem Kind, das laufen lernt. Erst krabbelt es, dann hält es sich an Stühlen oder niedrigen Möbeln fest, stolpert dann eher als zu laufen und kann dann frei und ohne Hilfe weiterlaufen."

"Ich frage mich das, weil ich nicht weiß, ob ich den Kurs mitmachen soll. Kann mir dabei was passieren, wenn ich sonst mit dem Zauberstab Probleme habe?"

"Du hast im Zauberkunstunterricht doch schon viel mehr Übung mit ungesagten Zaubern. Die gehen bei dir bei den einfacheren Zaubern sogar schon besser als damals, wo du die ausgesprochen hast. Also geht das auch bei dir, denke ich. Hmm, passieren kann immer was, weiß ich von meinem Onkel Tony, der im Apparatorenprüfzentrum arbeitet. Aber der Lehrer wird wissen, wie alle möglichen Unfälle zu beheben sind. Richtig tödlich ist es dabei nicht."

"Ja, nur blöd, wenn du beim Apparieren ein Körperteil von dir zurückläßt", mischte sich Philipp ein, der wohl auch was von seiner Cousine wissen wollte. Dina sah den ein Jahr jüngeren Mitschüler an, als sei er ein Gespenst. Aurora funkelte ihren Vetter sehr ungehalten an und fauchte:

"Philipp, das mußte jetzt echt nicht sein. Wir würden bestimmt keinen Kurs machen, wenn das wirklich tödlich gefährlich wäre. Und was das Zersplintern angeht, das du meinst, so stirbt man daran nicht, komischerweise. Weil ein Körper beim Apparieren immer noch mit sich selbst verbunden bleibt, auch wenn ein Bein oder sonst ein Körperteil am Startpunkt zurückbleibt."

"I, ist ja gruselig!" Entfuhr es Dina. "Dann überlege ich mir das besser doch, lieber nur zu fliegen oder durch Kamine zu reisen."

"Das mußt du wissen, Dina. Ich aber würde mir von jemanden, der erst in zwei Jahren Aparrieren lernen darf und deshalb fies zu denen ist, die das jetzt schon dürfen nicht die Laune verderben oder mich runterputzen lassen."

"Sie wollte das doch wissen, ob was passieren kann", verteidigte sich Philipp mißmutig. Aurora sah ihn ernst an und sagte:

"Du weißt genau, daß sie sich wegen der früheren Probleme mit ihrem Zauberstab für unfähig hält, wirklich starke Zauber zu lernen. Da mußt du ihr dann nicht auch noch solche Sachen unter die Nase reiben."

"Entschuldigung, ich vergesse ja, daß du hier die Moralklempnerin vom Dienst bist", knurrte Philipp wie ein Hund, dem man den Knochen wegzunehmen versucht. Aurora nickte jedoch und sagte:

"Ganz recht, und weil das so ist muß ich deinetwegen Ravenclaw fünf Punkte abziehen. Verdammt noch mal, lernt es doch mal, daß nicht alles lustig ist, was einer für Spaß hält!"

"Ey, hast du gerade dein Monatsproblemchen, Aurora, oder warum bist du jetzt so zickig?" Versetzte Philipp. Aurora sah ihn verärgert an und sagte:

"So'ne Frage stellt ein Mann einer Frau nicht, wenn es nicht seine Ehefrau oder Tochter ist oder er Arzt und sie Patientin ist, Philipp. Zehn Punkte Abzug wegen Respektlosigkeit gegen eine Vertrauensschülerin."

"Ich werte das mal als Ja", knurrte Philipp und eilte davon.

"Also, lass dir von dem nicht reinreden, ob du das machen sollst oder nicht, Dina! Wenn du sagst, daß dir das zu anstrengend oder unsicher ist, dann ist das kein Problem, wenn du es nicht lernen möchtest. Wenn du aber findest, daß du das doch irgendwann brauchen könntest, nimm die Gelegenheit war, das in Ruhe zu lernen. Später geht's vielleicht nicht mehr oder kostet dann mehr Geld, weil du dann keine Schülerin mehr bist oder zum lernen auf einen Beruf verzichten mußt."

"Danke, Aurora", sagte Dina nickend und ging wieder an den freien Tisch, wo sie gerade wieder Übungen mit ungesagten Zaubern machte. Darauf standen vier Gläser voll Wasser und ein Kessel, in dem ein blaues Feuer prasselte, das keinen Brennstoff benötigte. Offenbar hatte die früher wegen ihrer Patzer so bemitleidenswerte Junghexe sich mit aller Willenskraft entschlossen, in Flitwicks Unterricht mithalten zu können, auch und gerade um Tonya Rattler zu zeigen, daß sie dahingehörte wie diese. Sonst hatte sie ja kein praktisches Zauberfach mehr, wo sie ungesagte Zauber zu lernen hatte. Aurora beschloß, daß sie jetzt genug über die Bestimmung von Gegengiften zu vielfach gemischten Giften gelernt hatte und folgte Dinas Beispiel, indem sie tote Dinge aus dem Nichts zu beschwören übte, die sie dann, ohne die Zauberformeln auszusprechen in kleinere Lebewesen verwandelte, die jedoch nach der Umwandlung von selbst in violetten, weißen oder grauen Rauch aufgingen. Das lag daran, daß beschworene Gegenstände nicht beliebig verwandelt werden konnten, schon gar nicht in Lebewesen, wußte sie. Aber das war ihr auch egal, weil sie eh nicht vorhatte, die Mäuse, Spinnen und Kaninchen zu behalten.

Am Abend hatten sich alle Ravenclaw-Sechstklässler ausnahmslos in die Liste für den Apparierunterricht eingetragen. Roy kam nach dem Abendessen zu Aurora und sagte ihr leise:

"Danke dir, daß du Dina Mut gemacht hast, das zu lernen. Ich denke, die kann das genauso lernen wie du oder ich."

"Genau das habe ich ihr gesagt", erwiderte Aurora lächelnd. Daß Roy sich für Dina bedankte zeigte ihr, daß er durchaus noch an ihr interessiert war. Vielleicht, so dachte Aurora, hoffte er darauf, daß Dina das erkennen und ihr abgekühlte Haltung zu ihm wieder aufwärmen würde.

__________

Die letzten Tage bis Februaranfang verstrichen mit dem üblichen, aber anstrengend werdenden Unterricht. Die Verwandlungsklasse sollte nun, da sie die Beschwörungen von toten Gegenständen und kleineren Lebewesen erfolgreich einstudiert hatte, die multiple Beschwörung erlernen, um mehrere gleichartige Objekte oder kleinere Wesen mit einem einzigen Zauber hervorzubringen. Eunice blieb dabei die Beste der Klasse, während Tonya sich etwas schweer tat, mehrere Sitzkissen auf einmal heraufzubeschwören und stattdessen schnelle Einzelbeschwörungen hintereinander ausführte, als sie glaubte, Professor McGonagall würde nicht hinsehen. Doch diese bekam es wohl mit und zog Slytherin wegen Mogelns zehn Punkte ab.

Dann kam der erste Samstag im Februar. Das Wetter war wie aus dem Bilderbuch. Die Spätwintersonne leuchtete bleich und niedrig über dem Horizont herab, als sämtliche Sechstklässler aller Häuser in fünf von Thestralen gezogenen Kutschen in Hogsmeade einfuhren. Auf der von einer hohen Hecke umfriedeten Wiese, auf der die Dorfbewohner den Gründungstag, Halloween und Weihnachten feierten, erwartete sie alle ein kleiner Mann, dder so aussah, als verwandele er sich gerade in ein Gespenst oder eine sonstige luftige Erscheinungsform, so zierlich und zerbrechlich sah er aus. Der Wind spielte in seinem strähnigen Haar und zog ihm ab und an am gefütterten, mausgrauen Reiseumhang. Die Schülerinnen und Schüler, die gerade aus den Kutschen stiegen trugen ebenfalls die gut gefütterten schwarzen Winterumhänge und hatten unter ihre spitzen Hüte noch Fellkappen angezogen, die gerade bis zu den Ohrläppchen hinabreichten, damit jeder gut hören konnte, was der kleine, zierliche Zauberer zu sagen hatte. Die Hauslehrer, die die Sechstklässler begleitet hatten, formierten ihre Schützlinge in vier Blöcken, wobei Snape mit argwöhnischen Blicken zu den Gryffindors hinübersah und etwas mitleidig die Hufflepuffs betrachtete, welche von Professor Sprout in Stellung gebracht wurden. Flitwick wedelte mit seinen kurzen Armen und schaffte es, seine Schützlinge ohne lautes Wort in eine geordnete Aufstellung zu bugsieren. Dann wurde jedem Ruhe befohlen. Der kleine Zauberer im mausgrauen Winterumhang trat etwas näher und räusperte sich, um die Stimmbänder frei zu machen.

"Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich", begrüßte er die Anwesenden, die brav zurückgrüßten und dann wieder still und aufmerksam zuhörten. "Mein Name ist Wilkie Twycross und ich bin Ihr ministeriell zugeteilter Apparierlehrer. In den nächsten zwölf Wochen werde ich Ihnen allen dabei helfen, sich auf die Prüfung im Apparieren vorzubereiten. Hierzu werde ich Ihnen erklären, wie Sie apparieren und was sie dabei zu beachten und im Bezug auf den Umgang mit dieser Zauberfertigkeit wissen müssen. Um gleich jede mögliche Frustration im Keim zu ersticken weise ich Sie alle darauf hin, daß Sie bitte nicht enttäuscht sein mögen, falls Sie heute oder am nächsten Übungstag noch nicht apparieren können. Es kann aber auch sein, daß einige von Ihnen bereits heute die erste eigenständige Apparation in ihrem Leben vollbringen. Das hat es alles schon gegeben. Wir sind hier auf dieser Festwiese zusammengekommen, weil, wie Sie sicherlich alle wissen, auf den Ländereien von Hogwarts das Apparieren durch wirksame Gegenzauber unmöglich ist. Wenn das Wetter es zuläßt werden wir uns also immer hier treffen, wo diese Beschränkung nicht vorhanden ist." Dann bat er die Schüler sich so aufzustellen, daß jeder und jede zwei Meter freien Platz vor sich hatte. Als sich die Schüler mehr oder weniger großzügig verteilt hatten, wobei Dina neben Roy stand und Petula rechts von Aurora, beschwor Twycross mit einer wie beiläufig wirkenden Zauberstabwinkbewegung hölzerne Reifen herauf. Vor jedem der Apparierschüler lag nun ein solcher Ring auf dem Boden. Dann erzählte der Lehrer etwas von einer goldenen Dreierregel, dernach das Apparieren in drei Stufen ablief, dem Ziel, an das jemand apparieren wollte, was in diesem Fall das Innere des jeweiligen Reifens war, den Willen, dort mit allen Fasern seines oder ihres Körpers zu sein und einer von einer Drehung um die eigenen Achse ausgelösten Bewegung des Willens mit dem Körper mit Bedacht an das konzentriert gewünschte Ziel. "Ziel, Wille, Bedacht. Andere Kollegen benutzen sogar die entsprechenden Fremdwörter und nennen es die 3-D-Regel, wegen Destination, Determination und Deliberation. Aber ich benutze lieber die geläufigen Begriffe, um deren Wichtigkeit zu betonen. Und nun konzentrieren Sie sich bitte auf die drei Schritte! Eins - fokussieren Sie ihr Ziel! Zwei - stellen Sie sich mit all Ihrer Willenskraft vor, genau dort mit allen Zellen Ihres Körpers zu sein! Wenn ich Drei sage, drehen Sie sich und bewegen sich mit Bedacht in das Nichts, um das Ziel zu erreichen. Eins! - Zwei! - Drei!""

Aurora wollte genau im Zentrum des Reifens stehen. Sie hatte, als Twycross "Eins!" gerufen hatte dieses Ziel klar vor ihr geistiges Auge gerückt und ihre Augenlider geschlossen, um bei "Zwei!" die klare Vorstellung in sich zu erzeugen, genau dort zu stehen, zu fühlen, wie sie dort stand. Ihr Onkel Tony hatte ihr das mal beiläufig erklärt, daß zum Apparieren die Vorstellung von Ziel und Anwesenheit am Ziel gehörte, aber nicht, was dann passieren mußte, um dort auch anzukommen. Bei "Drei!" vollführte sie eine schnelle Drehung auf der Stelle, so daß die unter ihrer Fellmütze hervorragenden Haare nach hinten wegflogen. Doch mehr passierte nicht, außer dasß sie fast auf die Nase fiel. Als sie sich umsah stellte sie fest, daß alle Ravenclaws genauso wenig Erfolg gehabt hatten als sie. Dann hörte sie einen Beifall aus dem Block der Gryffindors und sah dort hin. Eunice stand genau im Zentrum des Reifens. McGonagall strahlte sie an, als habe sie ihr ein unerwartet schönes Geschenk gemacht, während Snape verdutzt dreinschaute und seine Slytherins anblickte, weil die sich gerade wieder hinstellten. Tonya war wohl wirklich auf die Nase gefallen. Ihr Gesicht war feucht von der Wiese, ebenso ihr Umhang. Sie glotzte mißgestimmt umher, sah dann Eunice in ihrem Reifen stehen und wurde blaß, wohl vor neid, wie Aurora nicht ganz ohne Schadenfreude vermutete.

"Oha, gleich beim ersten Versuch ein hundertprozentiger Erfolg!" Rief Twycross begeistert. "Naturtalent oder Anfängerglück. Bitte kehren Sie noch einmal auf ihre Startpositionen zurück! Ich zähle wieder vor, wobei Sie die von mir erwähnten Gedankenschritte machen möchten: Ziel, Wille, Bedacht."

"Die ist niemals im Leben da reinappariert!" Protestierte Tonya und deutete mit dem Finger auf Eunice.

"Das ist nicht wahr, Ms. Rattler", fauchte Professor McGonagall, während Snape verstimmt dreinschaute. "Wir haben Sie alle beobachtet und sehen können, daß Ms. Armstrong wahrhaftig innerhalb ihres Reifens apparierte. Konzenntrieren Sie sich also gefälligst auf Ihre eigenen Übungen!"

"Bitte keinen Streit, meine Herrschaften. Die Einen können es früh, die anderen erst später", sagte Twycross beschwichtigend. "Hauptsache ist, daß jeder, der zur Apparierprüfung antreten möchte es kann, wenn die Prüfung stattfindet, was ja bei Ihnen noch Zeit hat. Also noch einmal: Ziel, Wille, Bedacht! Ich zähle erneut. Eins! - Zwei! - Drei!"

Aurora sah noch, wei Dina ihren Zauberstab auf den Reifen ausrichtete, als Twycross ezu zählen anfing. Dann war sie mit ihrem eigenen Versuch beschäftigt. Wieder konzentrierte sie sich auf das Innere ihres Reifens, stellte sich so deutlich es ging vor, dort zu stehen und vollführte die Drehung. Ein kurzer Schreckensschrei brachte sie beinahe zu Fall, als sie aus der Drehung heraus ihr Gleichgewicht zu verlieren drohte. Sie ließ sich mehr aus Reflex als aus Überlegung auf die Knie fallen, um dann wieder aufzustehen. Sie wandte sich Dina zu, die den Schrei ausgestoßen hatte. Sie fiel gerade innerhalb des Reifens um, so, als sei sie mit einem Hechtsprung hineingesprungen und im Kopfstand gelandet. Einige der Slytherins kicherten, schienen aber nicht wirklich loslachen zu können. Dinas Zauberstab steckte im Inneren des Reifens, als habe Dina ihn mit großer Wucht in den Boden gerammt.

"Mist, Dina!" Rief Roy und eilte zu Dina hinüber, um ihr aufzuhelfen. Sie klopfte sich den Umhang ab und zog ihren Zauberstab aus der vom Frost gehärteten Erde. Besorgt besah sie sich den Stab und atmete erleichtert auf, weil er wohl noch ganz war.

"Mann, das ist doch gefährlich", knurrte Roy und sah Twycross an, der mit Flitwick herbeikam. Der Apparierlehrer nickte sehr verhalten. Dann meinte er:

"Offenbar hat Ihnen jemand den Tip gegeben, beim Apparieren den Zauberstab in der Hand zu halten. Ich wollte Ihnen noch zurufen, nicht auf den Boden zu zielen, aber da waren Sie bereits verschwunden und tauchten im Kopfstand auf. Diese Art von Anfängerpannen passiert, wenn jemand den Zauberstab als Kraftausrichter benutzen möchte. Sie haben sich gewissermaßen über ihren Stab auf das Ziel ausgerichtet, junge Miss. Am Besten halten Sie ihn senkrecht über ihren Kopf, wenn sie ihn weiterhin als Hilfsmittel nutzen möchten. Eine Ausrichtungsumkehrung wie sie Ihnen gerade widerfahren ist kann dabei ausgeschlossen werden."

"Aber ich bin appariert, mit allem", staunte Dina, nachdem ihr Schreck über die Kopfstandnummer etwas verflogen war. Sie strahlte. Eunice, die wieder in ihrem Reifen angekommen war, winkte ihr aufmunternd zu. Roy sah sie an und gratulierte ihr. Er hatte es wie die meisten anderen auch nicht geschafft, zu apparieren.

Aurora überlegte, ob sie auch den Zauberstab zu Hilfe nehmen sollte. Doch dann entschied sie sich, daß sie es gleich richtig lernen wollte. Als Twycross alle zum nächsten Versuch aufrief passierte was wirklich gruseliges. Als der Lehrer bis zur Drei gezählt hatte sprang Aurora Dawn ab, anstatt sich nur zu drehen. Dabei meinte sie unvermittelt in ein viel zu enges Gummirohr hineingezwengt zu werden, in dem es stockfinster und totenstill war. Dann fühlte sie, wie sie aus einem halben Meter Höhe auf den frostig harten Boden aufprallte, fühlend, daß sie noch alle Körperteile besaß. Sie stand in ihrem Reifen, ohne sich eines einzigen Schrittes bewußt geworden zu sein. Gleichzeitig ertönte ein langer Schmerzensschrei und dann ein ängstliches Zetern, das eindeutig von Tonya Rattler stammte. Sie sah sich um. Außer Eunice, die jetzt schon zum dritten Mal erfolgreich appariert war hatten es auch Dina, Bruster und Loren geschafft, sich in ihre Reifen hineinzuversetzen. Doch was mit Tonya passiert war verschlug nicht nur Aurora die Sprache. Tonyas Oberkörper mit Kopf und Armen schien aus dem Boden zu ragen, als stecke sie bis zur Hüfte im Erdreich. Doch ihr Unterkörper mit den Beinen torkelte gerade unbeholfen im Kreis, immer am inneren Rand des Holzreifens entlang.

"Hey, Aurora, du hast das ja geschafft", meinte Petula, die leicht frustriert dort stand, wo sie vorher auch schon gestanden hatte. Dann lachte einer der Gryffindors:

"Jetzt wissen wir, womit du denkst, Rattler. Kannst so bleiben, die Frau ohne Unterleib."

Professor McGonagall schoss auf den Spötter zu wie ein herabstoßender Greifvogel und schrillte: "Ich verbitte mir derartige Unverschämtheiten, Laurel! Fünfzig Punkte Abzug für Gryffindor und Strafarbeit!" Dann trat sie zusammen mit den übrigen Hauslehrern zu der glatt in der Körpermitte halbierten Tonya Rattler hin und vollführte mit diesen einen Zauber, der eine violette Wolke aufquellen ließ, in der die verunglückte Schülerin komplett verschwand und dann mit einem kurzen Knall ordentlich zusammengefügt wieder auftauchte.

"Das kann nicht wahr sein", heulte sie. "Ich wollte doch ganz apparieren, verdammt noch mal!"

"Reißen Sie sich zusammen!" Fauchte Snape. "Immerhin sind Sie auf dem Weg, es hinzubekommen, im Gegensatz zu ... den meisten anderen." Aurora gewahrte den verächtlichen Blick, mit dem Snape die erfolgreichen Apparierschüler bedachte, die immer noch in ihren Reifen standen. Dann rief Twycross sie alle zu einem neuen Versuch auf.

Aurora schaffte es in fünf von zwanzig Durchgängen, vollständig an ihren Zielort zu apparieren. Dina hatte offenbar den Bogen mit dem Zauberstab raus. Sie schaffte es fünfzehn von zwanzig Malen. Tonya war nach dem mißglückten Versuch wohl zu unkonzentriert oder überängstlich. Jedenfalls gelang ihr kein weiteres Apparieren. Roy blickte neidisch auf Bruster, der von den zwanzig Versuchen die zwölf Stück hinbekam. Loren schaffte es genauso häufig. Und Petula vollführte einen Luftsprung, als sie beim letzten Versuch des Tages eine vollständige Apparation hinbekam, nur daß ihr dabei alle Kleidung vom Körper verschwunden war und dort zusammengeknüllt zurückblieb, von wo aus sie disapparierte. Erst als alle lachten und sie fühlte, wie kalt ihr plötzlich war, erkannte sie ihr peinliches Mißgeschick und lief knallrot an, vom Hals bis unter ihren nun frei herabhängenden Schopf.

Sie warf sich herum, tauchte nach ihrem Zauberstab und vollführte eine weitere Drehung, als wolle sie apparieren. Doch in Wirklichkeit zauberte sie ihre Kleidung wieder korrekt an ihren Körper.

"Oh, das ist praktisch, den Zauber so gut zu können", meinte Twycross, der erst nicht gewußt hatte, ob er dem Mädchen zur Hilfe eilen oder es doch besser den anwesenden Hauslehrerinnen überlassen sollte, die schon auf dem Weg zu Petula waren.

Die eindeutige Gewinnerin dieser ersten Stunde war Eunice, die bei allen Durchgängen erfolgreich und vollständig an Körper und Kleidung appariert war.

"Also, Sie sehen, wer es wirklich will, kann es schon ziemlich früh anwenden. Immerhin haben wir hier fünf Schüler und Schülerinnen, die bereits mehrere erfolgreiche Apparationen vollbracht haben. Könnte es sein, daß die Damen und der Herr bereits von erfahrenen Apparatoren mitgenommen wurden?"

"Stimmt", sagte Eunice Armstrong. Bruster wußte wohl nicht, was er sagen sollte. Roy meinte dazu, daß er ja dann auch was hätte schaffen müssen. Aurora, die bisher nicht mitgenommen worden war schüttelte den Kopf.

"Gut, das wollte ich nur wissen, um Ihre Leistung objektiv beurteilen zu können. Manchmal sind derartige frühe Erfolge auf die bereits erlebten Eindrücke zurückzuführen, die das Erspüren des Übergangs wesentlich erleichtern. Was den Verlust an Kleidung angeht, so kommt dieser dann vor, wenn der Geist gerade noch genug Kraft hat, den von ihm bewohnten Leib zu durchdringen und alle äußeren Objekte nicht mehr in sich vereinnahmen kann. Aurareduktion wird das genannt und kommt bei großen Ermüdungserscheinungen vor, wenn der zu erreichende Zielpunkt in Sichtweite liegt und daher noch sehr deutlich fokussiert werden kann. Auf jeden Fall gratuliere ich Ihnen allen, die heute bereits gute Fortschritte gemacht haben", erwähnte der Lehrer. Dann wandte er sich an Dina und sagte: "Womöglich werden Sie bis zur Prüfung auch ohne Zuhilfenahme des Zauberstabes apparieren können."

"Wieso können die das jetzt schon und wir nicht?" Fragte Roy. Twycross schien zu überlegen, was er sagen sollte. Dann sprach er ruhig:

"Wie ich Ihnen am Anfang sagte mag es vielen von Ihnen heute und auch nächstes Mal noch nicht gelingen, erfolgreich zu apparieren. Manchmal muß erst die entsprechende innere Abstimmung zwischen Geist und Körper geweckt werden. Aber bei den bisher zweitausend Schülern, die ich in dieser Kunst ausgebildet habe kam es nur fünfmal vor, daß jemand es in allen den Wochen nicht einmal geschafft hat, auch nur zersplintert zu apparieren wie Ihre Kameradin."

"'tschuldigung, Sir, aber die Dame ist nicht meine Hauskameradin", mußte Roy betonen. Twycross überhörte es jedoch und kehrte mit einer für ihn wohl beiläufigen Apparation an seinen Ausgangspunkt zurück. Dann erklärte er die heutige Stunde für beendet und wünschte den Schülern noch ein schönes Restwochenende. "Und vergessen Sie bitte nicht: Ziel, Wille und Bedacht!"

"Super!" Knurrte Roy, als er mit Bruster, Aurora, Petula und Dina in einer Kutsche nach Hogwarts saß. Aurora fragte ihn, was er habe.

"Dina hat's gepackt, du hast es gepackt, und Petula ganz zum Schluß auch. Hättest dich nur nicht nackig machen müssen vor den blöde glotzenden Schlitterreins."

"Das ich dich nichtgleich mal nackig mache, Roy Fielding", knurrte Petula und zog ihren Zauberstab. Dina meinte, sie habe es wohl mit dem Zauberstab raus.

"Nichts für Ungut, Dina, aber ich denke, den wirst du bei den nächsten Stunden nicht mehr benutzen dürfen. Dieser Dreierregeltyp klang mir so, als hätte er dir das heute nur durchgehen lassen, damit er drüber reden kann, wie es mit und ohne Zauberstab geht. Aber Snape hat ja finster geguckt, als Kearon Laurel die Rattler verulkt hat. Wie kam die eigentlich dazu, so zu apparieren? Ich dachte, der Kopf landet zumindest zum Teil am Zielort."

"Offenbar hat sie sich nur darauf konzentriert, mit ihren Beinen am Zielort zu stehen und nicht mit allen Sinnen dort zu sein", vermutete Aurora. "Aber schon gruselig, daß jemand sich derartig zerlegen kann, ohne das Blut fließt."

"Ich bin froh, daß ich das doch kann", sagte Dina. "Ich kann's besser als die Rattler."

"Ich auch", erwiderte Bruster. "Die hat ja nur noch blöd gekuckt, weil ich so häufig in den Reifen reingeploppt bin."

"Ja, und dein Vater ist Muggel. Der kann das doch gar nicht", warf Roy ein. Bruster meinte, daß es damit wohl nichts zu tun hätte und er dann wohl auch eher gute Zaubereranlagen hatte, weil seine Mutter ja eine Hexe sei und ihm ja während sie ihn austrug und ihm die Brust gab genug Magie eingeflößt hatte. Roy verzog das Gesicht, weil Bruster damit indirekt behauptet hatte, daß Roy wegen seiner reinen Muggelstämmigkeit wohl noch Probleme hatte.

"Die Armstrong ist aber die Königin der Apparatoren. Die hat nicht einen Fehlversuch gebaut. Ist ja schon abartig", meinte Roy. Aurora fragte sich zwar auch, wieso Eunice so gut war. Doch wenn es stimmte, daß jemand durch das Mitgenommenwerden ein Gespür für das Apparieren bekam, dann konnte es sein, daß Eunice mehrere Dutzend Mal miterlebt hatte und jetzt eben aus dem Bauch heraus alleine apparieren konnte.

"Bin ja mal gespannt, wer das bis zum Ende dieses Kurses hinkriegt oder nicht", meinte Petula. "Ich hoffe, ich kann demnächst anständig angezogen apparieren."

"nagel dir die Klamotten doch an den Körper", feixte roy. Petula verzog das Gesicht, hob den Zauberstab und ließ ihn rasch vor Roy durch die Luft sausen. Mit einem lauten Knacken veränderte sich Roys Kleidung. Er steckte nun in einem rosafarbenen Ballettkleid mit weißen Rüschen an Hals und Ärmelsäumen und hatte schmale Schuhe an. Zu allem Überfluß schien ihm das Ballerinakostüm am Körper zu kleben, weil es total Eng anlag und sich nicht mehr rührte.

"Ey, Petty, das ist jetzt fies", beschwerte sich Roy und versuchte, das ihm angehexte Kostüm abzustreifen.

"Findest du?" Fragte Petula. "Abgesehen davon hast du mich nicht Petty zu nennen. Sonst ziehe ich dir gleich noch deine Haare zu zwei niedlichen Zöpfen lang."

"Petula, mach das bitte wieder rückgängig", sagte Bruster, der sich um einen ernsten Tonfall bemühte, aber wegen Roys unfreiwilliger Verkleidung grinsen mußte. "Wenn der so in die Schule zurückkommt meinen alle, er wolle zum königlichen Ballett gehen und habe die falschen Klamotten dafür ausgesucht. Das willst du ihm doch echt nicht zumuten, oder?""

"Verdient hätte er es", knurrte Petula. Aurora meinte ihr zugewandt:

"Wenn Flitwick oder die McGonagall ihn so sehen ziehen die Ravenclaw fünfzig Punkte wegen unstatthafter Bekleidung ab. Willst du das?" Statt einer Antwort vollführte Petula noch einmal einen Zauber und brachte Roy in seine richtige Kleidung zurück.

"Du hast dieses blöde Tutu mit einem Dauerklebefluch kombiniert", knurrte Roy, als er geprüft hatte, das er seine richtigen Sachen anhatte und diese auch normal an- oder ausziehen konnte. Petula nickte. Roy sah Aurora an und bedankte sich bei ihr. Petula räusperte sich und sagte ihm, daß er dieses schöne Kleid und die Schuhe sofort wieder anhaben würde, wenn er sie noch einmal Petty nannte. Sie habe einen Fluch auf ihn gelegt, als sie ihm das Ballerinakostüm wieder weggenommen hatte.

"Ey, das hast du nicht. Das wäre voll gemein, Petty", sagte Roy. Unvermittelt steckte er wieder in dem Kostüm. Er wurde blaß. Aurora sah ihre Schulfreundin an, die entschlossen und erwartungsvoll auf Roy sah.

"Wie heiße ich?" Fragte sie sehr ernst.

"Okay, Petula", sagte Roy. Knack! Er steckte wieder in seiner üblichen Schulkleidung.

"Du weißt, daß das gegen die Schulregeln ist, einen Mitschüler dauerhaft zu verfluchen, Petula", warf Bruster ein.

"Ich habe nicht ihn verflucht, sondern seine Sachen, die er anhat", sagte Petula. Aurora wunderte sich, daß Petula so stark war, daß sie ohne Worte eine Objektverwandlung mit einem so heftigen Fluch kombinieren konnte. Vielleicht konnte sie das auch und hatte es bisher nicht für angebracht gehalten.

"Gut, dann ziehe ich mich nachher einfach um, Petula", schnaubte Roy. Petula sagte dazu nichts. Doch Aurora fühlte, daß sie dem Klassenkameraden nicht alles gesagt hatte.

Wieder zurück in Hogwarts wechselte Roy wohl die Kleidung. Er kam siegessicher aus dem Jungentrakt und sagte zu Petula:

"Ich habe die Klamotten in den Koffer geworfen und werde die nicht mehr rausholen, Petty." Er erschrak zu tiefst, als es wieder knackte und er vor den Augen aller Jungen und Mädchen in Ravenclaw im rosafarbene Ballettkleidchen dastand. Die meisten sahen ihn verwundert an. Einige der Jungen grinsten feist, und die Mädchen warfen ihm verstörte Blicke zu.

"Das kannst du nicht echt hinbekommen haben", zeterte Roy. Petula sah ihn voller Genugtuung an.

"Du mußt mich nur mit meinem richtigen Namen ansprechen. Dann passiert dir das nicht mehr." Miriam grinste nun auch. Roy schien zu überlegen, ob er Petula eine runterhauen oder sie am besten gleich erwürgen sollte. Dann spie er ihr entgegen:

"Das wird dich von der Schule kegeln, Petula!" Mit einem weiteren Knacklaut stand er wieder in seiner üblichen Kleidung. Bruster nickte ihm zustimmend zu und meinte zu Petula, sie solle den Fluch wieder von ihm oder allen seinen Sachen nehmen, da sie sonst tatsächlich von der Schule fliegen würde. Aurora stimmte ihm zu.

"Du hast Roy gezeigt, daß du ihn heftig ärgern kannst. Lass es gut sein!"

"Du würdest mich echt von der Schule runterwerfen lassen, Aurora?" Fragte Petula.

"Deine Schwester hätte es wohl getan", antwortete Aurora ungehalten.

"Wenn sie nicht dann ich, Petula", knurrte Bruster. Daraufhin straffte sich Petula Woodlane und vollführte einige Bewegungen mit dem Zauberstab. Roys Kleidung schien zu brennen, blaue Funken auszusenden, die in einer dichten Wolke in Richtung Schlaftrakt flogen. Dann war es vorbei.

"So, jetzt ist der Fluch ausgelöscht, verdammt noch mal", knurrte sie.

"Das glaube ich dir nicht, Petty", knurrte Roy. Diesmal blieb seine Kleidung jedoch so wie er es gewohnt war. Er atmete auf. "Okay, Petula, ich merke, daß ich dir im Verfluchen und Verwandeln noch heftig unterlegen bin. Ich werde keine Witze mehr machen, wenn du mich auch in Ruhe läßt."

"Damit bin ich einverstanden", sagte Petula. Bruster meinte zu Aurora, ob sie es bei einem kleinen Punktabzug belassen sollten und zogen Ravenclaw wegen Petulas Hexerei fünf Punkte wegen unkontrollierter Zauberei ab. Damit war der Disziplinierung genüge geschehen. Die übrigen Ravenclaws stimmten zu, daß weder Petula noch Roy irgendwas zu befürchten haben sollten und daher außerhalb des Gemeinschaftsraumes keiner was mitkriegen mußte.

__________

In den nächsten Apparierstunden schafften es auch Roy und die übrigen Ravenclaw-Mädchen, von zwanzig Durchgängen mehr als zehn erfolgreich hinzubekommen. Von den Gryffindors war jedoch nur Eunice in der Lage, zu apparieren, aber das so perfekt wie ein Uhrwerk. Twycross schlug vor, sie in der nächsten Stunde auf ein Ziel außer Sicht einzustimmen, während Loren Tonya mitleidsvoll anblickte, weil die als einzige der Slytherins nach der verpatzten Apparation keinen zeitlosen Ortswechsel mehr hinbekommen hatte. Dina wurde nun wahrhaftig gebeten, in der nächsten Stunde auf den Zauberstab zu verzichten. Immerhin habe sie ja nun ein Gespür für den Übergang bekommen können und möge nun darauf zurückgreifen. Aurora war nach Eunice mit zwanzig von zwanzig und Loren mit siebzehn von zwanzig die drittbeste Schülerin dieser Stunde mit fünfzehn Erfolgen in zwanzig Versuchen.

Um den Apparierkurs so reibungslos wie möglich verlaufen zu lassen waren die nicht in ihren Quidditchmannschaften eingeschriebenen Schüler aus Hufflepuff und Slytherin gehalten, weiterhin am Kurs teilzunehmen, weil sie sonst am Ende des Kurses ihre Prüfung wegen zu weniger Übungsstunden nicht machen konnten. Auch die anderen Sechstklässler mußten darauf verzichten, dem Spiel zuzusehen. Da sie weiterhin in Hogsmeade übten, wobei langsam immer mehr Schüler die ersten erfolgreichen Apparationen hinbekamen, erfuhren sie erst nach der Rückkehr, daß Slytherin Hufflepuff mit vierhundert zu fünfzig Punkten regelrecht eingestampft hatte. Aurora wußte, daß das Spiel gegen die Slytherins hart werden würde, nun wo die endlich ihre Chance witterten, den Pokal zu gewinnen, was ihnen in den letzten Jahren nicht im Traum möglich gewesenwar. Mortimer und Aurora sprachen mit ihrem Hauslehrer, ob sie die Stunde bei Twycross nachholen konnten oder deshalb nicht die Prüfung machen könnten, weil sie ja spielen sollten. Flitwick meinte zu Aurora:

"Also bei Ihnen sehe ich durch den Ausfall eines Kurstages keine Gefahr, die Prüfung zu verfehlen, Ms. Dawn. Sie sollten vielleicht eine Nachholstunde beantragen, Mr. Swift, die Sie dann mit Mr. Dirkson und Ms. Flowers von Hufflepuff zusammen bestreiten können."

"Die möchte ich dann bitte auch haben, Sir", wandte Aurora ein. "Immerhin möchte ich so viele beaufsichtigte Übungen machen wie es geht. Wenn ich wirklich nach Hogwarts in die magische Heilkunst will muß ich das bestmöglich beherrschen."

"Natürlich, Ms. Dawn, verstehe ich vollkommen. Nun, dann werde ich mit meiner Kollegin Sprout den entsprechenden Antrag weiterleiten, daß Mr. Twycross Sie an einem Sonntag trainiert oder einer von uns Hauslehrern die Nachholstunde mit Ihnen abhält, dann wohl eher ich, weil Professor Sprout an den Sonntagen anderen Verpflichtungen nachkommt."

"Vielen Dank, Professor Flitwick", sagte Aurora. Mortimer bedankte sich auch.

So liefen die regulären Stunden und der für die Sechstklässler arrangierte Sonderunterricht weiter bis zum Spiel Ravenclaw gegen Slytherin.

"Ravenclaw tut sich schwer gegen die entschlossen vorstürmenden Jäger von Slytherin. Doch Dawn kann den Quaffel erfliegen und ist schon auf dem Weg zum Torraum! ... Beinaher Klatscherzusammenstoß. Dawn mußte ein wildes Ausweichmanöver machen. Hat dabei den Quaffel verloren, der von Leache übernommen und zum Ravenclaw-Torraum ... Na, da hätte es den wackeren Calliban Leache doch fast vom Besen geholt. Preston hat sich wunderbar als Treiber für Ravenclaw empfohlen, muß jetzt aber aufpassen, weil seine direkten Gegenspieler beide Klatscher auf ihn ansetzen. Dawn wieder am Quaffel. Passt zu Acer. Acer im Torraum. Toooor!! Zehn zu null für Ravenclaw."

Aurora sah, wie Tim einen der Klatscher abwehrte und sich knapp unter dem zweiten wegducken konnte. Er blieb erst einmal flach auf dem Besen liegen und mußte den nun mit den Schlägern nach ihm auslangenden Treibern ausweichen, bis Madame Hooch befand, daß die Slytherin-Treiber zu oft gefoult hatten. Als sie Gerade "Strafwurf für Ravenclaw!" rief, segelte der Quaffel schon wieder durch einen der drei Ringe auf der Seite der Slytherins. Aurora hatte durch das Gerangel der Treiber freie Bahn bekommen, um in einem schnellen Vorstoß die rote Lederkugel durchzubringen. Den verhängten Strafwurf verwandelte sie ebenfalls. Daraufhin wurden die Slytherins rabiat und stießen mit aller Macht nach vorne, belegten Mortimer Swift mit einem übermächtigen Trommelfeuer von Klatschern und Quaffel, so daß sie innerhalb der nächsten Minuten sechs Tore in Folge erzielten. Doch dann schaffte Vivian von Tim abgesichert einen Ausbruch nach links, sauste im großen Bogen zum Tor und bekam dort den Quaffel, den Aurora Dawn mit einem ihrer schnellen Doppelachsenmanöver erbeutet hatte entgegen. Der gegnerische Hüter schoss aus dem Torraum, um Vivian mit aller Macht am Torwurf zu hindern. Sie zuckte zurück und ließ den Quaffel fallen, um beide Hände an den Besen zu bekommen. In diesem Moment ertönte lauter Jubel von den Rängen der Gryffindors und Ravenclaws. Karin Meridies hatte soeben den Schnatz gefangen. Damit stand es nun 180 zu 60 für Ravenclaw. Die Slytherins waren zwar immer noch Tabellenführer, aber die Aussicht auf den vorzeitigen Pokalgewinn mußten sie begraben. Sie konnten nun nur noch hoffen, daß Gryffindor und Ravenclaw sich gegenseitig zu wenig Punkte gönnten, so daß Slytherin am Ende triumphieren durfte.

"Verdammte Schlammblüter", knurrte Leache, der von Preston daran gehindert worden war, Vivian den Quaffel abzunehmen. "Bildet euch nicht ein, ihr würdet dieses Jahr den Pokal noch einmal kriegen!"

"Wir bilden uns gar nichts ein", sagte Mortimer Swift, der froh war, daß seine Mannschaft nicht so niedergemacht worden war wie die von Gryffindor oder Hufflepuff. "Und was das Schlammblut angeht, Leache, weißt du ja, was Dumbledore euch mitgegeben hat, als ihr unsere Spieler beim letzten Mal so angepöbelt habt."

"Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin wegen fortgesetzter Beleidigungen gegen Mitschüler", nahm Aurora den von Mortimer gespielten Ball auf, auch wenn der nicht für sie gedacht gewesen war. Leache sah sie verächtlich an. Doch weil in dem Moment auch Madame Hooch herankam beließ er es dabei, verächtlich zu glotzen.

"Die Vertrauensschüler-Lehrer-Konferenz ist ja heute. Sage Dumbledore bitte, was dieser schleimige Wurm da gerade wieder abgelassen hat!" Wandte sich Mortimer an Aurora. Diese schüttelte den Kopf.

"Ich habe ihn bestraft, das muß reichen, Mortimer. Du weißt ja, wie Snape drauf ist, wenn seine lieben Slytherins zu viele Punkte auf einmal abgeben, ohne daß ein Lehrer das bewirkt hat. Ich bin nicht feige, Mortimer. Aber wir stehen im Moment gut da, was die Hauswertung angeht. Das möchte ich nicht absichtlich vermasseln.

"Außerdem hatten das damals ja auch mehrere ganz offen rumgeschrien", fiel es Mortimer ein, während sie von ihren Hauskameraden beglückwünscht wurden. Auch die Gryffindors kamen herüber. Gideon Heatherbloom, einer der Spieler der Gryffindor-Hausmannschaft meinte zu Mortimer Swift:

"Es wird wohl wieder zwischen euch und uns ausgemacht, wer den Pokal kriegt."

"Tja, dann müßt ihr gegen Hufflepuff aber erst einmal 'ne Menge Punkte reinholen, um das Spiel gegen die Slytherins auszugleichen", meinte Mortimer amüsiert. "Falls ihr das hinkriegt, dann müssen wir das eben so hinspielen, daß einer von uns mehr Punkte hat als die Slytherins, sonst freuen die sich noch."

"Da kannst du deinen Allerwertesten drauf verwetten", sagte Heatherbloom. Dann zog er sich zurück.

"Den Pokal kriegen wir eh, ihr blöden Mistkäfer", knurrte Leache. "Wir haben schon mehr Punkte erspielt als ihr beiden lahmen Vereine erspielen könnt."

"Werdet ihr sehen, daß wir das noch reinholen", knurrte Mortimer. Obwohl die Slytherins durchaus schon genug Punkte hatten, zumindest den zweiten Platz zu behaupten. Aber Ravenclaw hatte eben noch das Gryffindor-Spiel vor sich und mit 420 Punkten eine gute Ausgangsposition.

Zurück im Schloß erfuhren Aurora und Mortimer, daß sie gleich diesen Sonntag die beantragte Nachholstunde im Apparieren erhalten würden. professor Flitwick hatte es mit Twycross ausgehandelt, daß dieser morgen noch einmal nach Hogsmeade kam. Die betreffenden Schüler sollten dann auf eigenen Besen nach Hogsmeade fliegen, weil das Anspannen von Thestralen für nur fünf Schüler zu aufwändig war.

Als die zur regulären Apparierstunde gegangenen Sechstklässler zurückkehrten berichteten Roy und Petula, daß Twycross Eunice auf fünf entfernte Ziele angesetzt hatte, die drei Besen, den Eingang zu Forins Schmiede, vor den Honigtopf, vor Zonkos Scherzartikelladen und das Postamt. In allen Fällen sei sie da auch angekommen. Tonya hatte wohl gemeint, Eunice doch schon übertrumpfen zu müssen und wollte wohl irgendwo bei den Bahngleisen des Hogwarts-Expresses ankommen, sei aber keine zwanzig Meter weiter fort mitten in der Luft aufgetaucht und rotierend heruntergefallen. die Professoren Flitwick und McGonagall hätten sie mit dem Fallbremsezauber aufgefangen. Dina könne nun auch ohne Zauberstab apparieren. Twycross hatte also recht, daß man das Gespür für den Übergang bekommen und dann leichter disapparieren konte. Immerhin etwas, daß der früher ständig in irgendwelche Pannen reingeratenden Mitschülerin Auftrieb gab, irgendwas richtig zu können.

Am nächsten Tag holten die wegen ihrer Quidditch-Spiele in Verzug geratenen Schüler die Übungseinheit nach, wobei der wie flüchtig aussehende Lehrer Aurora und Cynthia ermunterte, ebenfalls nicht zu sehende Ziele die sie aber schon kannten zu erreichen. Aurora hatte es mittlerweile auch heraus, ohne in die Höhe zu springen zu disapparieren und fand sich knapp zwanzig Meter von den drei Besen entfernt wieder, aufatmend, nichts zurückgelassen zu haben. Sie fühlte sich bereits selbstsicher genug, daß sie davon ausging, die Prüfung kurz vor den Schuljahresendprüfungen, gleich einen Tag nach ihrem siebzehnten Geburtstag am 28. Mai ablegen zu können. Bruster Wiffle hatte es wohl ziemlich eilig, in die Schule zurückzukehren. Denn kaum war Twycross verschwunden, schwirrte er auch schon davon. Aurora, Cynthia, Mortimer und Dorian standen da und sahen ihm nach. Jeder fragte sich insgeheim, was Bruster so davongetrieben haben mochte.

Als sie mit Cynthia, Dorian und Mortimer auf dem Rückflug nach Hogwarts war vernahmen sie aus der Richtung, in der der verbotene Wald lag ein lautes Knarren und Ächzen.

"Was ist denn das?" Fragte Cynthia Flowers.

"Klingt nicht gerade anheimelnd", erwiderte Aurora Dawn. Sie landete. Die anderen landeten auch. Sie lauschten dem gleichmäßigen und doch so fernen Geräusch. Eine volle Minute erklang es. Dann verstummte es wieder.

"Hörte sich so an als reibe jemand Steine gegen Holz oder Holz gegen Holz", vermutete Dorian. "Auf jeden Fall kam es aus dem Wald."

"Könnte ein risiges Tier sein, Leute. Ein Drache oder sowas", brachte Cynthia ängstlich heraus. Mortimer schüttelte den Kopf.

"In dem Wald gibt's alles, außer Drachen, Cynthia. Die sind denen in Hogwarts zu unbeherrschbar. Dieser Hagrid würde zwar gerne einen haben. Aber der hat sie doch eh nicht alle beieinander. Der mußte ja auch diesen dreiköpfigen Riesenköter wieder loswerden."

"Dann hat da wohl ein ganz großes Tier dieses Geräusch gemacht", antwortete Dorian. Mortimer beglückwünschte ihn zu dieser Erkenntnis, die sie ja gerade schon gehabt hatten. Cynthia sah ihn warnend an. Mortimer nickte dann nur noch.

"Sollen wir mal drüber fliegen und nachsehen, was das war?" Fragte Cynthia.

"Ist vielleicht nicht so praktisch, Cyn. Wir dürfen ja nicht in den Wald", erwiderte Aurora.

"Wir dürfen ihn nicht betreten, Aurora. Aber drüber wegfliegen ist uns nicht verboten worden."

"Da leben Hippogreife, Leute", sagte Mortimer. "Außerdem kriegen wir im freien Flug auch nicht mehr mit, als wenn wir da wegbleiben. Aber du hast schon recht, Cynthia, daß das Geräusch irgendwie komisch war. Das habe ich noch nie gehört."

"Ich wüßte jetzt auch keine Pflanze, die irgendwelche so lauten Geräusche von sich gibt", sagte Aurora. "Wir sind noch zweihundert Meter vom Waldrand weg. Ich finde, wir könnten drüberfliegen, allerdings nur die, die auch wollen."

"Ich geh da nicht rein, Cynthia und ihr anderen. Ich will mit den Viechern da keinen Krach kriegen."

"Wau, wie mutig", erwiderte Mortimer. Dorian zuckte mit den Achseln.

"Vielleicht ist das auch was ganz gewöhnliches da. Wir könnten ja Dumbledore oder Hagrid fragen", schlug Aurora vor.

"Na klar, die würden uns dann sagen, daß das was ganz normales ist, aber wir nicht wissen dürften was", erwiderte Mortimer. "Also ich kuck mir das jetzt mal von oben an, was da ist." Er startete mit seinem Besen. Aurora sagte zu Dorian, wenn er wolle könne er schon einmal zurückfliegen. Falls sie in einer Stunde nicht in der Bibliothek seien solle er zu Dumbledore hingehen."

"Ich hoffe, ich muß da nicht hin", sagte Dorian und schwirrte auf seinem Sauberwisch 5 davon.

"Dann wollen wir mal sehen, was da ist", sagte Cynthia. Sie stieg ebenfalls mit ihrem Besen auf. Aurora folgte ihr.

Etwas unheimlich war es ihr schon, als sie über die Baumwipfel des verbotenen Waldes dahinstrichen. Von unten her klangen unheimliche Laute, Rascheln und Knacken von in den Baumkronen herumspringender oder auf dem Boden entlanglaufender Tiere. Einmal hörte Aurora das Klappern von Hufen auf Waldboden. Es kam ihnen entgegen, und sie hörte menschliche Stimmen, die sich etwas in einer ihr unbekannten, leicht wiehernden Sprache zuriefen. Als sie Mortimer eingeholt hatten, der gerade tiefergehen und zwischen den Baumwipfeln entlangfliegen wollte, sah sie in der Ferne eine ausladende Baumkrone. Sie meinte, daß der Baum, eine Eiche mit einer merkwürdig rotbraunen Rinde, keine fünfzig Meter mehr entfernt sein mochte. Doch als sie in wenigen Sekunden diese Entfernung zurückgelegt hatte erkannte sie, daß der majestätische Baum wesentlich weiter entfernt sein mußte. Aber das hieß auch, daß er unglaublich groß sein mußte.

"Wie hoch soll dieser Baum da vorne sein, Aurora?" Fragte Cynthia beklommen. Aurora sah ebenso verunsichert nach vorne. Ihr war irgendwie, als käme der Baum nicht nur näher, sondern würde auch von sich aus noch wachsen. Dann hörte sie ein leises Knarren, als würde jemand ein uraltes, viele Meter großes Holztor ganz langsam in seinen ebenso hölzernen Angeln drehen.

"Ey, der Riesenbaum wächst ja noch!" Rief Mortimer. Aurora überlegte, ob sie von solchen Bäumen schon mal was gehört hatte. Sie sah die gigantisch erscheinende Eiche, deren Äste mit dunkelbraunen, aber keineswegs verwelkten Blättern behangen waren. Dieser Baum besaß schon das volle Blattwerk, wenngleich die Blattfarbe untypisch war. Aber was, so fragte sich die Musterschülerin von Professor Sprout, war an dieser Pflanze überhaupt typisch? Sie kannte ein Elixier, das einen Baum innerhalb weniger Stunden zur vollen Größe aufwachsen lassen konnte. Aber je weiter sie flog, und desto näher sie dabei dem Baum kam, desto sicherer war sie sich, daß das nicht die Erklärung für dieses überlebensgroße Exemplar einer Eiche war. Dann sah sie noch etwas unheimliches. Die Äste begannen sich von selbst zu bewegen, bogen sich nach außen, nach oben und nach unten wie die Fangarme eines Kraken oder die angriffslustigen Ranken von Venomosa tentacula. Die Blätter drehten sich dabei so, daß sie nicht mehr waagerecht standen, sondern senkrecht aufgestellt waren wie große, an den Rändern ausgefranste Ohren an langen Stielen.

"Mortimer, Cynthia, wir drehen um!" Entschied Aurora Dawn. Diese Pflanze machte ihr spürbare Angst, nicht nur weil sie sie nicht kannte, sondern weil alles an diesem Gewächs ihr den Eindruck vermittelte, es mit einem angriffslustigen Wesen zu tun zu haben, das seine Umgebung nach Beute absucht.

"Was ist das für'n Baum?" Fragte Mortimer, als er seinen Besen gewendet hatte.

"Ist mir bis heute nicht untergekommen, Mortimer. Ich denke nur, daß der nicht gerade in den Wald gehört. Irgendwie ist der wohl erst vor kurzer Zeit da hingekommen", sagte Aurora und sah, wie sich die biegsamen Äste und die nun unübersehbar eigenständig herumwedelnden Zweige genau in ihre Richtung bewegten, als erwarteten sie die drei. Cynthia zitterte am ganzen Leib. Der Anblick des riesigen Baumungetümes hatte ihr wohl genauso viel Angst eingejagt wie Aurora.

"Was für magische Bäume kennst du, Aurora? Ich meine, diese peitschende Weide auf dem Schloßgelände ist ja wohl ein ziemlich unangenehmer Baum, habe ich mir sagen lassen."

"Gegen den da ist die ein mickriges Pflänzchen", sagte Aurora. Dann sah sie unter sich ein wildes Gewusel von Wesen, die wie zerbrechliche Äste aussahen und die in wilder Panik durch die Baumwipfel sprangen wie Eichhörnchen. Doch die normalen Bäume schienen sie irgendwie zurückhalten zu wollen. Denn eines dieser Wesen, ein Bowtruckel, wie Aurora sofort erkannte, verfing sich zwischen zwei wie eine Zange zuschnappenden Ästen und kämpfte darum, wieder freizukommen.

"Der ganze Wald ist durch den wind. Der ist total verhext!" Rief Mortimer.

"Was meinst du, warum der uns verboten ist", knurrte Cynthia aus lauter Angst. Aurora nickte. Dann merkte sie, daß ihr Besen wohl nicht mehr so schnell wollte wie sie. Er wurde immer langsamer, ruckelte dabei und wippte vor und zurück.

"Mein Besen spinnt!" Rief sie. Als sie Cynthia und Mortimer ansah, stellte sie fest, daß auch die anderen Besen nicht mehr einwandfrei flogen.

"Irgendwas wirkt auf uns ein", vermutete Mortimer. "Irgendwas schwarzmagisches oder eine Magie, die mir bis heute nicht begegnet ist."

"Mir auch nicht", sagte Aurora und klammerte sich mit aller Macht an den Besenstiel, um ihren Nimbus anzutreiben, seinen Kurs zu halten und wieder schneller zu fliegen. Weil ihr Rennbesen der bessere der drei in der Luft befindlichen Besen war zog sie Cynthia und Mortimer davon, die wohl ebenfalls versuchten, ihre Besen zu einer höheren Geschwindigkeit zu treiben. Aurora hörte leises Ächzen von ihrem Besen und sah, wie die Reisigbündel am Ende sich immer mehr in die Länge zogen und genau in die Richtung wiesen, in der der unheimliche Riesenbaum stand. Irgendwas zerrte am Besenschweif. Es war eine Kraft, die unbestreitbar von der gigantischen, von einem unnatürlichen Eigenleben erfüllten Eiche ausging. Aurora fürchtete, ihr Besen würde zwischen ihrem Drang, ihn voranzutreiben und der geheimnisvollen Macht zerrissen und ihr im Flug auseinanderfallen. Dann würde sie abstürzen und aus dieser Höhe sicherlich keine Überlebenschance mehr haben.

"Aurora, dieser Monsterbaum zieht uns zurück!" Hörte sie Cynthia nun in großer Angst schreien. Mortimer kämpfte wohl auch noch damit, der Übermacht zu entkommen, die seinen Besen gepackt hatte. Aurora überlegte, ob sie besser mitten im Wald landen oder es darauf anlegen sollte, daß ihr der Besen im Flug in Stücke ging. Als sie sah, daß Cynthia und Mortimer immer weiter zurückfielen und dabei ruckartig, wie von unsichtbaren Händen zurückgehalten abgebremst wurden, übermannte Aurora der Fluchtinstinkt. Sie trieb den Besen voran, der immer noch Abstand gewann.

"Aurora, wir kommen nicht hinterher!" Rief Mortimer. "Wir können nicht weiterfliegen!"

"Ich hole Hilfe!" Rief Aurora laut und am Rande der Panik. Dann trieb sie den Besen weiter an, immer weiter. Sie hörte ein häßliches, höchst unangenehm klingendes Knacken. Doch sie sah sich nicht um. Sie fühlte nur, daß ihr Besen nicht mehr so stabil flog. Doch sie schaffte es, immer weiter fortzukommen. Unter ihr jagten die Bowtruckel durch die Baumwipfel davon. In der Ferne klangen wieder diese wiehernd klingenden, aber eindeutig menschlichen Stimmen und das Klappern vieler Hufe. Wie lange Aurora sich auf dem immer unruhiger fliegenden Besen dahingekämpft hatte wußte sie nicht. Als sie aber mit einem so mächtigen Ruck nach vorne schoss, daß sie fast hinten überfiel und dabei fast einen Rückwärtssalto schlug wußte sie, daß sie der unheimlichen Macht entronnen war, die sie zurückziehen wollte. Sie trieb den Besen an, der mit wilden Auslenkbewegungen dahinjagte wie durch einen wilden Wirbelsturm. Sie erreichte den Rand des Waldes und sauste über die große Wiese hinweg bis fast vor das Tor, aus dem gerade drei Erwachsene herauskamen: Professor Dumbledore, Professor Sprout und Professor Flitwick. Aurora versuchte zu landen. Doch als sie den Besen zum Landeanflug bringen wollte, sackte dieser nach vorne durch und stürzte. Aurora fühlte die Todesangst in sich aufsteigen. Sie war schon einmal mit einem altersschwachen Besen abgestürzt. Doch dieser Besen durfte nicht abstürzen.

Ein dreifacher Fallbremsezauber fing sie knapp fünf Meter über dem Boden ab und brachte sie heil herunter. Als sie zitternd und bebend auf die Füße kam und den Besen ansah, stellte sie fest, daß zwei Drittel der Reisigzweige fort waren, nicht einfach abgebrochen, sondern regelrecht ausgerupft. Dieser Flugbesen würde wohl nicht noch einmal fliegen.

"Uh, das war aber verdammt knapp", sagte Professor Flitwick. Dumbledore sah Aurora an und suchte Blickkontakt mit ihr. Sie stand nur da, atmete wild und fühlte es in ihrer Kehle immer trockener werden.

"Sieh mich an, Mädchen! Sieh mir in die Augen!" Befahl der Schulleiter mit einer sonst so selten gehörten Strenge in der Stimme. Professor Flitwick sprach mit seiner Kollegin Sprout, die in eine bestimmte Richtung deutete. Aurora drehte unwillkührlich den Kopf und sah, daß in der angedeuteten Richtung die peitschende Weide stand. Lag es daran, daß sie selbst so sehr zitterte, oder rüttelte und schüttelte sich der magische Baum gerade wie in einem mächtigen Sturm?

"Du sollst mich ansehen!" Befahl Dumbledore noch einmal und diesmal sehr zornig klingend. Aurora sah den Direktor von Hogwarts an. Die blaßblauen Augen hinter den halbmondförmigen Brillengläsern fingen ihren Blick ein und hielten ihn fest. Dabei war ihr, als sähe sie die letzten Minuten wie ein Heer bunter Schatten vor ihrem inneren Auge vorüberrasen, wie sie auf den Baum zugeflogen waren, wie dieser von selbst seine Äste nach ihnen ausstreckte und wie sie versuchten, von ihm fortzukommen.

"Es ist also tatsächlich wahr", hörte sie Dumbledores nun eher besorgt klingende Stimme sagen. "Pomona, ich fürchte, die Saat Dairons ist wirklich wieder aufgegangen."

"Sie glauben, Dairons Schöpfung, die von den Gründern gefunden und getötet wurde hat Nachkommen im verbotenen Wald, Albus?" Fragte Professor Sprout nun selbst sehr besorgt.

"Sie hat die Dunkeleiche Dairons gesehen, die dieser weit vor den Gründern im Wald angepflanzt hat: Rex Arborum, wie Helga Hufflepuff und Godric Gryffindor es genannt haben."

"Professor .... Dumbledore", brach es aus Aurora heraus. "Cynthia ... Mortimer ... in Gefahr!"

"Ich weiß, Kind. Ihr wolltet nur drüberfliegen und sehen, was da so merkwürdige Geräusche gemacht hat, nicht mehr", seufzte Dumbledore.

Bruster kam mit Vivian Acer aus dem Schloß gelaufen.

"Ah, Sie sind noch da, Professor Dumbledore. Tim Preston ist weg. Vivian hier sagte, der habe mit ein paar Slytherins gestritten, die dann weggegangen seien. Er hat dann mit dem Fuß aufgestampft und ..."

"Ich weiß nicht, ob das jetzt so wichtig ist", knurrte Dumbledore. Doch Flitwick sah den Vertrauensschüler an und sagte:

"Was haben diese Burschen ihm gesagt, Mr. Wiffle?"

"Weiß ich nicht. Vivi hier weiß das wohl", erwiderte Bruster. Professor Sprout deutete wieder auf die peitschende Weide. Alle folgten ihrem Blick.

"Was ist denn mit dem blöden Baum da los?" Fragte Bruster.

"Ich muß doch sehr bitten", entgegnete die Kräuterkundelehrerin ungehalten. Dumbledore sah Vivian an, die schüchtern zu ihm hinkam und ihm und Flitwick erzählte, was Tim passiert war.

"Die haben ihn einen Feigling genannt, der ja nicht einmal in den verbotenen Wald ginge, Sir", sagte Vivian. "Sie meinten, nur Leute mit echtem Mut würden da hingehen."

"Und dann sind die vor ihm weggelaufen und er hinter ihnen her?" Fragte Dumbledore.

"Öhm, ja, Sir", erwiderte Vivian.

"Vivian und Bruster, ihr geht ins Schloß zurück!" Befahl Dumbledore. "Aurora, ich weiß, du hast mörderische Angst, aber ich muß dich darum bitten, uns drei zu begleiten, damit wir dem Monstrum noch einhalt gebieten können, bevor seine Kraft unüberwindlich wird."

"nein, Sie dürfen nicht hinfliegen. Da ist was, das Besen kaputtmacht", sprudelte es aus Aurora hervor. Dumbledore, Flitwick und Sprout nickten. Bruster sah sie an, erkannte die panische Angst in Gesicht und Körperhaltung der Klassenkameradin und schickte Vivian in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum zurück. Flitwick befahl ihm mit auch für ihn sehr ungewohnt strenger Stimme, ebenfalls in den Gemeinschaftsraum zurückzukehren. Bruster nickte und eilte ins Schloß.

"Hagrid muß fünf Thestrale herbeirufen", sagte Dumbledore. Dann stieß er einen lauten Pfiff aus. Unvermittelt explodierte ein Feuerball knapp vier Meter vor dem Schulleiter, und ein wunderschöner, schwanengroßer Vogel mit rotgoldenem Gefider und langen, breiten Schwanzfedern segelte auf Dumbledore zu.

"Er kann uns doch auch hintragen", sagte Flitwick. Doch der Schulleiter schüttelte den Kopf.

"Ich will ihn nur dabeihaben, damit wir uns einen Überblick verschaffen können", sagte Dumbledore.

"Ich kann Ihnen die Richtung sagen, Professor. Aber sonst kann ich Ihnen doch gar nicht helfen", sagte Aurora, die sich ein wenig beruhigt hatte und von dem so plötzlich aufgetauchten Phönix beeindruckt war, daß ihre Angst ein wenig verflogen war.

"Du hast diesen Baum gesehen und er dich, Aurora. Er wird keine Ruhe geben, bis er genug Kraft hat, um alles in deiner Umgebung zu unterwerfen, weil du ihm entkommen bist", sagte Dumbledore. "Ich fürchte, Cynthia und Dorian sind ihm zum Opfer gefallen."

"Soll das heißen, sie sind tot?" Erschrak Aurora.

"Ich fürchte, der Tod wäre für sie eine Gnade gewesen."

"Sie machen dem Mädchen noch mehr Angst als es ohnehin schon ausgestanden hat, Albus", wagte Professor Sprout, gegen ihren Vorgesetzten aufzubegehren.

"Tut mir leid, Pomona, aber sie muß wissen, woran sie ist. Angst ist kein Schutz, wenn das, was ihr die Angst gemacht hat immer mehr an Macht gewinnt. Denn jetzt weiß ich, wieso dieses Ungetüm wieder aufgetaucht ist", erwiderte Dumbledore. Dann deutete er mit dem Zauberstab auf die Holzhütte, in der der Wildhüter Hagrid lebte. Aus der Ferne klang ein wildes Klackern und Knarren, das von der peitschenden Weide herkam. Aurora wurde das Gefühl nicht los, daß dieser sonst so angriffslustige Baum, von dem keiner wußte, warum der so allgemein zugänglich dastand, genauso viel Angst hatte wie sie. Fühlte diese Zauberpflanze etwa, daß da etwas war, daß noch bösartiger und stärker war als sie?- Aus Dumbledores Zauberstab schoss etwas wie ein silberner Geistervogel heraus und schwirrte auf die Hütte zu. Dann wandte sich Dumbledore an den Phönix, der sich zutraulich auf seine Schulter gesetzt hatte. Unvermittelt fing der Zaubervogel zu singen an. Es war ein Lied, daß so fremdartig und doch so unerreicht schön klang. Aurora fühlte mit jedem Ton der Melodie ihre Angst kleiner werden, bis diese völlig aus ihrem Bewußtsein verschwand und nur noch diese herrliche, warm und wohlig auf sie wirkende Melodie in ihr erklang.

"Wir werden so schnell es geht auf Thestralen zu dem Ort fliegen, wo der Baum steht, den du gesehen hast. Wir dürfen dabei nichts aus reinem Holz mit uns führen", sagte der Schulleiter. "Zauberstäbe sind gegen ihn immun, weil in ihnen tierische Fasern stecken. Er kann alles was aus Holz ist und nicht angewurzelt steht an sich ziehen. Ordinäre Bäume sind ihm Untertan und helfen ihm, magisch begabte Wesen einzufangen und in sich aufzunehmen. Es ist ein von mehreren Menschenopfern und dunklen Ritualen mit einem gewöhnlichen Eichenbaum erschaffenes Pflanzenmonster, Aurora, einer der wenigen Reges Arborum, die der bösartige Druide Dairon vor über zweitausend Jahren erschaffen hat, um seine Macht zu verstärken. Die Gründer von Hogwarts suchten für die Schule einen Ort, an dem eine starke, neutrale Magie wirkte. Was sie damals nicht wußten, Dairon hatte ein Samenkorn eines solchen Baumes im Wald vergraben, dessen ruhende Magie andere Zauberwesen und Kreaturen anlockte, die dann ein gleichbleibendes magisches Gefüge erschufen", berichtete Dumbledore, als Aurora sich völlig beruhigt hatte. "Die böse Überraschung erblühte ihnen wortwörtlich, als der erste Wildhüter, ein Diener Slytherins, den er mit nach Hogwarts gebracht hatte, den Wald erkundete und dabei wohl an den Ort gelangte, an dem der Same des Ungetüms eingegraben war. Offenbar angeregt durch die Aura des Zauberers, der Slytherin immer treu zu Diensten gewesen war, muß es zu einer verschmelzung mit dem im Boden ruhenden Samenkorn und diesem Knecht gekommen sein. Zumindest vermuteten das die vier Gründer. Slytherin kam auf Dairon, als es in den Wäldern anfing, die dort lebenden Zaubertiere auf einen bestimmten Punkt zuzubewegen. Die Gründer erkannten, daß da ein nichttierisches Wesen an Macht gewann. Slytherin konnte sogar die Gedanken seines Dieners erspüren. Als dann der erste Baum umgerechnet über zweihundert Meter groß geworden war, ging von ihm eine große Anziehungskraft aus, die sowohl durchtriebene, wie auch rechtschaffene Zauberer und Hexen anzog. Dann erkannten sie, was vor sich ging. Sie beratschlagten, was sie tun konnten. Damals war der Bruch zwischen Slytherin und den drei anderen Gründern noch nicht zu ersehen, weil sie gerade ein Jahr zusammen lehrten. Sie konsultierten eine alte Bibliothek, die von den alten Druiden und ihren Nachfolgern angelegt worden war. Dort fanden sie den Weg, die Macht des Rex Arborum zu brechen, wie die Druiden es einst selbst taten ... Ah, da kommt Hagrid!"

"Professor Dumbledore, Sir. Ich habe es mitbekommen,daß im verbotenen Wald was böses aufgewacht ist", sagte der riesenhafte Wildhüter, der mit einer Armbrust über der Schulter in seinem Maulwurfsfellumhang vor Dumbledore stramm stand.

"Rubeus, besorge uns bitte fünf starke Thestrale! Es müßten wegen gestern noch welche in der Nähe sein", sagte Dumbledore ruhig aber befehlsbetont. Hagrid nickte und eilte wieder davon.

"Wie konnten die einen Baum bekämpfen, der eine solche Magie in sich hatte?" Fragte Aurora.

"Der Baum zehrt von der Kraft lebendiger Seelen und kerkert dabei die Körper in seinem Inneren ein. Damals hat er nur drei menschliche Seelen gefangen, die ihm Wissen und Eigenständigkeit gaben."

"Wie kann man dieses Ding dann besiegen, ohne die, die es gefangenhält zu töten?" Fragte Aurora.

"Man muß ihm die Seelen pflanzlicher Wesen geben und dabei Zauber anwenden, die die vier Naturelemente beeinflussen", sagte Dumbledore.

"Pflanzen mit eigener Seele?" Fragte Aurora. Doch dann verstand sie. Eigenwillige und daher zu bestimmten selbständigen Sachen fähige Pflanzen, das waren Alraunen und Dryaden. Das sagte sie auch Dumbledore. Dieser nickte.

"Wir müssen genauso viele pflanzliche Seelen in den Boden setzen, wie der Baum bereits an menschlichen Seelen einverleibt hat. Pomona, bitte holen Sie sechs Töpfe mit möglichst weit gereiften Alraunen."

"Das ist ein Drittel meines derzeitigen Vorrates", sagte die Kräuterkundelehrerin. Doch sie nickte und eilte davon.

"Alraunen sind doch selbst gefährlich, Professor. Wenn sie ausgegraben werden können sie einen Menschen durch ihren Schrei töten."

"Deshalb wird unsere geschätzte Kräuterkundefachlehrerin wohl auch Ohrenschützer mitbringen", sagte Dumbledore.

"Wo bist du?" Klang in Auroras Geist eine tiefe, wie wind durch einen breiten Höhleneingang streichende Stimme. "Ich warte noch auf dich, Aurora Dawn!" Klang die Stimme jetzt etwas lauter. Aurora erschrak. Dumbledore sah es und nickte.

"Er sucht dich, nicht wahr?" Fragte er. Aurora war sich sicher, daß Dumbledore recht hatte.

"Komm zu mir. Du gehörst doch schon mir. Komm zu mir!" wisperte die tiefe, kaum greifbare Stimme in Auroras Gedanken. "Du gehörst mir. Ich muß weiterwachsen, stark sein! Du wirst mein und stark sein."

"Wie kann ich mich dagegen wehren?" Fragte Aurora, die jetzt schon wieder etwas Angst verspürte.

"Wenn es eine Stimme ist, denke dir ein dir gefallendes Musikstück oder ... Natürlich", sagte Dumbledore und nickte seinem Phönix zu. Dieser öffnete seinen Schnabel und begann wieder zu singen. Aurora fühlte sich wieder so warm und geborgen wie eben. Das war es also, wozu der Schulleiter seinen Zaubervogel bei sich haben wollte, erkannte sie.

Hagrid kam mit fünf Thestralen an langen Zügeln angelaufen. Aurora konnte die Tiere erkennen, und sie war sich sicher, daß auch die Lehrer die geflügelten Pferde sehen konnten. Dann eilte Professor McGonagall aus dem Schloß heraus.

"Ah, Minerva. Ist Severus auf seinem Posten?" Fragte Dumbledore.

"Ja, er sitzt im Lehrerzimmer und erwartet Ihre Anweisungen, Albus", sagte Professor McGonagall. Dann sah sie Aurora Dawn an. "Stimmt es, daß Dairons Baum wieder aufgetaucht ist?"

"Bedauerlicherweise ja, Minerva", seufzte Dumbledore. "Er hat offenbar arglose Opfer gefunden, die ihm heute Morgen zugelaufen sind. Jetzt greift er um sich, und wenn wir ihn nicht vor dem Sonnenuntergang aufhalten, wird er die Nachtstunden ausnutzen, um weitere Seelen von Tieren zu erbeuten oder sogar schon nach menschlichen Opfern suchen. Ich fürchte, Ms. Dawn hier wird bereits von ihm gesucht, weil sie ihn gesehen hat und er wohl Kontakt mit ihr aufgenommen hat."

"Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß es mehr als den einen gibt, Albus", seufzte Professor McGonagall.

"Offenbar hat der erste bereits Früchte getragen und eine davon ging auf", sagte Dumbledore. "Wir müssen Ms. Dawn mitnehmen, weil sie uns zu ihm führen kann und er dann nicht argwöhnt, daß wir ihn angreifen können. Pomona holt bereits das Gegenmittel."

In dem Moment kam Professor Sprout mit einem Leiterwagen herbei, auf dem sechs bauchige Blumentöpfe standen, aus denen rote Blätter herauslugten.

"Ich habe drei Zuchtpaare genommen, Albus. Ich hoffe ... Achso ja", sagte Professor Sprout und holte aus dem Wagen fünf Paare Ohrenschützer.

"Sir, kann ich nicht mitkommen?" Fragte Hagrid. "Ich könnte Ihnen bestimmt helfen."

"Tut mir leid, Rubeus. Diesmal geht es nicht", sagte Dumbledore. Dann gab er den Befehl aufzusitzen.

"Komm zu mir! Ich will, daß du zu mir kommst", tönte wieder jene unheimliche Stimme in Auroras Geist. Sie sagte es Dumbledore, daß diese Stimme nun immer befehlender klang. Dumbledore nickte und sagte, daß sie sich im Moment der Stimme überlassen sollte, da der Baum dadurch von dem ihm geltenden Angriff abgelenkt würde. Sie erkannte, daß sie der Köder war, mit dem der unheimliche Riesenbaum, der eine Art pflanzlicher Dämon war, in die Falle gelockt werden sollte. Doch wie beim Angeln so konnten auch die Köder in Fallen von den zu fangenden Tieren gefressen werden, bevor der Angler oder Jäger die ahnungslose Beute erlegte oder die Falle richtig zugeschnappt war. Doch was blieb ihr anderes übrig? Sie saß auf dem Thestral und befahl ihm, loszufliegen.

Unterwegs wurde die unheimliche Gedankenstimme des verfluchten Baumes immer eindringlicher, und Aurora lenkte ihr geflügeltes Zaubertier ohne groß nachzudenken. Alle anderen folgten ihr. Die Alraunentöpfe hingen an Lederriemen um die Schultern der Reiter, nur Professor Dumbledore trug zwei Töpfe.

"Wir müssen die Alraunen um den Baum herum einpflanzen", sagte er, als die Thestrale Aurora folgten, die genau auf den Baum zuhielt, dessen Krone in die Wolken zu reichen schien. Er mochte nun an die vierhundert Meter groß sein und degradierte die größten Normalbäume des Waaldes zu holzigen Grashalmen. Die Bäume unter ihnen reckten steif die obersten Äste nach oben als wollten sie die anrückende Truppe begrüßen oder angreifen. Doch im Gegensatz zu dem gigantischen Ungetüm, das wie ein lebender Turm aus blutrotem Holz vor ihnen aufragte wirkten ihre Bewegungen träge und unbeholfen. Immer deutlicher wurde die Stimme in Auroras Kopf, immer näher zog sie sie heran. Dumbledore ließ den Phönix, der nebenherflog noch einmal sein Lied singen. Zuerst klang es fern und schräg in Auroras Ohren. Doch dann tat es seine befreiende Wirkung, machte ihr wieder Mut. In der Ferne erzitterte die Baumkrone, und es rappelte und raschelte laut.

"Er hat bemerkt, daß wir gegen seinen Drang ankämpfen", sagte Professor McGonagall, die kerzengerade auf ihrem Thestral saß, während Professor Sprout sich mit beiden Händen am Hals des Pferdewesens festklammernd auf dem Rücken zusammenkauerte. Dann erreichten sie eine Lichtung, die gut und gerne einen halben Kilometer durchmaß. Alle einst hier gestandenen Bäume schienen mit ihren Wurzeln ausgerissen worden zu sein. Tiefe, breite Löcher zeigten an, wo sie mal gestanden hatten.

"Er ist mächtiger geworden als ich befürchtet habe", sagte Dumbledore. "Er hat selbst die angewurzelten Bäume an sich gerissen, wohl mit den eigenen Ästen. Landung!"

Aurora flog jedoch weiter. Die Alraune auf ihrem Rücken schien zu spüren, daß sie auf etwas sehr bedrohliches zuflog. Sie machte wohl Anstalten, sich aus der mit Drachendung gedüngten Erde herauszuarbeiten. Aurora wußte, wenn die Alraune mit dem Kopf aus der Erde lugte war sie so gut wie tot, und der Thestral wohl auch. Da peitschte über ihr ein Ast, und die Gedankenstimme klang für sie nun wie direkt aus dem mehrere Dutzend Meter durchmessenden Stamm:

"Komm her zu mir. Sei mein und gib mir deine Kraft, damit du selbst mit mir stark wirst."

"Ich komme", dachte Aurora, während die Alraune immer wildere Bewegungen machte. Offenbar war sie kurz davor, aus der Erde herauszukrabbeln. Das geflügelte Pferd sackte unvermittelt durch, wendete und flog in die entgegengesetzte Richtung. Aurora fühlte noch, wie sie vom Rücken des Pferdes abrutschte. Der Topf mit der Alraune glitt ihr vom Rücken und landete polternd auf dem kahlen Waldboden. Sie merkte jedoch nichts davon, sondern sprang einfach auf und rannte wie von einem Magneten angezogen auf den gigantischen, furchigen Stamm zu. Ein langer, senkrechter Spalt in der Rinde erzitterte und bog sich knarzend immer weiter auseinander. Aurora fühlte, wie etwas von innen an ihr Zog. Und sie wollte dort hineinspringen. So lief sie an und stürzte sich in den Spalt, der sie umschloss, und dann, als wäre sie in einer Art nach altem Holz riechenden Schlauch geraten, mit pumpenden Bewegungen im Stamm verschwand, ohne Angst vor dem Erstickungstod zu haben.

"Ich habe befürchtet, daß er sie schon derartig in seinem Bann hat", meinte Dumbledore, als er mit weniger Entsetzen als seine Kollegen zusah, wie das Hexenmädchen Aurora Dawn von dem monströsen Baumstamm verschlungen wurde. Der Spalt, durch den sie hineingeraten war, schloss sich wieder.

"Die Alraune da!" Rief Professor Sprout warnend. Der obere, grüne Schädel der noch im Topf steckenden Alraune zeichnete sich bereits ab. Es schien, als wachse aus dem Topf ein grünhäutiges Baby heraus. In Wirklichkeit war es eine erwachsene Alraune, die mehr als kürbisgroß war. Dumbledore setzte die von Sprout überreichten Ohrenschützer auf. Als er sah, daß seine Kollegen die Ohrenschützer aufhatten, vertrieb er die Thestrale, die nichts lieber taten als zu flüchten, wie Auroras Thestral geflüchtet war, weil sie dem verhängnisvollen Baumriesen zu nahe gekommen war. Dann hob er den Daumen der rechten Hand und deutete auf den Topf mit der sich immer mehr herausarbeitenden Alraune. Professor Sprout nickte und eilte hin. Im Moment waren sie noch etwa zwanzig Meter vom Baumstamm entfernt. Die Kräuterkundelehrerin kam gerade an, als mit weit geöffnetem Mund die erwachsene Alraune den Kopf aus der Erde steckte und für sie nun unhörbar schrie und schrie. Der Baumstamm ruckelte sachte.

_________

Es war ein Gleiten in einem warmen, weichen Etwas, durch das Aurora immer tiefer in die Dunkelheit glitt, bis sie Stimmen vernahm, die direkt in sie eindrangen.

"Ah, sie ist auch da", hörte sie Cynthia Flowers Stimme sagen. Dann fühlte sie, wie sie zerfloss, ihr Körper immer kleiner wurde, bis sie meinte, aufrecht zu stehen, untergehakt bei Cynthia, Mortimer, Tim Preston und zwei Typen, die von der Ausstrahlung her eindeutig Slytherins waren.

"Er ist jetzt unser Freund", sagte der Slytherin. Wir können durch ihn sehen und hören, was passiert. Wir müssen einfach nur bei ihm bleiben."

"Es ist herrlich", sagte Cynthia. "Ich fühle mich so groß und stark wie sonst nicht."

"Bruster würde mir das nie glauben, wenn ich dem das erzählen könte. Vielleicht kommt er ja auch noch", sagte Mortimer.

"Hat er einen Namen?" Wollte Aurora wissen, die es völlig selbstverständlich fand, daß ihre Gedanken sie selbst zum schwingen brachten und diese Schwingungen auf die anderen übergingen.

"Der große Freund", sagte Tim Preston. "Ich habe erst gedacht, daß er mich töten will. Aber als ich mit Clyde und Calliban in ihn hineingezogen wurde und merkte, daß ich mit ihm wuchs wußte ich, daß er mein großer Freund ist."

"Ich möchte sehen, was draußen ist. Dumbledore will ihn angreifen."

"Das darf er nicht!" Riefen alle zusammen. Dann sah Aurora wie mit mehreren Augen, die sie auf beliebige Punkte richtete, wie weit weit unter ihnen winzige Wesen nicht mehr als Würmer mit Armen und Beinen um sie herumliefen und dabei irgendwas mit dem Boden machten. Aurora wollte es näher sehen. Sie fühlte, wie mehrere Augen sich nach unten senkten und sie sah, wie einer dieser Würmlinge etwas kleineres in den Boden hineinwühlte. Aurora wußte, sie mußte ihn hindern. Sie mußten angreifen.

"Wir müssen sie zu uns hineinholen", dachten sie und fühlten, wie sie ihre Arme ausstreckten und nach unten zu greifen versuchten. Doch sie konnten sich nicht recht bücken, und ihre Rufe kamen nicht durch. Weit über sich, außerhalb der Hörweite, kreiste etwas wie ein winziges, rotgoldenes Insekt. Aurora wußte jedoch, daß das der Phönix von Dumbledore war, der in weitem Bogen um den Wipfel des großen Freundes flog. Jeder Versuch, ihn mit einem der normalbaumstammdicken, aber biegsamen Äste zu fangen mißlang. Der Vogel war zu wendig und zu schnell. Trotz der vielen Augen des großen Freundes konnten die sechs von ihm beschützten nicht schnell genug hinsehen, wo er gerade war, zumal er dann, wenn einer der kleineren Zweige ihn fast berührte in einem Feuerball verschwand, um einen Moment später in einem orangeroten Funken zu verglühen, um keinen Moment später aus einem anderswo aufglimmenden Funken wiedergeboren zu werden.

"Lasst den Vogel", warnte Aurora. "Wir müssendie Lehrer daran hindern, die Alraunen in die Erde zu setzen, um ... Ahhhhuuuuuuaaaaaaaaaaa!" Irgendwas traf Aurrora von unten wie ein Stich in die Eingeweide, explodierte in ihrem inneren und zerrte sie hinunter. Sie verlor das Bewußtsein. Die erste Alraune war in dieselbe Erde gesetzt worden, in der "der große Freund" seine weit ausladenden Wurzeln ruhen hatte.

"Sie ist weg!" Rief Cynthia Flowers mit vibrierendem Selbst.

"Der große Freund ist jetzt sehr wütend. Wir müssen ihm helfen, die da unten zu fangen oder zu töten", rief Clyde Thornhill, einer der Slytherins. Tatsächlich versuchte der große Freund sich zu bücken, mit seinen gewaltigen Ästen zu treffen. Fast hätten sie den längsten von diesen Würmlingen erwischt. Doch als der große Freund seine Äste wieder hochriss flog nur ein winziger spitzer Fetzen im hohen Bogen davon.

"Sie sind zu klein. Wir müssen sie rufen", sagte Mortimer Swift. Sie drängten sich eng zusammen, konzentrierten sich und riefen durch den mächtigen Leib des großen Freundes:

"Komm zu uns, Albus Dumbledore."

"Das könnte euch so passen!" Ertönte ein kleines wie von einer Stubenfliege gesprochenes Stimmchen. Dann schrie Cynthia, die vor Aurora Dawn im Leib des großen Freundes verschwunden war, als dieser sie auf ihrem Besen in die Krone hineingezogen und in einem sich knarzend öffnenden Spalt hineingezogen hatte. Die Magie des Besens behagte dem großen Freund. Daher durfte Cynthia sofort sehen, was er sah und fühlen, was er fühlte. Doch nun wurde sie mit einer Urgewalt zurückgerissen, hinabgezogen in die dunkelheit einer tiefen Ohnmacht.

"Das dürft ihr nicht!" Rief Mortimer. "Ihr könnt doch nicht einfach unsere Kameraden wegholen. Wir wollen hier nicht mehr weg!"

"Kommt zu uns! Wir wollen hier nicht mehr weg!" Riefen die noch mit dem großen Freund verbundenen Hogwarts-Schüler. Sie fühlten, wie jemand zuhörte. Es war Professor Sprout. Doch gerade als sie endlich bereit war, auf sie zuzukommen schrie Mortimer Swift laut auf und verschwand wie vorhin Aurora und Cynthia aus der Gruppe der Schützlinge des großen Freundes. Er war einfach nicht mehr da.

"Wir werden die kleinen Freunde dazu bringen, die totzuhauen", knurrte Clyde Thornhill. Tatsächlich fühlten sie, wie die kleinen Freunde, die immer noch zehnmal so groß wie die sie umlaufenden Würmlinge waren versuchten, näher zu kommen. Doch der Große Freund hatte zu großen Hunger gehabt und die nächsten von ihnen vorher schon in sich einverleibt um noch besser wachsen zu können.

"Wir müssen diese Alraunen wegmachen. Die ziehen unsere Kameraden von uns weg", sagte Calliban Leache. Der Große Freund begann, mit seinen großen, Nahrung saugenden Wurzeln den Boden zu erschüttern, um die darin eingesetzten Plagegeister zu zerstören, die seine Beute stück für Stück von ihm losrissen. Er hatte noch die Körper in sich. Aber die mußten am Leben bleiben, weil er erst dann davon unabhängig war, wenn er mindestens zwanzig Seelen in sich hatte und diese dann in einem befreienden Rausch in sich aufgehen lassen konnte, so daß sie nicht mehr sie selbst waren. Doch er hatte erst sechs davon erbeutet, die letzte nur unter großer Anstrengung. Aber warum konnte er die Würmlinge dort unten nicht dazu bringen, sich von ihm einverleiben und beschützen zu lassen, damit er mit ihnen zusammen stärker wurde? Er konnte es nicht wissen, denn was er wußte, wußte er nur, weil er die Seelen in sich hatte und den Drang, etwas mehr als dreimal so viele davon zu sich zu nehmen, bevor er die daran haftenden Körper wie Wasser und Mineralien in seinen mächtigen Stamm aufgehen lassen konnte. Aber jetzt störten diese winzigen, pflanzlichen Geschöpfe, die wie er fühlten und auch bewußte Bedürfnisse hatten seine Kraft. Wieder drang ein solches Geschöpf, daß die frische Seele Aurora Dawn Alraune nannte in den Boden zwischen seinen Wurzeln ein. Wieder fühlte er, wie eine der Seelen ihm entzogen und in den totengleich schlafenden Körper zurückgedrängt wurde.

"Jetzt ist dieses Schlammblut auch nicht mehr da. Der große Freund wird immer schwächer, Clyde", sagte Calliban.

"Ich fühle es. Ich kann auch nicht mehr alles sehen, was er sieht. Diese verdammten Alraunen machen ihn schwach und uns dazu. Ich will nicht mehr in diese Schule rein, wo minderwertige Kinder reindürfen. Ich will diesen Bastard Dumbledore umbringen, damit wir hierbleiben können. Der Große Freund wird uns dann neue Kameraden holen, und dann werden wir richtig stark werden. Ich ... Aaaaaarrrrg!"

Clyde Thornhill fühlte, wie er alleine war. Er fühlte, daß er eingezwängt war in einen hohlen Stamm, gerade mal fähig, durch immer unschärfer sehende Augen hinauszublicken und ein wenig mit den dicken Ästen zu wackeln, was im großen und ganzen mörderische Schlagbewegungen waren, doch niemanden trafen. Denn der für ihn vorhin noch winzig erschienene Vogel flog immer noch außerhalb der Reichweite, und die wurmkleinen Wesen dort unten waren zu weit unten, um sie zu erreichen. Auch fühlte er, wie der große Freund immer träger wurde. Am Anfang, als er ihn zum ersten mal gesehen hatte, war es nur ein ein meter großer Setzling gewesen. Doch als er ihn berührte und untrennbar mit ihm verschmolz, war er mit dem Setzling zusammen gewachsen. Calliban und dieses idiotische Schlammblut Tim Preston waren erst wie vom Donner gerührt stehengeblieben und hatten sich dann von dem immer größer werdenden Baum hineinziehen lassen, der dann, um mehr Substanz zu gewinnen, die Bäume der Umgebung mit den Wurzeln herausgerissen hatte. Doch jetzt steckte Clyde fest. Er war groß, aber so gut wie bewegungslos, und vollkommen allein. Denn der große Freund flüsterte ihm nichts mehr zu, das er nun bei ihm war.

Als Clyde erkannte, daß er nicht stärker geworden war, sondern nur ein Gefangener war, erfaßte ihn dieselbe schmerzhafte Macht, die zuvor seine Mitgefangenen fortgerissen hatte, die wie er zur Symbiose mit diesem pflanzlichen Wesen gezwungen werden sollten. Die Dunkelheit und Stille der Bewußtlosigkeit befreiten ihn von den trüben Gedanken, die er in den letzten Sekunden im Verbund mit diesem großen Freund gedacht hatte.

__________

Dumbledore nahm seine Ohrenschützer ab. Beinahe hätte es Professor Sprout erwischt, und dann wäre alles umsonst gewesen, dachte er, als er an dem wuchtigen, sein ganzes Gesichtsfeld ausfüllenden Stamm entlang zur himmelhoch über ihm ausladenden Krone blickte. Der Baum hatte sich sacht gekrümmt, ihm mit einem sturmböenartigen Windstoß den Hut vom Kopf geweht und dann versucht, die Erde aufzuwühlen, um die darin eingesetzten Alraunen zu töten oder zumindest aus dem von ihm besetzten Erdreich zu verdrängen. Solange sie freie Alraunen hatten, konnten sie der Stimme dieses Baumes widerstehen. Einmal hatte ein Chor aus jugendlichen Stimmen in seinem Geist geklungen. Er hatte befunden, ihnen zu antworten und auf dem Wege des Mentiloquismus eine Antwort gesandt. Doch je mehr Alraunen in die Erde gesetzt worden waren, desto schwächer war die Stimme geworden. Im Moment, wo sechs Alraunen gegen sechs gefangene Seelen im Inneren des Baumes eingesetzt waren, war er schwach und würde wohl noch keine weitere Macht auf lebende Menschen ausüben. Doch sobald es dunkel wurde, das wußte Dumbledore, würde die am Tag gesammelte Kraft der Sonne ihm die Macht geben, neue Seelen anzulocken und zu verschlingen. Bis dahin mußten sie ihn um jeden Körper bringen, den er an sich gerissen hatte. Je mehr Körper freikamen, desto mehr würde Rex Arborum, der König der Bäume, wie Gryffindor und Hufflepuff dieses Ungeheuer in einer Mischung aus Angst und Anerkennung genannt hatten, zusammenschrumpfen. Er wußte von den im sprechenden Hut verankerten Aufzeichnungen der Gründer, daß die gefangenen Körper in kugelartigen Holzkörpern herausgetrieben wurden und innerhalb von fünf Minuten daraus befreit werden mußten, bevor die Atmung wieder einsetzte und sie qualvoll ersticken mußten. So galt es nun, dem geschwächten Ungetüm mit vier Elementarzaubern aus den vier Himmelsrichtungen gleichzeitig zuzusetzen. Dumbledore fragte sich, ob wie damals bei den vier Gründern der zuletzt gefangengenommene Mensch zuerst freikam. Das wäre dann wohl Aurora Dawn. Was hatte er, Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore getan? Er hatte eine seiner besten Schülerinnen sehenden Auges in tödliche Gefahr gebracht. Doch wenn er hier und jetzt dem grünen Übel wortwörtlich an die Wurzel gehen und es mit Stumpf und Stiel ausreißen konnte, würde sie ihm hoffentlich verzeihen. Außerdem hatte er es ihr ja gesagt, was sie tun sollte, und sie hatte sich nicht dagegen gesträubt. Durfte er das denken, um sein angeschlagenes Gewissen zu beruhigen? Er mußte jetzt erst einmal praktisch denken, bevor er sich über seine Pflichten und Schuldigkeiten weitergehende Gedanken machen durfte.

"Aufstellung nehmen. Minerva, Sie bezaubern den Boden mit Permapetri! Pomona, Sie wirken den Aguamenti-Zauber! Filius, Sie können den Ventivortex-Zauber immer noch sehr gut, wie ich weiß und wenden ihn an! Ich werde den Bollidius-Zauber wirken", sagte Dumbledore. Ein lautes Stönen drang aus dem Baum direkt in die Köpfe der vier Lehrer. Offenbar versuchte der Baum, seine Kräfte zu reaktivieren, nachdem er durch die Alraunen KO gegangen war. "Wir zaubern solange, bis ein weißlicher Globus aus Holz irgendwo aus dem Stamm getrieben und abgestoßen wird. Diesen müssen wir dann öffnen, weil darin einer der sechs Gefangenen liegen muß. Ab da werden wir diese Aktion solange wiederholen, bis keine weiße Kugel mehr heraustritt."

Sie nahmn Aufstellung, jeder in einer Haupthimmelsrichtung. Dumbledore stand im Süden, Sprout im Norden, Flitwick im Westen und McGonagall im Osten. Dann zauberten sie drauf los. Flitwick beschwor mit einer weit ausladenden Zauberstabgeste einen wild heulenden Wirbelwind, der die Kraft von einhundert Staubsaugern und Föns in sich trug und mit seiner ganzen Kraft gegen den Stamm drückte. Gleichzeitig erhärtete Professor McGonagall mit einem silberblauen Lichtstrahl den Boden vor sich. Wo Erde war entstand nun etwas wie Felsgestein. Die Mineralien verdichteten sich unter dem Einfluß des Permapetri-Zaubers zu einer Substanz härter als Granit. Professor Sprout ließ eine laut zischende Wasserfontäne gegen den Stamm schießen, während Dumbledore mehrere blau-grüne Feuerkugeln dagegenschoss, die zerplatzten und den Stamm auf halber Breite mit tiefen Brandlöchern verunzierten. Dumbledore wußte, daß die Gefangenen im Kern des Stammes ruhten und oberhalb der Elementarbezauberungszone austreten würden. Damals, als die Gründer den ersten grünen Giganten Dairons bekämpft hatten war ein Gefangener aus Versehen in einem dauerhaften Flammenstrahl Slytherins verbrannt. Doch heute wußten sie, wie hoch oder tief sie ansetzen mußten, um nach Möglichkeit keine Todesopfer beklagen zu müssen. Nach drei Feuerbällen und einer Zone aus gehärteter Erde und vom Wasser aufgequollener Rinde sowie vom Wirbelwind abgerissener Stücke Rinde knarrte es im gewaltigen Stamm, in den gut und gerne zwei ganze Häuser verschwinden konnten, und eine große weiße Kugelschale, die wie aus lackiertem Holz aussah schob sich durch einen aufklaffenden Spalt, fiel zehn Meter hinab und schlug auf. Dabei dellte sie sich ein. Gut so. Dann konnte der Aufprall den darin eingeschlossenen Gefangenen nicht schwer verletzen. Sofort waren McGonagall und Flitwick zur Stelle und wirkten den Persectum-Zauber, der wie eine unsichtbare Säge durch Holz oder Metall schneiden konnte, wenn dieses für den Diffindo-Zauber zu stabil war und der Reducto-Fluch zu viel Schaden auf einmal anrichtete. Als sie die Kugel von oben her aufgeschnitten hatten sahen sie schwarzes, langes Haar darunter hervorlugen. Sprout und Dumbledore schälten die bewußtlose, beinahe tote Aurora Dawn aus der Kugelschale.

"Fawkes, komm her!" Rief Dumbledore nach oben. Mit einem lauten Triumphgeschrei sauste der Phönix aus der Höhe der Baumkrone herab, wo ihn die Schreie der Alraunen nicht hatten erreichen können. Sofort setzte sich der magische Vogel neben Aurora Dawns tot wirkenden Körper und legte seinen Kopf an die Beine der Junghexe. Offenbar war dort eine Verletzung, die nun, wo der Phönix dicke, runde Tränen vergoss, besser geheilt wurde als von einem Heiler im St.-Mungo-Krankenhaus.

"Auf dann, es sind mindestens noch vier andere Schüler in diesem Ungetüm gefangen", sagte Dumbledore in der Tonart eines Truppenführers. Und genau das war er ja im Moment auch.

Wie zuvor bekämpften sie den Baum mit vier gleichzeitigen Elementarkraftzaubern aus den vier Haupthimmelsrichtungen. Diesmal feuerte Dumbledore einen orangen Feuerstrahl auf den Baum ab, Professor Flitwick spickte den Stamm mit aus dem Zauberstab schnellenden Eiszapfen, Professor Sprout wirkte einen Umgrabezauber, den sie von ihrem Kräuterkundelehrer gelernt hatte, als sie in Hogwarts Schülerin gewesen war, und Professor McGonagall bestrich den Stamm mit dem Ventulus-Zauber, der einen beliebig temperierbaren dauerhaften Luftstrom in Zauberstabausrichtung erzeugte. Der Baum erzitterte und wurde unter Ächzen und Knarzen immer kleiner. Man hatte ihm eine Seele entrissen und damit einen Teil der Kraft, die ihn so groß gemacht hatte. Eine weitere weiße Kugel brach aus dem Stamm heraus. Sprout und Flitwick befreiten die darin gefangene Cynthia Flowers.

So ging es weiter, wobei sie sich mit der Art und wirkungsweise des jeweiligen Elementarzaubers abwechselten, um dem von ihnen bekämpften Titanenbaum keine Möglichkeit zu lassen, sich an bestimmte Zauber zu gewöhnen und ihnen zu widerstehen. Weitere weiße Holzgloben knarrten aus dem immer dünner und kürzer werdenden Stamm, bis der Baum nur noch fünfzig Meter groß war, und der letzte Gefangene, der Slytherin-Viertklässler Clyde Thornhill, befreit war. Da schrumpfte der Baum weiter zusammen. Professor Sprout sah nach oben und erkannte an den Ästen aufquellende Knospen. Sie verstand die perfide Idee des alten Druiden.

"Albus, der Baum treibt mit seiner letzten Kraft neue Früchte aus!" Rief sie. Der Schulleiter sah, wie hühnereigroße Eicheln aus den Knospen herausbrachen.

"Das könnte dir Unkraut so passen", fauchte der Lehrer gegen seine sonstige Art sehr angriffslustig. "Alle zurücktreten. Minerva Volventus, Filius Globofrigidus, Pomona den Saximollificus und ich noch einmal Bollidius!" Rief Dumbledore. Die befreiten Gefangen lagen bereits am Rande der vom Rex Arborum gerissenen Lichtung. So stand niemand im Weg. Fawkes schwirrte wie eine rotgoldene Feuerwerksrakete nach oben davon. Dann griffen alle zugleich mit den von Dumbledore befohlenen Elementarzaubern an. Der Baum schien im plötzlich aufgeweichten Gestein einzusinken, während ein mittlerer Wirbelsturm auf ihn zuraste und hemmungslos in seine Krone hineinfauchte, wobei mehrere Eiskugeln hintereinander den Stamm trafen und aufplatzen ließen, bevor zur Krönung der Aktion eine weitere Feuerkugel auf den Baum losfauchte, ihn traf und nun auf ganzer Länge in eine Wolke aus rotgoldenen Flammen einhüllte. Zischend, ächzend und krachend hauchte der Unheilsbaum, der nach der letzten Befreiung nur noch zwanzig Meter gemessen hatte sein Dasein aus. Noch einmal krachten Eiskugeln in ihn, zerrte ein Wirbelwind an den lodernden Trümmern, die in aufweichendes Gestein einsanken und hüllte ein Feuerball die Überreste in rot-goldene Flammen ein. Dann war nur noch ein brennender Stumpf übrig, der laut knallend und krachend im heißen Feuer zerfiel. In diesem Moment erwachten die Gefangenen aus der totengleichen Erstarrung, in die sie der monströse Baum gehalten hatte.

"Oh, verdammt, was ist denn mit uns passiert?" Fragte Clyde Thornhill. Dann sah er, wer alles da war. Aurora Dawn, die gerade aufwachte sah sich um, runzelte die Stirn und verstand dann. Weil sie am kürzesten die Gefangene des "großen Freundes" gewesen war, und vor allem, weil sie die Zusammenhänge von Dumbledore erklärt bekommen hatte, hatte sie nichts vergessen.

"Ihr netten Burschen habt Tim und euch mit einem magischen Riesenbaum verschmolzen und Mortimer, Cynthia und mich auch noch mit reingezogen, wortwörtlich", sagte sie.

"Stimmt, da war doch was mit einem großen Baum, in den ich reingezogen wurde", sagte Cynthia und erschauderte. Mortimer nickte. Die Slytherins und Tim sahen sie erst einmal verdutzt an. Doch als Dumbledore herankam und jeder und jedem sehr kritisch in die Augen blickte verstanden sie, daß irgendwer von ihnen heftigen Drachenmist verzapft haben mußte.

"Sie können alle froh sein, meine Herrschaften, daß meine Kollegen und ich von derartigem schon einmal gehört haben und uns Ihre Kameradin Aurora Dawn nolens volens hier herführen konnte. Zumindest haben Sie dazu beigetragen, eine schlummernde Bedrohung zu tilgen, die ein uralter Dunkelmagier einst hier angerichtet hat."

"Sagen Sie jetzt nicht Slytherin", knurrte Calliban Leache.

"Ausnahmsweise nicht", erwiderte Dumbledore unwirsch. "Das heißt aber nicht, daß er nicht auch gewisse Nettigkeiten verbrochen hat, die uns früher oder später noch einmal arge Probleme bereiten können."

"Wir wollten nur wissen, ob dieser Eierkopf hier", sagte Clyde und deutete auf Tim. Doch Professor McGonagall räusperte sich sehr warnend.

"Ich fürchte, die Herren Thornhill, Leache und Preston dürfen sich demnächst noch auf eine einschneidende Strafarbeit einrichten, je nach ursächlicher Schuld. Die Damen Flowers und Dawn, sowie Mr. Swift mögen sich mit jeweils zehn Punkten Abzug für ihre Häuser pro Person glücklich schätzen."

"Minerva, was aurora Dawn angeht befinde ich, daß weil sie uns geholfen hat, dieses überaus unliebsame Problem zu lösen fünfzig Punkte für Ravenclaw angemessen sind. Was Ms. Flowers angeht, so wollte sie lediglich ihrer Pflicht als Vertrauensschülerin nachkommen und prüfen, ob etwas meldepflichtiges vorging, und Mr. Swift hat sich als Gentleman bereitgefunden, die beiden Damen auf der Erkundung zu begleiten und darf dafür wie Ms. Flowers zwanzig Punkte für das Haus mitnehmen, in dem er und sie jeweils wohnen."

Professor McGonagall stand erst da wie vom Donner gerührt, weil Dumbledore ihre schöne Strafpredigt mit Punkteabzügen so einfach in eine Belobigungs- und Punktezuteilungsverkündigung umgemünzt hatte. Doch er war der Direktor, und nicht nur aus diesem Grund von ihr hoch respektiert. Zumindest würde Tim Preston für seine maßlose Eigengefährdung noch in die Pflicht genommen, und die beiden Slytherins ... könnten wahrscheinlich schon am nächsten Tag zum letzten Mal mit dem Hogwarts-Express fahren, wenn deren Eltern nicht die Größe besäßen, sie höchstpersönlich von der Schule abzuholen. Sie hoffte nur, daß Dumbledore das nicht noch so ausdeutete, daß nur durch diese grobe Unvernunft und Gefährdung von Mitschülern diese schlummernde Gefahr entdeckt und gebannt werden konnte.

"Öhm, unsere Besen sind wohl kaputt", sagte Mortimer. Cynthia nickte, ebenso Aurora. Dumbledore sah sie freundlich lächelnd an, während im Hintergrund die letzten Überreste des Rex Arborum verbrannten.

"Wir werden uns eines kleinen Kunstgriffes bedienen, um flux wieder in der Schule zu sein", sagte der Schulleiter sehr zuversichtlich. Dann holte er einen der leeren Alraunentöpfe, aus dem es nicht gerade betörend nach Drachendung roch.

"Was für'ne Nummer kommt denn jetzt?" Fragte Tim Preston.

"Sie werden von und mit mir zusammen nach Hogwarts zurückgebeamt", sagte Dumbledore nun lächelnd wie ein Junge, der einen tollen Streich ausführen will. Dann richtete er den Zauberstab auf den Topf, sagte "Portus!", worauf der leere Alraunenbehälter in blauem Licht erstrahlte, einige Sekunden so blieb und dann ganz normal aussah. "Jeder versucht, auf Drei mit einem Finger an den Rand des Topfes zu kommen. Das reicht völlig aus", erklärte Dumbledore und stellte seine Kollegen und Schüler so um den Topf auf, das jeder mit mindestens einem Finger an den Rand gelangen konnte. Dann zählte eer: "Eins! - Zwei! - Drei!" Bei der letzten Zahl ließen alle ihre Hände vorschnellen und bekamen tatsächlich gleichzeitig ein Stück vom Topf unter einen Finger. Sofort war es ihnen, als stürzten sie in einen Wirbel aus von einer unbändigen Kraft am Bauchnabel dahingezogen, unfähig, vom Topf abzulassen. Dann fielen sie aus dem farbigen Wirbel heraus und schlugen unsanft zusammen auf den Boden einer runden Kammer, in der es aus unzähligen, auf storchbeinigen Tischen stehenden Instrumenten tickte, klickte, schnarrte, surrte, paffte und rauchte. Sie waren in Dumbledores Turmkammer. Gerade in dem Moment, als sie sich dessen bewußt waren klopfte es ungeduldig an der Tür.

"Oh, wer will denn da was von mir?" Fragte Dumbledore überrascht tuend und öffnete die Tür. Draußen stand Dorian Dirkson, der besorgt dreinschaute.

"Professor Dumbledore, Aurora Dawn hat mir zwar gesagt, eine ganze Stunde zu warten, aber ich bin doch besser gleich zu Ihnen gekommen. Im Lehrerzimmer saß nur Professor Snape und meinte, sie hätten was dringendes zu erledigen. Und erst jetzt haben mich die Wasserspeier unten reingelassen. Es ist so, daß ... Oh, Aurora, Mortimer und Cynthia sind bei Ihnen? Da bin ich ja beruhigt", sprudelte es aus dem Hufflepuff-Sechstklässler heraus. Dumbledore sah ihn an, nickte und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächlen. Dann sagte er:

"Dorian, tust du mir bitte einen Gefallen und sagst Professor Snape, er möchte jetzt zu mir hochkommen? Es gibt was, daß ihn sicherlich etwas angeht. Dann darfst du in dein Haus zurück. Ms. Flowers wird gleich nachkommen."

"Natürlich, Sir. Sofort, Sir!" Sagte Dorian perplex, wandte sich um und ging durch die Tür hinaus.

"Öhm, sollten wir alle nicht noch einmal zu Madame Pomfrey?" fragte Aurora Dawn. Die beiden Slytherins sahen sie verstört an, Cynthia und Mortimer wiegten die Köpfe, als müßten sie das genauer durchdenken, während die Lehrer wohl auf Dumbledores Antwort warteten.

"An und für sich müßt ihr da nicht mehr hin. Sonst hätte ich sie ja gleich nach unserer Ankunft hier hergebeten. Aber wenn du dich unsicher fühlst, ob du mit der Situation nicht richtig zurechtkommst. Ich meine, immerhin habt ihr alle ja etwas sehr einschneidendes erlebt."

"Ich kann mich nicht erinnern, was da genau passiert ist", sagte Clyde, der entweder so tat, als wisse er von nichts oder wirklich alles vergessen hatte. Aber das würde Dumbledore ja dann herausfinden. So sagte Aurora Dawn, daß sie wohl noch einmal zu ihr hingehen würde. Dann entließ sie Dumbledore, der nur noch mit Tim und den beiden Slytherins auf Professor Snape warten wollte. Aurora verstand dies als klare Ansage, dem unfairen Lehrer nicht über den Weg zu laufen und verließ zusammen mit Cynthia und Mortimer die runde Turmkammer. Über die selbstlaufende Wendeltreppe ging es hinab zum Ausgang. Sie schafften es noch, den Turm des Schulleiters zu verlassen, als Dorian Dirkson mit Snape um eine Ecke bog. Der hakennasige Lehrer mit dem schwarzen, fettigen Haar schien zu sehr auf das Treffen mit seinem Vorgesetzten und Gönner fixiert zu sein, daß er die drei Sechstklässler nicht bemerkte. Doch Aurora legte auch keinen Wert darauf, daß der was mitbekam.

"Hört mal, Leute, ich denke mal, daß Dumbledore das nicht möchte, daß das alle mitkriegen, wenn er das nicht selbst erzählt", sagte Aurora. "Sicher, bis auf Snape waren alle Hauslehrer für'ne Weile weg. Aber ich weiß nicht, ob das für uns drei so prickelnd ist, wenn sich jeder das Maul drüber zerreißt."

"Ja, aber unseren Freunden sollten wir's schon erzählen", bestand Cynthia darauf, nicht einfach so mit einem schlimmen Geheimnis rumzulaufen. Aurora nickte. Natürlich verstand sie, daß jemand sowas nicht gerne für sich behielt. Außerdem hatte sie kein Recht, einer anderen Vertrauensschülerin was vorzuschreiben. Ob Mortimer sich mit Bruster und Roy darüber unterhielt war ohnehin fraglich.

So wurde zunächst ausgemacht, abzuwarten, was Dumbledore nun vorhatte. Im Moment waren sie eben nur beim nachgeholten Apparierunterricht gewesen, der eben etwas länger gedauert hatte.

Aurora beschloß, nachdem sie Petula und Miriam erzählt hatte, was sie im Nachholunterricht gelernt beziehungsweise hinbekommen hatte, zu Madame Pomfrey zu gehen, sofern diese keinen Patienten hatte. Sie hatteGlück. Im Moment war keiner zur Behandlung im Krankenflügel. So konnte sie sich einige Zeit lang mit der Schulkrankenschwester unterhalten, die sich erst empörte, daß Dumbledore ihr sowas nicht sofort erzählte, aber dann meinte, daß solche Sachen nicht gerade Werbung für Hogwarts wären, wenn das immer gleich rumginge, daß es wohl noch dunkle Hinterlassenschaften in der Nähe gab, von denen erst jemand was mitbekam, wenn sie ihre Wirkung entfalteten.

"Du hast nicht mitgekriegt, wie die Lehrer dich und die Anderen letzthin aus diesem Baum geholt haben?" Fragte die Heilerin von Hogwarts. Aurora schüttelte den Kopf.

"Na ja, werde ich bei Gelegenheit von Professor Dumbledore erfahren, hoffe ich. Ein Wunder, daß ihr nicht verletzt wurdet."

"Hmm, das weiß ich nicht. könnte bei der Befreiung doch was passiert sein. Aber Dumbledore hatte seinen Phönix dabei und ..."

"Natürlich, um die gute Poppy Pomfrey bloß nicht bemühen und ihr bei der Gelegenheit unangenehme Fragen beantworten zu müssen", schnaubte Madame Pomfrey. Dann lächelte sie. "Immerhin umsichtig, daß er das einkalkuliert hat, daß ihr dabei hättet verwundet oder vergiftet werden können."

"Ich kriege das nur nicht rein, wie dieser Baum Jahrhunderte lang unbemerkt im verbotenen Wald gestanden hat", meinte Aurora.

"Es gibt dunkle Artefakte und Ungeheuer, die können lange Zeiten überdauern. Ich weiß noch, wie ich hier selbst als Schülerin war, da hieß es, daß Salazar Slytherin aus Rache an den drei anderen Gründern, die seine Auffassung von richtigen Hexen und Zauberern nicht teilen wollten, eine unterirdische Kammer gebaut hat, in der ein schreckliches Monster warten solle, daß nur vom wahren Erben Slytherins geweckt und auf dessen Feinde losgelassen werden könne. Ich habe das auch erst nicht geglaubt, bis ein muggelstämmiges Mädchen getötet wurde. Das arme Ding spukt seitdem als Geist herum, weil es mit seinem Tod nicht klarkommen wollte. Keine schöne Alternative, wirklich nicht." Sie sah betrübt aus. Aurora horchte auf. Sprach Madame Pomfrey von der maulenden Myrte. Dann wußte die wohl, was das mit dieser Kammer auf sich hatte.

"Es stellte sich heraus, daß jemand wohl ein gewöhnliches, wenn auch gefährliches Monster im Schloß gehalten hat. Ob es die Kammer gegeben hat oder noch gibt weiß ich daher nicht sicher", sagte die Heilerin.

"Ich dachte, es gäbe wirkliche Langzeitmonster, die in einer Art Winterschlaf zubringen können."

"Diese Gerüchte halten sich hartnäckig, weil keiner so recht glauben möchte, daß eine uralte Gefahr schon längst beseitigt wurde", sagte Madame Pomfrey.

Dumbledores Kopf erschien im Kamin im Sprechzimmer. Die Schulkrankenschwester sah ihn an und fragte:

"Haben Sie mir etwas zu beichten oder benötigt doch jemand meine Hilfe, Albus."

"Nun, da die Frage impliziert, daß die junge Ms. Dawn wohl bei Ihnen vorbeikam würde ich Ihnen gerne den Rest dessen erzählen, was sich das Mädchen berechtigterweise von der Seele geredet hat."

"Ja, sie, weil sie von mir gelernt hat, daß Sturheit und Geheimistuerei ungesund sind, Albus. Aber die anderen, die da wohl mit drinhingen, die konnte ihr Phönix bestimmt nicht so gründlich heilen wie es not tut. Ich komme zu Ihnen, damit wir ungestört sprechen können. Aurora ist im Moment nicht behandlungsbedürftig."

"Das freut mich", sagte Dumbledores Kopf im Kaminfeuer. Dann ploppte es, und er war fort.

"Ich werde mir also anhören, was passiert ist. Da er nur mich einweihen wollte, möchtest du bitte in dein Haus zurückgehen."

"Natürlich", erwiderte Aurora gehorsam und verließ den Krankenflügel.

Beim Mittagessen erfuhren die Schülerinnen und Schüler, daß Slytherin mal wieder zwei Ausfälle zu verzeichnen hatte. Denn Dumbledore deutete auf den Haustisch der von den meisten nicht gemochten Slytherins und sprach:

"Wie ihr alle sehen könnt, war ich gezwungen, heute zwei Schüler aus Slytherin vorzeitig von der Schule zu verabschieden. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn sie ihren Abschluß noch geschafft hätten. Aber Anstiftung in Tateinheit mit mutwilliger Gefährdung von anderen aus niederen Motiven sind ein wenig zu viel für das ohnehin schon gut strapazierte Regelwerk von Hogwarts. Mr. Leache und Mr. Thornhill aus Slytherin haben es für eine sehr gute Idee gehalten, einen muggelstämmigen Mitschüler aus Ravenclaw zu einem Ausflug in den verbotenen Wald anzustacheln, wo sie willentlich in Kauf nahmen, daß ihm dort ein Leid widerführe, er aber zumindest dafür belangt werden würde, wenn wir Lehrer davon Wind bekämen. Nun, wir haben mehr Wind davon bekommen als uns lieb sein kann, die Damen und Herren. Daher wissen wir auch, daß die fraglichen beiden Schüler ihren Mitschüler an einen Ort im verbotenen Wald gelockt haben, wo bei einem Angriff einer dort lebenden Kreatur keine Hilfe vor Ort hätte sein können und das sich dort eine gefährliche Kreatur von der Klassifizierung der Teratophyten aufhielt, die darauf gelauert hat, arglose Regelbrecher zu verschlingen. Nur der Wagemut und die Beobachtungsgabe der Schüler Cynthia Flowers und Dorian Dirkson aus Hufflepuff, sowie Mortimer Swift und Aurora Dawn aus Ravenclaw bewahrte sie und den von ihnen zu Dummheiten angestifteten Mitschüler vor einem sehr schlimmen Schicksal. Da ich vor einigen Wochen ja erneut vor den Gefahren des verbotenen Waldes gewarnt habe, mußte ich neben Anstiftung und mutwilliger Gefährdung der eigenen Person und anderer noch groben Ungehorsam gegen mich, den Schulleiter auf die Liste der Untaten setzen. Die Schulregeln gestatteten mir da keinen weiteren Spielraum als die sofortige Entlassung von der Schule zu verfügen. Mr. Tim Preston, der sich auf diese Dummheiten eingelassen hat, wird demnächst im Rahmen einer Strafarbeit seine Verfehlung abbüßen. Zudem mußte ich Ravenclaw seinetwegen fünfzig Punkte abziehen. Slytherin verlor im Zuge dieser absolut unnötigen und unverantwortlichen Sache einhundert Punkte. Ich fürchte, ihr werdet euch noch mehr ranhalten müssen, um für den Hauspokal noch in Frage zu kommen, die Damen und Herren aus Slytherin." Einige sahen den Direktor trotzig, andere betreten, wieder andere völlig verstört an, als verstünden sie nicht, was passiert sei. Abschließend sagte Dumbledore: "ich weiß, daß es gewisse Vorbehalte gegenüber den Bewohnern von Slytherin gibt und von denen aus gegen Schüler anderer Häuser. Aber ich sage es noch einmal, weil ich der meinung bin, daß jeder hier auch wirklich alles lernen sollte, daß jeder hier gleichberechtigter Schüler oder Schülerin ist, ob aus Slytherin oder Hufflepuff, ob muggelstämmig oder der Nachfahre einer ehrenwerten, reinblütigen Zaubererfamilie. Hier, unter diesem Dach, gelten Fleiß, Kameradschaft, Einsatzfreude und Mitverantwortung, nicht was irgendwer über Muggelstämmige sagt oder welche Gerüchte über manche Familie eines bewohners von Slytherin in Umlauf sind. Sicher wird es jetzt einige in Slytherin geben, die mir unterstellen, ich würde trotzdem mit zweierlei Maß messen und bei Regelverstößen darauf schauen, wer in welchem Schulhaus wohnt. Das stimmt aber nicht. Es ist nur so, daß Art und Auswirkungen eines Regelverstoßes von mir bewertet werden. Und der massive Überfall auf die Gryffindor-Quidditchmannschaft im letzten Schuljahr war eindeutig nichts, was durch irgendwas gerechtfertigt war. Ansonsten gelten mir wie gesagt alle Schüler gleichermaßen, weil sie alle hier sind, um für das Leben zu lernen. Da ich es als meine Aufgabe ansehe, ihnen genug Wissen an die Hand zu geben, sind sie mir alle willkommen. Nur soviel, um unnötige Streitereien von vorne herein zu vermeiden. So, und jetzt esst, damit ihr wieder gut genug erholt für den Unterricht morgen seid!"

Aurora mußte nun doch erzählen, was ihr passiert war, zumindest so weit sie sich daran erinnern konnte. Die Kameraden fragten sich, was als nächstes passieren würde. Denn sie alle hatten die Braut des blutigen Barons und Tigelinus Drachenturm in Hogsmeade noch gut in Erinnerung.

"Wenn meine Eltern hören, wie gefährlich das hier ist, wollen die mich bestimmt auch wieder nach Hause holen", sagte Vivian.

"Deshalb war Daddy D. jetzt auch so sauer, weil wieder wer von den Slytherins einen fetten Bock geschossen hat", sagte Roy. "Denn dann würden nicht nur deine Eltern hier antanzen um ihre liebsten abzuholen, sondern auch die von angeblich anständigen Zaubererfamilien. Die Kiste mit den Sabberhexen hätte meine Eltern bestimmt auch dazu gebracht, mich aus der Zaubererwelt rauszunehmen."

"Ja, aber die sind ja selbst durch ... Okay, muß jetzt nicht sein", sagte Vivian Acer, die es ja doch mitgekriegt hatte, wie übel Roy im letzten Jahr mitgespielt worden war.

"Haben wir es nicht gesagt, daß wenn die Slytherins so weitermachen von denen jeder noch ein Einzelzimmer kriegt?" Fragte Mortimer Aurora. Diese nickte.

"Dumbledore hat insofern recht, wenn er sagt, daß wir nicht besser als dieMehrheit aus Slytherin wären, wenn wir anfingen, die alle über denselben Kamm zu scheren", sagte Bruster. Aurora wunderte sich. Der, der immer von Tonya und deren Spießgesellen gehänselt und auch tätlich angegriffen worden war machte jetzt auf menschenfreundlichen Friedensapostel? Roy fragte ihn, wer in Slytherin denn Brusters Meinung nach verdient habe, daß man besser von ihm spreche.

"Da kann ich dir jetzt keinen zeigen, Roy. Ich meine das eben so, daß nicht alle, die in Slytherin waren schwarze Magier geworden sind."

"Schon wieder diese alte Nummer. Aber dafür waren alle schwarzen Magier früher in Slytherin."

"Wenn du das meinst", sagte Bruster. "Wird es wohl stimmen. Zumindest ... halt, Moment, wir kennen einen, der in Gryffindor war und doch zu ihm, der nicht beim Namen genannt werden darf gehalten hat."

"Die Ausnahme der Regel, Sirius Black", spie Mortimer hin. Aurora nickte. Dann schlug sie vor, über was anderes zu reden, über was, daß man auch irgendwie bewältigen konnte.

__________

Madame Pomfrey empfing in den nächsten Tagen auch die anderen Opfer des Rex Arborum zu einem klärenden Gespräch, wie sie damit zurechtkamen. Als dann ein Ausflug nach Hogsmeade anstand, blieben Dina und Roy wieder im Schloß.

"Die können mir erzählen, was sie wollen, Aurora. Aber ich werde mich nicht noch mal auf dieses Spielchen einlassen, daß mich diese grünhäutigen Weiber erwischen. Also mach's gut in Hogsmeade!"

"Wie ist denn das mit euch beiden, Dina und dir?" Fragte Aurora.

"Als was willst du das jetzt wissen, als Klassenkameradin, Vertrauensschülerin oder Lernschwester von Madame Pomfrey?" Erwiderte Roy verächtlich.

"Such dir das aus, was dir am besten passt oder sage, daß mich das in keiner der von dir erwähnten Rollen was anginge. Das muß ich dann auch akzeptieren", sagte Aurora kalt.

"Es geht jetzt langsam wieder. Offenbar merke ich doch, daß Dina mich nicht verachtet. Zumindest sagt sie mir sowas nicht. Ich selber brauche wohl noch ein wenig Zeit."

"Du hast doch genug davon", sagte Aurora Dawn.

"Nicht seitdem ich das mitgekriegt habe, wie dieser unnennbare Schweinehund meine Eltern umgebracht hat, Aurora. Seitdem freue ich mich ehr darüber, wenn ich die nächste Woche noch erleben kann, auch wenn der Schuft nicht mehr da ist."

"Hmm, verstehe ich", sagte Aurora mitfühlend. Ob sie es wirklich verstand wußte sie nicht. Sie konnte aber im Bezug auf Trauer mitreden.

Tim Preston hatte Hogsmeade-Verbot, bis er alle von McGonagall, Dumbledore und auch Snape aufgehalsten Strafarbeiten abgeleistet hatte. Entsprechend ungemütlich war er, als die Leute von der dritten Klasse an aufwärts sich von ihren Kameraden verabschiedeten und zum Schloßtor hinausstolzierten.

"Ich freue mich schon, wenn ich die Apparierprüfung geschafft habe", sagte Aurora zu Miriam und Petula. "Dann kann ich euch in den Ferien besuchen kommen oder ihr mich."

"Tja, wenn Dreierregel-Twycross uns alle durch die Prüfung bringt", sagte Petula.

"Zumindest kannst du jetzt mehrere Meter weit apparieren", sagte Aurora aufmunternd.

"Tja, aber die Eunice Armstrong hat am siebenundzwanzigsten April geburtstag. Wenn der Kurs um ist kann die die Prüfung im Schlaf machen. Dann kann die ab Mai fröhlich drauf los apparieren."

"Ich, wenn alles klappt ab Ende Mai", warf Aurora ein. Miriam und Petula nickten und sagten, wann sie dann auf Grund des siebzehnten Geburtstages die Prüfung ablegen konnten.

In Hogsmeade ging es wieder hoch her. Nachdem sie am morgen auf einer anderen Übungswiese bei Twycross trainiert hatten und Eunice mal eben ein Dutzend Kilometer weit nach süden übergewechselt war und unversehrt und ohne sonstige Verluste zurückgekommen war fand wieder Markt statt. Doch diesmal war kein fliegenderHändler für fliegende Teppiche mehr da. Die Zwerge verkauften ihre Schmiedeerzeugnisse, darunter Nägel, die in Metallwände eingeschlagen werden konnten. Kobolde streiften durch die Straßen und schnatterten in ihrer Heimatsprache. Aurora und ihre Freundinnen besuchten den Besenknecht und bestaunten die neuesten magischen Kleidungsstücke wie die Socken, die anfingen zu schrien, wenn sie zu sehr durchgeschwitzt waren.

"Könnte ich meinem Onkel in Cardiff schenken", sagte Petula schnippisch. Der braucht immer nur zwölf Paare."

"Im Monat?" Fragte Aurora Dawn etwas angewidert."

"Neh, im Jahr", knurrte Petula. Aurora rümpfte die Nase. Socken über einen Monat nicht zu wechseln hielt sie für eine Barbarei. Doch sie wollte Petula nicht nerven, wenn sie über ihren Onkel herzog.

"Ey, diese Bettdecke da ist schön, die schenke ich Priscilla", sagte Petula und deutete auf eine Bettdecke, die sachte vibrierte und aus sich selbst heraus Warm blieb.

"Wäre mir unheimlich, eine Decke, die vibriert", sagte Aurora.

"Das ist nur, weil sie so da hängt. Hier steht, daß sie so bezaubert wurde, daß sie den, der unter ihr schläft immer gut zudeckt, daß er nicht friert und sich selbst zusammenfaltet, wenn sie nicht benötigt wird."

"Dafür gibt's doch Zauber", meinte Aurora. "Haben wir doch vor einem Jahr im Zauberkunst-Club gemacht, Tischtücher und Decken per Zauberkraft falten."

"Stimmt, hast recht. Ist wohl was für Leute, die sich beim Zaubern zu heftig anstrengen. Priscilla gehört nicht zu denen", sagte Petula. Statt der Decke holte sie für ihre Schwester ein paar bunte Armbänder, die im dunkeln leuchteten.

"Ey, kuck mal, der Nimbus 1700 kommt bald raus", sagte Aurora. Petula nickte.

"Finde ich schon stark von Dumbledore, daß er dir, Mortimer und Cynthia neue Besen besorgt hat."

"Meinen konnte man nach dieser Sache gleich wegschmeißen."

"Ich würde mir im Moment wohl eher den Himmelsstürmer 2 zulegen, weil der gute Zuladungsangaben hat", verriet Petula.

"Du hast wohl recht", sagte Aurora. Miriam verguckte sich gerade in einen faltbaren Kessel. Obwohl sie keinen Zaubertrankunterricht mehr hatte faszinierte es sie, einen praktischen zusammenfaltbaren Kessel zu haben. Doch der Preis von vierzehn Galleonen schreckte sie dann doch ab.

"Die sind doch nicht mehr ganz richtig", knurrte sie. "Ich rede mit Dad, daß die bei Dervish & Banges auch sowas handeln. Dann kriege ich Rabatt."

"Soso", lachte Petula.

Vor den drei Besen trafen sie Mortimer Swift, der seine drei Schwestern wieder ausführen mußte.

"Hi, ihr. Immerhin könnt ihr selbständig rumlaufen", sagte er. "Meine Schwestern meinen, es passiere zu viel in letzter Zeit, obwohl das echt nicht stimmt. Seitdem Ihr-wißt-schon-wer weg ist habe ich endlich das Gefül, ein schönes Leben führen zu können. Aber das ist ja bei drei Schwestern nicht so ganz drin und ..." Roxanne kniff ihm in die Nase.

"Ich verstehe was du meinst", sagte Petula amüsiert. Dafür bekam sie von Rita Swift einen Stubser in die Rippen.

"Wollt ihr in die drei Besen?" Fragte Mortimer. Aurora nickte.

"Ich suche meinen Cousin Bruster. Der hat mich mal wider abgehängt mit diesem Antiverfolgungszauber. Weiß der Teufel, was der so geheimnisvolles zu erledigen hat."

"Der Teufel weiß das?" Fragte Miriam spitzfindig.

"Ja, wenn du ihn rufst, kannst du ihn ja fragen", sagte Mortimer. Dann zog er mit seinen drei Schwestern weiter.

"Das haben wir bis heute nicht raus, was Bruster so umtreibt", stellte Petula fest. Aurora nickte zustimmend. Sie hatte ihn eigentlich mal ganz konkret darauf ansprechen wollen, was es so wichtiges gab, das er keinen darauf kommen lassen wollte.

Weil Vivian Acer gerne noch von den Süßigkeiten aus dem Honigtopf haben wollte war die letzte Station des Ausflugs das Süßwarengeschäft. Dort deckten sich die Mädchen mit allerlei Naschereien ein. Dabei trafen sie auf Pomponia Dervent, die mit einem Schwarm kleiner Jungen und Mädchen im Laden stand.

"Ah, habt ihr euren Ausflug jetzt hinter euch?" fragte die ältere Hexe, deren Ururgroßmutter einmal Schulleiterin in Hogwarts gewesen war. Die drei nickten zustimmend. Dann wünschten sie ihr noch einen schönen Tagesausklang und kehrten nach Hogwarts zurück.

"Na, keine grünen Frauen getroffen?" Fragte Bruster Aurora beim Eingang. Diese sah ihn perplex an und fragte, warum er ausgerechnet sie das fragte.

"Och, ich dachte nur wegen Roy. Wenn die nicht mehr im Dorf rumlaufen haben die ja doch gekriegt was die wollten, besser, sie kriegen es dann wohl bald."

"Also langsam glaube ich, dir macht das Spaß, über Roy herzuziehen", erwiderte Aurora Dawn leicht ungehalten.

"Tut mir leid, wenn das bei dir so angekommen ist. Wollte ich nicht", bedauerte Bruster.

"Mortimer hat uns erzählt, du hättest wieder diesen Impersecutio-Zauber angewendet. Hattest du eine geschäftliche oder rein private Verabredung?" Konterte Aurora nach der Frage mit den Sabberhexen.

"Sind mir einfach zu viele, die mir auch in Hogsmeade hinterherschleichen wollen um's dann in Hogwarts rumzutratschen. Ich kann den Zauber. Damit kann ich mir solche Leute vom Hals halten. Die reden zwar dann noch mehr über mich, aber wissen tun die dann nichts genaues."

"Ich hoffe nur für dich, daß das, was du so anstellst nicht illegal oder zumindest unanständig ist", sagte Petula.

"Das kommt dann ganz auf den Betrachter an, was Anständig ist", sagte Bruster abfällig. Dann ging er weiter.

"Glaubst du echt, der ist als Vertrauensschüler die gute Wahl gewesen?" Fragte Miriam Aurora.

"Nun, wenn Dumbledore zwischen Mortimer und Roy hätte auswählen müssen ... hätte Mortimer vielleicht was werden können. Aber Dumbledore hat Bruster ausgewählt. Der sollte schon wissen wieso."

"Irgendwas hat der am laufen, Aurora. Er will nur nicht, daß das jeder mitkriegt. Also muß es was sein, daß ihn und wen auch immer ziemlich arg reinreitet. Dann kann das doch nur was unerlaubtes sein", sagte Miriam halblaut.

"Das heißt, ich soll ihm dann hinterherschnüffeln, Miriam? Vergiss es!" Erboste sich Aurora Dawn. Miriam verzog zwar das Gesicht, sagte aber nichts weiteres.

__________

Die Ravenclaws wußten nicht, wen sie eigentlich anfeuern sollten, als Gryffindor gegen Hufflepuff antrat. Denn wenn die Gryffindors mehr als 400 Punkte erzielten, konnte Ravenclaw von der Pokalverteidigung nur noch träumen. Andernfalls würden die Slytherins mit ihren über 800 Punkten uneinholbar sein, wenn Gryffindor heute nicht gut spielte. Doch Gryffindor spielte sehr gut und hatte am Ende des Spiels mit 40 Toren und Schnatzfang 550 Punkte.

"Also Letzter sind wir schon mal nicht mehr", meinte Roy Fielding zu Aurora. Diese sagte:

"Mir wäre es lieber gewesen, wenn die nicht zu hoch gewonnen hätten. Immerhin denken die schon an den Pokal. Da können wir sie vielleicht fertigmachen."

"Oder die uns", meinte Roy Fielding.

"Nach Ostern wissen wir es, wie die Lage aussieht", sagte Aurora DAwn.

Als sie dann im Zug zurück nach London saßen und sich überlegten, was sie in den Ferien machen sollten, verkündeten Dina und Roy eine Überraschung:

"Roy und ich haben uns ausgesprochen und uns gegenseitig gefragt, ob wir heiraten wollen", sagte Dina. Die Mädchen im Abteil sahen sie verblüfft an. Petula fragte geheimnistuerisch:

"Und hat er "ja" gesagt?"

"Ja, hat er, genau wie ich. Wir sind der Meinung, daß es kein Schulgesetz gibt, daß Paaren verbietet zu heiraten, wenn die eh schon volljährig sind. Roy muß das noch mit seiner Schwester bereden. Ich spreche in den Ferien mit meinen Eltern. ich hoffe, die versuchen mir das nicht wider auszureden."

"Wenn sie denken könnten, daß du dich zu früh bindest oder was?" Fragte Petula.

"Das auch oder was mir an Roy so gefällt und ob ich das tue, damit er sich nicht andauernd Vorwürfe wegen der Sabberhexen macht. - mal sehen und hoffen", erwiderte Dina. Roy sagte dazu:

"Also, damit ihr auch meine Version erfahrt, Mädels und Bruster, ich wurde von Dina gefragt, ob ich mir eine gemeinsame Zukunft vorstellen könnte. Da habe ich sie gefragt: "Willst du mich heiraten." Tja, und das will sie wohl."

Auf dem Bahnsteig begrüßten die Dawns ihre Tochter und reisten mit ihr ins alte Landhaus. Dort mußte Aurora alles haarklein erzählen, was sie in den Monaten zwischen Weihnachtsferienende und Osterferienanfang erlebt hatte. Als sie die Sache mit dem Baum zu Ende erzählt hatte meinte Hugo Dawn:

"Also an und für sich hätte man das viel früher nachprüfen müssen, ob es von diesem Dairon noch was altes und gefährliches gibt. Aber ich bin froh, daß du da doch ziemlich gesund aus der Sache rausgekommen bist."

"Ich auch, Dad", sagte Aurora ehrlich. "Ich auch."

ENDE

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