DIE GROßE COUSINE

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

E-Mail: hpfan@thorsten-oberbossel.de
http://www.thorsten-oberbossel.de

Copyright © 2007 by Thorsten Oberbossel

__________

P R O L O G

Das letzte Jahr steht an. Die nun volljährige Hexe Aurora Dawn sieht dem Ende ihrer Schulzeit in der britischen Zaubererschule Hogwarts entgegen, in der sie so viele schöne, aber auch unheimliche Sachen erlebt hat, ihre erste Liebe fand, die jedoch kein Jahr halten durfte und als Vertrauensschülerin große Verantwortung für ihre jüngeren Mitschüler übernehmen muß, ihnen und sich aber auch durch die Aufhebung eines Eigenbesenverbotes mehr Möglichkeiten für die rasante Sportart Quidditch eröffnet hat. Sie ist geprägt von den Ereignissen, die sie teils hilflos, teils mit Entschlossenheit und Mut erfahren mußte und stellt sich bereits vor, nach ihrer Schulzeit die magische Heilkunst zu erlernen und daraus ihren Beruf zu machen. Die dunklen Zeiten des von ihren Mitzauberern ungern beim Namen genannten Schwarzmagiers Lord Voldemort sind wohl vorüber, doch immer noch wirkt die Macht des Bösen, selbst aus tiefer Vergangenheit fort, wie die übermächtige Geisterbraut des blutigen Barons oder Dairons ungeheuerlicher, Menschen mit Leib und Seele verschlingender Riesenbaum deutlich zeigen. Doch sie weiß durch einen Besuch in Frankreich auch, daß das Erwachsenenleben nicht nur Beruf und Pflichterfüllung sein muß und es immer wieder neues geben kann.

Sie freut sich, vor dem Beginn des neuen Jahres noch etwas sehr schönes erleben zu dürfen. Denn zwei ihrer Klassenkameraden wollen sich die Hand zum Lebensbund reichen.

__________

Der Raum war gemütlich eingerichtet. Matt rosa gestrichene Wände und helle Teppiche schenkten ihm eine behagliche, aufhellende Atmosphäre, die jeden umfloß und durchdrang, der sich hierher begab. Große Fenster ließen viel Tageslicht ein oder erlaubten dem Mond, sein silbernes Licht in dieses heimelige Zimmer zu ergießen. Doch die Fenster waren eine magische Täuschung, eine in Glas gebannte Illusion, die den Eindruck großer Offenheit vermitteln sollte. Wer immer die seltene Erlaubnis bekam, den Raum mit seinen zwanzig Stühlen um einen langgezogenen eliptischen Tisch zu betreten und nicht wußte, daß dieses Zimmer tief in den granitenen Eingeweiden eines Berges lag, wäre nie im Leben darauf verfallen, das auch nur ansatzweise für möglich zu halten. Nur wer wie die hagere, schon von mehreren Dutzend Sommern gesegnete Hexe im langen, indigo farbenen Kleid mehrere Tage hintereinander in diesem Zimmer zugebracht hatte, wußte, daß die Ansichten, die die Fenster boten scheinbar willkürlich den Standort wechselten. Mal lag der Raum scheinbar am Meer, mal auf einer Waldlichtung oder in der Spitze eines Turmes, der majestätisch über eine uralte Stadt aufragte. Einmal hatte die Bildverpflanzungsmagie sogar ein Haus in den Wolken vorgegaukelt, als schwebe das Zimmer Meilen hoch über dem Boden. Besagte Hexe, die diese netten Bilderschauen schon ausgiebig genossen hatte, thronte gerade in einem hochlehnigen Stuhl vor Kopf des eliptischen Tisches, auf dem mehrere Blumenvasen mit Sommerblumen standen. Sie sah auf die Tür, die jedoch genauso Schein war wie die Aussicht der Fenster. Wer hier hinein wollte mußte apparieren, was nur gelang, wenn die Hexe im Indigo farbenen Kleid dies ausdrücklich erlaubte. Gerade ploppte es auf Höhe der wie aus massiver Eiche wirkenden Tür. Zwei andere Hexen waren Hand in Hand appariert, von den vielen äußerlichen Gemeinsamkeiten her eine Mutter mit ihrer gerade erst zur Frau herangereiften Tochter.

"Ah, da seid ihr ja. Pünktlich wie es sich gehört", begrüßte die bereits hier wartende Hexe lächelnd. Die beiden Neuankömmlinge verbeugten sich tief, als huldigten sie einer Königin.

"Setzt euch zu mir!" Forderte die wartende Hexe. Sie sah die ganz junge Hexe an, die bestimmt erst wenige Monate lang volljährig war. Diese trug ein hellgrünes Kleid ohne Verzierungen, während ihre Mutter ein himmelblaues Kleid mit weißen Rüschen trug. Kein Außenstehender hätte daran erkannt, daß hier eine Bittstellerin und Fürsprecherin mit einer Beitrittswilligen angetreten war.

"Es kommt selten vor, daß jemand noch während der Zaubereigrundausbildung von mir für berechtigt befunden wird, dem Erbe des Blutes zu folgen, sagte die Hexe in Indigo. Ihre an einigen Stellen schon ergrauten, goldblonden Haare hingen seidenweich auf ihre Schultern herab, und durch die Goldrandbrille mit den halbmondförmigen Gläsern blickten zwei noch sehr lebhafte, stahlblaue Augen. Die Junghexe, die anderswo noch als Mädchen durchging, fühlte sich entfernt an den Leiter ihrer Schule erinnert, der ebenfalls halbmondförmige Brillengläser benutzte, wohl um nicht zum lesen und weitblicken eine neue Brille aufsetzen zu müssen. Sie fühlte sich unglaublich geehrt, jetzt schon vor sie hintreten zu dürfen, die oberste Hexe im Reigen der stillen Schwestern.

"Nun, Lady Sophia, ihr wißt, daß meine Tochter alle Anforderungen erfüllt hat und bereit ist, beizutreten", sagte die Mutter der jungen Hexe. Die Angesprochene nickte und lächelte der Junghexe aufmunternd zu.

"Ich verstehe sehr wohl, was Ursina und andre dazu bewogen hat, deine Aufnahme zu befürworten. Doch wir müssen warten, bis die höchsten unter uns der letzten Befragung und meiner Entscheidung beiwohnen. Norma kann nicht kommen, weil sie mit ihren Kindern einer Hochzeitsfeier beiwohnen muß, wo auch Albus Dumbledore anwesend ist. Es würde unnötiges Aufsehen erregen, wenn sie nicht dabei ist, wo die Brautleute alle Eltern ihrer Gäste mit eingeladen haben."

"Schade", sagte die Mutter der jungen Hexe. "Es gibt da was, das ich gerne mit ihr besprochen hätte, wo wir unter uns sind. Aber das wird dann wohl warten müssen."

"Denke ich auch. Denn die Zeit reicht gewiß aus", erwiderte Lady Sophia gutmütig dreinschauend. Daß in ihrem Kopf ein gewisses Ungemach herrschte, weil sie sehr wohl wußte, welchen Weg die von ihr heute zu befragende Junghexe einschlagen würde, sie aber den Statuten der Schwesternschaft nach nichts dagegen machen durfte außer denen Maßhalten zu empfehlen, die diesen Weg vorangingen, stimmte sie nicht gerade glücklich. Doch die Hoffnung durfte nie aufgegeben werden, daß eine neue Schwester sich der besonnenen, friedliebenden Seite zuwandte, die doch noch den Großteil der geheimen Schwesternschaft ausmachte. Wenn das junge Mädchen alle Fragen zufriedenstellend beantwortete und den Eid des Schweigens abzulegen bereit war, mußte sie sie wohl aufnehmen und damit Mitschwestern wie Ursina Underwood den Willen lassen, mit der neuen Mitschwester ihr Spiel zu treiben.

Weitere Hexen apparierten in unauffälliger Kleidung, meistens solche, die bereits über vierzig waren. Eine Hexe mit graubraunem Haar und großen blauen Augen begrüßte die beiden Ehrengäste mit einer kurzen Umarmung, was von Lady Sophia mit einer kurzen aber doch unmißverständlichen Handbewegung beendet wurde. Insgesamt trafen sich nun zwanzig Hexen, die sich um den Tisch herum gruppierten. Keine sprach nach der angemessenen Begrüßung der großen Vorsitzenden auch nur ein Wort. Alle warteten. Als dann, nach ungefähr einer Stunde und mehr als drei Dutzend Fragen Lady Sophias die Beitrittswillige mit einem Kopfnicken dazu eingeladen wurde, ihre Hände auf einen silbernen Teller mit großen Verzierungen zu legen und feierlich schwor, die Gebräuche und Regeln der Schwesternschaft zu befolgen und keinem außenstehenden von sich aus zu verraten, wer alles dazugehörte, ja auch nicht, daß sie selber dazugehörte, leuchtete der Teller golden auf und erzeugte einen mittelhohen Summton. Zehn Sekunden lang hielt dieser vor. Dann klatschten die Anwesenden Beifall und umarmten die neue Mitschwester.

"Sei dein Lebensweg stets von Vernunft, Entschlossenheit und Fleiß getragen!" Wünschte Lady Sophia der neuen und gab ihr einen Kuß auf jede Wange, die Stirn und dann noch den Mund. Dann bedankte sie sich bei den Anwesenden, daß sie die Aufnahmezeremonie bezeugt hatten und wünschte allen noch einen schönen Tag. Als bis auf die beiden Erstankömmlinge alle wieder verschwunden waren sagte sie noch zu dem Mädchen:

"Ich weiß, daß Ursina euch beide bereits auf ihre Ziele einzuschwören vorhat. Ich möchte dich nur bitten, junge Schwester, daß du es dir doch gut überlegst, wem du damit wie hilfst, wenn du dich ihrem Weg unterordnest. Du weißt ja noch, welche große Finsternis jene Mitschwestern in der Vergangenheit umgeben hat, als die Nichte der Französin unseren ehrbaren Orden tyrannisierte. Also wähle weise, welchen Weg du gehen möchtest!"

"Das werde ich, Lady Sophia", sagte das junge Hexenmädchen, tunlichst darauf bedacht, den eigenen Geist für Außenstehende ungreifbar zu halten. Ihre Mutter sagte nichts dazu. Ungefragt auf einen Rat der obersten Vorsitzenden zu antworten war ziemlich unklug. Sie nahm ihre Tochter wieder bei der Hand und disapparierte mit ihr. Lady Sophia wartete noch eine Minute. Dann verließ sie den freundlichen Raum auf dieselbe Weise. Schlagartig wurde alles dunkel, denn die Bildverpflanzungszauber wurden nun nicht mehr benötigt, und die ewige Nacht der Höhle tief im Berg durfte vorerst wieder regieren, bis Sophia zurückkehrte, um hier die heimlichen Angelegenheiten ihrer Schwesternschaft zu behandeln.

Mutter und Tochter apparierten vor einem Landhaus, wo bereits Ursina Underwood wartete.

"Hat dir die gute Sophia geraten, bloß nichts mit mir zu schaffen zu haben, was über die üblichen Sachen hinausgeht?" Fragte diese leicht verächtlich. Die junge Hexe nickte. Dann lächelte sie.

"Die weiß eh schon, daß ich mit Euch zusammenarbeiten möchte, Mylady. Nur machen kann sie daran nix, so sind die Regeln."

"Oh, sie könnte schon, wenn sie nicht so unbändig einfühlsam und bedächtig wäre", erwiderte Ursina. "Aber kommt bitte rein! Ich will jetzt von dir hören, was ich bisher von deiner Mutter gehört habe!" Wandte sich Ursina an die frische Mitschwester. Sie gingen ins stattliche Haus Ursina Underwoods, wo dienstbare Hauselfen bereits eine kleine Festtafel vorbereitet hatten. Bei Met und Rotwein wurde die erfolgreiche Aufnahme der jungen Hexe noch einmal ausgiebig gefeiert. Dabei fragte Ursina die neue Mitschwester gezielt, was von dem, was sie bereits vorgearbeitet hatte vollendet war und was nicht.

"Ihr hattet Recht, Mylady, daß offenbar noch einer von den Todessern mächtig genug ist, um den Emporkömmling zu beerben, und daß dieser Leute in Hogwarts hat, die ihm zuarbeiten sollen, gerade außerhalb von Slytherin. Offenbar hat dieser Typ bereits angefangen, sich aus der Deckung zu begeben und einen seiner Spione in Hogwarts drauf angesetzt, die besser gestellten Zaubererfamilien auszuforschen. Wenn wir nicht wollen, daß die Bande um den Emporkömmling schon bald einen neuen Anführer kriegt, müssen wir was ausknobeln, um diesen Spion auszuschalten, ohne daß das auffällt."

"Ja, und deshalb mußte ich die gute Sophia darauf bringen, dich schon vor dem letzten Schuljahr mit allen Rechten und Pflichten bei uns aufzunehmen", erwiderte Ursina. Die junge Hexe nickte und sagte dann leicht beklommen:

"Wir müssen es auf jeden Fall bald schaffen, weil es sonst drin ist, daß wir auffliegen. Es war wohl ein Fehler, im letzten Sommer gegen diese Morpuora zu kämpfen. Hätte ich mit rechnen müssen, daß die es merkt."

"Wieso, hat die denn wem irgendwas erzählt, du hättest was mit ihr zu tun?" Fragte Ursina Underwood.

"Nicht eindeutig, aber klar genug, um drauf zu kommen", erwiderte die junge Hexe leicht verunsichert. "Sie hat es einer Vertrauensschülerin der Ravenclaws erzählt, die damals auch mit in die Sache verwickelt war."

"Oh, du meinst die Tochter von Hugo und Regina Dawn, die deiner Hausmannschaft dieses Jahr mal wieder schön die Pokalfreude vermasselt hat?" Fragte Ursina Underwood.

"Eben die, Lady Ursina", bestätigte die frischgebackene Mitschwester. "Was soll ich jetzt machen?"

"Am besten nichts. Das kommt eben davon, wenn ihr eure Spielchen treibt, wenngleich ich das natürlich verstehe, daß ihr neugierig wart und es sich trefflich für die Sache angeboten hat, die deine Mutter dir aufgetragen hat", sagte Ursina mit einer Mischung aus Schadenfreude und Tadel. "Wem hat sie es denn alles erzählt?" Wollte sie dann noch wissen. Die junge Hexe sagte es ihr. Ursina nickte und erwiderte dann: "Dann verhaltet euch ruhig und macht weiter wie bisher. Wenn sie euch nicht draufkommt, müssen wir auch nichts tun. Wird eh für einige ein gewisses Befremden sein, wenn ihr beide euch am Schuljahresende wirklich fest binden wollt."

"Er meinte schon, ich solle ihm doch sagen, hinter wem seine mutter, meine Mutter und ich herseien. Aber das kann ich ihm doch nicht verraten", beteuerte die junge Hexe. Ihre Mutter und Ursina nickten.

"Auch wenn er das Blut unserer großen Vorschwestern in sich hat darf er von uns nicht mehr wissen als er unbedingt wissen muß. Seine Mutter wird ihm das schon erklärt haben. Aber danke für die Warnung vor dieser großnasigen Sabberhexe! Sollte die junge Ms. Dawn wirklich erahnen, was los ist, werdet ihr das früh genug erfahren, hoffe ich."

"Ich denke, das kriegen wir dann ohne großen Terror hin", meinte die junge Hexe.

"Überhaupt keinen Terror, Mädchen", knurrte Ursina. "Gegen Hexen haben wir nie die Hand erhoben, wenn sie nicht eindeutig gegen uns kämpften. Beherzige das immer!"

"Natürlich, Mylady", erwiderte die neue Ordensschwester unterwürfigst. Ursina nickte nur. Dann sprachen sie über die Belanglosigkeiten des Alltags, der Arbeit, der Schule und der Familie.

__________

Aurora Dawn freute sich wie ein kleines Mädchen auf den Weihnachtsmann. Sie hatte gerade eine mit bunten Buchstaben gedruckte Einladungskarte von Roy Fielding und Dina Murphy erhalten, auf der ein innig umarmtes Brautpaar zu einer unhörbaren Musik Walzer tanzte. Darunter stand:

"Sehr geehrte Ms. Aurora Dawn,

wir, Ms. Dina Murphy und Mr. Roy Fielding haben beschlossen, uns am dritten August im Gemeindehaus von Hogsmeade vor allen Menschen das feierliche Jawort zu geben. Wir möchten Sie bitten, bei diesem feierlichen Anlaß unser Gast zu sein und zusammen mit Ihren Eltern am Morgen des besagten Tages, gegen halb zwölf, vor dem Gemeindehaus unsere Ankunft zu erwarten. Wie Sie bereits erfahren durften wird der hochehrenwerte Zeremonienmagier Logophil Nodberry aus Devon die feierliche Trauung vornehmen, auch und vor allem auf die Bitte unseres Schulleiters hin. Falls Sie aus irgendwelchen bedauerlichen Gründen nicht zum erwähnten Tag zu uns stoßen können bitten wir Sie darum, uns eine Woche vorher darüber zu informieren, um die Vorbereitungen für die anschließend in der Schenke zum Eberkopf stattfindende Feier so gut es geht treffen zu können. Allerdings hoffen wir sehr darauf, Sie und Ihre Eltern am dritten August als Zeugen und Gäste unserer feierlichen Trauung begrüßen zu dürfen.

Hochachtungsvoll
                    Dina Murphy und Roy Fielding"

Nachdem Aurora ihren Eltern die Karte vorgelesen hatte sagte ihr Vater sofort:

"Oh, daß deine Klassenkameraden uns auch einladen erstaunt mich etwas. Ich dachte, die laden nur die Verwandtschaft und die unmittelbaren Freunde ein."

"Bruster Wiffle ist Trauzeuge von Roy, Dad", sagte Aurora Dawn. "Offenbar wollte Roy seinem Muggelvater zeigen, wie bei Zauberern und Hexen geheiratet wird."

"Achso, daß die sich nicht durch irgendwelche Liebestränke gegenseitig behexen müssen", grinste Auroras Mutter, die mit ihren rotbraunen Haaren und den graublauen Augen gar nicht so aussah, als stamme die nun als junge Frau zu sehende, schwarzhaarige Hexe mit den graugrünen Augen unmittelbar von ihr ab.

"Regina, du findest es vielleicht komisch oder übertrieben, daß jemand einem Muggelverwandten alltägliche oder besondere Sachen aus der Zaubererwelt vorführen muß, damit er davon überzeugt ist, daß wir uns eben nur durch den Gebrauch von Magie von anderen Leuten unterscheiden", erwiderte Hugo Dawn. "Aber ich habe es auf meinen Reisen immer wieder erlebt, daß Leute mit Muggelverwandtschaft arg damit zu tun hatten, denen ihre Welt vorzustellen, zumal sie sie ja auch nicht überall mit hinnehmen konnten. Da finde ich es schon sehr beachtenswert, wenn Bruster darum bittet, seinen Vater auch dabeizuhaben. Und damit das nicht zu einem besonderen Ding aufgeblasen werden kann haben die beiden Hochzeiter gleich alle anderen Elternpaare mit eingeladen. Dann fällt es nicht auf."

"Hoffentlich übernehmen sich die Geschwister Fielding nicht damit", unkte Auroras Mutter. "Selbst wenn sie nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern einiges geerbt haben könnte eine große Hochzeitsfeier sie in arge Schulden treiben. Ich hörte oft, daß manche Brauteltern ihr Leben lang die Hochzeit jeder Tochter abbezahlen mußten."

"Tja, Regina. Dann bin ich doch irgendwie froh, daß wir nur die eine haben", erwiderte Hugo Dawn darauf. Aurora sah ihn etwas verärgert an. Seine Frau blickte ihn gar sehr drohend an. Doch dann mußte sie unwillkürlich lachen, was ansteckte. So war es beschlossen, daß sie am dritten August in Hogsmeade dabei sein sollten. Allerdings wandte Auroras Mutter ein, hätten sie für die anschließende Feier ein etwas besser beleumundetes Gasthaus wählen sollen, da der Eberkopf doch eher Treffpunkt von nicht ganz gesetzestreuen Zeitgenossen sei und die Sauberkeit dort auch nicht gerade erfunden worden sei. Dann überlegte sie und nickte.

"ich denke, Dumbledore, der mit dem Inhaber dieser Lokalität sehr gut bekannt ist, hat sich da schon seinen Teil bei gedacht. Allerdings müssen die dann die ganzen Strauchdiebe aussperren, die sich da sonst treffen."

"Mach dem Mädchen keine Angst, Regina!" Lachte Hugo Dawn. "Sicher, Leute wie Dung Fletcher oder Johnnys Freund Lefty genießen zeitweilig einen merkwürdigen Ruf. Aber im Gegensatz zu den wirklich schlimmen Leuten sind sie bisher nie auf Raub und Mord verfallen."

"Höchstens auf Unterschlagung, Schiebung oder Diebstahl", warf Regina Dawn ein. "Besonders was besagten Lefty angeht noch groben Unfug und Vandalismus einbezogen."

"Wegen dieses Weckwolfs?" Fragte Hugo Dawn. "Erinnere mich nicht dran!"

"Ich wollte auch nur sagen, daß es da sonst von Leuten wimmelt, vor denen ich damals einige Schüler schon gewarnt habe, die unbedingt in den Eberkopf wollten. Immerhin habe ich als junges Mädchen da auch mal eine Minute dringestanden. Da hat der alte Abby schon bedient. Ein Schulkamerad aus der UTZ-Klasse hat erzählt, der müsse alle Sachen so sortieren, daß er sie sofort findet, weil er nicht richtig lesen könne. Wie der dann Zaubern gelernt hat ist mir da zwar fraglich. Aber mich interessierte die Sache eh nicht so großartig, weil der Laden einfach nur heruntergekommen aussah."

"Tja, aber wie du gesagt hast, Regina, wird es wohl Dumbledore zu verdanken sein, daß dort gefeiert wird", sagte Auroras Vater.

"Gut, reden wir nicht weiter davon!" Bat ihre Mutter. "Wißt ihr denn schon, wer das neue Schulsprecherpaar wird?" Fragte sie Aurora zugewandt.

"Bis heute habe ich nichts darüber gehört", erwiderte Aurora. "Ich hoffe nur nicht, daß Tonya Rattler oder ich das machen müssen. Tonya nicht, weil die sich dann noch mehr auf ihren Klüngel einbildet, und ich will die Sonderverantwortung nicht noch haben."

"Das hast du vor zwei Jahren auch schon mal so oder so ähnlich gesagt, Aurora", erinnerte sich ihr Vater daran, wie verknirscht sie ganz am Anfang geguckt hatte, als sie das Vertrauensschüler-Abzeichen bekommen hatte. Aurora nickte.

"Ich hoffe, Cynthia oder Eunice kriegen das ab", sagte Aurora. "Cynthia hat sich eh eher auf Betreuungssachen festgelegt, und Eunice ist in den praktischen Zauberfächern so überragend, daß sie wohl keine Probleme hat, etwas nebenbei zu machen."

"Andererseits wäre es doch schön, wenn du Schulsprecherin würdest, Aurora. Dann würde June nicht mehr die Einzige aus der lebenden Verwandtschaft sein, die das geschafft hat", sagte Auroras Mutter. Hugo grinste dazu nur.

"Tja, hat dir schon arg zugesetzt, daß deine Schwester bereits in der sechsten Klasse Schulsprecherin wurde, weil keine der Siebtklässlerinnen besser oder schlechter als Durchschnitt war", feixte er. Regina Dawn grummelte nur was und bat dann darum, das Thema wieder zu wechseln. Aurora sagte dazu nur:

"Du hast das angefangen, Mum, nicht ich."

"Okay, lassen wir das bitte!" Beharrte Regina Dawn darauf, das Thema zu wechseln.

Zwei Tage später traf wieder Post für Aurora ein. Es war die Liste der Schulbücher, sowie die übliche Ankündigung für den Schuljahresbeginn und ein Brief von Eunice Armstrong, die sich im letzten Jahr so unvermutet gut in ungesagten Zaubersachen erwiesen hatte. Sie schrieb Aurora, daß sie von Dumbledore das Schulsprecherabzeichen zugeschickt bekommen habe, mit einem persönlichen Brief, in dem er sie für ihre überragenden Leistungen in den letzten zwei Jahren gelobt habe. Aurora zeigte ihrer Mutter den Brief. Sie sah leicht enttäuscht drein, während Aurora sehr zufrieden aussah.

"Jetzt wird June wohl die einzige bleiben, es sei denn, Agatha oder die Kleine beerben sie in dieser Funktion. - Gut, kann man jetzt nichts gegen machen. Du wolltest ja, daß Ms. Armstrong das Schulsprecherinnenabzeichen kriegt. Hat sie dir denn auch geschrieben, wer ihr Partner dabei sein wird?"

"Doch, hat sie. Es ist Bruster Wiffle", rückte Aurora mit dem Knüller des Tages heraus. "Jetzt kann sich die blöde Rattler warm anziehen. Wenn sie ihm jetzt dumm kommt, kann er auch ihretwegen Punkte von Slytherin abziehen."

"Ich denke mal, sie wird sich dessen sehr schnell bewußt werden", sagte Auroras Mutter mit verhaltenem Lächeln. "Zumindest denke ich, daß dein Klassenkamerad nicht meint, sich für all die Nickligkeiten rächen zu müssen, die sie ihm in den Jahren davor angetan hat."

"Ich denke mal, daß Dumbledore Bruster schon entsprechend angeleitet hat", vermutete Aurora Dawn. Ihre Mutter nickte zustimmend. "Wird auf jeden Fall interessant, wenn die beiden irgendwie zusammen den ganzen Laden hochhalten müssen und ...", sagte Aurora noch, als es im Kamin ploppte. Auroras Tante June blickte aus dem kleinen Feuer im Wohnzimmer heraus.

"Hallo, ihr beiden. Wie geht's?"

"Hallo, June", grüßte Regina Dawn zurück. "Wir unterhalten uns gerade darüber, wer die neuen Schulsprecher geworden sind."

"Oh, wegen was ähnlichem habe ich meinen Kopf in euren Kamin gesteckt. Philipp ist als Vertrauensschüler nachgerückt. Aurora, du wirst also das Letzte Jahr noch mehr mit ihm zu tun bekommen, weil er sich ja mit dieser Rolle erst anfreunden muß. Für ihn kam das wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel", erwiderte June Priestley hocherfreut strahlend.

"Wieso, mit der Mutter", gab Regina Dawn zurück. "Hätte mich sehr gewundert, wenn er es nicht geworden wäre."

"Oh, danke für dieses hohe Zugeständnis, Regina. Aber du hast ja immerhin auch eine V-Trägerin hervorgebracht."

"Immerhin, June. Immerhin", erwiderte Regina Dawn zufrieden. Damit stand für Aurora fest, daß das neue Schuljahr in jeder Hinsicht sehr fordernd sein würde. Nicht nur, daß sie die letzte Stufe ihrer Zauberschulzeit erklimmen sollte, sondern auch daß ihr Klassenkamerad Bruster zum Vertrauensschüler berufen worden war und ihr Cousin Philipp ein frischgebackener Vertrauensschüler war, der wie sie wohl erst mit der neuen Rolle warm werden mußte. Doch vorher, so beschloß Aurora Dawn, wollte sie Roys und Dinas Hochzeit genießen und erleben, wie das dann noch in der Schule weiterlernende Ehepaar klarkam.

__________

Der dritte August grüßte mit einem herrlich rotgoldenem Sonnenaufgang. Aurora Dawn war mit ihrem Vater bereits um sechs Uhr draußen an der frischen Luft. Aurora führte ihrem Vater vor, wie sie im letzten Quidditchspiel der Saison ihre Gegner ausgekontert hatte. Leider hatten die Gryffindors im letzten Spiel den Schnatz gefangen und damit den entscheidenden Punktevorsprung herausgeholt.

"Denkst du, daß du im nächsten Schuljahr noch einmal den Pokal hochhalten darfst?" Fragte Auroras Vater.

"Ich denke, wenn wir uns richtig reinhängen ganz sicher, Dad. Mortimer und Bruster sind ja wie ich im letzten Jahr. Da wollen wir's noch mal wissen."

"Immerhin hast du den Pokal zweimal gewonnen, mehr als ich je in meiner Schulzeit erlebt habe. Da ging's meistens um Slytherin oder Gryffindor", erwiderte Hugo Dawn. Aurora nickte dazu nur.

Gegen halb elf verschwanden Mutter und Tochter Dawn in ihren Ankleideräumen, um sich mit der richtigen Garderobe und dezenter Kosmetik auf den Besuch bei Roys und Dinas Hochzeit vorzubereiten. Hugo Dawn las derweil noch ein wenig in der Zeitung, wo ein Artikel über Wüstenuhus drinstand, die in den südeuropäischen Ländern gerade zu den neuesten Postvögeln herangezüchtet wurden. Erst gegen elf Uhr schabte er sich die Bartstoppeln aus dem Gesicht, schlüpfte in den waldgrünen Samtumhang, den Seine Frau ihm herausgesucht hatte und striegelte seine pechschwarze Mähne, die seine Tochter von ihm geerbt hatte. Gegen Viertel nach elf erschienen Mutter und Tochter mit rosigen Wangen und leicht vergrößert wirkenden Augen mit seidenweichen Wimpern, hauchzart frisierten Haaren, wobei Aurora ihrem schwarzen Schopf noch einen überirdischen Spiegelglanz verpasst hatte. Die Mutter hatte sich einen stahlblauen Seidenumhang mit Spitzen an Kragen und Säumen angezogen, während Aurora einen meergrünen Festumhang aus Tüll zum ersten Mal ausführen wollte, der hier als nachträgliches Geburtstagsgeschenk gewartet hatte. Eine hauchzarte Silberkette lag um ihren Hals, und sie trug an jedem Arm drei dazu passende Armbänder. Ihre Mutter legte keinen großen Wert auf zusätzlichen Schmuck. Lediglich eine goldene Spange, die auf Nackenhöhe ihr Haar zusammenhielt, verzierte sie.

"Wolltest du den Zylinder von deinem Vater nicht aufsetzen?" Fragte Regina Dawn, während sie für sich und ihre Tochter zwei weiße Hexenhüte aus der Garderobe hervorkramte.

"Ich möchte nicht altbacken oder übermäßig ehrwürdig herumlaufen, Regina", sagte Hugo. "Außerdem denke ich, daß der Bräutigam entsprechendes aufsetzen könnte."

"Du willst doch nicht etwa den grünen Jägerhut aufsetzen, den dir dieser Friedebold Eschenwurz geschenkt hat", erwiderte seine Frau leicht mißgestimmt.

"Oh, wäre eine gute Idee, Regina. Aber ich nehme dann doch den dunkelbraunen Hut, den du mir vor der letzten Dienstreise gekauft hast", erwiderte Hugo Dawn und holte die besagte Kopfbedeckung hervor und setzte sie auf.

"So, Aurora. Wo der Festplatz von Hogsmeade ist weißt du ja sehr gut", sagte Hugo Dawn. Am besten apparierst du dort zu erst."

"Kein Problem", erwiderte Aurora. Sie verließen das mit mehreren Antiapparierflüchen gesicherte Landhaus, dessen Grundsteinlegung wohl in der Regierungszeit der ersten Königin Elisabeth erfolgt war. Einige Dutzend Meter davon entfernt stellten sie sich auf, sicherten nach allen Seiten ab, ob ein Muggel ihnen zusehen mochte, vor allem Aurora, die das vor wenigen Monaten erst gründlich verinnerlicht hatte. "Wenn Sie in einer von Nichtmagiern besiedelten Gegend unter freiem Himmel disapparieren wollen schauen Sie sich erst um, ob ihnen vielleicht jemand dabei zusehen könnte!" Hatte Wilkie Twycross, der ministeriale Apparierlehrer gepredigt, nachdem die Mehrheit seiner Schüler endlich die Dreierregel richtig umsetzen konnte. So blickte sie umher, befand, daß kein Muggel ihr zusehen würde, verfiel in eine konzentrierte Anspannung und drehte sich elegant auf der Stelle, wobei ihre Erscheinungsform für einen winzigen Moment flimmerte und dann fast übergangslos in Nichts aufging. Dabei ertönte ein Ploppen, wie von einer gerade entkorkten, großen Weinflasche.

"So leise kriege ich das bis heute nicht hin", bemerkte Hugo Dawn etwas neidisch aber auch sehr stolz.

"Ihr Männer habt eben kein Gefühl für fließende Bewegung", feixte Regina Dawn und vollführte, weil sie doch wesentlich geübter war als ihre Tochter, ohne großes Vorspiel die selbe Bewegung, wobei es ebenso ploppte. Hugo Dawn schloß für einen Moment die Augen und warf sich in die Apparation. Fast zeitgleich krachte es dort, wo er verschwand und dort, wo er wiedererschien. Nur das zwischen Ausgangs- und Zielpunkt mehrere hundert Kilometer lagen.

Die Dawns waren vollzählig auf der großen Festwiese angekommen, dort wo Aurora vor einem halben Jahr mit den Apparierübungen angefangen hatte. Mit einem hohen Plopp, als würde eine schlanke Weinflasche dezent entkorkt, erschien keine drei Schritte von den Dawns entfernt eine junge Frau mit langen, seidenweichen, tiefschwarzen Haaren, die noch eine Spur dunkler schinen als die Auroras, aber ebenso von einem hexenkosmetischen Spiegelglanz erfüllt waren, daß es schien, als zerfiel das Sonnenlicht in tausende von hellen Funken. Dann knallte es wie ein Feuerwerkskörper, und ein Ehepaar in roten Umhängen erschien. Das waren die Eltern der jungen Frau, die Eunice Armstrong hieß und Laut ihrem Brief die neue Schulsprecherin von Hogwarts sein würde.

"Ups, hat Dina dich ...", setzte Aurora Dawn an, weil sie nicht damit gerechnet hatte, erkannte aber, daß sie dann genauso "Was willst du denn hier?" hätte fragen können.

"Ja, sie haben mich auch eingeladen, Aurora. Dina wollte sich dafür revanchieren, daß ich ihr im letzten Jahr doch einiges beibringen konnte, und Roy befand, daß er nicht nur Leute aus Ravenclaw dabeihaben wollte.

"Guten Morgen, Ms. Armstrong", grüßte Regina Dawn, nachdem sie höflich Eunices Eltern begrüßt hatte. "Herzlichen Glückwunsch zum Schulsprecherabzeichen!"

"O vielen Dank, Mrs. Dawn. Ich habe nicht gedacht, daß ich das kriege", erwiderte Eunice und blickte verstohlen Aurora an, die abwehrend den Kopf schüttelte.

"Ich brauchte das nicht. Ich habe keinen Bedarf, mich noch mehr mit Leuten wie Tonya Rattler herumzuärgern", bemerkte sie noch.

"Bin froh, daß Bruster auch da ist. Dann können wir doch einiges vorplanen", sagte Eunice. "Ich hoffe nur, Dumbledore hat alles so hingekriegt, daß wir keine ungeladenen Gäste kriegen. Ich hörte noch, daß diese grüne Kreatur doch noch einmal aufgetaucht ist, die ihm und Tim Abrahams übel mitgespielt hat."

"Da diese, wie meine Tochter mir erzählt hat wohl im Moment keinen Fortpflanzungsdrang verspürt wird sie sich wohl gut in ihrem Heimatwald verstecken, um die erzwungene Nachkommenschaft sicher aufzuziehen", warf Regina Dawn ein. Aurora nickte zustimmend. Morpuora war ja nur wieder aufgetaucht, um ihr und Roy zu zeigen, daß der ganze Rettungsaufwand nicht verhindert hatte, daß sie von einem muggelstämmigen Zauberer ein Kind bekam. Allerdings hatte dieses grüne Geschöpf dabei noch was losgelassen, was Aurora erst erschüttert hatte, sie es aber dann als gemeinen Trick gesehen und nicht weiter daran gedacht hatte. Jedenfalls wäre es überaus tragisch, wenn Roy Fielding doch noch Besuch von diesen menschenähnlichen Zauberwesen erhielt, sozusagen wie die Prinzessin in dem Märchen, die von einer sogenannten bösen Fee dazu verflucht wurde, tot umzufallen, eine andere das dann aber so abgeschwächt hatte, daß sie nur hundert Jahre schlafen mußte.

"Habt ihr das glückliche Paar denn schon gesehen?" Fragte Eunice. Aurora schüttelte den Kopf. So zogen sie alle los zum vereinbarten Treffpunkt, dem Gemeindehaus, wo bereits viele Gäste angekommen waren, Verwandte der Brautleute und deren Freunde und Bekannte mit Eltern. Aurora sah einen Mann, der etwas verwundert auf die ganze Gesellschaft blickte und statt der hier am häufigsten zu sehenden Festumhänge einen mittelblauen Anzug mit Hose, Hemd und Jackett trug. Er stand neben einem Jungen und dessen Geschwister. Aurora erkannte den Jungen als Bruster Wiffle, ihren Haus- und Vertrauensschulkameraden, der nun im letzten Jahr in Hogwarts auch als Schulsprecher tätig sein würde. Sie ging hinüber zu ihm, der gerade mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester Doris zusammenstand, die damals zu den Gryffindors gekommen war. Sie hatte nun die ZAGs hinter sich und war wohl sehr froh darüber.

"Hi, Aurora!" Begrüßte Bruster Wiffle seine Klassenkameradin. Der Junge mit der weizenblonden Igelfrisur und der Himmelfahrtsnase hatte sich in den letzten Wochen wohl noch etwas mehr nach oben orientiert und breitere Schultern bekommen. Aurora fand, daß er sportlich wie überlegen aussah. Er deutete auf den Mann im Muggelanzug, der Aurora ansah und mit seinem Blick an ihren glitzernden Haaren hängenblieb. "Dad, das ist Aurora Dawn, meine Kollegin im Vertrauensschülerverein", sagte Bruster stolz. Dann sah er die in einen scharlachroten Festumhang aus Tweet gehüllte Frau mit der rückenlangen, weizenblonden Mähne an, die ungebändigt und doch sehr ordentlich auf Aurora wirkte. "Mum, ich habe euch ja erzählt, daß sie das mit den Besen durchgepaukt hat und das Sauding mit dem glücklichen Bräutigam aufgedeckt hat."

"Natürlich erinnere ich mich an die junge Dame", erwiderte Norma Wiffle mit einer samtweichen, tiefen Stimme und sah Aurora lächelnd an. Dabei hatte Aurora für einen Moment den Eindruck, vor dem Eberkopf zu stehen und Morpuora und ihr Kind zu sehen, einen flüchtigen Eindruck, der jedoch vieles in ihr aufwühlte, bevor er wie ein Traumbild wieder verschwand und sie im Hier und Jetzt zurückließ. Wieso hatte sie jetzt an diesen Moment gedacht, wo sie Morpuora wiedergesehen hatte? "Ich freue mich sehr, daß mein Sohn eine so willensstarke und kluge Kameradin hat", hörte sie Mrs. Wiffle sagen. "Und mutig bist du wohl auch, wenn ich dem glauben darf, was ich von so vielen gehört habe."

"Och, bisher habe ich nicht viel machen können, was wirklich mutig wäre", sagte Aurora dazu. Brusters Mutter lächelte honigsüß und antwortete:

"Sich gegen bestehende Gebote aufzulehnen oder es mit zwei paarungshungrigen Sabberhexen aufnehmen zu wollen und dann noch die Sache mit dem Baum Dairons anzupacken verlangt viel Mut."

"Öhm, wenn Sie das so sehen, möchte ich Ihnen nicht weiter widersprechen", erwiderte Aurora. Diese Hexe da vor ihr sah sehr hübsch aus, strahlte aber dabei etwas aus wie eine schlummernde Kraft, die darauf wartete, geweckt zu werden. Dieser Hauch von lauernder Stärke umfloß Norma Wiffle wie ein geruchloses Parfüm, unverkennbar und doch nicht zu bestimmen. "Wie sind Sie angereist, falls ich das fragen darf?"

"Mum hat Dad eingeschrumpft und in der Umhangtasche mitgenommen, als wir apparierten", sagte Bruster. Sein Vater sah ihn verbittert an, während seine Mutter ihn sehr kritisch musterte.

"Junger Mann, wenn du wirklich Dumbledores Anerkennung verdient hast solltest du eine ernst gemeinte Frage nicht mit einer dummen Antwort erwidern!" Sagte sie. Dann deutete sie in die Richtung, wo es nach Hogwarts hinaufging und sagte dabei: "Wir haben ein Automobil aus dem Ministerium zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem wir hergekommen sind. Es wartet vor den Ländereien von Hogwarts, da die Leute hier in Hogsmeade keine Muggelfahrzeuge kennen und darauf bestimmt etwas befremdlich reagieren können."

"Roy hat sich die Kiste schon angesehen, Aurora. Ist ein alter Rolls Royce Silvershadow anno Winston Churchill. Nicht gerade das neueste, aber dafür echt nobel", sagte Bruster.

"Und dieses Auto steht da jetzt bis heute abend?" Fragte Aurora Dawn. Bruster nickte.

"Habt ihr die Brautleute schon gesehen?" Fragte Mortimer swift, der gerade mit seinen Eltern angekommen war. Bruster sah seinen brünnetten Cousin an und meinte, daß der Bräutigam wohl schon vor dem Gemeindehaus warte und die strahlende Braut wohl mit ihren Eltern zusammen kurz vor Beginn der eigentlichen Schau ankommt."

"Oh, dann sollten wir langsam los", meinte Mortimer und sah Bruster schelmisch an. Dieser nickte ihm zu und sagte rasch:

"Morty und ich wollten die beiden nach dem Verlassen des Hauses gesondert beglückwünschen. Das müssen wir noch einmal durchgehen. Bis nachher!"

"Ich rufe dich dann, Bruster", sagte seine Mutter nur.

Die Dawns hielten sich an die Swifts und Woodlanes, die nun auch herbeigekommen waren. Petula, das stellte Aurora nun fest, glich immer mehr ihrer drei Jahre älteren Schwester Priscilla.

Wie auf ein unhörbares Kommando hin setzte sich die versammelte Festgemeinde in Bewegung und schlenderte zum Gemeindehaus von Hogsmeade hinüber, wo nun Roy Fielding bereitstand, der sich mit seiner Schwester Erica und einem kleinen Mann in einem sonnengelben Umhang mit goldenen Verzierungen unterhielt. Aurora sah den Zauberer an, dessen Haar genauso weiß war wie das ihres Haus- und Zauberkunstlehrers Flitwick. Allerdings war Flitwick noch eine Spur kleiner als der Zauberer in Sonnengelb, der trotz der fehlenden Körpergröße eine große Würde und Erhabenheit ausstrahlte. Roy trug einen beinahe schwarzen, tiefblauen Festumhang und, wie Auroras Vater schon vermutet hatte, einen Zylinder auf dem Kopf, mit dem er wohl nicht sonderlich zufrieden schien, aber sich doch für jeden, der es sehen sollte ein freudiges Lächeln abrang. Aurora trat näher, während die restliche Festgemeinde bereits in das Gebäude hineinschritt, wobei sie den Zauberer im sonnengelben Umhang höflich zunickten.

"Schön, daß du kommen konntest, Aurora. Guten Tag, Mr. und Mrs. Dawn!"

"Hallo, Mr. Fielding. Da ist ja heute ein weltbewegender Tag für Sie", erwiderte Hugo Dawn. Roy nickte. Dann sagte er noch:

"Dina will erst hier sein, wenn ihr wer mitteilt, daß alle Gäste im Haus sind. - Oh, öhm, Mrs. Dawn, Mr. Dawn, Aurora, darf ich euch und Ihnen Magister Nodberry vorstellen?" Der Zauberer, der bestimmt über neunzig Jahre alt sein mochte wandte sich um und begrüßte die Gäste kurz. Doch weil von hinten weitere Festgäste nachströmten, beließen es die Dawns nur bei einer kurzen Begrüßung. Logophil Nodberry blickte aus seinen hellblauen Augen freundlich zu Aurora und ihren Eltern hinüber und nickte ihnen zu.

In der großen Halle nahmen sie in Mitten der bereits versammelten Gäste Platz. Als dann das allgemeine Raunen unvermittelt abebbte dachte Aurora schon, die Braut würde eintreten. Sie wunderte sich eh, daß sie nicht wollte, daß man ihr draußen bei der Ankunft zujubelte. Aber jedem das seine, dachte sie und wandte sich dem Eingang zu. Doch wer da hereinkam waren vier Erwachsene. Ein hoch gewachsener Zauberer mit silberweißem Haar und Bart, das so lang war, daß es ihm bis zum Gürtel reichte und den saphirblauen Festumhang einhüllte führte den Trupp aus zwei Hexen und einem winzigen Zauberer mit weißem Haar. Aurora erkannte die Lehrerinnen Professor McGonagall und Sprout, sowie Professor Flitwick. Einer fehlte jedoch, der jedoch hier wohl niemandem fehlen würde, erkannte Aurora. Den würde sie eh im nächsten Schuljahr wieder viel zu früh zu sehen bekommen.

Als alle es endlich zur Kenntnis genommen hatten, daß Professor Dumbledore mit drei Hauslehrern von Hogwarts eingetroffen war, verfielen die Gäste wieder in ihre Gespräche. Dann, wohl eine Viertelstunde später, traten Roy Fielding mit seiner Schwester, sowie Dina Murphy in einem blütenweißen Rüschenkleid mit silbernem Diadem auf dem Kopf und einem hauchzarten Schleier vor dem Gesicht ein. Sie war zwischen ihrem zukünftigen Ehemann und ihrem Vater untergehakt und strahlte selbst verschleiert große Freude aus. Die anwesende Musikkapelle spielte einen Tusch und einen fröhlichen Marsch, zu dem ein kleiner Chor einen frohen Text sang.

Magister Nodberry trat vor die versammelte Festgemeinde und hielt eine zehn Minuten lange Ansprache, in der er die Ehe als Zeichen der großen Hingabe an die Liebe und das Leben würdigte. Dann wurde Dina von ihrem Vater und drei Brautjungfern, die wohl Cousinen von ihr waren nach vorne geführt. Dann trat Roy, geführt von seiner Schwester nach Vorne. Nodberry breitete seine Arme aus, als ob er beide Brautleute umfangen wollte und verkündete:

"Hier stehen nun Dina und Roy, die sich heute feierlich versprechen möchten, ein Leben lang füreinander daazusein, füreinander einzustehen und sich gegenseitig in guten wie in schlechten Tagen allen Dingen gemeinsam zu widmen. Es ist für wahr selten, daß ein junges Paar sich bereits vor dem Ende der Schulzeit findet und diesen mutigen und auch so bestärkenden Schritt tun möchte. Und als mein Freund, Professor Albus Dumbledore, mich fragte, ob ich bereit sei, diesem Jungen Paar das heilige Versprechen abzunehmen und ihren gemeinsamen Weg zu segnen, war ich sofort bereit, ihm diesen großen Gefallen zu erweisen." Aurora schmolz fast dahin, weil Nodberrys Stimme, die doch eher zu einem hünenhaften Opernbariton passen mochte erhaben in der großen Halle widerhallte. "Ich muß jedoch, bevor ich die an diesem Tage wichtigste Frage stelle nachfragen, ob sich unter den Anwesenden jemand findet, der Einwände gegen diesen Bund hegt. So mag er oder sie nun sprechen oder für immer schweigen." Eine Minute verging. Niemand sagte etwas. Dann sagte Magister Nodberry: "Nun, so frage ich dich, Roy Fielding: Möchtest du die hier anwesende Dina Murphy zu deiner gesetzlich angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben, achten und in allen Lebenslagen unterstützen, bis das der Tod euch scheide?"

"Ja, ich will", verkündete Roy laut, aber mit einer Spur Nervosität in der Stimme.

"So frage ich auch dich, Dina Murphy: Möchtest du den hier anwesenden Roy Fielding zu deinem gesetzlich angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und achten und ihn in allen Lebenslagen unterstützen, bis daß der Tod euch scheide?"

"Ja, ich will", rang sich Dina eine wohl wegen Aufgeregtheit schwerfallende aber doch überzeugte Antwort ab.

"So möchte ich nun die Trauzeugen bitten, mir die Ringe zu übergeben", sagte Nodberry. Bruster Wiffle holte einen kleinen Goldring hervor, während Dinas Trauzeugin, Miriam Swann, einen etwas größeren Goldring hervorholte. Sie übergab Nodberry ihren, und Bruster seinen. Dann tauschte der Zeremonienmagier die Ringe aus und steckte sie mit feierlichen Worten an die rechten Hände der Brautleute. Dann verkündete er:

"Nun, da ihr beide euch versprochen habt, füreinander dazusein und miteinander euren Weg zu gehen, ist es mir eine große Ehre und Freude, euch feierlich zu Mann und Frau zu erklären. Besiegelt diesen heiligen Bund der Liebe und Gemeinschaft nun mit einem Kuß!"

Roy hob vorsichtig Dinas Schleier an, während mehrere Fotografen mit klobigen Kameras auf das nun frisch vermählte Paar zielten. Als sich dann die Lippen von Dina und Roy innig berührten, blitzte es mehrmals auf und roter Rauch waberte aus den Fotoapparaten. Die Festgäste klatschten leise aber dennoch beschwingt Beifall. Aurora Dawn sah sich um, wer von der Verwandtschaft des frischgebackenen Ehepaares wie guckte. Da Roy nur mit seiner Schwester hier war, weil ja beide in ihrer früheren Welt für tot gehalten wurden, konnte sie nur Dinas Verwandtschaft begutachten. Bei einigen vermeinte sie an den Gesichtern abzulesen, daß sie nicht sonderlich begeistert mit Dinas Wahl waren, es aber bloß nicht offen zeigen durften. Womöglich hielten die nicht viel von Muggelstämmigen.

"Die Gäste erhoben sich und bauten sich entlang des Weges auf, den das junge Paar beschreiten mußte, von drinnen nach draußen. Einige hoben ihre Zauberstäbe und formten Lichtbögen in allen Farben über den Köpfen. Auch Aurora Dawn bildete mit ihrer Mutter einen magischen Lichtbogen, der wie eine verkleinerte Ausgabe eines Regenbogens aussah. Dabei warfen die Gäste mit Reis, der weit nach oben flog und auf die beiden gerade einander angetrauten herabregnete. Auroras Vater warf zudem noch ein Bündel Daunen in die Luft, das sich im Flug verteilte und einen feinen, weißen Niederschlag bot. Doch der eigentliche Knüller war das, was der jungen Eheleute draußen harrte. Aus unzähligen unsichtbaren Quellen sprudelte auf einmal Wasser heraus, von oben, von unten und von den Seiten. Dina und Roy erschraken, als die magischen Wasserfontänen sie unvermittelt erwischten. Roy rief zurück, daß er heute schon geduscht habe. Doch Bruster rief:

"Das ist die Revanche, weil du uns beim Jungesellenabend gestern nicht beehrt hast. Jetzt muß der Schmutz der letzten Nacht ohne Partner von euch runtergespült werden!"

"Darüber reden wir aber noch mal", knurrte Roy, bevor er sich mit Dina nach vorne warf und so tief geduckt es ging durch die Barriere aus rauschendem Wasser hastete. Zwar wurden sie nicht voll getroffen, aber dennoch pitschnaß.

"Das Brautkleid, ihr Rüpel!" Wetterte Dinas Mutter. "Das hätte echt nicht sein müssen!"

Bruster und Mortimer, die diesen sprudelnden Einstand für Roy und Dina Fielding ausgeheckt hatten, lachten nur.

"Heute abend zieht die das eh aus!" Rief Mortimer.

"Und bis dahin soll meine Tochter patschnaß herumlaufen, so daß alle sie so sehen können, als wenn sie nackt wäre? Saubande ihr!" Polterte Dinas Vater. Doch als die beiden durch das Wasserspalier hindurch waren, verschwand das kühle Naß unvermittelt wie es gekommen war.

"Die haben die Ringe mit einem Aquaportus-Zauber verhext", fiel es Aurora ein. Eigentlich sollte mit diesem Zauber ein magischer Brunnen an einem dafür vorgesehenen Ort betrieben werden. Aber offenbar konnte man die Zauberei auf bestimmte Orte und Gegenstände legen.

"Das ist gemein! Der Boden ist jetzt wieder knochentrocken. Aber wir sind immer noch naß", protestierte Dina, die ihren so schönen Brautschleier nun wie ein durchtränktes Handtuch auswrang. Ihre Mutter eilte ihr zu Hilfe und behandelte die Kleidung mit einem Trocknungszauber. Dasselbe tat Erica bei ihrem Bruder Roy, der zwar schon mit dem Zauberstab zu Gange war, aber nicht so recht an alle durchnäßten Stellen herankam.

"Alles halb so schlimm", lachte Hugo Dawn. "Wenn ich überlege, daß die bei unserer Hochzeit tausende von Leprechans auf uns losgelassen haben, weil ein Scherzbold ein dreiblätteriges Kleeblatt über die Ringe gezogen und dabei eine Anlockformel für diese Wesen gesprochen hat."


"Das war das erste Mal, daß ich ohne Besen geflogen bin", grummelte Regina Dawn. "Diese fliegenden Kerlchen haben Hugo und mich einfach vom Boden hochgehoben und mehrere Dutzend Meter durch die Luft getragen, bevor jemand mit einem vierblätterigen Kleeblatt aufgetaucht ist, was sie schnell vertrieben hat."

"Ja, nachdem sie uns noch einen Haufen Scheingold hingeworfen haben", sagte Hugo Dawn.

Aurora hatte diese Geschichte vom Hochzeitstag ihrer Eltern schon mehrmals gehört und konzentrierte sich daher auf den Trubel um sie herum, wo die Gäste über die Zeremonie und das junge Paar sprachen. Sie sah Dumbledore und Nodberry zusammenstehen, während Flitwick Bruster und Mortimer angrinste, weil die wohl einen so trefflichen Wasserzauber hinbekommen hatten. Professor McGonagall hingegen wirkte genausowenig amüsiert wie Dinas Mutter. Professor Sprout schien nicht zu wissen, wie sie sich fühlen sollte.

"Möchte gerne wissen, wie das mit den Beiden in Hogwarts geregelt wird", wandte sich Petula Woodlane an Aurora. "Weißt du da schon was?"

"Bisher nicht", gab Aurora zu. "Ich will jetzt auch nicht unbedingt los und Dumbledore ausfragen, wie das ab jetzt läuft. Ich denke, das kriege ich als nun älteste Vertrauensschülerin von Ravenclaw auf der Fahrt zur Schule mit."

"Frag doch Bruster! Der müßte das eigentlich schon wissen", schlug Petula vor. Aurora überlegte und nickte dann. Die beiden Vettern Bruster und Mortimer amüsierten sich wohl noch über den gelungenen Streich. Mortimers jüngere Schwestern, die Drillinge Ramona, Rita und Roxanne redeten auf sie ein, was die sich dabei gedacht hatten, dieses Wasserspalier aus dem Nichts zu zaubern. Aurora entschuldigte sich bei ihren Eltern und ging hinüber zu Bruster.

"Ey, du Scherzbold. Weißt du vielleicht schon, wie das mit den beiden jetzt in Hogwarts läuft. Ich meine, als älteste Vertrauensschülerin könnte ich das schon einmal erfahren."

"Die kriegen wohl ein eigenes Zimmer, weil sie volljährig und anständig verheiratet sind. Das soll wohl irgendwie aus einem der magischen Anbauräume gemacht werden, die dann auftauchen, wenn eine Überzahl in Ravenclaw ist. Allerdings hat unser Schulleiter wohl einige Anstandsregeln aufgestellt, die ich als Schulsprecher mit Eunice unserem jungen Paar vor der Ankunft in Hogwarts unterjubeln soll. Frag mich aber jetzt nicht, welche das sind! Ich habe noch keine Liste mit den Regeln."

"Aha", machte Aurora dazu nur. Dann wandte sie sich in die allgemeine Marschrichtung, hin zum Eberkopf.

"Warum die ausgerechnet in der Räuberhöhle von Hogsmeade feiern wollen kapiere ich nicht", sagte Bruster. "Ich war da einmal drin. Total verdreckt und Gläser, aus denen ich nicht einmal klares Wasser trinken würde. Wer hat denen das vorgeschlagen, da zu feiern?"

"Mit Verlaub, ich", Meldete sich Dumbledores erheiterte Stimme von hinten. "Ich habe den Wirt des Eberkopfes gefragt, ob er einmal eine echte Hochzeitsfeier ausrichten möchte. Da hat er sofort Ja gesagt. Hat mich zwar auch gewundert, das der alte Bursche sich darauf einlassen wollte. Aber er hat mir hoch und heilig versprochen, seinen Pub blitzsauber zu präsentieren, damit er mich nicht enttäuscht."

"Sie kennen den Betreiber dieser Spil... öhm, Gaststätte?" Wunderte sich Bruster Wiffle. Seine Mutter, die ihn vorhin, als die Wasserfalle zugeschnappt war tadelnd angesehen hatte, kam herbei und antwortete:

"Ich denke, euer Schulleiter wollte jemandem, den er sehr gut kennt die Gelegenheit geben, mal ehrenwertes Volk zu bewirten."

"Nun, Norma, da Sie es so sehen kann ich auch ins Detail gehen", erwiderte Dumbledore. "Abby, der Wirt des Eberkopfes, hatte dieselben Eltern wie ich."

"Hups!" Entschlüpfte es Bruster. "Dieser ältere Zauberer ist Ihr Bruder, Professor?"

"Ja, ist er. Abaforth Dumbledore, der sich jedoch lieber Abby nennen läßt."

"Aber Abby ist doch'n Mädchenname", warf Mortimer verdutzt ein. "Kommt doch von Abigail, oder so."

"Tja, aber ihm gefällt der Name Abaforth nicht so wie Abby", erwiderte Dumbledore belustigt. "Also wenn ihr etwas bei ihm bestellen möchtet, nennt ihn bitte Abby! Das kennt er und ist er so gewöhnt. Sagt bloß nicht Mr. Dumbledore oder Sir zu ihm! Er will nicht, daß jeder weiß, daß wir verwandt sind, weil ich seiner Auffassung nach einen für ihn zu langen Schatten werfe. Das nur, damit ihr das nicht jedem weitertratscht", erwiderte Dumbledore und sah dann auch Norma Wiffle an, die überlegen zurücklächelte.

"Ruhm kann schon schwer wiegen, wenn er nicht selbst verdient wurde, nicht wahr?"

"Wenn Sie das so sehen, Norma", entgegnete der Schulleiter von Hogwarts und trieb dann die immer weiter zurück gefallenen Gäste zu etwas mehr Eile an, um mit dem vorderen Tross Schritt zu halten.

Der Eberkopf war wirklich nicht mehr wiederzuerkennen. Zumindest befanden das viele der Hochzeitsgäste, die während ihrer Schulzeit einmal dort eingekehrt waren. Aurora, die bisher nur die drei Besen oder Madame Puddyfoots Teestube besucht hatte konnte da nicht mitreden. Sie hörte nur von ihrem Vater, daß das Lokal wohl damals ganz anders ausgesehen hatte. Mit blütenweißen Tüchern aus irischen Leinen gedeckte Tische, auf denen blaßblaue Porzellanvasen mit frischen, farblich zum restlichen Erscheinungsbild des Festsaales passenden Sommerblumen standen. Blaue, rosane und golden glitzernde Luftschlangen schlängelten sich sacht von einer Deckenleuchte zur nächsten, und die Theke, hinter der der ältere Zauberer sonst stand, den Aurora vor anderthalb Monaten gesehen hatte, als Morpuora ihr hier begegnet war, war gegen ein sandfarbenes Buffet ausgetauscht worden, auf dem Teller, Tassen und Gläser standen, augenscheinlich blitzblank gespült.

"Möchte nicht wissen, wie lange der alte Abby gebraucht hat, um seinen Laden so top herzurichten", raunte Hugo Dawn, der wie seine Frau über die adrette Ausstattung der sonst so zwielichtigen Örtlichkeit staunte.

"Kann mir vorstellen, daß Professor Dumbledore ihm einige Hauselfen aus Hogwarts rübergeschickt hat, um das hier herzurichten", vermutete Auroras Mutter. Eunice Armstrong winkte Aurora zu und präsentierte eine der auf den Tischen liegenden Platzkarten. Offenbar wurde hier nicht nach Familien sondern Freundeskreis und Kameraden unterteilt.

"Dann geh mal rüber, Prinzesschen", munterte Hugo seine Tochter auf, die erleichtert, daß nicht eine Familie neben der anderen sitzen mußte zu Eunice hinüberging, die auch Bruster und dessen Schwester, so Mortimer und seine Schwestern herübergewinkt hatte. Erica Fielding stand bei ihrem nun frisch verheirateten Bruder, der sich bereits mit seinem Schwiegervater hatte, worüber auch immer.

"Ich werde wohl Dina nachher mal fragen, wo die das Brautkleid herhat, wenn Dorian und ich nach Hogwarts auch zum Zeremonienzauberer gehen wollen", verkündete Eunice und sah, wie ihr Freund gerade mit Mortimers Drillingsschwestern über die ausstattung redete.

"Dorian war mit mir mal hier drin. Deshalb hat's mich schon gewundert, daß wir ausgerechnet hier feiern sollen", meinte Eunice. Aurora nickte.

Als alle Gäste saßen hielt der Vater der Braut noch eine gefühlvolle Rede, die mit großem Beifall bedacht wurde. Anschließend schwebte eine vierstöckige Hochzeitstorte auf einem goldenen Tablett aus dem Küchentrakt herüber und landete vor Roy und Dina, die am Ehrentisch mit ihren Eltern und direkten Anverwandten saßen. Aurora staunte nicht schlecht, was dann noch alles an Essen und Trinken aufgefahren wurde. Sie unterhielt sich mit Bruster darüber, daß sie wohl bald erfahren würden, wie Dina und Roy in Hogwarts untergebracht würden. So gegen Abend, als nach viel Geplauder, Lachen und Tanzen die Stimmung auf dem Höhepunkt angekommen war, ergriff Professor Dumbledore noch das Wort.

"Liebe Festgemeinde, ich freue mich sehr, diesen Tag hier mit Ihnen und euch verleben zu dürfen. Es kommt nicht häufig vor, daß hier im Eberkopf der Beginn eines langen Bündnisses gefeiert wird, und nach meinem Wissen hat's das bisher auch noch nicht gegeben, daß ein Paar vor dem Ende der Schulzeit den gemeinsamen Lebensweg eingeschlagen hat. Um hier denen, die mit euch, Dina und Roy weiterhin zur Schule gehenden die mörderische Spannung endlich zu nehmen, was ihr beide bei uns denn vorfindet oder nicht: Wir haben in Hogwarts keine Einzelschlafräume für verheiratete Paare in den Häusern. Daher werdet ihr wohl weiterhin in den euch zugeteilten Schlafsälen übernachten. Ich denke auch, eure Kameraden freuen sich, wenn ihr weiterhin mit ihnen zusammenwohnt und nicht irgendwelche Sondersachen beanspruchen müßt. Also nutzt die Ferienzeit gut aus!" Alle grinsten verhalten. einige von den geladenen Mitschülern lachten sogar. "Nun, da ich nie viele Worte verliere, wenn ich mal was zu sagen habe, möchte ich euch beiden, Dina und Roy, alles, alles gute für euer gemeinsames Leben und viel Zuversicht wünschen, egal, was euch immer begegnen wird!" Er verneigte sich kurz und setzte sich dann wieder hin.

"Jetzt haben wir's amtlich, daß es keine Hochzeitssuite in Hogwarts gibt", sagte Bruster dazu, als das allgemeine Gemurmel wieder eingesetzt hatte.

"Die sind in Hogwarts nicht drauf eingerichtet", sagte Eunice dazu. "Normalerweise heiraten die Leute von da erst, wenn sie die UTZs haben. Nicht vorher."

"Nun, ich hätte schon gedacht, die beiden würden einen eigenen Schlafraum kriegen", erwiderte Aurora. "Aber so geht's auch."

"Für mich stellt sich die Frage, ob Dina noch in Hogwarts ein Kind bekommen darf oder nicht", warf Eunice ein. "Ich denke, sie würde dadurch ziemlich stark beeinträchtigt, wenn's um die UTZs geht. Können die beiden sich das jetzt schon leisten?"

"Du hast Ideen", erwiderte Bruster dazu. Aurora sah Eunice jedoch beipflichtend an und entgegnete auf Brusters Einwurf:

"Du weißt doch, welche Schwierigkeiten Dina bisher schon so im Unterricht hat. Ich kann mir vorstellen, daß es für sie noch schwerer wird, wenn sie und Roy sich jetzt schon auf ein Kind einrichten. Ich denke auch, daß sie noch warten wollen."

"bist du bescheuert? Die warten doch nicht mit der Hochzeitsnacht, bis die UTZs durch sind. Dann hätten die ja auch erst dann heiraten können", warf Bruster ein. Eunice räusperte sich sehr mißvergnügt. Aurora sah Bruster nur an und sagte lässig:

"Die Wahrscheinlichkeit, in der Hochzeitsnacht ein Kind auf den Weg zu bringen ist ziemlich klein, Bruster. Außerdem gibt's genug Mittel, um sich auszutoben, ohne gleich an die Einrichtung eines Kinderzimmers denken zu müssen. Soviel ich weiß gibt's auch in der Muggelwelt sehr brauchbare Sachen, um nur dann Nachwuchs zu haben, wenn er auch anständig versorgt werden kann."

"Außerdem betrifft mich sowas schon, Bruster", rechtfertigte Eunice noch, was sie gesagt hatte. "Immerhin sind wir beide jetzt nicht nur für unsere Häuser, sondern für alle Mitschüler zuständig. Das heißt auch, daß ich mir schon darum Gedanken mache, wie eine junge Mutter in Hogwarts bei den anderen ankommt, vor allem bei den Mädchen. Die einen würden sie grenzenlos beneiden, weil sie schon als echte Frau gilt. Die anderen würden sie bedauern, weil sie angeblich keinen Spaß mehr im Leben haben wird. In jedem Fall wäre sie ohne es gezielt zu wollen eine Berühmtheit und hätte ohne Ansage gewisse Vor- und Nachteile. Deshalb hat mich das jetzt interessiert, und weil ich nun mal von Dina und Roy auch eingeladen worden bin."

"Ist ja schon gut, Eunice!" Versuchte Bruster, seine neue Schulsprecherkollegin zu besänftigen. Aurora nickte ihr nur anerkennend zu.

Kurz vor Mitternacht trat das junge Ehepaar noch einmal vor die versammelten Festgäste und bedankte sich bei allen, die hergekommen waren, bei Professor Dumbledore und Magister Nodberry, die ihnen diesen herrlichen Tag ermöglicht hatten und dem Wirt des Eberkopfes, der sie hier alle so unermüdlich bedient und mit Speis und Trank versorgt hatte. Dann setzte Roy ein geheimnisvolles Lächeln auf und sagte:

"Tja, viele haben uns gefragt, was wir jetzt so anstellen werden. Ich habe von meiner Schwester Geld für eine schöne Reise mit Dina bekommen. Wohin es geht, verraten wir euch dann, wenn wir uns am ersten September in Hogwarts wiedersehen. Nur so viel: wir werden beide Welten besuchen, die Zaubererwelt und die Muggelwelt. Dina und ich möchten uns nun, da diese Reise morgen schon losgeht, von euch allen verabschieden und wünschen euch noch eine angenehme Nacht und kommt gut nach Hause!" Alle klatschten Beifall, als das junge Paar sich vor den Gästen verbeugte und dann Arm in Arm den Festsaal verließ.

"Ja, da bin ich ja mal gespannt, was die liverpooler Tröte seiner Angetrauten so zeigen will", bemerkte Bruster dazu nur. "Ob die es schaffen, rechtzeitig zum Schuljahresbeginn zurückzukommen?"

"Ganz bestimmt, wenn ihnen unterwegs nichts passiert", beteuerte Aurora Dawn. "Dumbledore hat die ganze Sache doch abgesegnet. Die werden wohl genau am ersten September am Bahnhof sein."

"Wenn du das meinst, Aurora, glaube ich dir das mal", bemerkte Bruster nur dazu. Eunice sah ihn daraufhin an, als müsse sie sich ernsthaft fragen, ob Bruster wirklich als Schulsprecher geeignet war oder nicht.

So gegen ein Uhr verabschiedeten sich die Dawns von Erica Fielding, die auch nicht herauslassen wollte, wo ihr Bruder mit ihrer Schwägerin hinwollte. von der Festwiese aus disapparierten Aurora und ihre Eltern um kurz vor ihrem Haus wieder aufzutauchen.

"Aurora, wenn du im nächsten Schuljahr nach Hogsmeade gehst, guck bitte mal für uns in den Eberkopf rein. Deine Mum und ich haben gewettet, wie schnell Abby seinen Laden wieder in den Saustall verwandelt, der er sonst ist", sagte Hugo Dawn verschmitzt grinsend, bevor seine Tochter sich zur Nacht verabschieddete. Diese grinste zurück und sagte, daß sie ihm den Gefallen tun würde. Ihre Mutter erwiderte dazu noch:

"Bei allem Respekt vor Professor Dumbledore, ich hätte nicht erwartet, daß er seinen Bruder dazu kriegt, sich einmal zivilisiert zu zeigen." Aurora nickte dazu nur und sagte Gute nacht.

__________

Der erste September war ein sehr schöner Tag. Die Sonne strahlte weißgelb vom blaßblauen Himmel herab und tauchte die Leute im Bahnhof Kings Cross in helles Licht. Überall erklang das Rattern von Eisenbahnrädern auf Schinen, das Tuten und Pfeifen von Lokomotiven, Stimmen aus den Lautsprechern, wie die Muggel diese vergitterten Kästen an den Wänden nannten, Gerüche von Bratwurst oder Backwaren, die durch die große Halle wehten, allüberall hektisches Gewusel von Menschen, die Angst vor Verspätungen hatten und mit großen Kofferwagen zu den Bahnsteigen eilten. Die an die tausend Jungen und Mädchen von elf bis siebzehn Jahren, die in Begleitung ihrer Eltern oder anderen Verwandten im Getümmel unterwegs waren, fielen fast nicht auf. Jemand, der sie jedoch genauer beobachtet hätte, wäre schnell zu dem Schluß gekommen, daß sie etwas gemeinsames hatten. Denn viele trugen große Schrankkoffer oder Tierkäfige bei sich und machten den Eindruck, bloß ganz schnell durch die Menschenmenge zu kommen, um nicht zu lange angesehen werden zu müssen. Unter diesen Besuchern, die alle zum Bahnsteig 9 hinaufeilten, waren auch die Dawns. Aurora nahm alle Eindrücke dieses Trubels, die Gerüche, Geräusche, Farben und Bewegungen mit einer besonderen Aufmerksamkeit wahr, die der am allerersten Tag in Hogwarts gleichkam. Heute würde sie zum drittletzten Mal mit dem Hogwarts-Express in die hochgeachtete Zaubereischule Hogwarts reisen. Dann wohl noch nach Weihnachten und nach Ostern. Jedenfalls war es das letzte Mal, daß für Aurora Dawn ein neues Schuljar dort anfangen würde. Sie war Vertrauensschülerin, Quidditch-As ihres Hauses Ravenclaw und hatte sich in den letzten Jahren auch einen guten Ruf als Schülerin im Fach Kräuterkunde und Zaubertränke erarbeitet. Außerdem würde sie am Ende des heute beginnenden Schuljahres die endgültige Abschlußprüfung machen, um die UTZ-Reife zu beweisen. Schaffte sie in den von ihr besuchten Fächern passable UTZs, war sie mit Hogwarts fertig. Dann würde das wirkliche Leben, die Welt der erwachsenen Hexen und Zauberer auf sie warten, und von den Endnoten wäre es dann abhängig, wie sie sich darin einrichten konnte.

"Da sind wir", grüßte Auroras Mutter ihre Schwester June Priestley, deren zwei derzeit in Hogwarts lernende Kinder Philipp und Agatha ziemlich nahe an der magischen Barriere standen, die Bahnsteig 9 von Bahnsteig 9 3/4 abgrenzte. Philipp trug noch blaue Jeanshosen und ein kurzärmeliges Überziehhemd, wie viele Jungen, die auf den Bahnsteig traten. Doch einige von denen pflückten bereits schwarze Umhänge und dazu passende Spitzhüte aus ihrem Gepäck, um sich wie richtige Zauberer anzukleiden.

"Hallo, Philipp!" Grüßte Aurora den Cousin, der dieses Jahr die ZAGs vor sich hatte. Dieser nickte ihr zu, schien sich dabei jedoch nicht sonderlich toll zu fühlen. Seine Mutter sah ihn aufmunternd an und sagte ihm:

"Aurora geht mit dir in den vorderen Wagen rein, Philipp. Du brauchst keine Sorgen zu haben, daß du irgendwas dummes anstellst oder sowas. Du findest da schon rein, wie ich damals."

"Wenn du das meinst", erwiderte Philipp. Da kam Bruster Wiffle durch die Barriere. Kaum war er auf dem Bahnsteig 9 3/4 angekommen, zog er ein winziges schwarzes Bündel und etwas wie einen schwarzen, besonders spitzen Fingerhut aus der rechten Hosentasche, zog es auseinander ... und hielt seinen Hogwarts-Umhang und den dazu gehörenden Hut in den Händen. Er warf sich die Schuluniform über die kurzen Muggelsachen, die er noch trug. Aurora sah das silberne Abzeichen mit dem eingeprägten Schriftzug Schulsprecher bereits auf dem Oberteil blinken.

"Der Zauber ist cool", meinte Philipp, der die Entschrumpfung von Brusters Schulkleidung ohne Zauberstab bewunderte.

"Ein an bestimmte Sachen gekoppelter Vergrößerungszauber", meinte June Priestley dazu. "Sicher hat Bruster seine Sachen so bezaubert, daß sie sich sofort zurückvergrößern, wenn jemand kräftig genug an ihnen zieht."

"Den hat uns Flitwick aber noch nicht gezeigt", sagte Philipp staunend.

"Ist auch etwas umständlich", meinte Aurora überheblich tuend und holte ihren Zauberstab aus der unscheinbar wirkenden Handtasche, hob ihn an, sprang vom Boden, drehte sich dabei einmal um die eigene Achse und stand fix und fertig in Hogwarts-Schulsachen da. Agatha Priestley bekam Augen groß wie Äpfel, als sie diese blitzartige Umziehaktion beobachtete.

"Dieser Mädchenzauber", knurrte Philipp. "Haben wir auch noch nich' im Unterricht gehabt."

"Wer kann der kann", lachte Aurora. Dann winkte sie Bruster zu, der bereits zu Eunice hinüberging, die ebenfalls schon in Schulkleidung am vorderen Wagen stand und ihrem Schulsprecherkollegen zuwinkte.

"Oh, die wollen die ersten im Vertrauensschülerabteil sein", meinte Aurora Dawn. "Bei den Vorgängern war das nicht so."

"Dann machen wir besser, daß wir auch reinkommen", sagte Philipp, der am ersten Tag als Vertrauensschüler nicht unpünktlich sein wollte. Seine Mutter lächelte. Dann sagte sie:

"Dann wünsche ich euch eine schöne Zeit in Hogwarts und seid schön fleißig!"

"Werden wir irgendwie hinkriegen", erwiderte Agatha etwas bekümmert klingend. Dann sah sie ihre Klassenkameradinnen und winkte ihnen. Sie blickte ihre Mutter fragend an, dann eilte sie hinüber. Aurora brachte ihren Koffer mit dem Nimbus 1500 in seinem Futteral daran zu einem Wagen, aus dem ihr Petula und Dina zuwinkten. Sie trug den Koffer zusammen mit ihrem Vater in das Abteil und hievte ihn ins Gepäcknetz. Dann verabschiedete sie sich von Petula und Dina, verließ den Zug, um schneller voranzukommen, um problemlos den vordersten Wagen zu erreichen. Der Lokomotivführer blickte aus dem rechten Fenster seines Führerhauses und besah wohl das Treiben vor seinem Zug. Aurora winkte ihm kurz zu, dann enterte sie den Wagon und trat in das mit scharlachrotem Samt ausgelegte Sonderabteil, in dem Teppiche und goldene Lampen eine erhabene Atmosphäre erzeugten. Eunice und Bruster saßen bereits auf den zwei hochlehnigen Stühlen auf einem Podest, die für das Schulsprecherpaar reserviert waren. Um ein Haar, so dachte Aurora, wäre sie auf dem Stuhl mit dem rosa sitzkissen gelandet. Was immer Eunice besser dafür ausgezeichnet hatte als sie, sie war nicht neidisch darauf. Philipp stand noch vor einem der Stühle, die um die mit weißen Leinen gedeckten Tische gruppiert waren. Von den übrigen Vertrauensschülerinnen und -schülern fehlte noch jede Spur.

"Hast du Philipp gesagt, er müßte unbedingt als erster reinkommen?" Fragte Bruster Aurora Dawn. Diese schüttelte den Kopf. Philipp sah den Schulsprecher an und deutete auf den Umhang.

"Ich dachte, weil ihr beide unbedingt schon ins Abteil wolltet, sollte ich auch schon reinkommen."

"Stimmt, den Eindruck konnte jeder kriegen", meinte Eunice. Aurora nickte.

"Ihr könnt euch setzen, bis die anderen eintrudeln", sagte Bruster. "Habt ihr Ms. Rattler schon gesichtet?"

"Die wäre mir aufgefallen", antwortete Aurora Dawn, die den ironischen Unterton bei Bruster kaum überhört hatte. Ihm gefiel es wohl, daß Tonya Rattler in diesem Jahr mehr vor ihm auf der Hut sein mußte, weil er als Schulsprecher auch wegen ungebührlichem Verhalten bei Vertrauensschülern Punkte vom Konto ihres Hauses abziehen durfte. Aurora hoffte nur, daß er sich deshalb nicht zu irgendwelchen Racheakten hinreißen ließ.

Erst als der Zug anruckte, betraten die noch fehlenden Vertrauensschüler das Abteil. Alle erhoben sich und begrüßten einander. Tonya starrte Eunice und Bruster mit einem Ausdruck unterdrückter Wut an, als würde sie sie am liebsten erwürgen, müsse aber dafür damit rechnen, auf der Stelle vom Blitz erschlagen zu werden. Eunice und Bruster blieben jedoch ganz ruhig und sachlich, als sie den bereits eingespielten und den neuen Vertrauensschülern mitteilten, wie ihre Aufgaben nun verteilt waren. Anschließend durften sie im Zug Streife gehen, um einerseits darauf zu achten, daß niemandem etwas passierte, andererseits jeden möglichen Streit im Keim zu ersticken, was an und für sich schwierig war, wenn man nicht unmittelbar am Herd der Auseinandersetzung war, wußte Aurora. Deshalb sprach sie auf Philipp ein, er möge sich ganz ruhig verhalten und lediglich ein paarmal im Zug auf und abgehen und könne dann entweder zu seinen Freunden ins Abteil oder zurück ins Vertrauensschülerabteil. Er schien von diesem Ratschlag nicht viel zu halten und raunzte sie an:

"Spiel dich mir gegenüber jetzt bitte nicht als die große Cousine auf, Aurora! Ich muß das alleine reinkriegen, wer was von mir erwarten kann oder nicht."

"'tschuldigung, konte ich nicht wissen", erwiderte Aurora etwas verstimmt. Sie hatte ja nur helfen wollen, daß Philipp mit diesem neuen Status nicht zu viel Stress bekam. Philipp setzte sich dann auch prompt ab, als Aurora in eines der Abteile hineinschaute, in dem neue Schüler saßen und sich angeregt unterhielten. Ein pausbäckiges, kugelrundes Mädchen mit schwarzen Ringellöckchen breitete gerade irgendwelche bunten Magazine auf dem Schoß aus. Ansonsten sah die nun dienstälteste Vertrauensschülerin der Ravenclaws nichts, was Anlaß zum Einschreiten gegeben hätte. Sie ging leise weiter und lauschte im Vorbeigehen den Gesprächen, die hinter den Abteiltüren geführt wurden, bis sie an einem Abteil vorbeikam, wo Loren Tormentus sich mit Klassenkameradinnen aus ihrem Haus unterhielt. Sie blieb einen Moment stehen und lauschte.

""... Keiner behauptet, daß er tot ist, Loren. Es heißt nur, daß er verschwunden ist, nachdem sein Avada Kedavra von Potter auf ihn zurückgeprallt ist. Er ist unsterblich, Loren, also würde ich an deiner Stelle nicht davon ausgehen, daß er nicht mehr wiederkommt."

"Selbst seine engsten Getreuen halten ihn für erledigt", erwiderte Loren Tormentus. "Wenn er nach dem mißglückten Fluch noch mächtig genug wäre, hätten seine Getreuen ihn schon längst gefunden. Die die nach ihm kommen werden etwas vorsichtiger sein."

"Ich weiß, Loren, daß du nicht viel vom ihm hältst. Aber du mußt auch bei deiner komischen

sehr fragwürdigen Verehrung für die Muggelwelt zugeben, daß er schon großes geleistet hat, um die wahre Zaubererwelt vor Durchsetzung zu bewahren", erwiderte einer der Slytherin-Siebtklässler.

"Wenn ihr das meint", erwiderte Loren darauf nur. Aurora fragte sich, ob das Mädchen nicht vielleicht etwas zu waghalsig war, wenn sie denen, die nach all dem Terror und Elend, daß er, dessen Name nicht genannt werden durfte, in der Zaubererwelt angerichtet hatte immer noch oder gerade deshalb zu ihm hielten, so frei heraus vorwarf, daß der wohl endgültig erledigt war. Sicher, sie hoffte es auch, daß dieser ungeheuerlich böse Zauberer niemals wiederkommen würde. Aber daß von ihm keine sterblichen Überreste gefunden worden waren und selbst Dumbledore erwähnt hatte, daß er nicht wirklich gestorben war, sondern nur verschwunden, hinterließ ein gewisses Unbehagen. Sie überlegte, ob sie hier noch weiter stehenbleiben sollte, als von hinten Schritte zu hören waren. So ging sie weiter, um hier nicht unnötig aufzufallen. Als sie das Abteil erreichte, in dem Petula, Dina, Roy und Mortimer zusammensaßen, klopfte sie an die Tür und trat ein. Sie unterhielt sich einige Minuten mit ihnen über die letzten Ferientage und die Anreise. Diesmal hatten sie ja nicht den Kamin benutzen müssen. Mortimer stichelte:

"Darf Bruster denn alleine apparieren oder nicht? Das stand doch noch nicht sicher fest."

"Habe ich ihn nicht gefragt, Mortimer. Es ist ja dein Vetter und nicht meiner", erwiderte Aurora Dawn.

"Mir hat er's nicht erzählt", entgegnete Mortimer. Roy sagte dazu nur:

"Wird er wohl gepackt haben. Sonst dürfte der doch kein Schulsprecher sein."

"Das hat doch damit nichts zu tun", wandte Petula ein. "Apparieren ist ein außerschulisches Können, genauso wie das mit euren Autos, Roy. Der muß die Prüfung nicht geschafft haben, um weiter Schulsprecher zu sein."Aurora nickte dazu nur.

Die Tür ging wieder auf, und Tonya Rattler blickte hinein. Sie verzog das Gesicht, als sie Dina und Roy zusammen sah.

"Ich wollte nur sehen, ob hier alles in Ordnung ist", sagte sie. "Ist so mein Job als Vertrauensschülerin."

"Guten Morgen, Ms. Rattler. Gut in den Tag gekommen?" Fragte Roy Fielding scheinheilig. Dann deutete er auf Aurora Dawn und fuhr fort: "Ms. Dawn hier hat uns schon inspiziert, ob wir uns auch ordentlich betragen. Ich denke, bei den Erstklässlern wird noch jemand zum aufpassen gebraucht."

"Bilde dir ja nichts ein, Fielding. Ist das echt wahr, daß du und die Murphy ..." Roy zeigte seinen Ehering vor, Dina aus Trotz ebenso. "Schon wieder so eine Fehlpaarung", knurrte Tonya.

"Das wäre es, wenn ich mit dir zusammengekommen wäre", erwiderte Roy verärgert, während Dina die Slytherin-Vertrauensschülerin sehr verdrossen anstarrte. Tonya rümpfte die Nase und wollte gerade was sagen, als hinter ihr Bruster Wiffle auftauchte und sagte:

"Was maßen Sie sich an, Ms. Rattler, hier über Richtigkeit und Unrichtigkeit von Paarungen zu urteilen? Möchten Sie Ihrem Haus gleich zehn Minuspunkte mitbringen?"

"Spiel dich ja nicht auf, nur weil du das Silberding trägst, Wiffle. Du bist und bleibst ...", setzte Tonya an, doch Brusters lauernder Blick warnte sie, bloß nichts zu sagen, wofür er ihr wirklich Punkte abziehen konnte. "... ein Angeber, nur weil deine Mutter sich was drauf einbildet, mit einem echten Muggel verheiratet zu sein", beendete Tonya ihren Satz und verließ das Abteil.

"Morgen zusammen! War die nette Dame besonders freundlich zu euch, Dina und Roy?"

"Du kennst die doch, Bruster", erwiderte Mortimer. "Sie will wohl jetzt, wo das letzte Jahr losgeht noch einmal voll dreinschlagen, weil sie weiß, daß sie danach erst mal ganz unten anfangen muß, wo sie die ist, auf die alle drauftreten."

"Ja, aber trotzdem muß sich das keiner bieten lassen, wie die rumtönt", erwiderte Bruster. Aurora sah ihn fragend an, und er trat ganz ins Abteil und zog die Tür zu. Dann sagte er in ganz ruhigem Ton: "Ich werde mich nicht hinreißen lassen, deretwegen Extrapunkte von Slytherin abzuziehen, damit die zu ihrem Angebeteten rennt und der dann Ravenclaw Punkte wegnimmt wie es ihm paßt. Aber gewisse Sachen werde ich der nicht mehr durchgehen lassen, wenn ich es direkt mitkriege, wenn sie was macht, und das weiß sie auch, sonst hätte sie mich wieder ein Schlammblut genannt."

"Deshalb denkt die auch, daß Dina und ich nicht zusammengehören", knurrte Roy. "Dumm ist nur, daß ich mich nicht dafür revanchieren kann, wenn die sowas losläßt."

"Inwiefern?" Fragte Bruster herausfordernd.

"Daß ich der die Meinung sagen kann wie früher", erwiderte Roy. Mortimer nickte. Da antwortete Aurora Dawn:

"Laßt euch im letzten Jahr nicht noch von der fertigmachen, nur weil die Vertrauensschülerin ist, Leute! Sie wird wissen, wie weit sie auch bei euch gehen darf und wie weit nicht. Wenn rauskommt, daß sie gezielt provoziert, kriegt sie mehr Ärger als es ihr die Sache wert ist. Also macht euch keinen zu großen Kopf um die!"

"Du hast gut reden. Wenn du ihr deine Meinung geigst kriegt Ravenclaw dafür nix abgezogen", knurrte Mortimer. Doch Petula nickte der Freundin anerkennend zu.

"Öhm, willst du erstmal hierbleiben, Aurora? Oder wolltest du auch weiterpatrouillieren?" Wollte Bruster wissen. Aurora hörte aus dieser Frage heraus, daß Bruster am liebsten auch bei seinen Kameraden bleiben würde. Doch als Schulsprecher hatte er im vordersten Abteil bereitzustehen, wenn die anderen Vertrauensschüler was zu melden oder irgendwelche Fragen hatten. Sie überlegte kurz und beschloß, zunächst die Runde durch den Zug zu Ende zu machen. Ob sie im Verlauf der noch langen Fahrt noch einmal in das Abteil zu ihren Freunden und Klassenkameraden gehen wollte würde sie dann beschließen. Bruster nickte und kehrte ins Vertrauensschülerabteil zurück.

Sie unterhielt sich einige Minuten lang mit Vivian Acer und Nelly Flowers, die zusammen mit Drittklässlern aus Hufflepuff ein Abteil besetzt hielten. Sie erfuhr von Vivian, daß sie neben Muggelkunde, weil ihre Eltern eben keine Zauberer waren, auch noch magische Geschöpfe und Arithmantik gewählt hatte, genauso wie Nelly Flowers.

"Cyn hat damals noch die alten Runen dabei gehabt. Aber ich wollte mir nicht unnötig viel aufladen", sagte Nelly zu Aurora. Diese nickte. Sie hatte ja alte Runen, Pflege magischer Geschöpfe und Muggelkunde gewählt, von dem jetzt noch alte Runen und Muggelkunde von ihr belegt wurden. Ein Junge aus der dritten Klasse, der auch die Pflege magischer Geschöpfe gewählt hatte, fragte, ob sie auch Drachen oder Sphinxen zu sehen bekämen. Aurora lachte erheitert und antwortete, daß Drachen wohl kaum im Unterricht erwähnt würden, da es zu schwer sei, sie irgendwo lange einzusperren.

Als sie an einem Abteil vorbeikam, aus dem ein erregter Wortwechsel zu hören war, blickte sie hinein und sah Bill Weasley, den rothaarigen Gryffindor-Zweitklässler, der sich gerade mit Bazil Callahan, einem Slytherin-Vertrauensschüler, in der Wolle hatte, weil seine Haare ziemlich wüst aussahen und der Umhang an vielen Stellen geflickt aussah.

"Deine Mutter sieht aus, als wäre die andauernd schwanger. Und wenn ich mir überlege, daß sie sieben Junge gekriegt hat könnte die echt noch wen herumtragen. Ist ja klar, daß ihr dann keine anständigen Klamotten kriegt. Aber deine rote Zottelmähne solltest du echt ordnen, Weasley, sonst kriegst du voll den Ärger mit der McGonagall."

"Ey, zum einen, was meine Familie angeht, sei froh, daß meine Eltern genug Zauberernachwuchs auf die Welt gebracht haben, um Hogwarts und damit eine gute Zaubereiausbildung am laufen zu halten. Zweitens lasse ich mir wegen des Umhangs auch nichts sagen, weil meine Eltern es für wichtiger halten, daß wir genug zu essen haben und ich meine Schulbücher kriege. Was meine Haare angeht, nicht jeder kann sich Pomade reinschmieren, die einen ganzen Tag vorhält."

"Ey, Weasley, bist du blind oder nur blöd? Ich hab'n Vertrauensschülerabzeichen. ich hab dafür zu sorgen, daß alles in Ordnung is', Mann! Aber es ist ja nicht mein Haus, daß deswegen Punkte verjubelt, Blutschändersohn."

"Daß ihr sogenannten Reinblüter es nicht reinbekommt, daß Blutschande das ist, wenn der Bruder mit der Schwester und der Vater mit der Tochter Kinder in die Welt setzt. Aber was soll ich mich da noch aufregen", erwiderte Bill Weasley ganz unbeeindruckt. Callahan machte wohl Anstalten, den Zauberstab zu benutzen. Doch offenbar waren im Abteil nur Gryffindors, zumindest aber Freunde von Bill, die sich sofort so stellten, daß Callahan seinen Zauberstab nicht richtig ausrichten konnte.

"Kann man mal sehen, was du für'n Feigling bist, Weasley. Spuckst große Töne und verkriechst dich dann hinter anderen Leuten, wenn's Ärger gibt."

"Schwirr ab, Callahan!" Knurrte ein Junge, der wohl aus der fünften Klasse war, wie Aurora an der schon ziemlich brüchigen Stimme hörte.

"Okay, ich klär das mit Professor Snape und McGonagall, ob dafür zwanzig Punkte Abzug von Gryffindor gehen", erwiderte Callahan und verließ das Abteil, wo er fast auf Aurora prallte. Er starrte sie an und fauchte:

"Lauschst du immer bei anderen rein?"

"Erstens ist das mein Job, genau wie deiner, aufzupassen, daß es nirgendwo zu laut kracht. Zum anderen mußte ich mir erst sicher sein, daß du alles hier unter Kontrolle hast", sagte Aurora Dawn ruhig. Callahan knurrte und ging einfach weiter. Er wußte, daß Aurora mitbekommen hatte, daß er diese Auseinandersetzung um eigentlich belanglose Sachen zu einer persönlichen Sache verdreht hatte. Wenn er Gryffindor dafür Punkte abziehen wollte, bevor die Fahrt zu ende war, konnte Aurora ihm dafür kräftig in die Suppe spucken. Sie beschloß daher, ihm nach Möglichkeit aus dem Weg zu bleiben oder zumindest genug andere Vertrauensschüler um sich herum zu haben. Sie hielt sich zwar nicht für einen Feigling. Aber sie hatte früher schon mitbekommen müssen, daß Leute aus Slytherin sehr skrupellos und brutal sein konnten, wenn es darum ging, die eigenen Vorteile auszunutzen.

"Im vordersten Abteil saß Eunice Armstrong und las in einem Buch, das "Wege zur Verwandlung" hieß und laut der großen Sieben auf dem Rücken das siebte einer Reihe war.

"Du nimmst nicht Wendels Buch?" Fragte Aurora. Sie hatte Eunice in den Unterrichtsstunden zwar mit den Unittamo-Techniken zaubern gesehen, wußte aber nicht, daß die Klassenkameradin aus Gryffindor auch andere Schulbücher verwendete.

"Ich lese den Wendel nur, um in den Hausaufgaben die korrekten Antworten zu notieren, weil Professor McGonagall eben voll auf Wendel ist. Zum praktischen üben und für echt wirksame Tricks benutze ich Maya Unittamos Buch, das sie selbst für Schulen wie Beauxbatons und ihre eigene Schule Thorntails verfaßt hat. Echt schön, daß ich einen Grund habe, mich wo hinzusetzen, wo's richtig ruhig ist, um mir für den Anfang die ersten Grundlagen anzulesen, wenn ich auch einiges schon mal ausprobiert habe."

"Stimmt, wir kommen ja jetzt zu den höheren Selbstverwandlungen und multiplen Beschwörungen", sagte Aurora Dawn.

"Ich habe Professor McGonagall angeschrieben, ob die Verfasserin des Buches hier mal zu uns kommen kann. Aber die unterrichtet ja noch selbst in Thorntails. Ich würde sie gerne noch einmal sehen. Die ist einfach nur genial in Verwandlungen aller Art", sagte Eunice. "die steht vor dir, unterhält sich mit dir und wird dann mal eben zu einem Tisch, einem Elefanten oder einer Wassersäule. Wenn sie ganz gewitzt drauf ist, habe ich mir erzählen lassen, stellt sie sich selbst als Stuhl an einen Tisch hin und wartet, bis sich wer auf ihr niederläßt, wartet ein paar Minuten und läuft dann einige Schritte, bis das Opfer ihres Streiches aufgesprungen ist."

"Schon ziemlich hinterhältig", erwiderte Aurora Dawn. "Aber auch irgendwie lustig."

"Will ich meinen", erwiderte Eunice.

Die Tür flog auf, und Philipp Priestley sprang ins Abteil. Sein Gesicht war eine blutrote Maske der Wut.

"Neh, Eunice, so nicht. Tonya Rattler hat gerade meine Schwester blöd angemacht, und weil die sich das nicht hat bieten lassen sollen fünfzig Punkte von Ravenclaw abgezogen werden. Das läuft so nicht!" Schnaubte Philipp. Aurora verzog das Gesicht. Callahan probierte das bei den Gryffindors ja auch aus.

"Moment, Philipp. Du setzt dich bitte erst mal hin und trinkst was, damit du nicht überhitzt", sagte Eunice ganz ruhig, während Aurora ihrem Vetter einen Stuhl zurechtrückte. Philipp wollte sich aber nicht hinsetzen. Die schiere Empörung brodelte in ihm wie kochendes Wasser in einem Kessel.

"Ich bin wie du und Bruster es gesagt habt durch den Zug, habe alle Abteile abgegrast, ob irgendwo was anliegt und bin fast am hinteren Ende noch dazugekommen, als Tonya Rattler sich mit Agatha darüber hatte, daß ihre also auch meine Mutter ja total gestört sei und wir daher wohl auch einen ordentlichen Sprung in der Schüssel haben müßten, weil unsere Mutter sich so gut mit den technischen Sachen der Muggel auskennt. Agatha hat sich das nicht bieten lassen und gekontert, daß sie, also Tonya, eh keine Ahnung davon habe, weil die's ja nicht wissen wolle und wohl nur deshalb Vertrauensschülerin geworden sei, damit die anderen Slytherins sie nicht für total bescheuert ansehen können. Dann meinte Tonya, dafür würden Ravenclaw fünfzig Punkte aberkannt. So nicht, Eunice!"

"Setz dich bitte hin! Ich will mir nicht den Nacken verrenken, wenn ich mit dir reden möchte", erwiderte Eunice mit einer leisen aber doch sehr energisch betonten Stimme. Dabei starrte sie Philipp mit einem Ausdruck an, als würden gleich grelle Blitze aus ihren Augen schießen und ihn zu Asche verbrennen. Aurora sah den Vetter an und bedeutete ihm wortlos, sich doch besser hinzusetzen. Kaum hatte Philipp sich dazu durchgerungen, erschien ein großes Glas voll Wasser vor ihm auf dem Tisch. Nur Aurora schien gesehen zu haben, wie Eunice mit einer beinahe blitzartigen Zauberstabbewegung die Gesten für eine Beschwörung toter Einzelobjekte vollführt hatte. Im ungesagten Zaubern war sie shchlicht weg ohne gleichen. Als Philipp einen großen Schluck des angenehm kühleln Wassers getrunken hatte, berichtete er noch einmal sein Erlebnis. Aurora fühlte sich verpflichtet, das mit Callahan weiterzuerzählen, der Bill Weasley auf ähnliche Weise zu unbedachten Antworten verleiten wollte.

"In Ordnung, ich höre mir die betreffenden Leute selbst an und werde dann, bevor die Fahrt vorbei ist, noch einmal was grundsätzliches sagen. Wo ist Bruster, Aurora?"

"Ich Dachte, der wäre hier. Muß wohl wieder aus dem Vorderabteil rausgegangen sein, als ich bei den Drittklässlern im Abteil war", sagte Aurora.

"Stimmt, ich habe ihm gesagt, ich würde hier in Bereitschaft bleiben. Da konnte ich in Ruhe mein Buch lesen", erwiderte Eunice. "Suchst du mir den mal bitte, Aurora?"

"Mach ich", erwiderte Aurora.

"Ach ja, wenn du die Leute aus Slytherin unterwegs triffst, bitte sie höflich, hier ins Abteil zu kommen, damit ich mir ihre Version anhören kann."

"Das ist Zeitverschwendung, Eunice", knurrte Philipp. "Die lügen doch das Blaue vom Himmel runter. Würde mich nicht wundern, wenn es draußen pechschwarz ist, wenn wir am Ziel ankommen."

"Toller Vergleich, Philipp, aber ich muß mir deren Version anhören, bevor ich was dazu sagen kann", erwiderte Eunice. Aurora hörte wieder ihre Oma Regan: "In ein übergroßes Kleid kann man immer noch reinwachsen." Offenbar stimmte das auch im Bezug auf den Aufstieg vom einfachen Vertrauensschüler zum Schulsprecher. Aurora nickte Eunice zu und verließ das Abteil. Unterwegs traf sie Tonya, Bazil und zwei andere Slytherin-Vertrauensschüler. Tonya strahlte Aurora an, als habe sie gerade was ganz tolles geschenkt bekommen und flötete:

"Hat sich der große Bruder dieser durchgeknallten Göre schon bei Armstrong und Wiffle ausgeheult? Wird nichts bringen, fürchte ich."

"Eunice möchte dich, Callahan und alle anderen Vertrauensschüler vorne im Abteil sehen und sich anhören, was eigentlich passiert ist", sagte Aurora kalt wie ein Eisberg. Tonya grinste nur und drängelte sich an ihr vorbei. Callahan stolzierte ihr hinterher.

Bruster war bei seiner Schwester, die zusammen mit Joan Austin und anderen Gryffindor-Sechstklässlerinnen Karten spielte.

"Es ist dicke Luft im Zug, Bruster. Eunice will uns alle vorne haben, und dich besonders", sagte Aurora.

"Ich weiß, wegen diesem Pöbel aus Slytherin. Rattler & Co. wollen ihrem hakennasigen Hauslehrer wohl das Supergeschenk zum letzten Schuljahr machen und alle Häuser außer ihres mit unter null Punkten starten lassen. Die hat das hier auch probiert. Aber weil ich hier saß und sie genau angesehen habe hat die sich nicht getraut, hier voll zuzulangen."

"Sag Eunice, die kann die Rattler und den restlichen Müllhaufen fingerhutfertig einschrumpfen und aus dem nächsten Fenster schmeißen!" Fauchte Joan Austin.

"Schön wäre es", sagte Bruster dazu nur und winkte Aurora, ihm zu folgen.

In aller Ruhe hörte Aurora es sich an, wie die Vertrauensschüler einen kurzen Bericht abgaben. Dann sprach Eunice zu Tonya, ob es stimme, daß sie gezwungen worden sei fünfzig Punkte von Ravenclaw abzuziehen. Sie sprach sehr ruhig, ohne Jede Gefühlswallung. Tonya Rattler sah sie herausfordernd an und schilderte dann, was sie dazu getrieben hatte, Punkte abzuziehen. So tat es auch Callahan, der zwischenzeitlich einen Seitenblick auf Aurora Dawn warf, dem sie jedoch standhielt. Es vergingen anderthalb Minuten. Dann sagte Eunice:

"Ich fürchte, ihr habt die Regeln von Hogwarts nicht so gründlich gelesen wie sie es verdient haben. Da steht nämlich drin, daß Vertrauensschüler auf dem Gelände von Hogwarts Punkte von Häusern abziehen dürfen, wenn Schüler aus diesen Häusern sich ungebührlich verhalten oder in ihren Leistungen offen nachlassen. Allerdings müssen sie jeden Punktabzug von den Lehrern bestätigen lassen. Will sagen, sie müssen das weitermelden. Wenn befunden wird, daß die Strafe gerecht ist, werden die Punkte aberkannt. So, wo ist da also schon mal der Haken was die Sache von gerade eben betrifft?"

"Das wir mit unserem Hauslehrer reden müssen", erwiderte Tonya Rattler unbeeindruckt. Eunice schüttelte sacht den Kopf. Dann sagte sie ruhig:

"Da steht was von "auf dem Gelände von Hogwarts". Aber da sind wir noch nicht. Denn der Zug, besonders am Schuljahresanfang, gilt nicht als Bestandteil der Ländereien von Hogwarts. Ihr könnt also keinem hier Punkte für irgendein Haus abziehen, besonders, weil ja noch unzugeteilte Erstklässler im Zug sind. Wollt ihr denen, die noch zugeteilt werden müssen schon solch einen Einstand aufladen?"

"Wenn sie es verdient haben", knurrte Callahan. Philipp verzog das Gesicht. Doch Eunice sah ihn sehr eindringlich an und wandte sich dann wieder den anderen zu.

"Zum zweiten ist völlig klar, daß Leute es sich nicht bieten lassen, wenn ihre Familien beleidigt werden. Um dadurch aufkommende Punktabzüge zu vermeiden, weil es ja doch jedem passieren kann, daß er oder sie wegen einer unpassenden Bemerkung wütend wird, müssen die Punktabzüge mit den Hauslehrern abgestimmt werden, und ich kann dir, Tonya, gleich vorhersagen, daß unsere Hauslehrerin dir solche Touren wie mit Agatha Priestley nicht durchgehen läßt, nur damit du nach Belieben Punkte abziehen kannst."

"Du glaubst der doch nicht etwa, weil ihr großer Bruder hier meint, diese Göre noch verteidigen zu müssen?" Schnarrte Tonya. "Aber ist ja klar, daß du zu dieser Bagage hältst, Eunice, wo die sich genauso gern mit dem Schrott aus der Muggelwelt abgeben wie du."

"Vorsichtig, junge Lady, jetzt stehen Sie auf verdammt dünnem Eis, und ich kann Ihnen locker Feuer darunter anzünden", schnarrte Eunice. Bruster sah Tonya und Callahan an und meinte dazu:

"Also Klartext: Wir alle hier können nicht einfach so Punkte von Häusern abziehen, solange wir nicht auf den Ländereien von Hogwarts sind. Außerdem dürfen die Punkte nicht auf Grund irgendwelcher Derbheiten abgezogen werden. Die ganze Sache ist also ungültig."

"Das klären wir mit den Hauslehrern", erwiderte Bazil Callahan unbeeindruckt. Er erkannte Bruster wohl nicht als ranghöher an. Bruster war daran gewöhnt, von Slytherins entweder angepöbelt oder für unfähig gehalten zu werden. Insofern sprach er ruhig weiter:

"Ich weiß echt nicht, was euch dazu getrieben hat, im Zug Leute anzureden, und sie in Streit zu verwickeln, damit sie euch gegenüber ausfällig werden. Könnte sein, daß euch das letzte Jahr zu Kopf steigt, bevor es losgegangen ist."

"Wir klären das mit den Hauslehrern", knurrte Callahan noch einmal. Doch Eunice lächelte ihn nur an und sagte:

"Ihr könnt gerne gleich nach dem Begrüßungsfest für die Neuen und den Beginn des Schuljahres zu Professor Dumbledore hingehen und ihm erzählen, was im Zug los war. Der wird sich dann die betreffenden Schüler kommen lassen oder die Hauslehrer zu ihnen schicken. So oder so käme dann heraus, ob jemand durch Pöbeleien zu wütenden Bemerkungen provoziert wurde oder nicht. Die beste Lösung ist, daß wir aufhören, irgendwelchen Häusern Punkte abzuziehen. Das heißt auch, daß die Punkte, die Bruster schon von Slytherin abgezogen hat, auch nicht gelten. Ihr sollt den Leuten hier Vertrauen einflößen und nicht wie die Drachen im Strohlager herumfauchen und kucken, wo ein Feuer ausbrechen kann!"

"Ich bleibe dabei, daß diese Göre Agatha Priestley mich ohne Respekt angeredet hat", erwiderte Tonya.

"Du erwartest Respekt, wenn du meine Schwester für gestört erklärst?" Tat Philipp verwundert. "Frage dich mal besser, womit du Respekt verdient hast!"

"Mit dem Umstand, daß Professor Dumbledore mich zur Vertrauensschülerin ernannt hat, Philipp Priestley", spie Tonya zornig zurück. Da stand Cynthia Flowers, eine Vertrauensschülerin der Hufflepuffs, auf und sprach, als würde es sie amüsieren:

"Das hat Professor Dumbledore doch nicht nur gemacht, weil du sonst bei deinen Hauskameraden unten durch gewesen wärest, Tonya? Jedenfalls muß jeder sich seinen Respekt immer verdienen, du genauso wie ich."

"Wie gesagt ist das nicht gerade vertrauensfördernd, wenn Vertrauensschüler herumgehen und auf die Familien einzelner Mitschüler schimpfen", sagte Eunice. Und Bruster fügte dem noch hinzu:

"Wir klären das nach dem Abendessen mit Dumbledore. Wir schreiben uns auf, wer weswegen welchem Haus Punkte abgezogen haben wollte. Das der Abzug nicht gültig ist ist zwar klar, weil wir ja nicht auf den Ländereien von Hogwarts sind. Aber ich denke schon, daß es Professor Dumbledore und die übrigen Hauslehrer interessiert, was während der Fahrt so los war."

"Vielleicht zieht er Slytherin dafür ja auch Punkte ab", feixte Philipp. Tonya funkelte ihn an. Doch Eunice und Bruster nickten beipflichtend. Dann schwang Eunice den größten Hammer, den sie sich noch aufbewahrt hatte.

"Ich habe mir die Freiheit genommen und alles von einer Flotte-Schreibe-Feder mitschreiben lassen. Den Text und einen kurzen Brief dazu schicke ich gleich nach Hogwarts los. Dann hat Professor Dumbledore unsere Diskussion schwarz auf weiß und kann befinden, wer wieso Punkte abgezogen bekommt, sobald wir alle auf dem Gelände von Hogwarts sind. Er wird dann wohl auch die Leute vernehmen, die für die Punktabzüge verantwortlich gemacht wurden wie Ms. Priestley oder Mr. Weasley. Überlassen wir es ihm, was dabei herauskommt."

"Ja, überlassen wir es ihm, ob er nicht findet, daß einige Vertrauensschüler sich mehr rausnehmen als ihnen zusteht", Ging Bruster auf Eunices Ankündigung ein. Tonya und Bazil wußten, daß Dumbledore im Zweifel für die Gryffindors und gegen die Slytherins entscheiden könnte, und Professor McGonagall und Professor Flitwick bestimmt nicht erbaut davon wären, daß ihre Häuser schon auf der Zugfahrt drastisch in die Miesen geraten waren. Tonya erkannte, daß sie dabei die schlechteren Karten hatte und sagte:

"Daß man im Zug noch keine Punkte abziehen darf wußte ich nicht mehr. Ich ging davon aus, daß wir damit die Ruhe und Ordnung auf der Fahrt sichern könnten."

"Klar, ein Feuerwehrmann, der nur löscht, was er selbst angezündet hat", bemerkte Philipp dazu. Eunice räusperte sich. Dann sagte sie zu Tonya:

"Darf ich dem entnehmen, daß der von dir ausgesprochene Punktabzug nicht bestehen bleibt?"

"Wenn du das so siehst, dann sei das so", grummelte Tonya. Callahan sah sie zwar etwas vorwurfsvoll an, ebenso die anderen Slytherin-Vertrauensschüler. Doch dann sagte auch er: "Okay, ihr habt gewonnen. Wir sagen, daß die Punktabzüge nicht stattfinden."

"Das ist sehr vernünftig von euch", sagte Eunice. Bruster nickte nur beipflichtend. Tonya meinte dann, daß sie dann keinen Sinn darin sehe, in den Abteilen nach dem Rechten sehen zu müssen, wenn sie eh nicht durchgreifen dürfe und bat darum zu ihren Freunden aus Slytherin zu gehen und sich mit denen die restliche Fahrzeit zusammenzusetzen. Eunice sah sie kurz und eindringlich an, sagte dann jedoch mit einem kurzen Nicken, daß Tonya von dem Patrouillendienst entbunden sei. Sie stand auf und wandte sich der Tür zu. Dann drehte sie sich noch einmal um und sah Aurora und Philipp an:

"Da wo wir sitzen braucht ihr also nicht mehr zu kontrollieren, damit das klar ist!" Dann verließ sie mit den anderen Slytherin-Vertrauensschülern das Abteil.

"Ob das jetzt so gut war?" Fragte Cynthia Flowers. Eunice und Bruster nickten wild.

"Die waren also tatsächlich drauf aus, möglichst viele Punkte abzuziehen, ohne sich an die dafür gemachte Regel zu halten. Das geht ja auch gar nicht, Punkte mehrere hundert Meilen von Hogwarts entfernt zu vergeben oder abzuziehen, weil die Punktegläser ja nur die entsprechenden Ansagen mitbekommen, die auf den Ländereien selbst gemacht werden, und zwar nur von Lehrern oder Vertrauensschülern. Sonst könnte ja jeder Vertrauensschüler in den Ferien Leuten aus anderen Häusern Punkte abziehen, wenn die sich seiner oder ihrer Meinung nach danebenbenehmen." Aurora nickte. Philipp atmete erleichtert auf. Cynthia fragte, wo Eunice denn die magische Schreibfeder versteckt habe, die das ganze Gespräch aufgeschrieben habe. Die Schulsprecherin vergewisserte sich erst, daß kein Slytherin-Vertrauensschüler vor der Tür lauschte. Dann deutete sie auf eine der goldenen Lampen. Dahinter lag ein winzigkleines Notizbuch, kaum größer als eine Briefmarke, auf der etwas dünnes, wie die Daunenfeder einer Ganz herumfuhrwerkte.

"Voll die Spionageausrüstung", staunte Bruster. "Und dieses Ding schreibt alles mit, auch in klein?"

"Ich habe gemäß der Pinkenbach-Beschränkungen zur vielfältigen Bezauberung toter Gegenstände einen sehr großen Zeichenblock genommen, eine Adlerfeder zur Flotte-Schreibe-Feder machen lassen, weil ich das nicht nachlesen konnte und habe dann beides so klein gemacht, daß die Feder immer noch die volle Wirkung tat. Der Vorteil dabei ist, daß je kleiner ein Schallempfänger ist, desto stärker wirkt sich der Umgebungslärm darauf aus, will sagen, desto empfindlicher ist der Empfänger. Die Feder hätte also auch in dreißig Metern Entfernung was aufschnappen können", sagte Eunice. Cynthia staunte.

"Das wäre dann das, was Peter McKortney mit dem Begriff Wanze umschrieben hat.

"Kommt in gewisser Weise hin. Allerdings wirkt sich die Pinkenbach-Regel derartig aus, daß eine verkleinerte Schreibfeder nur einen vollen Tag ihre Wirkung tun kann." Sie nahm ihren Zauberstab, ließ ihn kurz über dem winzigen Notizbuch kreisen und blähte es damit zu einer Zeichenmappe auf, die mindestens dreißig Zentimeter lang und zwanzig breit war. Darauf tanzte eine giftgrün schimmernde Feder. Eunice nahm sie vorsichtig und zog sie nach oben weg. Alle konnten nun lesen, was mitgeschrieben worden war. Eunice nahm die Blätter des sich selbst umblätternden Buches und faltete sie zu einem großen Paket zusammen. Dann trat sie ans Fenster, setzte eine Tonpfeife an die Lippen und blies hinein. Keine Fünf Sekunden später tauchte eine Schleiereule auf, die wohl aus den hinteren Abteilen hinausgeflogen war.

"Ich habe meinen Freund gebeten, auf meine Eule aufzupassen", sagte Eunice und steckte dem Vogel das Paket an das rechte Bein. Dann schrieb sie noch eine kurze Notiz, fügte sie dem Paket bei und schickte die Eule fort.

"Willst du die jetzt doch reinrasseln lassen?" Fragte Bruster.

"Ich habe Professor Dumbledore geschrieben, daß wir den Streit beigelegt haben, er sich aber bitte Grund und Ablauf dafür durchlesen möchte. Immerhin müssen wir in den nächsten Monaten noch irgendwie miteinander auskommen, selbst wenn die UTZ-Leute der Slytherins jetzt meinen, im letzten Jahr noch einmal alles aufmischen zu müssen, was sich anbietet."

"Meine Schwester hat sich nicht angeboten, Eunice. Die Rattler ist zu der rein und hat die dumm angelabert", warf Philipp ein. Aurora sah ihn an und sagte:

"Sie meint es auch so, daß die kucken, aus welchem Grund wer Punktabzüge riskieren würde. Die Familien zu beleidigen ist ja nur eine Sache, die gehen könnte."

"Ne ist klar, Aurora", grummelte Philipp.

Nach einigen Minuten setzten die verbliebenen Vertrauensschüler ihre Rundgänge fort. Tatsächlich sah es so aus, als wenn die Slytherin-Vertrauensschüler sich nicht mehr an den Verpflichtungen beteiligen wollten, die ihnen auferlegt waren. Doch Aurora war das egal. Sie wollte sich den ersten Tag im letzten Schuljahr nicht noch weiter verderben lassen. So prüfte sie die Abteile mit den Erstklässlern, die noch nicht wußten, wo sie in Hogwarts wohnen würden, besuchte ihre Klassenkameradinnen und verbrachte einige Minuten bei Agatha Priestley, die zwischendurch wohl geweint haben mochte. Philipp stieß noch dazu und sagte seiner Schwester, daß das mit dem Punktabzug vom Tisch sei. Aurora meinte dann noch:

"Das hast du letztes Jahr nicht mitbekommen, was Tonya Rattler so alles anstellt, weil es andere Sachen gab, die für sie wichtig waren. Ich denke auch, daß jetzt, wo Philipp Vertrauensschüler geworden ist irgendwie wichtig ist, ihn fertigzumachen. Sie bildet sich ein, wenn sie dich runtermacht würde sie ihn treffen. Lass ihr das nicht durchgehen! Wehre dich, solange du sie nicht tödlich beleidigst!"

"Soll das jetzt heißen, daß die mich immer wieder drankriegen will?" Fragte Agatha.

"Höhm, hast du wohl so gemeint, Aurora", knurrte Philipp. Aurora mußte nicken, sagte dann aber

"In den ersten Jahren hatte die es auf mich abgesehen, auch und vor allem als mein Onkel Dustin ermordet worden war. Als dann Harry Potter fast getötet worden war und Du-weißt-schon-wer verschwunden ist hat sich das etwas gelegt. Jetzt, wo sie wie ich im letzten Jahr ist, will sie wohl noch einmal sehen, mit wem sie was anstellen kann oder nicht. Aber wir sollten aufpassen, daß sie sich nicht auf dich festlegt."

"Na toll", knurrte Philipp. "Ich wußte doch gleich, daß dieses Abzeichen nur Ärger macht. Wenn ich nicht dumm angequatscht werde, hängen die sich an meine Schwester dran."

"Das werden wir sehen, Philipp. Der erste Versuch ist ja voll ins Wasser gefallen", entgegnete Aurora Dawn. "Könnte sein, daß sie es jetzt begriffen haben, daß es so nicht geht."

"Na ja", meinte Philipp dazu nur.

Als der Zug dann gegen Einbruch der Abenddämmerung im Bahnhof von Hogsmeade einlief, hatte Eunice bereits eine Antwort von Dumbledore. Er beglückwünschte Eunice und Bruster dazu, die erste Hürde genommen zu haben und schrieb, daß am nächsten Samstag schon eine Versammlung der Vertrauensschüler und Lehrer in Dumbledores rundem Turmzimmer stattfinden sollte.

"Tolle Sache", knurrte Philipp. "Gleich der erste Samstag eine Konferenz."

"Wird schon nicht so schlimm sein", sagte Aurora.

Wie jedes Jahr sang der sprechende Hut von Hogwarts ein Lied über die Schule und ihre vier Gründer: Rowena Ravenclaw, Helga Hufflepuff, Godric Gryffindor und Salazar Slytherin, wieß auf deren Eigenheiten hin und daß er nun alle neuen Schüler gemäß dieser Eigenheiten zuteilen würde. Aurora fverfolgte die Auswahl mit großen Augen. Wenn sie die UTZs schaffte, dann war das hier und jetzt die letzte Auswahl, die sie als Schülerin miterleben durfte. Als dann die vierzig Neuzugänge verteilt worden waren wünschte Dumbledore allen Schülern einen recht guten Appetit.

Zwischendurch sah Aurora immer wieder zu dem Lehrer-Tisch hinüber. Ein Platz war leer. Wo war Professor Glaucus?

"Nun, nachdem alle von euch gut gegessen und getrunken haben, komme ich noch zu einem Punkt, von dem ich gehofft hatte, ihn doch nicht mehr behandeln zu müssen", sagte Dumbledore erst etwas betreten. Dann straffte er sich und fuhr fort: "Wie ich leider erst vor einer Woche erfuhr ist bei unserem nun doch mehrjährigen Fachlehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste, Professor Glaucos, ein Prozeß in Gang geraten, von dem nicht nur er dachte, er sei gestoppt. Diejenigen, die bereits mehrere Jahre mit diesem Kompetenten Lehrer zu tun hatten, erinnern sich, daß er einen nixischen Elternteil besitzt. Seine Mutter ist eine Meerfrau. Deshalb war er dazu gezwungen, seine Haut in regelmäßigen Abständen mit Wasser zu benetzen, um nicht auszutrocknen. Was weder er noch sonst wer wußte war, daß Halbwassermenschen, die viel rohen Fisch essen, irgendwann eine vollständige Verwandlung in einen Meeresbewohner herbeiführen. Da Meerleute überwiegend Vegetarisch leben, wirkte sich das für Glaucos anders aus. Als er nach einem reichlichen Fischessen fühlte, wie er immer mehr austrocknete und ein größeres Verlangen nach Wasser bekam, stellten die Heiler fest, daß seine unteren Extremitäten, also die Beine, immer mehr zusammenwachsen. So würde sich Glaucos innerhalb von nur einem Monat vollständig in einen Meermenschen zurückverwandeln. Das dieser Prozeß Jahre gedauert hätte, wenn weniger Fisch gegessen worden wäre, stimmt da nicht sonderlich tröstlich für uns. Aber mein Bekannter Glaucos nimmt es gelassen. So wie er jetzt aussieht, wird er in drei Wochen rein äußerlich zum vollständigen Meermenschen zurückverwandelt sein. Wir können nichts mehr dagegen tun. Die Veränderung ist zu weit vorangeschritten."

Alle sahen den Lehrer an. Sicher, mit dem Halbwassermenschen kam nicht jeder gut klar. Dennoch hatten sie alle viel von seinem Unterricht. Er ist an seinen Geburtsort zurückgekehrt, um das Ende der Verwandlung dort abzuwarten und hat mich ausdrücklich gebeten, daß ich einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für sein Unterrichtsfach ernenne." Snape meldete sich mit einem einfachen Handzeichen. Doch Dumbledore schüttelte den Kopf. Dann deutete er auf die Tür.

"Darf ich bekanntmachen! Professor Adamas Silverbolt!"

Durch die sich nun auftuende Tür trat ein muskulöser Zauberer in einem langen, blütenweißen Umhang aus Einhornfell. Ein himmelblauer Zaubererhut ritt auf einem silberblonden, bis zu den Ellenbogen hinabreichenden Schopf. Ebenso silberblond war der sorgfältig aufgerollte Schnurrbart, der die Oberlippe des Zauberers zierte, der mit großen, grasgrünen Augen freundlich durch kreisrunde Brillengläser in die Runde blickte. Aurora fühlte, daß von diesem Mann eine große Kraft ausging und hoffte, daß dieser hünenhafte Zauberer sein Fach wirklich so gut verstand, daß sie darin einen guten UTZ erringen konnte. Philipp wandte sich ihr zu und fragte, wieso der nicht schon vorher erschienen war. Doch Dumbledore schien es gehört zu haben. Er wartete, bis Professor Silverbolt bei ihm war, begrüßte ihn mit kräftigem Händedruck und sah dann wieder in die Runde seiner Schüler. Am Slytherin-Haustisch steckten sie bereits die Köpfe zusammen und tuschelten, was dieser Zauberer wohl alles könne. Dann sagte er:

"Professor Silverbolt war bis vor zwei Stunden noch im Ministerium, wo er über seine neuesten Studien zu schwarzmagisch belebten Leichen und bösartigen Geisterwesen referiert hat. Daher konnte er nicht zum Abendessen erscheinen. Da er in einer Abteilung des Ministeriums arbeitet, die ihn ungern entbehren wollte, darf ich meinen Weggefährten von früher nur für ein Jahr hier anstellen. Er hat bereits mit Professor Bitterling und diversen anderen hochkompetenten Lehrern von hier zusammengearbeitet."

Aurora sah, wie Snape den Neuankömmling sehr verdrossen anstarrte, als wolle er ihn mit seinen Blicken töten. Doch Silverbolt sah Snape kurz an, der unvermittelt in eine Starre verfiel, als müsse er sich auf irgendwas ganz wichtiges konzentrieren. Silverbolt nickte Dumbledore zu, sah ihn fragend an und bekam ein Nicken des Schuldirektors zur Antwort. Dann wandte er sich um,hob feierlich seine Hände und sah auf die Haustische. Als habe er ohne Zauberstab einen Massenschweigezauber aufgerufen trat übergangslos totale Stille ein. Dann sprach Silverbolt mit einer sehr tiefen Baßstimme.

"Liebe Schülerinnen und Schüler von Hogwarts. Wie euer Schulleiter, der jetzt auch mein Vorgesetzter ist, gerade erwähnt hat, heiße ich Adamas Silverbolt und werde für ein Jahr den Unterricht Verteidigung gegen die dunklen Künste erteilen. Weil ich daher keine Zeit mit sich wiederholenden Vorstellungsarien vertun möchte, nutze ich die Gelegenheit, euch alle in der großen Halle zu haben, mich so vorzustellen, daß ihr alle wißt, mit wem ihr es ab morgen zu tun haben werdet.

Über mein Alter möchte ich hier keine Worte verlieren. Professor Dumbledore hat ja schon gesagt, daß wir beide einen gewissen Weg zusammen gegangen sind. Leben tue ich in einem Wald bei Sussex, wenn ich hier auch nicht genauer sagen möchte, wo da genau. Was für euch hier wichtig ist, das sind meine Qualifikationen. Ich verfüge über profunde Kenntnisse in direkten, stationären und aus der Ferne gewirkten Flüchen, habe zehn Jahre mit dem Studium durch dunkle Kräfte erzeugter Kreaturen zugebracht und kenne diverse Ritualzauber, die gutes gegen böses aufbieten, ja aber auch düstere Kräfte freisetzen können, die von Unterdrückung bis zur physischen Vernichtung reichen können. Ich schrieb Bücher über Inferi und ihre afrikanischen Entsprechungen, die Zombies, studierte die Geisterwelt und ihre Regeln und schaffte es danach, mehrere Häuser durch Exorzismus-Zauber von unliebsamen Mitbewohnern aus der Welt der Geister zu befreien. Ich hoffe, ihr macht mir nicht irgendwelchen Ärger. Sonst werde ich sehr hart durchgreifen", drohte Adamas Silverbolt. Dann lächelte er wieder und sagte: "Aber gegen kreatives Schaffen habe ich nichts einzuwenden. Ich erwarte euch dann ab Morgen zu meinem Unterricht.""

"Das war eine Vorstellung?" Fragte Vivian Acer skeptisch. "Der hat uns doch nichts wesentliches erzählt."

"Doch, daß er dunkle Rituale kann", erwiderte Roy Fielding. "Will nicht wissen, was der sich für die siebte Klasse ausgedacht hat."

"Ach, möchtest du das nicht? Warum bist du dann in dem Fach geblieben?" Fragte Mortimer. Roywandte sich um und erwiderte:

"Weil mir das, was mit meinen Eltern passiert ist, nicht noch mal so schnell passieren soll. "Deshalb mache ich hier mit"

"Dann sei mal gespannt. Sowas wie Inferi und Ritualzauber fehlen wohl noch in unserem Angebot", erwiderte Bruster.

"Hmm, schon richtig", erwiderte Roy. "Dieser Schweinehund Voldemort soll sich ja eine ganze Armee von lebenden Leichen herangezüchtet haben."

"Die jetzt vielleicht irgendwo geparkt sind und darauf warten, wem neuen nachzulaufen", warf Bruster ein. Aurora fand, daß es jetzt reichte und zischte, daß sie besser nicht mehr über ihn, dessen Name nicht genannt werden durfte sprechen sollten. Roy sah sie etwas verdutzt an. Doch er nickte zustimmend.

Nach dem Abendessen führten Aurora, Bruster und Philipp die Mitschüler vor den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum. Dort hing ein Bild mit einer Wiese, auf der eine braun-weiß geschekcte Kuh lag. Ein ländlich gekleideter Mann saß daneben und blickte ungeduldig auf die heranrückende Schülerschar.

"Endlich kommt ihr mal. Ich bin müde", knurrte der gemalte Bauernbursche. Aurora sah Bruster an, der ihr dann bedeutete, vorzutreten. Bruster hatte zwar von Dumbledore die versiegelten Umschläge mit den Passwörtern für die einzelnen Schulhäuser bekommen und hätte das von Ravenclaw problemlos öffnen können. Doch er hatte es Aurora überlassen. So ging sie vor und sprach laut und vernehmlich:

"Orbs Veneris!"

"Meinetwegen", knurrte Bruce, der gemalte Türhüter der Ravenclaws und schwang mit dem ganzen Bild zur Seite. Angeführt von Aurora und Bruster rückten die alten und neuen Bewohner Ravenclaws in ihren Gemeinschaftsraum ein. Hinter Philipp, der die Nachhut gebildet hatte, schwang Bruces Bild wieder in die Ausgangslage zurück.

"So, Leute, hier sind wir in unserem Gemeinschaftsraum", sagte Philipp den Erstklässlern zugewandt, die sich teils staunend, teils unsicher umschauten. Aurora kannte dieses Gefühl. Im Moment blickte sie auch anders auf die vielen Tische und Stühle und die anderen Möbel, den Kamin und die Wandbilder. Für sie begann das letzte Schuljahr hier, für die Erstklässler begann die Zeit in Hogwarts überhaupt. "Von hier aus geht's zu den Schlafsälen für Jungen und Mädchen. Außerdem könnt ihr hier eure Hausaufgaben machen oder mit euren Kameraden plaudern, solang ihr die anderen dabei nicht stört. Morgen zeigen wir euch nach dem Frühstück den Weg zu den Klassenräumen und zur Bibliothek und dem Krankenflügel. Seid aber drauf gefaßt, daß es hier in Hogwarts Wege gibt, die an bestimmten Tagen so und an anderen Tagen so verlaufen!"

"Echt? Ist ja blöd", warf einer der Erstklässler ein. Alle lachten. Aurora lachte noch einige Sekunden länger und rief dann:

"Die Wege sind nicht das schlimmste im Schloß, Leute! Ihr habt ja beim Abendessen die Geister gesehen, die hier wohnen. Einen davon kennt ihr noch nicht, Peeves, den Poltergeist. Der wird euch schon früh genug auflauern und versuchen, euch irgendwelche Streiche zu spielen."

"Was, 'n Poltergeist?" Fragte Sammy Perkins, einer der Erstklässler, ein stämmiger Bursche mit dichtem, schwarzem Haar. "Habt ihr den noch nicht rausexorziert?"

"Würde die anderen Geister auch mit rauswerfen, wenn es klappt", wandte Philipp ein. "So'n Exorzismus-Ritual betrifft nie einen Geist allein, sondern einen bestimmten Raum. Deshalb will Professor Dumbledore ihn wohl nicht rauswerfen, auch wenn ... ach, ja, unseren Hausmeister Filch solltet ihr nach Möglichkeit auch nicht zu sehr verärgern, weil der gerne was sucht, was er Schülern anhängen oder womit er sie bestrafen kann. Er hat eine dürre Katze, Mrs. Norris, die in seinem Auftrag durch die Gänge stromert. Wenn ihr mal was anstellen solltet, paßt ja auf, daß ihr ihr oder Mr. Filch nicht über den Weg lauft!"

"Ist das dieser schnaufende Squib mit dem Knautschgesicht?" Wollte Perkins wissen. Wieder lachten vviele. Aurora nickte ihm grinsend zu. Dann winkte sie den Mädchen der ersten Klasse zu.

"Die Mädchen folgen mir bitte, damit ich ihnen den Weg zum Erstklässlerschlafsaal zeigen kann. Öhm, Mädchen, nicht Jungs, Mr. Perkins!" Sammy Perkins hatte versucht, sich in die Reihe seiner sechs neuen Mitschülerinnen einzuschmuggeln. Er sah Aurora an, die überlegen lächelte. "Es sei denn, du möchtest deinen Kameraden vorführen, wie in Hogwarts auf Einhaltung der Geschlechtertrennung geachtet wird."

"Ups, wird man da kastriert, wenn jemand zu den Mädels rein will?" Wollte Perkins wissen.

"Das nicht, aber dumm ausschauen tust du dann schon", erwiderte Aurora ruhig. Dann trieb sie die sechs Erstklässlerinnen an, hinter ihr herzukommen.

Als sie zehn Minuten später als ihre Klassenkameradinnen im Schlafsaal der Siebtklässlerinnen eintraf meinte sie:

"Ist schon irgendwie komisch, sich vorzustellen, diesen ganzen Trott das letzte Mal durchlaufen zu haben."

"Ich denke, am allerletzten Tag wird mir das erst komisch vorkommen", meinte Petula. Miriam nickte und fügte hinzu:

"Vor allem wenn ich daran denke, daß ich dann nur wenige Meilen von Hogwarts entfernt weiterwohne und trotzdem nicht mehr herkomme, falls ich keine eigenen Kinder hier unterbringe."

"Ja, Dina, ist eigentlich Merkwürdig, daß du bei uns weiterschlafen sollst, wo du mit Roy verheiratet bist", fand Petula.

"Ach wißt ihr, ich verstehe Dumbledore, wenn der nicht will, daß jeder uns für was besonderes hält", sagte Dina.

"Morgen kriegen wir die Stundenpläne. Bin ja mal gespannt, wann wir bei diesem Silverbolt haben. Der kommt mir so vor wie Balder, als ob der lieber hinter dunklen Magiern herjagen würde als unausgegorenen Hexen und Zauberern was beizubringen", sagte Miriam, die das mit Dina nicht für zu wichtig hielt, um ständig darauf herumzureiten.

"Das mit Glaucos ist schon merkwürdig. Ich dachte, an der Endgestalt ändert sich nichts mehr, auch bei Kindern mit einem menschenähnlichen Zauberwesen als Elternteil", wunderte sich Aurora.

"Muß wohl doch was dran sein an diesem Gerücht, daß vor der Bitterling viele Lehrer nicht über ein Jahr hinauskamen und Balder auch nur ein paar Jahre durchgehalten hat", meinte Dina. Aurora sagte dazu nur:

"Ich weiß nicht, was die beiden gemacht haben, daß sie länger durchhielten. Jedenfalls will dieser Silverbolt nur ein Jahr dranbleiben."

"Wenn wir bei dem noch die wichtigsten Sachen für gute UTZs kriegen", meinte Miriam. Aurora nickte dazu nur.

"Ich für meinen Teil möchte jetzt schlafen", sagte Petula. "Morgen könnte es schon heftig werden."

"Warum nicht", meinte Aurora, obwohl sie noch zu munter war. "Ich geh noch einmal runter zu den Leuten in den Gemeinschaftsraum. Ich werde leise genug sein."

"Wenn Roy noch da unten ist bestell dem bitte schöne Grüße!" Sagte Dina. Aurora nickte ihr zu und verließ den Schlafsaal der Siebtklässlerinnen.

Tatsächlich waren noch viele aus den oberen Klassen im Gemeinschaftsraum, darunter Bruster, Roy und Mortimer.

"Was haltet ihr denn von dem neuen Lehrer?" Fragte Bruster seine Klassenkameraden. Roy meinte dazu, daß der schon sehr fähig aussah, aber auch irgendwie knurrig wie eine hungrige Dogge auf ihn wirkte.

"Paßt irgendwie", fand Bruster. Mortimer fragte dazu:

"Könnte es sein, daß der Typ uns nicht alles erzählt hat? Der sieht so aus wie ein früherer Spieler von den Wasps, so von vor sechzig siebzig Jahren. Ich habe mal eine Chronik der besten Spieler gesehen. Der war dabei."

"Ja und? Dann hat der mal Quidditch gespielt", meinte Roy uninteressiert dazu. "Wenn das für den jetzt nicht mehr wichtig ist, brauchte er's uns nich' zu erzählen."

"Wahrscheinlich langweilt der sich nur, weil von den Leuten von Ihr-wißt-schon-wem viele aus dem Verkehr gezogen wurden", wandte Mortimer ein. Bruster schüttelte den Kopf.

"Neh, ich fürchte, daß von dessen Leuten noch zu viele frei rumlaufen. Viele haben sich drauf berufen, unter dem Imperius-Fluch gehandelt zu haben. Tolle Ausrede, finde ich. Sicherlich dieser Fluch ist schon heftig fies. Aber wenn der die alle so kontrolliert hat, fresse ich meinen Rennbesen."

"Das könnte uns noch mal blühen", meinte Aurora. "Der könnte uns noch mal eine Runde mit dem Fluch beharken, um zu sehen, ob wir uns nicht doch irgendwann dagegen wehren können."

"Oha, könnte der echt drauf kommen", stöhnte Bruster.

"Na klar, Bruster, damit wir bei den UTZs auch alles wissen, was der so anrichten kann", feixte Mortimer.

"Ich fürchte, die wirklich heftigen Sachen kommen erst in diesem Jahr, Leute", meinte Roy. "Habt ihr vergessen, was Eunice über die Selbstverwandlungssachen erzählt hat. Die wollen am Ende des Jahres perfekte Selbstverwandlungen sehen. Außerdem kommt dieses Ding mit der Selbstverflüssigung und der Nebelgestaltzauber. Komm mir schon vor wie ein Vampir aus einem alten Gruselfilm."

"Nicht jeder Vampir kann sich in Nebel auflösen", meinte Bruster. Roy nickte zwar, sah ihn jedoch etwas mißmutig an.

"Ich denke, wir sollten über andere Sachen reden als Schule. Wo ich euch beide hier habe, Bruster und Mortimer, wißt ihr schon, wann wir das Quidditchfeld gebucht haben?" Wollte Aurora wissen.Mortimer nickte.

"Ich habe mich mit den anderen Kapitänen geeinigt, daß wir am letzten Freitag im September das Feld benutzen dürfen. Kannst du uns da auch diese Flugtechnik zeigen, die du dir antrainiert hast, Aurora?"

"Warum nicht?" Meinte Aurora. "Dann holen wir diese Saison noch mal den Pokal. Flitwick wird sich freuen."

"Haben wir eigentlich schon einen neuen Sucher, wo Karin jetzt nicht mehr dabei ist?" Fragte Bruster. Mortimer sah sich um und schüttelte den Kopf.

"Tja, müssen wir noch finden", sagte er. Aurora nickte. Eine wie Karin Meridies zu finden war nicht einfach.

So verging eine Dreiviertelstunde mit Geplauder über mögliche Kandidaten für die Hausmannschaft, bis die Siebtklässler merkten, daß sie doch ziemlich müde waren. Aurora nahm noch einen Gutenachtgruß für Roys Frau Dina mit und kehrte in den Schlafsaal der Siebtklässlerinnen zurück. Dina war noch wach, und so konnte Aurora ihr den Gruß von Roy noch überbringen.

__________

Als am nächsten Morgen die Stundenpläne ausgeteilt wurden stellte Aurora gleich fest, daß die UTZ-Klasse erst am Dienstag morgen, aber da in der ersten Stunde bei dem neuen Lehrer haben würde. Die allererste Stunde im letzten Schuljahr würden sie bei Professor McGonagall zubringen, um in die höchsten Ränge der Verwandlungskunst eingeführt zu werden. Danach war Zaubertränke bei dem allgemein unbeliebten Professor Snape angesagt. Da der Anteil muggelstämmiger Erstklässler in diesem Jahr so groß war, daß insgesamt auf zwei Zauberergeborene ein Muggelstämmiger kam, würde Snape wohl genug Opfer für seine Fiesheiten finden. Nachmittags hatten dann noch die Unterricht, die Pflege magischer Geschöpfe oder Wahrsagen hatten. Da wollte Aurora dann die Schularbeiten vom Vormittag abhandeln.

"Wir sehen uns dann in Zaubertränke", meinte Dina zu Aurora, als die Mädchen auf dem Weg von der großen Halle zu den Klassenzimmern waren. Aurora bestätigte es und beeilte sich, vor den übrigen Mitschülern den Verwandlungsraum zu erreichen. Doch als sie dort ankam stand Eunice schon da.

"Hallo, Aurora. Wollte heute als erste hier ankommen, damit Leute wie Tonya Rattler begreifen, wie wichtig Pünktlichkeit ist."

"Das gefällt dir schon, daß du jetzt etwas mehr zu sagen hast als sie, wie?" Erwiderte Aurora mit verschwörerischem Unterton. Eunice nickte. Bruster kam zusammen mit Mortimer angelaufen.

"Hui, das hättet ihr erleben sollen", keuchte Bruster. "Peeves hat sich mit Silverbolt angelegt, hat dem vor dem Abzweig zum Verteidigungsklassenzimmer einen vollen Nachttopf übergekippt, so'ne Sauerei. Da hat Silverbolt mal eben eine schnelle Drehung gemacht und einen gleißenden weißen Lichtstrahl losgefeuert, der fast so sirrte wie eine Laserkanone aus einem Weltraumfilm. Peeves ist voll in diesen Strahl geraten und hat laut quiekend blaue Blitze versprüht, wobei es so aussah, als zerfließe er. Nach fünf Sekunden hat Silverbolt den Stab runtergenommen und gebellt, daß Peeves sich bloß außerhalb seiner Sichtweite halten solle und er beim nächsten Mal noch heftigeres abkriege. Dann ist der weg zum Lehrerwaschraum, um sich wieder sauber zu kriegen. Peeves ist dann wimmernd und heulend davongezischt. - Den Zauber will ich noch lernen."

"Frag ihn morgen!" Bestärkte ihn Mortimer. "Ich will den auch können. Dann können wir Peeves endlich von uns fernhalten. Ist wohl sowas wie Cruciatus, eben nur auf Geister anwendbar."

"Wenn's wie der Cruciatus ist dürfen wir den vielleicht gar nicht können, vielleicht auch nicht mal wissen, daß es den gibt", meinte Bruster, dessen Enthusiasmus doch etwas abgekühlt war.

"Es gibt Flüche, die ausschließlich gegen Geisterwesen und belebte Tote wirken", wußte Eunice. "Allerdings gehen die nur, wenn der, der sie benutzen will bestimmte Sachen gelernt oder erlebt hat, ähnlich wie das Sehen von Thestralen."

"So verhält es sich, Ms. Armstrong", schnarrte Professor McGonagall, die noch vor dem Rest der Schüler herankam. "Diverse Geisterbann- und -quälzaubereien vermögen nur Leute mit entsprechendem Vorleben zu wirken. Aber das klären Sie genauer mit Professor Silverbolt! - Wo sind die übrigen Teilnehmer dieser Klasse?"

"Wohl noch wohin", vermutete Mortimer Swift. Da kamen die nächsten Schüler angelaufen. Professor McGonagall funkelte sie durch ihre quadratischen Brillengläser an wie eine wütende Katze.

"Könnten Sie es einrichten, demnächst eine Minute früher zum Unterricht aufzubrechen?" Fauchte sie noch. Dann erschienen auch die restlichen Siebtklässler, darunter auch Tonya Rattler, die Eunice Armstrong giftig anglotzte, weil diese so dastand, als habe sie auf sie gewartet.

Als alle im Klassenzimmer nach Häusern gruppiert an den Arbeitstischen saßen blickte die Lehrerin sich einmal um und stellte so ohne Worte absolute Ruhe her.

"Zunächst einmal möchte ich Sie alle hier zur ersten Stunde im neuen Schuljahr begrüßen. Für Sie alle wird es, sofern Sie es nicht wagen, nachlässig zu werden, das letzte Schuljahr sein, daß Sie in Hogwarts zubringen. Einige von Ihnen, die hier sind haben den UTZ-Kurs Verwandlung für Fortgeschrittene womöglich gewählt, weil Sie in der ZAG-Prüfung überragend bestanden haben, ansonsten jedoch nichts mit dem Fach anzufangen wissen. Wieder andere von Ihnen haben auf der Basis der von uns Hauslehrern angebotenen Berufsberatungen Verwandlung als Teil einer späteren Laufbahn in der Zaubererwelt angenommen und möchten sich gerne so gut es geht empfehlen. Sowohl für jene, die nur der guten Prüfungsergebnisse wegen als auch zur Untermauerung zukünftiger Vorhaben Verwandlung gewählt haben gilt, daß in diesem Schuljahr die höchste Stufe der Verwandlungskunst erlernt wird, die vollständige Selbstverwandlung in lebende Wesen, andere Zustandsformen oder gar unbelebt wirkender Objekte. In jedem Fall werden Sie alle hier erlernen müssen, daß Sie ein gehöriges Eigenpotential aufbauen müssen, um sich aus einem anderen Zustand in ihre angeborene Daseinsform zurückzuverwandeln. Wie im letzten Jahr werde ich bei der Benotung der Leistungen UTZ-Prüfungsnoten verteilen. Ich weise Sie jetzt schon einmal darauf hin, daß jene, die bis zum Mai nächsten Jahres nicht ein akzeptables Ergebnis bei den aufgegebenen Übungen erzielen von mir von den Prüfungen ausgeschlossen werden können. Verwandlung war, ist und wird es immer sein, eine sehr leistungsorientierte und auch gefährliche Rubrik der Magie, und vor allem in den höchsten Ausübungsstufen kann Nachlässigkeit oder unüberwindliche Leistungsschwäche zu fatalen Fehlern führen. Es hat schon Fälle gegeben, wo Zauberer und Hexen, die sich selbst überschätzt haben oder in einer unmittelbaren Gefahrensituation nichts besseres wußten eine Selbstverwandlung ausführten und dabei nicht genug potentielle Magie in sich anreichern konnten, um die Rückverwandlung zu schaffen, für sehr lange Zeit in der angenommenen Daseinsform zubringen mußten. Einer Hexe aus Nottingham widerfuhr es, daß sie sich in eine Ledercouch verwandelt hatte, und über ein halbes Jahr in ihrem Haus stehen mußte, bis Möbelträger der Muggel es ausräumten und sie dabei abtransportierten. Sie konnte den Trägern nicht einmal davonlaufen, so verfahren war ihre Verwandlung ausgefallen. Erst als jemand vom Zaubereiministerium prüfte, ob keine behexten Gegenstände aus dem Haus geschafft würden, wurde sie entdeckt und konnte zurückverwandelt werden. Machen Sie sich also das Leben nicht schwer, indem Sie es sich in meinem Unterricht zu leicht machen!" Daraufhin verwandelte sich Professor McGonagall in eine getigerte Katze und dann ohne Zauberstabbenutzung zurück. Wurde dann eine samtbraune Kommode, die einige Sekunden stehen blieb, als sei es ein ganz gewöhnliches Möbelstück, um dann fast unerwartet wieder zu der gestrengen Hexe mit dem schwarzen haar im smaragdgrünen Umhang zu werden, die ihre Schülerinnen und Schüler beäugte.

"Muß ich die UTZ-Prüfung machen?" Stöhnte Cynthia Flowers. Alle grinsten.

"Nun, da Sie Vertrauensschülerin sind sollten Sie diese Frage nicht einmal denken, Ms. Flowers. Aber ich kann Sie beruhigen, daß niemand hier, sofern er oder sie volljährig ist, dazu gezwungen wird, die Prüfungen zu machen, falls er oder sie der irrigen Auffassung anhängt, ohne Abschluß besser dazustehen als mit einem solchen. Sie sind volljährig und damit für Ihr Leben selbst verantwortlich. Falls Sie befinden, daß Ihnen mein Unterricht zu schwer wird, befinden Sie dies bitte früh genug, daß ich Sie ausschließen und auf eine Anmeldung bei der Prüfungskommission verzichten kann! Ich würde mal sagen, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, derartige Vorbehalte zu äußern." Professor McGonagall sah die Schülerinnen und Schüler an. Niemand hier wollte ihr jetzt sagen, daß dieser Unterricht nichts mehr für ihn oder sie war, auch Cynthia nicht. "Nun, dann darf ich davon ausgehen, daß Sie alle, die Sie nun hier anwesend sind dem Unterricht die volle Aufmerksamkeit widmen, die er verdient", sagte sie nach einer Minute Schweigen. Dann begann die Stunde mit Wiederholungen aus der letzten Klasse. Da die Schülerinnen und Schüler hier in den Ferien endlich ohne Angst vor Bestrafung zaubern konnten, waren viele noch gut in Form, allen voran Eunice, die bald so schnell mit dem Zauberstab hantierte, daß Aurora die einzelnen Bewegungen nicht mehr richtig auseinanderhalten konnte.

In der Stunde darauf hielt Snape noch einmal eine Rede zum Thema Wichtigkeit von Zaubertränken und daß er die, die jetzt bei ihm lernten bloß nicht unter "Erwartungen übertroffen" haben wollte.

"Für die meisten hier sind die Zaubertränke das einzige, was hilft, durchs Leben zu kommen, auch wenn sie sonst mit direkter Zauberei sehr gut umgehen können. Ich will haben, daß ihr alle am Ende des Jahres alle Rezepturen und Hintergrundinformationen im Schlaf runterbeten könnt, wenn euch wer danach fragt. Ansonsten rate ich denen, die ihre und meine Zeit vergeuden dazu, sich nach der Prüfung sehr weit von mir fernzuhalten und gut aufzupassen, was sie essen und trinken."

"Hallo, drohen Sie uns etwa, Professor Snape?" Konterte Eunice unbeeindruckt.

"Ich stelle nur fest, daß Leute, die sich in der Zaubertrankbraukunst nicht voll einsetzen nicht wundern müssen, wenn sie Opfer von unliebsamen Zutaten werden", erwiderte Snape genauso unbeeindruckt. Eunice überlegte, ob sie darauf noch was sagen sollte. Doch sie befand, daß sie im Moment wohl genug gesagt hatte. Aurora konnte sich aber schon denken, daß sich die Schulsprecherin Snapes Worte für die nächste Lehrer-Vertrauensschüler-Konferenz behalten würde.

Das Thema der Stunde waren die hochpotenten Zaubertränke, die zu einer progressiven Gestalt- oder Gemütsveränderung führen konnten. Als Snape in seiner herablassenden Art alle Sorten magischer Rauschmittel aufzählte, die bereits bei einmaliger Einahme bleibende Schäden verursachten, wenn kein Heiler die entsprechenden Gegenmaßnahmen traf, erinnerte sich Aurora an das Vorkommnis im Willy-Willy, einem australischen Treff für jugendliche Hexen und Zauberer. Dort hatte sie mitbekommen, wie ein Pärchen sich mit Kreiselflugtrank berauscht hatte und dabei in jeder Hinsicht den Boden unter den Füßen verloren hatten. Snape sah sie alle herausfordernd an und fragte:

"Könnte mir jemand von euch erzählen, ob die Liste da auf der Tafel noch um einige Tränke ergänzt werden kann oder nicht?" Aurora, Melinda und Eunice meldeten sich. Aurora sollte zuerst sprechen, wobei Snape sie mit einer total verächtlichen Miene anblickte, als erwarte er von ihr gleich einen kläglichen Versuch. Sie erwähnte den Kreiselflugtrank, sowie einige andere magische Rauschmittel, über die sie sich auf Madame Pomfreys Anraten schlaugelesen hatte. Snape wirkte enttäuscht, weil sie ihm die Elixiere fehlerfrei beschrieb und fügte sie der Liste auf der Tafel zu. melinda erwähnte einen Trank, der zuerst sehr attraktiv machte, jedoch den Nachteil barg, daß er jeden, der ihn trank um fünf Jahre mal Anzahl der Einahme älter machte, wenn nicht vor dem Abklingen der Wirkung die nächste Dosis getrunken würde, womit sich "die teuflische Spirale" immer schneller und schneller drehte. Denn irgendwann verflog die Wirkung immer schneller, die angestaute Nachwirkung wurde jedoch immer größer.

"Lac Veneris heißt der Trank, der vor siebzig Jahren auf die Liste verbotener Elixiere und Tränke gesetzt wurde", beendete Melinda ihren Kurzvortrag. Snape sah sie verblüfft an. Dann fragte er gehässig:

"Könnte es sein, daß Sie oder eine andere von den Mädchen hier schon mit dem Gedanken gespielt haben, sich durch solche Bräue einen unschlagbaren Vorteil zu verschaffen?"

"Um dann mit einem Schlag hundert Jahre alt auszusehen?" Fragte Melinda. "Keinesfalls, Professor Snape."

"Nun, wenn Sie wissen, wie an die Zutaten heranzukommen ist kann man sich ja doch ein schönes Leben machen, bevor der Zahltag kommt", bemerkte Snape abfällig dreinschauend. Dann sah er Eunice an, weil sie sich etwas entspannt hatte. Vielleicht wollte sie diesen Trank auch erwähnen. "Haben Sie noch etwas hinzuzufügen, Ms. Armstrong?" Fragte er herablassend. Eunice nickte ruhig und erwähnte dann drei verbotene Rauschmittel hintereinander, wobei sie die Bestandteile genau aufzählte. Einer verhalf vorübergehend zu purem Glückszustand, führte jedoch dazu, daß der Anwender nach mehrmaligem Genuß jede gefühlsmäßige Regung verlor. Der zweite machte stark, führte aber zu einer bald ungebremsten Angriffslust, was wohl auf die Anteile Riesenblut in der Rezeptur zurückzuführen war. Der dritte Trank ermöglichte einem, seine geheimsten Träume nach Wunsch immer wieder durchleben zu können. Doch das konnte dazu führen, daß die Anwender ohne den Trank von ihren schlimmsten Alpträumen heimgesucht wurden, die so wirklichkeitsnah waren, daß die Opfer in der Vorstellung, wirklich angegriffen und getötet zu werden starben, wenn nicht früh genug von dem Trank abgelassen und zum Ausgleich ein Gegengift verabreicht wurde, das die Träume so flüchtig machte, daß sie keinen körperlichen Schaden anrichten konnten. Snape kam nicht darum herum, auch diese Tränke an die Tafel zu schreiben. Punkte gab es jedoch keine dafür. Er sah seine Schülerinnen aus Slytherin an, die erstaunt und befremdlich zugleich auf ihre Mitschüler blickten.

Am Ende der Stunde meinte Snape noch: "Ich hoffe sehr, ihr kommt nicht auf die Idee, jetzt schon gut vorgebildet zu sein, was nachhaltige Rauschmittel angeht. Ich habe noch längst nicht alle erwähnt, die ich kenne. Aber wir werden uns beim Brauen eher auf die beziehen, die sofort und unverkennbar wirken und deren Gegentränke proben."

Aurora notierte sich nach dem Mittagessen alles, was in Snapes Unterricht gelaufen war und zauberte sich zur Selbstverwandlungsübung blondes Haar wie das von Tonya Rattler. Roy, der ihr dabei zusah meinte:

"Mit der schwarzen Mähne siehst du besser aus. Als Blondine würdest du nur von Typen angemacht, die dich für nur schön und leicht rumzukriegen halten."

"Wie wär's mit orangen Haaren, Roy?" Bot Aurora dem Hauskameraden an, der wie sie eine Freistunde hatte und sich mit den Muggelkundeaufgaben vom Morgen herumschlug.

"Jau, ein Punk", meinte Roy. "Lila, Orange und giftgrün gesprenkelt. Dann fällt Dina aber in Ohnmacht."

"Wer sagt denn, daß Blondinen nur leicht zu haben sind? Könnte ja auch sein, daß die nur so tun, um die Typen reinzulegen, die das denken", warf Aurora ein. "Hast du nicht erzählt, daß viele aus euren Filmen und Musikgruppen mit blonden Haaren rumlaufen, weil das angeblich schöner heldenhafter oder anziehender aussieht?"

"Klar, so Leute gibt's", erwiderte Roy. Aurora hantierte kurz mit ihrem Zauberstab und verschaffte sich ihre schwarze Mähne wieder, die sie noch etwas glatter als bisher striegelte.

"Wann fangt ihr mit den heftigeren Selbstverwandlungen an?" Fragte Roy. Aurora erwiderte, daß das wohl in den nächsten zwei Wochen losgehen würde, wenn sie lernten, die Rückverwandlungsmagie auf Abruf zu erzeugen.

"Mal sehen, was in Zauberkunst läuft. Letztes Jahr im See mit dem Kopfblasenzauber war schon toll", meinte Roy. Aurora nickte. Sie hatten in der sechsten Klasse einen Zauber erlernt, der ihren Kopf mit einer magischen Blase umschloß, in der immer frische Atemluft vorhanden war. Was würden sie in diesem Jahr noch lernen?

__________

Zunächst einmal kam jedoch die erste Stunde bei Professor Silverbolt, dem neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Der hünenhafte Zauberer trug diesmal einen mitternachtsblauen Umhang mit einem Muster, aus dem die astronomisch bewanderten Schüler locker den nördlichen Sternenhimmel erkennen konnten. Sein Hut lag lässig unter dem linken Arm, und sein silberblondes Har wehte bei jedem seiner ausgreifenden Schritte hin und her.

"Morgen zusammen!" Bellte er wie ein aufgestöberter Wachhund. Alle grüßten zurück. Mit einem einfachen Schlänkerer seines Zauberstabes ließ er die Tür auffliegen, so heftig, daß sie fast aus den Angeln gerissen wurde. Die Schüler spritzten erschrocken zurück in den Gang, bgis der Lehrer durch die Tür war. "Wer in zehn Sekunden nicht hier drin ist bleibt draußen und braucht nicht mehr wiederzukommen", blaffte Silverbolt sehr gefährlich. In Windeseile drängten die Schüler in die Klasse. Roy, der als lezter hereintrat, sprang förmlich vor, als mit einem dumpfen Knall die Tür zuschlug und mit lautem Knacklaut versperrt wurde.

"Ey, Sie dürfen uns nicht einsperren!" Protestierte Tonya Rattler, die wie alle anderen leicht verängstigt im Raum stand.

"Hinsetzen!" feuerte Silverbolt einen Befehl wie einen Kanonenschuß in den Raum hinein. Aurora fragte sich, was dieser Auftritt sollte. Wollte der neue Lehrer sie alle so gründlich einschüchtern, daß sie sich alles von ihm gefallen ließen? Oder wollte er vielmehr, daß jemand aufbegehrte, um zu sehen, wer genug Mut besaß? Sie befand, daß sie das jetzt noch nicht ausprobieren wollte und ließ sich auf einem Stuhl neben Petula nieder.

"Neh, soo nicht, Leute!" Knurrte er. "Das Getue mit den Häusern lassen wir bei mir weg. Ich habe gestern schon die Leute aus der sechsten Klasse angehalten, sich nicht in ihre Lieblingsgrüppchen einzuteilen. Noch mal aufstehen!" Polterte Silverbolt mit warnendem Blick. Alle standen wie an unsichtbaren Seilen hochgerissen auf. Dann teilte der Lehrer die Schüler neu ein, wobei Roy neben Tonya Rattler geriet, was beiden absolut nicht passte, und Aurora Dawn landete neben Loren Tormentus, während Bruster bei Eunice Armstrong zu stehen kam. Als der Lehrer die Mitglieder der verschiedenen Häuser weit genug durcheinandersortiert hatte bellte er erneut: "Hinsetzen!" Dann, als alle saßen: "So bleibt das bis zum Schuljahresende." Er wartete einige Sekunden, in denen keiner ein Wort sagte. Dann sagte er: "Wer bei mir was lernen will hat gefälligst gut hinzuhören und hinzusehen. Ich mache praktische Sachen nur dreimal vor, zum sehen, wie's üblicherweise geht, zum nachvollziehen und zum Verinnerlichen, wie es gehen soll. Wer's beim dritten Mal nicht mitbekommen hat, wird arge Probleme haben, das alleine nachzulernen. Kommen wir zum wesentlichen. Ihr seid UTZ-Abschlußklässler und daher angetreten, die letzten hier zulässigen Dinge über die dunklen Kräfte und ihre Abwehr zu lernen. Da ich finde, daß die Zaubererschulen niemals alles mit der nötigen Sorgfalt unterrichten können, werde ich euch so viel es geht mitgeben, die wichtigsten Sachen mehrmals von euch nachmachen lassen und abschließend durch einen Parcours der Gefahren jagen, wo ihr allem ausgesetzt werdet, daß ich euch aufladen kann, und das wird nicht wenig sein. Wer das übersteht, ohne im Krankenflügel oder bei den Heilern von St. Mungo zu landen wird in den Abschlußprüfungen keine Probleme mehr kriegen. Natürlich steht's jedem hier frei, nach dieser Stunde freiwillig von der weiteren Teilnahme am Unterricht zurückzutreten. Ihr seid volljährig und habt das selbst zu befinden, ob ihr meinen harten Anforderungen gewachsen seid oder nicht. Aber bis die Stunde um ist bleibt ihr alle hier drin!" Bruster hob die Hand.

"Entschuldigung, Professor Silverbolt, haben Sie Ihren Lehrplan mit Professor Dumbledore und dem Zaubereiministerium abgestimmt?"

"Wie bitte?!" Schnarrte Silverbolt. Doch Bruster blieb ganz ruhig und setzte an, die Frage noch einmal zu stellen, bekam aber unvermittelt kein Wort mehr heraus.

"Zwei Sachen. Professor Dumbledore hat mich engagiert, damit ich euch was beibringe. Zweitens seid ihr UTZ-Schüler und habt euch das ausgesucht, in der Abwehr dunkler Kräfte unterrichtet zu werden. Da habt ihr keine solchen Fragen zu stellen, klar?"

"Sir, es ist unser Recht, zu hinterfragen, ob der Unterricht mit der Schulleitung vorvereinbart wurde oder nicht", warf nun Eunice ein. Tonya grinste schon, weil sie dachte, daß auch sie gleich der Schweigezauber ereilen würde, der Bruster verstummen ließ.

"Der wesentliche Punkt, bevor ich diesen Schnickschnack beende, ist, daß wer die dunklen Kräfte aufspüren und niederringen will nur an eine Sache denkt, die bösen Zauber gegen mein Leben. Absprachen, Paragraphen und Verordnungen sind dabei absolut wertlos. Wer das nicht sofort begreift hat schon verloren, bevor ihm oder ihr wahrhaft übles Ungemach passiert."

"Das böse abzuwehren heißt nicht, sich auf das Niveau der Leute einzulassen, die es heraufbeschwören", wagte nun Aurora einen Widerspruch. Sie fand, jetzt reichte es. Sie wollte anständig unterrichtet werden und nicht wie ein Muggelsoldat von oben herab zu irgendeiner skrupellosen Kampfdrone umfunktioniert werden.

"Noch eine, die weil sie ein Abzeichen anhat meint, den Unterricht unnötig verzögern zu müssen", schnarrte Silverbolt. "Das sind dann mal eben vierzig Punkte Abzug für Ravenclaw und zwanzig für Slytherin!" Knurrte Silverbolt ungehalten. Tonya straffte sich angriffslustig, deutete auf Eunice und schnarrte:

"Die kommt aus Gryffindor, Prof..." Dann verstummte sie, weil in der Zeit eines Lidschlags die Zauberstabspitze des Lehrers auf sie deutete.

"Also gut, dann eben noch zwanzig Punkte Abzug für Gryffindor!" Blaffte der mehr als merkwürdig wirkende Professor Silverbolt. Aurora war froh, daß ihr kein Schweigezauber aufgehalst worden war, ebenso wenig wie Eunice.

"Fangen wir an!" Legte Silverbolt nun unumstößlich fest. "Thema der ersten Stunde: Seelenfeuer. Wer weiß da was drüber, was hier auf die Tafel geschrieben werden kann?" Außer Eunice, Loren ... und Bruster zeigte keiner auf. Sie hatten zwar schon mit den unverzeihlichen Flüchen und diversen Körperverunstaltungszaubern, ja auch Seelenfangflüchen zu tun bekommen, aber Seelenfeuer, das mochte heißen, jemandes Seele wie in einem Feuer verbrennen zu lassen, wie auch immer sich das äußerte. "Ja, Ms. Schulsprecherin!" Erteilte silverbolt Eunice das Wort.

"Seelenfeuer ist eine der heimtückischsten Formen der schwarzen Magie. Dabei geht es darum, die in jedem Wesen schlummernden zerstörerischen Eigenschaften so stark zu vervielfachen, daß das Wesen nur noch das tut, was anderen möglichst großen Schaden zufügt. Es endet damit, daß die betroffene Seele den stofflichen Körper aufzehrt und als Schattenform übrigbleibt, die dann von einem dunklen Magier in zerstörerische Energie aufgelöst oder zu einer anderen schwarzmagischen Nutzanwendung in einem dafür vorbehandeltem Gefäß gelagert werden kann", sagte Eunice. "Es geht darum, die größten Ängste, Abneigungen und Vernichtungsphantasien eines Opfers zu finden und zu verstärken, bis sie überhand nehmen und das Opfer dann ihnen whrlos ausgeliefert ist. Wenn der körperliche Auflösungsprozess einsetzt strahlt das Opfer besondere Schwingungen aus, die von einem dafür eingerichteten Spürstein aufgenommen und zur Ortung des Opfers benutzt werden können." Loren und Bruster ließen ihre Hände wieder sinken.

"Ah, ihr beiden stimmt ihr zu?" Fragte Silverbolt herausfordernd. Beide nickten. Der Lehrer sah sie prüfend an, wandte sich dann der Tafel zu und hob den Zauberstab. Die Tafel schien hinter einer flimmernden Wand aus silbernem Licht zu verschwinden. Dann erlosch das Licht, und wortwörtlich stand dort das, was Eunice dargelegt hatte, mit der Überschrift "Dargelegt von Eunice Armstrong, Gryffindor." "Zehn Punkte für Gryffindor", sagte der Lehrer schroff, als mißfalle es ihm, eine Anerkennung auszusprechen. Dann bellte er noch "Bücher raus! Kapitel Seelenfeuer aufschlagen!" Danach mußten sie alles abschreiben was in "Düstere Bedrohungen und ihre Abwendung" zu diesem Thema verzeichnet war.

"Seelenfeuer gehört nicht zu den unverzeihlichen Flüchen, weil es im Frühstadium erkannt und gelöscht werden kann. Brennt es jedoch länger als zwölf Nächte, also hatte Gelegenheit, in die Träume der damit angesteckten Seelen einzuwirken, kann es nur noch der Schlaf der Todesnähe vergehen lassen, den das betroffene Opfer ein Jahr lang schlafen muß", legte Silverbolt mit gestrengem Tonfall sprechend dar. "Brennt es gar vier Wochen, ist es unlöschbar. Es besteht sogar die Gefahr, daß davon befallene den progressiven Fluch weitergeben können, indem sie unschuldige Menschen so sehr in Angst und Schrecken versetzen, daß das Seelenfeuer Nahrung findet und übergreift. Wird ihm nicht innerhalb von zwei Monaten einhalt geboten, setzt der körperliche Auflösungsprozeß ein. Der Seelenbrandstifter erfährt davon, wo immer er sich auch aufhält und kann nach den vierzehn Stunden, die vom Beginn bis zur Vollentstofflichung vergehen Vorbereitungen treffen, wie er mit der umgebrannten Seele verfährt. Jemand noch fragen?"

Roy hob die Hand. Als er das Wort bekam fragte er: "Hat dieser Zauberer, der von allen Sie-wissen-schon-wer genannt wird diesen Zauber auf andere Menschen gelegt?"

"Wenn dem so ist, gehört das zu den Sachen, die das Zaubereiministerium nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen wollte", sagte Silverbolt. "Aber ich kann Sie beruhigen, daß wir keinen Hinweis darauf hatten, daß Voldemort diesen Zauber flächendeckend benutzte. Warum er das wahrscheinlich nicht getan hat erkläre ich euch gleich." Alle sahen den Lehrer verdutzt an, weil er den Namen des dunklen Zauberers so unbefangen, ja wie beiläufig klingend ausgesprochen hatte, weder mit Abscheu, noch mit Furcht. Alle lauschten ihm nun. "Sicher ist, daß Voldemort gelernt hat, wie dieser Zauber geht. In wirklich düsteren Büchern, die ich euch nicht zu lesen erlauben werde, steht drin, wie es gelegt wird. Aber jedesmal, wenn er es entzündet, büßt er für die Dauer, die es brennt zwei Drittel der eigenen Zauberkräfte ein, je mehr davon betroffen werden desto länger dauert es. Ich bin mir sicher, daß selbst ein machtsüchtiger Zauberer wie Voldemort diesen Preis nicht zahlen wollte. Wie ihr alle gelernt habt ist schwarze Magie niemals ohne einen hohen Preis für ihre Anwendung möglich, je mächtiger der Zauber ist, desto drastischer die Nebenwirkungen. Ihr habt Flüche gelernt und zu kontern geschafft, sonst säßen viele von euch nicht hier. Aber Flüche, so mächtig sie erscheinen, sind im Vergleich mit den urtümlichsten Ausprägungen der dunklen Kräfte nur Nadelstiche im Vergleich zu Treffern mit tonnenschweren Keulen oder Schwertern. Wie eingangs erwähnt kann ich euch längst nicht alles beibringen, was nötig ist. Nur noch einmal zu Voldemort: Er wollte die direkte Kontrolle, die Herrschaft über das Leben oder den Tod. Seelenfeuer kann so verlockend sein wie es will, es entwickelt sich immer nur in eine bestimmte Richtung, ohne in gewünschte Bahnen gelenkt werden zu können. Wer es legt hat Zeit und einen sicheren Ort, um sich zurückzuziehen. Vor allem aber ist es ein Einzelgänger, der keinen Wert auf Helfer legt und daher einen vorübergehenden Machtverlust verkraften kann, wenn die Belohnung am Ende die Einbuße rechtfertigt. Ich will sogar behaupten, daß nicht die zaubermächtigen Magier dieses Mittel benutzen, sondern magische Schwächlinge, die gerade die Kraft aufbringen, ein auserwähltes Opfer mit dem Seelenfeuer anzustecken und dann noch ein Apparieren hinbekommen, um weit genug weg zu lauern, bis die Auflösung einsetzt und er wie ein geduldiger Bauer ausziehen und Ernte halten kann."

"Wie weiß ich, wenn jemand nur von sich aus böse ist oder mit dem Seelenfeuer infiziert ist?" Fragte Aurora Dawn nun mutig.

"Es gibt einen Erkennungszauber, der den natürlichen Aggressor von einem magisch manipulierten unterscheidet, Aurora. Und genau den werden wir in den nächsten Stunden üben. Denn er ist auch bei einem selbst anwendbar. Wenn der Zauber bei euch so sitzt, daß ich euch damit alleine lassen kann, lernen wir den Löschvorgang und welche Tränke helfen, den angerichteten Schaden zu beheben und die Seele wieder zur gesunden Form zurückfinden zu lassen. Ich werde mich da mit meinem Kollegen Professor Snape abstimmen, der, wie ich sicher weiß, auch gut mit den dunklen Künsten Bescheid weiß."

So probten sie den Rest der Stunde lang in Paaren den Erkennungszauber, der bei Erfolg eine goldene Aura erzeugen sollte, aber nicht wie Vivideo mit einem einzigen Wort und ohne großen Kraftaufwand gewirkt werden konnte, weil "Lebensenergie von sich aus abgestrahlt wird". Trotz der erreichten Fähigkeiten im ungesagten Zaubern glomm bei den meisten Versuchen nur ein rötliches Funkeln um die Bezauberten auf. Abgesehen davon führten die Zauber zu unangenehmen Nebenwirkungen wie Schwindelgefühle, Licht- oder Schallempfindlichkeit für mehrere Sekunden oder ein Gefühl wie von starken Betäubungsmitteln. Selbst Eunice, die sonst immer erstklassig, ja unerreicht hervorstach, schaffte den Erkennungszauber nicht in dieser Stunde.

"Die Essenz der Seele zu äußerlichen Erscheinungen zu erregen ist schwer und verlangt nach vollem Einsatz", dozierte Silverbolt. Am Ende der Stunde fragte ihn Roy vorwitzig:

"Sie haben keine Probleme damit, den Mistkerl Voldemort beim Namen zu nennen. Wie kommt das?"

"Aus demselben Grund, warum Professor Dumbledore und Kollegen von mir keine Scheu haben. Die Angst vor dem Namen nährt nur die Angst vor der Person. Außerdem ist Voldemort nicht der richtige Name dieses Zeitgenossens und er ist wahrlich nicht der mächtigste Zauberer, den es je gegeben hat. Selbst sein Vorbild Slytherin war nicht der mächtigste Zauberer, oder Sardonia vom Bitterwald. Ich setze mein Leben dafür ein, daß keiner je wieder so mächtig wird wie jemand, der vor langer Zeit gelebt hat. Und jetzt will ich hören, wer bei mir weiterlernen will und wer nicht."

Keiner traute sich, hier und jetzt den Unterricht hinzuwerfen. Aurora brauchte ihn ja auch, wenn sie jemals Heilerin werden wollte. Roy wollte auf Leute wie Voldemort vorbereitet sein, und die Slytherins gingen davon aus, daß sie für die Abwehr dunkler Kräfte auch lernen mußten, wie sie selbst gewirkt wurden, wie die ganzen Flüche und Gegenflüche.

Im Vergleich zur Stunde bei Silverbolt verlief die Zauberkunststunde wie eine Spielstunde. Zwar sprach Professor Flitwick am Anfang auch davon, wie ernst die bei ihm lernenden arbeiten mußten, um gute UTZs zu schaffen und daß Zauberkunst in allen Bereichen des alltäglichen Lebens benutzt werden konnte, blieb dabei jedoch ruhig und geduldig.

"Also dieser Silverbolt ist genauso durchgeknallt wie Barty Crouch", meinte Bruster im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum. Vivian, die das hörte fragte, wer Barty Crouch war und warum Silverbolt durchgeknallt sei. Bruster fragte sie darauf hin, ob er sie nicht wie ein wütender Dobermann angekläfft und mit wüsten Drohgebärden zusammengetrieben und angeherrscht habe. Vivian sagte dazu nur:

"Hmm, ist schon etwas knurrig. Aber sonst ist der ganz cool. Er hat mit uns Übungsduelle laufen lassen und uns einen Sichtbarkeitszwangzauber beigebracht, um Geister wie Peeves dazu zu bringen, für einige Zeit sichtbar zu bleiben. Er meinte, daß der olle Poltergeist von sich aus aus Hogwarts raus wollen müsse."

"Das macht den Unterschied zwischen UTZ und vor den ZAGS", bemerkte Aurora nüchtern. "Wir wollten bei ihm unterrichtet werden, die müssen von ihm unterrichtet werden. Das ist sein Spiel. Er will uns dazu treiben, das bestmögliche aus uns rauszuholen, weil wir es ihm zeigen wollen. Das ist aber anders als Snape, der nur zeigen will, wie fies er sein kann."

"So, ich habe aber keinen großen Unterschied zwischen Snape und dem Dobermann gespürt, Aurora", schnarrte Bruster. Aurora schüttelte den Kopf.

"Was hat der Typ am Anfang gesagt? Er denkt, daß in der Zeit, die wir hier lernen längst nicht alles rübergebracht werden kann was er für wichtig hält. Der Typ macht sich selbst eine so große Hektik, daß er jeden stresst, sein Tempo mitzuhalten. Wie ist das bei deinen Eltern, Vivian? Zeit ist Geld heißt es doch da, oder?"

"Stimmt, hast recht", sagte Vivian. Bruster nickte.

"Dann könnte es auch sein, daß das Getue von dem nur Unsicherheit ist?" Wollte er wissen.

"Oh, selbst wenn das stimmt solltest du es ihn nicht spüren lassen, daß du das glaubst", sagte Aurora. "Wenn das eine Art Abwehrmauer ist, die er da hochgezogen hat, will er nicht, daß da jemand Löcher reinmacht. Am besten ist, wir gehen sein Tempo so gut es geht mit und lernen dabei, was er rüberbringen will."

"Zumindest kommt der nicht bei den Konferenzen dazu", seufzte Bruster. Aurora nickte beipflichtend.

__________

Nach diesem Einstand bei den Siebtklässlern, wobei die meisten Schüler unterhalb der ZAG-Klasse nicht so recht begreifen konnten, was die aus den UTZ-Klassen bloß hatten, fanden alle jungen Hexen und Zauberer wieder rasch in den Schulalltag hinein. Auch die muggelstämmigen Erstklässler, für die alles in Hogwarts absolut neu war, gewöhnten sich an das magische Innenleben des altehrwürdigen Schlosses und dessen gemalte oder wirkliche Mitbewohner, wie die Geister, zu denen auch der Poltergeist Peeves gehörte. Doch die Schüler hatten nun noch wen, mit dem sie den ständig auf Schabernack ausgehenden Unruhegeist auf Abstand halten konnten. Wenn er ihnen querkam riefen sie einfach nach Professor Silverbolt, was in den meisten Fällen reichte, um den Geist mit dem glockenförmigen Hut und der Fliege in die Flucht zu schlagen.

Ende September fand die Auswahl der Quidditchmannschaft statt. Da Karin Meridies im letzten Jahr mit der Schule fertig geworden war galt es, einen neuen Sucher oder eine neue Sucherin zu finden. Aurora Dawn, die von Mortimer Swift, Bruster Wiffle oder Philipp Priestley immer wieder gefragt wurde, weigerte sich standhaft, als Sucherin zu spielen. Als sie dann nach mehreren Trainings- und Auswahlstunden Nelly Flowers als neue Sucherin ausgekuckt hatten konnte der Kapitän Mortimer Swift endlich anständiges Training ansetzen.

"Dieses Jahr möchte ich den Pokal gerne noch einmal zu Flitwick bringen", sagte Mortimer, als sie Anfang Oktober eine Trainingseinheit beendeten, wo Aurora Dawn, von Roy, Dina, Petula und Miriam abgesichert die Doppelachsen-Flugtechnik an ihre Mitspieler weitergegeben hatte.

"Das werden wir schaffen", sagte Aurora. "Wenn wir uns richtig aufeinander einstellen kriegen wir zumindest Hufflepuff geschafft."

"Das denke ich aber schon, daß Cynthia mit ihren Leuten gut trainiert", sagte Nelly.

"Nur wenn du deiner Schwester unsere Taktik verrätst", warf Bruster Wiffle ein. Es war kein Geheimnis, daß Nelly Flowers am liebsten bei ihrer Schwester Cynthia in Hufflepuff untergekommen wäre. Doch mittlerweile hatte sie sich wohl daran gewöhnt, eine der beiden einzigen Ravenclaws in der dritten Klasse zu sein. So sagte sie schnippisch:

"Ich werde Cyn doch nicht verraten, was die noch tun soll, um ihre Leute besser zu machen. Da wäre ich ja schön blöd."

"Wenn du's selbst so siehst", grummelte Mortimer.

"Am Abend sprachen Aurora, Roy, Bruster und Mortimer noch über die nächste Stunde bei Silverbolt. Denn endlich hatten alle den Erkennungszauber gelernt, der eine unversehrte Seele von einer vom Seelenfeuer angegriffenen unterscheiden konnte. Ab nächste Woche würden sie dann den Aufhebungszauber üben, der den progressiven Fluch auslöschte. Allerdings konnte Silverbolt hierfür keine echten Opfer dieses heimtückischen Zauberwerks heranziehen, weil es nur darum gehen sollte, sich zu verteidigen. Aurora wußte mittlerweile, daß der überstrenge Lehrer es sich arg verbitten würde, Schülern die finstersten Zaubersachen vorzuführen. In Kräuterkunde nahmen sie derzeit gefährliche Fleischfresser wie die Springschnapper durch. Diese konnten nur in Schach gehalten werden, wenn Metallstücke im von Springschnappern besetzten Bereichen ausgelegt wurden oder jemand mit Metall an den Schuhen hineinging.

In Verwandlung schlossen sie das Kapitel eingeschränkte Selbstverwandlung hin und zurück ab. Erst als alle es schafften, die vorgenommenen Verwandlungen durch einen vorbereiteten Rückverwandlungszauber, der nur durch Gedankenkraft geweckt werden sollte zu beheben, ging Professor McGonagall daran, die ersten Selbstverwandlungszauber mit Selbstverflüssigung einzustudieren, wobei sie jedoch höllisch darauf achtete, immer nur zwei Schüler zur Zeit zaubern zu lassen, um notfalls mit Rückverwandlungszaubern einspringen zu können. Aurora Dawn war an dem Tag, wo sie es an sich ausprobieren sollte, ihren Körper in eine Wassersäule zu verwandeln sehr nervös gewesen. Sie hatte sich zwar alle notwendigen Komponenten eingeprägt, die mit dem Zauberstab eingeleitet und mit konzentrierten Gedanken vollendet werden sollten, aber die Vorstellung, etwas wirklich heftiges mit sich anzustellen und das noch freiwillig wühlte sie schon gut auf.

"Wie erwähnt gilt es zunächst, den Rückverwandlungszauber im schlummernden Zustand auf Ihren Körper zu legen. Erst wenn Sie sich sicher sind, daß Sie ihn mit einem konzentrierten Gedanken in Kraft setzen können, dürfen Sie die eigentliche Autotransfiguration an sich vornehmen", gemahnte Professor McGonagall ihre UTZ-Schüler. "Denn wenn ihr Verwandlungszauber seine volle Wirkung entfaltet, können Sie keinen Zauberstab mehr benutzen, unerheblich, in welche Daseinsform Sie sich selbst überführen. Ich führe Ihnen das noch einmal vor. Dann werde ich von Ms. Armstrong und Ms. Dawn erbitten, es mir vorzuführen."

"Warum ist die Selbstverflüssigung leichter als die Vernebelung?" Fragte Miriam Swann.

"Wer kann Ihrer Klassenkameradin diese Frage beantworten?" Gab Professor McGonagall die Frage weiter. Eunice, Aurora, Tonya und Bruster zeigten auf. Tonya sollte antworten.

"Ist doch klar, weil gasförmige Körper sich sofort verflüchtigen, sobald sie sich der Luft aussetzen. Wasser hat einen eigenen Zusammenhalt."

"Stimmt, Ms. Rattler. Zehn Punkte für Slytherin. Insofern gilt es bei dem Autonebulationszauber, den magischen Zusammenhalt stärker auszuprägen als den physikalischen. Deshalb lernen wir ab heute zunächst den Selbstverflüssigungszauber, gehen dann über zur Autonebulation und werden im November, wenn diese Zauberei bei Ihnen gut genug eingeübt ist die ersten feststofflichen Selbstverwandlungen angehen." Professor McGonagall zerfloß nach einigen Zauberstabgesten zu einer weißen Nebelgestalt. Wie aus der Ferne heranschwebend klang ihre Stimme: "Zum großen Glück können Sie bei Zustandsänderungen noch Lautäußerungen von sich geben." Dann verfestigte sich die Nebelgestalt wieder zu Professor McGonagall. Sie sagte noch: "Es kann und wird Ihnen immer wieder passieren, daß Sie bei einer Andauernden Zustandsveränderung in flüssiger oder gasförmiger Daseinsform schnell ermüden. Daher werden diese Zauber im Alltag auch höchst selten angewendet. Ich bringe Sie Ihnen nur bei, damit Sie die Beherrschung ihrer eigenen Körpermaterie erlernen, was bei feststofflichen Selbstverwandlungen entscheidende Vorteile mit sich bringt."

Aurora Dawn sah nun, wie Professor McGonagall sich in eine Wassersäule verwandelte, die zu einer großen Pfütze auseinanderlief, sich nach wenigen Sekunden wieder aufrichtete und verfestigte. Diesen Zauber machte sie zweimal vor. Dann bat sie Eunice, ihn vorzuführen. Eunice nickte, trat vor und vollführte die Zauberstabgesten, die, wie sie nun wußten, die Rückverwandlungsmagie bereitmachen sollten. Dann schienen ihre Umrisse immer mehr zu verschwimmen, bis sie laut rauschend zu einer in sich zusammensinkenden Wassersäule wurde. Als eine große Pfütze am Boden lag, wo Eunice vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte, staunten alle.

"Ist schon ein merkwürdiges Gefühl, als würde alles an mir länger und breiter und verknäule sich", kam Eunices Stimme wie auf schnellen Wellen plätschernd von unten. "Ui, und es zieht mich immer weiter auseinander", sagte Eunices Stimme dann noch. Dann zog sich die Pfütze wieder zusammen, schoss zu einer Wassersäule auf, die wild hin und herwogte, bis dann mit lautem Schwapp Eunices Körper völlig Trocken und anständig bekleidet wieder vor ihnen stand.

"Sie waren kurz davor, den Halt über die Rückverwandlungsmagie zu verlieren, Ms. Armstrong", sagte Professor McGonagall. "Sie sollten sich bei dieser Verwandlung nicht zu sehr auf Mitteilungen einlassen, solange Sie nicht die nötige Routine erworben haben, was, wie ich Ihnen verbindlich versichern kann, einige Zeit dauern wird. Aber nun Sie, Ms. Dawn!" Befahl die Lehrerin.

Aurora Trat vor. Erst wirkte sie den Rückverwandlungszauber, brachte ihn dazu, regelrecht in den Hintergrund zu treten und vollführte erst die Zauberstabbewegungen. Als sie das Prickeln und ein Gefühl wie von wilden Vibrationen in ihrem Körper verspürte und merkte, wie dieser zu allen Seiten hin nach unten zu rutschen begann, kämpfte sie noch dagegen an, konzentrierte sich auf alle Fasern. Doch da war es schon passiert. Sie fühlte, wie sie am Boden lag, wie ihre Arme und Beine immer flacher schienen und dabei in die Länge gezogen wurden, wie ihr ganzer Körper immer breiter und flacher wurde. Sie mußte den Rückverwandlungszauber wirken, wenn sie nicht auseinandergerissen werden wollte. Sie konzentrierte sich und versuchte, den Zauber durch alle ihre nun verflüssigten Körperteile schießen zu lassen. Doch die Kraft reichte nicht. Sie hörte auf eine ihr unverständliche Weise, wie etwas knisternd aus ihr herausschoss und fühlte mit einem Schlag die Anziehung der Erde und den Druck der Luft an ihr zerren und pressen. Sie wollte gerade um Hilfe rufen, als von irgendwo her etwas in die Mitte traf und es mit einem wilden Ruck zusammen und in die Höhe riss. Sie fühlte, wie sie wieder greifbare Form annahm und hörte ihr Herz pochen.

"Sie haben bei der Vorbereitung den Zauber nicht weit genug ausgedehnt, Ms. Dawn. Er entlud sich auf einer kleinen Fläche und hätte Sie beinahe gänzlich zerfließen lassen", sagte Professor McGonagall. Dann bat sie die nächsten beiden zu sich, um sie den Zauber vorführen zu lassen.

"Ob das jetzt wirklich so toll war?" Fragte Aurora Dawn nach der Stunde ihre Kameraden.

"Ist schon irre, daß sowas geht", meinte Bruster. Miriam meinte dazu:

"ich werde froh sein, wenn ich diesen Zauber nie brauche. Der soll ja nur zeigen, daß wir unsere Körper immer noch spüren können, damit wir uns darauf konzentrieren können, sie zurückzuverwandeln oder in der Nebelgestalt in einem Stück den Ort zu wechseln. Sie hat es ja gesagt, daß im Alltag keiner mehr sowas ausprobiert."

"Wieso lernen wir den Krempel dann?" Fragte Petula.

"Hast du doch gehört: Damit wir das raushaben, wie wir uns selbst verwandeln können und dann, wenn es an vorübergehende Selbstverwandlungen geht fit zu sein", erwiderte Mortimer.

Als Aurora Dawn zum Unterricht über alte Runen ging, wo sie es heute von Schachtel- und kreisrbeschriftungen hatten, dachte sie nicht mehr an die Verwandlungsstunde.

__________

Halloween rückte immer näher und damit der erste Ausflug nach Hogsmeade. Vivian Acer freute sich schon auf das Dorf, in dem nur Hexen und Zauberer lebten. Aurora hatte sich sofort bereiterklärt, die beiden als Reiseführerin zu betreuen. Doch einen Tag vor dem Ausflug passierte etwas, daß ihre aufgelockerte Stimmung eintrübte.

Sie war gerade unterwegs von der Freitagsstunde Zaubertränke und wollte in die Bibliothek, als sie auf einem Flur in ein Handgemenge zwischen Slytherin-Fünftklässlern und einigen aus Gryffindor hineingeriet. Dabei sah sie noch, wie Philipp und Agatha Priestley mitten drin standen.

"Ihr verdammten Muggelfreunde und Schlammblutbefürworter", knurrte einer der Slytherin-Fünftklässler. "Eure Mutter hat sie echt nicht mehr, zu empfehlen, wir sollten uns hier in Hogwarts noch mehr mit dem Maschinenkram der Muggel abgeben. Das Fach ist eh schon so nötig wie ein dritter Flügel bei 'ner Eule."

"Deshalb brauchst du uns echt nicht dumm anzumachen", knurrte Agatha. Ihr Bruder nickte und schirmte seine Schwester mit einer Zauberstabbewegung vor einem ihr geltenen Fluch ab.

"Laßt die beiden in Ruhe, ihr Nixkönner!" Knurrte einer der Gryffindors barsch. Philipp wollte gerade einwerfen, daß er Vertrauensschüler sei und wegen dieses Überfalls fünfzig Punkte von Slytherin abziehen könne, als ihm wohl klar wurde, daß sich ihm zu viele Zauberstäbe gleichzeitig entgegenreckten. Aurora eilte hinzu und rief mit einer von ihr ungewohnt schrillen Stimme:

"Was soll denn das jetzt hier?! Ihr bedroht einen Vertrauensschüler?!"

"Mit dir müssen wir uns wohl nich' abgeben, Dawn. Oder findest du das toll, was diese June Priestley in "Zeitgenössische Zauberkunst" reingeschmiert hat?" Fragte einer der Slytherins. Sein Hauskamerad grinste dümmlich und meinte:

"Das ist doch ihre Tante. Da muß die das ja toll finden."

"Bitte was?" Fragte Aurora sichtlich genervt, während sie mit erhobenem Zauberstab vor den Gryffindors und Slytherins stand.

"Die hat doch reingekleckert, daß wir Zauberer uns mit diesen Rechendingern der Muggel mehr auskennen sollten, weil die immer kleiner gebaut werden und bald jeder so'n Ding im Haus stehen haben kann. Wenn die damit dann noch irgendwelche Nachrichten herumschicken können, so textet deine Tante weiter, wäre es mit der Geheimhaltung nicht mehr weit hin. Unfug sowas. Als wenn unsere Leute den Muggeln sowas durchgehen ließen. Die hat sie doch nicht mehr alle!"

"Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin!" Spie Philipp, packte seine jüngere Schwester und riss sie zu Boden, gerade als eine Salve Flüche auf sie beide zusirrte. Aurora warf sich knapp unter zwei Furnunculus-Flüchen zu Boden, beschwor ungesagt den unsichtbaren Schild und kam wieder hoch. Da war bereits die wilde Zauberkeilerei im Gange. Philipp hatten drei Flüche gleichzeitig erwischt und durchmengten sich. Er qquoll in die Breite, bekam borstenartige Haare am ganzen Körper und stieß merkwürdige Laute aus, während seine Schwester am Boden versuchte, dem Gewirr von wild umherlaufenden Füßen auszuweichen, um nicht zertrampelt zu werden. Aurora feuerte mehrere ungesagte Flüche in die Menge, hauptsächlich Bewegungsbanne. Doch einige der Streitenden hatten sich ebenfalls in starke Schildzauber eingeschlossen und fälschten die Flüche in alle Richtungen ab. Als einer der Slytherins das Durcheinander ausnutzen wollte, um Agatha einen gezielten Fluch aufzuhalsen rief Aurora: "Expelliarmus!" Sirrend fegte ein scharlachroter Blitz den auf Agatha deutenden Zauberstab aus der Hand des Jungen, der vom Aufprall des Entwaffnungszaubers getroffen herumwirbelte und langschlug. Dann war Aurora bei ihrer Cousine und zog sie aus der unmittelbaren Gefahrenzone, bevor ein ihr geltender Fluch den unsichtbaren Schild bedrohlich erzittern ließ. Nun konterte sie mit einer Serie schneller Flüche, die sie hintereinander weg ohne sie auszurufen losließ. Da stürmten drei Lehrer herbei, Professor McGonagall, Professor Snape und Professor Silverbolt.

"Hey, sofort aufhören!" Schnarrten McGonagall und Snape, während Silverbolt seinen Zauberstab einmal durch die Luft peitschen ließ und etwas wie einen besonders starken Windstoß damit freisetzte, der die sich beharkenden, von denen viele schon von Flüchen gezeichnet waren wie vom Wind ergriffenes Herbstlauf durcheinanderwirbelte.

"Wozu war das jetzt gut?" Fragte Silverbolt, bevor ihm Snape und McGonagall bedeuteten, daß das ihre Sache sei. Agatha sprang auf und deutete auf Philipp, der nun einem doppelten Gummiball mit wild herausragenden Körperanhängseln glich. "Die da haben uns hier aufgelauert und wollten uns wieder blöd anquatschen", sagte sie zu Professor McGonagall. Snape sah sie vorwurfsvoll an und deutete auf die Slytherins, die von Silverbolt durcheinandergewirbelt worden waren.

"Wegen euch zwei sollten die Jungs aus meinem Haus es auf eine Zauberschlacht und den Rauswurf angelegt haben? Du lügst, Priestley."

"Severus, bei allem Verständnis für den Schutz der Schüler aus Ihrem Haus sprechen die Tatsachen leider zu Gunsten von Ms. Priestley. Ihr Bruder ist ...", erwiderte Professor McGonagall.

"Wie konnte der auch so offen in irgendwelche Zauber hineinspringen?" Spottete Snape. Da sagte Silverbolt leise aber mit unverkennbarer Drohung:

"Ich würde Ihren Schülern alles unterstellen, wenn sie die Gelegenheit haben, jemandem arg mitzuspielen, Severus."

"Wir klären das mit Professor Dumbledore", stellte Professor McGonagall fest. "Ms. Dawn, Sie bringen Mr. Priestley und seine Schwester umgehend in den Krankenflügel. Die von Flüchen getroffenen begeben sich ebenfalls dorthin!"

"So'n Mist aber auch", knurrte einer der Slytherins. Aurora sah Philipp an, der zumindest noch verstehen konnte, was um ihn herum vorging. Aurora winkte ihm, und schwerfällig näherte er sich ihr. Als einer der Slytherins Anstalten machte, darüber zu lachen, blickten ihn Professor McGonagall und Professor Silverbolt warnend an. Aurora zauberte eine Trage aus dem Nichts und bettete Philipp darauf. Zusammen mit Agatha brachte sie ihren Cousin in den Krankenflügel. Madame Pomfrey war bereits benachrichtigt worden, daß mehrere Schüler sich eine Schlacht auf einem Flur geliefert hatten. Als sie Philipp untersucht hatte meinte sie:

"Der muß ins St.-Mungo-Krankenhaus. Die Flüche kann ich mit meinen Mitteln hier nicht alle auseinandersortieren. Der muß mindestens fünf verschiedene eingesteckt haben", seufzte die Heilerin. Agatha sah Philipp an, dessen Körper sich immer noch unangenehm veränderte. Madame Pomfrey traute sich nicht einmal, die Körperfunktionen des Jungen zu verlangsamen, was bei verschiedenen schwerwiegenderen Verletzungen ein wirksames Mittel zur ersten Hilfe war. Sie rief durch den Kamin, daß sie gleich einen Patienten hinüberbefördern wolle. Eine halbe Minute später tauchten zwei Heiler im Kamin der Schulkrankenschwester auf und übernahmen die Trage mit Philipp Priestley. Agatha starrte in die smaragdgrünen Flammen, in denen ihr Bruder verschwand. Aurora sah, daß sie weinte.

"Das hat ein nachspiel", knurrte Aurora Dawn. "Die haben sich über Agathas und Philipps Mutter ausgelassen. Wenn die Jungs aus Gryffindor nicht gewesen wären ..."

"Was ist genau passiert?" Fragte Madame Pomfrey, als wie auf Stichwort die angeschlagenen Möchtegernhelden aus dem Flur in den Krankenflügel eintraten. Hinter ihnen, wütenden Schäferhunden gleich, drängten die drei Lehrer nach und sorgten dafür, daß keiner ausbüchsen konnte.

"Ach, die ist schon da", feixte einer der Slytherins, bevor ihm mit lautem Glucksen eine Ladung dicker Schnecken aus dem Mund flog.

"Die spuckst du bitte in den Eimer hier!" Herrschte Madame Pomfrey den Betroffenen an und stellte ihm einen hüfthohen Eimer vor die Füße, gerade rechtzeitig, um die nächste Salve Schnecken gesitteter loszuwerden. Agatha sah Aurora an, die ihr zunickte und sie an die Seite zog, bis alle im größeren Schlafsaal des Krankenflügels angekommen waren. Professor McGonagall beseitigte derweil die hingespienen Schnecken mit schnellen Zauberstabbewegungen. Silverbolt meinte:

"Madame Pomfrey soll die erstmal wieder gesund machen. Ob Albus sie dann rauswirft wird er entscheiden.

"Können Agatha und ich wieder gehen?" Fragte Aurora Dawn. Professor McGonagall nickte. Snape grinste sie spöttisch an. Aurora straffte sich vor ihm und sagte:

"Das konnten Sie nie vertragen, wenn jemand mit der größeren Kompetenz auch gute Ratschläge verteilt, nicht wahr, Professor Snape?"

"Vertrauensschülerin oder nicht, Mädchen, ich lasse mich nicht so anreden. Ich fürchte, ich muß darauf drängen, daß deine Teilnahme am Quidditch gestrichen wird."

"Könnte Ihnen so passen, Professor Snape. Aber täuschen Sie sich da mal nicht! Wir haben mehrere gute Spieler in der Mannschaft", erwiderte Aurora kalt. Sie von der Mannschaft auszuschließen käme den Slytherins gerade recht. Dennoch wollte sie sich vor diesem Wicht im schwarzen Umhang da nicht ducken, nicht mehr.

Sie nahm Agatha mit, weil Snape nichts mehr dazu sagte. Im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws saß Aurora bei ihr, während sie sich hemmungslos ausweinte. "Diese blöden Kerle. Was können Philipp und ich dafür, daß unsere Mum mehr mit Muggelsachen klarkommt als mit Zauberersachen?" Schniefte sie. Aurora hielt sie in einer halben Umarmung und sprach ruhig auf sie ein.

"Agatha, die konnten noch nie ab, was deine Mutter, meine Tante June, so erforscht. Für die gilt nur die Zaubererwelt und dieser Blödsinn mit der Reinglütigkeit. Die kommen nicht damit klar, daß jemand das anders sieht."

"Was passiert mit Philipp?" Schniefte Agatha.

"Die kriegen den wieder hin, Agatha. Vielleicht ist der heute abend schon wieder zu Hause", versuchte Aurora, die kleine Cousine zu trösten. Doch diese wollte sich nicht trösten lassen. Sie fand es nach wie vor gemein, was mit ihr und Philipp passiert war.

"Soll ich Tante June schreiben, ihr hättet ihretwegen Ärger bekommen?" Fragte Aurora Dawn. Doch Agatha schüttelte den Kopf.

"Neh, nachher meint sie, in Hogwarts könne ich nicht weiterlernen. Aber ich will hier lernen", erwiderte Agatha entschlossen. Aurora nickte.

"Im Moment können wir nur abwarten, was mit Philipp passiert und was diese Saubande zu erwarten hat."

Beide Antworten folgten innerhalb eines Tages. Es begann damit, daß die schuldigen Slytherins, aber auch einige der Gryffindors nicht nach Hogsmeade durften. Zusätzlich verlor Slytherin achtzig Punkte und rutschte damit auf den hintersten Rang noch hinter die Ravenclaws, die dieses Jahr mit dem Punkteholen etwas spät gestartet waren. Aurora wurde gefragt, ob sie am Hogsmeade-Ausflug teilnehmen wollte oder nicht. Als Agatha ihr versicherte, sie käme schon klar, weil ja noch einige Klassenkameraden da seien, ging Aurora mit Vivian und Nelly ins Dorf. Cynthia traf sie dort und stichelte, warum sie nun, wo sie eigenständig durch Hogsmeade laufen könne den Reiseführer für die Drittklässler spielen müsse. Aurora meinte dazu nur:

"Wir haben nur zwei Drittklässler, und ich möchte gerne jede Minute genießen, die an diesem Vertrauensschüler-Job wirklich schön ist."

Nach einem wundervollen Tag im Dorf, wobei Aurora auch kurz in den Eberkopf hineingeschaut hatte, kehrte Aurora mit ihren Schutzbefohlenen zurück und erfuhr, daß Philipp zur Halloweenfeier wieder im Schloß sein würde.

Das Fest war eine große Schau von Geistern und schrill kostümierten Musikhexen und Zauberern, die schauerliche Klänge mit dämonischer Aufmachung verknüpften. Roy meinte, daß so auch Hardrock-Gruppen der Muggel die große Schau hinlegten und genoss es, wie einer der Musiker scheinbar seinen linken Arm abgehackt bekam, der dann selbständig weiter auf der großen Trommel herumklopfte, ohne daß dem verstümmelten Musiker Blut aus der Wunde strömte. Als dem dann kurz vor Ende der Arm wie neu Gewachsen aus dem Stumpf drang und sich wie selbstverständlich zum funktionsfähigen Körperanhängsel auswuchs, klatschten alle Beifall, die einige Minuten zuvor noch stark schockiert auf das gruselige Spektakel gestarrt hatten.

"So, Leute! Das waren wir, das Inferno-Oktett", schnarrte der erste Sänger mit tiefer, angerauhter Stimme, die magisch verstärkt war. "Noch ein höllisch herrliches Halloween, zusammen!!!" Er nickte ... und sein Kopf fiel herunter und verwandelte sich in einen prallen Kürbis. Wieder gefror den Zuschauern das Blut in den Adern, bis mit schadenfrohem Gelächter der Kopf des Frontmannes aus dem Hals herausquoll und anständig darauf zu sitzen kam.

"Also, jetzt habe ich geglaubt, in der Magie gäbe es doch gewisse Grenzen. Aber diese Selbstzerlegungsnummer war schon der Hammer", bekundete Roy sein Erstaunen, während seine Frau Dina immer noch schockiert auf die Bühne starrte, wo die acht schauerlichen Musiker unter einem wilden Mißklang und in einer gelblichen Nebelwolke, die den Gestank von Schwefel und Moder verströmte scheinbar disapparierten. Das ging vielleicht, wenn Dumbledore die große Halle von der sonstigen Disappariersperre befreit hatte. Doch dann müßten sie ja auch vom Gelände herunterdisapparieren. Aurora hätte sich selbst ohrfeigen können, daß sie nicht daran dachte, daß die Musiker sich selbst in Nebelgestalten verwandelten und mit dem aus höllischen Tiefen zum Himmel stinkenden Brodem durch die geöffneten Fenster in die von grauen Wolkenfetzen und einem kreidebleichen Mond beherrschten Nacht verdunsteten.

"Jetzt wissen wir, wozu Verwandlung noch gebraucht werden kann. Diese Selbstzerlegungsnummer und die scheinbare Enthauptung sind schon krass", meinte Bruster.

Als bei der nächsten Verwandlungsstunde darüber getuschelt wurde, wie das Inferno-Oktett diese Schockeffekte hervorbrachte fühlte sich Professor McGonagall berufen, den Ernst des Lebens zurückzubringen.

"Nun, Sie alle konnten zusehen, wie erwachsene Zauberer, die es zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben, alptraumhaftes Getöse und Aussehen zur Kunstform zu erheben hinbekamen, sich teilweise zu verstümmeln, ohne wirklich verstümmelt zu sein. Dies ist ein Akt der Verwandlungskunst, der großer Übung und langer Vorbereitung bedarf. Sie sehen daran, daß Verwandlungskunst tatsächlich eine für Halloween passende Unterhaltungsform bieten kann, jedoch von meinem Standpunkt aus verschwendete Energie bedeutet, sich nur auf die Präsentation von erschreckendem Schabernack einzurichten. Aber um Ihre Fragen, wie dies möglich ist zumindest soweit zu beantworten, daß ich nicht an die Betriebsgeheimnisse dieser Damen und Herren Klangdarbieter rühren oder Sie auf abwegige Gedanken bringen mag: Wer es raus hat, jede Zelle seines Körpers willentlich wahrzunehmen, erlangt auch die Möglichkeit, die Zusammensetzung des Körpers zu verändern, wobei durchaus auch zeitweilige Trennungen vom Gesamtkörper möglich sind. Aber diese Umgangsweise mit Verwandlungszaubern werden Sie bei mir nicht zu lernen bekommen. Ich sehe meinen Lehrauftrag darin, Ihnen zum Erwerb der UTZ-Abschlußprüfung fundierte Grundkenntnisse und Praxis im Umgang mit Verwandlungszaubern zu bieten, daß jene, die damit im weiteren Leben nichts mehr anfangen werden immerhin die nötigen Grundlagen kennen und jene, die darauf weiter aufbauen wollen einen sinnvollen Einstieg in das Fach erfahren konnten. Halloweenscherze wie die unserer künstlerischen Gäste haben dabei nichts verloren."

__________

Auroras Befürchtung, daß die Slytherins sich jetzt eher auf Agatha einschießen mochten, weil sie dadurch Philipp zu unbedachten Handlungen verleiten konnten bewahrheitete sich in den ersten Novembertagen, als mehrere Mädchen aus der vierten Klasse der Drittklässlerin mit einem Fluch lebendige Schlangen an den Kopf hexten, was Agatha in wilde Panik versetzte.

"Ach, hat mal wieder eine rausgefunden, wie die Medusenfrisur geht", knurrte Eunice Armstrong, als Agatha wild schreiend mit den sich um ihren Kopf windenden und zischenden Schlangen, die golden-braun gestreift waren in Richtung Krankenflügel eilte. Aurora hörte das gehässige Lachen von drei Mädchen aus der vierten Klasse und lief hin, den Zauberstab in der Hand.

"Na, so sieht die Priestley echt originell aus", gluckste eine der Slytherin-Schülerinnen.

"Ach, ihr wart das!" Fauchte Aurora. "Findet ihr nett, sowas, wie?"

"Och, du nicht. Deine dunkle Mähne kommt mit ein paar Schlangen bestimmt auch gut ..."

"Schon falsch, dran zu denken", schnarrte Aurora, als sie der Slytherin mal eben mit einer Zauberstabgeste die Ganzkörperklammer ohne lautes Hersagen aufhalste und die zweite, die gerade den Zauberstab in der Hand vorstreckte mit einem Entwaffnungszauber den Arm nach hinten prällte. Die dritte warf sich herum und flüchtete, nicht ohne von Aurora einen Plumbopodex-Fluch in den Allerwertesten zu kriegen, der ihr ein immer härter und schwerer werdendes Hinterteil bescherte, gegen den diese nur einen ungesagten Gegenfluch aufbieten konnte, sich also von jemandem helfen lassen mußte.

"Hey, du bist ja ganz schnell dabei", grinste Eunice, als sie die beiden vorübergehend außer Gefecht gesetzten Missetäterinnen sah. Aurora zielte auf die, die nicht in der Ganzkörperklammer gefangen war und rief: "Collivestis!" Ein dunkelblaues Leuchten glomm aus dem Zauberstab und traf das Mädchen.

"Ey, du Miststück, was war das?" Schnaubte die und zerrte an ihrem irgendwie viel zu eng anliegenden Umhang.

"Daß du deine Klamotten jetzt erst einmal so anbehalten mußt", knurrte Aurora. "Ich werde euch beibringen, jüngere Mitschüler aus Spaß zu verfluchen. Ich bin immer noch besser als ihr und Vertrauensschülerin. Wir sehen uns dann bei eurem Hauslehrer. Ich bringe meinen mit."

"Du uns auch, Dawn!" Zischte die mit unausziehbar angefluchter Kleidung bedachte Mitschülerin. Aurora sprach dann noch einen Abzug von fünfzig Punkten für Slytherin aus und ging mit Eunice zum Krankenflügel. Doch Agatha war nicht da.

Sie fand sie im Toilettenraum der maulenden Myrte, dem dümmsten Versteck, daß sie sich hätte aussuchen können. Denn das stets lamentierende, dickleibige Geistermädchen fand es wohl sehr amüsant, wie Agatha verunziert worden war. Wimmernd und vor Schock und Erschöpfung am Boden kauernd und schlotternd hing Agatha auf den trüben Kacheln, während Myrte lauthals ihre Schadenfreude herauslachte. Aurora sah das Geistermädchen an und meinte:

"Ich weiß, dir hat wohl irgendwer mal übel mitgespielt. Aber lustig ist das echt nicht, was der passiert ist. Die hat das nämlich nicht selbst gemacht."

"Sieht irgendwie total schrecklich aus. Mit dem Kopf läuft ihr jeder Freund weg", feixte Myrte.

"Ich lass mir von Silverbolt noch beibringen, wie ihr Geister richtig schön gequält werdet, wenn du nicht augenblicklich in deine muffige Kabine zurückschwebst und dein schadenfrohes Maul hältst", knurrte Aurora sehr gefährlich. Myrte verzog ihr pickeliges Mopsgesicht und sauste einige Zentimeter über dem Boden durch die geschlossene Kabinentür. Aurora wollte Agatha gerade vom Boden hochheben, als eine der angehexten Schlangen laut fauchend nach ihr schnellte und sie zu beißen versuchte.

"Agatha, ich will dir nur helfen", sagte Aurora. Sie hoffte, daß die schlangenartigen Auswüchse von Agatha irgendwie beeinflußt werden konnten. Doch jede der an die zwei Dutzend Schlangen schien ihren eigenen Willen zu haben. Sie wanden sich und schnellten vor, reichten Agatha bis zu den Unterarmen herab und schlängelten sich vor ihrem Gesicht. Aurora betäubte die Cousine. Doch die Schlangen wurden dadurch nicht reglos.

"Die fliegen heute noch, aber ohne Besen", schnaubte Aurora. Schritte erklangen. Sie sprang auf und wandte sich der Tür zu. Philipp kam mit Bruster und Eunice herbei. Philipp wollte schon durch die halb geöffnete Tür herein, als Eunice ihn am Kragen packte und zischte:

"Du darfst da nicht rein. Das ist 'n Mädchenklo."

"Lass mich bloß in Ruhe!" Schnaubte Philipp. Er entwand sich Eunices Griff und stürmte hinein, um von einer der an Agathas Kopf hängenden Schlangen in die Hand gebissen zu werden. "O Scheiße, sind die giftig?!" Schrie er.

"Weiß ich nicht", schnaubte Aurora. Eunice trat ein.

"Den Fluch kenne ich vom Hörensagen her. Geht mit Gorgonenblut und einer altgriechischen Verwünschung, die damals den drei Urgorgonen zugerufen wurde, die dann mit Schlangenkörpern und Jungschlangen verschmolzen. Du mußt die einzeln betäuben. Töten darfst du die nicht, weil sie im Momentt an Agathas Blutkreislauf hängen. Wenn die in vier Stunden nach dem Fluch nicht ordentlich entffernt werden können sie den befallenen Körper auszehren oder das Gehirn des Befallenen unterwerfen."

"Wie kommen Viertklässler an so einen gemeinen Fluch dran?" Wollte Aurora wissen, während Philipp die Bisswunde in seiner Hand ansah.

"Das wird geklärt, und wer das verschuldet hat hat den Letzten Tag der Schulzeit gesehen", sagte Eunice. Philipp hielt den verletzten Arm hin und stammelte:

"Diese Biester sind echt giftig. Macht doch was!"

"Die sollte man in Madame Pomfreys Bettpfannensammlung einbauen", schnaubte Eunice, die Aurora ansah, die sich sofort um Philipp kümmerte, während die Schlangen an Agathas Kopf versuchten, ihren Wirtskörper von der Stelle zu bewegen.

"Du kümmerst dich um Philipp, ich bringe Agatha zum Krankenflügel. Hoffentlich kennt Madame Pomfrey die Gegenmaßnahmen", legte Eunice die Arbeitsteilung fest.

"Pass auf die Biester auf. Die sind fies schnell!" Warnte Philipp, als sich drei Schlangenmäuler zugleich auf Eunices Bein zukatapultierten. Diese sprang an die Wand zurück, hob den Zauberstab und ließ einen weißen Nebel herausquellen, der Agatha umfloß und von einem Moment zum anderen zu einer eiförmigen, stahlharten Kapsel verdichtet wurde. Aurora kannte diesen Zauber schon. Eunice hatte damit einmal einen Slytherin-Schüler eingesperrt, der vor zwei Jahren einen Überfall auf die Gryffindor-Quidditchmannschaft mitgemacht hatte. Aurora beschwor eine Trage herauf und bedeutete Philipp, sich darauf zu legen. Er tat es. Sein rechter Arm schwoll an und wurde immer steifer.

"Lentavita!" Rief Aurora mit auf Philipp deutendem Zauberstab. Damit verlangsamte sie seine Lebensfunktionen auf ein Zehntel. So würde das tückische Gift nicht so rasch den ganzen Körper durchziehen und seine Wirkung tun. Das hatte sie von Madame Pomfrey gelernt, daß bei schweren Verletzungen, die nicht mit einer einfachen Zauberei zu schließen waren erst die Körperfunktionen verlangsamt wurden, was bei einfacher Anwendung auf ein Zehntel und bei zweifacher Anwendung auf ein Fünfzigstel ging, nicht wie zu vermuten wäre auf ein Hundertstel, weil der bereits vorhandene Zauber einen Widerstand gegen weitere Bezauberungen bot. Doch die einfache Behandlung reichte wohl aus. Aurora ließ die Trage vom Boden aufsteigen und wirkte so auf sie ein, daß sie neben ihr herflog, als sie im Geschwindschritt durch die Gänge jagte. Eunice hatte derweil eine große Schubkarre aus dem Nichts beschworen und mit einer ebenfalls aus dem Nichts gezauberten Schaufel die große Kapsel mit Agatha darin in die Karre gewuchtet. Denn die Kapsel schluckte alle Formen von Bewegungszaubern.

So traf Aurora weit vor Eunice im Krankenflügel ein, wo Madame Pomfrey bereits sorgenvoll dreinschauend wartete. Bruster war auch da, sowie die Hauslehrer Flitwick, McGonagall und Snape.

"Was ist mit dem passiert?" Fragte Snape abfällig auf Philipp schauend.

"Seine Schwester hat von drei Viertklässlerinnen, deren Namen Sie alle gleich erfahren dürfen einen ziemlich grausamen Fluch abbekommen, Professor Snape", meldete Aurora mit einer Stimme kalt wie das Eis am Südpol. "Man hat ihr Schlangen an den Kopf gehext. Eine davon hat ihn", sie deutete auf Philipp "in die rechte Hand gebissen und wohl vergiftet. Weil ich nicht weiß, wie stark das Gift ist habe ich ihn besser verzögert, um das Voranschreiten der Vergiftung zu bremsen. Ms. Armstrong bringt Agatha. Sie hat sie mit dem Incapsovulus-Zauber eingeschlossen, damit die Schlangen sie nicht auch noch beißen."

"Unsinn, wie sollten Viertklässlerinnen diesen mächtigen Fluch können", schnarrte Snape. "Du lügst."

"Warum sollte sie das, Severus?" Fragte Professor McGonagall mit einschneidender Betonung. Ihre Augen funkelten sehr zornig, als wolle sie gleich laut schreiend auf jemanden losgehen. Flitwick begutachtete sorgenvoll den auf der Trage liegenden Fünftklässler. Madame Pomfrey besah sich den vergifteten Arm, fand die beiden Einstiche der Giftzähne und schnitt die Haut auf. Da die Verzögerung den normalen Blutfluß hemmte mußte sie mit einer Art Saugtrichter eine Probe nehmen.

"Die Vergiftung ist kein Problem", sagte sie. "Ich habe das Breitbandgegengift nach Herbregis und anderen hier", sagte sie. "Ich wollte nur eine Probe des Giftes haben." Sie heilte die Schnittverletzung und holte eine große Flasche mit einer Art Zapfhan auf dem Hals. Sie füllte ein Wasserglas fast bis zum Rand, dann träufelte sie von der rosafarbenen Substanz etwas hinein, schüttelte das Glas vorsichtig, bis die Lösung wieder durchsichtig war und hob den Körperverzögerungszauber wieder auf. Sie drückte Philipp das Glas in die unverletzte Hand und befahl, es bis zum letzten Tropfen leerzutrinken. Als Philipp den Inhalt ganz in sich hineingeschüttet hatte fühlte er offenbar einen Schauer, weil er sich wild schüttelte. Doch dann ging die Schwellung seines rechten Arms rasch zurück und verschwand. Keine Sekunde darauf konnte er seinen Arm wieder frei bewegen.

"Hui, das ist ja toll", meinte er. "Haben Sie ein Gegengift gegen alle Schlangenarten?" Fragte er Madame Pomfrey.

"So was in der Richtung. Ich habe gehofft, daß diese Schlangen keine heimtückischen Zaubergifte injizieren. Ansonsten hätte ich dich ins St.-Mungo-Krankenhaus einweisen müssen. Aber ich entsinne mich, daß dieser Fluch "nur" gewöhnliche Giftschlangen hervorbringt, die jedoch innerhalb von Minuten töten können, abgesehen davon, daß sie ihren Wirt nicht beißen", sagte Madame Pomfrey. Professor Snape sah Philipp lauernd an. Philipp starrte ihn sehr feindselig an und sagte:

"Das waren welche von Ihnen, Professor Snape. Wie immer die an diesen Fluch geraten sind, die werden das büßen."

"Keine unbedachten Drohungen, Priestley!" Entgegnete Snape gefährlich leise. Professor McGonagall sah zur Tür, weil das Rattern von Rädern zu hören war. Eunice keuchte heran, den viel zu großen Schubkarren vor sich herstoßend. Snape sah die weiße Kapsel darauf und blickte Eunice befremdet an. Professor McGonagall wollte schon den Gegenzauber wirken. Doch Madame Pomfrey riet ihr, damit zu warten, bis Experten vom St.-Mungo-Krankenhaus zur Stelle waren, um dem Mädchen helfen zu können. Dann kontaktfeuerte sie mit dem Notfallmeldedienst jener magischen Heilanstalt und wartete, bis nach fünf Minuten drei Zauberer in grünen Kitteln durch den Kamin kamen. In der Zeit waren auch Dumbledore und Silverbolt im Krankenflügel eingetroffen. Silverbolt fragte, wer das mit dem Plumbopodex-Fluch gewesen war. Aurora nickte ihm zu. Er sah sie teils mißbilligend, teils schadenfroh grinsend an. Die Heiler warteten, bis die Einkapselung aufgehoben war und sprühten etwas eiskaltes auf Agathas Kopf. hinter den sich windenden Schlangenkörpern konnte Aurora sehen, daß ihre Cousine bleich wie ein Vampir war und ihre Augen weit geöffnet waren. Noch hielt der Schockzauber. Snape erbleichte noch mehr als eh schon, während Dumbledore bedauernd auf Agatha und dann sehr ungehalten zu Snape hinübersah. Dann sagte er mit ruhiger, aber doch Gefahrverheißender Stimme:

"Severus, ich erwarte von Ihnen, daß die, die das angerichtet haben den nächsten Zug nach London besteigen. Schaffen Sie sie mir unverzüglich her, damit ich Ihnen das sagen kann. Ich will wissen, woher sie den Fluch kannten und was sie dazu brachte, ihn anzuwenden."

"Der Caput-Gorgonis-Fluch kann nur aus einem Buch aus der Verbotenen Abteilung stammen", knurrte Silverbolt. Snape, verärgert, weil er wieder Schüler verlieren würde, nickte so wild, daß sein öliges, schwarzes Haar ihm wild ins Gesicht flog. Dann lief er los.

"Dieser Fluch ist so heimtückisch, daß es mit einem Schulverweis allein nicht getan ist", sagte einer der Heiler. "Ihn zu wirken ist ein Verbrechen, für das selbst minderjährige Hexen und Zauberer bestraft werden. Ist jemand von den Schlangen gebissen worden?"

"Ja, ich", knurrte Philipp und wies seine rechte Hand vor. Doch Madame Pomfrey versicherte, daß das Gift bereits neutralisiert sei.

"Da haben Sie noch mal Glück gehabt, junger Mann. manche dieser Schlangenauswüchse sind giftiger als eine Sumpfotter oder ein gelb-Schwarzer Taipan."

"Kriegen Sie meine Schwester wieder hin?" Wollte Philipp wissen.

"Die körperliche Verunstaltung können wir in einer Stunde beseitigen. Aber der Schock muß mindestens eine Woche behandelt werden", sagte der zweite Heiler. Dumbledore nickte. Damit war Agatha wohl als krank beurlaubt. Als alle Schlangen so vereist waren, daß sie mühelos in ein dichtes Goldnetz eingeschnürt werden konnten, brachten die Heiler Agatha in das St.-Mungo-Krankenhaus. Silverbolt und Snape holten die drei Viertklässlerinnen, die den Schaden angerichtet hatten. Aurora, Philipp und Eunice erfuhren, daß sie von einem Mitschüler, dessen Namen sie nicht verraten wollten, auf diesen Fluch gebracht worden seien, der auch mit dem für diesen Fluch nötigen Schluck Gorgonenblut herübergekommen sei. Dumbledore bestand darauf, den Namen des Schülers zu erfahren und warum sie das gemacht hatten. Die Mädchen sagten nur, daß sie fanden, daß ein Exempel statuiert werden solle, daß Muggelsachen reinblütige Zauberer nicht zu interessieren hätten.

"Ich will sofort wissen, wer euch zu dieser Untat angestiftet hat!" Rief Dumbledore sehr wütend, wie Aurora den altehrwürdigen, häufig etwas kauzigen Zauberer sehr selten erlebt hatte. Doch die drei überführten Missetäterinnen verweigerten die Aussage. Snape brüllte sie nun an, was ihnen einfiele, Slytherin derartig Schande zu machen. Er verstehe zwar, daß sie nichts mit Muggelangelegenheiten zu tun haben wollten, verwahrte sich jedoch gegen jede Untat, die das Ansehen Slytherins empfindlich schädigten. Aurora mußte hinter vorgehaltener Hand grinsen. Slytherin hatte ein gutes Ansehen? Seitdem sie hier lernte hatte sie davon nichts bemerkt.

"Severus, ich fürchte, so bekommen wir keine Antwort", sagte Dumbledore nun sehr bedrohlich klingend. "Sorgen Sie dafür, daß wir hören, was wir wissen wollen!"

"Bei allem Respekt, Herr Direktor, müssen die anderen dabeistehen?" Fragte Snape. Er sah auf Aurora, Eunice, Bruster und Philipp.

"Die jungen Damen hier wollten ein Exempel statuieren. Dies tue ich jetzt auch", sagte Dumbledore. "Die Vertrauensschüler und die Schulsprecher sollen aus erster Hand erfahren, wer solch verbrecherische Charakterzüge hat, daß er zu derartigen Maßnahmen greift."

"Wie Sie meinen", sagte Snape verbittert und fischte eine kleine Phiole aus seinem Umhang, aus der er eine glasklare Flüssigkeit in drei Wassergläser träufelte. Aurora wußte, was Veritaserum war, ebenso Eunice. Gleich würden sie wissen, wer Agatha das angetan hatte. Die bewegungsunfähigen Mädchen mußten das versetzte Wasser schlucken. Dann fragte Dumbledore noch einmal:

"Wer hat euch dazu angestiftet, den Caput-Gorgonis-Fluch auf Agatha Priestley zu legen und euch das dazu gehörende Blut verschafft?"

"Das dürfen wir nicht sagen", quälte sich eine der drei eine Antwort heraus, zuckte dann mehrmals zusammen und stieß dann nur noch einen langgezogenen Schrei aus, der Aurora bis ins Mark drang. In diesen langen Schrei stimmten auch die anderen Mädchen ein. Dumbledore trat vor, während Snape total irritiert auf die drei Schülerinnen starrte. Der Schulleiter sah jeder tief in die Augen und murmelte leise was. Dann schüttelte er den Kopf.

"So grauenhaft wie faszinierend es ist, im Alter noch was neues zu lernen, aber ich muß feststellen, daß die drei soeben alle Erinnerungen und Erworbenen Fähigkeiten verloren haben."

Aurora ließ die Worte und die langen wehklagenden Schreie, die wie die Schreie neugeborener Säuglinge klangen in sich eindringen, ohne sich dagegen zu wehren. Das Veritaserum hatte dazu geführt, daß die Mädchen ihre Erinnerungen verloren hatten? So sollte es doch nicht wirken.

"Albus, ich fürchte, ich muß mit dir alleine reden", raunte Silverbolt. "In fünf Minuten möchte ich bei dir im Büro sein."

"Wie du möchtest, Adamas", seufzte Dumbledore, dessen Wut schlagartig verraucht war und ihn genauso betroffen und Hilflos machte wie alle anderen in diesem Raum auch.

"Wie geht denn das, daß Veritaserum die Drei geistig in Babys zurückverwandelt hat?" Fragte Aurora Dawn, die aus ihrer Starre erwachte.

"Das willst du nicht wissen, Mädchen", sagte Silverbolt. "Du würdest keine ruhige Nacht mehr verbringen."

"Ich bin kein Mädchen mehr", begehrte Aurora auf und straffte sich. "Wenn dieser jemand, der die drei da", wobei sie auf die drei Viertklässlerinnen deutete, "zu dieser brutalen Aktion angestiftet hat, irgendwas gemacht hat, um ein Veritaserum-Verhör zu vereiteln, dann habe ich nicht nur als Vertrauensschülerin das Recht, zu erfahren, wer das ist und wie er das angestellt hat."

"Es gibt Sachen, die sollten nur die kennen, die damit auch fertig werden können", knurrte Silverbolt. Aurora sah, wie etwas in seinen grünen Augen aufloderte, verzehrendes Feuer aus glühendem Haß. Hasste er sie, weil sie es gewagt hatte, ihn zu fragen? Sie wich einige Schritte zurück. Dann trat sie wieder vor, als Dumbledore Madame Pomfrey ein paar Worte zuflüsterte und ihr Sprechzimmer verließ.

"Ob ich damit leben kann, daß hier in Hogwarts ein der dunklen Seite total zugetaner Verbrecher rumläuft, ohne zu wissen, was der alles anstellen kann, oder ob ich weiß, wer es ist und wie er es anstellt ist dasselbe, Sir."

"Ich sagte, Mädchen, diese Sache willst du nicht wissen. Nur so viel, was dieser Voldemort angestellt hat ist nichts dagegen, was Leute, die diesen Fluch können anstellen können, wenn sie es für angebracht halten. Und jetzt lass mich bloß in Ruhe!" Schnaubte Silverbolt und verließ ebenfalls das Sprechzimmer. Professor McGonagall, Flitwick und Snape sahen Madame Pomfrey an. Diese straffte sich und sagte:

"Der Direktor wird die Eltern der Drei informieren, daß sie das Opfer eines kriminellen Mitschülers wurden und dabei ihr gesamtes Wissen und Können eingebüßt haben. Er wird ihnen anbieten, die drei durch den Infanticorpore-Fluch körperlich zurückzuverwandeln, damit sie die Möglichkeit haben, noch einmal richtig aufzuwachsen. Vielleicht gehen ihre Eltern darauf ein."

"Ja, und wir müssen damit leben, daß jemand in Hogwarts rumläuft, der einfach nur, weil ihm Muggelsachen nicht passen grausame Flüche weitertratscht und denen, die er damit anstachelt auch noch das Gedächtnis nehmen kann, wenn sie mit Veritaserum behandelt werden", schnaubte Eunice. Philipp knurrte dazu:

"Wenn ich den Typen erwische drehe ich den auf links. Das könnt ihr mir glauben."

"Ich würde mir an dem nicht die Finger schmutzig machen", sagte Eunice. "Überlass den den Dementoren!"

"Viel Vergnügen!" Schnaubte Philipp dazu nur. Aurora fühlte, wie eine kalte, konturlose Angst sie beschlich. Da war jemand in Hogwarts, der es nicht bei den üblichen Flüchen beließ, sondern wirklich alptraumhafte Dinger draufhatte und dann noch etwas konnte, um jeden Verrat an ihm zu verhindern. Wenn sie nicht rausbekamen, wer das war, würden alle in Hogwarts bald unter Verfolgungswahn leiden. Als ihr genau das klar wurde fragte sie Professor McGonagall:

"Sehe ich es richtig, daß zunächst keiner davon wissen soll, was mit den dreien passiert ist?"

"Sie meinen, um keine Paranoia in Hogwarts zu verbreiten, Ms. Dawn? Ja, das wäre wohl sehr hilfreich, wenn die gerade geschehenen Ereignisse vorerst nicht weiterberichtet werden. Ms. Armstrong, Mr. Wiffle, und Mr. Priestley, diese Bitte gilt auch für Sie."

"Nicht so ohne weiteres", knurrte Philipp. "Ich will wissen, wer der Mistkerl ist, der das mit meiner Schwester gemacht hat. Sonst können Sie sich dieses Abzeichen hier an den Hut stecken." Er griff an sein blau-bronzenes Ravenclaw-Vertrauensschülerabzeichen. Aurora schüttelte den Kopf. Sie zischte ihm zu:

"Deine Schwester möchte bestimmt nicht, daß du dich selbst in was verrennst, Philipp. Komm! Wir gehen in die Eulerei und schreiben deinen Eltern, was passiert ist!"

"Mum wird das Ministerium anheizen, diesen Dreckskerl öffentlich in Scheiben zu schneiden", knurrte Philipp.

"Ja, vielleicht", sagte Aurora nur und griff nach Philipps Arm. Sie nickte Eunice zu und gebot Philipp, sich bei ihr zu bedanken, daß sie Agatha transportiert hatte. Er tat es und verließ mit seiner Hauskameradin das Sprechzimmer.

"Am liebsten würde ich es durch die ganze Schule brüllen, daß sie diesen Kerl suchen, wenn's ein Kerl ist. Kann ja nur wer von den Slytherins sein", schnaubte Philipp auf dem Weg zur Eulerei. Kurz bevor sie sie erreichten trafen sie auf Tonya Rattler. Aurora sah gerade noch, wie Philipp mit einem Satz nach vorne sprang und der klobigen Siebtklässlerin mit beiden Händen an die Gurgel ging. Sie stand für eine Sekunde schreckensstarr da, während Tonya erschrocken aufschrie und dann mit Tritten und Fausthieben gegen Philipp ankämpfte. Dann zückte sie den Zauberstab und belegte Philipp mit dem Schockzauber. Er fiel schlaff vor Tonyas Füße, die wild nach Luft rang und höchst verärgert auf den am Boden liegenden hinunterblickte.

"Na warte, Bursche, dafür büßt du", knurrte sie. Aurora sprang vor und sah Tonya an, die schon zum Zauberstab griff.

"Tonya, lass bitte. Er war wütend, weil ein paar Leute seine Schwester mit dem Caput-Gorgonis-Fluch ... Nicht!" Tonya setzte schon zu einem Verwandlungszauber an. Aurora hielt ihren Zauberstab auf Philipp und rief: "Contramuto!" Tonyas Zauber prallte laut krachend von Philipp ab und schlug dumpf in die Wand ein, ohne jedoch Schaden anzurichten. Dann senkte sie den Stab wieder und betastete ihren klobig wirkenden Hals. Aurora sah tief eingedrückte Fingerspuren. Philipp hatte sie also wirklich erwürgen wollen.

"Du Miststück wirst mich nicht daran hindern, den zu einer miesen Schabe oder einem nützlichen Gebrauchsartikel zu machen", knurrte Tonya. Doch dann stutzte sie. Irgendwas schien in ihrem Kopf umgesprungen zu sein. Dann sagte sie: "Was hast du da gerade vom Caput-Gorgonis-Fluch erzählt? Wer soll den auf die Schwester von dem da gelegt haben?"

"Agatha wurde mit diesem Fluch belegt. Dumbledore und Snape bekamen raus, daß es wohl Leute aus Slytherin waren, die das gemacht haben. Mehr will Dumbledore wohl erst später erzählen", sagte Aurora. "Ich wollte mit Philipp zur Eulerei, um seine Eltern anzuschreiben. Daß du gerade aufgetaucht bist hat ihn wohl voll wütend gemacht. Der hätte auch Loren oder Bazil so angegriffen."

"Das will ich jetzt wissen, was mit der kleinen Schwester von dem passiert ist. Mach den wieder wach! Wenn der mich noch mal angrabscht kriegt der sechs Beine."

"Ich lasse mir von dir nichts befehlen, Tonya. Wenn du mehr wissen willst, geh bitte zu eurem Hauslehrer!" Erwiderte Aurora Dawn. Tonya schnaufte sichtlich verärgert. Dann aber nickte sie ihr zu und sagte:

"Wenn du mich schon freiwillig an Professor Snape weiterempfiehlst wird's wohl stimmen, was passiert ist. Das gibt dem Typen da aber kein recht, mich einfach so anzuspringen und zu würgen, klar?!"

"Tonya, früher hast du Bruster und Roy auch so ähnlich begrüßt", sagte Aurora nur. Das war zwar schon sechs Jahre her, aber nicht vergessen. Tonya nickte schwerfällig. Dann sagte sie:

"Okay, Aurora, wecke ihn auf, bitte! Ich möchte zumindest, daß er sich bei mir entschuldigt, wenn er mich eigentlich nicht anrühren wollte. Sonst muß ich denken, der wollte mir doch was. Und dann kriegt der Ärger."

Aurora weckte Philipp, der sich erst darüber klarwerden mußte, wo er war. Dann sah er Tonya an, die ihn erwartungsvoll anblickte und stand auf. Er sah sie zornig an. Aurora herrschte ihn an, er solle Tonya in Ruhe lassen, da es wohl nicht auf ihrem Mist gewachsen sei. Er fauchte, daß es doch egal sei, welcher Slytherin das getan hatte. Doch dann erkannte er, daß er nicht einfach drauf los prügeln durfte. Er entschuldigte sich bei Tonya und erzählte widerwillig, was mit seiner Schwester passiert war. Tonya wurde bleich.

"Natürlich kenne ich den Fluch. Aber vier Jahre in Askaban ist mir deine Schwester echt nicht wert, Philipp Priestley", schnarrte sie. "Woher wißt ihr eigentlich, daß nur Slytherins da mitgemacht haben, ey?"

"Wissen wir nicht mit Sicherheit, aber ist doch sehr naheliegend, oder?" Warf Philipp ein. Tonya machte wieder Anstalten, nach ihrem Zauberstab zu langen. Doch Aurora sagte rasch:

"Professor Dumbledore hat gesagt, wir sollen uns nicht in wilden Verdächtigungen ergehen. Es könnte ja auch jemand sein, der sich irgendwie benachteiligt fühlt und wen gefunden hat, der für ihn so blöd war und den Fluch angewendet hat."

"Verstehe", schnaubte Tonya. "Da wollte wohl wer wegen der Artikel von eurer Mutter rauslassen, wie schnell jemand Probleme kriegt, der sich mit Muggelzeug befaßt. Aber wie gesagt, mir sind das keine Vier Jahre Askaban wert, und die meisten anderen Slytherins sehen das wohl auch so."

"Dann gib deinen netten Mitbewohnern bitte mit, daß Dumbledore sehr wütend ist!" Knurrte Philipp. "Wenn noch mal sowas passiert kriegt Slytherin geschlossen Schulfrei auf Lebenszeit. Dann ist da nix mehr mit Zaubererstolz und ehrwürdigen Familien und sowas. Die Kiste von vor zwei Jahren hängt euch ja auch noch an."

"Du hast mir zwar gar nichts mitzugeben, Bürschchen, aber weil du leider recht hast, daß der Alte irgendwann alle Slytherins dafür hinhängt, wenn irgendwem von euch Eierköpfen und Muggelbrütigen was passiert, werde ich das meinen Mitbewohnern weitergeben", knurrte Tonya. Aurora sah sie an und bedeutete ihr, daß sie ihr noch was im Vertrauen sagen wollte. Philipp schickte sie schon einmal in die Eulerei vor, um seinen Eltern einen Brief zu schicken. Als Philipp widerwillig davonging trat Aurora noch einmal zu Tonya hin:

"Tonya, du findest ja auch, daß das mit Agatha zu weit ging. Mach deinen Leuten bitte verständlich, daß sowas hier echt nicht mehr lustig ist! Agatha muß wohl eine Woche im St.-Mungo-Hospital bleiben, um den Schock auszukurieren, den ihr der Fluch versetzt hat. Stell dir mal vor, von deinem Kopf hingen mehrere Dutzend Schlangen runter und würden sich bewegen! Wer immer das gemacht hat sollte schnellstmöglich von Hogwarts runter. Oder findest du das nicht?""

"Natürlich finde ich das auch", schnarrte Tonya. "Und ich werde mich umhören, wer das angestellt hat. Vielleicht haben wir den Mistkerl oder die Kröte bald schon. Mit solchen Sachen kriegen wir die Mutter von den beiden eh nicht davon ab, ihre abgedrehten Ideen zu veröffentlichen."

"Was du für abgedreht hältst, Tonya", knurrte Aurora. "Aber ich danke dir, daß du mir zustimmst, daß sowas nicht noch einmal passieren darf."

"Aus ganz eigenem Interesse, Dawn", schnaubte Tonya und ging einfach davon.

Nachdem Aurora mit Philipp den Brief losgeschickt hatte, begleitete sie ihn zurück in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws.

Am Abend verkündete Dumbledore, daß es an diesem Tag zu einem sehr grausamen Angriff auf die Mitschülerin Agatha Priestley gekommen sei. Man habe die drei Hauptverantwortlichen überführt und sofort in die Obhut der Dementoren gegeben, sagte er noch. Sie würden herausbringen, ob die drei alleine gearbeitet hatten oder Helfershelfer in Hogwarts hätten. Dann sagte er noch:

.

"Ich sehe mich zu meinem großen Bedauern veranlaßt, das erste Spiel des diesjährigen Quidditchturniers um eine Woche zu verschieben, bis klar ist, ob wir in Hogwarts alleine damit fertig werden können oder mit Hilfe von Außerhalb ermitteln müssen, wer eventuell noch an der Sache beteiligt ist. Das Turnier an sich findet auf jeden Fall statt, wird halt nur um eine Woche nach hinten verschoben." Ein Murren setzte ein. Gryffindor und Slytherin hatten sich wohl schon auf die Partie gefreut. Doch Dumbledores Anweisung war klar und deutlich.

Im Gemeinschaftsraum fragte Philipp Aurora leise, woher Dumbledore das mit den gelöschten Gedächtnissen wissen konnte und ob sie wisse, was mit den dreien passieren würde. Aurora stellte fest, daß sie sich die Frage eigentlich auch hätte stellen müssen, wie Dumbledore das rausfinden konnte. Dann sagte sie:

"Dumbledore kennt wohl Zauber, wie man einem Menschen in seinen Geist hineinschauen kann. Dadurch konnte er das rauskriegen."

"Öhm, Gedankenlesen und sowas?" Erschrak Philipp.

"Hmm, vielleicht", erwiderte Aurora Dawn. "Aber er würde davon wohl keinen Gebrauch machen, um Schüler auszuforschen."

"Wenn du meinst", erwiderte Philipp.

__________

Professor Dumbledore holte Aurora Dawn, das Schulsprecherpaar und Philipp im Laufe der folgenden Woche in sein Büro und sagte ruhig:

"Ihr wißt ja, daß ich im Bezug auf die drei armen Mädchen eine falsche Ankündigung gemacht habe. Es ging mir darum, den Schuldigen entweder aus dem Versteck zu locken oder in Sicherheit zu wiegen. Er soll sich nun sicherfühlen. Professor Silverbolt, Professor Snape und ich werden von uns aus die Schule überwachen, ob er sich durch irgendwas verrät."

"Er ist doch einer von uns. Das müßte doch rauszukriegen sein", meinte Bruster. Dumbledore schüttelte den Kopf. Dann sagte er:

"Damit ihr, die doch etwas mehr mitbekommen habt nicht ganz so unwissend abgespeist werden müßt möchte ich euch nur verraten, daß dieser Betreffende eventuell selbst nicht weiß, daß er diese Untat verbrochen hat. Es kann nämlich sein, daß er von dem Geist eines anderen manipuliert wurde, oder unter dem Imperius-Fluch steht."

"Imperius ist aber vom Opfer wahrnehmbar", warf Bruster ein. Dumbledore nickte.

"Zunächst einmal müssen wir davon ausgehen, daß dieser Mitschüler, oder der, der in seiner Maskerade diesen Terror in Hogwarts angefacht hat darauf hofft, daß wir alle nun in ständigem Mißtrauen einander gegenüber gefangen sind und uns gegenseitig nichts mehr mitteilen. Wenn er merkt, daß es ihm nichts gebracht hat, wird er zwangsläufig eine neue Schandtat aushecken. Wenn wir Glück haben, erwischen wir ihn dann dabei."

"Sie sprechen von einem Besessenen, Professor Dumbledore. Sowas kommt bei Seelenfangflüchen vor", meinte Eunice. Dumbledore nickte.

"Dairon, ein dunkler Druide, konnte sogar auf Menschen Einfluß nehmen, ohne daß diese es bemerkten. Allerdings mußte sein Opfer mehrmals in der Woche erreichbar sein."

"Wer sagt uns, daß nicht einer von uns derjenige ist?" Fragte Aurora Dawn erschaudernd.

"Es gibt Hinweise, daß derjenige mit den drei Mädchen gut bekannt war. Ein Zauber, um Veritaserum auszuhebeln muß über einen längeren Zeitraum erfolgen, wenn er nicht auffallen soll", sagte der Schulleiter.

"Aber das muß dann einer aus der vierten Klasse sein", wandte Philipp ein. Eunice meinte dazu, daß es genauso gut der Unnennbare sein könne, der sich Zugang zu jemandem Verschafft habe. Ihres Wissens nach sollte der in der Lage gewesen sein, mit seinem Geist in andere Körper zu fahren, wenn die darin wohnenden Seelen genug Machtgier und Verachtung vor anderen aufboten, ihn widerstandslos einzulassen.

"Gerade diese Möglichkeit gilt es zu prüfen", sagte Dumbledore. "Das gerade der Caput-Gorgonis-Fluch verwendet wurde spräche für ihn. Dann wären meine Informationen unzutreffend, die sagen, daß er sich in einem fernen Land aufhalten solle, zu schwach, um einen Zauberstab zu gebrauchen."

"Das hieße, dieser Sausack wäre immer noch mächtig genug, um Leute in Angst und Schrecken zu versetzen", knurrte Bruster. Dumbledore räusperte sich. Dann schüttelte er den Kopf und sagte:

"Unabhängig von deiner Wortwahl, Bruster möchte ich dir und euch anderen sagen, daß es noch genug Schwarzmagier gibt, die in seinem Namen oder an seiner Stelle handeln wollen und mächtig genug sind. Was genau stimmt wissen wir nicht. Ich hoffe nur, wir bekommen es heraus. Bis auf weiteres bitte ich euch, nur das weiterzugeben, was ich euch zum weitergeben erlaube. Vielleicht bekommen wir so heraus, wer Agatha Priestley derartig angegriffen hat."

Die Vertrauensschüler und Schulsprecher nickten schwerfällig. Dann kehrten sie in ihre Gemeinschaftsräume zurück.

Am Ende der Woche verkündete Dumbledore, daß die drei Überführten ausgesagt hatten, daß sie ganz alleine gehandelt hatten und sich das Wissen dazu aus einem Buch aus der verbotenen Abteilung verschafft hatten. Damit sei klar, so Dumbledore, daß die Übeltäter aus Hogwarts entfernt seien und das Jahr wie gewohnt weitergehen könne.

__________

Das Spiel Gryffindor gegen Slytherin verlief nach den Ereignissen um Agatha Priestley, die am Abend vor dem Spiel nach Hogwarts zurückkehren konnte, ziemlich ruppig, wie üblich. Dennoch schafften es die Gryffindors in der fünfundfünfzigsten Spielminute, den Schnatz zu fangen und damit dreißig Punkte Vorsprung vor Slytherin herauszuspielen. Agatha, die nach der Seelenerholungstherapie sehr ruhig, ja beinahe teilnahmslos geworden war, sagte zu Aurora und Philipp, daß sie hoffte, daß Ravenclaw in zwei Wochen wesentlich höher gegen Hufflepuff gewinnen möge.

Als dann der Tag kam, an dem die Ravenclaws gegen die Hufflepuffs spielen sollten, traf ein Brief von June Priestley ein. Er war an ihre beiden Kinder Philipp und Agatha, aber auch an Aurora Dawn gerichtet. Sie schrieb, daß es ihr leid tue, was mit Agatha passiert sei, nur weil jemand etwas gegen die Erwähnung von Muggelmaschinen in einer Zaubererzeitung habe und hoffe, daß Aurora auf die beiden gut aufpassen würde, solange ihre sonstigen Pflichten nicht darunter litten. Aurora grummelte nur was, daß sie eigentlich gehofft hatte, daß ihr Cousin und ihre Cousine alt genug seien, auf sich aufzupassen. Doch sie sah ein, daß ihre Tante sie als die ältere für sie verantwortlich hielt.

Als sie dann später mit ihren Mannschaftskollegen, zu denen auch Philipp gehörte, über dem Feld flog und Hufflepuff mit vierhundert Punkten zu zwanzig besiegte war erst einmal alles andere unwichtig. In Ravenclaw wurde gefeiert.

"Wir sind erster und bleiben es auch", frohlockten Mortimer, Roy, Bruster und Miriam. Die Party ging bis fast zwölf Uhr Mitternacht. Erst Flitwicks eindringlicher Ordnungsruf, sie möchten doch auch mal ans Schlafen denken, brachte die feierlaunigen Ravenclaws dazu, ihre Spontanfete ausklingen zu lassen. Aurora war wieder einmal die Heldin des Tages. Doch diesmal hatten auch andere ihre Lorbeeren bekommen, wie Vivian Acer, die zehn Tore geschossen hatte oder Mortimer, der als Hüter nun in der Form seines Lebens war, aber auch Nelly, die heute zum ersten Mal für Ravenclaw den Schnatz gefangen hatte.

__________

Der Alltag schläferte die Angst ein, die Aurora seit dem Fluch gegen Agatha beschlichen hatte. Der unbekannte Hauptschuldige, der seine Mitschülerinnen verführt und behext hatte, daß sie ihn nicht verraten konnten, blieb in Deckung. Und weil es immer wieder so viel neues zu lernen und zu üben gab, dachte sie bald nicht mehr an ihn. Das einzige, was sie an ihn denken machte war, wenn Philipp und Agatha Probleme mit den Schulaufgaben hatten, oder wenn Philipp sich in der Lehrer-Vertrauensschüler-Konferenz mit Tonya Rattler anlegte, die den Würgeangriff von ihm nicht vergessen hatte. Als dann im Dezember die Liste herumging, auf die sich jeder eintragen konnte, der über die Ferien in Hogwarts bleiben wollte, beschloß Aurora, diesesmal Weihnachten in der Schule zu verbringen. Sie schrieb es ihren Eltern, daß sie noch nie erlebt habe, wie in Hogwarts Weihnachten gefeiert würde. Philipp und Agatha wollten jedenfalls nach Hause, ebenso Roy und Dina, die sich nach einem gemeinsamen Wohnhaus umschauen wollten. Roys Schwester hatte ihnen angeboten, sie in der Nähe von London unterzubringen, wo Roy keiner kannte. Petula fand, daß es durchaus eine interessante Sache sei, die letzten Weihnachtsferien ihrer Schulzeit in der Schule zu verbringen und trug sich wie Aurora auf der Liste ein. die meisten anderen Siebtklässler fuhren jedoch nach Hause. Nur Loren Tormentus von den Slytherins und Melinda Bunton von den Hufflepuffs, sowie Isis Waverly und Eunice Armstrong von den Gryffindors blieben da.

Als die Ferien anbrachen wünschten die Heimfahrer denen, die blieben fröhliche Weihnachtstage und stiegen fröhlich schwatzend in die von den Thestralen gezogenen Kutschen ein. Miriam bot Aurora und Petula an, sie könnten am Tag nach Weihnachten ja mal herüberkommen. Immerhin brauchten sie ja nur Professor Flitwick zu sagen, daß sie nach Hogsmeade gingen. Aurora und Petula nahmen die Einladung an.

"Bis also am Tag nach Weihnachten!" Wünschte Miriam, bevor sie in eine der letzten Kutschen kletterte. Aurora und Petula winkten ihr nach. Dann kehrten sie in das wesentlich leerer wirkende Schloß zurück.

"Hagrid soll richtig große Weihnachtsbäume in die große Halle stellen", sagte Petula. "Priscilla hat's mir mal erzählt."

"Jau, Petula. Da bin ich ja mal gespannt", sagte Aurora, froh, im Moment nicht von der Schule oder irgendwelchen dunklen Untaten sprechen zu müssen. Sie war froh, daß ihre Schulfreundin mit ihr zusammen dageblieben war. So würde es im Schlafsaal der Siebtklässlerinnen nicht zu einsam sein. Als sie dann abends in ihren Betten lagen gestand Aurora Dawn ihr ein:

"Irgendwie macht mir das ein bißchen Angst, daß in einem halben Jahr alles hier vorbei sein soll. Ob ich dann was finde, was mir Spaß macht und mir auch was wichtiges ist?"

"Du ganz bestimmt", sagte Petula. "Und was mich angeht nehme ich die Weihnachtsferien hier mit, weil ich das bisher nicht gemacht habe, um dann, wenn wir den letzten Tag hier hinter uns haben sagen zu können, daß ich alles mitgekriegt habe, was Hogwarts bietet, bevor ich endlich raus ins Leben losziehe."

"Nun, im Moment kann ich mir diesen Heilberuf nicht mehr so gut vorstellen, nachdem was mit Agatha passiert ist. Aber vielleicht muß ich nur damit fertig werden, daß ich dabei viel schlimmes zu sehen kriege, aber anderen helfen Kann, davon loszukommen", erwiderte Aurora.

"Ja, eben, sage ich doch, daß du was finden kannst", erwiderte Petula. "Hast du eigentlich noch Kontakt zu der französischen Kräuterkundlerin?"

"Madame Dusoleil? Ja, der habe ich doch geschrieben, daß ich ihr und ihrer Familie schöne Weihnachtstage wünsche. Die kleine Claire ist ja schon anderthalb Jahre alt. Madame Dusoleil schrieb mir, daß sie jetzt zu laufen angefangen hat. Vielleicht fahre ich da als erstes hin, wenn die Schule vorbei ist, wenn die UTZs nicht danebengehen."

"Ich denke mal nicht, daß die danebengehen. Dann kannst du es ja selbst entscheiden, ob du das Jahr noch mal wiederholen willst oder nicht. Für mich wird's dieses Jahr ganz bestimmt das letzte Jahr sein."

"Für mich hoffe ich das auch, und trotzdem ist mir mulmig, wenn ich daran denke, daß danach alles ganz anders wird", erwiderte Aurora. Dann wünschten sich die beiden noch eine gute Nacht und schwiegen.

ENDE

Nächste Story Verzeichnis aller Stories | Zur Harry-Potter-Seite | Zu meinen Hobbies | Zurück zur Startseite

Seit ihrem Start am 1. März 2007 besuchten 5334 Internetnutzer diese Seite.