DER FLUCH DES SCHATTENFÜRSTEN

Eine Fan-Fiction-Story aus der Vergangenheit der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Für Aurora Dawn ist das letzte Schuljahr in Hogwarts, der britischen Schule für angehende Hexen und Zauberer angebrochen. Nachdem sie die Hochzeit ihrer Schulkameraden Roy und Dina mitfeiern durfte hofft sie auf ein friedliches Jahr, in dem sie mit den immer anspruchsvoller werdenden Schularbeiten gut zurechtkommen kann. Ihr Cousin Philipp ist wie sie selbst Vertrauensschüler geworden. Wohl oder übel kümmert sich Aurora um ihn und seine Schwester Agatha. Zunächst sieht alles danach aus, daß die beiden nur mit den Schularbeiten und den Mitschülern Probleme haben. Doch als Agatha von drei Mitschülerinnen aus Slytherin mit einem tückischen Fluch belegt wird, und die drei bei einem Verhör unter Veritaserum ihr gesamtes Gedächtnis verlieren, bevor sie verraten können, wie und warum sie das getan haben, erkennt die fast fertig ausgebildete Hexe, daß in Hogwarts, wo sie sich bisher immer noch am sichersten gefühlt hat, etwas lauert, das mit dunklen Kräften hantiert. Da nicht herauszufinden ist, wer hinter dem schwarzmagischen Anschlag steckt und sich die Gemüter etwas beruhigen, sind die Schulsachen wieder vorrangig. Da Aurora bis zum letzten Jahr die Weihnachtsferien bei ihren Eltern verbracht hat, will sie in ihrem siebten und letzten Jahr einmal in Hogwarts bleiben. Doch was erwartet sie danach?

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Er erkannte, daß er aus dem ewig langen Traum aufwachte. Einmal hatte er es sogar geschafft, die von seinem Meister zugeteilte Macht einzusetzen, den Körper, dessen Leben er vom ersten Atemzug, vom ersten lauten Schrei an bewohnte, endlich nach seinem und seines schlafenden Meisters Willen zu benutzen. Doch er war noch zu schwach, um vollends die Gewalt über diese Hülle zu gewinnen. Das was er als ewigen Traum erkannte, was die, die sich als seine Eltern verstanden und diese Schwächlinge in der Schule ihm beibrachten, war für ihn ein viel zu langer Traum. Er hatte nur einmal erreicht, daß jemand einen heimtückischen Fluch abbekommen hatte, weil er drei von herrlicher Bosheit ergriffene Mädchen mit seinen alten Worten der Gewinnung und Unterwerfung dazu brachte, eine Mitschülerin mit dem Caput-Gorgonis-Fluch zu verunstalten. Eine von denen hatte sich aus einer dunklen Quelle die nötige Substanz dazu zuschicken lassen. Doch als er, Kalsharin Daragasadin, der Bodenbereiter des Unbesiegbaren, endgültig diesen Traum verdrängen und erwachen wollte, war er von dem Mitleid, daß dem Traum-Ich anerzogen war geschwächt und zurückgedrängt worden. Sein Traum-Ich gewahrte ihn nicht. Es wußte nur, daß jemand eine Mitschülerin verflucht hatte. Der Bodenbereiter wußte, daß er bald die volle Kontrolle über sein Traum-Ich zurückbekommen und es restlos verdrängen mußte, wollte er endlich seine Aufgabe erledigen und mit der Macht seines Meisters dessen mächtiges Erbe suchen und den Meister erwecken, wie er es vor vielen hundert Lebenszeiten verlangt hatte und wie er, der Bodenbereiter, es vor vier geträumten Leben schon zu letzt versucht hatte. Doch damals waren ihm die Söhne und Töchter aus der Linie der Verhaßten in die Quere gekommen und hatten ihn aus seinem Körper getrieben, so daß er außerhalb des Tages in einem Nichts aus Dunkelheit schwebte, bis die Dunkelheit der Abgeschiedenheit zu einer angenehmen Geborgenheit wurde, und er mit einem neuerlichen Schrei ein neues Leben begann. Diesmal, so wußte er, mußte er den Auftrag erfüllen und seinem Herrn und Meister die Rückkehr ermöglichen, wollte er nicht von einem Leben zum anderen träumen.

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Die Stille und beinahe Einsamkeit war einerseits herrlich und andererseits gruselig, fand Aurora Dawn, als sie durch menschenleere Gänge des alten Schlosses Hogwarts stromerte, begleitet von der gemalten Ausgabe ihrer selbst, die Madame Hooch, die Fluglehrerin und Quidditch-Schiedsrichterin von Hogwarts, vor bald zwei Jahren hatte anfertigen lassen, als sie die erfolgreichen Pokalverteidiger der Ravenclaw-Hausmannschaft hatte abbilden lassen. Zwischendurch sprach Aurora mit ihrer gemalten Ausgabe. Natürlich waren sich die beiden in allen Sachen einig. So kam es nie zu einem Streit, sondern zu einer anderen Art Selbstgespräch. Doch im Moment schwieg die gemalte Aurora Dawn von 1982.

Die große Halle wirkte nun noch größer, wo nur wenige Schüler hier waren, um die Weihnachtsferien in Hogwarts zu erleben. Außer ihrer Freundin und Klassenkameradin Petula Woodlane, den Gryffindor-Siebtklässlerinnen Isis Waverly und Eunice Armstrong, der Slytherin-Siebtklässlerin Loren Tormentus und der gleichaltrigen Melinda Bunton aus Hufflepuff waren nur noch zwei Gryffindor-Zweitklässler und Tim Preston aus Ravenclaw dageblieben, alles in allem neun Schüler. Die Lehrer waren vollzählig in der Schule geblieben. Zusammen mit dem Schulleiter Dumbledore waren es dreizehn.

Unterwegs durch das Schloß begegnete die Vertrauensschülerin der Ravenclaws dem dicken Mönch und dem fast kopflosen Nick, die Hausgeister von Hufflepuff und Gryffindor. Sie grüßte höflich, als der stets gut gelaunte Geist des dicken Mönches sie anlachte und der fast kopflose Nick sein beinahe vollständig abgetrenntes Haupt zurechtrückte.

"Weihnachten steht vor der Tür, das Fest des Friedens und der Liebe", frohlockte der dicke Mönch. Aurora lächelte.

"Ich hoffe, davon haben wir jetzt wieder mehr in der Welt", sagte sie.

"Ganz gewiß", erwiderte der rundliche Geistermönch zuversichtlich.

"Feiern Sie auch in der großen Halle?" Fragte Aurora.

"O nein, wir feiern Weihnachten nicht mehr. Für viele Geister ist dieser Tag ein Anlaß der Trübsal, weil die Kraft der Lebendigkeit gepriesen wird. Das beschwert die Gemüter vieler Gewesener, die aus dem einen oder anderen Grund nicht hinübergehen konnten oder wollten. Es ist bedauerlich aber nicht zu ändern."

"Manche reisen extra in ein ganz einsames Haus, um bloß nicht singenden, fröhlich lachenden und sich über die Weihnachtsstimmung freuenden Menschen zu begegnen", erwiderte der fast kopflose Nick trübselig. "Erst wenn das neue Jahr anbricht, empfinden die meisten wieder Zuversicht und kehren in die Nähe Lebendiger zurück."

"Aber Peeves ist noch in Hogwarts", knurrte die gemalte Aurora Dawn. Ihr natürliches Vorbild nickte und erwähnte, daß sie ihm erst gestern im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws über den Weg gelaufen war.

"Solange genug Schüler in Hogwarts bleiben, bleibt er auch da. Allerdings geht er dem neuen Lehrer aus dem Weg, der ihn mit dem Licht der anderen Seite gequält hat", sagte der fast kopflose Nick. "Auch der blutige Baron hält sich von diesem Zauberer fern. Offenbar fürchtet er ihn sehr."

"Was bei dem ewigen Miesepeter was heißen will", erwiderte der dicke Mönch leicht schadenfroh kichernd. Aurora dachte an das Ende ihres zweiten Schuljahres zurück, wo sie erfahren hatte, welches dunkle Geheimnis den blutigen Baron umgab und es unfreiwillig miterlebt hatte, wie der übermächtige Geist einer von diesem verratenen und ermordeten Hexe versucht hatte, ihn zur Einlösung seines Versprechens zu zwingen. Der dicke Mönch war bei diesem unheimlichen Vorgang mitleidender gewesen.

"Schlimmer als seine Braut kann ihn doch keiner treffen", erwiderte Aurora deshalb auf die Bemerkung des dicken Mönches.

"Professor Silverbolt beherrscht Zauber, die uns Geistern übel zusetzen", seufzte der fast kopflose Nick. "Herman, der gehängte, der jeden ungeraden Freitag in den Verhandlungssälen von Old Bailey umgeht, wollte einmal den Urgroßneffen des Richters in den Wahnsinn treiben, der ihn damals zum Tode verurteilte. Silverbolt hat ihn fast in Nichts aufgelöst und ihn dazu verflucht, in der Nähe von Lebendigen grausame Qualen zu erleiden, weshalb er nur noch in den Nachtstunden spukt."

"War dieser Herman ein Zauberer?" Fragte Aurora.

"Er war ein Squib", sagte Nick. Der Mönch runzelte seine runde, perlweiße, durchscheinende Stirn und räusperte sich.

"Ich lernte ihn selbst einmal kennen, als er in Hogwarts war. Hat immer versucht, seine fehlenden Zauberkräfte durch großes Wissen über die Magie auszugleichen. Er versuchte sich nach der Schule in Ritualen mit magischen Ingredentien und wurde zum Mörder, weil er einem verächtlichen Ritual gemäß jeden ungeraden Freitag ein unberührtes Leben opfern mußte. Sie haben ihn erwischt, und der damalige Zaubereiminister hat den Muggelbehörden gestattet, ihn zu bestrafen. Das ist jetzt siebenundachtzig Jahre her."

"Also können Squibs auch zu Geistern werden", seufzte Aurora.

"Im Grunde kann jeder Mensch mit einer erwachten Seele zum Geist werden", knurrte eine Stimme hinter ihr. Es war Professor Adamas Silverbolt, der diesjährige Lehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste, den Auroras Klassenkameraden Dobermann nannten, weil er so ruppig und bedrohlich wie ein scharfgemachter Wachhund auftrat. "Wenn Magie im Spiel ist kann selbst ein Muggel zum Geist werden, durch einen Weltverhaftungsfluch oder einen magischen Gegenstand oder bezauberten Ort. Die meisten Geister sind jedoch gewesene Hexen und Zauberer", sprach der Lehrer weiter und sah die beiden Hausgeister an, die einige Schritte zurückschwebten.

"Hallo, Professor Silverbolt", grüßte Aurora Dawn. "Auch auf dem Weg zur großen Halle?"

"Natürlich", knurrte Silverbolt. "Hagrid hat wohl schon alle Bäume reingetragen."

"Aha", erwiderte Aurora nur und folgte Silverbolt im gebührenden Abstand.

Ein volles Dutzend mehr als drei Meter hoher Tannenbäume bevölkerte die große Halle. Die vier Haustische waren für die Ferien anderswo untergestellt. Nur ein langer Tisch stand in der Mitte der Halle. Fröhlich schwatzende Feen flatterten zwischen den Spitzen der herrlich herausgeputzten und mit hunderten von Kerzen geschmückten Bäume herum, turnten häufig auch zwischen den mit magischem Dauerschnee gepuderten Zweigen herum und versuchten, mit ihrer eigenen Leuchtkraft gegen den Schein der vielfarbigen Kerzen anzukommen, wobei sie sich in den faustgroßen Weihnachtskugeln aus blauem, silbernem, rotem und goldenem Glas spiegelten.

Aurora Dawn entdeckte Professor Sprout, die Kräuterkundelehrerin, die sich mit Melinda Bunton unterhielt.

"... Und Sie möchten nicht zu meinem Kollegen Elmar Beechroot gehen, Ms. Bunton?" Hörte Aurora die Lehrerin gerade sagen.

"Ich bin mir sicher, daß Sie mir eine gute Empfehlung gegeben haben, Professor Sprout. Aber ich möchte gerne in das Geschäft meines Vaters einsteigen. Er wäre froh, wenn jemand aus der Familie den Betrieb übernimmt", antwortete Mel Bunton.

"Nun, von den Anlagen her werden Sie dort bestimmt auch ein sehr erfülltes Arbeitsleben bestreiten können", erwiderte Sprout ein wenig enttäuscht klingend. Aurora räusperte sich, um den beiden Hexen zu zeigen, daß sie eine Zuhörerin hatten. Mel sah Aurora an und fragte, wo sie denn Petula gelassen habe.

"Die ist mit Eunice und Isis in der Bibliothek wegen der Aufgaben für Professor McGonagall", sagte Aurora.

"Oh, dann kann das noch dauern", erwiderte Melinda Bunton grinsend.

Einige Zeit später trudelten Tim aus Ravenclaw zusammen mit Bill Weasley und seinem Klassenkameraden aus Gryffindor ein.

"Also wenn dein Dad wirklich so drauf abfährt lass ich mir von meinem Dad eine leere Autobatterie schicken. Der wird mich zwar blöd fragen, wozu ich hier sowas brauche, aber wenn dein Dad ausgelutschte Batterien sammelt ..."

"Der sammelt auch brauchbare, weil er wissen will, wie der Elektrostrom da reinkommt", erwiderte Bill darauf. "Dein Vater macht doch Atomstrom oder sowas. Geht der auch mit batterien?"

"Ohuuuuhuuuuuuuuu", heulte Tim sehr leidvoll. "Nix für ungut, Bill. Aber Atomstrom geht ganz anders als mit Batterien, und den Brennstoff dafür will ich nicht mal in der Nähe von mir haben. Sag deinem Dad, das mit der leeren Autobatterie geht wohl irgendwie, zumal meine Alten den Onkeln und Tanten ja immer noch den Bären von der ganz versteckten Privatschule aufgebunden haben. Könnte ich dann mit Sachen für Physik oder so begründen. Aber einen Brennstab oder auch nur ein Krümel Uran oder Plutonium werde ich ganz bestimmt nicht von ihm haben wollen, selbst wenn der sowas rausrücken dürfte, was zum Glück nich' drin is'."

"Bills Daddy ist so verrückt, der würde sowas auch noch haben wollen", sagte Bills Klassenkamerad leicht verschmitzt grinsend.

"Ich kann dem mein Buch über Atomtechnik schicken, damit der lesen kann, wieso der kein Uran haben möchte", meinte Tim. Dann sah er Aurora.

"Hi, Aurora. Können wir nachher Noch mal Verfolgungsflüge üben?"

"Kommt drauf an, was Petula vorhat. Vielleicht will die von mir noch was über Zauberkunst wissen."

"Na, ihr junges Gemüse!" Grüßte Loren Tormentus die drei Jungen und wandte sich dann Aurora zu:

"Hallo, Aurora. Brauchst du das Buch über die Nachrichtenapparaturen der Muggel noch, oder kann ich mir das ausleihen, um den Aufsatz über die Fernsehkisten zu schreiben?"

"Das habe ich gestern schon zurückgegeben, weil ich die wichtigsten Sachen darüber aufgeschrieben habe und Roy und Bruster mir eh noch mehr drüber erzählen wollten als daß ein Fernseher eine mit Elektrostrom befüllbare Kiste mit einem grauen Fenster ist, in dem auf Knopfdruck am Kasten selbst oder einer Fernbedienung, die als eine Art Zauberstabersatz zum Benutzen Bild- und Tonfolgen ablaufen."

"Mehr steht in dem Buch nich' drin?" Wunderte sich Tim. "Is' ja wenig."

"Hat dich wer gefragt, Preston?" Knurrte Loren verächtlich. Aurora sah sie tadelnd an und meinte dann zu Tim:

"Da steht nur noch drin, daß die Bilderfolgen Programme heißen und aus großen Metallstangen, die Antennen heißen, in die Luft geschleudert werden und von einer anderen Antenne aufgefangen und in den Kasten selbst hinübergeschickt werden. Aber das reicht doch schon."

Tim lachte los, während Professor McGonagall eintrat und ihn ungehalten anblickte.

"Na klar, mehr ist ja auch nicht wichtig. Wie das Programm eines Fernsehers gemacht wird, also die Bilder und Töne überhaupt aufgenommen werden, wie sie mit der einen Antenne losgeschickt werden und von der am Fernsehen hängenden Antenne wieder eingefangen werden und wie sie dabei ihre Form verändern braucht ihr ja nicht. Umwandlungstechnik ist ja unter eurer Würde."

"Pass ja auf", knurrte Loren, während Bill interessiert zuhörte.

"Die Form verändern?" Fragte Aurora. Dann meinte sie: "Erklär mir das bitte, wenn wir wieder in unserem Gemeinschaftsraum sind! Könnte für den Aufsatz noch spannend sein."

"Okay, aurora", erwiderte Tim.

Petula, Isis und Eunice trafen bald noch ein, sowie die anderen Schüler und die Lehrer.

Es war der letzte Abend vor dem Weihnachtstag, und die geschmückten Weihnachtsbäume strahlten mit den herumfliegenden Feen um die Wette. Die Schüler unterhielten sich im gedämpften Ton über Quidditch und Sachen, die nichts mit der Schule zu tun hatten. Die Lehrer waren in leise Gespräche vertieft. Dabei fiel Aurora auf, daß professor Silverbolt mit Dumbledore diskutierte, wohl über ein sehr ernstes Thema. Denn zwischenzeitlich sprachen sie in einer Aurora unbekannten Sprache, weder Englisch noch Französisch, daß Aurora seit einiger Zeit lernte, um sich mit Leuten wie den Dusoleils ohne Wechselzungentrank oder Übersetzer unterhalten zu können. Offenbar wollten die Lehrer verhindern, daß ihre Kollegen und die Schüler mitbekamen, um was es ging, eine einfache, wenn auch nicht gerade höfliche Art, die Anwesenden außen vor zu lassen.

"Wollte deine Mutter nicht noch einen Weihnachtspudding schicken?" Fragte Petula Aurora leise. Diese erwiderte flüsternd:

"Der kommt wohl morgen, damit wir ihn nicht schon vorher verputzen."

"Aja", erwiderte Petula leise.

"Was macht noch mal so ein Fernsehansager?" Fragte Eunice Armstrong Tim Preston, der sich mit Bill und dessen Kameraden über weitere Fernsehsachen unterhielt.

"Das was es heißt. Er sagt an, was die Leute vor dem Fernseher zu sehen kriegen werden."

"So ähnlich wie beim Quidditch?" Fragte Eunice.

"Nöh, das sind dann die Sportreporter und Kommentatoren", meinte Tim. "Ansager sagen das halt nur an, was gezeigt wird, ein Film, die Nachrichten, eine Direktübertragung und was sonst noch alles", erläuterte Tim. Professor Goldbridge, der Muggelkundelehrer, sah Tim mit einer Mischung aus Interesse aber auch leichter Verdrossenheit an.

"Machen Sie den Damen an diesem Tisch nicht das Leben schwerer als ich es in meinem Unterricht schon tun muß, Mr. Preston!" Mahnte er. "Andererseits kann ich nicht verhehlen, daß Ihre aus eigener Erfahrung geschöpften Spezialkenntnisse mich durchaus interessieren."

"Die wollte das doch wissen, Professor Goldbridge", verteidigte Tim seinen Erklärungseifer.

"Wir schreiben uns das nachher richtig auf", meinte Aurora zu Tim. Eunice sah sie leicht mißgestimmt an und meinte:

"Das ist unfair. Ihr habt einen Muggelstämmigen zum ausfragen bei euch und könnt dadurch mehr einbauen als Loren oder ich."

"Was über Fernsehprogramme wichtig ist habe ich von anderen schon zu hören gekriegt", erwiderte Loren abfällig. "Ich brauch da keine zusätzlichen Erklärungen."

"Wie du meinst", erwiderte Eunice, die sich nun alleine ausgegrenzt fühlte.

Später im Gemeinschaftsraum schrieben Petula und Aurora sich mindestens eine Pergamentrolle voll, was Tim erzählte. Dann zogen sich die beiden Mädchen in den Schlafsaal für Siebtklässlerinnen zurück. Tim überlegte schon, ob er ihnen heimlich nachschleichen sollte, wartete, bis er sie nicht mehr hörte und näherte sich der Tür zum Schlaftrakt der Mädchen. Er trat durch die Tür, setzte einen Fuß auf die erste Treppenstufe und wartete. Nichts passierte. Irgendwer hatte ihm doch mal erzählt, da gebe es einen Zauber, der Jungs aus dem Mädchentrakt rauswerfen sollte. War offenbar jetzt nicht in Aktion. Er betrat die Treppe, stieg leise drei Stufen nach oben ... Da Heulte etwas los wie eine erkältete Autoalarmanlage und plötzlich wurde die Treppe zu einer glatten Rutschbahn, auf der Tim erschrocken aufschreiend nach unten zurücksauste. Die Treppe blieb glatt und unbesteigbar. Laut lachend kamen Petula und Aurora aus ihrem Schlafsaal und blickten nach unten.

"Hast du was bestimmtes bei uns gesucht, oder wolltest du uns noch was ganz wichtiges sagen, Tim?" Fragte Aurora belustigt.

"Öhm, wollte nur testen, was für'n Zauber das sein soll, der das macht, daß Jungs nicht zu euch Mädels hochgehen können", meinte Tim tomatenrot angelaufen.

"Jetzt weißt du's wohl", kicherte Petula. Tim nickte und zog sich schnell in den Gemeinschaftsraum zurück, bevor Aurora ihm noch einen Punktabzug für Ravenclaw mitgeben konnte.

"Hoffentlich hat Flitwick den Krach nicht gehört", meinte Petula. "Sonst muß er Ravenclaw wegen Tim noch Punkte abziehen."

"Nicht in den Ferien. Das wäre ja unfair, wenn die einen zu Hause Dummheiten machen können ohne Punktabzüge zu befürchten oder die hier bleibenden Punktabzüge hintereinander weg verursachen und die anderen nach den Ferien erst einmal sehen müssen, den Rückstand wieder aufzuholen", sagte Aurora.

"Echt. Ich könnte der arroganten Tormentus eine runterhauen, ohne daß Ravenclaw dafür Punkte abgezogen werden?" Fragte Petula.

"In dem Fall würde dich wohl McGonagall in einen Fußabtreter verwandeln, über den dann alle bis zum Ferienende drüberlaufen dürfen", erwiderte Aurora Dawn.

"Ach, daß dürftest du nicht?" Fragte Petula herausfordernd.

"Neh, dürfte ich nicht. Wir sind hier ja nicht in so Schulen wie Beauxbatons. Da dürfen die Vertrauensschüler wohl sowas ähnliches, hat Dad mir mal erzählt, nachdem wir aus Millemerveilles wiedergekommen sind."

"Plinius Porter hat uns doch mal erzählt, daß seine ältere Schwester da war. Priscilla war da noch nicht in Hogwarts gewesen", erwiderte Petula.

"Was macht deine Schwester denn über Weihnachten, wo die nicht mehr bei euch wohnt?"

"Morgen wird die wohl zu meinen Eltern hingehen. Was sie am Tag danach macht weiß ich nicht. Irgendwie war mir, als hätte die sich wen angelacht. Könnte sein, daß die den bei seinen Eltern besucht."

"Hui, wen, den wir kennen?" Wollte Aurora mit unverhohlener Neugier wissen.

"Den haben wir zwei nicht mehr kennengelernt, Aurora. Der ist da gerade mit Hogwarts fertig geworden, als wir reinkamen. Komisch, so lang ist das schon her", erwiderte Petula. Den Letzten Satz sprach sie mit einer gewissen Wehmut aus.

"Oi, vier Jahre älter als Priscilla", erwiderte Aurora erheitert.

"Kommt wohl hin", sagte Petula. "Jedenfalls denke ich, zwischen dem und ihr läuft was an."

"Wie heißt der Wunderknabe?" Bohrte Aurora nach.

"Sie will nicht, daß ich das rauslasse, Aurora."

"Dann hättest du den nicht erwähnen dürfen, Petula. Also komm!" hakte Aurora nach. "Ist der sehr wichtig in der Zaubererwelt, daß keiner das wissen darf, daß er mit deiner Schwester geht?"

"Der ist im Ministerium im Werwolfverbindungsbüro. Hubert Fairfax."

"Huch, den Namen Kenne ich doch von Glaucos her. "Hat der nicht ein Sondergericht für Werwolfangelegenheiten gefordert, das vom Zauberergamot unabhängig sein sollte?"

"Stimmt, Aurora. Der ist das. Hat sich aber gegen Barty Crouch nicht durchsetzen können, zumal viel Werwölfe auch für Du-weißt-schon-Wen gearbeitet haben sollen. Deshalb meinte Priscilla auch, ich sollte den Namen nicht unbedingt weitertratschen."

"Das tust du ja auch nicht. Du hast es ja nur mir erzählt. Und ich sag's keinem und keiner weiter", erwiderte Aurora.

"Das wäre sehr nett", erwiderte Petula Woodlane.

"Deine Schwester hat doch auch mal gesagt, daß Leute, die hierbleiben, Geschenke kriegen, ohne daß die mitkriegen, wie das geht", erwiderte Aurora Dawn. Petula nickte.

"Werden wir morgen ja sehen, ob's stimmt."

"Dann sollten wir besser schlafen, damit wir das bald rausfinden", entgegnete Petula. Aurora nickte.

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Tatsächlich lagen an den Fußenden der beiden über die Ferien weiterhin benutzten Betten mehrere Pakete, kleine und große. Aurora nahm das größte der auf ihrem Bett liegenden Pakete, an das noch ein Brief angehängt war. Sie las ihn und nickte Petula zu, die gerade eine kleine Schachtel öffnete und ein hauchzartes goldenes Haarband herausholte.

"Der Weihnachtspudding ist da, Petula. Mum hat ihn in einen gleichwarm bleibenden und mit dem Conservatempus-Zauber belegten Karton gepackt. Sie schreibt, ich möchte ihn bitte mit allen Teilen, die es mir wert sind."

"Das ist doch mal was", erwiderte Petula. Dann holte sie noch ein Schächtelchen heraus und öffnete es. Darin lag ein Hand- und Fußpflegeset mit verschiedenen Scheren, Lacken und Cremes.

"Sieht meiner Schwester ähnlich", grummelte sie. "Hat sich immer beschwert, ich würde meine Fingernägel ausfransen lassen. Oh, Dione Porter verkauft das."

"Deine Schwester hat mir auch was geschickt. Ui, ein Herboskop."

"Ein was?" Fragte Petula.

"Ist noch nicht lange auf dem Markt und wohl nicht gerade billig. Das kann dir zeigen, was für eine Pflanze du vor dir hast und dir anzeigen, ob es ihr gut geht oder nicht, ob da, wo du es hinhältst Samenkörner im Boden liegen und von welchen Pflanzen diese sind. Es hat sogar eine Vor- und Rückschaueinstellung, um zu betrachten, wie die Pflanze vor hundert Jahren aussah oder in hundert Jahren aussieht, falls die Bedingungen gut sind", erklärte Aurora und zeigte Petula ein auseinanderziehbares Rohr, an dem noch zwei Rädchen und zwei kleine Hebel angebracht waren.

"Wie geht das Ding?" Fragte Petula und richtete es auf eine der Blumen im Zimmer. Aurora nahm die Gebrauchsanweisung und las das Handhabungskapitel durch. Dann holte sie noch zwei Linsen, die in einem daunenweichen Säckchen mitgeliefert worden waren, steckte die kleinere in das entsprechende Ende und legte die größere auf den Nachttisch. Dann legte sie einen der Hebel um, und über dem Nachttisch erschien eine räumliche Nachbildung der Blume, auf die Petula gezielt hatte. Aurora drehte an einem der Rädchen und vergrößerte so das Bild.

"Und jetzt?" Fragte Petula. Aurora legte den zweiten hebel nach vorne um. Sofort stand unter dem Abbild der Name der Blume. Als sie den Hebel auf die Ausgangsstellung und dann nach hinten umlegte, konnten sie die feinen Kanäle sehen, die die Blume durchzogen. Darunter stand, daß die Blume halb ausgetrocknet sei. Mit dem zweiten Rädchen wurde die Vor- und Rückschau eingestellt. Offenbar war irgendwo in dem Gerät eingearbeitet, wie alt die betrachteten Pflanzen werden konnten. So veränderte sich beim Drehen nicht nur das Aussehen des Abbildes, sondern wurden darunter noch zwei Werte angezeigt, ein Prozentwert und eine Zeitangabe in Jahren. Aurora erkannte, daß die Blume wohl bereits drei Viertel ihrer Lebensdauer hinter sich hatte und führte Petula vor, wie schnell eine gerade noch schöne Blume verwelken konnte und ließ das Abbild dann wiederauferstehen und sich zu einem Samenkorn zurückschrumpfen.

"Tolles Spielzeug für'ne Kräuterhexe", grinste Petula. "Und das geht auch mit Grasbüscheln, Moos und Bäumen?"

"Probiere ich nachher mal aus", sagte Aurora und stellte das Herboskop aus. Sie legte die Linsen zurück in ihr Säckchen und packte das Herboskop wieder ein. Sie packte weitere Geschenke aus, darunter einen Roman für junge Muggelmädchen, den ihr Vivian Acer besorgt hatte, Kleidungsstücke und Dione Porters Sternenglanzlösung für dunkles Haar.

"Ey, das mach ich mir gleich wieder rein, wenn wir in die große Halle gehen. Wenn Eunice das nicht mehr hat, kuckt die blöd", meinte sie zu Petula. Außerdem bekam sie von Heather Springs, ihrer australischen Brieffreundin, einen Feuermeldestein, der jedes offene Feuer im Umkreis von einer Meile durch lautes Summen und rotes Aufblinken anzeigte.

"Was macht der, wenn du damit an eine Kerzenflamme rangehst?" Fragte Petula, als Aurora den etwa zehn Zentimeter großen, rötlichen Steinbrocken hochhielt, der sofort anfing mit einem tiefen Ton zu summen und schnell rot aufblinkte.

"Dann soll der nur sachte summen", schreibt Heather. die Zauberer der Ureinwohner haben diese Steine erfunden, um vor Buschfeuern gewarnt zu werden. Wenn du im Umkreis von einer Meile einen Stamm kennst, der auch so einen Stein hat, kannst du das herankommende Feuer weitermelden, weil ein Stein dem anderen die Warnung weitergibt, auch wenn niemand den in der Hand hält. Natürlich ist jetzt, wo im Schloß einige Kaminfeuer brennen Feueralarm angezeigt. Je näher das Feuer ist, desto lauter und leuchtender ist der Stein."

"Dann nützt der dir hier nicht viel", meinte Petula. "In der Zaubererwelt sind ja überall Feuer an, ob Kerzen oder Kamine."

"Nicht ganz, Petula. Heather hat mir eine Zauberformel mitgeschickt, mit der ich den Stein nur auf große Feuer einstimmen kann. Allerdings muß ich das erstmal aussprechen lernen. Die Aborigines hatten ja keine eigene Schrift."

"Aha, dann ginge es doch", erwiderte Petula. "Mußt du den unbedingt in der Hand halten?"

"Nur für's einstimmen. Im Moment meldet der jedes offene Feuer im Umkreis von einer Meile. Wenn ich den eingestimmt habe, muß ich ihn an einen Platz legen, wo ich ihn sofort sehen kann, auf einen Hohlkörper wie einen leeren Eimer oder eine Metallwanne, damit sein Summen verstärkt wird."

"Wie zaubern denn die australischen Ureinwohner, Aurora? Ich dachte, die kennen keine Zauberstäbe da?"

"tun die auch nicht. Sie wirken alles über Rituale mit Naturstoffen wie Steine, Holz oder Wasser in Krügen oder rufen irgendwie die Kraft von Pflanzen oder Tieren zu sich hin. Wie genau das geht hat Heather mir nie geschrieben. Könnte auch sein, daß die wirklich Verbindung zu den Geistern ihrer Vorfahren halten können, wie viele Stämme glauben sollen. Dann könnten die tatsächlich Vermittler zwischen sich und den Sachen haben, die ihnen helfen sollen, Magie zu wirken. Bei den Schamanen und Medizinleuten anderer Eingeborenenvölker soll das ähnlich laufen."

"Voodoo oder was?" Fragte Petula.

"Zumindest die australische Art davon", erwiderte Aurora.

Nachdem sie alle ihre Geschenke ausgepackt und ordentlich verstaut hatten suchten die beiden das Badezimmer auf, wo sie sich Zeit mit der Morgentoilette ließen.

Auch wenn Petula gewisse Einwände vorbrachte, den von Mrs. Dawn geschickten Weihnachtspudding mit allen in Hogwarts verbliebenen Schülern zu teilen befand Aurora, daß sie nicht einfach nur Petula und ihren Klassenkameradinnen was davon abgeben könne. So waren die neun verbliebenen Schülerinnen und Schüler vor dem Mittagessen schon sehr gut gesättigt, denn der Weihnachtspudding war offenbar so zubereitet, daß er nicht so schnell aufgebraucht werden konnte. Weihnachtsmusik erscholl durch das ganze Schloß, während die Schüler und Lehrer mit seligen Gesichtern am Tisch saßen und diese friedliche Stimmung genossen.

Aurora unterhielt sich mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern über Weihnachten, wie sie es sonst in ihren Familien feierten, dachte wie die anderen an ihre Angehörigen, auch an den vor ihrem zweiten Jahr ermordeten Onkel Dustin, aber auch daran, daß die Zeiten, in denen friedliche Leute auch an Weihnachten keinen Frieden erhoffen durften, nun vorbei war. Sie hoffte, daß der Unnennbare seine Macht unwiederbringlich verloren hatte, auch wenn er irgendwie nicht wirklich gestorben war. Sie sangen Weihnachtslieder aus der Zaubererwelt, und Tim stimmte einige Weihnachtslieder an, die er in der Muggelwelt gelernt hatte. Nach dem üppigen Abendessen bedankte sich Dumbledore für diese herrliche Stimmung und verteilte noch einige Geschenke. Aurora bekam wie Melinda, Loren und Eunice einen warmen Schal, der in den jeweiligen Farben ihres Hauses gehalten war. Die Jungen bekamen Mützen mit den Wappentieren ihrer Häuser darauf.

"Nun, wo wir uns alle an der Ruhe und dem Frieden des Weihnachtstages gewärmt und mit neuer Kraft und Zuversicht aufgefüllt haben", setzte Dumbledore an, "lasst uns alle darauf trinken, daß wir alle und die die wir lieben und ehren, mit uns auf ein neues friedliches Jahr hoffen können!" Er erhob seinen goldenen Kelch, und die Lehrer und Schüler folgten seinem Beispiel und tranken den herrlich erwärmenden Glühwein daraus.

Leicht angetrunken zogen die Schüler eine Stunde später von dannen. Vor dem Eingang nach Ravenclaw feierte Bruce, der Türhüter, zusammen mit einigen fröhlichen Mönchen, die ein großes Weinfass mitgebracht hatten, einem Ritter in voller Rüstung und einem langen Schwert, sowie seiner mit Lametta behängten Kuh Maggy den Weihnachtstag. Sein Alkoholpegel war jedoch beträchtlich höher als der der drei die Ferien hier zubringenden Ravenclaws. So mußte Aurora ihm dreimal das Passwort zurufen, bis Bruce heftig schwankend aufstand, lallend bestätigte und dann ruckelig und zitternd mit dem Gemälde bei Seite schwang. Im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws spielten Aurora, Petula und Tim noch eine Runde Karten, bevor auch der letzte Rest Glühwein seine berauschende Essenz in ihr Blut abgegeben hatte. Aurora und Petula umarmten Tim und wünschten ihm eine gute Nacht. Dann gingen sie leise summend in ihren Schlafsaal.

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Aurora hatte am nächsten Morgen einen leichten Druck auf dem Kopf. Doch ansonsten fühlte sie sich wohl. Petula und sie vertrieben sich den Morgen im Gemeinschaftsraum, wo sie in aller Ruhe die Hausaufgaben zu Ende machen konnten. Von Tim ließen sie sich noch einmal genau beschreiben, was in den Fernsehnachrichten so vorkam, wieso eine Werbung im Fernsehen anders wirkte als eine in der Zeitung und das es in hohen Erdumlaufbahnen künstliche Erdbegleiter gab, die die in unsichtbare Wellen umgewandelten Fernsehbilder und -töne weitergaben und so ein von den elektrischen Augen der Fernsehkameras aufgefangenes Bild in Sekunden um die ganze Welt schicken konnten.

"In zwei Jahren ist in Mexiko die nächste Fußball-Weltmeisterschaft. Da werden die Spiele auch direkt übertragen, über Fernsehsatelliten", sagte Tim noch. Im Gegenzug für seine Hilfe in Muggelkunde halfen ihm Aurora und Petula bei Zauberkunst und Kräuterkunde und schrieben ihm ein paar Rezepturen auf, die Snape in seinem Unterricht bestimmt einmal nachbrauen lassen würde.

Am Nachmittag traf sich Aurora mit Eunice in der Bibliothek, wo Aurora ihr die Abschriften von Tims Fernsehvortrag auslieh, damit sie nicht benachteiligt war. Sie sprachen danach noch über Silverbolts nächste Unterrichtseinheit, in der es um schlafende Flüche gehen sollte, bösartige Zauber, die auf einen Gegenstand gelegt wurden und dann auf arglose Menschen übersprangen und erst wirkten, wenn diese Menschen etwas ganz bestimmtes taten oder wen ganz bestimmten trafen. Es ging darum, diese Flüche zu erkennen, bevor sie auf einen Menschen übergegriffen hatten und sie aufzuheben, wenn sie schon ein Opfer gefunden hatten.

"Damals, wo uns die graue Dame die Geschichte mit dem blutigen Baron und seiner Braut erzählt hat, erwähnte sie auch, daß durch einen bestimmten Zaubertrank eine solche Wirkung passieren könne", flüsterte Aurora.

"Ja, ich erinnere mich, daß der fast kopflose Nick was von einem Trank erzählt hat, der erst wirkte, als die Hochzeitsglocken läuteten. Schon sehr fies solche Zeitbombenflüche."

"Zeitbomben, wenn ich das von Roy und Bruster richtig verstanden habe, gehen nach einer bestimmten Zeit los, Eunice. Die Bezeichnung schlafende Flüche ist doch besser, weil ja erst bei einer bestimmten Situation die böse Kraft wirkt", wisperte Aurora Dawn.

"Na klar, Aurora", erwiderte Eunice flüsternd.

"Hast du das heute morgen mitgekriegt, daß Dumbledore und Silverbolt die Schule verlassen haben?" fragte Eunice so leise es ging.

"Die sind wohl zu Bekannten hin. Könnte auch sein, daß Dumbledore seinem ... einem Bekannten in Hogsmeade einen Besuch abstatten wollte", erwiderte Aurora ebenfalls im Flüsterton. Beinahe hätte sie rausgelassen, daß Dumbledore zu seinem Bruder Abaforth in den Eberkopf hätte gehen können. Da fiel ihr ein, daß sie sich in einer Stunde mit Miriam treffen wollten, Petula und sie. So verabschiedete sie sich bald von der Schulsprecherin und suchte ihre Klassenkameradin, die schon auf heißen Kohlen zu sitzen schien.

"Wo bleibst du denn? Wir wollten um vier bei Miriam sein", knurrte sie leicht verstimmt.

"Jetzt ist es ers Viertel nach drei, Petula. Wir kommen noch rechtzeitig hin", erwiderte Aurora unbekümmert. Sie zogen sich noch schöne Festkleider an. Aurora band sich den Schal um, den sie gestern von Dumbledore bekommenhatte. Petula stellte noch eine Schale Wasser für ihre Katze Schneeflöckchen hin.

"Ich kann mir nicht helfen, aber Flöckchen ist in den letzten Tagen so komisch. Mal ist sie ziemlich reizbar, dann wieder total verschmust", meinte Petula, als ihre blütenweiße Katze das Wasser beroch und lustlos daran schleckte.

"Du hättest ihr von der Milch was rausstellen sollen", meinte Aurora.

"Du erinnerst dich, was für einen Zank es zwischen Flöckchen und Miriams Feuerball gab?" Fragte Petula. Aurora erinnerte sich zu gut, daß der erdbraune Kniesel mit den fuchsroten Tupfern und dem orangeroten Schweif mit der weißen Katze eine wilde Rangelei hatte, als Petula eine große Schale Milch hingestellt hatte. Miriam hatte dazu behauptet: "Was sich neckt, das liebt sich."

"Aber Feuerball ist im Moment nicht da, und deine Katze kann hier doch ruhig alleine trinken", meinte Aurora noch.

"Warum nicht", meinte Petula, holte ihren Zauberstab hervor und richtete ihn auf die Schale. Sie machte eine kurze Abfolge von Bewegungen, da schien das Wasser zu brodeln, für eine Sekunde weiß zu schäumen, bis es kein Wasser mehr war, sondern frische Milch.

"Damit schaffst du bestimmt den nötigen UTZ in Verwandlung", scherzte Aurora Dawn.

"Kuck mal! Jetzt will sie drangehen", sagte Petula und deutete auf ihre Katze, die nun wieder an die Schale herantrat und nun wie am Rande des Verdurstens trank.

"Okay, dann zu Miriam", meinte Petula. "Mal sehen, wie es der so an Weihnachten ergangen ist!"

Hausmeister Filch war nicht da. So suchten sie ihren Hauslehrer Flitwick auf, um sich bis zum Abendessen abzumelden. Um Erlaubnis fragen mußten sie ihn ja nicht mehr.

Als sie wenig später über den ordentlich mit Pulverschnee bedeckten Pfad von der Schule herunter zum Dorf gingen, hörte Aurora aus der Ferne wildes Jauchzen und Lachen. Sofort erinnerte sie sich an ihre ganz frühen Kinderjahre, wo sie noch einige Male mit den Nachbarskindern gerodelt war und Schneemänner gebaut hatte. Erst als sie einmal ohne es zu wollen einen nach ihr geworfenen Schneeball auf dessen Absender zurückprallen ließ, hatten ihre Eltern ihr geraten, besser nicht mehr mit den Muggelkindern zu spielen, damit die nicht am Ende Angst vor ihr bekamen. Somit war der Winter für sie neben dem Frühling die Zeit für wirkliche Neuheiten geworden. Im Winter hatte sie ihre Zauberkräfte entdeckt, worauf ihre Eltern sichtlich stolz waren. Im Winter war ihr Onkel Dustin getötet worden, was sie für längere Zeit in ein Loch aus Furcht und Trauer gestürzt hatte. Im Frühling hatte sie mit Bernhard Hawkins die erste Beziehung ihres Lebens begonnen, die nur ein Jahr halten durfte, weil Bernhard es ihr nicht früh genug sagen wolte, daß er mit seinen Eltern nach Amerika auswanderte.

"Achtung!" Rief jemand von links. Da brauste ein großer Schlitten mit vier jungen heran, ohne einen Steilhang zu brauchen. Aurora und Petula sprangen reflexartig zurück und sahen den vieren nach, wie sie vor ihnen den Weg querten.

"Ui, das war knapp. Welcher Kerl hat den Schlitten bezaubert, daß der von alleine fährt, ohne von einem Berg rutschen zu müssen?"

"Bestimmt einer von den Vätern dieser Bürschchen da", entgegnete Aurora. Dann gerieten sie noch in einen Hinterhalt Schneeball werfender Neunjähriger. Sie lachten und führten vor, was beinahe fertig ausgebildete Hexen darauf antworten konnten, indem sie die weißen Wurfgeschosse mit Fernlenkzaubern umleiteten und auf die Werfer zurückschickten oder zwei Schneebälle im Flug zu einem werden ließen, der dann wie ein Gummiball von Aurora abprallte und einem der Jungen fanggerecht in die behandschuhten Hände fiel, wobei er jedoch mit lautem Platsch zerplatzte und dem Bengel eiskaltes Wasser über den Körper spritzte.

"Iihiiii!" Stieß der nun pitschnasse Schneeballschütze aus.

"Leg dich nicht mit großen Mädchen an!" Warnte Petula. Da traf sie ein unbeachteter Schneeball voll auf die Nase und zerlief über ihr Gesicht.

"Na wartet", näselte Petula, fegte mit einer Handbewegung den über ihr Gesicht verteilten Schnee weg und zielte auf den Lümmel, der sie so gekonnt ausgetrickst hatte. Unmittelbar stand der bis zu den Knien und dann bis zum Bauch im Schnee.

"Hey, das ist gemein!" Schimpfte der so eingebuddelte Junge und versuchte sich wieder auszugraben. Petula und Aurora gingen weiter und überließen es den Kameraden, den Jungen wieder freizubekommen.

"Könnte es sein, daß du keinen Spaß verstehst, Petula?" Fragte Aurora, als sie die wi unter Puderzucker liegenden Dächer des Dorfes erblickten.

"Ich schon. Aber ob der das auch tut", erwiderte Petula kess.

Hogsmeade lag da wie verlassen. Keine Menschenseele trieb sich auf den verschneiten Straßen herum. Aus den Schornsteinen der Häuser quoll kein Rauch.

"Ist ja komisch. Die heizen nicht mal", wunderte sich Aurora. Sie wollte schon an die nächstbeste Tür klopfen, um zu sehen, ob wer da sei, als eine Truppe Zwerge aus der Richtung der drei Besen heranmarschierte. Die kleinwüchsigen Zauberwesen trugen nur kurze Hosen und Lederhemden, unter denen sie ihre Bärte sicher verstaut hatten. Sie liefen barfuß daher und sangen ein Lied, daß ein Trinklied oder Arbeitslied sein mochte. Das waren Gesellen aus Forin Ironheads Schmiede, die Aurora, Petula und Miriam in ihrem dritten Schuljahr einmal besucht hatten, damals, wo der, der nicht beim Namen genannt werden durfte, den uralten Drachenturm heraufbeschworen und beinahe Hogsmeade und alle Leute darin hatte einäschern lassen, wenn nicht Rosmerta und Professor Dumbledore die Gegenmacht zum Drachenturm angerufen und den Turm zerstört hätten.

"Die drei Besen sind offenbar noch offen", meinte Petula. Doch auch über dem populären Pub stand keine Rauchfahne. Dabei war es doch so kalt draußen, daß bestimmt geheizt werden mußte.

"Womöglich haben die Zentralheizungen bekommen, die von einer einzigen Wärmequelle versorgt werden", meinte Aurora.

"Ach, wie die Muggel sowas haben? Hat uns Goldbridge ja auch von erzählt. Ein Ofen für zwanzig Räume oder sowas. Die brennen aber dann mit Petroleum, oder?"

"Oder Gas aus der Erde", erwiderte Aurora. "Oder sie machen aus elektrischem Strom Hitze wie bei dem flammenlosen Herd. Ich habe mir mal so einen angeguckt. Ist ziemlich gefährlich für Kinder, weil die vielleicht nicht wissen, wie die Heizräder gestellt sein müssen, um eine dieser schwarzen Platten aufzuheizen."

"Ja, aber dafür kann denen das Haus nicht so einfach abbrennen, wenn einer vergessen hat, den Ofen auszumachen", erwiderte Petula.

Sie gingen weiter und suchten das kreisrunde, wie eine mehrstöckige Torte gebaute Haus auf dem Hügel, der hier Hasenrücken genannt wurde. Hier kam Rauch aus dem Schornstein, wenn auch sehr feiner.

"Immerhin, hier raucht der Schornstein", bemerkte Petula und klopfte an die gewölbte Tür.

"Ach, da seid ihr ja schon. Miriam ist noch bei meiner Schwägerin Peggy. Deren Mutter ist aus den Staaten zu Besuch gekommen. Könnte sein, daß Peggy mitgeht, wenn sie zurückkehrt. Die suchen da eine Hexe, die sich mit der europäischen Zaubereigeschichte gut auskennt", sagte Mr. Swann, der die Tür geöffnet hatte. Seine Frau grüßte aus dem Wohnzimmer.

"Miriam hat mir ausgerichtet, ihr möchtet auf sie warten. Sie käme vielleicht eine halbe Stunde später, weil sie sich von meiner Schwägerin wohl was über ihre Arbeit erzählen läßt."

"Da kannst du mal sehen, Petula, daß du mich ganz umsonst angeknurrt hast", zischte Aurora biestig. Petula verzog ihr Gesicht, antwortete aber nicht darauf.

Die Zeit bis Miriams Rückkehr vertrieben sie sich mit einer Schilderung des Weihnachtsfestes gestern. Mrs. Swann hatte zweimal die Ferien dort verbracht und meinte einmal:

"Also außer daß damals Professor Bitterling und Professor Slughorn noch da waren und dieser Snape noch kein Schüler da war nichts neues."

Aurora fragte die gastgeberin zu den früheren Lehrern aus und erfuhr, daß in vor fünfundzwanzig Jahren die Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste kamen und gingen. Professor Bitterling habe dann den Unterricht übernommen, als kein Lehrer sich mehr dazu bereitgefunden habe, weil einer einen Unfall hatte, wieder ein anderer wegen Familienangelegenheiten den Job kündigte. Einer wurde kurz nach Ende eines Schuljahres von einem Vampir getötet. Bitterling hielt dann mein letztes Jahr und die Jahre danach noch durch, und keiner wußte wieso ihr nichts passierte, wo selbst Dumbledore behauptet hatte, es läge ein Fluch auf dem Unterrichtsfach. Jetzt, wo das mit Balder und Glaucos passiert ist, fürchte ich, daß dieses Gerücht sich wieder verbreitet. Vielleicht ist da ja wirklich was dran."

"Slughorn gab damals Zaubertränke, nicht wahr?" Fragte Petula.

"Oja, und das war schon ein sehr kompetenter, wenn auch sehr vereinnahmender Geselle", meinte Mrs. Swann und beschrieb Professor Horace Slughorn. Sie schloß damit, daß wenn ihre Gäste einmal was besonderes in der Zaubererwelt erreichen würden, sie sicherlich für ihn interessant würden, weil er sich gerne mit einflußreichen und findigen Leuten umgebe.

Es ploppte, und Miriam Swann, gekleidet in ein wasserblaues Seidenkleid mit schneeweißen Spitzen stand mitten im Raum.

"Tante Peggy will kucken, ob ich nicht ihren Job kriegen kann, wenn ich in Zauberkunst und Verwandlungen einen UTZ über A baue. Andererseits meinte sie, daß ich Zaubereigeschichte hätte behalten sollen, weil die in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit ja wissen sollten, wieso bestimmte Regelungen getroffen wurden. Aber das wäre kein Problem, die für die Bewerbung nötigen Sachen in den Oster- und Sommerferien zu lernen, sagt sie noch."

"Deine Tante geht nach Amerika?" Fragte Aurora Dawn interessiert.

"Ihre Mutter hat sie wohl breitgeschlagen, sich da im Ministerium zu bewerben, weil die eine Geschichtsexpertin suchen. Aber bis zum Sommer macht die den Job in England noch. Ich sollte mich ranhalten, aber nicht einfach davon ausgehen, daß die mich sowieso nehmen, sagte sie.

"Verstehe", meinte Petula. Dann begannen die Mädchen, sich über die Weihnachtsfeier zu unterhalten. Bis in den Abend hinein ging das so. Dann meinte Mrs. Swann:

"Ich fürchte, ihr beiden solltet schon längst in Hogwarts sein, Aurora und Petula. Oder habt ihr drum gebeten, hier zu übernachten?"

"Öhm, stimmt, haben wir nicht", erwähnte Aurora schuldbewußt. So verabschiedeten sie sich von Miriam, verließen das Haus und disapparierten. Auf diese Weise übersprangen sie den größten Teil des Fußweges und tauchten genau vor dem großen Tor, daß von geflügelten Steinebern verziert wurde wieder auf. Sie traten hindurch und suchten das Schloß auf.

Nach dem Abendessen ließen sie den zweiten Weihnachtstag noch etwas mit Musik ausklingen.

__________

Die letzten Tage des alten Jahres vertrieben sich die volljährigen Schülerinnen mit weiteren Hogsmeade-Ausflügen, bei denen sie auch erfuhren, daß tatsächlich eine große Zentralheizung für das ganze Dorf gebaut worden war. Forin und seine Zwerge hatten für vier Zentner Gold alle Häuser mit unterirdischen Rohrleitungen verbunden und an- und abstellbare Heizkörper in den Häusern montiert. Die Wärme dafür wurde in der Schmiede erzeugt, wo neben den Schmiedefeuern auch ein hausgroßer Kessel stand, unter dem die Zwerge eine Art Lavasee errichtet hatten. Wie auch immer sie den hinbekommen hatten war ihr Betriebsgeheimnis. Jedenfalls ging die Hitze nie zur Neige. Es mußte halt nur darauf geachtet werden, daß bei abgestellten Heizungen kein Rückstau des heißen Wassers entstand.

Das Jahr verabschiedete sich mit einem Schneesturm, der den ganzen Tag über Hogwarts und Hogsmeade tobte. Als das Jahr in den letzten Zügen lag und in einer Stunde sein Ende eintreten würde, versammelte Dumbledore seine Mitarbeiter und die hier gebliebenen Schüler im Schloßhof, der von Filch und einigen nicht in Erscheinung getretenen Hauselfen schneefrei geschaufelt worden war. Sie sangen noch ein paar Lieder, bevor um Mitternacht von Dumbledore ein blau-grüner Feuerball in den eiskalten Nachthimmel geschossen wurde und allüberall fröhlich leuchtendes Feuerwerk emporstieg.

"Auf das neue Jahr, Aurora!" Prostete Petula ihrer Klassenkameradin zu. "Mögen wir beide was finden, was uns Spaß macht und anderen nützt!"

"Prost Neujahr, Petula. Ich hoffe, du findest was, daß die Arbeit lohnt und nicht nur Schufterei ist!"

"Wenn wir die UTZs hinter uns haben und du echt die nötigen Noten dafür kriegst, gehst du dann echt zu denen ins St.-Mungo-Krankenhaus?"

"Die wollen in den wesentlichen UTZs Ohne Gleichen haben, weil die einen guten Ruf hätten, meinte meine Oma Regan im letzten Sommer einmal. Vielleicht gehe ich dann doch in die Kräuterforschung. Ich hörte, daß Sprout Mel Bunton da unterbringen wollte, die das aber nicht mehr machen möchte."

"Und was anderes ist nicht drin?" Wollte Petula wissen. "Bei der Kombi von Fächern kannst du doch in jede Ministeriumsabteilung rein, von der für internationale Zusammenarbeit mal abgesehen."

"Meine Mutter erzählt nicht nur tolles aus dem Ministerium. Wer da wegen irgendwas nicht gerade großen Zuspruch hat kann sich dumm und dämlich arbeiten. Tante June hat ihren Job auch nur deswegen, weil sie sich unentbehrlich gemacht hat."

"Und anderswo?" Fragte Petula. "Du könntest doch auch bei der französischen Kräuterhexe hin, die dir damals die Einladung zu der Konferenz geschickt hat", wollte Miriam wissen.

"Die hat mir eine Ausbildung in ihrem Zauberpflanzenpark angeboten. Aber wenn ich da nicht mehr machen kann als gärtnern überlege ich mir das womöglich noch mal, bevor ich in ein Land ziehe, dessen Lebensweise doch etwas anders ist", meinte Aurora Dawn.

"Tja, dann geh doch auch nach Amerika wie Miriams Tante oder Bernhard", warf Petula mit einem gewissen bösartigen Unterton ein. Aurora verzog erst das Gesicht. Dann gab sie sich jedoch einen Ruck und lachte.

"Die bedanken sich irgendwann, wenn die alle kriegen, die in England selbst kein Bein in irgendeine Tür bekommen konnten oder wegen ihrer Eltern umziehen mußten. Neh, danke. Nachher muß ich noch für Bernhard oder die überhebliche Wetterhexe Lissy Wright arbeiten. Da verzichte ich doch mal drauf."

"Dann bliebe als englischsprachiges Land ja nur Australien, wo du ja wen kennst", meinte Petula.

"Ich habe eine Brieffreundin da. Ob die mir da irgendwo eine Tür aufmachen kann weiß ich nicht. Andererseits ist die magische Tier- und Pflanzenwelt da einzigartig, und die Magie der Aborigines wäre schon ein interessantes Studienfeld. Aber um irgendwo anders hingehen zu können müssen wir ja erst einmal die UTZs schaffen."

"Du hast recht. Nachher versauen wir die, und dann hätten wir uns ganz umsonst was zurechtgelegt, wie's weitergeht", erwiderte Petula. Miriam sah sie beide verdrossen an und schnaubte:

"Ich versaue meine UTZs nicht. Wenn ich wirklich in die Abteilung reinkommen kann, dann wäre das ein Job für's leben."

"Soso, ein Job für's Leben", feixte Petula. Aurora kicherte nur. Dann erwiderte diese:

"Das wäre ein Heiler-Job auch. Abgesehen davon führt Bartemius Crouch jetzt diese Abteilung. Du weißt doch noch, was für'n Scharfer Hund das ist, ähnlich wie Professor Silverbolt."

"Ja, aber jetzt nicht mehr, wo er seinen eigenen Sohn nach Askaban geschickt hat und seine Frau und der kurz danach gestorben sind", erwiderte Miriam.

"Also zumindest haben wir jetzt ein neues Jahr", meinte Aurora und wies auf das immer noch über ihnen heulende, zischende, krachende, wummernde, funkelnde, blitzende und flammende Feuerwerk. Ihre Kameradinnen nickten zustimmend und stießen ihre Kristallbecher mit perlendem Sekt gegeneinander.

__________

Wo waren die Weihnachtsferien geblieben? Zwei Wochen nach dem Beginn des neuen Schuljahrdrittels fühlte sich ausnahmslos jeder und jede reif für neue Ferien. Vor allem die ZAG- und UTZ-Schüler wurden hart rangenommen. Die ZAG-Schüler begannen damit, die in den ersten vier Jahren erlernten Sachen zu wiederholen, die UTZ-Schüler dankten ihren Stundenplänen, daß sie in den Freistunden genug vorarbeiten oder in Reinform notieren konnten, was sie im letzten Jahr schon aufgeschrieben hatten. Mittlerweile schaffte es Dina Fielding, die meisten Zauber ungesagt zu wirken, so daß ihr Mann und Aurora ihr anboten, zumindest einige Abwehrzauber zu probieren, die sie früher nur mit großer Anstrengung hinbekommen hatte.

"In dem Buch "Theorie der Magie" steht was drin, daß angeborene Zauberkräfte wie Knospen sind. Erst müssen sie wachsen, brauchen viel Pflege und gehen dann irgendwann auf", sagte Roy, als Dina es schaffte, eine von Aurora gezauberte Maus mit einem ungesagten Erstarrungszauber bewegungsunfähig zu machen. Roy lächelte seine Frau sehr anerkennend an. Petula fragte die drei einmal, ob sie Dina im Schnellkurs das versäumte Pensum aus Verteidigung gegen die dunklen Künste beibringen wollten.

"Hier kann ich das noch absichern", meinte Roy. "Wenn wir aus Hogwarts raus sind und ich einen passenden Job kriegen sollte möchte ich haben, daß Dina sich zumindest etwas wehren kann. Ihr wißt ja noch, was der selige Professor Balder gesagt hat."

"Daß sich Hexenund Zauberer nicht darauf verlassen dürfen, daß ihnen jemand schnell genug zur Hilfe kommt, wenn ihnen jemand böses auf den Leib rückt", meinte Petula. "Aber das war noch wo Ihr-Wißt-schon-Wer da war."

"Hätte ich damals so zaubern können wie jetzt, wären meine Eltern noch am Leben. Erica kam ja erst, als die Mum und Dad ermordet hatten."

"Natürlich, Roy. Das verstehen wir, daß du deshalb so hinter her bist, dich gut verteidigen zu können", sagte Aurora beschwichtigend. "Deshalb helfe ich dir ja dabei, Dina ungesagte Zauber beizubringen, wo sie damit immer besser wird."

"Ich meinte das wegen Petty, weil die so abfällig gekuckt hat und ..." erwiderte Roy, als Petula ihren Zauberstab zog und auf ihn richtete. Mit einer schnellen Bewegung tauchte er weg, wobei er wohl ungesagt den unsichtbaren Schild errichtete. Als der ihm geltende Furnunculus-Fluch, den Petula ungesagt aufgerufen hatte, mit lautem Knall an der magischen Abwehr zerplatzte knurrte sie:

"Ihr sollt nicht Petty zu mir sagen, verdammt noch mal!"

"Das du darauf immer noch so anspringst", seufzte Aurora. "Das war doch nicht so schlimm."

"Dich würde es auch ärgern, wenn dich jemand Rory oder Dawny nennen würde", knurrte Petula. "Abgesehen davon erinnert mich die Anrede an jemanden, über den ich hier nicht reden will, auf jeden fall eine Person, mit der ich nichts gemeinsam haben will."

"Echt?" Fragte Roy, der seinen zauberstab noch in der Hand hielt. Petula nickte entschlossen. Dann senkte sie ihren Zauberstab, steckte ihn fort und lächelte gezwungen. Roy zögerte einen Moment, bevor auch er seinen Zauberstab wieder fortsteckte.

"Du bist die älteste Vertrauensschülerin hier, Aurora. Willst du wegen Petula Punkte von Ravenclaw abziehen?" Fragte Bruster Wiffle.

"Wenn du das als Schulsprecher nicht für nötig hältst würde ich gerne darauf verzichten", sagte Aurora. Bruster nickte Petula zu und meinte:

"Ist ja nix passiert. Roy ist ja doch ziemlich gut mit den Schildzaubern. Also lassen wir es!"

"Machen wir weiter mit den Zaubern?" Fragte Dina nun wieder am wesentlichen interessiert. Aurora, Roy und Petula nickten. So probierte Dina weiterhin Erstarrungs- und Schockzauber aus. Zwar wollte Roy auch, daß sie mindestens den kleineren Schildzauber konnte, der niedere und mittelstufige Flüche parierte, aber seine Frau wirkte bei der Ausübung der bisherigen Zauber ziemlich angestrengt, was dazu führen würde, daß der Schildzauber wohl vorerst nicht funktionieren konnte. Sie wollten ihn in einer späteren Privateinheit ausprobieren.

__________

"Hey, was soll denn das, Feuerball?" Knurrte Miriam gegen das wütende Knurren ihres Kniesels an. Sie hatte gerade Schneeflöckchen hochgehoben, weil diese so abgekämpft geschnauft hatte. Petula stand dabei und beobachtete den Vorgang.

"Der ist eifersüchtig, weil du meine Katze lieber streichelst als ihn", scherzte Petula.

"Hört sich eher so an, als meine er, ich wollte ihr was tun", erwiderte Miriam. "Dann nimm du die doch mal!"

Aurora kam gerade mit einer leicht erschöpft wirkenden Dina in den Schlafsaal.

"Ich dachte, du wärest schon auf dem Quidditchfeld, wo ihr heute gegen die Slytherins gewinnen wollt", wunderte sich Petula.

"Ich mußte Dina zu Madame Pomfrey bringen. Die hatte einen Schwächeanfall und hat ihr Frühstück wieder ausgespuckt", sagte die Vertrauensschülerin. Dina schüttelte den Kopf, sah Aurora an und legte flüchtig den Finger auf die Lippen. Aurora sagte dann noch rasch:

"Madame Pomfrey meinte dann noch, daß sie sich heute mal etwas zurückhalten solle und sofort wiederkommen solle, wenn noch mal sowas passiert. Was ist denn mit Feuerball los?"

"Der hat irgendwas", knurrte Miriam ungehalten. "Weil ich Schneeflöckchen gestreichelt habe. Die machte mir einen abgekämpften Eindruck. Dabei frißt die doch in letzter Zeit so viel."

"Oha", meinte Dina. "Frißt die deinem Kniesel alles weg?"

"Kann man so sagen", erwiderte Miriam. Dina sah Schneeflöckchen an, die gerade wieder auf die eigenen Pfoten gestellt wurde und auf Petulas Bett hüpfte, was ihr offenbar etwas mehr Mühe machte als sonst. Sie trat näher und streichelte die weiße Katze. Feuerball machte Anstalten, sie anzuknurren, stellte seine Ohren dann aber so auf, als müsse er etwas ganz besonderes in Dinas Richtung belauschen. Dina sah den Kniesel an, streichelte die Katze und bekam leicht gerötete Ohren. Dann setzte sie sich langsam neben die weiße Katze und streichelte deren Bauch, der weich, warm und etwas rundlicher war. Dann holte sie zwei kleine Muscheln aus einer Tasche ihres Umhangs und hielt sich die weiße an das Ohr und die schwarze an Schneeflöckchens Bauch.

"Was willst du denn mit Mithörmuscheln. Die gehen in Hogwarts doch nicht", meinte Miriam.

"Auf zwei Schritte schon", meinte Dina und strich mit der schwarzen Muschel über Schneeflöckchen. Weil Feuerball immer noch seinen Kopf so hielt, als wäre bei Dina etwas ganz besonderes, mußte sie verlegen lächeln. Dann hielt sie die schwarze Muschel an ihren Bauch, berührte eine Stelle wohl unter ihrem Bauchnabel und wurde noch verlegener, obwohl sie dabei lächeln mußte. Dann sagte sie zu Aurora:

"Es funktioniert echt, was Madame Pomfrey da gemacht hat. jetzt kannst du die ganze Geschichte erzählen. Ich gehe nachher mit Roy zu ihr hin. Öhm, Miriam und Petula, wißt ihr wie lange eine Katze, die von einem Kniesel begattet wurde ihre Jungen trägt?""

"Moment mal, Dina. Soll das heißen, daß Flöckchen Mummy wird?" Fragte Petula mit aufgeregter Stimme und übergroßen Augen auf ihre Katze blickend.

"Ich kann die Herzen der Jungen schlagen hören. Wahrscheinlich ist Feuerball der Vater und spielt sich deshalb als ihr Beschützer auf", erwiderte Dina.

"Ist ja spannend", meinte Miriam. "Jetzt habe ich den Schlawiner schon seit Jahren, und jetzt erst hat der den Kater in sich entdeckt."

"Besser gesagt, er hat Flöckchen gezeigt, daß sie eine erwachsene Katze ist", bemerkte Aurora feist grinsend dazu. Petula schien über etwas nachzudenken. Dann sagte sie keck:

"In jedem Fall wird Flöckchen noch vor dir Mummy, Dina. Herzlichen Glückwunsch!" Katzen und Kniesel tragen ihre Jungen drei Monate bevor sie sie zur Welt bringen. Wie lange hast du noch zu tragen?"

"Öhm, bis Anfang September vielleicht. Madame Pomfrey wollte mir das erst morgen genau sagen."

"Ui, da habt ihr Weihnachten wohl gut ausgenutzt", bemerkte Miriam mit spitzbübischem Grinsen und gratulierte Dina. Aurora erzählte nun den Rest der Geschichte.

"Also, ich habe Dina dabei getroffen, wie sie auf dem Mädchenklo im dritten Stock ihr Frühstück in die Keramik gespuckt hat und sie gefragt, ob sie was übles gegessen hätte. Da hat sie mir erzählt, daß ihr das in den letzten Wochen häufiger passiere und sie sich zwar was denken könne aber erst noch abwarten wolle, ob da noch was anderes passieren würde. Ich habe sie dann zu Madame Pomfrey mitgenommen. Die hat sie untersucht, was von V. I. Negativ erzählt, was soviel heißt, daß Dina keine unberührte Jungfrau mehr sei, dann aber gemeint, daß das noch nichts bedeuten müsse. Dann hat sie diese zwei Muscheln genommen, das gemacht, was Dina hier gerade mit Flöckchen und sich selbst gemacht hat und gemeint, daß es nun keinen Zweifel mehr gebe, da sie ein zweites, aber wohl kräftiges kleines Herz schlagen hören könne, nur eins."

"Wenn wir das gleich den Jungs erzählen muß Roy einen Ausgeben", meinte Miriam.

"Ja,und die Mädels aus den anderen Häusern glotzen dann abgedreht, weil Dina die erste ist, die hier mit einem Baby im Bauch rumläuft."

"Na, Miriam, nicht so vulgär. Dina ist gesegneten Leibes", schulmeisterte Petula die Klassen- und Schlafsaalkameradin mit übertrieben autoritärer Betonung. Die vier jungen Frauen mußten darüber lachen. Feuerball schrak zurück, weil das Lachen seinen Lauschangriff auf Dinas ebenfalls der Mutterschaft geweihten Leib jäh überlagerte.

"Hmm, wer könnte uns sagen, wie lange Flöckchen noch tragen muß?" Fragte Petula. "Ich will nicht haben, daß die eines Tages ihre Jungen irgendwo hingelegt hat und ich ihr dabei nicht zusehen konnte."

"Abgesehen davon daß Katzen und Kniesel sich ein Nest bauen oder in alles reinjungen, was weich genug ist, Kleider, Betten oder Plüschsessel. Nachher kriegt die ihre Jungen mitten im Gemeinschaftsraum und läßt da keinen mehr hin. Und wenn der fuchsrot getupfte Daddy hier dann noch mehr auf Beschützer macht kriegen wir seine Krallen ab, wenn wir da herumlaufen."

"Dann geh mit der zu Kesselbrand! Der ist für Tiere zuständig", empfahl Aurora Dawn.

"Mache ich. Miriam, kannst du deinen Feuerball ablenken, damit der mir nicht ins Genick springt?"

Feuerball hörte wohl, daß von ihm gesprochen wurde und ging in eine Habachtstellung, als säße er vor einem Mauseloch auf den ersten an, der sich dort heraustraute.

"Das kannst du jetzt vergessen, wo du seinen Namen gesagt hast", maulte Miriam. Dina kam näher und streichelte Feuerball vorsichtig, nahm ihn hoch und setzte sich mit ihm auf ihr Bett. Er beäugte zwar Petula, die mit der Mutter seiner Kinder vorsichtig aus dem Schlafsaal hinaustrat, lauschte aber auf den für Hexenohren ohne Hörverstärkungssachen unhörbaren Schlag eines ungeborenen Herzens, während Dina anfing, ihr bekannte Wiegenlieder zu summen.

"Ey, noch mußt du sowas nicht können, Dina", meinte Miriam.

"Wieso nicht? Madame Pomfrey hat mir gesagt, daß ich alles tun soll, wobei ich dem Kind zeige, daß ich es gerne habe. Außerdem mag Feuerball das auch hören", sagte sie und streichelte das überwiegend erdbraune Fell des Kniesels, der nun selig zu schnurren begann.

"Das mit der Morgenübelkeit ist lästig", meinte Miriam, während Aurora auf ihre Uhr sah und wohl abschätzte, wie lange sie zum Stadion bräuchte. "Wie kommt das eigentlich? Mum hat mir erzählt, sie habe mal drei Wochen am Stück jeden Morgen zweimal gekübelt."

"Ich hoffe, ich kann das so noch zusammenbringen, daß es anständig erklärt ist und ich trotzdem noch rechtzeitig zum Quidditchfeld hinkomme. Es ist so, daß ein ungeborenes Kind ja nicht nur Erbanteile von der Mutter hat, sondern vom Vater. Alles was nicht Nahrung ist und fremd ist wird von den Abwehrkräften im Körper bekämpft. Wenn eine Frau Mutter wird, macht ihr Körper die Abwehrkräfte etwas schwächer, damit das Kind nicht davon getötet wird. Aber dabei gerät ihr Verdauungssystem in Unordnung und muckt auf, weil der halbe Fremdkörper die Abwehrkräfte beschäftigt."

"Schade, daß Dinas Kind erst im September kommt. Sonst könntest du bei Madame Pomfrey glatt einen Hebammenkurs machen", feixte Miriam an Auroras Adresse.

"Wenn die vielen Schulsachen nicht wären würde ich das glatt sofort machen, Miriam. - Oh, das wird aber dann lustig, wenn du bald wegen des Babys Probleme mit den Schularbeiten kriegst, Dina."

"Im Juni bin ich erst im sechsten Monat, Aurora. Da ich volljährig und ordentlich verheiratet bin wird mir keiner deshalb in den Besenschweif rasseln. Ich gehe mit Roy nachher noch zu Flitwick", erwiderte Dina. "Aber du mußt jetzt wohl los, Aurora. Pass auf dich auf!"

"Werde schon aufpassen, daß mir die Slytherins nichts machen", erwiderte Aurora ungehalten und zog los.

"Wir bleiben besser hier, bis Petula mit Flöckchen wiederkommt", meinte Dina zu Miriam. "Ich kann deinen Kniesel wohl im Moment am besten beruhigen und du bist seine Vertraute."

"Mist, dann kriege ich nicht mit, wie Aurora und die anderen gegen die Slytherins spielen", sagte Miriam. Dann meinte sie: "Aber recht hast du schon. Ich möchte nicht haben, daß Daddy Feuerball durch die Gegend rennt und nach seiner weißen Braut sucht, die ihm bald wen kleines hinlegen wird. Was glaubst du, wie die mal aussehen werden?"

"Das kann ich dir nicht sagen", meinte Dina verlegen lächelnd.

Aurora beeilte sich, wäre fast durch den Geist des blutigen Barons gerannt und schaffte es noch rechtzeitig, in die Umkleidekabinen des Stadions zu kommen, wo Mortimer, der Kapitän der Ravenclaw-Hausmannschaft, sie etwas kritisch betrachtete.

"Hatte Frauensachen zu erledigen, Mortimer. Jetzt bloß keinen Vortrag über Pünktlichkeit!" Versetzte Aurora gehetzt, bevor Mortimer was sagen konnte.

"Frauensachen? Wenn du dich nicht wohl fühlst sage mir das bitte, damit ich deinen Ersatzspieler aufstellen kann, bevor du am Ende noch vom Besen fällst."

"Betrifft nicht meinen Körper", sagte Aurora. "Also los jetzt!"

"Hey, hier bin immer noch ... Wärest ja auch eine gute Kapitänin geworden", grummelte Mortimer und trieb seine Leute an, rauszugehen und Slytherin in Grund und Boden zu spielen.

"Wieder sind die Spieler oben, und die von Aurora Dawn, der Prunkjägerin der Ravenclaws erfundene Doppelachse verhilft ihrer Mannschaft gleich zu einer guten Ausgangsposition! ... Foul an Acer, die gerade werfen wollte. Dawn bekommt den Strafwurf zugesprochen, fliegt an ... Tor! Zehn Punkte für Ravenclaw!"

Während Barkley das Spiel kommentierte, konzentrierte sich Aurora darauf, den Klatschern und den wie sie fliegenden Jägern der Slytherins nicht zu nahe zu kommen und dabei trotzdem das eine oder andere Tor zu schießen. Häufig brachten die Slytherins den roten Ball im Tor unter. Doch noch häufiger hielt Mortimer dagegen, während sein Cousin Bruster mit seinem Treiberkollegen Tim Preston einige gemeine Klatscherangriffe vergolt und Aurora mit der von ihr eingeübten Flugtechnik oft genug vor die drei Ringe der Slytherins kam und den Quaffel durch einen davon beförderte. Zwar wurde sie immer wieder angerempelt, steckte dies aber immer wieder gut weg. Vivian Acer, die ihre Flugtechnik nun auch gut beherrschte, brachte drei Strafwürfe unter, was von dem Hüter Slytherins immer mit "Verdammte Schlammblutgöre" beantwortet wurde, ihn aber dadurch weder zu einem besseren Hüter machte noch Vivians Eifer und Kampfmoral schmälerte. Als das böse Wort für Muggelstämmige einmal zu laut gerufen wurde, durfte der Hüter noch einmal einen Quaffel hinter sich aus einem der Ringe holen, weil Madame Hooch befunden hatte, daß auch Verbalattacken Fouls waren und dafür ein Strafwurf die gebührende Ahndung sei.

"Das Spiel ist kaum zehn Minuten alt und hat den Ravenclaws bereits einhundertfünfzig Punkte und Slytherin achtzig eingebracht", sprach Barkley. "Somit ist für beide noch alles drin. Wer den Schnatz fängt gewinnt, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer. Doch jetzt wollen die Spieler von Slytherin es wissen, bilden einen Pulk vor dem Tor von Ravenclaw. Da kommt Swift nicht mehr ran! Tor!" Die Slytherins Jubelten. Doch nachdem die Mannschaft in smaragdgrün drei Tore durch frühzeitiges Bedrängen erzwungen hatten, sprang die Anzeige für die Ravenclaws fünfmal in Folge um je zehn Punkte nach oben. Jetzt stand es 200 : 110 für Ravenclaw. Immer noch konnte der Schnatzfang den Spielverlauf umkehren. Doch es lief weiter, ohne das Karin Meridies, die Sucherin, noch ihr Gegenspieler aus Slytherin den goldenen Ball mit den vier silbernen Flügeln zu fassen bekam.

"Gegen Auroras Doppelachse stinken die Schlittereins nicht an", meinte Roy zu seiner Frau und deren Klassenkameradinnen Petula und Miriam. "Ihr habt echt was verpasst, Mädels."

"Weil du recht hast lasse ich dir das Mädel mal durchgehen", knurrte Miriam und sprach dann freundlich lächelnd weiter: "Wir kriegen jetzt auch das beste mit. Dieses Jahr holen uns Mortimer und Aurora noch mal den Pokal. Schön zu wissen, daß der im nächsten Jahr bei Flitwick im Büro stehen darf, wenn wir in die große weite Welt hinausziehen, um unser wahres Leben zu leben und ... Ui, das hätte Aurora fast vom Besen gehauen." Ein Klatscher hatte Auroras Besen am Schweif erwischt und sie wild herumgeschleudert. Der Nimbus 1500 hielt den Schlag aber aus. Sein Reisigwerk war zwar nun etwas verbogen, aber nicht gebrochen. Aurora merkte davon nur etwas, weil die schnellen Richtungswechsel nun nicht mehr so fließend liefen. Die Slytherins lachten und sangen:

"Immerhin, immerhin. Aurora Dawn krigt's nicht mehr hin."

"Das glauben aber auch nur die", knurrte Miriam.

Aurora erkannte schon, daß sie nicht mehr so überragend manövrieren konnte und überließ es Vivian, die wirklich gefährlichen Angriffe durchzuziehen, was der jungen Spielerin neben einem gesteigerten Selbstbewußtsein auch fünf eigenhändig erzielte Tore einbrachte. Als sie dafür von dem Hüter wieder beschimpft wurde, zischte ein Klatscher knapp an ihr vorbei und traf den Hüter voll auf den Mund. Tim, der den Klatscher gespielt hatte, rief schadenfroh und überlegen:

"Da hast du wohl ein böses Wort zu viel gesagt, wie?" Der Hüter trudelte benommen zu Boden. Aus dem Gesicht, das ein rotbrauner Brei war regnete es Blut und Zähne.

"Auszeit!" Rief der Kapitän der Slytherins. Sofort umringten Mortimer, Bruster und Aurora Tim Preston, weil der Kapitän Anstalten machte, auf den muggelstämmigen Mistkerl loszugehen, der seinen Hüter aus dem Spiel und wohl für einige Zeit in den Krankenflügel gehauen hatte. Aber das war eben Quidditch. Die Treiber sollten gegnerische Spieler am Angriff hindern und dabei gegebenenfalls aus der Flugbahn oder gleich vom Besen hauen.

"Trau dich bloß nicht mehr allein durch das Schloß, Schlammblut!" Spie der Kapitän Tim hin. Dieser sah ihn aber nur überlegen an und meinte:

"Wieso, hast du dich in mich verknallt?"

"Das wirst du gleich noch erleben", war die haßerfüllte Antwort. Madame Hooch schritt ein und mahnte zur Ruhe.

"Er tut das, wofür er in seiner Mannschaft ist. Dann muß eben einer von euch ins Tor, wenn ihr nicht ohne Hüter spielen wollt. Das sind die Regeln."

"Ich mach's", knurrte der Kapitän der Slytherins.

Nachdem der verletzte Spieler vom Feld getragen worden war ging die Partie weiter. Aurora und Vivian erzielten noch drei Tore, bevor Karin den Schnatz fing und Slytherin damit uneinholbar hinter sich ließ.

Bei der anschließenden Feier im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum wurden die Helden des Tages gefeiert, Mortimer wurde zum "Herrn der Ringe" ausgerufen, weil er von wohl fünfzig Angriffen fünfunddreißig abgewehrt hatte. Bruster meinte dazu jedoch, daß dieser Titel sehr anrüchig sei und erzählte was von einer Geschichte, in der von einem anderen dunklen Lord erzählt wurde, der einen Zauberring geschmiedet hatte, der über andere Zauberringe herrschte und damit sein dunkles Reich ausdehnen wollte. Als er dann gefragt wurde, wie die Geschichte denn ausgegangen sei, meinte Bruster:

"Das könnt ihr irgendwann selber mal nachlesen. Ist zu spannend, um jetzt schon das Ende zu verraten. Vielleicht findet ihr das auch nur lustig, wie da Magie und Zauberer beschrieben werden."

"Okay, dann heiße ich eben Torwurftöter. Ist auch ein toller Kampfname", meinte Mortimer. Vivian wurde zur wilden Vivi erklärt, weil sie Auroras Flugtechnik nun so tadellos wie deren Erfinderin beherrschte. Tim wurde wegen seines gezielten Klatschers auf den gegnerischen Hüter zum blutigen Klatscherbaron geadelt. Natürlich wußten alle, daß Tim sich bis auf weiteres nicht mehr ohne zaubererfahrene Begleitung im Schloß herumdrücken durfte. Bruster, der als Besenbrecher bezeichnet wurde, weil er einem der Jäger fast den Besen gekürzt hatte, erklärte sich bereit, auf Tim aufzupassen und Slytherin bei jedem Angriffsversuch auf ihn gleich hundert Punkte abzuziehen, egal, wie der Angriff ausgeführt wurde oder ob nur das böse Wort mit Schlamm am Anfang benutzt wurde.

"Ey, Brusi, das hängen wir in der ganzen Schule aus, damit die unfairen Typen uns nicht Unfairness vorwerfen können", meinte Mortimer. "Am besten gehst du damit zu Daddy D. und läßt dir das als Schulsprechermaßnahme absegnen!"

"Geht klar. Dafür möchte ich aber gerne einen anderen von der V-Gruppe mitnehmen. Philipp oder Aurora?" Beide nickten. So wollte Bruster auch mit beiden gehen. Roy und Dina waren im Moment nicht im Gemeinschaftsraum. Doch außer den Hexen aus der siebten Klasse wußte keiner, was das zu bedeuten hatte.

Als der Schulsprecher mit Aurora Dawn und deren Cousin über die sacht nach oben laufende Wendeltreppe bis vor Dumbledores rundes Zimmer getragen wurden, hörten sie von oben Flitwicks piepsige Stimme, dann noch Madame Pomfreys energische, wenngleich warm betonte Stimme.

"Oh, vielleicht kommen wir ein wenig ungünstig", meinte Aurora, die ahnte, was da gerade im Gange war.

"Dann kann er uns ja wieder wegschicken", erwiderte Bruster.

"Vielleicht solltest du deine Kollegin noch mit einbeziehen", meinte Philipp. "Könnte sein, daß Eunice das für zu drastisch hält."

"Philipp, nachdem was mit deiner Schwester passiert ist und der Erfahrung, die ich mit Snapes Saubande gemacht habe halte ich das für die einzig brauchbare Maßnahme, um Tim zu schützen."

Sie erreichten den obersten Absatz, wo eine getigerte Katze vor der Tür hockte, als bewache oder belauere sie diese. Natürlich wußten sie alle, daß das keine gewöhnliche Katze war. Denn alle hatten sie diese Erscheinungsform in der dritten Klasse und späteren, wo es um Selbstverwandlungen ging zu sehen bekommen.

"'tschuldigung, Professor McGonagall. Stören wir den Direktor bei was wichtigem?" Fragte Bruster.

"Professor Dumbledore hat mich gebeten, eine gewisse Diskretion zu ermöglichen", erwiderte die Katze mit Professor McGonagalls Stimme, die etwas maunzig klang aber unverkennbar den strengen Tonfall der Verwandlungslehrerin besaß.

"Wenn es um Mr. und Mrs. Fielding geht, dann besteht wohl kein Problem, Professor. Ich denke, sie werden es uns sowieso bald erzählen", bemerkte Aurora Dawn ganz gelassen.

"Ups, hab ich da was verpasst", meinte Bruster.

"Ich denke, daß sollte nur im Ermessen von Mr. und Mrs. Fielding liegen, ob Sie jetzt schon darüber etwas erfahren oder zu gegebener Zeit", knurrte Professor McGonagall. Offenbar weil sie es nicht mit ihrer Würde vereinbaren konnte, von unten nach oben zu sehen, verwandelte sie sich in ihre menschliche Erscheinungsform zurück.

"Minerva, die junge Ms. Dawn hat recht. Die beiden Herrschaften haben nichts einzuwenden, daß sie eintreten", ertönte Dumbledores Stimme durch die Tür. Sie klang einerseits fröhlich, aber auch irgendwie verhalten, als wenn sich der Schulleiter nicht sicher sei, ob er sich wirklich freuen dürfe. Professor McGonagall nickte der Tür zu und trat bei Seite. Die drei Ravenclaws traten ein. Dina und Roy saßen auf zwei gemütlichen Stühlen. Professor Flitwick stand auf mehreren Büchern, um zumindest über die Tischkanten zu sehen. Die silbernen, rauchenden, rasselnden, tickenden und klickenden Gerätschaften im Zimmer des Schulleiters machten eine fremdartige aber gleichförmige Musik. Professor Dumbledore saß auf seinem Arbeitsstuhl und blickte die neuen Besucher durch seine Halbmondbrille erfreut an. Zum Schluß sah er Aurora Dawn an und lächelte wissend.

"Natürlich ist dir die Lage bekannt, Aurora", sagte er nur. Dann fragte er Bruster, was sein Anliegen sei. Bruster sagte kurz, daß er um Tim vor Überfällen und sonstigen Angriffen zu schützen allgemein verfügen wollte, daß dem Haus, dessen Bewohner solche Angriffe durchführten - wobei er Slytherin nicht beim Namen nennen mußte, weil das ja eh sonnenklar war - hundert Punkte abgezogen werden sollten und er das gerne auch allen anderen Vertrauensschülern bekanntmachen wollte. Dumbledore fragte ihn:

"Haben Sie diese durchaus nachvollziehbare Maßnahme schon mit Ihrer Schulsprecherkollegin Ms. Armstrong besprochen, Mr. Wiffle?"

"Nein, Sir, ich wollte zunächst wissen, ob Sie das erlauben würden, weil ich nicht weiß, was Eunice, öhm, Ms. Armstrong gerade zu tun hat", erwiderte Bruster. Dumbledore nickte zustimmend und sagte ruhig:

"Nun, so schlage ich vor, daß wir gleich nach der Unterredung mit Mr. und Mrs. Fielding eine Vertrauensschülerkonferenz einberufen und den anderen Vertrauensschülern Ihren Vorschlag zur Abstimmung vorlegen. Von meiner Seite her werde ich mich nur äußern, wenn sich abzeichnet, daß die Abstimmung kein Ergebnis einbringt. Immerhin geht es ja um einen Sportunfall, der sich alle Tage ereignen kann und nicht unmittelbar in drastische Maßnahmen ausufern muß."

"Ein Unfall, Sir? Gut, Was Tim gemacht hat war so wohl nicht beabsichtigt", log Bruster, obwohl er eigentlich wissen sollte, daß Dumbledore das leicht durchschauen mochte. "Aber einige könnten auf die Idee kommen, das für Bösartigkeit zu halten und sie sich dann rächen wollen."

"Wie gesagt, Mr. Wiffle, ich werde so bald ich die gerade zu besprechende Angelegenheit erschöpfend geklärt habe eine Konferenz einberufen. Aber seien Sie sich dessen schon einmal gewiß, daß ich Ihren Vorschlag wohlwollend bedenken werde."

"Wie Sie wünschen, Professor Dumbledore, Sir", erwiderte Bruster unterwürfig. Dann ging er mit Aurora und Philipp wieder hinaus, wo Professor McGonagall wieder als Katze vor der Tür saß. Sie ließen sich von der Wendeltreppe hinuntertragen und verließen den Turm des Schulleiters.

"Aurora, was läuft da wegen Roy und Dina. Du willst doch nicht etwa behaupten, Dina und er bekämen bald ein Baby", flüsterte Bruster. Philip machte große Ohren und sah Aurora höchst interessiert an.

"Bruster, Dina und Roy werden hier in Hogwarts kein Baby kriegen. Du brauchst dir also keine Bange zu machen, einen Säuglingspflegekurs machen zu müssen."

"Komm, Aurora, du kannst mir nicht erzählen, daß die Pomfrey da oben sitzt, wenn die nur was schulisches zu bequatschen haben", meinte Philipp.

"Als Vertrauensschüler sagst du bitte auch in Abwesenheit Madame Pomfrey zu ihr", maßregelte Aurora ihren Cousin. Bruster verzog erst das Gesicht, doch dann mußte er ihr zustimmend zunicken.

"Also was ist jetzt mit den beiden?" Fragte Bruster dann.

"Das werden sie uns dann erzählen, wenn sie das wollen", erwiderte Aurora. Bruster funkelte sie an, mußte dann aber grinsen.

"Dann ist es zumindest so, daß Dina was Kleines unterm Umhang trägt. Muß ja nicht hier rauskommen. Aber zumindest wird die dann richtig rund."

"Ui, das wird aber lustig. Ich kann mich noch dran erinnern, wie das war, als Mum mit Agatha und später dann noch Arcadia unterm Rock herumlief. Die konnte da zwischendurch losheulen, ohne einen Grund dafür oder wütend werden. Na dann." Aurora schwieg weiter.

"Ich gehe jetzt und suche Eunice,um mit ihr die Sache zu bereden, bevor wir Cyn und Dorian und auch die Banditen aus Slytherin dazuholen müssen. Bis gleich dann, Leute!"

"Bis nachher", antwortete Aurora.

Bruster zog los. Philipp meinte dann noch:

"Bin mal gespannt, wie die alte Hakennase das schluckt, wenn wir uns mit großer Mehrheit dafür aussprechen, seinem Saustall bei jedem Angriff auf Tim oder anderen Muggelstämmigen hundert Punkte abzuziehen."

"Mal sehen", meinte Aurora. "Vielleicht will Snape dann haben, daß grundsätzlich jedesmal, wenn jemand was falsches sagt hundert Punkte abgezogen werden, egal von welchem Haus."

"Das wird Daddy D. schon nicht erlauben", sagte Philipp jedoch nicht ganz so zuversichtlich. Aurora grinste ihn spitzbübisch an. Er mußte lachen.

"Ich denke mal, die Slytherins werden das gar nicht erst drauf anlegen, Tim anzugreifen. Wir werden zusehen, daß er immer in Begleitung mindestens von einem von uns ist."

"Wenn wir die Gryffindors besiegt haben ist das sowieso schnee von gestern", sagte Philipp. Aurora nickte verhalten. Dann gingen die beiden weiter.

__________

Bruster war nur bis zur nächsten Biegung auf dem Weg zur Bibliothek gegangen. Eigentlich hatte er jetzt wirklich Eunice suchen wollen. Doch während Aurora etwas gesagt hatte war ihm eine wohlvertraute Stimme mitten in seine Gedanken hineingeklungen, die ihm eindringlich gesagt hatte, er solle sich so schnell wie möglich melden. Er versteckte sich hinter einer Ritterrüstung und konzentrierte sich auf jemanden, mit dem er hier in Hogwarts etwas ganz bestimmtes erledigen mußte, von dem seine Mutter sagte, daß es schlimmer werden könnte als die Macht und Grausamkeit des Emporkömmlings, den die meisten nicht beim Namen nennen mochten. Er hatte von ihrer Mutter genau gelernt und es im letzten Sommer immer wieder ausgiebig angewendet, wie er eine magische Person mit seinen Gedanken erreichen konnte. So bekam er nach kurzer Zeit, auch gegen die in Hogwarts wirkenden Störungen, einen Kontakt.

"Triff mich am Waldrand, hundert Meter von Hagrids Hütte weg!" War die kurze Antwort, in der doch so vieles drinsteckte. Er schickte zurück, daß er vielleicht keine Zeit hatte, weil bald eine Vertrauensschülerkonferenz angesetzt sei.

"Das kriegen wir hin", war die Antwort. "Also mach, oder willst du Krach mit deiner und meiner Mutter haben?"

"Natürlich nicht. Aber spiel dich jetzt nicht auf, weil die dich schon in ihren Club aufgenommen haben", schickte er eine leicht verächtliche Gedankenbotschaft zurück.

"Oh, männlicher Stolz, Angst vor Erniedrigung", feixte es nur für ihn verständlich in seinem Kopf. Er knurrte hörbar, was die Gegenstelle jedoch nicht hören konnte.

"Ich bin gleich da", sendete er unsichtbar und nur für die betreffende Empfangsperson vernehmlich zurück. Dann ging er los.

Als er die Stelle fand, an der sie sich schon ein paarmal getroffen hatten, brauchte er nicht lange zu warten. Die junge Hexe, mit der er nun schon fünf Jahre zusammen war, ohne das weder von ihren noch von seinen Kameraden irgendwer Wind davon bekommen hatte, lächelte ihn an.

"Hi, Loren. Was gibt es so dringendes. Ich war gerade bei Dumbledore", flüsterte er.

"Wegen Tim?" Fragte Loren Tormentus ohne Häme oder Spott in Stimme und Gesichtsausdruck. "Könnte passieren, daß welche von den Rohlingen aus meinem Haus den demnächst fertigmachen wollen, solange unser Hüter ausfällt. Aber sei es, das ist nebensächlich. Jetzt ist es wohl klar, daß der uralte Diener, der den Schattenfürsten von Atlantis verehrt, wieder erwacht ist, was heißt, daß Mum und Lady Ursina die ganze Zeit recht hatten und das, was vor zweihundert Jahren passiert ist sich wiederholen könnte. Aber lass uns erst tiefer in den Wald rein!" Sie zog Bruster mit sanftem Nachdruck hinter sich in den Wald hinein und verschwand so aus jedem Blickwinkel von Hogwarts aus. Hagrid, der Wildhüter mochte noch irgendwo herumstrolchen, aber da, wo die beiden sich hinbegaben, würde er wohl nicht gehen.

Sie zogen einen Kreis aus Zaubertinte, in den Loren viele Runen hineinschrieb und mit Zaubersprüchen und Zauberstabbewegungen bestrich. Damit waren sie für eine gewisse Zeit unortbar und unabhörbar.

"Den Kreis muß ich von dir noch lernen", sagte Bruster nun sicher, nicht belauscht zu werden. Loren meinte dazu:

"Der ist nur für uns Schwestern gedacht, Bruster."

"Ja, aber meine Mutter gehört doch zu euch", knurrte Bruster.

"Ja, sie. Aber du kannst da nicht eintreten. Diese Lady Sophia würde dich auch dann durchschauen, wenn du und ich mal wieder alles getauscht haben. Außerdem bin ich jetzt schon dabei. Würde also auffallen."

"Slytherin", knurrte Bruster. Loren lachte nur darüber.

"Was meinst du, warum du das deinen Leuten nie verkaufen kannst, daß wir beide zusammen sind, abgesehen davon, was wir beide schon alles erlebt haben und ich dir alles ohne die Erlaubnis von Bitterling Flitwick oder Snape beigebracht habe. Immerhin wissen wir ja nicht, ob Snape nicht doch noch seinem alten Meister dient und nur so tut, als sei er ach so reuevoll in Dumbledores offene Arme gerannt. - Aber was wichtigeres. Ihre Ladyschaft hat ja deiner und meiner Mutter nach unserem ersten Schultag, wo du noch zu den halbmuggelstämmigen gehen mußtest, erzählt, daß eine zur ewigen Wanderschaft von Körper zu Körper verfluchte Seele sich wieder in einem Körper ihrer Bestimmung eingefunden hat und im Auftrag von jemandem, der mächtiger war als alle sogenannten Schwarzmagier zusammen zur Rückkehr verhelfen will. Das mit Agatha Priestley beweist, daß dieser Typ, der die Ankunft des sogenannten Unbezwingbaren vorbereiten soll, wirklich wiedergeboren wurde. Lady Ursina hatte also tatsächlich recht mit dem zweihundert Jahre dauernden Zyklus, nachdem dieser verfluchte Helfer sich wieder frei an der Welt zu schaffen machen können soll. Deshalb suchen wir hier in Hogwarts nach irgendwem, der sich der dunklen Seite zugewendet hat, aber nicht dem Emporkömmling nacheifert, ja vorerst nicht einmal davon was weiß. Jetzt vermutet Ihre Ladyschaft, daß der Aufwachvorgang so gut wie abgeschlossen ist, weil das Ding mit Agatha Priestley passiert ist und die drei Mädchen aus meinem Haus angeblich sofort den Dementoren überstellt wurden."

"Und wer sagt dir, daß die nicht sofort den Dementoren überstellt wurden?"

Professor Silverbolt sagt das, beziehungsweise, er hat was gemacht, was mir sagt, daß er sich da sicher ist."

"Bitte was soll der gemacht haben?"

"Er hat uns zu Weihnachten einen Schal geschenkt, in den er einen sehr starken Zauber eingewirkt hat. Aus jedem Haus hat jemand so einen Schal bekommen. Der Zauber den er gewirkt hat, ist ein besonders starker und uralter Zauber, sagt Lady Ursina. Ich habe den Schal nämlich mit einem Revelio-specialis-Zauber untersucht und Silverbolts durchsichtige Erscheinung gesehen, bevor der Zauber ohne weitere Enthüllung verpufft ist. Den Zauber kann nur ein besonders starker Fluch oder ein besonders mächtiger Schutzzauber abwehren. Da Silverbolts Erscheinung sehr hell war, vermute ich zweites und sandte meiner Mutter eine Melo-Nachricht. Ich bekam dann zwei Stunden Später bescheid, daß es einen Zauber gibt, der die schwarze Magie, wie sie zur Zeit des alten Reiches bekannt war, gezielt aufspüren und den, der ihn gewirkt hat warnen kann, wenn solches Zauberwerk innerhalb von fünfzig Schritten Umkreis benutzt wird. Diesen Zauber kann nur jemand wirken, der einerseits die alte Sprache, die nur sehr sehr wenige noch können gelernt hat und andererseits ein Erbfeind eines düsteren Herrschers aus Atlantis ist. Darüber hinaus hat Lady Ursina, deren Mitteilung meine Mutter weitergab herausgefunden, daß Silverbolt schon vor neunzig Jahren - überleg einmal! - zusammen mit einem gewissen Albus Dumbledore, den heute kein Mensch mehr kennt", wobei sie verschmitzt lächelte, "gegen einen Dunkelmagier gekämpft hat, der selbst nach dem Versteck suchte, wo sich der uralte Schattenfürst beziehungsweise seine Seele verborgen hält und in seiner Ahnenlinie hochrangige Magier besitzt, die gegen die dunklen Künste gekämpft haben. Angeblich habe er damals das Versteck des schwarzen Spiegels von Iaxathan, dem Unbezwingbaren, gefunden und verhindern können, daß dieser Dunkelmagier einen neugeborenen Jungen darauf legt, um dem gefangenen Schattenfürsten einen neuen Körper zu verschaffen. Der schlaue Fuchs hat dann wohl alles Wissen um das Versteck aus seinem Gedächtnis entfernen lassen, um nicht unfreiwillig zu verraten, wie ein machtlüsterner Zauberer oder eine überehrgeizige Hexe daran kommt. Bevor du fragst, woher ich das weiß, das steht in einem dieser ominösen Bücher von Lucretia Withers, daß welche von den entschlossenen wie den übergeduldigen Schwestern, wie auch die orientalische Bruderschaft des blauen Morgensterns ihn verhört und gründlich legilimentiert haben. Womöglich hat er alle Erinnerungen ausgelagert und mit ihnen auch die Erinnerungen an den Aufbewahrungsort verschwinden lassen. Da es unlogisch wäre, eine so wichtige Erinnerung unauffindbar zu löschen, muß jemand ihm geholfen haben, sie zu verstecken, es aber heute auch nicht mehr wissen, aber durch irgendetwas darauf gebracht werden."

"Erinnerungen auslagern, mit einem Denkarium?" Fragte Bruster. Immerhin hatte Loren ihm doch einiges beigebracht, und Lady Ursina Underwood hatte ihr und seiner Mutter erlaubt, ihm geheime Dinge zu erzählen oder fortgeschrittene Zauber zu lernen, weil Loren sonst bestimmt nicht so frei darüber hätte plaudern können.

"Ach, dann ist dieser Bodenbereiter, der einem Typen helfen soll, der mächtiger als Du-weißt-schon-Wer sein soll, aufgewacht und hat getestet, ob er jemanden verfluchen kann, ohne daß es jemand rauskriegt", sagte Bruster. Loren nickte.

"Er muß tatsächlich im Körper eines Hogwarts-Schülers schlummern, so tief, daß selbst der sprechende Hut ihn nicht erkennen konnte, der ja sonst angeblich alles durchschauen kann. Die uralte Macht des Schattenfürsten dürfte dem Bodenbereiter geholfen haben, sich vor der im Hut gebündelten Kraft der vier Gründer von Hogwarts zu verstecken, solange er nicht frei handeln konnte. Das heißt, daß der Hut ihn bedenkenlos in irgendein Haus von Hogwarts gesteckt hat", erwiderte Loren Tormentus.

"Warum nicht als Schülerin?" Fragte Bruster herausfordernd.

"Iaxathan haßte die Frauen, weil sie ohne Magie neues Leben hervorbringen können und die Männer angeblich daran hindern, ware Macht zu erlangen. Außerdem war seine größte Widersacherin die Kaiserin des Lichtes, die laut Ihrer Ladyschaft ebenfalls ein mächtiges Artefakt hinterlassen hat. Deshalb kann und hat er nur männliche Diener gehabt und der Bodenbereiter war nur in männlicher Gestalt aktiv geworden, wurde aber zum Glück immer wieder rechtzeitig von sogenannten guten Zauberern wie machtbewußten Hexen und Zauberern erkannt und gestoppt, bevor er seinen Meister wiedererwecken konnte. Er ist also ein Schüler, der jetzt vielleicht noch nicht weiß, was in ihm lauert. Aber wenn er sich Gorgonenblut besorgt hat, weil Snape nichts davon bei sich hat, muß er schon eine gewisse Zeit die Kontrolle über seinen Körper gewonnen haben. Das heißt, er wird bald vollständig aufwachen, und dann haben wir einen, der den leibhaftigen Teufel der christlich-jüdisch-mohammedanischen Lehren heraufbeschwört, Seth, wie ihn die Ägypter nannten, Satan oder Asmodeus, oder in wie vielen Religionen er noch erwähnt wird."

"Was uns beide jetzt dazu bringt, über den Fortgang unserer geheimen Mission zu reden, Loren", meinte Bruster.

"Die darin besteht, daß ich die Gryffindors, Ravenclaws und Hufflepuffs überprüfen muß, weil ich die entsprechenden Zauber gelernt habe."

"Du glaubst doch wohl nicht, daß die dich einfach fragen lassen oder an sich herumzaubern lassen."

"Das hast du mir vor vier Jahren schon erzählt, Bruster", erwiderte Loren lächelnd. "Nur diesmal ist es kein Spiel mehr."

"Ich denke, wir sollten das lassen, Loren. Der Spaß ist vorbei."

"Da stimme ich dir zu, was den Spaß angeht. Aber vorbei ist es nicht. Ich kann froh sein, daß wir beide uns so gut darauf eingestimmt haben, daß es keinem mehr auffällt."

"Außer einer Sabberhexe", feixte Bruster. Loren verzog das Gesicht und schnaubte:

"Grünes Aas."

__________

Eunice Armstrong kam zusammen mit Bruster zur Konferenz der Vertrauensschüler. Aurora wollte schon fragen, was die beiden solange aufgehalten hatte. Eunice sagte jedoch von sich aus, daß sie noch zu arbeiten gehabt habe und Bruster sie erst sehr spät per Eule erreicht habe.

Dumbledore eröffnete die Konferenz und erteilte Bruster Wiffle das Wort.

"Guten Tag erst mal zusammen! - Ja, auch Sie, Ms. Rattler", begrüßte Bruster nun seine Mitschüler, wobei er den obersten Rang zwischen ihnen und einem Lehrer einnahm. Tonya sah ihn mit gerade so zurückgehaltener Verärgerung an. "Sie haben ja heute morgen bei der Begegnung Ravenclaw gegen Slytherin miterleben müssen, wie einer unserer Treiber, Mr. Tim Preston, einen Klatscher dermaßen unglücklich abspielte, daß er nicht den Arm des Slytherin-Hüters traf sondern dessen Nase und Mundpartie, weshalb er nun einen Kiefer- und Nasenbeinbruch und den Verlust von zwölf Zähnen auskurieren muß, was dank unserer kompetenten Schulkrankenschwester keine drei Tage dauern wird. In Folge dieses unglücklichen Volltreffers stieß der Kapitän der Slytherin-Mannschaft eine Vergeltungsdrohung aus. Ich muß leider aus eigener Erfahrung zugeben, daß die Vergeltungsdrohungen von Bewohnern des Hauses Slytherin stets wahrgemacht wurden. Dadurch bin ich als ranghöchster Schüler Ravenclaws sowohl für die Gesundheit und das Wohlergehen von Mr. Preston verantwortlich als auch in meiner Eigenschaft als Schulsprecher dafür zuständig, daß wir hier alle nicht unsere Selbstbeherrschung verlieren und diesem einen unschönen Unfall weitere, eindeutig vermeidbare Unfälle folgen könnten. Daher habe ich unseren Herrn Direktor, Professor Dumbledore, einen Vorschlag gemacht: Sollte jemand sich dazu berufen fühlen, die Drohung des Mannschafts-Kapitäns der Slytherins umzusetzen, aus welchem Grund auch immer, mögen für jeden Versuch, das zu tun, ob mit Zauberei, Körperkraft oder beleidigenden Äußerungen, einhundert Punkte abgezogen werden. Professor Dumbledore riet mir, diese sehr eingreifende Maßnahme mit Ihnen allen zu besprechen und am Ende darüber abzustimmen."

"Was fällt dir ein, deine Rangstellung so zu mißbrauchen und derartige Drohungen für Leute aus meinem Haus auszusprechen, Wiffle?" Schnaubte Snape. Doch Dumbledore, McGonagall, Flitwick und Sprout sahen ihn warnend an. Bruster sah sich um. Bis auf die Vertrauensschüler der Slytherins, die ihn wutentbrannt anfunkelten, blickte er nur in zustimmend wirkende Gesichter. Dumbledore ergriff das Wort und fragte:

"Besteht der Anlaß zu glauben, daß durch einen Punkteabzug weniger als fünfzig die Gefahr für Mr. Preston gebannt ist und der allgemeinen Disziplin in Hogwarts genüge getan wäre?" Professor McGonagall schüttelte den Kopf, ebenso Professor Sprout. Professor Flitwick wiegte besorgt den Kopf, während Snape verächtlich in die Runde blickte. So bat Dumbledore um Wortmeldungen, wenn jemand etwas dazu zu sagen hatte. Doch außer den Slytherins, die sich wegen eines Schülers nicht derartig bestrafen lassen wollten, wandte niemand etwas gegen diese Maßnahme ein. Eunice sagte sogar:

"Tim ist Muggelstämmig, und wir wissen, wie früher Kinder, deren Familien mit Ihr-wißt-schon-wem sympathisiert haben sehr abschätzig auf Muggelstämmige gesehen haben oder dies immer noch tun. Wir wissen auch, was vor etwas mehr als zwei Jahren passiert ist, als brutale Störenfriede die Quidditchmannschaft der Gryffindors überfallen haben. Alle von denen wurden der Schule verwiesen. Ich denke nicht, daß jemand aus welchem Haus auch immer sowas noch mal miterleben möchte, oder?"

"Ms. Armstrong, wegen dieser Sache wird doch keiner den Rauswurf riskieren", knurrte Bazil Callahan. Professor McGonagall korrigierte ihn, er möge nicht "Rauswurf" sondern "Schulverweis" sagen. Dumbledore ließ sie gewähren und nickte nur zustimmend. Dann meinte Dorian Dirkson:

"Ich glaube, daß ist hier für keinem von uns angenehm, wenn irgendein Haus wieder Schüler verabschieden muß, die ihre Ausbildung nicht zu Ende bringen können. Immerhin sind wir ja doch alle füreinander mitverantwortlich und sollten uns entsprechend vertragenund respektieren."

"Hufflepuff-Philosophie", knurrte Tonya Rattler. Professor Sprout räusperte sich mahnend.

"Nun, offenkundig gibt es bereits feste Meinungen und wäre es daher unnötige Zeitvergeudung, wenn wir jetzt eine Diskussion betreiben, die sich alsbald immer wieder im Kreis dreht", sagte der Schulleiter. "Somit stimmen wir ab. Legt jemand Wert auf eine geheime Abstimmung?" Keiner hob die Hand. "Gut, dann bitte ich jetzt um Handzeichen, wer für Mr. Wiffles Anregung stimmt, Angriffe auf Muggelstämmige Schüler zukünftig mit Punktabzügen von 100 Punkten und einer Strafarbeit für den oder die Missetäter, im Wiederholungsfall dem Schulverweis zu ahnden!" Außer den Händen der Slytherins konnte Dumbledore nur erhobene Hände sehen. Dumbledore nickte und sagte: "Damit hier nicht der Eindruck entsteht, wegen eines einzigen Schülers einen überhöhten Aufwand zu betreiben schlage ich vor, daß diese Maßnahme vorerst bis zum Ende des kommenden Schuljahres in Kraft gesetzt wird, bis zum Sommer 1985 also. Möchte jemand dazu etwas einwänden oder ergänzen?" Keiner sagte was. Selbst die Slytherins blieben stumm. Denn jetzt einen Einwand dagegen zu bringen hieße, zuzugeben, daß sie durchaus davon ausgingen, daß die Maßnahme sie am heftigsten und häufigsten treffen konnte. Bruster konnte sich ein überlegenes Lächeln nicht verkneifen.

"Nun, dann gehe ich davon aus, daß wir heute nichts weiteres mehr zu besprechen haben, wo unsere volle Anzahl benötigt wird", schloß Dumbledore die kurze aber weitreichende Sitzung. Tonya sprang als erste auf, gefolgt von ihren Hausmitbewohnern. Als diese abgerückt waren verabschiedeten sich die Vertrauensschüler und -schülerinnen artig von Dumbledore und den anwesenden Hauslehrern und verließen das runde Turmzimmer.

"Also Tonya wird dich nicht zum Vater ihrer Kinder haben wollen, Bruster", hörte Aurora Eunice zu Bruster sagen. Dieser verzog das Gesicht und meinte dann:

"Würfelförmige Männchen kann ich auch aus normalen Würfeln zaubern. Da muß ich mir an ihr nichts schmutzig machen, Eunice."

"Ich wollte es dir nur sagen, für den Fall, daß du ihre wilde Entschlossenheit bewunderst, mit der sie einfach so abgezogen ist", stichelte Eunice.

"Ich werde ein Feuerwerk abbrennen, wenn ich mir sicher bin, daß ich dieser klobigen Kanallie nie wieder näher als drei Meilen kommen muß. Bis dann denn, Eunice."

Bruster zog ab richtung Ravenclaw. Aurora fragte, ob sie ihn und die anderen begleiten sollte. Immerhin war sie im Moment die älteste Vertrauensschülerin.

"Wieso, hast du was besonderes vor?" Fragte Bruster.

"Ich will meinen Besen reparieren lassen. Mit dem verbogenen Schweif kriege ich beim Spiel gegen Gryffindor keine gescheiten Flugbewegungen mehr hin."

"Och, wenn die mit 100 Toren und Schnatzfang die Hufflepuffs besiegen haben die den Pokal ja doch schon sicher", meinte Bruster. Eunice blickte ihn verwundert an. So einen Spruch hätte sie eigentlich bringen müssen. Dorian sah sie an, wie sie dreinschaute und dann den leicht betrübt wirkenden Bruster und meinte:

"Die und 100 Tore gegen uns? So mies sind wir ja doch nicht. Wirst sehen, wenn wir den Rüpelhaufen aus Slytherin und dann die Gryffindors durch technischen Vorsprung ausmanövrieren."

"Ach, hat wer Eurer Mannschaft Nimbus 1700 spendiert? Oder fliegt ihr auf Staubsaugern?"

"Wenn du diese Muggel-Elektrobesen meinst, brauchen wir sowas nicht, Bruster. Wir spielen um den Pokal mit, auch wenn euer Eierkopfverein uns gut runtergemacht hat."

"Das wird bestimmt spannend", feixte Bruster. Eunice meinte dazu:

"Dorian, ihr müßt gegen die Slytherins unbedingt gewinnen, wenn ihr um den Pokal mitspielen wollt. Vorher solltest du nicht zu groß auftrumpfen."

"Wie du meinst, Eunice", sagte Dorian. Dann gingen alle ihrer Wege.

Als die Ravenclaw-Vertrauensschüler und der Schulsprecher ihren Hausbewohnern berichtet hatten, daß Dumbledore verfügt habe, daß die Strafandrohung für den Fall, daß irgendein Muggelstämmiger nachweislich angegriffen wurde anderthalb Schuljahre lang aufrecht erhalten blieb klatschten alle Beifall. Dina und Roy, die bis dahin an einem Zweiertisch gesessen hatten, erhoben sich und nickten Aurora und Bruster zu. Aurora nickte zurück und winkte ihnen, in die Mitte des Gemeinschaftsraumes zu kommen.

"Wenn wir schon mal alle hier zusammenstehen", sagte Roy Fielding mit schwer zurückzuhaltener Erregung, "Meine Frau und ich haben euch was mitzuteilen, was für uns persönlich zwar sehr sehr schön ist aber bestimmt auch einiges an Schwierigkeiten bringt." Schlagartig verstummte jedes Flüstern und Tuscheln. Die Schülerinnen der siebten Klasse grinsten wissend, die anderen Mädchen sahen Dina mit einer Mischung von Frage und Vorahnung, Freude und Mitgefühl an. Dina straffte sich und legte kurz die rechte Hand auf ihren noch recht flachen Unterleib.

"Wir werden im September ein Baby bekommen", sagte sie und strahlte in die Runde. "Madame Pomfrey hat es heute morgen festgestellt, und Roy, mein Mann, ist sehr froh, daß wir unser Leben nach Hogwarts gleich als richtige Familie beginnen können." Der werdende Vater strahlte nun auch sehr stolz und warf sich in Siegerpose.

"Ey, das ist aber unfair, wenn der Kindsvater das vor allen anderen erfährt", warf Agatha Priestley ein. Alle Mädchen kicherten. Die Jungen grinsten spöttisch. Philipp meinte:

"Du weißt, daß unser Vater nie Zeit hatte, sich etwas erklären zu lassen, Schwesterchen. Deshalb konnte der das ja auch erst als letzter erfahren, als du oder Arcadia unterwegs wart. Immerhin hatte er Zeit, dich und sie auf den Weg zu bringen." Die Jungen lachten, während die Mädchen ihn verstört ansahen, bis Aurora lachen mußte und alle damit ansteckte. Immerhin kannte sie die Priestleys ja von allen hier am besten. Sie erinnerte sich auch gut, als ihre Tante June bei ihren Eltern und Ihr vorbeikam und ihnen verkündete, daß sie wieder ein Baby erwartete. Offenbar, so vermutete Aurora heute, tat sie das nicht ganz ohne schwesterliche Überheblichkeit, weil Regina Dawn nur eine Tochter hatte.

"Wer hat das alles vor mir erfahren? Hand hoch!" Rief Roy immer noch strahlend in den Raum. Nur Bruster, Philipp und Dinas Schlafsaalkameradinnen hoben die Hände. "Da bin ich ja froh, daß ich nicht der allerletzte war, der's erfahren hat", scherzte er dann noch und beschwor einen Lachorkan herauf, der zwei volle Minuten durch den Gemeinschaftsraum toste. Dann sagte Dina zu allen Mädchen:

"Ich weiß, einige finden es blöd, daß ich jetzt ein Kind bekomme und ihr nicht. Andere könnten meinen, es sei was tolles, in einer Schule Mutter zu werden oder zumindest mit einem heranwachsenden Baby im Bauch Schularbeiten hinzukriegen oder gar die UTZ-Prüfungen. Andere von euch Mädchen wiederum bedauern mich dann wohl, weil ich jetzt schon an Sachen wie Windeln, nächtliches Geschrei, erste Zähnchen und ein quängeliges Bündel Leben denken muß, von den anderen Umständen, die davor sind ganz zu schweigen. Meine Mutter hat in der Zeit dreißig Kilogramm zugelegt, als ich unterwegs war. Ich hoffe, ich schaffe nur die Hälfte." Alle Mädchen lachten, und die Jungen wußten offenbar nicht, ob sie jetzt lachen durften oder es besser bleiben ließen. Aurora meinte dann:

"Also eins ist sicher, Dina, du stehst das nicht alleine durch. Weil Roy ja nicht immer bei dir sein kann sage ich das jetzt in der großen Überzeugung, für Miriam und Petula mitzusprechen, daß wir dir bei allem helfen, wo du unsere Hilfe haben möchtest oder brauchst. Und sicher ist es für uns junge Frauen und Mädchen nicht ganz uninteressant, es mitzubekommen, wie viel Stress und Freude eine Schwangerschaft bereitet. Immerhin denke ich, daß hier viele von uns sitzen, die irgendwann auch Kinder haben möchten und da bestimmt große Angst haben, wenn sie vorher nicht mitbekommen konnten, wie das abläuft. Du hast wohl auch Angst, Dina. Aber wir sind da, um dir dabei zu helfen, keine Angst mehr haben zu müssen. Du weißt ja, daß ich in gutem Kontakt mit Madame Pomfrey stehe. Falls du das möchtest, Dina, und Roy auch nichts dagegen hat, lasse ich mich von ihr schon einmal ausbilden, um dich richtig betreuen zu können."

"Ich auch", warf Petula ein. "Meine Schwester will sich demnächst auch Nachwuchs zulegen. Da möchte ich auch wissen, was dabei zu beachten ist."

"Da werde ich mich nicht ausschließen", sprang Miriam noch bei. "Sage Madame Pomfrey, wir möchten das lernen, wie man eine werdende Mutter betreuen muß. Außerdem kriegt Petulas Katze ja bald Junge von meinem Kniesel."

"Du meinst, da könntet ihr dann schon üben?" Feixte Mortimer. Miriam glubschte ihn an und knurrte nur:

"Schaden kann's nicht."

"Echt, Halbkniesel in Hogwarts. Kann ich eins von den Jungen haben, wenn die von der Mutter nix mehr wissen wollen?" Fragte Nelly Flowers.

"Ich dachte die potenten Kater lassen die nicht auf den freien Markt", meinte Mortimer Swift. Dann sollte sich Professor McGonagall besser nicht mehr in eine Katze verwandeln, sonst macht die dein Feuerball auch noch dick." Alle lachten, sogar die Vertrauensschüler und Bruster, der an und für sich für diese Respektlosigkeit einen Punktabzug hätte aussprechen müssen. Aber so wartete er, bis sein Lachanfall verflogen war und sagte immer noch sehr erheitert:

"Nun, dann sollten wir es ihr schonend beibringen, daß hier ein zeugungsfähiger Kniesel herumläuft. Ich denke, den nimmst du wohl mit, Miriam."

"Natürlich. Wenn der gute Junge machen kann lasse ich den ins Zuchtregister eintragen", sagte Miriam sehr entschlossen. Dabei wußte sie schon, daß ihr Kniesel einer der Sorte war, wo alle fünf Generationen eine gewöhnliche Hauskatze mit eingekreuzt wurde, was für eine reine Knieselzuchtlinie nicht gerade die höchste Empfehlung war, wo bei echten Edelknieseln eine Einkreuzung von einer Katze pro zwölfter, bestenfalls zwanzigster Generation oder weniger gefragt war und Hauskniesel alle acht Generationen eine Hauskatze in die Blutlinie eingekreuzt bekamen.

"Wann kommen die Jungen an?" Fragte Nelly Aurora zugewandt, die Petula ansah und sagte, daß sie die Pflegemutter dieser Jungen sein würde und das mit Professor Kesselbrand besprochen habe, als sie, Aurora, Quidditch gespielt habe.

"Also, drei Monate tragen Kniesel und gewöhnliche Katzen. Da Professor Kesselbrand mit einem sogenannten Einblickspiegel in meine Schneeflocke reingesehen hat und die Kätzchen da gesehen hat meint er, daß sie wohl kurz vor Ostern jungen wird. Es werden insgesamt fünf Junge sein, was für Katzen schon sehr viel ist. Also können sich fünf Leute einen zulegen."

"Hoffentlich werden das alles Mädchen, sonst kann sich McGonagall nicht mehr im Unterricht verwandeln, ohne Angst davor haben zu müssen, daß sich einer von den Jungs verkuckt."

"Freunde, abgesehen davon, daß hier in Hogwarts nach meinem Wissen als Schulsprecher fünfzig Katzen und zwanzig Kater wohnen, verteilt auf alle Häuser, die meisten davon in Gryffindor, denke ich schon, daß unsere geschätzte Verwandlungslehrerin und stellvertretende Schulleiterin nicht gerade dahin läuft, wo ein Kater auf Brautschau herumläuft und sich bestimmt auch in ihrer Animagus-Gestalt jede unsittliche Berührung verbitten wird. Ich verstehe viel Spaß und werde deshalb keine Respektlosigkeitspunkte abziehen. Aber bitte erzählt diese Sache nicht so außerhalb von Ravenclaw herum. Proffessor McGonagall versteht bestimmt keinen Spaß, und kann euch verbindlich sagen, daß die fremdbewirkte Mensch-zu-Tier-Verwandlung keine geschlechtsabhängige Sache ist, was die Ausgangsgestalt als auch die Endform betrifft. Das nur für die jungen Herren, die unsere Verwandlungslehrerin vielleicht doch mal damit aufziehen könnten."

"Verwandlungen zur Strafe sind in Hogwarts nicht erlaubt. Das geht nur in der Froschfresser-Akademie von Boxbetong oder bei den Thornys in Amiland", wagte Philipp es, Bruster zu belehren.

"Das würde dann keine Strafe sein, sondern eine lehrreiche, magische Erfahrung", erwiderte Bruster. "Und für sowas sind wir hier in der Schule und die Lehrer sollen uns helfen, solche Erfahrungen zu machen." Er grinste, weil er den halbstarken Prahlhänsen soeben jeden Spaß am Spott verdorben hatte. Die Mädchen kicherten belustigt. Dann meinte Aurora:

"Leute, freuen wir uns doch, daß wir zum einen etwas unbesorgter sein können, weil unser Klatscherbaron nicht auf eine offene Blutrache gefaßt sein muß, daß Dina und Roy im September ein Kind bekommen werden und vor Ostern noch fünf kleine Kätzchen mit Pinselschwänzchen zu besichtigen sein werden. Und freuen wir uns auch, daß wir heute die Slytherins fertiggemacht haben." Ein lauter Jubel brandete durch den Gemeinschaftsraum. Dann wurde gefeiert.

__________

Schulsprecher oder nicht, Bruster, kannst du mir und Eunice mal erklären was das sollte?" Knurrte Cynthia Flowers, als sie zusammen mit Eunice Armstrong Bruster Wiffle und Aurora Dawn nach einer Stunde Verwandlung zu einem vertraulichen Gespräch in einem Abstellraum bestellt hatte, den sie zum Klangkerker machten, um nicht belauscht zu werden.

"Wovon sprichst du bitte, Cynthia?" Fragte Bruster. Eunice sah ihn sehr kritisch an, während Aurora nicht so recht zu wissen schien, was diese Geheimbesprechung nun sollte.

"Dieser komische Zauber, den du auf Randolph Digger aus der dritten Klasse gelegt hast. Der war völlig durch den Wind, als er sich für eine Minute in einem Strudel von Erinnerungen verloren hat, ohne sich davon freimachen zu können. Was sollte das?" Knurrte Cynthia.

"Hat jemand Randolph angegriffen?" Fragte Bruster unschuldsvoll dreinschauend.

"Bruster, wir haben euch vor zwei Wochen unterstützt, damit euer Treiber Preston nicht von den Slytherins fertiggemacht werden kann, und du machst jetzt mit irgendso'nem Erinnerungswirbelzauber herum?" Fauchte Eunice. "Digger behauptet, dich gesehen zu haben, bevor er sich selbst als Baby, im Kindergarten und der Grundschule, bei verschiedenen Geburtstagsfeiern und ähnlichem gesehen hat. Also was sollte das?" Erwiderte Cynthia.

"Ihr meint, ich hätte den Jungen verflucht oder was? Ist aber eine schwere Anschuldigung", knurrte Bruster nun sichtlich verärgert. Aurora sah ihren Klassenkameraden an.

"Norman Lincoln aus der dritten von meinem Haus hat vor einer Woche was erzählt, er wäre von der Bibliothek losgegangen und hätte plötzlich vor der Treppe zu den oberen Stockwerken gestanden, ohne sich daran zu erinnern, wie er dahingekommen sei. Da ich da nicht gleich von einem Angriff reden wollte habe ich's Professor Dumbledore nicht erzählt. Aber jetzt gerade hat mich Cynthia angesprochen, daß mit ihrem Hausbewohner dieser Zauber passiert sein soll. Randolph hat dein Gesicht in einer blank polierten Rüstung erkannt, bevor ihn etwas von hinten berührt hat und er sich in diesem Erinnerungsstrudel wiederfand. Denkst du, der Junge belügt uns?"

"Denkst du, ich würde von hinten irgendwelche Mitschüler angreifen?" Fragte Bruster nun sehr ernst. Aurora rümpfte die Nase. Eunice sah Bruster mit einer Mischung von Vorwurf und Unsicherheit an.

"Eben gerade das wollen wir ja klären, bevor wir zu Dumbledore gehen müßten", sagte die Schulsprecherin. "Wenn jemand wie du jetzt wirklich herumläuft und Schüler behext, nachdem das mit Agatha Priestley vor Weihnachten passiert ist, kommt nachher noch wer auf die Idee, du könntest dahinterstecken."

"Dann wäre das aber ziemlich gefährlich, mir sowas vorzuwerfen", erwiderte Bruster nun verächtlich dreinschauend. "Wenn ich wirklich irgendwen behexen wollte, um irgendwas anzustellen, hätte ich dich und Cynthia gerade eben verfluchen können. Aber was immer passiert ist, ich war das nicht", sagte Bruster nun sehr entschlossen. Aurora überlegte. Bruster würde doch nicht hinterhältig auf zwei jüngere Schüler einfluchen. Oder war da etwas, das ihn zwang? So fragte sie:

"Ist Randolph Digger was anderes passiert als dieses Herumwirbeln in Erinnerungen? Ich meine, ich wüßte von keinem anderen Fall, wo sowas passiert ist, und ich bin doch häufiger bei Madame Pomfrey und kriege mit, wenn jemand durch fehlgeschlagene Zauber Probleme kriegt oder angegriffen wurde."

"Nun, ich kann mir das auch nicht vorstellen, daß Bruster das wirklich riskieren würde, wo er vor einigen Jahren schon fast rausgeflogen wäre und von den Lehrern die Bewährungszeit aufgebrummt bekommen hat."

"Die ich voll und ganz erfüllt habe, Eunice. Wärme bitte nicht diese uralte Kamelle mit der Bitterling wieder auf!" Schnaubte Bruster. "Denkst du ich würde echt was anstellen, um doch noch vor den UTZs rauszufliegen, noch dazu als Schulsprecher? Was immer dem Randolph Digger passiert ist kam nicht von mir."

"Würdest du das auf einen Eidesstein schwören?" Fragte Eunice Armstrong.

"Eunice, ich dachte, wir beide würden gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig vertrauen", seufzte Bruster. "Glaubst du nicht, daß so eine Maßnahme unsere Zusammenarbeit heftig in Frage stellt?"

"Bruster, wenn Digger meint, dich gesehen zu haben könnte er zu Professor Sprout oder gleich zu Professor Dumbledore gehen, wenn wir das nicht eindeutig widerlegen können", erwiderte Eunice entschlossen. "Gerade weil ich finde, daß wir bisher so gut zusammengearbeitet haben, und auch weil ich weiß, daß du dich nicht an jüngeren Schülern vergreifst, wäre es gut für alle von uns, wenn du magisch beeidest, daß du keinem was getan hast", erwiderte die Schulsprecherin kategorisch.

"Schuldig bis zum Beweis der Unschuld, wie, Eunice?" Schnaubte Bruster sarkastisch. "Wenn da wirklich jemand wen verflucht, dann ist der oder die wohl eher aus Slytherin. Jemand könnte auf die Idee kommen, es so hinzudrehen, daß ich irgendwelche Leute verfluche, um mich als Schulsprecher unmöglich zu machen. Schon mal daran gedacht, Eunice und Cynthia? Immerhin habe ich die Maßnahme mit den Punktabzügen bei Angriffen auf Muggelstämmige vorgeschlagen. Das wäre doch ein gefundenes Fressen für die Slytherins, wenn sie mir selbst so einen Angriff in die Schuhe schieben könnten, ob derjenige Muggelstämmig ist oder nicht. Aber wenn du das gerne absichern möchtest, Eunice, dann besorge einen Eidesstein, auf den ich vor den Hauslehrern und dem ganzen Rest der Vertrauensschüler schwören kann!"

"Habe ich schon erledigt", sagte Eunice. "Wir gehen zu Professor Dumbledore hin, erklären ihm, was passiert ist, was Cynthia dir vorwirft und daß ich das absichern möchte, daß du nicht wirklich jemanden verflucht hast. Natürlich könnten das Leute aus Slytherin gewesen sein. Aber wie soll Randolph dann dich erkannt haben?"

"Ich dachte du wärest bei Mr. Snape im Zaubertrank-Unterricht", wunderte sich Bruster. "Schon mal was von Vielsaft-Trank gehört? Vielleicht hat Callahan oder ein anderer von denen lose Haare von mir aus einem Handtuch im Vertrauensschülerbad stiebitzt und damit den Trank auf mich abgestimmt", warf Bruster ein. Eunice und Cynthia schinen zu überlegen. Die Erklärung leuchtete ein, las Aurora an ihren Gesichtern ab. Sie blickten Bruster nun eher abbittend als beschuldigend an. Bruster erkannte es wohl und blickte sie mit einem Ausdruck der Vergebung an. Dann sagte er:

"Damit wir diesen Ofen auskriegen, bevor der unser ganzes Miteinander zu Asche verbrennt mache ich das mit dem Eidesstein, Eunice und Cynthia. Was immer Digger passiert ist hat wer anderes gemacht."

"Gut, dann bringen wir das hinter uns", seufzte Eunice.

Eine halbe Stunde später schwor Bruster mit den Händen auf einem schwarzen Steinblock:

"Ich, Bruster Wiffle, schwöre bei meiner Unversehrtheit, daß ich weder Randolph Digger noch sonst einen meiner Mitschüler mit einem schädlichen Zauber angegriffen habe und dies auch in Zukunft nicht tun werde. Dies schwöre ich bei meiner Unversehrtheit." Nachdem er gewartet hatte, daß der Stein den Eid magisch besiegelt hatte, sagte Professor Dumbledore:

"Nun, die Anschuldigung ist sehr schwer gewesen, Ms. Armstrong. Aber ich verstehe, daß Sie jeden Verdacht ausräumen mußten. Ich hoffe, die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Mr. Wiffle wird nun keine weiteren Probleme bereiten."

"Aber wer hat dann Mr. Digger verflucht?" Wollte Professor Sprout wissen.

"Pomona, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob es ein Fluch sein sollte oder eine Art Gedächtniszauber", sagte Dumbledore. Professor Snape, der der magischen Vereidigung mit zynischem Lächeln zugesehen hatte, zischte dann:

"Höchstwahrscheinlich hat sich der Bursche das auch ausgedacht, um sich wichtig zu machen. Die Stimmung hier in Hogwarts ist ja seit der Sache mit Agatha Priestley nicht gerade wohlig, und was Mr. Wiffle vor zwei Wochen angeregt hat könnte einige Wichtigtuer dazu bringen, Alarm zu schlagen. Ich würde also nicht gleich davon ausgehen, daß jemand jemanden verflucht, noch dazu so stümperhaft, daß derjenige keinen Schaden davonträgt. Ms. Flowers hat nur die Behauptung von Digger, daß er irgendwas von einem Wirbel in seinen Erinnerungen mitbekommen haben soll. Prüfen Sie das erst einmal bitte nach, Herr Direktor, bevor wir uns von irgendwelchen geltungssüchtigen Leuten durcheinanderscheuchen lassen!"

"Severus, Sie können doch nicht ernsthaft glauben, daß ein Schüler aus meinem Haus etwas daherfaselt, nur um sich wichtig zu machen und dabei alle hier in Angst und Schrecken versetzt", protestierte Professor Sprout.

"Werte Kollegin, ich habe das doch selbst erlebt, daß gerade irgendwelche Burschen, weil sie sich wichtig nahmen was auch immer behauptet haben", schnarrte Snape. Dumbledore sah die beiden Kollegen an und sagte:

"Nun, Aufschneider und geltungssüchtige Schüler hatten wir wahrlich schon, Pomona und Severus. Aber bisher habe ich keinen Fall erlebt, wo jemand fälschlich behauptet hat, von jemandem angegriffen worden zu sein. Aber das prüfe ich natürlich nach, um sicherzustellen, daß wir alle nicht doch einem unverzeihlichen Streich aufgesessen sind."

"Sie werden feststellen, daß wenn Mr. Digger angegriffen wurde, er nicht gelogen hat", knurrte Professor Sprout. Doch offenbar war sie sich selbst nicht mehr so sicher.

"Sollen wir hierbleiben, bis die Angelegenheit geklärt ist?" Fragte Eunice Armstrong.

"Nein, Ms. Armstrong, das halte ich nicht für nötig", sagte Professor Dumbledore, der irgendwie in Gedanken versunken zu sein schien. Er bat Cynthia und Dorian, Randolph zu ihm zu bringen und darauf zu achten, daß ihm unterwegs nichts zustieß. Dann entließ er die Vertrauensschüler und das Schulsprecherpaar.

"Wenn der Typ echt einen vom grünen Pferd erzählt hat hoffe ich, daß der in Snapes Zaubertrankkerker nachsitzen muß, bis die großen Ferien kommen", knurrte Bruster verärgert, weil man ihm einen so schweren Vorwurf gemacht hatte. Aurora meinte beschwichtigend:

"Bruster, Eunice mußte dem nachgehen. Du hättest sie doch bestimmt auch gefragt, wenn dir wer erzählt hätte, sie hätte wen angegriffen."

"Die hätte doch nur logisch nachdenken müssen", knurrte Bruster. "Welchen Grund hätte ich haben sollen, einen Drittklässler aus Hufflepuff zu verfluchen oder zu behexen, der alles, was ich in den letzten Jahren überstanden habe zunichte macht? Wer könnte einen Grund haben, mir sowas ans Bein zu binden? Wozu soll so ein Fluch dann noch dienen? Dann hätte sie schnell erkannt, daß da wer entweder das Blaue vom Himmel lügt oder wirklich jemand rumläuft, der mich aus der Schule kegeln will, weil ich den Slytherins mit der Schutzmaßnahme für Muggelstämmige so kräftig die Tour vermasselt habe. Hinzu kommt noch, daß morgen Slytherin gegen Hufflepuff ranmuß. Wäre also auch möglich, daß da jemand die Stimmung ausnutzt, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, die Hufflepuffs gegen mich aufbringen und gleichzeitig meine Glaubwürdigkeit kaputtmachen, damit die Schutzmaßnahme von Leuten wie Snape angefochten werden kann."

"Ja, ich glaube dir, daß du nichts gemacht hast. Ich habe dir auch schon geglaubt, bevor du auf den Eidesstein geschworen hast. Eunice wollte halt nur sichergehen", beteuerte Aurora.

"Ja, und hat damit beinahe unsere Zusammenarbeit vergiftet. Also ich habe keinen Grund, irgendwen außerhalb von Slytherin zu verfluchen, Aurora. Und selbst an den Slytherins würde ich mir gerade in meiner Lage nicht mehr die Finger schmutzig machen. Das sind die nicht wert."

"Eben, deshalb war mir klar, daß du das nicht gewesen bist. Wahrscheinlich kriegen die raus, wer Haare oder sowas von dir geklaut hat, um damit einen Vielsaft-Trank anzurühren, was an sich schon ziemlich verwerflich ist."

"Snape würde das wohl schön verneinen, wenn jemand sowas macht, der zufällig aus seinem Haus kommt. Deshalb wollte ich jetzt auch nicht mehr davon anfangen. Eunice und Cynthia haben das ja auch nicht erwähnt, weil ihnen wohl auch klar wurde, daß Snape das sofort zum Anlaß nähme, uns alle runterzumachen, weil für den Vielsaft-Trank ja bestimmte Zutaten gebraucht werden, die nur er irgendwo haben muß."

"Ich hoffe, die Sache stellt sich nicht doch als ein schlechter Witz heraus", seufzte Aurora.

Als sie dann zwei Stunden später erfuhren, daß Randolph Digger seine Behauptung, Bruster gesehen zu haben zurückgenommen hätte, weil er wohl durch eine Überdosis Gedächtnisverstärkungstrank in einen Erinnerungsrausch gefallen sei und Bruster dabei als ersten Erinnerungsblitz gesehen hatte und nicht wußte, ob das nun vom Trank komme oder von dem Fluch, atmeten die Vertrauensschüler auf. Randolph bekam zur Strafarbeit auf, Madame Pince beim Abstauben sämtlicher Bücher in der Bibliothek zu helfen, ohne Zauberkraft einzusetzen. Snape hätte ihn wohl gerne in seinem Kerker Zaubertrankzutaten vorbereiten lassen. Doch die anderen Hausleiter hatten befunden, daß Digger eben nur versucht habe, sein Gedächtnis zu verbessern, um noch mehr lernen zu können und ihm die Gelegenheit gegeben werden sollte, genug Anregungen für das Lernen ohne alchemistische Hilfsmittel zu bekommen. Bruster war somit endgültig frei von jeder Schuld. Eunice und Cynthia sahen ihn nun abbittend an und blieben ihm aus dem Weg.

Als dann am nächsten Tag die Partie zwischen Slytherin und Hufflepuff mit einem knappen zehn-Punkte-Vorsprung für Slytherin zu Ende ging, weil die Hufflepuffs den Schnatz gefangen hatten und den unaufholbar scheinenden Torvorsprung Slytherins größtenteils wettmachen konnten, sprach bis auf zwei Schüler keiner mehr über die Sache, die Bruster in diesen bösen Verdacht gebracht hatte.

__________

"Ich dachte, du könntest Gedächtniszauber", knurrte Bruster, als er sich mit Loren drei Stunden nach dem Spiel heimlich im verbotenen Wald traf. Sie hatte ihren Tarnumhang übergeworfen, den ihre Mutter ihr bereits vor fünf Jahren geschenkt hatte. So hatte Bruster erst ihre unter dem Umhang verborgene Hand auf seiner Schulter spüren müssen, um zu wissen, daß sie da war. Sie warf den Umhang auch über ihn und schlich mit ihm tiefer in den Wald, darauf gefaßt, nicht von irgendwelchen magischen Raubtieren überfallen zu werden.

"Dieser Digger hat sich mit Gedächtnisverstärkerlösung behandelt. Die hätte mich selbst fast um den klaren Verstand gebracht", knurrte Loren. "Zum Glück konnte ich dem noch beikommen, als du mir gemelot hast, daß sie dich verdächtigen, den behext zu haben."

"Super. Wenn wieder sowas passiert sorge ich dafür, daß Slytherin zweihundert Punkte verliert und du von der Schule fliegst", knurrte Bruster.

"Willst du mir drohen, Bruster? Nicht nett von dir", knurrte Loren. "Abgesehen davon habe ich bald alle mit dem Aufwerfungszauber behandelt. Es fehlen von den Hufflepuffs noch vier und von den Gryffindors drei. Von euch war ja doch keiner dabei, der die entscheidenden Gedächtnistrübungen hat, von denen die Lady mir erzählt hat."

"Gedächtnistrübungen?" Fragte Bruster.

"Wie kann man das erklären, wenn wer nichts von Gedächtniszaubern versteht oder die Legilimentik beherrscht?" Fragte Loren wohl eher sich selbst. Dann sagte sie entschlossen: "Der Zauber, den ich angewendet habe bewirkt, daß der Betroffene sich in einer Minute an alles erinnert, was ihm im Leben passiert ist. Dabei habe ich einen Zauber hinzugefügt, der mich spüren läßt, wenn das Gedächtnis durch Zauberei oder Gehirnverletzungen eingetrübt oder verfremdet wurde. Die Lady hat mir zwar Legilimentik beigebracht, aber gemeint, daß ich diese Zauberei erst richtig anwenden könne, wenn ich ausgewachsen sei und ich daher keinen Aufruhr im Körper mehr hätte."

"Aha, so eine Art Schnelldurchlauf der inneren Filmspulen. Wenn es irgendwo schwarze Stellen gegeben hätte oder es Schnee auf der Aufnahme gegeben hätte hättest du gezielt nachsehen können, was für Stellen das sind, ohne dich darauf einzulassen, den betreffenden komplett auszuhorchen."

"Genauso ist es. Normalerweise bekommt derjenige das nicht mit, wenn dieser Aufwerfungszauber wirkt, wohingegen du schon merken kannst, wenn jemand dich intensiv legilimentiert, auch wenn du keine Okklumentik gelernt hast. Immerhin habe ich so den kreis der Verdächtigen auf sieben Leute verkleinert und werde weitermachen. Meine Mum hat mir noch einmal eine ganze Flasche zugeschickt. War nicht einfach, die zu tarnen. Ich denke, in der nächsten Woche wissen wir, wer der Schlummernde Schweinekerl ist."

"Und dann?" Fragte Bruster.

"wirst du ihn unter einem Vorwand in eine Falle locken, die dazu führt, daß er aus Hogwarts entfernt wird. Dann werden meine Mitschwestern ihn kassieren und unschädlich machen."

"Umbringen? Neh, Loren, das läuft nicht!" Protestierte Bruster. An einem Mord wollte er sich ganz bestimmt nicht beteiligen.

"Bruster, deine Mum und auch Ihre Ladyschaft haben dir doch zugesichert, daß wir niemanden umbringen, wenn er uns nicht dazu zwingt oder selbst eine zu große Gefahr für die Zaubererwelt darstellt. Wenn wir's schaffen, den Bodenbereiter vor dem endgültigen Aufwachen zu erwischen, können meine Schwestern dafür sorgen, daß sein Geist entweder endgültig vernichtet wird, ohne den Körper zu zerstören oder den Geist aus dem Körper austreiben und ihn hoffentlich einkerkern, damit er nicht wieder von einer Wiege zur nächsten Bahre weiterzieht und dann mit einem anderen Baby in der nächsten Wiege landet. Lady Ursina meinte, daß der Contrarigenus-Fluch ein wirksames Austreibungsmittel sein könnte."

"Weil dieser Schattenfürst und sein Knecht keine Frauen abkönnen?" Fragte Bruster. Dann würdet ihr den Jungen in ein Mädchen verwandeln, daß irgendwann glaubt, immer schon eins gewesen zu sein?"

"Ganz genau, wenn es nicht möglich ist, die kurz vor dem endgültigen Schlüpfen stehende Parasitenseele zu entfernen, ohne dem Körper Schaden zuzufügen. Ich hätte dich bestimmt nicht empfohlen, mir helfen zu dürfen, wenn ich mir sicher wäre, daß wer das auch immer sein soll getötet werden muß. Das würde ja eh nichts bringen, weil damit ja nur ein weiterer Wirtskörper vernichtet wird. Dieser Iaxathan hat seinen Gehilfen mit einem Fluch belegt, ewig von einer Lebenszeit zur nächsten zu treiben, bis er wieder stark genug ist, um seinem Meister auf die Beine helfen zu können. Wenn wir Erfolg haben - und mit "wir" meine ich auch dich, Bruster - können wir diese Bedrohung ein für allemal aus der Welt schaffen, wie Potter, Black, Porter und deine Kollegin Aurora Dawn es mit der Braut des blutigen Barons gemacht haben und der Emporkömmling es fast mit sich selbst geschafft hätte."

"Warum der den sogenannten Schattenfürsten eigentlich nicht gesucht hat", grummelte Bruster. Doch die Antwort, die Loren ihm gab, hätte er sich auch selbst denken können:

"Der Emporkömmling war zwar skrupellos, aber nicht dumm. Er wußte genau, daß er mit dem Schattenfürsten einen schlafenden Drachen geweckt hätte, der ihn aus purer Dankbarkeit zum Frühstück vernascht hätte. Nein, der Emporkömmling wäre nie darauf gekommen, ihn oder seinen Vorbereiter zu finden und zu umwerben. Im Gegenteil, er hat Castor Finch getötet, der als einer derjenigen herumlief, die das Versteck von Iaxathans Erbe kannten. Einer seiner entfernten Verwandten aus der Black-Familie hat es ihm wohl zugetragen, daß Finch sich über den sogenannten dunklen Lord erheben wollte, indem er sich dem Schattenfürsten als Diener anbot. Selbst ein Sklave dieses uralten Finsterlings wäre mächtiger gewesen als der Emporkömmling. Das konnte der natürlich nicht zulassen", erwähnte Loren leise. Sie saßen wieder in dem magischen Kreis, der jede Belauschung und Beobachtung ob mit oder ohne Zauberkraft vereitelte. Da ihr Freund, dessen Mutter zu ihren neuen Bundesschwestern zählte, von ihrer wirklichen Anführerin die Erlaubnis bekommen hatte, über die wichtigsten Sachen etwas zu erfahren, die sonst nur den Schwestern bekannt sein durften, konnte sie ja frei reden.

"Kannst du es mir garantieren, daß deine netten Bundesschwestern den Burschen nicht umbringen, wenn wir ihn aus Hogwarts rausekeln können?"

"Da mußt du mit Lady Ursina sprechen, Bruster. ich kann im Moment nur den Auftrag ausführen, den Bodenbereiter aufzustöbern, bestenfalls, bevor der wirklich erwacht. Passirt das nämlich, dann kriegen wir die Hölle auf Erden."

"Gut, ich sehe ein, daß es besser ist, dir zu helfen, als ein noch größeres Monster als Du-weißt-schon-Wen aufwachen zu lassen."

"Das habe ich von einem Bewohner des achso mit klugen und vernünftigen Leuten besetzten Hauses Ravenclaw nicht anders erwartet", schnurrte Loren. Dann holte sie zwei Flaschen aus ihrer Vielraumhandtasche, in der sie geheime Dinge verbergen konnte.

"Noch mal einen ganzen Tag?" Fragte Bruster leicht angewidert. "Was ist, wenn deine nette Schlafsaalnachbarin mir doch draufkommt?"

"Dann wird sie dich wahrscheinlich vor allen anderen bloßstellen", meinte Loren. "Also, ärgere sie nicht mehr als sie es verdient hat und stell dir den Wecker meiner Mutter auf eine Stunde früher als gewohnt ein!"

"Na dann", knurrte Bruster, während sie sich vorbereiteten.

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Langsam fühlte er, wie er sich aus dem geträumten Leben heraushob. Langsam flossen ihm wieder die Emotionen der anderen hier in dieser Schule zu. Jetzt konnte er losgehen, um vier von lange zurückreichender Zauberkraft durchdrungene Schüler auszusuchen, unabhängig davon, in welchem Haus sie wohnten. Noch bevor jenes Frühlingsfest herannahte, daß die Menschen der Gegenwart Ostern nannten, würde er die vier Träger der Kraft unter seinem Bann zum Versteck seines Herrn und Meisters schaffen und sie dem Spiegel der lichtlosen Tiefen übergeben, auf das sie die freiwillig darin verborgene Seele des Schattenfürsten bestärkten und ihr dazu verhalfen, freizukommen und sich einen eigenen neuen Körper zu suchen. Er hatte gehört, daß eine Hexe, die im letzten Sommer mit einem Zauberer verheiratet worden war, ein Kind unter dem Herzen trug. Vielleicht sollte er diese Frau dem Meistter als Mutter seines neuen Körpers anbieten. Doch halt! Zum einen war diese Hexe nie als besonders zaubermächtig aufgefallen, wußte er von vielen Mitschülern dessen, dessen Körper er gerade bewohnte. Zum anderen mochte sie ein Mädchen in sich herantragen, und das wäre eine unverzeihliche Beleidigung für den Meister, ein solches Geschöpf als neue Hülle seiner überragenden Seele zu beziehen. Nein, er durfte den Meister um keinen Preis der Welt verärgern, wollte er endlich in das Reich der ewigen Ruhe hinübergehen und nicht mehr von einem Leben zum anderen träumen. Er durchstreifte das Schloß, sah die Schülerinnen und Schüler, die sich über dieses amüsante, aber vollkommen unwichtige Spiel unterhielten, daß gerade gelaufen war und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, was er seit seinem letzten Versuch, dem Meister zu neuer Macht zu verhelfen angewandt hatte. Er mußte einen Kraftwiderhall erzeugen, um zu orten, wer hier die ältesten vererbten Zauberkräfte besaß. Leise dachte er die alten Worte, schaffte es, sein Traum-Ich immer mehr zu überlagern, bis er die Worte leise murmelte: "Ioshagash Aulalhischa Shabadnikato Jaada" Aus der erhabenen Sprache seiner versunkenen Heimat übersetzt hieß das: "Erklinge, Zeit erhabener Kraft!"

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"Schönes Spiel war das, Albus", meinte Adamas Silverbolt zu Dumbledore. "Ich hätte es Pomona gegönnt, wenn ihre Schäfchen noch zwei Tore geschossen und den Schnatz dann gefangen hätten. Hätte diesen überheblichen Gören und Bengeln eine wichtige Lektion erteilen können."

"Addy, ich weiß, daß du gerade den Bewohnern von Slytherin gegenüber nicht gerade wohlwollend gegenüberstehst", seufzte Dumbledore. "Aber für mich sind alle Schüler gleichwertig, egal in welchem Haus sie wohnen."

"Wer's glaubt, Albus. Du magst die Slytherins genauso wenig wie ich. Aber deine unerschütterliche Gutmütigkeit hält dich davon ab, diese Leute von hier fernzuhalten."

"Ich werde nicht auf Slytherins Voreingenommenheit eingehen und ihm nacheifern, Addy. Mir sind die Schule und alle die hier lernen zu wichtig, um mich wegen einiger einzelner auf Abwege geratener Hexen und zauberer pauschal gegen ein ganzes Haus zu wenden. Sicher befürworte ich längst nicht alles, was die Familien der in Slytherin lebenden Schüler ihnen außerhalb dieser Mauern einreden und als einzig richtig vorbeten. Aber gerade deswegen muß und will ich alles tun, um Ihnen hier in Hogwarts andere Denkansätze und Lebenswege zu zeigen. Bei jedem, den ich davon abhalten kann, sich der dunklen Seite zuzuwenden fühle ich mich bestätigt, auch wenn zwanzig andere dafür der eigenen Macht willen zu Untätern werden. Beobachten, wer wie handelt, das gehört für mich genauso dazu wie gute Ratschläge und Weisungen an die Kolegen. Doch das gelingt nur, wenn solche gefährdeten Schüler in Hogwarts willkommen sind."

"Nichts für ungut, Albus, aber du hast diesen Spinner Tom Riddle nicht davon abgebracht, sich zum Anführer dieser Todesserbande aufzuschwingen und sich als Lord Voldemort in der Zaubererwelt auszutoben."

"Du vergißt, Addy, daß ich der einzige in Hogwarts war, der die Gefährlichkeit von Tom Vorlost Riddle frühzeitig erkannt hat. Ich habe meinem Vorgänger Armando Dipped häufig genug gesagt, daß die ganzen Leistungen Riddles nur darauf abzielen, eine gute Ausgangsstellung zu erringen, um seine eigenen Machtinteressen zu verfolgen. Doch ich habe, so bedauerlich es ist, tauben Ohren gepredigt oder besser solchen Ohren, in denen Riddles Schmeicheleien und sein Lerneifer lauter klangen als meine wohlbedachten Vorbehalte und Warnungen." Einer der portraitierten Schulleiter von Hogwarts lief rot an und räusperte sich. Das war Armando Dipped, den beide, Adamas Silverbolt und Albus Dumbledore, noch als jungen Lehrer miterlebt hatten, lange bevor er Schulleiter von Hogwarts geworden war.

"Nun, falls wir nicht früh genug erkennen, wer genau der Bodenbereiter ist, ist alles, was Riddle angestellt hat nebensächlich, alle Morde, alle Tyrannei, die der sogenannte Lord Voldemort verübt hat, werden dann von noch größerer Grausamkeit überschattet werden."

"Ich hoffe immer noch, daß deine Vermutung sich nicht bewahrheitet und eine Reinkarnation des Bodenbereiters nicht in Hogwarts herumläuft", erwiderte Dumbledore betrübt.

"Tja, das ist die einzige Schwäche, die du hast, Albus. Auch wenn ich de Jure dein Untergebener bin bin ich mir sicher, daß du meine ehrliche Meinung nicht als Respektlosigkeit auslegen wirst. Aber deine unbändige und unerschütterliche Hoffnung, daß das Gute in den Menschen sich gegen die Versuchungen und Einschüchterungen durchsetzt macht dich fast blind für die Tatsachen. Allein schon, daß du diesen jungenJungspund Severus Snape vor dem Gamot entlastet hast und ihm auch noch erlaubt hast, hier zu unterrichten, das verstehe ich absolut nicht. Ich fürchte nur, daß du eines Tages für deine Gutgläubigkeit einen hohen Preis bezahlen wirst", sagte Adamas.

"Und sei dieser Preis mein eigenes Leben, Addy, so werde ich ihn sehr gerne entrichten, wenn ich dafür auch nur ein unschuldiges Leben retten und einen verirrten Mitmenschen zur Umkehr bringen kann. Solange dieser Zahltag nicht gekommen ist, beharre ich auf meiner Ansicht, daß das Gute in jedem Menschen über alle Versuchungen und Einschüchterungen triumphieren kann, wenn es genug Liebe, Zuversicht und Vertrauen erhält, durch das es stark wird. Severus weiß, daß er einen schweren Fehler gemacht hat. Er weiß, welche schlimmen Folgen das brachte und will alles korrigieren, was noch zu korrigieren ist. Darf ich ihm eine solche Möglichkeit verweigern, Addy? Darf ich ihm verbieten, aus seinem Fehler zu lernen und endlich das gute in sich zu akzeptieren? Nein, das darf ich nicht", erklärte Dumbledore. "So weit ich weiß, ist diejenige, die als Urmutter deiner Linie gilt genauso darauf bedacht gewesen, das Leben zu heiligen und die Liebe zum Leben und die Kraft der Liebe für das Leben als wahre Essenz der höchsten Zauberkraft anzusehen. Mit Haß und Voreingenommenheit kann kein verirrter Geist auf den richtigen Weg zurückgeführt werden."

"Ich kenne die Weißheit meiner Urmutter besser als du, Albus. Sie sagte jedoch auch, daß jene, die bereits jedes Licht aus sich verdrängt haben, zum Schutze der Unschuldigen bekämpft und unschädlich gemacht werden müssen. Deshalb bin ich hier. Deshalb habe ich darum gebeten, ob ich hier den Unterricht übernehmen kann. Nachdem, was du mir über das Fach erzählt hast, wollte ich auch nur ein Jahr bleiben, um es nicht darauf anzulegen, die Schule wegen eines möglichen Fluches in Gefahr zu bringen und ..." Unvermittelt erklang etwas wie eine rückwärts läutende Glocke, leise hereinschwebend und in einem lauten, abrupt verebbenden Klang auslaufend. Albus Dumbledore und Adamas Silverbolt sahen sich mit einer Mischung aus Bestürzung und zerschlagener Hoffnung an. Silverbolt holte etwas aus seiner Tasche, das wie eine große Taschenuhr aussah, jedoch ohne Ziffernblatt. Wieder erscholl jener frei im Raum schwebende Klang, heranschwebend und dann abrupt abbrechend. Er sah auf den silbernen Gegenstand in seiner Hand und zeigte ihn Dumbledore. Dieser nahm ihn und seufzte. Dann meinte er:

"Dann müssen wir wirklich einen bisher unschuldigen Jungen bekämpfen, um ihn von dem Übel zu befreien, mit dem er infiziert ist. Hoffentlich können wir ihn retten."

"Du siehst, das mit den Schals und Mützen war richtig, Albus. Hoffnung ist gut, wenn sie durch die Anerkennung der Tatsachen und die Vorbereitung auf die Folgen im Lot gehalten wird. Aber jetzt komm! Wir müssen den Bodenbereiter aufhalten, bevor er seine volle Kraft entfalten kann."

"Weißt du schon, wer es ist, Addy?" Fragte der Schulleiter sichtlich besorgt.

"Er hat den alten Zauber nicht in einem der Schulhäuser aufgerufen. Alle vier Spürzauber haben ihn gleich gut wahrgenommen und alle Meldezauber zugleich ausgelöst", knurrte Adamas Silverbolt, der wie ein angriffslustiger Wolf vor der Tür stand, bereit, loszustürzen, um die Beute zu packen. Professor Dumbledore nickte und folgte seinem Kollegen, wobei er der selbstlaufenden Treppe zurief, sie möge sie beide mit Höchstgeschwindigkeit hinuntertragen.

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Aurora Dawn war nach dem Sieg der Slytherins über die Hufflepuffs in die Bibliothek gegangen, wo sie sich mit Bruster Wiffle und Cynthia Flowers traf, um zu den Stunden bei McGonagall noch etwas mehr über die Selbstverwandlung in einen festen, scheinbar unbelebten Körper zu sprechen.

"Also der Größen-Massen-Widerstandswert spielt bei der Rückverwandlungsvorbereitung doppelt so stark hinein wie bei der eigentlichen Selbstverwandlung", meinte Bruster und betrachtete die Skizze in dem Buch "Verwandlung für Fortgeschrittene. Cynthia meinte dazu noch:

"Jetzt fangen die an, uns mit Berechnungen zu kommen, wo wir vorher nur einfach besonders gute Zauberstabbewegungen machen und uns voll konzentrieren sollten."

"Tja, eine Portion Mathematik wäre an Hogwarts nicht das schlechteste", feixte Bruster, der wohl nachplapperte, was sein Muggelvater vielleicht mal erwähnt hatte.

"Da mußt du nur die einfachen Rechensachen können", erwiderte Aurora und schrieb auf einen Pergamentbogen eine Tabelle auf, die den theoretischen Schwierigkeitsgrad einer Verwandlungsübung in Beziehung mit der Ausgangs- und Endgröße sowie der Ausgangs- und Endmasse setzte. Sie meinte dann: "Das ist als wenn du in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Menge Wasser aus einem Behälter in einen anderen umfüllen mußt. Wenn du aus einem großen was in einen kleinen umfüllst, geht es schneller als wenn du einen Behälter mit Wasser aus einem nur ein Viertel so großen Behälter auffüllen mußt."

"Ja, aber dieser widerstandswert ist mir zu abstrakt, Aurora. Mit Größen und Materiemengen pro Raumeinheit kann ich was anfangen, aber nicht mit diesem Widerstandswert", meinte Cynthia.

"Deshalb steht ja hier die Skizze drin", meinte Bruster etwas abfällig, weil Cynthia sich bei dieser Sache schwerer tat als es eigentlich nötig war. Er beschrieb noch einmal die eingezeichneten Punkte und meinte, daß Auroras Wasserbehälter-Vergleich wunderbar paßte. Allerdings fügte er noch ein, daß die Füllgeschwindigkeit auch wichtig sei und bei diesem Vergleich ein kleinerer Behälter leicht überlaufen konnte, wenn er aus einem wesentlich größeren aufgefüllt wurde.

"Ist wie beim Umfärbezauber. Zu viel Konzentration auf das Vergleichsobjekt zerstört das Ausgangsobjekt", meinte er noch.

"Aber die Formulierung mit dem Wasserbehälter schreibe ich mir mal auf. Vielleicht kann ich die in der UTZ-Prüfung verwenden", meinte Aurora.

"Das besprechen wir mit Professor McGonagall, damit alle das verwenden können", meinte Cynthia Flowers.

"Wie du meinst", erwiderte Bruster leicht abschätzig.

"'tschuldigung, störe ich?" Fragte ein schmächtiger Junge mit dunkelblondem Haar und tiefgrauen Augen.

"Hmm, wir pauken Verwandlung, Elroy", meinte Cynthia. Dann lächelte sie. "Wie können wir dir helfen?"

"Öhm, ja, vielleicht. Ich verstehe das mit dem genauen Bewegungsfluß bei der Rauminhaltsvergrößerung nicht, warum ich den Stab bei größeren Ausgangsobjekten etwas schneller ausschwingen lassen muß als bei kleineren. Dabei sind größere Behälter doch leichter zu bezaubern, oder?"

"Ich kann dir das draußen mal zeigen. In der Bibliothek ist Zaubern ja nur zum Lichtmachen und Lichtlöschen erlaubt", meinte Cynthia.

"Außerdem will die Sprout noch die Bodenbeschaffenheit für Vielgrasknollen haben, und ich komme mit den ganzen Tabellen nicht klar."

"Okay, ich komme auch mit raus", sagte Aurora. "Hast du dein Kräuterkundebuch denn mit, Elroy?"

"Ja, habe ich", sagte Elroy Portsmouth, ein Viertklässler aus Hufflepuff und, soweit Aurora wußte, leider nicht gerade gut in theoretischen Sachen bewandert. Bei den Vertrauensschülerkonferenzen war er in den letzten drei Jahren einigemale erwähnt worden, weil Professor Sprout sich sorgen um seine Versetzung machte, wenn er andauernd in den theoretischen Teilen patzte, auch wenn er dafür die praktischen Aufgaben tadellos ausführte. Bruster meinte dann noch:

"Ich komme auch mit. Das mit dem anscheinend paradoxen Zauberstab-Größen-Verhältnis habe ich bei den ZAGs in zwei Sätzen untergebracht, von denen ich denke, daß ich die dir an Beispielen erklären kann."

"Oh, das wäre supergut", freute sich Elroy, daß drei erfahrenere Mitschüler ihm helfen wollten. So nahmen sie ihre eigenen Bücher mit. Cynthia durfte Auroras Tabelle behalten.

"Wir machen nachher weiter, wenn dein Mitschüler das alles drinhat, was er braucht", meinte Bruster locker zu Cynthia, als sie mit dem Viertklässler die Bibliothek verließen. Elroy fragte schüchtern:

"Wo können wir denn hin, um keinen zu stören?"

"Am besten zum Park an der Südseite", meinte Bruster. Ich muß aber vorher noch mal wohin. Treffen wir uns draußen vorm Schloßtor?"

"Okay, wir warten da", stimmte Aurora für Cynthia und Elroy mitsprechend zu.

Bruster zog los, während Aurora Dawn und Cynthia Flowers mit Elroy Portsmouth das Schloß verließen und sich auf die große Wiese stellten. Am Himmel zogen dickleibige graue Wolken und verdekten immer wieder die fahle Sonne. Ein kalter Nordwind strich über die Ländereien von Hogwarts. Aurora, die von ihrem Vater einiges über Wolkenbildung gelernt hatte, überbrückte die Wartezeit damit, eine Stehgreifwettervorhersage zu machen.

"Wir können im Grunde froh sein", sagte sie, nachdem sie die Wolken, die Windrichtung und -geschwindigkeit einigermaßen abgeschätzt hatte, "daß das Spiel schon vorbei ist. Wenn ich das mit den Wolken so sehe, könnten wir glatt noch einen heftigen Schneeregen kriegen."

"Schneeregen?" Fragte Cynthia verwundert. "Heute noch?"

"So in zwei bis drei Stunden könnte das sein. Mein Vater hat mir so aus Hobby mal was über Wolkenbildung und das daraus zu ersehene Wetter beigebracht. Auf seinen Reisen hat er sich oft mit Zauberern unterhalten, die was von der Meteorologie verstanden und Regen, Stürme oder Sonnentage durch reine Beobachtungen vorhersagen konnten. Einige von denen sollten sogar das örtliche wetter beeinflußt haben, mit den Elementarzaubern, die wir in den UTZ-Klassen bisher gelernt haben."

"Ist aber nicht gerade einfach, weil der zu bezaubernde Raum ja mehrere Kubikkilometer groß ist", meinte Cynthia.

"Die Kunst, so mein Vater, bestehe wohl darin, einige kleine Sachen anstubsen zu können, um eine bestimmte Entwicklung anzukurbeln. Aber das soll tatsächlich sehr schwer sein."

"Ich hörte mal von einem Club der Wettermacher", meinte Elroy aufgeregt. "Zauberer aus dem britisch-irischen Raum haben eine Vereinigung gegründet, die genau sowas untersucht und dann auch als Dienst anbietet. Die sollen auch den fliegenden Holländer mitgebaut haben, der ja seine Geschwindigkeit aus der Kraft von Luft und Wasser zieht und dafür den Wetterablauf in dem von ihm durchfahrenen Gebiet stört. Die haben da einen Ausgleichszauber oder sowas eingebaut, der das wiedergutmachen soll."

"Dann könnte Ronin McCloud wohl einer von denen sein. Der wohnt im schottischen Hochland", meinte Aurora. "Mein Vater ist häufiger bei ihm."

"Raben-Ronin?" Fragte Cynthia. "Stand doch vor einem Jahr in der Hexenwoche, daß der sich für die Benutzung von Rabenvögeln interessiert, die als Boten, Spione und Sachenbeschaffer arbeiten sollen. War doch ein Thema, weil der sich mit Portia Goldsmith verlobt hat."

"Hmm", machte Aurora und wiegte den Kopf. Durfte sie jetzt Ja sagen? Immerhin gehörte das, was ihr Vater bei anderen Zauberern machte zu Betriebsgeheimnissen, und Ronin McCloud wollte in der Tat einen Geheimdienst aus Elstern, Krähen, Eichelhähern und allen anderen Arten von Rabenvögeln aufziehen. Das mußte wirklich nicht jeder wissen, und sie erinnerte sich noch gut an den kurzen Aufruhr, den ihr Vater gemacht hatte, als das in der Hexenwoche gebracht wurde, daß McCloud sich mit der bisher besten, noch lebenden Hufflepuff-Musterschülerin Portia Goldsmith zusammentun wollte, deren Eltern dann neben der Verlobungsbekanntmachung auch fragten, ob der Bräutigam mit seinem Raben-Spionagedienst wirklich der geeignete Mann fürs Leben sein mochte.

"Also, du meinst, wir kriegen demnächst Schneeregen?" Fragte Cynthia Aurora zugewandt. Diese nickte. Elroy starrte verdrossen in die Wolken und knurrte:

"Dann sollte Bruster langsam fertig werden. Ich möchte nicht im patschnassen Schneematsch herumlaufen."

"Der kommt gleich", meinte Cynthia. "Jungs brauchen ja nicht so lange auf dem Klo wie Mädchen."

"Haha", entgegnete Aurora. und Elroy meinte, daß das wohl drauf ankäme, was gerade anfiel. Doch wie aufs Stichwort erschien Bruster Wiffle aus dem Tor und eilte winkend auf sie zu.

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Drei auf einmal. Das war ein Glückstreffer, fand Kalsharin Daragasadin, als er seinen Zauberspruch gemurmelt und in der Bibliothek die tiefsten Nachschwingungen herausgehört hatte. Eine vielversprechende Quelle von Zauberkraft lag in Gryffindor, wo er im Moment nicht ohne aufzufallen herankommen würde. Als er in die Bibliothek ging und nachlauschte, wie der leiser und leiser werdende Nachhall seines Kraftwiderhallzaubers bei den Vertrauensschülerinnen Aurora Dawn und Cynthia Flowers und dem Schulsprecher Bruster Wiffle verheißungsvoll summte, hätte er vor lauter Glücksgefühl fast den seelischen Klammergriff um das nun nicht mehr lange benötigte Traum-Ich verloren. Gerade so eben schaffte er es noch, es davon abzuhalten, sich zu befreien und dabei der Kontrolle auch noch bewußt zu werden. Er brachte es dazu, die drei anzusprechen und wegen einer angeblich so heftigen Schwierigkeit bei einem lächerlich einfachen Zauber und einer für ihn, Kalsharin Daragasadin, völlig nebensächlichen Kräuterkundesache dazu zu bringen, mit ihm nach draußen zu gehen. Allerdings fragte sich der Bodenbereiter des Unbezwingbaren, warum irgendwas merkwürdiges in Brusters Schwingungen mitklang, etwas, daß nicht richtig zu passen schien. Aber was wichtig war war, daß dieser Bursche trotz der Schwächung seiner Kraft durch einen Ungesegneten, einem, den der Unbezwingbare höchstens als niederen Sklaven oder Werkzeug zur eigenen Erheiterung benutzen würde, immer noch die alte, sehr starke Kraft einer lange zurückreichenden Ahnenlinie ausstrahlte. Waren die drei da sich eigentlich bewußt, welchen Schatz sie in sich trugen? Trotz der Durchmischung der Träger der höchsten Kraft mit dem niederen Volk und ja auch mit den Unbegabten hatte sich das Erbe bei ihnen nicht so sehr verflüchtigt wie bei vielen anderen, die zwar außergewöhnlich begabt waren aber nicht sonderlich viel von der Essenz der erhabenen Kraft aus alter Zeit in sich trugen. Das waren Neulinge, welche die die Kraft durch andere Quellen erworben und weitergegeben hatten. Es klappte, die drei ausgesuchten Bestandteile seines Rituals ohne Zwang zu veranlassen, ihm zu folgen. Draußen würde er sie mit dem Zauberstab und den alten Worten der Überwindung, die mächtiger waren als der lächerliche Imperius-Fluch, den doch alle fürchteten, zu gefügigen Halbtoten machen, die er verbarg, um sich ein viertes Opfer zu sichern und dieses dann mit den drei anderen zusammen von hier fortzubringen, in das Versteck des Meisters, um sie in seine Wohnstatt zu zwingen, um ihn freizusetzen.

Jetzt standen er und die beiden Mädchen draußen. Bruster hatte sich unterwegs noch einmal abgesetzt, um seinen Körper von Unverdaulichem zu erleichtern. Kalsharin Daragasadin war sich jedoch nicht mehr sicher, ob Bruster nicht gelogen hatte. Irgendwie verschloß er seinen Geist gegen seinen Spürsinn für an der Oberfläche treibende Gedanken und Gefühle, der mit ihm wiedererwacht war.

Da, endlich kam Bruster. Jetzt noch zum Park, dort einen unbesuchten Ort aufsuchen und dann ...

"Meister, Eure Stunde naht. Wenn das verhaßte Himmelsfeuer sein Licht zum zweiten Mal auf diese Welt wirft, werdet Ihr Euer Erbe endlich antreten und den Sieg über die Brut der Tochter des Lichtes erringen können!" Frohlockte Kalsharin Daragasadin innerlich.

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"Da haben wir aber noch mal Glück gehabt", hörte Tonya Rattler Loren Tormentus sagen. "Fast hätten uns die Schlaffelpaffs eine ganz fiese Blamage eingebrockt."

"Das mit dem Schnatzfang hätte nicht passieren dürfen, Loren", knurrte Tonya. "Da werde ich mit unserem Sucher noch mal drüber quatschen müssen. Ausgerechnet im letzten Spiel von uns noch den Schnatz zu verpassen. Mist sowas. Jetzt machen die Gryffindoofs und Eierköpfe das wieder unter sich aus."

"Och, die Hufflepuffs könnten da auch noch mitreden, wenn die gegen McGonagalls Möchtegernhelden gewinnen."

"Selten so gelacht", knurrte Tonya. "So ein Mist aber auch!" Schnaubte sie noch.

"Tja, war wohl nix mit dem Pokal in unserem letzten Jahr hier", feixte Loren, die wußte, daß Tonya das persönlich nehmen würde, wenn Slytherin wirklich noch ganz an den Tabellenschluß abrutschte.

"Noch so'n Spruch, und ich zieh dir die Dutteln lang, Tormentus", knurrte Tonya.

"Würde dir auch nicht weiterhelfen", entgegnete Loren sehr amüsiert. "Abgesehen davon daß ich mich ziemlich gut wehren kann, wie du weißt."

"Dann ziehe ich Slytherin eben ... Neh, mach ich besser nicht, bevor wirklich noch einer von den Jungs meint, sich an irgendeinem Schlammblut aus den anderen Häusern zu vergreifen." Loren sah Tonya erst etwas verächtlich an, mußte dann aber grinsen.

"Tja, hat dir schon ziemlich zugesetzt, daß Wiffle diesen überzogenen Vorschlag durchgebracht hat, wie?"

"Dumbledore halt", knurrte Tonya. "Der hält doch seine Hände über die Schlammblüter. Dem kam dieser Vorschlag doch ganz gelegen."

"Klar, wenn der meint, daß einer von denen echt in Gefahr ist", feixte Loren.

"Ich will da nix mehr von wissen", fauchte Tonya. "Also rede bloß nicht mehr von diesem blöden Spiel!"

"Wenn dich das glücklicher macht, Tonya", erwiderte Loren.

"Bestimmt nicht, aber auch nicht wütender. Ich muß mich auf den Kram für Flitwick und McGonagall konzentrieren. Nachher überholt mich die Fielding noch. Seitdem die verheiratet ist wird die immer besser in Zauberkunst, das darf es doch nicht geben."

"Tja, Liebe macht den Körper fit und den Geist beweglich", feixte Loren. "Solltest du auch unbedingt ausprobieren."

"Als wenn ausgerechnet du mir da irgendwas vorschlagen könntest, Loren", schnaubte Tonya. "Du mußt doch drauf warten, daß deine Mummy dir wen aussucht, der dich bespringt."

"Sagt wer?" Fragte Loren herausfordernd zurück:

"Alle Mädels hier, die es raushaben, wie sie sich wen angeln können."

"Wie du?" Fragte Loren biestig. "Das mit Snape hat ja nicht geklappt, wie du ja zu gut weißt. Soviel zu deinen Fähigkeiten, einen passenden Jungen für die einsamen Nächte ranzuholen", legte sie noch nach. Tonya starrte sie finster an, zitterte vor erregung wie ein Kleiderschrank bei einem mittelschweren Erdbeben und warf sich herum, als wolle sie disapparieren. Doch sie zeigte Loren nur ihre Kehrseite und tauchte in einen anderen Gang ab als den, der zum Slytherin-Kerker führte. Wollte die jetzt doch nicht dahin zurück?

"Hoho, da habe ich Ms. Klotzweib aber schön geärgert, und die kann deswegen noch nicht einmal Punkte dafür abziehen, so und so nicht", durchzogen frohlockende Gedanken den Kopf, der wie der von Loren Tormentus aussah. Das war das schöne an dieser leidigen Körpertauschsache, daß Tonya dabei immer wieder gut angepiekt werden konnte. Das überwog die lästigen Begleiterscheinungen, die mit dem Gang anfingen und mit den alle Monate wiederkehrenden Unterleibsproblemen endeten.

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"Ui, knapp an der Grenze", waren die erregten Gedanken, die durch den Kopf gingen, den jeder als den von Bruster Wiffle erkannte. Es würde jetzt keine Minute mehr dauern, bis die ersten Zeichen einer einsetzenden Rückverwandlung aufkamen. Doch Dagegen wurde schnell Abhilfe geschaffen. Die große Feldflasche, die in Brusters Schultasche war, war noch nicht einmal zu einem Zwölftel leer. Das dickflüssig wirkende, goldenbraun schimmernde Gebräu gluckerte durch die Kehle in den Magen hinunter. Ein kurzer warmer Schauer durchzog den Körper der nun eine weitere Stunde lang so bleiben würde wie er war.

"Kann mir vorstellen, daß Bruster sich nicht so wohlfühlt", waren die weiteren Gedanken, als überschüssiges Wasser zielgenau in eines der ovalen Urinale strömte. "Aber er hat es ja gut gelernt, wie's auch anders geht."

als die Person, die in allen äußerlichen und stimmlichen Sachen Brusters absolutes Ebenbild war durch das Schloßtor hinaustrat und den beiden Mädchen und dem so schwerfällig kapierenden Hufflepuff-Viertklässler zuwinkte, hoffte sie bereits darauf, in der nächsten Stunde eine gute Gelegenheit zu erwischen, den nächsten notwendigen Schluck aus der Feldflasche zu nehmen. Zusammen mit Aurora Dawn, Cynthia Flowers und dem halbverhungert wirkendem Elroy Portsmouth ging es nun in den Park. Aurora und Cynthia waren frei von der Seele des Bodenbereiters. Das hatte sie, Loren Tormentus, die gerade in Brusters körperlicher Erscheinungsform herumlief, durch den Erinnerungsaufwirbelzauber schon geprüft. Zum Glück hatten die beiden es nicht nötig gehabt, Gedächtnisverstärkertränke zu schlucken, so daß es ihnen nicht aufgefallen war. Elroy mußte sie noch überprüfen, um den Kreis der Verdächtigen weiter einzuengen. Doch dies, so stellte sie bald darauf fest, war nicht mehr nötig.

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"Kannst du ihn orten?" Fragte Albus Dumbledore seinen Kollegen Silverbolt, als sie aus dem Schulleiterturm heraus waren und nun im frei zugänglichen Schloß herumliefen.

"Im Moment nicht, weil dieser Bengel nicht mehr zaubert", knurrte Adamas Silverbolt wie ein gereizter Kampfhund. Er wußte, daß viele Schüler ihm den Spitznamen Dobermann angehängt hatten. Erst war er darüber wütend gewesen, weil er diesen undankbaren Kindern und Jugendlichen doch nur helfen wollte, sich besser gegen die dunklen Kräfte zu schützen. Doch dann hatte er diesen Spitznamen als Ehrung uminterpretiert und als ohne deren Wissen erteilten Auftrag der Schüler angenommen, sie einem wachsamen und kampfstarken Dobermann gleich zu beschützen, rechtzeitig anzuschlagen, wenn die dunkle Gefahr, auf die er seit mehreren Dutzend Jahren wartete, tatsächlich in die Mauern von Hogwarts eindringen oder dort aus ihrem tiefen Schlummer erwachen würde und dann, wenn sie greifbar wurde schützend dazwischenzuspringen und sie nach allen Regeln seiner Kunst zu packen oder zu verjagen, nach Möglichkeit endgültig zu zerstören. Er dachte noch einmal zurück an die Tage im Sommer, wo er von sich aus mit Dumbledore gesprochen hatte, als er das mit Glaucos erfahren hatte.

"Albus, ich will den Job", hatte er sehr entschlossen gesagt, als er sich mit dem alten Kameraden in einem Zimmer im Eberkopf getroffen und einen Klangkerker errichtet hatte. Dumbledore hatte ihn angesehen und gemeint:

"Ich dachte, du hättest mit der Jagd auf diesen alten Orden aus Atlantis zu viel um die Ohren, der Iaxathans Rückkehr herbeiführen will. Ich weiß nicht, ob der Fluch Tom Riddles dich nicht auch berühren kann, wie er Glaucos doch noch erwischt hat."

"Du weißt, daß ich gegen die mächtigsten Flüche gefeit bin, Albus. Außerdem kann ich die Kraft meiner Urmutter anrufen, um mich zu schützen, wenn da wirklich was sein sollte, was dieser Spinner bewirkt hat. Semiramis hat es doch auch ausgehalten und mehrere Jahre unterrichten können, oder nicht?"

"Ja, aber das Thema möchte ich nicht erwähnen, Addy. Es ist schon ziemlich unerhört, was sie getan hat, um gegen derartige Flüche geschützt zu sein", meinte Dumbledore betrübt dreinschauend. "Ich war froh, daß sie doch noch den Platz freigemacht hat. Wer weiß, wie viele unschuldige Leben dadurch verschont wurden, daß sie nicht mehr gegen seinen Fluch ankämpfen mußte."

"Meine Macht bedroht keine Leben, Albus", hatte Silverbolt darauf geantwortet. "Deshalb kannst du mir unbesorgt den Job geben, und sei es nur für dieses Jahr. Sollte ich herausfinden, daß meine Befürchtung nicht eintrifft, dann kehre ich auf meinen alten Posten zurück und suche anderswo nach dem Bodenbereiter."

"Der Bodenbereiter, Addy? Du meinst Kalsharin Daragasadin? Du glaubst doch nicht, daß er ausgerechnet in Hogwarts ... Natürlich hältst du das für möglich."

"Die Zeit ist wieder reif, Albus. Er wird sich in den nächsten zwei Jahren zurückmelden. Mein Großvater hätte ihn gerne selbst ausgetrieben. Dann hätte der damalige Wirtskörper nicht sterben müssen. So wurde dieser Bastard wieder in seinen Wartezustand zurückversetzt und nicht besiegt. Diesmal will ich sofort dabei sein, wenn er sich wieder regt und dann mit der mir vererbten Macht gegen ihn kämpfen."

"Und wenn, was ich innerlich doch hoffe, sein neuer Wirtskörper nicht in Hogwarts zu finden ist, Addy?"

"Werde ich hoffentlich rechtzeitig von den drei anderen, die nach ihm Suchen erfahren, wo er wirklich ist. Ich hoffe nur, daß meine lebenden Vettern und Basen aus Ashtarias Schoß ihn dann vor den anderen Streitern der hellen oder dunklen Kräfte finden und ihrerseits besiegen können. Aber ich vermute, er wird in Hogwarts aufwachen, Albus. In zehn von zwanzig Fällen erwachte er im Körper eines Halbwüchsigen wieder, der beinahe fünfzehn Jahre alt war. Ich habe Freunde auf Beauxbatons, Thorntails und Durmstrang angesetzt und eine meiner entfernten Basen konnte mit einer Lehrerin in Redrock tauschen und wartet dort nun auf das Wiedererwachen des Bodenbereiters. Ich hoffe, wir können die Verbindungen nach Afrika auch so gut benutzen. Wenn er nicht ausgerechnet in Indien, China oder Japan aufwacht. Aber bisher ist er immer in Europa oder Afrika erwacht, als dürfe er nicht von einem bestimmten Punkt weg."

"Ich weiß, daß ihr damals das eigentliche Versteck des schwarzen Spiegels gefunden habt, als jemand unbelehrbares den Schattenfürsten direkt erwecken wollte. Warum hast du das Versteck unbedingt geheimhalten wollen. Du hättest mich als deinen Geheimniswahrer einsetzen können, Addy."

"Das war mir zu riskant, Albus. Selbst wenn du das Geheimnis nie aufgeschrieben hättest, hätte dich jemand töten können und das Geheimnis damit auf andere Weise enthüllen können. Ich mußte es aus meinem Gedächtnis entfernen und verstecken", hatte Silverbolt darauf geantwortet.

"Nun, du wirst deine Gründe haben, auch mir nicht alles anzuvertrauen, was dich umtreibt, Addy", hatte Dumbledore nur geseufzt. Dann hatte sich der Schulleiter von Hogwarts zu seiner ganzen Länge gestrafft und kategorisch gefordert, daß Adamas Silverbolt, wenn er wirklich in Hogwarts arbeiten wolle, ihm, Dumbledore, jede Kleinigkeit zu erzählen habe, die ihm im Zusammenhang mit seiner heiklen Mission durch den Kopf ging. Denn wenn in Hogwarts wirklich jener Kalsharin Daragasadin wiedererwachen würde, so wollte Dumbledore dies nicht als einer der Letzten erfahren. Silverbolt hatte daraufhin unterseinen Umhang gelangt und etwas silbern glänzendes hervorgeholt und darauf die rechte Hand gelegt und bei der Macht seiner Vorfahren geschworen, Dumbledore in alles einzubeziehen, was in Hogwarts im Zusammenhang mit Kalsharin Daragasadin aufkommen mochte. Dumbledore hatte ihm dann die Hand geschüttelt und "auf ein neues gutes Jahr zusammenarbeit", gesagt.

Als dann vor den Weihnachtsferien Agatha Priestley verflucht worden war und die drei Täterinnen keine Sekunde nach der ersten Frage ihr Gedächtnis verloren hatten, war Silverbolt klar, daß er tatsächlich am richtigen Ort weilte. Er hatte Dumbledore vorgeschlagen, den Schülerinnen und Schülern, die über die Ferien blieben, bezauberte Geschenke zu machen. Sollte der Bodenbereiter unter den in Hogwarts bleibenden zu finden sein, könnte er auf diese Weise vor dem eigentlichen Wiedererwachen zur Stelle sein und ihn unschädlich machen, bevor er sich endgültig offenbarte. Doch obwohl Dumbledore die von Silverbolt bezauberten Quidditch-Schals und -Mützen an Schüler aus allen vier Häusern verteilt hatte, kam der Bodenbereiter nicht zum Vorschein. Also war dieser in die Ferien gefahren. Doch jetzt hatte er sich gemeldet. Leider nicht in einem der vier Häuser, wie Silverbolt gehofft hatte. Aber sie würden ihn gleich finden, wenn Adamas Silverbolt auf dem Astronomieturm stehen und mit Dumbledore zusammen einen Atlantischen Suchzauber sprechen würde. Der Astronomieturm war der mittlere Turm des Schlosses und bildete sowohl den höchsten Punkt als auch das Zentrum des gesamten Schulgeländes. So begaben sie sich schnell in den Turm, während Silverbolt sein mitgeführtes Instrument, das wie eine Taschenuhr ohne Ziffernblatt aussah befragte. Vielleicht wagte der Bursche ja doch noch einen Zauber.

"Albus, bisher wurde kein neuer Zauber aufgerufen", sagte Silverbolt mit einer Mischung aus Ungeduld und Angriffslust. "Ich hoffe, der entfernt sich nicht erst vom Gelände, bevor er seine Macht ausnutzt."

"Hast du nicht erzählt, er müsse zur Wiedererweckung seines Herrn vier minderjährige Zauberer und Hexen zusammentreiben, deren Zauberkraft sich über mehrere Tausend Jahre vererbt hat?" Fragte Dumbledore leicht abgehetzt klingend, weil er in seinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr so gut rennen mochte. Er mußte unbedingt wieder trainieren, befand er.

"Nein, keine Minderjährigen, Albus. Unschuldige, unberührte Hexen und Zauberer", knurrte Silverbolt. "Wenn sie volljährige sind käme ihm das sogar noch zu Pass, weil ihre Körper in seinem Ritual dann noch mehr Kraft auf den Spiegel übertragen können."

"Dann habe ich die Schriften, die du mir damals gezeigt hast doch falsch übersetzt", entgegnete Dumbledore ungehalten. Diese alte Sprache war doch tückischer gewesen als er anfangs geglaubt hatte. Immerhin hatte er sie von einem uralten Zauberer, der sein persönlicher Mentor gewesen war, zehn Jahre lang gelernt und auch in dieser Sprache zu reden gelernt.

"Rauf auf den Turm!" Trieb Silverbolt seinen alten Kameraden und derzeitigen Vorgesetzten an und stürmte die Treppenhinauf wie ein Krieger, der in eine Festung einfällt oder wie ein Pirat, der ein goldbeladenes Schiff entert. Dumbledore schnaufte ein wenig, hielt jedoch das hohe Tempo mit, mit dem Silverbolt die Steinstufen erklomm, bis sie beide auf der aussichtsplattform unter dem immer grauer werdendem Himmel standen.

"Ich muß doch auch was für den Körper tun", keuchte Dumbledore. "Ich war in den letzten Jahren zu sehr auf meine geistigen Leistungen beschränkt."

"Immerhin hast du Riddles Mörderbande damit gut in Schach gehalten, alter Freund", lobte Silverbolt den Schulleiter. "Du hättest doch eines von den Mädchen heiraten sollen, die dir in deinem langen Leben über den Weg liefen", fügte er noch einen eigentlich respektlosen Zusatz an. Dumbledore, sonst die Würde und Erhabenheit in Person, lachte befreit.

"Du weißt doch nicht alles über mich, Addy, genausowenig wie ich über deine ganzen Abenteuer."

"Soll sein, Albus. Zumindest habe ich meine Pflicht meiner großen Urmutter gegenüber erfüllt und einen Erben, der ihr Vermächtnis von mir weitertragen wird", erwiderte Silverbolt. "Und der hat auch schon einen Erben, wie du weißt."

"Ja, den habe ich ja noch kennengelernt, bevor ich Schulleiter wurde, Addy", grinste Dumbledore. "War schon ein aufgewecktes Bürschchen und sehr beliebt bei den Mädchen. Hoffentlich hat er mittlerweile auch eine Herzensdame gefunden."

"Hat er, Albus. Aber sie hat ihm bisher nur vier Töchter geschenkt, verdammt noch mal."

"Na, wir werden doch jetzt nicht in Misogynie abgleiten", erwiderte Dumbledore verlegen lächelnd. "Soweit ich von dir und anderen ehrenvollen Nachfahren deiner Urmutter hören durfte ist das kein Beinbruch, wenn in der Fortsetzung der Blutlinie auch andersgeschlechtliche Kinder die direkte Erblinie unterbrechen. Dann kann der Großvater dem Enkel und die Großmutter der Enkelin immer noch das anvertraute Erbe weiterreichen oder es dem Bruder beziehungsweise der Schwester übergeben oder dem nächsten gleichgeschlechtlichen Verwandten."

"Ich glaube, ich habe schon damals keinen Met vertragen können, daß ich dir das alles erzählt habe", knurrte Silverbolt. Dumbledore lachte darüber nur. Doch dann verfiel er in eine ernste Haltung.

"Wir sind da, Addy. Jetzt müssen wir ihn suchen und finden."

"Dann mal los", erwiderte Silverbolt und legte das Taschenuhrartefakt auf den Boden, genau dort, wo Dumbledore den Mittelpunkt der Ländereien bestimmt hatte. Dann holte er jenes silberne Schmuckstück unter seinem Umhang hervor, auf das er seinem Freund und Vorgesetzten geschworen hatte, ihn in alles einzubeziehen. Er begann, eine Litanei in jener alten, beinahe völlig vergessenen Sprache zu singen, in die Dumbledore, als er ihren Sinn erkannte, erst leise und dann immer kraftvoller einstimmte.

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Aurora Dawn fühlte irgendwie, daß irgendwas nicht so war wie es sein sollte. Elroy Portsmouth machte so einen eiligen Eindruck, als müsse er das, was er von den älteren Mitschülern erfahren wollte, bereits in der nächsten Stunde können und damit eine Prüfung bestehen. Außerdem wirkte der schlachsige Junge mit dem leicht zerzausten dunkelblondem Har nicht mehr so hilflos oder schwerfällig. In seinen grauen Augen sah sie auf dem Weg in den Park einen lebhaften Ausdruck wie von einem entschlossenen Menschen, der sich einer großen Aufgabe stellen will. Das paßte irgendwie nicht ganz zu dem sonst so unerregbar wirkenden Jungen, als den Cynthia ihn auf einer Konferenz mal beschrieben hatte. Auch Cynthia schien aufzufallen, daß Elroy anders wirkte als sonst. Doch sie schien sich darum keine Gedanken zu machen. Vielleicht war Elroy es nur leid, sich von seinen Klassenkameraden vorhalten zu lassen, daß er ohne Theoriewissen nicht weiterkommen würde, auch wenn sie es ja doch so gut meinten.

"Da vorne können wir uns hinsetzen", meinte Aurora und deutete auf eine kleine Wiese. Bruster nickte und holte den Zauberstab hervor, mit dem er locker einen runden Tisch und vier Klassenzimmerstühle in leere Luft zeichnete, die sich dann zu schnell rotierenden, dann auf dem Boden aufkommenden Möbeln materialisierten.

"Dann setzen wir uns mal", meinte Cynthia. "Im Sitzen geht doch alles besser."

"Nicht alles", erwiderte Elroy Portsmouth mit einem unangenehmen Tonfall, den Aurora erst nicht einschätzen konnte. Dann straffte sich der schlachsige Junge zu voller Größe und sagte mit einer für sein Alter viel zu tiefen Stimme: "Ihr drei werdet euch hinsetzen und hier warten, bis ich noch jemanden geholt habe. Asaraga Daddorkawan Schawasikalkarrakan! Die letzten Worte, die in einer Aurora völlig unbekannten Sprache erklangen, schienen wie Rauschnebel oder ein verwirrender Zaubertrank in sie einzudringen. Für einen Moment stand sie unbeweglich da wie Cynthia und Bruster. Wieder sprach der Junge jene geheimnisvollen Worte aus, die nun noch stärker auf sie einwirkten. Dann wiederholte er den Befehl, daß sie sich hinsetzen und warten sollten. Aurora hatte in diesem Moment keinen freien Willen mehr, ebensowenig wie Bruster und Cynthia. Wie Schlafwandler traten sie an die Stühle heran und ließen sich darauf niedersinken. Wach aber zu eigenem Denken unfähig beobachteten sie den Jungen, der sie soeben mit einer übermächtigen Zauberformel überwältigt hatte. Mit seiner normalen Stimme sagte Portsmouth:

"Freut euch. Ihr seid von mir auserwählt, eine neue Zeit einzuläuten. Wenn ich mit dem vierten eintreffe, werden wir eine magische Reise machen. Die lächerlichen Appariersperren, die diese Schule schützen, werden mir kein Hindernis sein, wenn ich eure Kraft in mir bündeln und euch dann mit mir nehmen werde. Bis gleich, Mr. Wiffle, meine Damen!" Er ging davon. Aurora, Cynthia und Bruster saßen da und schwiegen. Sie saßen da wie in einem tiefen Traum gefangen, aus dem sie sich nicht befreien oder den sie selbst bestimmen konnten. Sie würden warten und warten und warten, bis Elroy Portsmouth zurückkehrte. Sie würden tun, was immer er ihnen befahl wie unter dem Imperius-Fluch, auch sterben, wenn er es wollte.

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Die Spitze des Turmes lag unter einer blau-goldenen Haube aus Licht. Unter dieser standen Albus Dumbledore und Adamas Silverbolt und sangen immer wieder ihre Litanei her. Dann erklang jenes Geräusch wie eine rückwärts tönende Glocke, und schlagartig tauchte auf dem Taschenuhrenartefakt ein goldener Punkt auf, der in die Richtung eines Parkes wieß. Gleichzeitig zuckte ein heller Lichtstrahl vom Talisman des Verteidigungslehrers los und verband sich mit dem Artefakt. Für wenige Sekunden wallte ein flirrender, blauer Dunst zwischen Boden und Brüstung. Dann erschien eine Wiese in einem Park von Hogwarts, wo an einem runden Tisch zwei Jungen und zwei Mädchen standen und sich immer deutlicher zeigten. Dumbledore erkannte die vier. Dann wiegte er den Kopf, als er sah, wie um den Körper des schlachsigen Jungen ein feiner, nachtschwarzer Schleier wehte wie Qualm aus einem verrußten Kamin. Es war Elroy Portsmouth, und der schwarze Schleier wurde langsam immer dichter.

"Haben wir dich", knurrte Silverbolt, nachdem er seine Zauberformel bis zum Ende gesungen hatte. "Ich weiß jetzt wo du bist und wer du bisher warst."

"Wie konnte Elroy dem Hut nicht als Träger dunkler Kräfte auffallen?" Fragte Dumbledore.

"Auch der Hut vermag nicht durch einen so dichten Kokon zu sehen, Albus. Womöglich brauchte Kalsharin Daragasadin sogar noch Zeit, um sich seiner selbst bewußt zu werden. Das mag den Hut davon abgehalten haben, ihn nach Slytherin zu schicken. Ich werde nun meine Mission durchführen, Albus und mich dem Bodenbereiter in den Weg stellen."

"Er hat Ms. Dawn, Ms. Flowers und Mr. Wiffle dazu gebracht, sich hinzusetzen. Womöglich hat er eine alte Formel benutzt, die flächendeckend wirkt und jeden unterwirft, der sie mit anhört. Bist du dagegen sicher, Adamas?"

"Ich schon, Albus. Aber ich fürchte, du kannst nicht mit mir gehen. Wenn der Bann schon auf Leute wirkt, die die Worte nicht verstehen, wird er auf Leute, die die Worte verstehen können wohl verhehrend wirken."

"Nicht unbedingt. Was ich verstehe kann ich hinterfragen und verdrängen", sagte Dumbledore.

"Ja, aber wenn er solche Worte kennt kennt er bestimmt auch Flüche, die nur auf die Leute Wirken, die die Worte verstehen können, Albus. Ich will nicht mit dir streiten. Ich möchte, daß du hierbleibst und auf deine Schule aufpaßt. Befehle deinen Kollegen und Schülern, in ihre Häuser zurückzugehen und verschließe diese und alle Tore dann!"

"Adamas, du hast geschworen ..."

"Albus, benimm dich bitte nicht wie ein aufsässiger Schuljunge. Du weißt zu gut, daß ich recht habe. Also, hüte die Schule und halte dich von Kalsharin Daragasadin fern, was immer kommen mag. Ich hoffe, die Macht Ashtarias wird mir gewogen sein und gegen die gerade erst wiedererwachende Kraft des Bodenbereiters schützen, sie hoffentlich sogar bezwingen. Sollte ich jedoch bei dem Versuch, meine Aufgabe zu erfüllen sterben, benachrichtige meinen ältesten Sohn und gib ihm, falls du ihn findest, meinen Heilsstern!"

"Er geht von der Wiese herunter, Addy", sagte Dumbledore, der Elroy Portsmouth beobachtet hatte.

"Soll er. Ich habe Kontakt zu ihm bekommen und werde ihn nun überall finden. Mach deine Schule dicht, Albus!"

"Wie kommst du so schnell dort hin?" Wollte Dumbledore wissen. "Soll ich Fawkes ..."

"Nicht nötig", blaffte Silverbolt, hob das silberne, wie ein fünfstrahliger Stern geformte Amulett an und rief eine Zauberformel aus, auf die hin ein silberner Hauch wie eine zweite Haut den Körper überzog. Dann drehte sich Silverbolt auf der Stelle und verschwand in einem Wirbel aus silbernem Licht.

"Also kann dieser Stern auch die Apparitionsmauern durchdringen", dachte Dumbledore und sah auf das Taschenuhrenartefakt, das ihm gerade noch zeigte, wie Portsmouth auf dem Weg zurück zur Schule war. Dann erlosch die Erscheinung wie auch das Glimmen über dem Turm. Die Magie hatte ausgewirkt. Nur ein goldener Lichtpunkt auf dem nun in winzige Striche und Zahlen eingeteilten Instrument zeigte an, in welcher Richtung der Bodenbereiter zu finden war. Dumbledore überlegte kurz, ob er mit seinem Phönix hinter Adamas hereilen sollte. Doch sein Freund, Kampfgefährte und zurzeit Lehrerkollege hatte recht. Er mußte die Schule schützen. So hob er seinen Zauberstab, hielt ihn sich an die Kehle und dachte: "Sonorus!" Dann rief er, und seine Stimme erklang in allen Räumen von Hogwarts: "Alle Lehrer und Schüler begeben sich sofort in die ihnen zugehörigen oder ehemaligen Häuser. Hogwarts wird angegriffen. Ich wiederhole: Alle Lehrer und Schüler unverzüglich in ihre derzeitigen oder ehemaligen Schulhäuser zurück! Vertrauensschüler und Hauslehrer, suchen Sie alle Ihrer Verantwortung unterstellten Schülerinnen und Schüler zusammen, sofern diese nicht schon zurück in die Häuser gehen! Alle Lehrer und Schüler sofort in ihre derzeitigen oder ehemaligen Häuser zurück!"

Dumbledore war froh, daß die Gründer eine Belagerungssituation vorhergesehen hatten. So konnte Dumbledore von seinem Zimmer aus verfolgen, ob die Schüler und Lehrer sich an die dringende Anweisung hielten. Doch dazu mußte er in sein Zimmer. Er rief: "Fawkes zu mir!" Mit einem Knall explodierte genau vor Dumbledore ein orangeroter Feuerball, aus dem ein schwanengroßer Vogel mit herrlichem rotgoldenem Federkleid herausflog und einen aufmunternden, langgezogenen Laut ausstieß. Er setzte sich auf Dumbledores Schulter und verschwand mit diesem in einem zweiten Feuerball.

Zurück in seinem Turmzimmer tippte der Schulleiter einige der aufgebauten Instrumente an. Einige waren zum Aufspüren dunkler Einflüsse gedacht, andere wiederum zeigten ihm die Anwesenheit von hellen Einflüssen und wesen. Während die Gerätschaften ihre Arbeit aufnahmen, griff der Schulleiter in einen kleinen Schrank und holte einen silbernen Würfel heraus der für diesen Alarmfall vorgesehen war. Er tippte ihn mit dem Zauberstab an und murmelte: "Omnes Discipulos localisato!" Vor ihm baute sich nun ein räumliches Abbild von Hogwarts auf, in dem leuchtende Punkte die anwesenden Lehrer, Schüler und Geister anzeigte. Er sah zu seiner Erleichterung, daß außerhalb des Geländes nur drei Schüler unterwegs waren. Der graue Himmel hatte viele doch im Schloß zurückgehalten. Er stutzte, als er an den winzigen Leuchtfiguren, die wie winzige grüne Ampelmännchen aussahen, die er einmal in Deutschland bewundert hatte die Namen las: "Aurora Dawn, Cynthia Flowers, Loren Tormentus." Er hatte doch in der heraufbeschworenen Vision des Standortes des gesuchten Feindes Bruster Wiffle gesehen. Dann prüfte er auf der Abbildung von Hogwarts, die freischwebend über dem silbernen, nun summenden Würfel hing, ob Bruster Wiffle angezeigt wurde. Er dachte an den Schüler und tippte an den Würfel. Da vergrößerte sich der Bildausschnitt, der den Slytherinkerker und die Schlafsäle zeigte und konnte in den nun stark vergrößerten Leuchtfiguren eine ausmachen, die mit "Bruster Wiffle" beschriftet war.

"Habe ich es doch geahnt", knurrte Dumbledore nun mit einer Mischung aus Wut und enttäuschung. Er hatte gehofft, daß Bruster Wiffle sich nicht dazu hinreißen ließ, den fragwürdigen Bundesschwestern seiner Mutter zu helfen. Und jetzt mußte er sehen, daß Bruster und Loren offenbar die Körper getauscht hatten. Denn nur so erklärte sich, daß er Bruster im Park gesehen hatte, dieser von dem Lokalisierungsgerät nicht dort gezeigt wurde, statt seiner Loren Tormentus im Park saß und statt ihrer Bruster Wiffle im Kerker der Slytherins zusammen mit der gerade eilig hereinlaufenden Tonya Rattler im Gemeinschaftsraum stand. Doch im Moment war es wichtig, alle ihm anvertrauten Lehrer und Schüler in Sicherheit zu bringen und dann alle Zugänge zusätzlich zu verriegeln, damit ihnen keine Gefahr mehr drohte. Er suchte Elroy Portsmouth. Doch dieser war nicht aufzufinden. Dann suchte er nach Adamas Silverbolt, der ja irgendwo unterwegs war, um den von Kalsharin Daragasadin beherrschten Hufflepuff-Viertklässler zu stellen. Auch ihn fand er nicht. Da erinnerte er sich an sein Treffen mit der französischen Hexe Claire Odin, die ihm einmal ihre junge Tochter Aurélie vorgestellt und stolz verkündet hatte, daß sie ihre Erbin sein würde. Claire gehörte, soweit erfuhr er, zu den Kindern Ashtarias und besaß einen gleichgeformten silbernen Stern an einer Kette. Sie hatte ihm damals schmunzelnd erzählt, daß dieses Amulett alle Spür- und Durchdringungszauber um sie herumlenkte und sie so mit keinem Zauber zu finden war und ihre Gedankenausstrahlung zurückgehalten wurde. Er hatte sie auf ihre Anregung hin einmal zu legilimentieren versucht, war aber auf harten Widerstand gestoßen.

"Nur die Gedanken, die ich von mir aus freigebe kommen durch, und ich kann Gedankenbotschaften auffangen. Alles was bösartiger Natur ist, kommt so gut wie nicht durch", hatte sie ihm dann noch gesagt. Das war es also. Adamas war durch sein Amulett unortbar, und der Bodenbereiter hatte womöglich erkannt, daß nach ihm gesucht wurde und sich ebenso unortbar gemacht. Dies mochte bereits durch die schwarze Aura um Elroys Körper angedeutet worden sein.

Die Schüler und Lehrer waren innerhalb von nur zwei Minuten im Schloß. Snape hatte mit einem Fluch Peeves verscheucht, der vor dem Slytherinkerker in der Luft getanzt hatte. Offenbar ergötzte der Poltergeist sich an dem Alarm und der Hektik. Dumbledore horchte, ob er das rhythmische wimmern der in allen Räumen nun ertönenden Sirene bis hier herauf vernehmen konnte. Tatsächlich erlaubten ihm seine doch schon lange benutzten Ohren, das warnende Wimmern zu hören. Es klang in seinen Ohren wie die ängstlichen Rufe eines weit entfernten Vogels. Als ihm die räumliche Abbildung über dem Würfel verriet, daß alle unbeteiligten Lehrer und Schüler in den vier Häusern waren und Madame Pince bei den Ravenclaws untergekommen war tippte er den Würfel an einer Stelle an und rief entschlossen: "Portae fermantur!" Er hörte tief unter sich das wuchtige Poltern zuschlagender Türen und Tore. Nun konnten auch die Türgemälde sich nicht mehr rühren. Wer jetzt noch irgendwo hinlaufen wollte war eingesperrt, in Schutzhaft sozusagen.

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Mortimer hörte Dumbledores alle Räume durchdringende Stimme, die befahl, daß sich alle in die Häuser zurückziehen sollten. Er war gerade mit Vivian Acer im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und besprach mit ihr das Spiel vom Morgen. Da klang noch ein lautes, abwechselnd zwei Sekunden lang tönendes und dann ebensolange schweigendes Wimmern auf.

"Oh, wußte nicht, daß die in Hogwarts eine Alarmsirene haben", meinte Vivian. Bei Dumbledores Befehl und dessen Begründung war sie erbleicht.

"Also gibt's diesen Belagerungszauber doch, von dem mein Opa mir mal erzählt hat. Der meinte mal, daß dann, wenn der Schulleiter erführe, daß Hogwarts angegriffen würde, alle Türen zugemacht werden könnten und kein Zauber die öffnen könnte, bis der Schulleiter die Belagerung für beendet erklärte."

"Wo sind die anderen?" keuchte Petula, die mit Miriam durch das von drinnen sperrangelweit offen gehaltene Portraitloch gesprungen war.

"Aurora ist nicht bei euch?" Fragte Mortimer.

"Neh, die wollte in die Bibliothek, mit Cynthia Flowers was durchsehen", entgegnete Petula. Dann fragte sie nach Bruster.

"Der hängt doch in der letzten Zeit nur noch in der Bibliothek herum, wenn er nicht mal wieder auf dem Gelände herumstrolcht, ohne daß wer hinter dem herlaufen kann", knurrte Mortimer.

"Wo sind Roy und Dina?" Wollte Miriam wissen, als das Alarmwimmern gerade wieder schwieg.

"Wo wohl, bei der Schulkrankenschwester. Roy will alles mitkriegen, was mit seinem Baby passiert", erwiderte Mortimer.

"Kommen die dann auch her?" Fragte Petula. Wie zur Antwort eilten Roy und Dina gerade mit Nelly Flowers heran und kletterten durch das Portraitloch. Dahinter lief Professor Vector, die Arithmantiklehrerin.

"Hat die hier auch mal gewohnt?" Fragte Mortimer.

"Wenn die hier reinkommt ja", erwiderte Miriam.

Als bis auf Aurora und Bruster alle im Gemeinschaftsraum waren und Flitwick als Letzter hereinsprang gebot er den Fünftklässlern, die die Tür offengehalten hatten, das Gemälde loszulassen. Bruce war nicht mehr darauf zu sehen, weil seine Kuh Maggy vom Alarmzauber verschreckt davongelaufen war.

"Aber es fehlen noch zwei, Professor Flitwick", protestierte Philipp Priestley "Aurora Dawn und Bruster Wiffle sind noch nicht da."

"Ich weiß. Der Schuldirektor hat mich von seinem Zimmer aus unterrichtet, daß Professor Silverbolt ihnen zu Hilfe kommen will. Lassen Sie das Gemälde los!" Piepste Flitwick. Philipp nickte seinen Schulkameraden zu, nachdem er sich umgesehen hatte und sonst keinen fehlenden Schüler ausmachen konnte. Das Portrait fiel vor die Öffnung. Krachend wuchs das Loch mit Gestein zu. Sie saßen nun auf Gedeih und Verderb fest.

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"Hogwarts wird angegriffen?" Rief ein Erstklässler der Slytherins. Bruster, der sich in Lorens Körper wieder einmal in den Gemeinschaftsraum der Slytherins eingeschmuggelt hatte, sah ihn an und meinte:

"Haben wir nicht mehr mit gerechnet, wie?" Dann tauchten noch Tonya Rattler und andere Slytherins auf. Immer wieder klaffte die Steinwand auf und sprang wieder zu, durch die der Kerker betreten werden konnte. Tonya gebot mit Bazil Callahan zusammen Ruhe und forderte alle auf, stehen zu bleiben um sie durchzuzählen. Dann fragte sie, ob jemand in den Schlafsälen sei, bekam die Antwort, daß alle im Kerker unten waren und nickte.

"Also, was immer gerade passiert, Leute! Wir haben uns hier ganz still zu verhalten. Wahrscheinlich wird Professor Snape gleich selbst noch zu uns stoßen", verkündete Callahan. "Verhaltet euch ruhig und stellt keine Fragen, wenn Professor Snape uns nicht von sich aus was erzählt!"

"Loren, hörst du mich!" schickte Bruster eine Gedankenbotschaft an Loren. Doch als habe er gegen eine etwas mehr als vierhundert Meter entfernte Felswand gerufen, hörte er das Echo seines Rufes nach etwas mehr als einer Sekunde in seinem Kopf hallen.

"Mist, irgendwas blockiert Melo", dachte er. "Liegt nicht an den Häusern oder dem Schloß."

"Worüber denkst du nach, Loren?" Fragte Eurynea Tormentus. Bruster, der sich von Loren einiges über ihre kleine Schwester hatte erzählen lassen, um sich ihr gegenüber nicht zu verraten erwiderte ruhig:

"Ob Mum recht hat und sich doch wieder welche von den Leuten des Emporkömmlings zusammengetan haben, Nea."

"Ich habe Angst, Loren", gab Nea zu. Bruster nahm das Mädchen sanft in die Arme, das vier Jahre Jünger als die Vorlage seines jetzigen Körpers war.

"Du brauchst keine Angst zu haben. In Hogwarts sind wir sicherer als anderswo. Ich bin bei dir, Nea."

"Hoffentlich kommen die nicht durch die Türen", wimmerte Nea. Bruster, der gerade als Loren Tormentus aussah und handeln mußte machte nur Schschsch und knuddelte Nea vorsichtig.

"Die kommen hier nicht durch. Du weißt doch, was Mum uns alles über Hogwarts und die Häuser gesagt hat. Hier kommt keiner rein, der nicht erwünscht ist."

"Kannst du Mum nicht was schicken?" Fragte Nea.

"Wie meinst du das?" Wollte Bruster wissen.

"Eine Gedankenbotschaft", flüsterte Nea ganz leise in Brusters linkes Ohr.

"Geht nicht, habe ich schon probiert", flüsterte er zurück. Daß er eigentlich wen anderen zu erreichen versucht hatte sollte Nea nicht wissen. So saß er da und gab sich der Rolle der tröstenden großen Schwester hin, die im Moment nicht wesentlich anders aussah als die des beschützenden großen Bruders, als der er sonst auftrat.

Snape trieb mehrere Schülerinnen und Schüler vor sich her wie ein wilder Hütehund, der die Herde vor dem heranziehenden Sturm in den Pferch eintreibt und sah die Vertrauensschüler an. "Fehlt wer?!" Bellte er. Tonya und Bazil, sowie alle anderen Vertrauensschüler verneinten das. Snape schien sichtlich aufzuatmen. Bruster wußte, daß er nun höllisch aufpassen mußte, seinen Geist verschlossen zu halten, wie er es in Snapes Unterricht schon oft genug getan hatte. Snape wußte bestimmt, daß Bruster Okklumentik konnte. Doch eben das dürfte er nicht verraten, weil ja dann die Frage aufgekommen wäre, ob er seine Schüler auskundschaftete. Das würde Dumbledore ihm bestimmt nicht durchgehen lassen.

"Wir bleiben alle hier, bis der Direktor sagt, daß die Gefahr vorbei ist. Bleibt alle ruhig! Hogwarts besitzt gute Schutzzauber."

Er sah sich um, als mit lautem Krachen die Steinwand um einige Zoll nach innen verschoben wurde. Als er Eurynea sah kam er heran und schnarrte:

"Bist du ein großes Mädchen oder ein Baby, Eurynea? Auch wenn Loren hundertmal deine Schwester ist muß sie dich nicht so einschnüren. Wie sieht denn das aus?""

"So wie es aussehen soll, Professor Snape", hörte er Lorens Stimme entschlossen antworten. "Das ich meiner Schwester die Angst nehmen möchte, Sir."

"Wie rührend", knurrte Snape verächtlich und wies durch den Raum um die anderen auf das Bild hinzuweisen, daß die beiden Tormentus-Schwestern abgaben. Doch keiner schien daran Anstoß zu nehmen, was Snape sichtlich irritierte. Er sah in Lorens Augen und konnte nur Entschlossenheit darin lesen, nichts anderes.

"Dann spiel mal weiter Babysitter!" Zischte er verächtlich und begab sich in die Mitte des Kerkers, um von dort aus alles und jeden überblicken zu können.

"alte Hakennase", knurrte Bruster Eurynea zugewandt, als ein gewisses Tuscheln wieder einsetzte. Er hoffte, daß die Gefahr in den fünfundvierzig Minuten, die ihm nun noch blieben, bis er den nächsten Schluck Vielsaft-Trank einnehmen mußte, gebannt wurde. Ansonsten würde er sich in den Mädchenschlafsaal oder einen Waschraum zurückziehen müssen.

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Irgendwas war da. Kalsharin Daragasadin spürte, daß seine Worte nicht nur die Wirkung taten, die er wollte. Irgendwie war ihm, als griffe etwas von der Schule her nach ihm, versuche, ihn festzuhalten. Er sah sich um, blickte zum Astronomieturm hinauf und zuckte zusammen, weil ein blau-goldner Funke wie gleißendes Sonnenlicht in seine Augen stach. Er konnte gerade noch den Schmerzensschrei unterdrücken. Irgendjemand hatte das vermaledeite Licht der Behütung entzündet. Oder war es der Lichtschein der Erhellung dunkler Wege? Auf jeden Fall war dort jemand, der die alten Zauber kannte, der ihm, Kalsharin Daragasadin, den Bodenbereiter des Unbezwingbaren, gefährlich werden mochte. War es Dumbledore, der die alten Zauber konnte? Vorstellbar war es nach allem, was er von seinem Traum-Ich erfahren hatte. Oder war es der alte Silverbolt. Der Name hatte in ihm, seitdem er das erste Mal seine eigene Kraft erkundet hatte, feine Saiten zum klingen gebracht. Jetzt, wo er sich frei entfalten konnte, strömten Erinnerungen aus früheren Zeiten auf ihn ein. Ja, die Familie Silverbolt war ihm schon einige Male in die Quere gekommen, das letzte Mal vor drei durchlebten Leben. Die männlichen Familienangehörigen stammten von einer mächtigen Nachfahrin der verhaßten Tochter des Lichtes, deren Namen er nur mit großer Abscheu über die Lippen bringen würde. Dann war dieser heute lebende Silverbolt hier ... um ihn, Kalsharin Daragasadin zu stellen. Er verfluchte den Umstand, immer zu bestimmten Zeiten zu erwachen. Natürlich hatten seine Feinde dies gelernt und über Generationen hinweg an ihre Nachkommen weitergegeben, die dadurch die alte Feindschaft fortgeführt hatten, den ständigen Kampf um die Freiheit oder Gefangenschaft des wahren Meisters, Iaxathan Daragasadin. Nein, er wollte sich nicht noch einmal vom Wege abbringen lassen, nicht, wo er schon so nahe daran war. Er wollte die drei, die er sicher hatte, zum Versteck des dunklen Seelenfensters bringen und dann, anderswo in der Welt, den vierten Träger der Kraft finden. Er warf sich herum und lief in die Richtung zurück, wo Aurora, Cynthia und Bruster unter seinem Bann auf ihren Stühlen saßen. Da entlud sich vor ihm ein silberner Funkenregen, aus dem heraus ein muskulöser Mann im blütenweißen Umhang heraustrat, dessen silberblondes Haar ihm bis zu den Ellenbogen herabwallte und durch dessen kreisrunde Brillengläser grasgrüne Augen kampfbereit funkelten. Dann sah Kalsharin Daragasadin, was Adamas Silverbolt in der rechten Hand hielt. Das war einer dieser verfluchten Silbersterne. Der Feind hatte ihn gefunden.

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Aurora sah beinahe teilnahmslos auf den Weg, den Elroy Portsmouth gerade entlang ging. Sie war wach, und dennoch wollte kein klarer Gedanke in ihr aufkommen. Sie verfolgte einfach wie Elroy weiterging, bis er nach oben sah und wie von einem Schlag getroffen zusammenzuckte, die Augen zusammenkniff, als habe jemand ihn mit einem grellen Licht geblendet. Er stand einige Sekunden da, schien nicht zu wissen, wohin oder was zu tun war und warf sich dann herum, um zu der Wiese zurückzulaufen, auf der sie mit ihren Jahrgangskameraden saß. Doch noch bevor Elroy die Wiese erreichte, zersprühte eine silberne Leuchterscheinung vor ihm, und Professor Silverbolt stand wie aus dem Nichts gekommen da. Als der zauberer einen silbernen Gegenstand hochreckte, wich Elroy zurück. In seinen Augen funkelte es. Doch Aurora vermochte in ihrem Zustand nicht zu erkennen, ob es Haß oder blankes Entsetzen war. Sie hörte, wie Silverbolt den Jungen ansprach. Daß sie die Sprache nicht verstand bedeutete ihr in ihrer Verfassung nichts. Elroy hob seinen Zauberstab. Doch Silverbolt hatte seinen schon in der linken Hand und schleuderte einen scharlachroten Blitz daraus. Elroy verlor den Zauberstab. Dann warf er sich nach vorne und wollte an Silverbolt vorbei zur Wiese. Der Lehrer war nicht schnell genug, ihm den Weg zu vertreten. Doch es dauerte keinen Moment, da war er ihm schon auf den Fersen. Dabei rief er laut:

"Alaishadui Siri,
Alaishaduan a sogaharan Iri.
U Alaishaduim Godiri,
san Arwoxaran Laishandan miri!"

Ein gleißendes, goldenes Licht entströmte dem silbernen Ding, daß Silverbolt in der rechten Hand hielt und breitete sich aus. Als Aurora es sah, fühlte sie, wie eine starke Kraft in sie einströmte, die wie ein heißes, berauschendes Getränk in ihren Körper floß und irgendwas in ihrem Kopf auflöste. Plötzlich konnte sie wieder frei denken, während Elroy Portsmouth, den das Licht von hinten beschien, vor Wut und Schmerz aufschrie. Wie von einem Schlag getroffen fiel Elroy zu Boden. Doch sofort rief dieser in einer Aurora unverständlichen Sprache etwas dagegen, und um seinem Körper waberte eine dunkle, flüchtig wirkende Masse wie ein überlebensgroßer Schatten an der Wasseroberfläche, der von einem weit unten schwimmenden Taucher gesehen wird. Wieder fühlte Aurora, daß ihr Wille zu schwinden begann. Sie stemmte sich dagegen, und als sie in das immer noch erstrahlende Licht des pentagrammförmigen Amuletts blickte, gewann sie ihre Willensfreiheit zurück. Doch Elroy, der nun den immer schärfer umrissenen Schemen eines riesigen Mannes wie eine nichtstoffliche Rüstung am Leib trug, erhob sich und stapfte mit entschlossenen Schritten auf seine drei Gefangenen zu, die gerade erst aus dem uralten Zauberbann befreit worden waren.

Silverbolt rief Elroy oder was er in Wirklichkeit auch immer sein mochte etwas nach, daß sie nicht verstand. Sie wußte nur, daß sie geschützt war, solange sie in das magische Licht blickte, daß zwar hell war, aber nicht im Mindesten in den Augen schmerzte. Es war eher so, als fließe aus dem Licht eine unerschütterliche Zuversicht und Stärke in ihren Körper ein, die sie sich sicher und unangreifbar fühlen ließ. Ob Bruster und Cynthia es auch so empfanden wußte sie nicht. Sie dachte nur, daß die anderen beiden aus dem Bann befreit waren.

"Macht, daß ihr wegkommt!" Rief Silverbolt. "Ihr stört hier!"

"O nein", brüllte Elroy mit einer nun riesenhaften Stimme. "Sie gehören mir, Sohn aus dem stinkenden Leib Ashtarias. Ihr gehört mir!!" Der nun von dunkelheit ganz umhüllte Elroy, der als solcher nicht mehr zu erkennen war, wedelte mit seinen riesenhaften Schattenarmen. Aurora erkannte, daß der Weg zu schmal war. Sie würde nicht unangefochten an dieser Kreatur da vorbeikommen und wollte Silverbolt auch nicht umwerfen, weil sie fürchtete, daß dann der mächtige Zauber, der von dem Pentagramm ausging unterbrochen würde. Cynthia stürmte los, ohne sich zu besinnen, daß der Weg schon versperrt war. Bruster erhob sich ruhig und griff nach seinem Zauberstab.

"Ich sagte, du gehörst mir!" Brüllte das Schattenungeheuer und rief wieder jene Worte aus, mit denen es Aurora, Cynthia und Bruster gebannt hatte. Doch Silverbolt rief eine weitere Zauberformel, die Aurora ungefähr als Anrufung eines Patronus erkannte, wie sie ihn bei Glaucos im letzten Jahr ausprobiert hatte. Aus dem Amulett flog eine silberweiße Erscheinung in Form eines überlebensgroßen Wolfes oder Hundes heraus und biss in den Cynthia gerade umschlingenden Schattenarm. Dieser peitschte zurück und zog sich auf seine halbe Länge zurück. Das ganze Geschöpf war bereits über zwei Meter hoch. Aurora fühlte, wie zwei ebenbürtige Gewalten in ihr um die Vorherrschaft rangen. Cynthia wimmerte, weil die Berührung mit der dunklen Halbmaterie ihr wohl einen heftigen Schmerz versetzt hatte. Der silberweiße Hund sprang an dem Schattenungeheuer hoch, trieb es dazu, schmerzhaft zu jaulen und zur Seite auszuweichen. Cynthia stand einen Moment da wie erstarrt. Dann rief Bruster:

"Mann, Mädel lauf jetzt!" Cynthia erwachte aus der Starre und spurtete los. Der Schatten warf sich herum und prallte vor dem goldenen Leuchten zurück. Silverbolt sang eine magische Litanei, die ganz gewiß nur mächtigen Zauberern half, fand Aurora. Die Schattenkreatur wich zurück, wimmerte andere Worte dagegen. Bruster sah noch wie Cynthia weiterlief. Silverbolt konzentrierte sich auf seinen unheimlichen Gegner. Das wäre die rechte Gelegenheit für Aurora, davonzulaufen. Doch der Schatten warf sich ihr in den Weg, drehte ihr den Rücken zu und blockierte das Licht. Schlagartig fühlte sie sich wie in einen Eismantel eingefroren. Doch sie konnte noch klar denken. So erkannte sie mit Grauen, daß sie ihre Chance zur Flucht vertan hatte. Wenn diese übermächtige Gestalt da wie ein Nachtschatten war, konnte diese ihr Wärme und Lebenskraft aussaugen.

"Avada Kedavra!" Rief Bruster neben ihr mit großer Anstrengung. Ein gleißend grüner Blitz zuckte zu dem Schatten hinüber und traf ihn am Oberschenkel. Doch statt umzufallen und tot liegen zu bleiben, blähte sich der Schatten weiter auf, wurde so groß wie der Wildhüter Hagrid. Dabei stieß die Kreatur ein hämisches, weit hallendes Lachen aus.

"Du Vollidiot!" Polterte Silverbolt und sprang zurück, weil das nachtschwarze Phantom mit der rechten Faust nach ihm schlug und keinen halben Meter vor dem Kopf des Lehrers auf einen unsichtbaren Widerstand prallte.

"Stimmt verdammt!" Knurrte Bruster ärgerlich. "Wir müssen weg von hier."

"Ihr bleibt hier!" Brüllte die Schreckgestalt, die nun wie ein Riese aus verstofflichter Nachtshwärze wirkte und trat nach Silverbolt, dessen Schutzschild zwar den Anprall dämpfte, ihn aber selbst zurückwarf.

"Danke für die Worte des Todes, du einfältiger Wurm!" Lachte das Schattenungetüm an Brusters Adresse. Aurora fragte sich, wieso Bruster den unverzeihlichen Todesfluch konnte. Hatte er ihn etwa heimlich geübt, um sich gegen Anhänger des Unnennbaren wehren zu können? Doch das war verboten. Und wenn Elroy von dem Blitz getroffen worden wäre, müßte Bruster lebenslänglich nach Askaban.

Aurora hörte Silverbolt wieder jene Formel rufen, mit der er sie und die beiden anderen befreit hatte. Cynthia lief wohl schon weit genug fort. Das Schattenwesen schnaubte und wich zurück. Es rief andere Worte, wohl die Gegenformel dazu, doch seine Worte klangen gequält, zu erschöpft, während Silverbolt mit großer Inbrunst und Selbstsicherheit rief:

"Alaishadui Siri,
Alaishaduan a sogaharan Iri.
U Alaishaduim Godiri,
san Arwoxaran Laishandan miri!"

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"Aus Liebe warst geboren,
bist Liebe und auch Heil verschworen.
Wenn du mit Liebe wirst gegeben,
bewahrst du standhaft Schutz und Leben!" Hörte der Bodenbereiter des Unbezwingbaren diese verwünschte Anrufung immer wieder. Er rief ihr entgegen:

"Geboren wart die Welt und Zeit,
aus kalter, leerer Dunkelheit.
In sie wird sie auch wieder schwinden,
sich in Zerstörtheit wiederfinden!"

Er fühlte, wie die ihm unverhofft zugeführte Todesmagie, die die modernen Zauberkundigen mit zwei Worten für eine einzelne Person aufrufen konnten seine Kraft gestärkt hatte. Doch das Licht, das gegen seine Löschung so widerlich ankämpfende Licht, fraß an seiner übernatürlichen Substanz wie Feuer an der Kohle. Wollte er nicht diesem Licht nachgeben, mußte er den Feind niederwerfen. Doch jeder Schlag, den er austeilte, jeder Tritt, den er ausführte, prallte an der Barriere des Feindes ab und schmerzte ihn. Beinahe verlor er seine magische Balance und hätte seinen schattenhaften Überkörper in den lebendigen Körper eingesogen, der ihm nun als Werkzeug diente. Da fiel ihn wieder dieser Hund aus greifbarer Zuversicht an. Er hieb seine rechte Faust mitten hinein in die silberne Erscheinung, die mit großer Wucht zurückgeprällt wurde und immer kleiner werdend dahintrieb. Das Leuchten des Amulettes wurde schwächer. Gleich würde es doch vergehen, wie alles Licht in der Finsternis vergehen mußte. Da flog der immer kleiner und durchscheinender wirkende Hund genau auf das Amulett zu, wurde darin eingesogen, worauf das Kleinod unvermittelt wieder zu strahlen begann. Der Bodenbereiter des Unbezwingbaren fühlte, wie der letzte Rest der ihm geschenkten Todeskraft verglühte und wich zurück, jedoch mit seinem Schattenleib die zwei noch verbliebenen Gefangenen abschirmte, daß sie ihm gleich wieder unterworfen sein würden.

"Du hast keine andere Wahl als zu gehen, Bodenbereiter des durchaus bezwingbaren Schattenfürsten Iaxathan. Deine Anwesenheit hier wird nicht geduldet. Verlasse diese Welt!" Rief Silverbolt in der alten Sprache, und die Worte wirkten gleichsam wie ein Zauberspruch. Doch Kalsharin Daragasadin stemmte sich dagegen, einfach so davonzulaufen, seine Gefangenen unverrichteter Dinge zurückzulassen. Wenn er es schaffte, zwei Gefangenne zu seinem Meister zu bringen, war er weiter als beim letzten Mal. Dann konnte er sich in der Welt weitere zwei Aussuchen, ja wohl selbst wieder nach Hogwarts zurückkehren und die zwei, die er noch haben wollte herausholen. Er drehte sich langsam um, trat dabei wie ein wütendes Pferd aus und traf die Barriere um Silverbolt. Dann stürzte er auf Aurora und Bruster zu. Da erklang eine neuerliche Zauberformel:

"Die Macht von sieben sei vereint!
sie schütze Freund, bezwinge Feind!"

Fast erreichte Kalsharin Daragasadin Aurora Dawn, als ein heißer Schmerz in seinem Rücken explodierte, und um ihn herum dunkle und helle Blitze zuckten.

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Aurora und Bruster sahen dem magischen Zweikampf weiter wie lebendige Statuen zu. Dann, als das gigantische Schattenwesen auf sie zustürzte, fühlte sie die eisige Kälte auch in ihr Herz eindringen. Das Monster würde sie gleich mit Leib und Seele verschlingen, war der Gedanke, der Aurora durch den Kopf ging, als das Ungetüm kurz vor ihr zurückgerissen wurde und in ein Gewitter aus völlig schwarzen und weißblauen Blitzen erzitterte. Die Schattenform schrumpfte dabei ein, verbrannte wohl in den magischen Energieentladungen. Dann fühlte sie, wie sie sich wieder frei bewegen konnte. Sie sprang zur Seite und wollte an dem abschmelzenden Schattenungeheuer vorbeilaufen, als sie Silverbolt sah, der mit seinem Amulett, aus dem ein pulsierender, weißblauer Strahl auf das nachtschwarze Unwesen einprasselte heransprang und hörte erneut, wie er die Formel rief, mit der er sie aus dem Bann befreit hatte. Kaum war sie verklungen, breitete der Strahl sich wieder zu einem goldenen Licht aus. Aurora sah, daß Silverbolt irgendwie von dem ganzen Kampf ausgezehrt worden war. Doch er schaffte es, sich von hintengegen das Schattenwesen zu werfen und drückte das Amulett dabei mitten hinein. Mit einem lauten Aufschrei wie aus zwei Mündern und einem lauten Knall löste sich der Schatten vom Boden, warf dabei Elroys Körper heraus und ballte sich zu einer schwarzen Wolke zusammen, die mit wütendem Geheul nach oben flog. Silverbolt fiel mit Elroy zu boden, sein Amulett immer noch an den Körper des Jungen gepreßt. Wie von einem entfernten Geist klang die Stimme aus der Wolke heraus, die nun ihre rasende Fahrt bremste und dann sich auseinanderziehend wieder herabstieß. Aurora konnte nicht verstehen, was gesagt wurde. Doch Silverbolt zuckte zusammen und stemmte sich hoch. Elroy lag wie betäubt am Boden. Dann sah Aurora, wie die schwarze Wolke genau über Bruster herabsank, der wild entschlossen die Fäuste nach oben reckte und rief: "Komm ruhig zu mir, du hirnloser Schattendämon. Nimm mich doch, wenn du dich traust!"

"Das werde ich!" Schnarrte die unheimliche Stimme aus der Wolke, die nun immer schneller auf Bruster zustieß, nur noch fünf Meter entfernt war.

"Dieser Tor!" Brüllte Silverbolt um Atem ringend. "Er wird von ihm einverleibt und in Besitz genommen werden."

"Bruster, bist du wahnsinnig?!" Rief Aurora, den Tränen nahe. Da berührte die Wolke Brusters Kopf, erzitterte eine Weile und prallte dann von ihm zurück. War es einbildung oder wirkliche Wahrnehmung. Aurora hörte in diesem Moment einen Laut aus der Wolke, der höchst angeekelt klang. Dann trieb die Wolke wieder auf Elroy zu, der gerade frei am Boden lag. Aurora sprang zurück. Silverbolt zitterte und wankte. Offenbar stand er kurz vor dem Zusammenbruch, und nur ein eiserner, zu allem entschlossener Wille hielt ihn wach. Er trat vor, hob das Amulett wieder an und sah mit wütendem Blick, wie die Wolke Elroy wieder einhüllte und sich um ihn legte. Offenbar wollte die dämonische Kreatur den alten Körper zurückgewinnen. Doch da rief Silverbolt noch einmal die Formel, warf sich vor und traf mit gerade aufleuchtendem Amulett auf Elroy. Die Wolke färbte sich grau und dann weiß, als sie wild rotierend über dem Körper des Viertklässlers hing, in den sie doch gerne zurückströmen wollte, wie Aurora vermutete. Dabei klangen wütende Worte aus dem Gebilde heraus. Aurora verstand diese Worte nicht, doch Silverbolt schien zu verstehen. Er setzte schon an, eine Gegenformel zu wirken, als aus der Wolke ein pechschwarzer Strahl herausfuhr und auf die goldene Lichtumhüllung traf, sich daran ausbreitete. Das Licht ließ nach, flackerte bedenklich. Da durchbohrte der Strahl die Barriere und traf Silverbolt am Kopf. Das alles war so entsetzlich, daß Aurora fast nicht bemerkt hätte, wie die nun wolkengleiche Kreatur dabei immer mehr an Größe und Dichte verlor. Als der schwarze Strahl Silverbolt berührte, schrie dieser auf. Das wiederrum weckte das zu erlöschen drohende Licht zu neuem Leben. In einem gleißenden Blitz breitete es sich aus und fegte die nun völlig erbleichte Wolke von Elroys Körper fort, warf Silverbolt selbst auf den Rücken und erhellte die Wiese wie eine zweite Sonne. Die Wolke wirbelte davon, zerfaserte dabei. Aurora vermeinte einen unaufhörlichen, doch immer leiser werdenden Schrei zu hören, der aus Richtung der davonschießenden Dunstgestalt kam. Da plötzlich ballte sich die kaum noch wahrnehmbare Wolke zu einer winzigen, schwarzen Kugel zusammen, die mit einem Scharfen Knall verschwand. Im selben Augenblick erlosch das Licht des Pentagramms und Silverbolt blieb ohnmächtig am Boden liegen. Sie trat zu ihm und betrachtete ihn besorgt. Der silberne Fünfzackstern lag auf der Brust des Lehrers und wirkte nun völlig bedeutungslos. Als Aurora ihn näher betrachtete, fiel ihr auf, daß sich auf der Oberfläche Reif bildete. Das Amulett wurde von Eis überzogen. Sie wagte es, die linke Hand danach auszustrecken, als Bruster auf sie zusprang und sie wegstieß.

"Fass den nicht an!" Knurrte er. "Womöglich ist das Ding jetzt kälter als gefrorenes Quecksilber. Du hättest dir die Finger dran verbrennen können."

"Woher weißt du das, und was war das eben mit der Schattenkreatur?"

"Sie wollte meinen Körper und meine Seele. Beides war ihr dann aber doch ungenießbar", triumphierte Bruster.

"Warum wollte sie nur dich und nicht mich? Ich stand doch näher dran als du", wunderte sich Aurora.

"Dich hat er gleich als unannehmbar angesehen. Bei mir hat er geglaubt, die gewünschte Gestalt annehmen zu können. Aber kuck lieber nach Elroy!"

"Schulsprecher oder nicht, Bruster, ich will jetzt erst wissen was los ist", knurrte Aurora Dawn. "Wieso hat dieses Wesen mich nicht angegriffen?"

"Das behalte ich besser doch für mich", erwiderte Bruster überlegen lächelnd und meinte: "Ich gehe zum Schloß zurück und informiere Dumbledore, was hier passiert ist. Du kuckst dir Elroy und Professor Silverbolt an. Immerhin möchtest du ja Heilerin werden."

"Elroy ist nicht tot. Er ist bewußtlos. wir bringen beide zu Madame Pomfrey hin und informieren Dumbledore", hielt Aurora entgegen.

"Weiß ich, ob die jetzt bewegt werden dürfen, Aurora? Soll ich Ravenclaw wegen dir fünfzig Punkte wegen fortgesetzter Aufsässigkeit abziehen?" Schnarrte Bruster. Da explodierte ein Feuerball in der Luft, und mit seinem Phönix Fawkes, den Aurora seit dem ersten Mal, wo sie ihn gesehen hatte bewunderte, stand Professor Albus Dumbledore da. Bruster erschrak irgendwie, weil er nicht darauf gefaßt gewesen war. Doch so ertappt, ja förmlich schuldbewußt wie jetzt brauchte Bruster Dumbledore nicht gleich anzusehen. Es war doch nicht seine Schuld, daß sie in diese Lage geraten waren. Es war doch nicht seine ... Da kam Aurora ein sonnenheller Geistesblitz, in dem ihr mehrere Erlebnisse durch den Kopf gingen. Darunter war das mit Bruster und Tonya, wo Bruster behauptet hatte, jemand sei unter einem Tarnumhang neben ihm. Dann war da die Sache mit Morpuora, wie Bruster gegen sie gekämpft hatte. Später hatte die Sabberhexe Aurora mitgeteilt, sie möge jenem Mädchen, daß sie damals angegriffen habe ausrichten, sie habe sich nicht täuschen lassen. Dann war da die angebliche Verfluchung von Digger, wo Bruster beteiligt gewesen sein sollte.

"Erschreckt es dich so sehr, daß ich schon da bin?" Fragte Dumbledore mit amüsiertem Lächeln. Doch Aurora konnte eine Spur Verärgerung aus der Frage heraushören. Bruster deutete eine Handbewegung zum Zauberstab an, besann sich jedoch eines besseren.

"Sir, woher wußten Sie, wo wir sind?" Fragte Aurora schlicht weg angenehm überrascht.

"Ich habe auf Geheiß meines alten Freundes Adamas Silverbolt einen speziellen Alarmzauber und eine nur für diesen Fall zulässige Vorrichtung benutzt. Daran konnte ich sehen, daß ihr alle hier seid", sagte der Schulleiter nun nicht so verärgert klingend. Bruster sagte darauf nur:

"Sir, wir sind in eine Falle eines übermächtigen, dämonischen Wesens geraten, daß die Körperform von Elroy Portsmouth benutzt hat. Professor Silverbolt kam gerade noch rechtzeitig, um uns zu retten. Cynthia Flowers konnte schon entkommen."

"Das weiß ich, ich habe es genau beobachtet", erwiderte Dumbledore mit einem merkwürdig ungehaltenen Unterton. "Dann sagte er: "Und offenbar war jenes dämonische Wesen nicht der einzige, der sich fremder Körper bedient hat, nicht wahr?" Bruster verzog das Gesicht. Dann warf er sich herum und spurtete an der vor Überrumpelung unbeweglichen Aurora Dawn vorbei. "Das werte ich mal als Geständnis", knurrte Dumbledore und hob den Zauberstab. Fauchend flog ein Schocker an Aurora vorbei und erwischte Brusters rechten Arm. Die Beine klappten unter ihm weg und er fiel hin.

"Professor, ich vermute, das ist Loren Tormentus und nicht Bruster Wiffle", sagte Aurora nun frei heraus. Dumbledore sah sie erst verwundert an, mußte dann aber anerkennend nicken.

"Woran erkennst du das?" Wollte der Schulleiter wissen.

"Weil dieser Dämon oder was es war, der Elroy in Besitz hatte versucht hat, ausschließlich Bruster zu übernehmen, aber wie angeekelt von ihm zurückgeprallt ist. Bruster, er, öhm, sie, hat dann behauptet, das Wesen habe den Körper und die Seele übernehmen wollen, ihn dann aber als ungenießbar angesehen. Außerdem hat mir Morpuora, die Sabberhexe, die Tim Abrahams von sich abhängig gemacht hat, was erzählt, ein Mädchen habe sie mit dem Schockzauber zu treffen versucht. Wenn ich dieses Mädchen gewesen wäre, hätte sie mich direkt angesprochen. Aber außer mir war nur Bruster Wiffle da, bevor ich die Heiler und Mrs. Jane Porter gerufen habe", sprudelte es aus Aurora heraus.

"Nun, ich benutzte wie erwähnt eine Vorrichtung, die mir alle lebenden und gewesenen Bewohner von Hogwarts anzeigte, und zwar wahrheitsgetreu. Dabei mußte ich mich doch wundern, daß Loren Tormentus bei euch auf der Wiese hier war, obwohl ich kurz zuvor mit Hilfe von Professor Silverbolts Spielzeug dich, Cynthia, Elroy und Bruster dort gesehen hatte. Bruster Wiffle selbst befand sich laut Anzeige meiner Alarmvorrichtung im Slytherinkerker, wo er nie hätte hineingelangen können, wenn er nicht eine List benutzt hätte. Er befand sich in unmittelbarer Nähe von Eurynea Tormentus, woraus ich schlußfolgern konnte, daß sie ihn als ihre Schwester angesehen hat und bei ihm Schutz suchte. Da beide zudem noch Mütter haben, deren Lebensweg ich so weit es mir gestattet wurde nachvollziehen konnte, war mir klar, daß sie sich wohl zusammengetan haben, ob zweckgebunden oder in partnerschaftlicher Beziehung."

"Ich denke, wenn Bruster jetzt als Loren herumläuft, dann muß das eine echte Beziehung sein, Sir. Jetzt erklärt sich auch für mich, warum Bruster den Impersecutio-Zauber verwendet hat. Er wollte nicht, daß jemand dahinterkommt. Oder vielleicht war es in dem Fall nicht Bruster. Ist schon fies, sich vorzustellen, daß Loren in seinem Körper bei uns im Gemeinschaftsraum gewesen sein kann. Jedenfalls denke ich, daß es eine Partnerschaft sein muß, weil ich einem Jungen, der mir nicht viel bedeutet bestimmt nicht erlauben würde, meinen Körper anzunehmen. Das ging wohl mit Vielsaft-Trank, oder?"

"Hmm, Accio Vielsaft-Trank!" Rief Dumbledore auf Brusters Körper deutend. Eine große Feldflasche schoss aus der sich wie erschreckt aufreißenden Schultasche heraus und flog wie ein Wurfgeschoss zu Dumbledore hinüber.

"Quod erat demonstrandum", sagte er, als er die Flasche aufgeschraubt hatte und eine sirupartige Flüssigkeit darin erblickte.

""Hast du vielleicht mitbekommen, ob sie", wobei er auf Brusters Körper deutete, "aus dieser Flasche getrunken hat?"

"Heute?" Wollte Aurora wissen, der noch etwas einfiel. Bruster hatte nach dem Kampf gegen die Sabberhexe aus dieser Feldflasche getrunken.

"Das zum Anfang", meinte Dumbledore. Aurora schüttelte den Kopf. Sie sagte dann, daß Bruster mit ihnen in der Bibliothek gewesen war und vor dem Marsch hierher noch einmal zur Toilette gegangen sei.

"Um die fällige Dosis einzunehmen", seufzte Dumbledore mehr mit Enttäuschung als Ärger in der Stimme. Aurora nickte. Dann fragte sie leicht beunruhigt:

"Das heißt, Sie können jeden von uns überwachen und feststellen, ob er der ist, der er sein soll?"

"Nein, Aurora, beruhige dich. Diese Vorrichtung die ich benutzen konnte arbeitet ausschließlich, wenn der legitime Schulleiter von Hogwarts der absolut ehrlichen Überzeugung ist, die Schule würde direkt angegriffen. Ansonsten gelangt der Schulleiter nicht an diese Vorrichtung oder kann sie benutzen. Dies wurde vor Generationen entwickelt, um im Fall eines direkten Angriffes alle Schüler in Sicherheit zu bringen und dann sämtliche Türen und Tore unaufhexbar zu verschließen. Es wurden mehrere Zauber eingearbeitet, die verhindern sollen, daß die Vorrichtung in falsche Hände fällt oder von einem skrupellos herrschsüchtigen Schulleiter dazu mißbraucht werden kann, die ihm anvertrauten Schüler auf Schritt und Tritt zu überwachen. Aber wir sollten uns um deinen Mitschüler Elroy und Professor Silverbolt kümmern. Wie lange ist es her, daß Loren den Vielsaft-Trank getrunken hat, beziehungsweise, den Gang zur Toilette vorgeschützt hat?"

"Öhm, ungefähr eine Viertelstunde ist das her, Sir", informierte Aurora den Schulleiter.

"Gut, das eröffnet mir eine Möglichkeit, die Angelegenheit unauffälliger zu regeln", antwortete Professor Dumbledore. Dann wies er Aurora an: "Du bleibst bitte hier und wartest auf Madame Pomfrey. Ich nehme Loren schon einmal mit zu mir."

"Natürlich, Sir", bestätigte Aurora den Befehl. Dumbledore ging zu Brusters Körper hinüber und ließ diesen auf Mausgröße einschrumpfen. Dann explodierte ein neuer Feuerball aus dem Phönix heraus, der den Vogel und seinen Herren scheinbar restlos vernichtete. Doch Aurora wußte, daß der Phönix die Gabe besaß, den Raum durch Benutzung der Kraft des Feuers aus Erde und Sonne zu durchqueren, ähnlich einem Apparator, nur daß für den Vogel die Apparitionsmauern nicht vorhanden waren.

Einige minuten später flog Madame Pomfrey auf einem Besen herbei und landete. Aurora setzte gerade an, einen kurzen Bericht abzuliefern. Doch die Heilerin schüttelte den Kopf und besah sich sofort die beiden bewußtlosen, Professor Silverbolt und Elroy Portsmouth.

"Dieses Ding auf Professor Silverbolts Brust stört meine Diagnosezauber", knurrte die Schulkrankenschwester. "Warum ist es mit Eis bedeckt?"

"Wahrscheinlich hat es alle seine Kraft verbraucht und Wärme aus der Umgebung abgesaugt", vermutete Aurora. Madame Pomfrey trat an Silverbolts Körper heran und versuchte mit einer behandschuhten Hand, den Stern zu entfernen. Doch dieser war fest am Umhangstoff festgefroren, und an Madame Pomfreys Fingerkuppen bildete sich auch Eis.

"Ich kriege es nicht gelöst", knurrte die Heilerin. "Nachher frieren meine Finger auch noch fest."

"Soll ich einen Feuerstrahl auf das Amulett schicken?" Fragte Aurora.

"Das mach ich besser", erwiderte Madame Pomfrey. "Aber vielleicht können wir Elroy zuerst behandeln." Sie ging zu Elroy und untersuchte ihn.

"Ich kann keine inneren Verletzungen finden. Er ist einfach erschöpft. Aber das sollen die Heiler im St.-Mungo-Krankenhaus herausfinden. Wenn er wirklich von einem dämonischen Geisterwesen besessen war, könnte er seelische Schäden davongetragen haben, die ich selbst nicht behandeln kann. Womöglich muß er sogar in die geschlossene Abteilung eingewiesen werden", seufzte sie noch. Da zerplatzte ein neuer Feuerball genau über Silverbolt, und Dumbledores Phönix sank heraus.

"Vielleicht kann Fawkes Professor Silverbolt heilen", vermutete Aurora. "Die Phönixtränen sind doch sehr mächtig."

"Ja, gegen körperliche Verletzungen und gegen Gifte und niedere Flüche", sagte die Heilerin. Da ließ Fawkes bereits dicke Tränen auf Silverbolts Kopf kullern. Der Stern auf der Brust schien mit den heilsamen Tränen irgendwie zusammenzuwirken. Denn leise knisternd brach der dicke Eispanzer ab, je mehr Tränen auf Silverbolts Kopf niedertropften. Eine landete sogar im Mund des Lehrers. Da schlug er die Augen auf, und der silberne Stern lag nun vom Eise befreit auf der Brust.

"Oha, da habe ich alter Recke mich aber ganz schön übernommen, wie? Verdammt, der letzte Fluch Kalsharin Daragasadins." Er griff an den Heilsstern und murmelte leise die Formel. Fawkes stimmte unvermittelt ein wunderschönes Lied an, als der magische Stern schwach golden aufleuchtete. Silverbolt wirkte für einen Moment beruhigt. Doch als sein mächtiges Schmuckstück in ein regelmäßiges Pulsieren überging, sah er besorgt aus.

"Können wir Sie bitten, dieses Schmuckstück für eine Untersuchung Ihres Körperzustandes abzulegen?" Fragte Madame Pomfrey, die leicht befremdlich auf das schwach blinkende Artefakt blickte.

"Bei Merlins Bart, auf keinen Fall", stöhnte Silverbolt. "Offenbar kämpft es gegen den Fluch an, den mir Kalsharin Daragasadin als letzten Gruß vor seiner hoffentlich endgültigen Beseitigung mitgegeben hat."

Aurora erschauerte. Sie erinnerte sich an den jähen schwarzen Strahl, der aus der immer lichter werdenden Wolke hervorgestochen war. Sie fragte besorgt, ob das ein Seelenfeuerfluch war und ob sie davon auch berührt worden sei.

"Nein, Mädchen, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Diese Art von Fluch wirkt nur auf die Personen, die die Sprache verstehen können, in der er gerufen wird. Da ich nicht glaube, daß du die Zaubersprache des alten Reiches kannst, hat er dir wohl nichts anhaben können. Mir dafür um so heftiger", ächzte Silverbolt. "Wenn er mich ungeschützt erwischt hätte wäre ich in einer Minute um zweihundert Jahre älter geworden, und da ich schon mehr als hundert Jahre auf dieser schönen Erde lebe wäre das mein sicherer Tod gewesen, ein flächendeckender Todesfluch, der innerhalb von einer Minute jeden tötet, der die Worte wortwörtlich verstanden hat. Mein Heilsstern hat das Schlimmste vereitelt. Aber irgendwie scheint noch ein starker Rest von dem Fluch in mir zu stecken, und mein Schmuckstück kämpft jetzt dagegen. Wenn ich es abnehme könnte der Fluch sich regenerieren und mich dann doch noch voll erwischen. Insofern tut es mir leid, Madame Pomfrey, daß man Sie meinetwegen herbeordert hat. Sie können mir nicht helfen."

"Das wird sich zeigen. Wenn Sie zu den Fluchexperten nach St. Mungo gehen ..."

"Kann ich Ihnen verbindlich versichern, daß die Fluchaufhebungsexperten da genauso machtlos sind wie Sie sich selbst fühlen müssen. Die Art des Fluches ist uralt, die kennt doch heute kein Mensch mehr. Mein Heilsstern hier ist mit einer Vielzahl anderer uralter Zauber angereichert worden, die als einzige was dagegen ausrichten können. Für mich heißt das, daß mein Heilsstern zu einem überlebenswichtigen Außenorgan geworden ist, wie mein Herz oder meine Lungen. Die können Sie mir ja auch nicht einfach rausnehmen."

"Madame, Elroy erwacht gerade", sagte Aurora, als sie sah, wie Fawkes seine heilbringenden Tränen über Elroy vergoß.

"Vielleicht sollten wir ihn besser fixieren", murmelte Madame Pomfrey. Doch da stand Elroy bereits auf und sah sich verdutzt um.

"Hallo, wo bin ich denn hier gelandet", sagte er sichtlich verwirrt. Dann sah er Madame Pomfrey und Professor Silverbolt.

"Kannst du dich erinnern, wer du bist?" Fragte Madame Pomfrey, die jetzt, wo der Junge auf seinen Beinen stand einfach vom besten Fall ausging, daß der Junge vielleicht keinen bleibenden Schaden davongetragen hatte.

"Klar, Elroy Portsmouth, Vierte Hogwarts-Klasse, Haus Hufflepuff, Hauslehrerin Professor Sprout, Madame Pomfrey. Aber wie bei Merlins Bart komme ich hierher?"

"Wie geht es dir?" Wollte Madame Pomfrey wissen.

"Gut geht's mir. Das einzige was mit mir is', daß ich nicht weiß, wieso ich eben noch im Quidditchstadion saß, wo Hufflepuff den Schnatz gefangen hat und im Nächsten Moment hier auf dieser Wiese bin. Oh, Dumbledores Phönix ist hier. Schönes Tier."

"So, das du im Stadion warst weißt du noch", meinte Madame Pomfrey, der Aurora anhören konnte, daß sie sich beinahe freute.

"Klar, das war doch die Supersache, daß wir noch 150 Punkte geholt haben. Aber was war dann?" Fragte Elroy.

"Kannst du dich echt nicht erinnern, was dir danach passiert ist?" Fragte Madame Pomfrey.

"Nicht die Springbohne, Madame Pomfrey. Entschuldigung, ich erinnere mich an gar nichts seit dem. Ist so als wenn ich appariert wäre", erwiderte Elroy und blickte auf seine Armbanduhr. "Au Drachenmist! Drei ganze Stunden später? Dabei hatte ich doch eben auf die Uhr gesehen, als die Partie um war. Da war es halb zwölf, und jetzt ist's schon halb drei! Hatte ich einen Unfall oder sowas?"

"Ja, hattest du", grummelte Professor Silverbolt. Er hatte seinen immer noch pulsierenden Anhänger unter den Umhang geschoben, wo sein Leuchten nicht mehr zu sehen war. "Ich habe dich gefunden. Jemand hat dich mit einem Fluch belegt, den wir jetzt erst aufheben konnten. Derjenige ist schon auf dem Weg nach Askaban."Madame Pomfrey sah Silverbolt verärgert an, daß dieser den Jungen dreist belog. Doch dann erkannte sie die gute Absicht dahinter und nickte.

"Es war ein kombinierter Fluch, der deine Sinne und Organe betroffen hat. Um ihn aufzuheben mußte ich dich vor Ort hier behandeln, weil du auf keinen Bewegungszauber angesprochen hast. Professor Silverbolt hier hat mir geholfen, die Einzelteile des Fluches zu beheben und dich dann in einen kurzen Schlaf gezaubert, damit du dich erholen konntest."

"Mist, war das wieder sowas wie mit Agatha Priestley?" Erschrak Elroy.

"Genauso, Elroy. Nur diesmal haben wir den Saukerl erwischt", erwiderte Silverbolt. Madame Pomfrey schnalzte mißbilligend mit der Zunge.

"Wer war's?" Fragte Elroy.

"Einer, der sich als Hogwarts-Schüler ausgegeben hat. Professor Dumbledore konnte ihn enttarnen, als er sämtliche Schüler und Lehrer in den Schulhäusern versammelt hat und eine besondere Alarmvorrichtung benutzen konnte", sagte die Heilerin. "Der richtige Schüler wurde in einem unbenutzten Kerker gefunden. Er kann sich auch an nichts erinnern."

"Den sollen die Dementoren knutschen", knurrte Elroy wütend. Dann meinte Professor Silverbolt:

"Sowas würde ich meinem schlimmsten Feind nicht gönnen, Elroy."

"Was machst du hier, Aurora?" Fragte Elroy.

"Ich bin so unterwegs", log Aurora Dawn. "Dabei habe ich Madame Pomfrey und Professor Silverbolt gefunden und gefragt, ob ich helfen könne. Aber weil Professor Dumbledore seinen Phönix hergeschickt hat war ich nicht mehr nötig. Aber zugucken durfte ich, weil ich ja vielleicht selbst mal Heilerin werde."

"Haben wir echt den Typen erwischt?" Wollte Elroy noch einmal wissen. Alle nickten. Dann kehrten sie zu Fuß zum Schloß zurück. Der Phönix flog mit einem lauten Jubelschrei davon.

Als Aurora in die Eingangshalle trat, kam ihr Eunice Armstrong entgegen.

"Aurora, Professor Dumbledore sucht dich. Kannst du bitte in sein Büro. Oh, Professor Silverbolt. Sie sind auch da? Sie sucht Professor Dumbledore auch."

"Dann wollen wir dem alten Haudegen mal einen Besuch abstatten", knurrte Silverbolt belustigt. Sie verabschiedeten sich von Elroy, der noch mit Madame Pomfrey in den Krankenflügel gehen wollte, um abschließende Untersuchungen über sich ergehen zu lassen und begaben sich zum Schulleiterturm.

In Dumbledores rundem Raum lag Brusters Körper immer noch geschockt aber nun normalgroß auf dem Boden. Dumbledore hockte vor seinem kleinen Kamin. Sein Kopf steckte wohl weit entfernt. Aurora hörte noch wie er sagte:

"... Ich werde ihn gleich auch noch einbestellen, Ethel. Mein Angebot bleibt nur so lange aufrecht, wenn mir die beiden erklären, was das sollte und welche der zwei Möglichkeiten sie annehmen werden. Ich hatte echt gehofft, Ihre Tochter würde einen ehrlicheren Weg einschlagen als Ihre Frau Mutter."

"Wenn sie in vier Stunden nicht vor meiner Haustür appariert ist, warte ich in Kings Cross auf sie, Professor Dumbledore", klang wie aus einem tiefen Brunnenschacht eine verärgerte Frauenstimme. "Abgesehen davon hat Sie Ihnen geholfen, den alten Dämon auszutreiben, Sir. Wenn sie nicht an diesem Ort gewesen wäre, hätte sich Kalsharin Daragasadin einen neuen Körper gegriffen und wäre einfach verschwunden."

"Das ist der einzige mildernde Umstand, der mich bewog, Ihnen dieses Angebot zu machen, Ethel. Die beiden sind volljährig und daher eigenverantwortlich. Auf Wiedersehen!"

"Schön, von Ihnen gehört zu haben, Professor Dumbledore", kam eine eher geknurrte als gesprochene Antwort zurück. Dann wirbelte es im Kamin, und der Schulleiter besaß wieder seinen Kopf mit dem langen silberweißen Haar und Bart.

"Ah, gut, daß du schon da bist, Aurora. Da du die einzige Zeugin dieses Vorfalles wurdest ... Ah, Adamas, sie sind auch da. Geht es Ihnen wieder gut?"

"Kann ich nicht behaupten, Herr Direktor."

Dumbledore rief durch das Feuer zu Snape, er möge Loren Tormentus zu ihm hochschicken. Snape fragte zurück, ob er sie begleiten solle.

"Nein, nicht nötig, Severus. Am Besten kommt sie unverzüglich zu mir", erwiderte Dumbledore.

"Werden Sie die beiden von der Schule weisen?" Fragte Aurora.

"Nun, von den Regeln her bleibt mir keine andere Wahl, Aurora. Ich weiß nicht, weshalb und wielange sie dieses Körpertauschspiel getrieben haben. Die Möglichkeiten, die sich für sie daraus ergaben sind jedoch so drastisch, daß ich die beiden nicht länger als nötig unter dem Dach dieser Schule dulden kann. Aber ich habe mit den Eltern der beiden kontaktgefeuert und wegen der unbeabsichtigten, aber durchschlagenden Hilfe bei der Bekämpfung Kalsharin Daragasadins zwei Möglichkeiten erwogen. Aber näheres gleich."

"Kalsharin Daragasadin, ist das der Name dieses Dämons, der Elroy in Besitz hatte?" Fragte Aurora.

"Sagen wir's so, so nannte er sich. Das ist eigentlich ein Titel, ein Kampfname wie Lord Voldemort, wenngleich Kalsharin Daragasadin eher eine Dienstbezeichnung ist", knurrte Silverbolt, nun wieder ganz der schulweit bekannte Dobermann.

"Bodenbereiter des Unbezwingbaren bedeutet der Name. Eigentlich war diese körperlose Kreatur nur ein williger Sklave eines weitaus mächtigeren Unholds, der seine Spuren in der Vorzeit hinterlassen hat und in verschiedenen Weltreligionen mit dem Bösen schlechthin gleichgesetzt wird. In verschiedenen Überlieferungen heißt er Schattenfürst oder General der Vernichtung. Alle Teufelsbilder und bösen Gottheiten der Frühzeit bis heute könnten auf ihn zurückgeführt werden."

"Das war ein Sklave? Wie mächtig soll denn dann der Meister sein, wenn ein Sklave schon mit so heftigen Zaubern um sich wirft?" Erschrak Aurora.

"Nun, wie Professor Dumbledore erwähnt hat, wesentlich mächtiger. Sein Problem ist nur, daß er einmal gezwungen war, seine Macht aufzusplittern, weil er sie sonst ganz verloren hätte. Als er dann körperlich starb, ging sein Geist in ein geheimes Artefakt ein, das der Inbegriff seiner Macht ist. Da hat er geduldig auf den Tag gewartet, bis er wiedererweckt wird. Kalsharin Daragasadin war der Diener, der ihm den Boden bereiten sollte und seine Erweckung einleiten sollte. Ich hoffe, meine mir von jemandem aus ähnlich früher Zeit verliehene Macht konnte diesen Alptraum nun endgültig vertreiben. Sah am Ende zumindest danach aus."

"Nun, den Bericht darüber möchte ich gleich von Loren selbst hören", sagte Dumbledore ruhig. Silverbolt setzte schon an, zu behaupten, daß die doch nicht dabei war. Doch dann grinste er.

"Deshalb hat sich Kalsharin Daragasadin so angewidert von dem Bürschchen hier abgewendet", knurrte er und zeigte auf den betäubten Körper von Bruster Wiffle.

"Jedenfalls hoffe ich, daß wir eine große Gefahr, größer noch als Lord Voldemort und Dairons Baum für mehrere Generationen wenn nicht für immer gebannt haben."

"Falls nicht, wird meine Familie weiterhin gegen ihn kämpfen", erwiderte Silverbolt. "Genauso wie gegen Lahilliotas Brut."

Aurora ließ sich dann noch kurz beschreiben, daß es sieben uralte Zaubererfamilien gab, die bis in die Zeit der alten babylonischen Hochkultur zurückreichten und sieben unzerstörbare Amulette weitervererbte, in denen die gebündelte Kraft aus Liebe, Schutz und Lebenskraft vereinigt sei. Dann erschien Loren Tormentus, erst etwas unsicher, weil sie herzitiert worden war. Als sie dann Brusters Körper sah, erbleichte sie regelrecht. Um das zu erklären fragte sie sofort:

"Ist was mit Bruster passiert, Sir? Ich habe ihn kurz nach dem Quidditchspiel doch noch gesehen."

"Nun, im Moment ist das die Auswirkung eines Schockzaubers, Mr. Wiffle", sagte Dumbledore. Die Tür fiel zu und verriegelte sich. "Was immer ihr beide für ein Spiel getrieben habt, es ist jetzt aus und vorbei. Accio Vielsaft-Trank!" Aus Lorens Umhang flog eine große Feldflasche zu Dumbledore hinüber. Er entkorkte sie und besah sich den Inhalt, während die Person, die Loren Tormentus' Aussehen hatte, mit weit aufgerissenen Augen dastand und wohl fieberhaft überlegte, wie sie sich aus der Sache herauswinden konnte.

"In den meisten Beschreibungen des Vielsaft-Trankes steht nur drin, daß die Wirkung nach einer Stunde von selbst verfliegt", sagte Dumbledore ruhig. "Wir könnten also warten, bis die Wirkung von selbst vergeht. Andererseits ist das nicht nötig, da eine Dosis des Vielsaft-Trankes, in dem die körperliche Essenz der Ausgangsgestalt enthalten ist die Wirkung sofort beendet. Enervate!" Er hielt seinen Zauberstab auf Bruster gerichttet, der erwachte, sich umsah und ebenfalls ertappt zu Dumbledore aufschaute. "Ich möchte euch nun beide Bitten, eure angeborene Erscheinungsform wieder anzunehmen." Er gab Lorens Erscheinungsform die Flasche, die er bei Bruster beschlagnahmt hatte und Brusters Erscheinungsform die von Lorens Erscheinungsform beschlagnahmte. Beide tranken ohne weiteres Wort. Als sie sich dann in ihre natürlichen Daseinsformen zurückverwandelt hatten fragte Loren, ob Aurora Dawn wirklich dabei sein sollte, wenn sie Dumbledore berichteten. Dieser bestand darauf. Beide sagten dann nur, daß sie sich das mit dem Körpervertauschen vor vier Jahren ausgedacht hatten und heimlich Vielsaft-Trank in größeren Mengen gebraut hatten und dann, als sie in den Ferien waren, an die Zutaten gekommen seien. Dumbledore versuchte zwar, etwas mehr darüber zu erfahren, bekam aber keine anderen Antworten. Loren sagte dann nur noch, daß sie sich nach Silverbolts Amtsantritt über ihn erkundigt und mit Bruster darüber gesprochen habe, daß dieser wohl den unheimlichen Bodenbereiter suche, der alle paar Generationen auftauchen solle und rechtzeitig gefunden werden müsse, um kein Unheil heraufzubeschwören. Deshalb habe Loren, die eigentlich nur noch einmal mit Mortimer und Roy über Jungensachen reden wollte, Brusters Körperform angenommen."

"Wie gesagt, dieses Spiel ist nun aus und vorbei", wiederholte Dumbledore seinen Satz von eben. "Euch ist doch wohl sonnenklar, daß ihr hier keine weitere Nacht zubringen werdet, von den UTZ-Prüfungen ganz zu schweigen. Die sind für euch nun so weit fort wie die Sonne von der Erde. Zumindest werdet ihr hier in Hogwarts keine verbindliche Prüfung mehr ablegen, die noch dazu als Reifezeugnis für euch gelten sollte. Von geistiger oder gar sittlicher Reife kann hier wohl nicht gesprochen werden, abgesehen davon, daß ich von dir, Bruster sehr schwer enttäuscht bin, und ich habe gelernt, mit Enttäuschungen umzugehen. Du hast dich nach der unrühmlichen Sache mit Professor Bitterling scheinbar sehr gut empfohlen, dich meines Vertrauens versichert und nicht nur als Vertrauensschüler, sondern auch als Schulsprecher qualifiziert. Im Grunde könnten deine Mitschüler dir sehr böse sein, daß ab nun jede Auswahl von Vertrauensschülern oder Schulsprechern mit einem sehr fahlen Beigeschmack verbunden ist. Aber ich muß zumindest anerkennen, daß ihr beide den heutigen Zwischenfall zu einem für uns alle guten Ende gewendet habt, weil du, Loren, dem Kalsharin Daragasadin jede Lust an einem Ersatzkörper vergellt hast. Womöglich konnte er dadurch endgültig besiegt werden. Aber das werden vielleicht erst spätere Generationen erfahren." Er blickte die beiden überführten Regelbrecher sehr eindringlich an. Dann sprach er weiter: "Ihr seid euch wohl auch im Klaren, daß der Vertrauensmißbrauch an mir das Vertrauen zerstören könnte, daß die Schülerinnen und Schüler von Hogwarts in mich setzen. Geht das Vertrauen in den Schulleiter verloren, verschwindet es auch im Bezug auf die Schule. Ihr habt Hogwarts mit eurem unrühmlichen Treiben an den Rand der Untragbarkeit gebracht. War es das wert?"

"Wir hatten nie die Absicht, Hogwarts und dem, was damit zusammenhängt Schaden zuzufügen, Professor Dumbledore", sagte Bruster reumütig. "Erst war es nur ein Spiel, mal ein Junge mal ein Mädchen zu sein. Aber wenn Sie jetzt fürchten, daß die Schule deshalb geschlossen werden muß, wenn Sie uns fristlos entlassen müssen, Sir, dann sage ich, daß das mir den Spaß nicht wert war."

"Ich sah in diesen Körpertauschaktionen erst auch nur meinen Spaß, vor allem, wenn es darum ging, Brusters Respekt vor den Bedürfnissen von Frauen und Mädchen zu wecken. Dann erfuhr ich von diesem Kalsharin Daragasadin und beschloß mit ihm zusammen, unsere heimlichen Sachen dazu zu nutzen, Kalsharin Daragasadin zu finden, bevor er sich richtig ausbreiten kann. Meine Eltern, meine Großeltern und alle Vorfahren von mir sind in Hogwarts zur Schule gegangen. Ich weiß nicht, ob ich einmal Kinder haben werde, die zaubern können und dann in eine Zaubererschule gehen können. Falls ja, dann wäre es wirklich sehr bedauerlich, wenn es an unserem Treiben liegt, daß Hogwarts dann nicht mehr da ist.""

"Ich habe gehofft", sagte Dumbledore, als Silverbolts hämisches Kichern ihn unterbrach und er den Kollegen durch einen energischen Blick zur Ruhe bringen mußte. "Ich habe gehofft, daß ihr beide zumindest vernünftig genug seid, die Konsequenzen zu tragen, die euer Tun nach sich ziehen muß. Deshalb habe ich euch ein Angebot zu machen, das euch hilft, ohne Schimpf und Schande aus der Schule zu verschwinden und mir und allen Lehrern, die hier für euch und eure Kameraden alles tun, um sie zu anständigen Hexen und Zauberern auszubilden, den Skandal erspart, der sonst nicht zu vermeiden ist. Ihr holt eure Habe aus den Häusern und verabschiedet euch mit der Begründung, ihr hättet befunden, schon jetzt in die freie Welt zu gehen aus der Schule. Ich sehe von einer Anzeige beim Ministerium ab, sofern ihr innerhalb der nächsten Stunde vom Gelände dieser Schule herunter seid. Wenn ihr jedoch meint, ihr müßtet es darauf ankommen lassen, ob ich euch entlassen kann oder nicht, werdet ihr in spätestens vier Stunden im Hogwarts-Express nach London sitzen. Möglicherweise folgt dann eine Verhandlung vor einem Zaubereigericht, je danach, wie der Leiter der Strafverfolgungsbehörde gestimmt ist, womöglich auch nur die Verbannung aus der Zaubererwelt. So oder so kann ich euch nicht länger bei uns dulden."

"Wenn wir jetzt ihr Angebot annehmen", begann Loren Tormentus, "wer garantiert uns, daß wir dann wirklich frei leben können?"

"Im Moment ich", erwiderte Dumbledore. Aurora Dawn blickte sich um. Loren fragte dann noch, ob das wirklich so geschickt sei, sie als Zeugin dabei zu haben, wenn der Direktor sie klammheimlich und ohne Schaden für die Schule entlassen wolle. Dumbledore sagte dazu nur:

"Da sie dabei war, wie ihr beide aufgeflogen seid, und sie mein Vertrauen bisher nicht nur nicht mißbraucht sondern in höchstem Maße gerechtfertigt hat gehe ich davon aus, daß sie im Namen von Hogwarts und allen hier neu beginnenden Schülergenerationen einverstanden sein wird, darüber Stillschweigen zu bewahren, was hier und heute mit euch beiden passiert."

"Ich habe eine bessere Idee", wagte Aurora es, in die Wortlosigkeit, die folgte einzudringen. Alle sahen sie an. Bruster betrachtete sie mit dem Ausdruck dessen, der sich nicht gerade besseres erhofft. Loren sah sie etwas abschätzig an, als könne sie doch eh nichts wichtiges beisteuern. Silverbolt schien zu überlegen, was jetzt noch kommen konnte, und Dumbledore nickte ihr aufmunternd zu. "Wir könnten es so hinstellen, daß Bruster bei dem Angriff auf Hogwarts so schwer verflucht wurde, daß er für eine lange Zeit ins St.-Mungo-Hospital geschickt werden muß. Was Loren angeht, so könnte sie doch eine Eule von irgendwem kriegen, die oder der ihr ein Angebot macht, daß sie sofort annehmen muß, wobei sie völlig ohne UTZs auskommt. Da ja beide wie ich volljährig sind, kann das gehen. Bruster verschwindet für einige Zeit bei seinen Eltern in der Muggelwelt, und ich denke, daß Loren bestimmt schon wen kennt, bei dem sie unterkommen kann."

"Warum soll nur ich im St.-Mungos landen, abgesehen davon, daß das auch auffliegen kann", erwiderte Bruster. Loren entgegnete darauf ungefragt:

"Weil du der einzige warst, der nicht in der Schule eingeschlossen wurde. Ich war ja die ganze Zeit in Slytherin."

"Stimmt, daß mit dem St.-Mungo könnte auffliegen", knurrte der Lehrer für verteidigung gegen die dunklen Künste. "Besser ist es, daß Bruster bei dem Angriff einfach verschwunden ist. Hat ja keiner mitgekriegt, wie er hier wieder aufgetaucht ist, oder, Albus?"

"Öhm, das ist richtig", sagte Dumbledore nickend. "Ja, das wäre vielleicht die beste Lösung. Aber dann dürftest du nirgendwo in der Zaubererwelt wieder auftauchen, Bruster", sagte der Schulleiter noch. Bruster schien über Dumbledores Worte nachzudenken, ebenso Loren. Dann nickte sie und sagte:

"Wenn Sie's Schaffen mir eine Eule innerhalb der nächsten fünf Minuten zu schicken, die wichtig genug rüberkommt, bin ich in spätestens einer Stunde vom Gelände runter, Professor Dumbledore. Ich muß nur mit meinen Eltern sprechen, daß ich vorzeitig von der Schule runtergehe. Nach Zeugnissen zu fragen erübrigt sich ja wohl."

"Eindeutig", stieß Dumbledore aus. Bruster legte sein Schulsprecherabzeichen ab und fragte, wie er so heimlich verschwinden könne wie er gekommen sei. Dumbledore entnahm der Frage die Antwort und winkte seinem Phönix zu.

"Ich werde Norma zukommen lassen, daß du beschlossen hast, für Hogwarts' untadeligen Ruf für längere zeit zu verschwinden, womöglich für tot erklärt werden mußt, so leid es mir für deine Schwester Doris tut."

"Ich kläre das mit meinen Eltern und Verwandten ab", sagte Bruster nur. Dann verschwand er mit Dumbledores Phönix, der knapp eine Minute später wieder auftauchte. Loren nickte.

"Er ist zu Hause angekommen, und meine Mum schickt gleich eine Eule zu mir. Sie haben ja mit ihr kontaktgefeuert, Professor Dumbledore. Wir können die ganze Lügengeschichte mit einer wahren Sache abschließen. Ich darf auf dem Landgut von Madame Underwood anfangen und mich dort mit den magischen Pflanzen befassen."

"Nun, mach aus deinem Leben etwas, das es wert ist gelebt zu werden, Loren", sagte Dumbledore. "Sei dir dabei aber immer gewiß, daß du zu den Entscheidungen stehen mußt, die du triffst, wie du es jetzt auch tun mußt."

"Ich habe hier eine ganze Menge gelernt, Professor Dumbledore. Vor allem aber habe ich gelernt, daß Ziele, die es wert sind, verfolgt zu werden, jede Unannehmlichkeit wert sind, um sie zu erreichen. Vielen Dank für die bald sieben Jahre hier, Sir!"

"Ich nehme deinen Dank an, Loren. Sieh zu, daß du in einer Stunde abreisen kannst. Da du zumindest wie Bruster die Apparitionsprüfung bestanden hast, bist du dann schnell zu Hause."

"Aurora, ich hoffe, ich kann dir genauso vertrauen wie Professor Dumbledore, daß du keinem von deinen oder meinen nun bald ehemaligen Kameraden erzählst, was wirklich passiert ist."

"Du hast Glück, daß ich schon wegen Bruster und Mortimer nichts sagen werde und auch nicht, um die Auswahl der Vertrauensschüler nicht in Frage zu stellen. Wahrscheinlich sehen wir uns gleich nicht mehr. Deshalb wollte ich dir nur noch ehrlich sagen, daß du von den Slytherins die annehmbarste aus deinem Jahrgang bist. Soll ich Tonya sagen, sie soll auf deine Schwester achtgeben?"

"Diese Hürde nehme ich selbst", knurrte Loren. Dann umarmte sie Aurora Dawn.

"Du bist zwar immer noch ein Eierkopfmädchen, aber es hat mir sehr gefallen, mit dir zusammen hier gelernt zu haben."

"Noch eine letzte Frage, Loren", setzte Aurora an. "Wer von euch beiden war bei meiner Feier zu meinem siebzehnten Geburtstag dabei?"

"Das war Bruster, Aurora. Bei sowas haben wir keinen Tausch gemacht, das kann ich dir verbindlich versichern, auch wenn du es mir vielleicht nicht glauben wirst, was ja verständlich ist."

"Gut, ich glaube dir, Loren. Viel Glück draußen in der großen Welt!"

"Dir auch viel Erfolg. Vielleicht höre ich ja, wenn du eine Heilhexe geworden bist."

Loren verließ das runde Turmzimmer des Schulleiters. Dieser schloß wieder die Tür und wandte sich Silverbolt zu, der seinen Heilsstern hervorholte, der immer noch wie ein leuchtschwaches Blinklicht erglühte und wieder erlosch.

"Hast du nicht mal gesagt, wenn man ein einziges Leben retten kann, ist das eigene Leben die Sache wert, Albus?" Fragte der Lehrer. "Wenn durch den Fluch, den ich von Kalsharin Daragasadin abgekriegt habe der Spuk mit Iaxathan endgültig erledigt ist war es die Sache wert."

"Ein Fluch hat deinen Schutz durchdrungen. Aber das kann doch nur ein tödlicher Fluch", wunderte sich Dumbledore.

"Das hängt wohl von der Form des Anwenders ab, Albus. Ich war wohl schon sehr ausgebrannt, als Kalsharin Daragasadin mir noch einen Stachel ins Fleisch jagen wollte. Offenbar verhindert der Heilsstern, daß ich rasend schnell älter wurde, wie es die Worte mir verkündet haben. Aber irgendwas passiert da mit mir, und ich fürchte, ich darf meinen kleinen Talisman nicht mehr ablegen, solange ich lebe."

"Das wäre dann wohl das kleinere Übel", sagte Dumbledore. "Aber ist Ashtaria nicht dafür bekannt, Tod in Leben zu verwandeln?"

"Aber sie war nicht da", erwiderte Silverbolt knurrig.

"Vielleicht hört das mit dem Blinken auf, Adamas. Dann wissen wir, daß der Fluch getilgt ist", erwiderte der Schulleiter.

"du hast recht, Albus. Die Frage ist nur, was ich jetzt machen soll. Soll ich das Jahr noch zu Ende bringen und hoffen, daß der angebliche Fluch des sogenannten Unnennbaren nur ein Mythos ist oder lieber jetzt schon kündigen und ..."

"Wenn du dir nicht mehr sicher bist, den Schülern hier was beizubringen, kann ich dir jetzt schon deine Papiere geben, Addy", unterbrach Dumbledore ihn. "Da muß ich dann nur reinschreiben, daß du dich den Aufgaben nicht gewachsen gefühlt hast, die der Unterricht an dieser Lehranstalt an dich gestellt hat."

"Moment mal!" Polterte Silverbolt los. "Ich dem hier nicht gewachsen?! Ich laufe mit angeketteten Kugeln an den Beinen durch deinen Unterricht hier, damit die Schüler überhaupt mitkommen. Gut, du hast mich überzeugt. Sollte mich der Fluch von Kalsharin Daragasadin und der von eurem Lord Voldemort nicht zusammen erledigen, erledige ich das Jahr hier und bringe alle die noch übrig sind durch die Prüfungen. Dann kriege ich aber auch ein anständiges Zeugnis von dir, mein alter Freund." Beide Zauberer lachten. Dann nahm Silverbolt Aurora noch das versprechen ab, niemandem von der Sache mit Kalsharin Daragasadin und dem Heilsstern zu erzählen. Aurora wünschte Silverbolt gute Besserung und verabschiedete sich.

Am Abend war Loren schon längst fort. Alle trauerten um Bruster Wiffle. Aurora hatte mit Cynthia, die von Professor Silverbolt und Dumbledore nach der Sitzung mit Loren und Bruster gerufen worden war darüber gesprochen, daß Bruster, nachdem sie fortgelaufen war, irgendwie zwischen die Fronten geraten sei und keiner wisse, wo er nun abgeblieben sei. Dumbledore hielt noch eine kurze Ansprache zu der Gefahr am Nachmittag und erwähnte, daß jemand am Nachmittag versucht habe, Hogwarts zu überfallen. Dabei sei Bruster Wiffle verschwunden und Elroy mit einem Fluch belegt worden, der ihn zeitweilig wie von einer anderen Kreatur besessen hatte wirken lassen. Er strahlte dabei die übliche Zuversicht und Erhabenheit aus. Nach dem Abendessen mußte Aurora Doris Wiffle und den Swifts noch einmal erzählen, was passiert war. Sie benutzte die Notlüge, daß sie in einem halbohnmächtigen Zustand dagelegen habe, bis sie aufgewacht sei und nur noch Silverbolt und Elroy Portsmouth dort gewesen seien.

"Mist sowas", knurrte Mortimer. "Wie soll ich das Tante Norma erzählen?"

"Das wird Professor Dumbledore nun tun", sagte Aurora.

"Ob Dorian die paar Monate noch gut durchhält, wo der jetzt als Nachfolger von Bruster ranmuß?" Wollte Mortimer wissen.

"Mit Eunices Hilfe wird's schon gehen", sagte Aurora. Immerhin bildeten die beiden auch so schon ein Paar, ganz offen, ganz anständig ineinander verliebt.

"Da haben wir Du-weißt-schon-wen überstanden, und dann sowas", jammerte Doris. Sie hatte ihren großen Bruder verloren und würde nun von allen immer wieder daran erinnert. Mortimer tröstete sie, daß Bruster nicht tot sei, solange man keine Leiche von ihm hätte. Aurora nickte beipflichtend. Wußte Mortimer, wie recht er damit hatte? Womöglich würde Doris in den nächsten Ferien schon die Wahrheit erfahren. Dann meinte Mortimer auf einmal:

"Das ist eigentlich unfair, daß der Typ sich von irgendwas wegzaubern läßt, ohne mir zu sagen, wen ich für das Spiel gegen Gryffindor als Treiber aufstellen soll." Obwohl diese Bemerkung unangemessen war oder gerade deshalb mußten sie alle befreit lachen.

__________

Gryffindor gewann wie zu erwarten war gegen Hufflepuff und träumte nun vom Pokal. Eunice unterließ es nicht, Tonya Rattler immer wieder damit aufzuziehen. Doch das war für Aurora und die anderen Ravenclaws völlig bedeutungslos. Denn knapp eine Woche vor den Osterferien trat etwas ein, das viele hier mit Spannung und Vorfreude erwarteten.

Das Ereignis begann am Sonntagmorgen. Petulas Katze Schneeflöckchen, der viele Ravenclaws ausrangierte Stofftaschentücher und kaputte Strümpfe für ihr Kindbett gespendet hatten, schleppte ihren nun überdeutlich gerundeten Leib ächzend zum von ihr unter Petulas Bett bezogenen Nest. Feuerball, Miriams Kniesel und mutmaßlicher Vater der fünf erwarteten Kätzchen, war von der blütenweißen Katze immer wieder fortgescheucht worden. Miriam hatte dann beschlossen, ihn in seinem Tragekorb einzuschließen und gut zuzusperren. Auch wenn der Kniesel laut maunzte und knurrte und immer wieder mit den Krallen am Flechtwerk des Korbes kratzte, keiner erbarmte sich seiner und ließ ihn frei. Stattdessen saßen alle um Petulas Bett herum auf dem Boden. Dina, die selbst Mutterfreuden entgegensah, hatte sich von Aurora und Petula überzeugen lassen, auf einem Stapel Kissen zu liegen, um nicht in einer unbequemen Stellung am Boden hocken zu müssen.

"Sind das schon Wehen?" Fragte Petula zwischen Aufregung und Besorgnis, als Schneeflöckchen keuchte und sich wie unter einem starken Krampf zusammenkrümmte.

"Wahrscheinlich die Senkwehen", meinte Aurora und beäugte durch ein Fernglas, das sie zum Quidditchschauen benutzte den Hinterleib der Katze. "Es geht sogar schon etwas Wasser ab", sagte sie dann noch. Leises Getrappel von draußen störte die Anspannung. Die Swift-Drillinge, Nelly und Vivian öffneten vorsichtig die Tür. Ramona Swift fragte, ob sie hereinkommen und zusehen dürften, wenn Schneeflöckchen ihre Jungen bekam. Aurora richtete sich auf und sagte:

"Ich weiß nicht, ob ihr das nicht zu stressig wird. Stellt euch mal vor, ihr bekämt gerade ein Baby und wäret mitten in der Winkelgasse oder an einer Hauptstraße in London. Aber wenn ihr nicht zu nahe rangeht und euch ganz leise verhaltet, könnt ihr zusehen. Allerdings könnte es ein anwidernder Anblick werden. Nur das für die Mädels, die kein Blut sehen können." Die fünf Mädchen nickten und schlichen herein, während Feuerball immer noch um seine Freilassung bettelte.

Als nach zwanzig Minuten das erste klebrig-feuchte Fellbündel aus Schneeflöckchens Hinterleib herausgepresst wurde, setzte Vivian schon an, zu klatschen. Doch Aurora sah sie nur an und schüttelte den Kopf.

"Da kommen noch vier", flüsterte sie.

"Woher wissen wir, was was ist?" Fragte Petula im Flüsterton.

"Kriegen wir dann wenn sie alle gekriegt hat", flüsterte Aurora, die bei diesem Unternehmen die Sprecherin war. Die Mädchen sahen mit etwas Widerwillen aber mehr Faszination zu, wie Schneeflöckchen unter Schnaufen und Quängeln zwei weitere Junge gebar. Fehlten nur noch zwei. Das vierte quälte sich elende dreißig Minuten durch das Tor zum Licht der Welt. Doch wo war das Fünfte? Noch immer keuchte und quängelte Schneeflöckchen.

"Aurora, die kriegt das fünfte Junge nicht raus", raunte Petula. Miriam zischte:

"Kann bei Knieseln vorkommen, daß die Jungen sich vor der Geburt nicht richtig drehen."

"Okay, ich seh nach", sagte Aurora und tastete sich vor. Schneeflöckchen war von den ersten vier Geburten so geschafft, daß sie es widerstandslos hinnahm, wie Aurora sie mit bloßen Händen abtastete und dann in ihren Leib hineinfingerte, bis sie das letzte Bündel Jungkniesel zwischen den Fingern hatte. Tatsächlich war das fünfte Junge auf dem Weg in die Welt stecken geblieben. Aurora griff zum Notfallbesteck, daß sie sich von Madame Pomfrey erbeten hatte, einer Lösung, die die äußeren Geschlechtsorgane künstlich erweiterte und eine flache Zange, um das Junge zu holen. Mit größter Behutsamkeit beförderte sie im Rhythmus von Schneeflöckchens Kontraktionen das fünfte Halbknieselkind an die Frische Luft. Dabei achtete sie darauf, nicht zu fest zuzudrücken, um dem Jungtier keinen bleibenden Schaden zuzufügen. Dann zog sie das Junge vollständig heraus und ließ es in das weiche Nest fallen, wo seine Geschwister bereits die kurzen Beinchen bewegten und mit winzigen Stimmen zu maunzen begannen. Feuerball hörte für einen Moment mit seinen Klagelauten auf und lauschte.

"Der bewegt sich nicht", stieß Petula hektisch aus, während Aurora Schneeflöckchen abschließend begutachtete.

"So, wenn sie gleich noch die Nachgeburt losgeworden ist, kannst du deine tapfere Katzenmummy heute Abend schon wieder knuddeln", sagte Aurora zu Petula. Dann besah sie sich das fünfte Jungtier. Im Moment bewegte es sich nicht. War es womöglich im Geburtskanal erstickt? Aurora besah sich das winzige Fellbündel. Die Beine standen leicht gebogen ab. Wenn das Junge tot war, mußte sie es wohl gleich mit der Nachgeburt fortwerfen. Schneeflöckchen lag keuchend da und brauchte unbedingt Ruhe. Doch die ersten Jungen wollten schon trinken. So robbte sie weiter in ihr Nest und holte sich die hilflosen Babys. Als sie das fünfte Junge beroch schien Schneeflöckchen zuerst wie alle anderen davon auszugehen, dieses Junge nicht säugen zu müssen. Doch dann stupste sie das winzige Fellbündel mehrmals an. Da zuckten die Beinchen, und ein fast über der Hörgrenze liegendes Viepen erklang. Dann holte Schneeflöckchen das fünfte, nun doch noch zum Leben erwachte Junge zu sich und ließ es wie die anderen an den Prallen Zitzen saugen.

"Wann können wir sehen, wi viele Jungen oder Mädchen das sind?" Flüsterte Nelly Flowers, die sich vor einigen Wochen schon bei Petula angemeldet hatte, eines der Jungen zu übernehmen, wenn es entwöhnt war. Aurora überlegte kurz und befand, daß sie warten wollten, bis die glückliche Mutter eingeschlafen sei. Dann wollte sie die Kinder auf ihr Geschlecht hin prüfen. Die drei Mitbewohnerinnen und die fünf Zuschauerinnen aus den unteren Klassen warteten solange. Irgendwann, so nach dreißig Minuten, hatten die Kinder genug von der ersten Milch ihres Lebens und lagen als winzige Fellkugeln herum. Auch Schneeflöckchen konnte sich nun der Erholung hingeben und lag zusammengerollt da. Aurora tastete vorsichtig nach dem ersten Jungtier. Mit einer von ihr selbst nicht erwarteten Behutsamkeit hob sie das Jungtier an, suchte und fand den kleinen Unterschied.

"Ein Mädchen haben wir schon mal!" Flüsterte sie. Dann nahm sie das zweite warme und noch feuchte Fellkügelchen und wiederholte die Untersuchung. Das war ein kleiner Halbknieseljunge. Behutsam legte sie ihn auf seinen Schlafplatz zurück, holte sich ganz langsam und bedächtig das dritte Junge und erklärte es nach eingehender Prüfung zum zweiten Mädchen aus dem Wurf. Das vierte Jungtier war Schneeflöckchens und Feuerballs dritte Tochter. Dann betrachtete sie Halbknieselbaby Nummer fünf, holte es ebenfalls behutsam zu sich und untersuchte es.

"Krummbein ist ein kleiner Junge", sagte sie dann.

"Krummbein?" Fragte Petula. "du kannst dem doch nicht schon jetzt ... Ja, ich sehe es ein. Du hast ihn geholt, sonst wäre er jetzt tot und würde mein Flöckchen wohl selbst noch umbringen. Also heißt er Krummbein. Was die anderen angeht, Nelly, Vivian, Roxanne und Dina, so könnt ihr euch drum zanken, ob ihr lieber einen kleinen Kater oder ein süßes Kätzchen haben wollt."

"Die sehen irgendwie lustig gefärbt aus, orangerot mit weißen Punkten", meinte Nelly. "Ich möchte eines von den Mädchen haben, wenn ich darf."

"Ich habe das meinen Eltern geschrieben. Wenn das tier nicht wie eine Katze von 'nem anderen Stern aussieht, schreiben sie, sollte ich mir auch ein Mädchen aussuchen, wenn es mehr als eins gibt. Sterilisierte Katzen sind immer noch ansehnlicher als kastrierte Kater."

"Oh, da muß ich mir das aber noch überlegen, Vivian", meinte Petula. "Eigentlich wollte ich nicht, daß Schneeflöckchens Junge unfruchtbar gemacht werden. Ich verstehe zwar deine Eltern, daß sie keine merkwürdigen Tiere haben möchten, aber stell dir mal vor, dich würde nur jemand nehmen, wenn du keine Kinder kriegen könntest."

"Meine Eltern sind halt übervorsichtig, Petula", sagte Vivian leicht verschnupft, weil ihr das rausgerutscht war. Nelly tröstete sie und sagte:

"Im Zweifelsfall kann ich Cyn beknien, deinen Kniesel zu nehmen. Unsere Eltern haben nichts gegen ein paar Katzen mehr. In unserer Nachbarschaft wohnen viele Mäuse und Ratten. Könnte nicht schaden, wenn die weniger werden."

"Ich möchte aber eigentlich mein Tier mitnehmen", knurrte Vivian. Aurora fühlte mit dem erworbenen Instinkt der Vertrauensschülerin, daß sie hier doch besser eingriff und sagte ruhig:

"Vivian, wenn deine Eltern nur ein Tier wollen, daß nicht eines Tages Junge kriegt, dann ist das doch der beste Vorschlag, den Nelly macht. Die Knieselkinder gehören Petula, und wenn die möchte, daß die selbst mal Kinder haben können, dann sollten wir das respektieren."

"Die sind doch dabei nicht gleich lebensunfähig", maulte Vivian. Dina erhob sich von ihrem Kissenlager und krabbelte im Stil eines Babys zu Vivian hinüber. Dann sagte sie ruhig:

"Vivian, wir wissen nicht, ob diese Tiere es für wichtig halten, Junge zu kriegen. Falls doch, dann leiden die, wenn sie keine haben können. Kuck mal, ich freue mich auch auf das Kind, daß ich von Roy bekommen werde und er freut sich, daß er es geschafft hat, daß ich sein Kind kriegen kann. Wenn Petula das für ihre Kniesel für richtig hält, ist das doch sehr anständig von ihr."

"Hmm, versuche ich meinen Eltern mal zu erklären", sagte Vivian. Dina holte die beiden Mithörmuscheln hervor, die sie von Madame Pomfrey bekommen hatte und ließ Vivian den Herzschlag ihres ungeborenen Kindes hören. Dann sagte sie:

"Wenn es mal ganz still ist und ich für einige Sekunden die Luft anhalte, dann kann ich das auch so hören und weiß, da ist etwas lebendiges in mir. Gönne den Mädchen von Schneeflocke das doch auch! Die haben bessere Ohren als wir."

"Nelly, du hast recht. Wenn Cynthia eines der beiden anderen Mädchen nnehmen kann gebe ich ihr für das Futter und die Pflege was von meinem Taschengeld ab", sagte Vivian nun restlos überzeugt.

"Cyn wird dir jeden Knut um die Ohren hauen, den du ihr zuschicken willst", sagte Nelly. "Sie meinte doch schon, daß wenn sich aus unserem Haus keiner fände, der die Knieselkinder haben wolle, dann möchte sie eins haben, nicht wahr, Aurora?"

"Hat sie gesagt", bestätigte Aurora, die nun, nachdem sie das erste Baby auf die Welt geholt hatte, auch wenn es vier krumme Beinchen hatte, sichtlich stolz war, daß sie tatsächlich ein Gespür für den Umgang mit lebenden und fühlenden Wesen besitzen mochte.

"Was meinst du, kann ich Feuerball rauslassen?" Fragte Miriam.

"Nur, wenn der seine eigenen Kinder nicht fressen will", meinte Petula.

"Dann sollten aber nur die hier sein, die er gut kennt", sagte Aurora Dawn. Keiner wagte dem zu widersprechen. So verschwanden Nelly, Ramona, Rita, Roxanne und Vivian aus dem Siebtklässlerinnenschlafsaal. Als Feuerball dann freigelassen wurde, sauste er zu Schneeflöckchen hin, begutachtete ihren Wurf, schnupperte vorsichtigg. Doch da tatzte Schneeflöckchen ihn mit ausgefahrenen Krallen weg. Feuerball zog mit fünf langen Kratzwunden an der rechten Wange ab und flüchtete sich auf einen der Kleiderschränke.

"Das war eben stark, wie du Vivian überzeugt hast, warum ich nicht will, daß Flöckchens Kinder kastriert oder sonst wie unfruchtbar gemacht werden", lobte Petula Dina. Diese lächelte und sagte:

"Ich habe ihr nur erzählt, daß ich mich freue, von Roy ein Kind zu kriegen. Womöglich denkt Vivian ja selbst schon daran, mal was kleines zu kriegen und hat sich über mich in das Halbknieselmädchen reinversetzt, daß sie haben möchte."

"Habt ihr eigentlich gesehen, daß nur die Mädchen getupft sind. Die beiden Jungs sind orangerot, so'n bißchen Ingwermäßig."

"Ich hoffe nur, daß Krummbein seinen Namen nicht deshalb hat, weil ich mit der kleinen Zange an ihm gezogen habe", meinte Aurora Dawn.

"Du hast ihn nicht zerdrückt, und Flöckchen hat ihn angenommen. Also ist er doch soweit gesund", sagte Miriam. "Außerdem, das habe ich gelesen, kommen leichte Fehlbildungen bei Halbknieseln alle zwanzig Stück vor. Wahrscheinlich hat mein Bällchen bereits fünfzehn Junge in Hogsmeade und die fünf hier waren die Nummern sechzehn bis zwanzig."

"Ich denke nicht, daß Krummbein schlechter laufen und springen kann als die vier anderen", wandte Dina ein. "Vielleicht macht der mal was ganz tolles, was andere Kniesel oder Halbkniesel nicht können."

"Kommt drauf an, wer ihn kriegt", sagte Petula. Aurora zog die Stirn kraus. Sie hätte sofort gesagt daß sie Krummbein behalten wolle. Doch zum einen konnte sie schlecht mit einem Tier in ein Krankenhaus, um da zu lernen, und sie wußte, daß die Lernheiler in Zimmern im St.-Mungo-Krankenhaus wohnten, um den Alltagstrott dort mitmachen zu können und bei besonderen Fällen nicht erst lange hergerufen werden zu müssen. Zum zweiten wußte sie auch nicht, was sie nach der Ausbildung machte. Vivians Bemerkung, sie könne nur eine sterilisierte Katze halten kam ja daher, daß sie unter Muggeln lebte und selbst Halbkniesel etwas merkwürdig aussehen mochten. Dina und Roy wollten auch einen der Halbkniesel haben. Wenn diese die Instinkte eines reinrassigen Kniesels geerbt hatten, dann waren sie sehr brauchbare Gefahrenspürer und Wegfinder. außerdem, so vermutete Aurora, wäre es für ein kleines Kind vielleicht nicht schlecht, mit einem Haustier groß zu werden, mit und von dem es ein friedliches Miteinander lernen und die ersten Lektionen in Verantwortung erwerben konnte, ja sogar die Fähigkeit, einem anderen Geschöpf als den eigenen Eltern Liebe zu geben. - Sie dachte wirklich schon wie eine Heilerin, erkannte Aurora Dawn und mußte lächeln.

Die Halbkniesel und Auroras erste Bewährungsprobe als Hebamme waren das Tagesgespräch in Ravenclaw, aber auch bei den Hufflepuffs und Gryffindors. Die Slytherins hielten das für völlig unsinniges Geschwätz. Doch die Ravenclaw-Siebtklässlerinnen freuten sich, daß sie doch noch etwas schönes erlebt hatten, was sie die Schularbeiten für eine kurze Zeit vergessen machen konnte.

Die Woche zu den Osterferien wurde noch einmal mit Aufgaben vollgestopft. Da nun alle Siebtklässler auch außerhalb von Hogwarts zaubern durften, bekamen sie von Flitwick und McGonagall auch praktische Übungen, wenngleich sie sich nicht selbst verwandeln mußten.

"Sehr verehrte Damen und Herren, nach den Ferien werden wir die letzte Unterrichtseinheit Ihres Lebens als Hogwarts-Schüler beginnen", sagte Professor McGonagall in der letzten Stunde vor den Ferien. "Ich bin zuversichtlich, daß alle, die im Juni an den Prüfungen teilnehmen werden, mit passablen Ergebnissen abgehen werden. Es ist bedauerlich, daß Mr. Wiffle bisher nicht wieder aufgetaucht ist, obwohl mir zuversichtlich bekundet wurde, daß er nicht gestorben sein kann. Was sich Ms. Tormentus von jenem Angebot erhofft hat, daß sie alle übrigen Berufschancen so kategorisch hat fortwerfen lassen, will mir zwar ebenso nicht in den Kopf. Aber ich empfinde zumindest noch genug Ansporn, Sie alle hier auf eine erfolgreiche Prüfung vorzubereiten. Wahrscheinlich werden Sie in zehn Jahren auf diese Zeit zurückblicken und mit Wehmut bekunden, wie schön doch die Schulzeit war." Einige lachten darüber. Doch Eunice meinte:

"Ich gehe davon aus, Professor McGonagall, daß denken die meisten hier jetzt schon von Hogwarts."

"Nun, ich wollte nur anmerken, daß Sie nach der Schule das wahre Leben vor sich haben, in dem Sie nur noch nach dem beurteilt werden, was sie leisten können oder wie Sie mit Ihren Mithexen und -zauberern umgehen. Womöglich werden die Fehler, die sie dann machen erst bekanntgegeben, wenn Sie sie nicht mehr korrigieren können. Also genießen Sie die letztten Monate Ihrer Schulzeit, sofern Sie es nicht wagen, durch Nachlässigkeiten die Prüfungen zu verfehlen und vor die Wahl gestellt sind, mit jenen, die eine Klasse unter Ihnen sind, das ganze Jahr wiederholen zu müssen oder ohne abgeschlossene Ausbildung abgehen", erwiderte die Verwandlungslehrerin.

Diesmal fuhr Aurora mit den anderen in die Ferien. Sie war heilfroh, daß die düstere Drohung durch diesen sogenannten Bodenbereiter aus der Welt war. Sie war froh und stolz, bei einer Geburt assistiert zu haben, auch wenn es nur Schneeflöckchens Junge waren. Sie freute sich auf das spannende Finale im Quidditch-Turnier. Vielleicht holten sie noch einmal den Pokal.

"Hi, Aurora, Philipp und Agatha!" Rief ein Mädchen über den Bahnsteig. Es war Arcadia Priestley. Tante June umarmte Aurora, die ihr leise zuflüsterte, daß sie den Schuft endlich erwischt hatten, der Agatha angegriffen hatte. Sie sah kurz zu Elroy hinüber, der freudestrahlend von seinen Eltern in Empfang genommen wurde. Wie froh konnten die sein, ihren Jungen an Leib und Seele unversehrt zurückbekommen zu haben?

"Zurück im Landhaus der Dawns fand Aurora einen Brief vor, der dem Aussehen nach eine weite Reise gemacht hatte. Das konnte nur von Heather Springs, ihrer australischen Brieffreundin stammen. Aber warum hatte die den Brief dann nicht nach Hogwarts geschickt, wie sonst? Sie beschloß, den Brief morgen zu lesen, weil sie ihren Eltern heute viel zu erzählen hatte. Natürlich wollte sie ihnen nicht erzählen, was wirklich mit Bruster und Loren passiert war. Aber zumindest die Sache mit den Halbknieseln wollte sie lang und breit berichten.

ENDE

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