BEAUXBATONS - MILLEMERVEILLES

eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie
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Was bisher geschah

Vorige Story

Am nächsten Morgen frühstückte Julius ruhig. Jeanne und Barbara wußten wohl noch nicht, daß Julius mit ihnen zurückreisen würde. Sie fragten, wielange er mit dem Zug fahren müsse. Julius erzählte ruhig, daß er wohl neun Stunden fuhr und dann noch nach London Südwest mußte.

Jeanne verabschiedete sich nach dem Frühstück von Julius und sagte:

"Ich gehe davon aus, daß Maman deine neue Pflegemutter schon beknien wird, dich zu ihr zu lassen. Vielleicht hörst du auch von Professeur Faucon."

"Wenn ich bei euch eintrudeln sollte", begann Julius ruhig zu sprechen, "Werde ich deiner Maman mitteilen, daß du gut auf mich aufgepaßt hast."

"Lümmel!" Konnte Jeanne dazu nur sagen, mußte dann aber lachen.

Die Hogwarts-Schüler verabschiedeten sich voneinander. Malfoy sah Julius überheblich an, als würde er damit rechnen, daß dieser ihn nie wieder sehen würde. Gloria, Prudence, Pina, Kevin und die Hollingsworths blieben absichtlich als letzte zurück, um Julius eine gute Zeit zu wünschen. Dann stiegen sie in die letzte Kutsche mit den unsichtbaren Pferden und fuhren davon.

"Allez, Monsieur", sagte Madame Maxime, die neben Dumbledore gewartet hatte. Julius warf den Lehrern vor dem Schloßtor noch einen kurzen Blick zu. Snape fehlte. Offenbar wollte er nicht mit den anderen Lehrern die Abordnungen verabschieden oder mußte etwas erledigen. Julius nahm seine Reisetasche, in der er fast alle Sachen verstaut hatte, die er Pprivat gebrauchte, wie den Festumhang, die Tanzschuhe, die Alltagsumhänge, seine Musikinstrumente und Bücher, die er nicht direkt für den Unterricht benötigte. Mit der anderen Hand hob er den schweren Schrankkoffer an und schleppte ihn zu der Beauxbatons-Kutsche. Auf deren Dach saßen Jeanne, Barbara, César und Nadine Pommerouge und winkten fröhlich.

"Da ist er ja", flötete César Rocher. Dann verschwanden die vier Millemerveilles-Bewohner nach unten. César und Barbara tauchten keine halbe Minute später am Wagenschlag auf und hoben locker den Koffer auf, um ihn in den Stauraum zu bringen. Julius kletterte mit zittrigen Knien die goldene Treppe hinauf, schlüpfte durch den Wagenschlag und staunte über die luxuriöse Innenausstattung.

An der Decke hingen zwei zwölfarmige Kronleuchter, an den Wänden hingen Landschaftsbilder mit sich bewegenden Motiven, wie fliegenden Vögeln, wogenden Wellen oder wandernden Wolken an einem strahlendblauen Himmel. Baumstammdicke Säulen stützten die Decke. Der Boden war mit weichen, bordeauxroten Teppichen bedeckt, und vier goldene Türen mit silbernen Klinken führten in die vier Abteilungen der fliegenden Kutsche. Eine Tür war geöffnet. Dahinter lag der Stauraum, in dem alle vierzehn Koffer standen. Julius fand, daß sein Koffer irgendwie wie ein Schuhkarton zwischen Lederkoffern wirkte. Madame Maximes Koffer war mindestens dreimal so groß, wie der von Julius. Er stellte seine Reisetasche noch in den Stauraum, neben den smaragdgrünen Koffer, auf dem in mondlichtfarbener Schrift der Name FLEUR DELACOUR in schön geschwungenen Buchstaben zu lesen war.

Die Besitzerin dieses Gepäckstückes tauchte gerade aus einer der drei anderen Abzweigungen auf und sah Julius mit einer Mischung aus Staunen und Bewunderung an. Dann lächelte sie, daß Julius das Gefühl hatte, von einem Schwall kochenden und direkt danach eiskalten Wassers überschüttet zu werden. Dann zog sich das Veela-Mädchen wieder zurück und sprach zu einer Schulkameradin. Doch die Wände waren so schallgeschützt, daß Julius fast nichts hörte.

"So, da unsere glorreiche Turnierteilnehmerin dich nicht sofort aus der Kutsche geworfen hat, dürfen wir dich jetzt zu unserem Gemeinschaftsbereich zu geleiten", sagte Jeanne Dusoleil leise, als Madame Maxime noch einmal aus der Kutsche gestiegen war, um mit Hagrid die letzten der riesigen Flügelpferde einzuschirren. Julius folgte Jeanne durch die vordere rechte der vier Türen in ein herrliches Treppenhaus aus Marmor.

"Rauminhaltsvergrößerung, wie?" Staunte Julius und erschauerte, als er den weittragenden Klang seiner Stimme von den Wänden widerhallen hörte, wie in einer Kirche. Es ging zwei Stockwerke hinauf, bis fast unter das Dach der Kutsche. Dann betraten sie einen weitläufigen Salon mit einem großen Esstisch, auf dem bronzene Blumenvasen standen, in denen bunte Blumen mit großen Blütenkelchen standen. Gepolsterte Stühle gruppierten sich um den etwa acht mal sechs Meter großen Tisch. Julius sah die großen Fenster, die er vor wenigen Tagen noch von außen geputzt hatte. Jeanne zog die samtbraunen Seidenvorhänge zurück und ließ das Tageslicht ein.

"Ich hoffe mal, deine Freunde sind nicht allzu neugierig, wie es in unserem Reisewagen aussieht", setzte Jeanne an.

"Madame Maxime hat uns nämlich gesagt, dich zu bitten, keinem Außenstehenden die genauen Einrichtungen der Kutsche zu beschreiben. Sie gehört nämlich zu unseren besonderen Fahrzeugen, die für besondere Anlässe gebaut wurden und enthält, wie du schon bemerkt hast, gewisse magische Komforteinrichtungen. Einige davon sind patentgeschützt. Als Sohn eines Fabrikdirektors kannst du das wohl respektieren."

"Hinweis angekommen und verstanden", erwiderte Julius. Dann durfte er sich an eines der Fenster setzen. Jeanne nahm rechts von ihm Platz.

"Ihr habt Glück, daß euer Schuljahr zufällig mit unserem endet. Denn wenn ich Madame Maxime richtig verstanden habe, kommst du erst einmal mit zu uns."

"Ihr habt das heute morgen schon gewußt", vermutete Julius leicht belustigt.

"Erst nach dem Frühstück, wie uns Madame Maxime für die Aufbruchsvorbereitungen eingeteilt hat. Ah, kuck! Da wird gerade Pyrois eingeschirrt, unser Leithengst. Dann hätten wir's."

"Ich hoffe, kein Staatsgeheimnis zu berühren, wenn ich frage, wie die Kutsche bewegt wird. Ich meine, wer steuert sie?"

"Das machen Madame Maxime und Gustav. Gustav ist unser Experte für magische Geschöpfe", erklärte Jeanne. Wie aufs Stichwort erschien Gustav van Heldern, der belgische Beauxbatons-Schüler, in einem blaßblauen Arbeitsumhang und gab bekannt:

"Wir brechen in genau fünf Minuten auf. Die Durmstrangs legen bereits ab. Wir warten, wie es das Protokoll vorsieht, bis sie fort sind."

Julius trat an das Fenster, von dem aus er das Durmstrangschiff sehen konnte. Es schaukelte schon einige Meter vom Ufer entfernt. Dann nahm es Fahrt auf, glitt schnell zur Mitte des Sees hin, um dann unvermittelt zu versinken.

"Wieso müssen die denn untergehen?" Fragte Julius nur für sich. Doch Barbara hatte es wohl gehört und auch verstanden, obwohl er Englisch gesprochen hatte.

"Weil sie unterirdische Flüsse befahren. An der Wasseroberfläche könnte man sie ja sehen."

Julius sah dies ein und setzte sich wieder zu Jeanne. Madame Maxime kommandierte von unten her:

"Alle zum Aufbruch in den Gemeinschaftssalon! Allez, Messieursdemoiselles!"

Julius hörte das Klappern von Schuhen auf Marmorstufen, dann tauchten sie alle auf, die seit Halloween am Ravenclaw-Tisch die Mahlzeiten eingenommen hatten. Alle blieben stehen. Julius spürte, daß er hier mitspielen mußte, um nicht dumm aufzufallen und stand ebenfalls auf, um sich gerade haltend neben dem untersetzten César Rocher aufzubauen. Madame Maxime schob Kopf und Oberkörper durch die Tür zum Treppenhaus und musterte die aufgereihten Schüler mit ihren großen schwarzen Augen. Dann verkündete sie:

"Wir brechen nun auf. Monsieur van Heldern und ich werden die Abreise einleiten. Sie alle verbleiben bis zum Verlassen des Waldes von Hogwarts in diesem Raum. Danach dürfen Sie sich in die Ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten zurückziehen oder hier verbleiben. Die Mitglieder des Küchendienstes werden um elf Uhr die Mittagsmahlzeit zubereiten. Wir werden um fünfzehn Uhr mitteleuropäischer Zeit in Beauxbatons zurückerwartet. Die Witterung dürfte uns die Einhaltung des Termins ermöglichen. Ich bedanke mich für Ihr vortreffliches Benehmen in Hogwarts und bedauere, daß Mademoiselle Delacour nicht den Ruhm des Sieges im trimagischen Turnier erringen konnte. Es war eben kein fairer Wettbewerb."

Julius unterdrückte den Wunsch, ihr zu widersprechen. Außerdem hatte sie ja recht. Jemand hatte am Turnier gedreht, um Harry Potter zu Voldemort zu schaffen. Das konnte man wohl schlecht als "faires Turnier" bezeichnen, selbst wenn der Tod Diggorys gebot, sich nicht darüber aufzuregen. Offenbar hatte er den Selbstbeherrschungstest Madame Maximes bestanden. Denn sie sah ihn wohlwollend an und verließ mit Gustav van Heldern den Gemeinschaftsraum.

"So, jetzt werde ich sehen, ob ich eine Wette hätte gewinnen können", dachte Julius und ging zum Fenster, während sich die anderen wieder hinsetzten. Er sah zu den eingespannten Pferden, die mit den Hufen scharrten und die mächtigen Schwingen schwangen. Dann erfolgte ein scharfes Kommando:

"Auf und voran!"

Wie an einer Perlenschnur gezogen gingen erst die vorderen, dann die hinteren Pferde nach oben. Dann hörte Julius ein leises Ruckeln, und unvermittelt sackte der Boden unter den mächtigen Rädern weg. Er spürte keinen Aufwärtsschwung, wie bei einem Fahrstuhl und merkte auch nichts von der Kurvenneigung, als die Kutsche in einer weiten Linkskurve über die Baumwipfel des verbotenen Waldes dahinrauschte, immer noch an Fahrt und Höhe zulegend. Julius sah auf die Flügelpferde. Sie schwangen alle ihre mächtigen Flügel im einheitlichen Takt, wie Ruderer in einem großen Boot. Wenige Sekunden später war der dunkle Wald zu einem dunkelgrünen großen verwischten Fleck in einer kargen Berglandschaft zusammengeschrumpft, um dann nach einer Viertelminute hinter der Kutsche zurückzubleiben.

"Phantastisch dieser Innertralisatus-Zauber", flüsterte Julius. Jeanne trat neben ihn und besah ihn sich fürsorglich.

"Geht es dir gut?"

"Ja, tut es, Jeanne. Ich kenne das nur nicht, daß man mit einem Fluggerät abhebt, ohne irgendwas davon zu spüren. Man könnte glauben, wir sähen eine Abfolge von Bildern, die uns vorgaukelten, daß wir fliegen."

Jeanne grinste gemein, als sie das Fenster einen kleinen Spalt hochschob. Unvermittelt pfiff ein scharfer kalter Fahrt- oder besser Flugwind herein. Julius fühlte, wie seine Haare und sein Umhang zerzaust wurden.

"Brauchen wir noch mehr Beweise?" Fragte sie. Julius schüttelte den Kopf. Jeanne schloß das Fenster wieder. Stille trat ein. Sie hörten fast nichts, so stark war die Kutsche gegen Eigengeräusche abgesichert. Julius sah noch mal hinaus und stellte fest, daß sie nun in die Wolkenschichten eintauchten, sie wie eine flaumige weiße Schneelandschaft durchmaßen, dabei immer höher stiegen, bis sie unvermittelt in den blauen Himmel hineinstießen, an dem eine warme helle Sonne thronte. Dann betrachtete er noch mal die fliegenden Pferde. Sie gingen gerade dazu über, nicht mehr gleichzeitig mit den Flügeln zu schlagen, sondern abwechselnd, von vorne nach hinten durchwechselnd.

"Messieursdemoiselles, wir haben unsere Reiseflughöhe und -geschwindigkeit erreicht. Sie dürfen die Sicherheitsgurte nun wieder lösen. Das Rauchen von Zigaretten ist nun auch wieder gestattet", sang Julius in der Betonung eines Flugzeugkapitäns herunter. Jeanne lachte, Fleur sah Julius entgeistert an, während César ihn bedauernd anblickte.

"Ich fürchte", sagte Barbara Lumière, "das wird die letzte Erinnerung an den Flug in einer dieser Muggelmaschinen gewesen sein, die du in deinem Leben ins Gedächtnis aufnehmen kannst. Insofern lassen wir dir das mal als Stehgreifparodie einer unzulänglichen Beförderungstechnik durchgehen."

Die anderen grinsten. Julius nickte und setzte sich hin.

"Was machen Sie denn so, wenn Sie im Zug sitzen?" Fragte Belle Grandchapeau, die es wohl faszinierend fand, einen Hogwarts-Schüler interviewen zu können, der es ebenso faszinierend fand, in ihrer Reisekutsche mitzufliegen.

"Das kommt auf die Leute an, mit denen man zusammensitzt. Entweder unterhält man sich über Sachen aus dem Schuljahr, die Zeitungsmeldungen oder die Quidditchergebnisse, ißt was oder spielt was. Ich habe letztes Mal auf der Fahrt nach London meine Hausaufgaben gemacht. Auf der Rückfahrt nach Hogwarts habe ich dann mit meinen Freunden besprochen, was ich in den Ferien erlebt habe."

"Apropos, Ferien", griff Barbara Lumière das Thema auf.

"Ich habe euch ja noch gar nicht erzählt, daß ich zwei neue Schwesterchen habe. Maman hat mir eine Eule geschickt, daß sie am vierundzwanzigsten Juni zwischen acht und zehn Uhr abends Zwillinge geboren hat: Étée und Lunette."

"Herzlichen Glückwunsch", stimmten alle Insassen der Kutsche in eine Gratulation ein. Dann wurde es wieder still. Julius überlegte, ob das ein gutes Zeichen sein konnte, daß die beiden Kinder der Lumières ausgerechnet an dem Abend zur Welt kamen, als Cedric Diggory starb und Voldemort durch Harry Potter zurückkehrte. Doch dann fiel ihm ein, was ein pakistanischer Schulkamerad von ihm einmal gesagt hatte, als er ihn gefragt hatte, warum er sich so auf Weihnachten freue, wo das doch kein islamischer Feiertag sei. Der Junge hatte darauf geantwortet:

"Wieso? Ihr feiert Geburtstag von Gotteskind. Geburtstag ist immer Grund zur Freude, egal, wie man zu Gott sagt."

Das war es wohl hoffentlich: ein Grund zur Hoffnung und Freude.

"Sie sagten, im Zug würden Spiele gespielt, Monsieur Andrews. Welche Spiele?"

"Kartenspiele, Kobol, zwischendurch auch Schach, wenn man nur zu zweit oder dritt im Abteil ist, hat Prudence mir mal erzählt."

"Gute Idee", griff Jeanne das Thema auf und ging an einen majestätischen Wandschrank, aus dem sie ein Zauberschachspiel mit Handtellergroßen Figuren holte. Julius wollte sich schon auf einen Sitz weit vom Tisch zurückziehen, doch Jeanne winkte ihm energisch zu und sagte:

"Meine Tante läßt es nicht auf sich sitzen, daß sie von einem Gegner geschlagen wurde, der angeblich nur Anfängerglück gehabt haben soll. Außerdem müssen wir trainieren, sonst kommen wir beide nicht weit", sagte Jeanne. Belle Grandchapeau grinste Julius an und bemerkte:

"Sicher, in Ossa Chermots Artikel stand, daß Sie Madame Delamontagne auf den dritten Platz im Millemerveilles-Schachturnier verwiesen haben. Dann müssen Sie ein sehr guter Spieler sein, denn mein Papa hat gegen sie stets mehrere Stunden gespielt und immer Remis gespielt."

"Ich hatte damals wirklich Glück. Entweder hatte ich ein unerwartetes Formhoch, was ich mal der guten Küche und der herrlichen Luft in Millemerveilles zuschreiben möchte, oder die Damen wollten mir was gutes tun und haben mich gewinnen lassen, um ihre Gastfreundlichkeit zu unterstreichen."

"Oh, paß auf, daß Tante Uranie das nicht hört. Sie definiert Gastfreundschaft und Gastrecht nicht über Schach. Madame Delamontagne übrigens auch nicht. Vergiß es also schnell wieder, bevor sie dir dafür irgendwelche Strafen aussprechen", warf Jeanne ein und ließ die Figuren in die Grundaufstellung wandern. Barbara holte ein zweites Schachspiel und ein weiteres Brett aus dem Schrank und fragte, wer Lust habe. Belle Grandchapeau willigte ein. Fleur Delacour stieg derweil wieder hinunter. Sie müsse etwas arbeiten, gab sie an und verschwand. Schließlich waren nur noch César Rocher, Adrian Colbert und Nadine Pommerouge im Gemeinschaftsraum. Jeanne spielte Weiß.

"Und wehe, du läßt mich absichtlich gewinnen, weil du nicht weißt, wie die Figuren geführt werden! Dann darfst du meinen Besen und meine Schuhe auf Hochglanz putzen", zischte Jeanne entschlossen. Dann begann das Spiel.

Julius strengte sich an und gewann die erste Partie nach zwanzig Zügen durch überlegenes Schachmatt.

"Na bitte, er kann das Spiel doch", lächelte Jeanne. Julius wollte schon ansetzen, ihr zu unterstellen, daß sie das Spiel bewußt verloren hatte, als Madame Maxime in den Gemeinschaftsraum eintrat. Unvermittelt sprangen alle Insassen auf. Auch Julius schnellte von seinem Platz, als habe ihm wer mit einem Kran den Kopf nach oben gerissen.

"Nehmen Sie wieder Platz, Messieursdemoiselles!" Kommandierte sie und setzte sich mit einer neuen Ausgabe des Miroir Magique in einen übergroßen Sessel.

"Revanche?" Fragte Julius leise, um die erhabene Madame Maxime nicht zu stören.

"Gewiß", sagte Jeanne halblaut. Julius nahm die schwarzen und wartete auf den ersten Zug.

Nach fünfzehn Zügen hatten sie ein Patt erreicht.

"Wehe, du sagst mir noch mal, du würdest nicht verlieren, weil keiner das will", zischte Jeanne Julius zu.

"Der Herr schuldet mir auch noch eine Revanche", sagte Barbara, die gerade haushoch gegen Belle Grandchapeau verloren hatte. Jeanne tauschte mit ihr den Platz. Barbara übernahm die schwarzen Figuren.

Julius spielte wieder so, wie bei ihrem ersten Spiel im Schachturnier in Millemerveilles. Damals hatte er Barbara durch ein verlockendes Damenopfer in eine Falle gelockt. Diesmal ließ sie sich jedoch nicht darauf ein, die Dame zu schlagen, wenn Julius sie anbot. Die weiße Königin protestierte einmal:

"Hält er uns für billige Marktware, die er nach Belieben feilbieten kann?"

"Bauer von e6 nach d5!" Befahl Barbara und ließ einen anderen Bauern von Julius schlagen. Julius konterte mit einem Zug, der seine Dame so platzierte, daß der König im nächsten Zug ins Schach geraten würde. Barbara zog daraufhin einen Springer zwischen ihren König und die weiße Dame. Doch damit war für einen weißen Läufer der Weg frei, dem König von hinten her Schach zu bieten. Barbara wollte das Versäumnis schnell korrigieren und zog den König so, daß er vom Läufer nicht mehr bedroht wurde. Julius setzte einen Springer und schlug einen der gegnerischen Türme. Irgendwann stand Barbaras König so günstig, daß Julius nur einen Bauern vorrücken lassen mußte.

"Schachmatt!" Quiekte der weiße Bauer und reckte die Faust.

"Formhoch! Das muß ich mir noch erarbeiten", sagte Barbara und sah auf die große Standuhr in der vorderen Ecke des Salons.

"Oh, zehn vor elf. Dann wird das nichts mehr mit der Revanche. César, Nadine und ich müssen zum Küchendienst. Zehn Minuten sind zu wenig, um anständig zu spielen."

Dann werde ich gegen Sie antreten, Monsieur, wennSie nichts dagegen haben", bot Belle Grandchapeau an.

Julius nickte und überließ ihr die Wahl der Farbe. Belle nahm weiß und begann.

Eine Stunde dauerte das Spiel, das Julius ziemlich gut forderte. Er hatte nicht mitbekommen, wie Barbara, Nadine und César nach unten gestiegen waren, um das Mittagessen vorzubereiten, so beschäftigte ihn das Spiel, bei dem zwischen zwei Zügen fünf Minuten vergehen konnten. Letztendlich lief es auf ein Remis hinaus, weil auf jeder Seite zu wenige Figuren verblieben waren, um noch zu gewinnen.

"Immerhin", sagte Madame Maxime unvermittelt, als Belle und Julius ihre Figuren vom Brett schickten. "Meine werte Mitarbeiterin Professeur Faucon hat nicht übertrieben. Das wäre auch das erste mal gewesen, daß sie sich zu einer derartigen Tatsachenverfälschung hätte verleiten lassen."

Julius sagte nichts, weil er nicht wußte, ob er dazu etwas sagen durfte. Als Madame Maxime aus dem Fenster blickte, sah sie zufrieden aus.

"Wir erreichen gerade unsere große Nation. In drei Stunden sind wir daheim", erwähnte sie. Julius fragte höflich, ob er einen Blick aus dem Fenster werfen konnte und bekam die Genehmigung. Schnell stellte er sich neben das große Fenster und warf einen Blick hinaus.

Hinter der Kutsche erstreckte sich im Spiegelglanz einer Sommermittagssonne das Meer. Die Kutsche glitt bereits über kleine Hügel dahin. In der Ferne konnte Julius eine Stadt ausmachen, anderswo sah er sogar ein paar Dörfer.

"Die Stadt ist Calais, richtig?" Forschte er. Madame Maxime nickte.

"Sind wir für die unsichtbar?" Fragte Julius weiter.

"Sagen wir einmal so: Muggelaugen und Muggel-Objektspürer versagen bei unserem Reisewagen. Aber mehr werden Sie von mir nicht erfahren. Unsere Zaubertechnik ist in vielen Punkten geheim."

Damit war für Julius das Thema beendet, und er suchte den Platz an dem Tisch auf. Belle Grandchapeau legte beide Schachspiele und die Bretter wieder zurück in den Schrank und holte vierzehn Teller heraus. Julius bot an, ihr zur Hand zu gehen. Sie nickte und deutete auf die Suppentassen. Julius trug die Unterteller und Suppentassen ordnungsgemäß auf dem großen Tisch auf, nachdem Jeanne die Blumenvasen einmal heruntergestellt und eine blau-weiß-rote Leinentischdecke über den Tisch gezogen hatte. Dann stellte sie auch die Blumenvasen wieder auf und holte das Besteck. Danach wies sie Julius den Weg zu einem Waschraum für Jungen, der auf dem Weg in den hinteren Bereich der Kutsche zu erreichen war. Julius wusch sich die Hände, prüfte seine Frisur und zupfte seinen schwarzen Hogwarts-Umhang zurecht. Dann kehrte er in den Gemeinschaftsraum zurück und ließ sich einen Platz neben Jeanne Dusoleil zuweisen. Dann kam das Mittagessen, daß aus einer Spargelcremesuppe mit geröstetem Weißbrot, einem gebratenen Seelachs mit Kartoffeln und Mousse au Chocolat bestand. Madame Maxime wünschte allen einen guten Appetit, dann wurde gegessen.

Während des Essens sprach man so gut wie kein Wort. Danach wurde über das trimagische Turnier diskutiert, wie es gelaufen war und was für eine mögliche Neuauflage in fünf Jahren zu beachten sei. Anschließend zogen sich die meisten Schüler und Schülerinnen wieder zurück. Jeanne und Barbara hatten etwas geheimnisvolles zu besprechen, womöglich die Aufstellung der Mädchenmannschaft von Millemerveilles. Belle, Nadine und Marlène wollten noch etwas lesen, César und die anderen Jungen außer Gustav, der irgendwo in der Kutsche die fliegenden Pferde überwachte, legten sich in ihren Räumen schlafen. So kam es, daß Julius allein im Gemeinschaftsraum saß, zusammen mit Fleur Delacour. Julius mied den Anblick der Veela-Junghexe. Diese ließ es zunächst geschehen. Doch dann fragte sie:

Hast du Angst vor mir, daß du mich nicht direkt ansiehst?"

"Wohl eher Angst vor mir", erwiderte Julius. "Das ist nicht so einfach, die Beherrschung zu bewahren, wenn ich es nicht gewohnt bin, mit einem Mädchen in einem Raum zu sein, das eine Veela in der Ahnenreihe hat."

"Es ist nicht immer einfach, diesen Einfluß auf andere zu mindern. Aber normalerweise sehen mir alle Jungen und Männer gerne nach. Ich gehe davon aus, daß es nicht leicht für dich war, in unserer Welt zurechtzukommen."

"Das ist richtig, Mademoiselle Delacour", erwiderte Julius.

"Ich bewundere es, daß ein Kind aus einer reinen Muggelfamilie derartig schnell lernt, sich in der Zaubererwelt zu behaupten", sagte Fleur Delacour, wohl eher aus dem Drang, Konversation zu machen, um sich nicht zu langweilen, wie Julius fand.

"Ich habe Eltern, die da, wo sie arbeiten, wichtig sind. Ich mußte schnell lernen, mich gewissen Sachen unterzuordnen. Allerdings war das mit Hogwarts was völlig anderes, weil ich da lernte, daß es darauf ankommt, was ich dort lernen kann, nicht, was ich vorher gemacht habe."

"Immerhin hast du es erreicht, daß Jeannes Mutter dich zu sich holen möchte und es zusammen mit Professeur Faucon geschafft hat, daß du mit uns reisen darfst. Insofern hast du wohl gelernt, deine Fähigkeiten positiv auszuschöpfen."

"Ich möchte nicht undankbar klingen. Aber ich lernte Professeur Faucon nur deshalb kennen, weil ihre Tochter mit einem Mann verheiratet ist, der meine Mutter aus der Studienzeit kennt. Sonst säße ich nun im Hogwarts-Express und müßte mich fragen, was ich in den Ferien anstellen werde."

"Von nichts kommt bekanntlich nichts. Ich glaube nicht, daß man dir einen guten Rennbesen überlassen hätte, wenn du ihn dir nicht verdient hättest. Ich habe dich damit fliegen sehen und war beeindruckt. Roger Davis sagte sogar, daß er dich wohl nächstes Jahr einmal richtig mitspielen lassen würde."

"Ich hoffe, daß wir nächstes Jahr noch Quidditch spielen können. Die Rückkehr des schwarzen Lords kann alles umwerfen."

"Ich war vier, als er noch wütete und war auch froh, ohne seine Schreckensherrschaft aufzuwachsen. Aber wir sollten uns nicht den Mut am Leben nehmen lassen. Maman hat mir geschrieben, daß sie ihre Ferienpläne nicht umstürzen wird."

"Mir wurde untersagt, meinen Eltern mitzuteilen, was mit diesem Irren ist. Hinzu kommt, daß mein Vater mich gar nicht nach Millemerveilles lassen würde. Daß ich unterwegs dahin bin, hat jemand anderes für mich entschieden."

"Es kann sein, daß ich nächstes Jahr wieder zu euch komme. Ich weiß noch nichts genaues. Aber Professor Dumbledore und Madame Maxime handeln gerade etwas aus."

"Dann wäre da ja nur der Beruf des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste", vermutete Julius. "Ich gehe davon aus, daß Sie bei Professeur Faucon sehr gut damit vertraut wurden."

"Das stimmt, Julius Andrews. Aber ob ich einen Lehrberuf ergreife, weiß ich noch nicht."

Dann fragte sie Julius, wo er so gut tanzen gelernt habe. Julius errötete, zumal er Fleur Delacour direkt ansehen mußte, um ihr zu antworten. Er erwähnte seine Mutter, die ihm die Ausbildung ermöglicht hatte und daß er nicht wußte, ob er damit je was würde machen können, weil die Kinder in seinem Alter alle mehr herumhüpften oder einzeln tanzten. Fleur lachte darüber. Dann meinte sie:

"Deine Mutter ist wohl damit einverstanden, daß du zaubern lernst. Immerhin hat sie nicht so herumgezetert, wie diese Frau von diesem ungehobelten Rohling, der mich beleidigt hat."

"Ich habe mir das Kapitel über magische Kreaturen in Frauengestalt mal durchgelesen. Da ist doch ein himmelweiter Unterschied zwischen Veelas und - na dem, was Mr. Hardbrick gesagt hat."

"Nicht nur das, sondern auch eine bodenlose Unverschämtheit, mir zu unterstellen, ihn behexen zu wollen."

"Na, Sie sagten doch, daß Ihnen alle Männer nachsehen", wandte Julius ein.

"Ja, aber die meisten können sich darauf einstellen. Er kann froh sein, nicht meiner Maman oder Professeur Faucon über den Weg gelaufen zu sein. maman ist sehr gut mit Verwandlungszaubern zur Stelle", sagte Fleur Delacour mit gemeinem Unterton. Julius verzichtete darauf, ihr zu erzählen, daß er gehört zu haben glaubte, wie Prof. McGonagall die beiden Hardbricks wegen einer Beleidigung kurzzeitig verwandelt hatte.

"Wirst du den Sommerball von Millemerveilles auch in diesem Jahr besuchen?" Fragte Fleur Delacour noch.

"Natürlich wird er das, Fleur. Er schuldet mir noch einen Rock'n Roll", mischte sich Barbara Lumière ein. "Außerdem hat meine Maman ihn bereits angemeldet. Gewinner des goldenen Tanzschuhs sind automatisch gehalten, wiederzukommen."

"Oh, dann werden wir uns dort wohl sehen", erwiderte Fleur Delacour und jagte Julius mit ihrem Lächeln einen neuen heiß-kalten Schauer durch den Körper.

"Ich freue mich schon", sagte Julius lächelnd und schlug schnell wieder die Augen nieder.

Den Rest der Reise unterhielten sich Fleur, Barbara, Jeanne und Nadine mit Julius über Quidditch, wo der Unterschied zur französischen Spielweise und der britisch-australischen lag. Er schilderte noch mal seine Eindrücke vom Freundschaftsspiel zwischen den Millemerveilles Mercurios und den Sydney Sparks. Er wurde gefragt, wen er favorisierte. Er sagte:

"Ich habe ein Autogramm von Pamela Lighthouse. Aber ich sehe auch gerne Saga Rush, eine Jägerin der Sparks. Da ich selbst als Jäger spiele, ist sie für mich ein gutes Vorbild."

"Mir gefällt Serge Dupont, der Vater von Janine, unserer Sucherin als Hüter. Irgendwann werde ich ihn eingeholt haben", prophezeite Barbara.

Kurz vor drei Uhr Nachmittags kam Madame Maxime kurz in den Gemeinschaftsraum und zog die Vorhänge zu. Julius sollte den Anflug auf Beauxbatons nicht beobachten. Die Mädchen im Gemeinschaftsraum nickten und zündeten die Kerzen an.

Dann war es soweit. Alle schüler mußten wieder im Gemeinschaftsraum antreten. Gustav war auch dabei, völlig erschöpft.

"Diese Biester sind heute sehr verspielt", keuchte er. "Ich fürchte, einige der Stuten sind bald wieder rossig."

"Dann wird es Zeit", dachte Julius bei sich und entsann sich noch gut, wie sein Onkel Philipp einmal einen freilaufenden Hengst einzufangen versuchte, der zu einer kleinen Herde Stuten auf die Koppel wollte. Das Tier war fast nicht zu bändigen.

"Landung!" Rief Madame Maxime wie aus einem tiefen Keller. Sie hörten das leise Ruckeln wie weit entfernt klingender Sprungfedern. Julius ahnte, daß sie gerade aufgesetzt hatten, doch gespürt hatte er nichts. Jeanne fragte laut, ob sie die Vorhänge öffnen dürfe. Madame Maxime kam gerade in den Gemeinschaftsraum und zog die Vorhänge selbst bei Seite.

Julius staunte nur noch. Ein schneeweißer Palast, kein dunkles Schloßgebäude wie Hogwarts, erhob sich in einem märchenhaften grünen Wald. Ihm vielen sofort die großen Ziersträucher auf, die einen breiten Marmorzuweg säumten. Den Palast zierten nur zwei Türme, aber dafür eine große silberne Kuppel. Insgesamt war das Gebäude zehn mindestens drei Meter hohe Stockwerke hoch und besaß an der Front, die Julius erblicken konnte, ein sieben Meter großes Portal mit zwei gigantischen Flügeln, auf denen je das Wappen von Beauxbatons prangte: Zwei gekreuzte Zauberstäbe, aus denen je drei goldene Funken sprühten. Mehr war im Moment nicht zu erkennen.

"Monsieur Colbert, Treppe auslegen!" Befahl Madame Maxime wie ein Marinekapitän. Adrian Colbert, ein athletischer Jüngling mit schwarzem Haar, bestätigte den Befehl und eilte die Treppen zur Unteretage der Kutsche hinunter.

"Monsieur Andrews, da Sie das Procedere nicht kennen, weise ich Sie kurz darauf hin, daß unsere Hierarchie vorsieht, daß ich zuerst entsteige, wenn Monsieur Colbert die Treppe herabgelassen hat. Dann kommen die amtierenden Saalsprecher und -sprecherinnen, danach die einfachen Schüler. Mademoiselle Delacour wird mit mir zusammen dem Wagen entsteigen. Da Sie gemäß unseren Statuten zu den einfachen Schülern gerechnet werden, entsteigen Sie dem Alter nach, die älteren zuerst, dann die jüngeren Schüler. Ich unterstelle Ihnen die Intelligenz, diese einfachen Regeln fehlerfrei zu befolgen. Schätze ich Sie richtig ein?"

"Ja, das tun Sie", antwortete Julius, der durch die soldatenhafte Sprache und Lautstärke der halbriesischen Schulleiterin doch etwas aus seiner üblichen Lockerheit gebracht worden war. Er verstand jetzt Kevin Malone, der Beauxbatons als "Hab-acht-Schule" bezeichnet hatte. Dann ging es in Zweierreihen hinunter. Julius ging neben Nadine Pommerouge her, die einen Monat Jünger war als Jeanne, die mit Belle Grandchapeau ein Glied der Doppelreihe bildete. Davor standen noch Gustav und César, vor denen wiederum Marlène und Louis standen. Barbara und Adrian Colbert standen ganz vorne, hinter Madame Maxime, die von Fleur Delacour gefolgt wurde. Julius wollte seine Reisetasche holen, doch Madame Maxime deutete auf ihn, und Nadine zog ihn schnell ins Glied zurück.

"Die darfst du erst holen, wenn das Gepäck ausgeladen wird", flüsterte sie Julius zu. Dann ging es hinaus.

Madame Maxime entstieg in ihrer ganzen Größe der Kutsche, dann turnte Fleur Delacour heraus. Anschließend folgten die restlichen Insassen in angeordneter Reihenfolge. Julius wunderte sich, daß sie nicht im Gleichschritt marschierten, sondern nur im selben Abstand voneinander auf den Marmorplattenweg traten und zum Portal hinaufgingen. Julius riskierte schnelle Rundblicke und gewahrte große Gewächshäuser, das vertraute Oval eines Quidditchstadions, sowie einen großen Garten mit bunten Beeten. Dann sah er noch einen großen roten Kreis, ungefähr zwanzig Meter im Durchmesser. Julius wunderte sich nicht schlecht, wie gut die Pflanzen gestückt waren, daß das Gras nur Fingerlang war und die Blumen ohne Unkraut aus ihren Beeten winkten, wenn der Wind wehte. Was hier fehlte, waren der See, die Berge und ein verbotener Wald, wie in Hogwarts.

Als Madame Maxime nur noch zehn Schritte vom Portal entfernt war, schwangen die mächtigen Torflügel von Zauberhand auf, ohne Knirschen, Quietschen oder Knarren, wie Julius verwundert feststellte. Hinter dem Portal erkannte Julius eine große Eingangshalle mit vergoldeten Säulen, an denen ringförmig Leuchter für große Kerzen angebracht waren. Julius staunte nur noch. Dann fielen ihm die über vierhundert unterschiedlich alten Jungen und Mädchen auf, die in der Eingangshalle warteten und nun, da die großen Torflügel sich vollends aufgetan hatten, hervortraten. Ruhig, gesittet, leise. Julius wurde das Gefühl nicht los, vor einer erhabenen Kathedrale zu stehen, nicht vor einer Schule. Dann sah er Jungen und Mädchen seines Alters, die ruhig aus der Halle kamen. Ihm fiel auf, daß die von Madame Maxime erwähnte Rangfolge auch hier eingehalten wurde. Die älteren kamen zuerst heraus, die Jüngeren zuletzt. Dann sah er auch die Lehrer und Lehrerinnen, mindestens zwölf, die den Zug von hinten her überwachten. Offenbar mußte das hier sorum laufen, fand Julius. Er stellte fest, daß es doch mehr als nur vierhundert Schüler waren, die aus der Eingangshalle heraustraten. Es konnten sogar über Tausend sein. Er sah sich aufmerksam die Prozession der Schüler an, die heraustraten. Alle Harfarben, Frisuren, sofern ordentlich, alle Hautfarben und Körperformen, von lang und dürr bis klein und rund, waren vertreten. Dann sah er sich die Lehrer an. Einer der wie ein gemütlicher Weihnachtsmann im lindgrünen Umhang wirkte, überragte seine direkten Nachbarn, zu denen eine kleine zierliche Hexe gehörte, die sogar kleiner als Julius war und eine rotbraune Lockenfrisur besaß und durch eine Brille mit ovalen Gläsern die Umgebung musterte. Dabei fiel ihr Blick auf Julius, und die beiden Augenpaare trafen sich, nur getrennt durch die Brillengläser, sah die kleine Hexe Julius an. Er erschauerte. Irgendwie sah es so aus, als wolle sie ihn aus der Ferne durchleuchten oder hypnotisieren.

Auf der anderen Seite des gemütlich wirkenden Lehrers stand ein gärtenschlanker, aber sehr hoch aufgeschossener Zauberer ohne Bart und mit hellblonder Bürstenfrisur unter seinem Zaubererhut. Julius sah, daß sein hellgrauer Umhang mit braunen Erdverkrustungen übersät war. Daraus schloß er, daß dieser Zauberer entweder ein Kräuterkundelehrer oder ein einfacher Schulgärtner war. Denn hier schien man sowas eher zu brauchen als einen Wildhüter. Dann sah er die gerade mal 1,60 meter große Hexe mit den saphirblauen Augen und dem schwarzen Haar, die er das letzte Mal am 17. August des Vorjahres gesehen hatte. Er war offenbar dort, wo er hinsollte. Denn das war Professeur Blanche Faucon, Mutter von Catherine Brickston, Schwiegermutter von Joe Brickston, Großmutter von Babette Brickston, in Beauxbatons amtierende Lehrerin für Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste, amtierende Dorfmeisterin im Schach zu Millemerveilles. Sie sah ihn direkt heraus an, als er mit Nadine noch näher an die geöffneten Torflügel herantrat. Ein kurzer Schauer ließ Julius zurückprallen. Doch dann ging er weiter.

Die Reihen der Schüler teilten sich ehrfürchtig vor Madame Maxime und Fleur Delacour. Dann gebot die Schulleiterin, alle ihre Begleiter mögen anhalten.

"Messieursdemoiselles! Ich freue mich, wieder hier in unserem warmen und schönen Beauxbatons zu sein, fern ab der englischen Kälte und Kargheit. Es ist mir eine große Ehre, Ihnen allen mitzuteilen, daß sich unsere Schule im trimagischen Turnier sehr tapfer geschlagen hat. Mademoiselle Delacour hat unsere Auffassung von korrekter Hexen- und Zauberergesinnung würdig vertreten und bot ein gutes Beispiel für Disziplin und Ausdauer. Leider brachte sie ein durchtriebenes Spiel eines unsagbar feigen Handlangers dessen, der nicht genannt werden darf, um den verdienten Ruhm und Gewinn. Dennoch muß ich sagen, daß wir, die wir alle unserer Turnierteilnehmerin von diesem Orte aus oder von Hogwarts her die besten Wünsche zugesandt haben, jederzeit ein neues Turnier nach den Regeln der trimagischen Wettkämpfe bestreiten und gewinnen werden, sofern uneingeschränkte Einhaltung aller Regeln garantiert und durchgesetzt wird", tönte Madame Maxime im Stil eines Kriegsherren, der von einem nicht so erfolgreichen Feldzug heimkehrt. Die Schüler klatschten Beifall und priesen Fleur Delacour. Julius hielt sich geschlossen. Ihm war es in dieser Atmosphäre der durchgezogenen Verhaltensregeln zu unheimlich. Von wegen warmes Beauxbatons. Für ihn war Hogwarts dagegen sehr warm. Wollte er wirklich einmal freiwillig herkommen? Welche Unkenntnis hatte ihn dazu verleitet, das wirklich anzudenken?

Madame Maxime trieb ihre Abordnung an, sich wieder unter die Mehrzahl der Schüler zu mischen. Die Gepäckstücke würden aus der Kutsche geholt.

"Ich dachte, ihr würdet heute schon wieder abreisen", wunderte sich Julius, als Nadine Pommerouge ihn sanft aber bestimmt in die Masse der blaßblauen Schuluniformen samt Inhalt hineintrieb.

"Wir halten ein letztes Diner ab, dann geht es nach Hause. Hast du etwa schon Heimweh?" Sprach Nadine belustigt.

"Kein Kommentar", erwiderte Julius, der nicht nur von der Farbe seines Umhangs her meinte, ein Fremdkörper zu sein. Seltsamerweise wurde er nicht weiter beachtet. Die Schüler blickten ihn zwar an, wegen seines Umhanges und weil er eindeutig nicht aus ihrer Schule kam, ließen sich aber nicht dazu hinreißen, näherzutreten oder ihn gar anzusprechen. Vielleicht dachten sie auch, er könne kein Französisch.

Die kalte Atmosphäre, die er hier empfand, kühlte für ihn noch weiter ab. Denn niemand sagte einen Ton mehr, als irgendwelche Verständigungsnotwendigkeiten es erlaubten. So ungefähr hatte sein Vater ihm Eton beschrieben.

"Ich nehme mich seiner An", kam Barbara Lumière auf Nadine zu und griff Julius' rechten Arm.

"Du bist zwar eindeutig kein Mädchen, aber als amtierende Saalsprecherin des grünen Raumes darf ich auch Jungen führen, wenn ich dazu die Notwendigkeit sehe", sagte die Hüterin der Blumentöchter, der Quidditch-Mädchenmannschaft von Millemerveilles.

"Ich falle auf wie ein schwarzes Schaf unter blütenweißen Lämmern", grummelte Julius auf Englisch. Barbara drückte seinen Arm fester und zischte ihm zu:

"Die Schulsprache ist Französisch. Sag jetzt nicht, daß du das nicht kannst!"

Julius fügte sich ohne weitere Worte. Er wurde von Barbara Lumière durch die Reihen der wartenden Schüler geführt, bis er zu den Lehrern kam. Er wollte nicht aufsehen, niemandem noch mal in die Augen sehen.

"Professeur Faucon, wie angewiesen stelle ich Ihnen den englischen Schüler Julius Andrews vor", meldete Barbara Lumière wie ein weiblicher Soldat, der seinem Kompanieführer den Vollzug eines Befehls mitteilt. Julius blickte auf und sah Professeur Blanche Faucon in ihrem mauvefarbenen Seidenumhang. Sie sah ihn an, nicht nur streng, sondern erkennend, abschätzend. Dann wandte sie sich an ihn:

"Monsieur Julius Andrews! Willkommen in Beauxbatons, der Akademie für französischsprachige Hexen und Zauberer! Hatten Sie eine angenehme Anreise?"

"Sehr wohl, Professeur Faucon", antwortete Julius, dem eine Weisheit seines Grundschul-Fußballtrainers eingefallen war: "Wenn du auf einem fremden Platz spielst, sieh dir erst an, wie hoch das Gras ist und wie die anderen darauf laufen!" Offenbar galt dieser Rat nicht nur für Fußballplätze und -mannschaften. Deshalb sprach er in einem festen, deutlichen Tonfall, so schnell, wie nötig, um keine Zeit zu vergeuden.

"Gut! Richten Sie ihren Umhang und Ihre Frisur, und dann stellen Sie sich in meinem Sprechzimmer ein! Ich erwarte sie in fünf Minuten." Erwiderte Professeur Faucon kalt und förmlich, ohne die Spur einer menschlichen Regung in der Stimme oder in ihrem ganzen Äußeren. Barbara Lumière führte Julius wieder in die Reihen der Schüler hinein und suchte jemanden. Als sie ihn fand, winkte sie ihn zu sich heran.

"Jacques, zeige unserem Gast nur den Waschraum und bring ihn danach ins Besprechungszimmer von Professeur Faucon. Trödel bitte nicht herum, denn sie will ihn in fünf Minuten dort sehen! Jede Minute Verzögerung kostet dich einen Bonuspunkt", sprach Barbara mit dem zwölfjährigen Jungen, der in seinem blaßblauen Umhang wie einer von vielen Beauxbatons-Schülern aussah, jedoch vom Haar und Gesichtsschnitt her Barbara sehr ähnlich sah. Es war ja auch ihr Bruder, Jacques Lumière. Dieser sah Julius mit breitem Grinsen an und sagte:

"Ja, Mademoiselle Lumière, mach ich, damit du von Professeur Faucon nicht noch in einen Frosch verhext wirst."

"Paß lieber auf, daß sie nicht eine Schabe aus dir macht", zischte Barbara und ließ Julius stehen. Julius sah Jacques an und versuchte, freundlich zu lächeln.

"Komm, die Alte hat die Sanduhr schon aufgestellt! Im Eiltempo, aber ohne die anderen zu stören!" Sprach Jacques und lief los, Julius dicht hinter sich, eine breite Marmortreppe hinauf in den ersten Stock, dann durch mehrere Korridore mit verwinkelten Abzweigungen zu einer Badezimmertür, auf der ein Junge mit blauer Hose und weißem Hemd abgemalt war, der ihnen zuwinkte, als sie nähertraten.

"Oh, Monsieur, Ihr Umhang ist verkohlt. Wechseln Sie ihn besser aus, bevor Sie wegen unkorrekter Kleidung verdonnert werden", tönte der gemalte Türhüter. Julius lachte nur und ging in das Badezimmer. Dort verrichtete er seine notwendigen Bedürfnisse, wusch sich Gesicht und Hände über den breiten Waschbecken mit dem Vogelkopf- und Drachenkopfwasserhahn, wie er sie bei Madame Faucon und der Familie Dusoleil kennengelernt hatte. Dann zog er seinen Zauberstab und vollführte vor dem Spiegel den Haarkorrekturzauber, den Gloria ihm mehrmals gezeigt hatte.

"Ihr Umhang ist schmutzig, Monsieur", viepte es blechern vom Spiegel über dem Waschbecken her.

"Den habe ich so angezogen. Ich bin hier nur Gast, und möge der große Meister über den Wolken walten, daß ich nur diese paar Stunden hiersein muß", erwiderte Julius. Der Spiegel, zu dem wohl die blecherne Stimme gehörte, zitterte entrüstet.

"Sie vergehen sich gegen die schulweite Kleiderordnung für Schüler, Monsieur. Dafür können Sie bestraft werden."

"Nicht in Hogwarts. Da ist das im Trend", gab Julius gehässig zurück und stürmte aus dem Badezimmer, bevor der Spiegel womöglich noch eine Tirade über ihn hereinbrechen lassen konnte. Draußen zwinkerte ihm der gemalte Junge wieder zu und fragte:

"Suchst du Streit mit den Lehrern? Oder warum läufst du immer noch in diesem kohlschwarzen Umhang herum?"

"Ich lache später darüber", knurrte Julius und lief hinter Jacques her, der eilfertig das Treppenhaus suchte, dann überlegte und dann einen Aufgang nach rechts wählte.

"Wir haben Kalendergänge. Manche führen an Freitagen nach links herum zu den Sprechzimmern, an Montagen nach oben und Mittwochen nach rechts. Am Monatsersten gilt Links, rechts links, wenn wir vom Badezimmer zum Treppenhaus kommen. Das hält das Hirn fit oder trainiert den Körper, wenn man Sportler ist", erläuterte Jacques als überzogener Fremdenführer, bis ihnen die kleine Hexe mit den rotbraunen Locken und der Brille mit den ovalen Gläsern entgegentrat.

"Monsieur Lumière, wieso lärmen Sie so ungebührlich herum?"

"Entschuldigung, Professeur Fixus, aber ich wollte unserem Gast nur ...", gab Jacques strammstehend und kleinlaut zur Antwort, doch die Lehrerin würgte ihn mit einer energischen Handbewegung ab. Sie sah Julius an und fragte:

"Sie sind ein Gastschüler aus Hogwarts, Monsieur?"

Julius nahm ebenfalls die Haltung eines Zinnsoldaten an und erwiderte:

"Gast ist korrekt, Schüler nicht, wenn ich richtig orientiert bin, Professeur Fixus! Mein Name ist Julius Andrews. Ich wurde von Professeur Faucon in ihr Besprechungszimmer einbestellt."

"Dann sind Sie heute in dieser Richtung falsch abgebogen. Zum Sprechzimmer von Professeur Faucon geht es heute nach unten und dann wieder nach oben herum. Heute gelangen Sie zu mir, wenn Sie diesen Weg fortsetzen", gab die kleine Hexe mit einer kalten Stimme zurück, die wie Windheulen durch Türritzen klang, fand Julius.

"Ich entschuldige mich und bringe ihn sofort an den rechten Ort, Professeur Fixus, Madame", bot Jacques äußerst unterwürfig sprechend an.

"Das übernehme ich. Haben Sie den Auftrag von Professeur Faucon persönlich erhalten oder von einem Saalsprecher?"

"Von meiner Schwester, Mademoiselle Barbara Lumière, Professeur Fixus."

"Gut", sagte die kleine Lehrerin und holte einen Pergamentzettel hervor, kritzelte mit einer mit violetter Tinte getränkten Feder darauf herum, gab ihn Jacques und entband ihn formell seiner Aufgabe. Jacques las und nickte ruhig. Dann lief er schnell zum Treppenhaus zurück.

"Folgen Sie mir!" Befahl die kleine Lehrerin. Julius gehorchte, wobei er aufpassen mußte, daß er sie nicht ständig überholte.

"Jacques ist nicht gerade der disziplinierteste Schüler, noch dazu manchmal orientierungslos. Was sagte er noch, bevor ich Sie antraf? Das hält das Hirn fit oder trainiert den Körper, wenn man sportlich sein möchte?"

"Kann sein", gab Julius zurück. Irgendwie bündelte diese Frau die allgemeine kalte Stimmung hier und strahlte sie ab, wie ein Eisblock.

"Ich erfuhr von Ihrem Besuch hier heute morgen. Ich unterrichte hier das Fach Alchemie an lebenden und toten Objekten, also Zaubertränke und magische Glasuren und Farben. Warten Sie hier!"

"Wenn die sowas lehrt wie Snape, wundert's nicht, daß die so kalt rüberkommt", dachte Julius ohne zu sprechen. Doch die Lehrerin wirbelte herum und fragte:

"Bitte würden Sie das laut wiederholen, was Sie mental formuliert haben?"

Julius erschrak. Er hatte immer damit gerechnet, einmal auf solch ein Mitglied der Zaubererwelt zu treffen, seitdem er sich ausmalte, was alles möglich sein konnte. Aber im Verlauf der zwei Jahre war die Sorge, einem echten Gedankenleser zu begegnen doch sehr stark geschwunden.

"Was ich wie formuliert habe?" Fragte Julius auf Unschuld und Sprachunkenntnis machend.

"Sie wagten mir einerseits Kälte zu unterstellen und andererseits mich mit einem pädagogisch unqualifizierten, wenn auch sehr gut in seinem Fach bewanderten Zauberer zu vergleichen: Severus Snape. Außerdem sind Sie meiner Sprache mächtig genug, um akademische Begriffe zu verstehen und sollten mich nicht für dumm zu verkaufen versuchen. Ich verfüge über die seltene aber vorteilhafte Gabe der Telepathie, wie Ihnen wohl nun klargeworden sein sollte."

"Anderer Leute Gedanken wider ihr Einverständnis zu lesen oder zu beeinflussen berührt den Tatbestand schwarzmagischer Geistesmanipulation, gemäß Abschnitt 665 des allgemeinen Zaubereigesetzbuches", brachte Julius schnell heraus, um die heftige Unsicherheit zu überspielen.

"Ja, wenn man es heimlich tut und nicht bekanntgibt, Monsieur Andrews! Ich kenne die mich und meine Gaben betreffenden Gesetze, wie Sie die Ihrer Lebenssituation übergeordneten Gesetze kennen. Ich räume Ihnen ein, sich bei mir für die Beleidigung zu entschuldigen, die Sie mental erhoben haben."

"Die mit der Kälte nehme ich sofort zurück. War nur ein dummer Gedanke von mir."

"Ich meine vordringlich den unqualifizierten Passus in Ihrem Gedankengang, der mich mit diesem parteiischen Wichtigtuer vergleicht", fauchte Professeur Fixus.

"Hmm, und wenn ich das nicht tue, weil es meine Gedanken waren und Ihr Pech, daß Sie sie aufgeschnappt haben? Ich unterstehe nicht Ihrer Maßregelungsarten hier."

"Solange Sie hier sind, und wenn es nur die sechs Stunden sind, die Sie noch hier verweilen, unterliegen Sie als Schüler gemäß Zaubereigesetz den Statuten der Lehranstalt, unter deren Dach Sie sich aufhalten. Sie verfügen wohl nicht über ein Bonuspunktekonto hier, aber das wäre für Sie noch fataler, wenn Sie die Neutralitätsgrenze noch unterschreiten. Also bitte!"

"Also gut, Professor Snape ist einmalig und unvergleichbar", sagte Julius.

"Ich lasse noch mal Gnade vor Recht ergehen, da Sie einen so starken Willen und ein solch hohes Geistespotential besitzen. Aber unterlassen Sie bitte noch mal solche Entgleisungen, wenn auch nur in Ihren Gedanken!"

Sie hatte "bitte" gesagt. Das rang Julius ein gewisses Lächeln ab.

Die kleine Hexe mit der unheimlichen Gabe führte Julius durch zwei Geheimtüren, die sich auf den Druck ihrer flachen Hand auftaten, über eine Treppe hinauf und wieder hinunter zu einem Büro, auf dessen Türschild in goldenen Buchstaben zu lesen stand:

"Professeur Blanche Faucon

Stellvertretende Direktrice der Beauxbatons-Akademie, amtierende Lehrperson für Transfiguration, Materialisation und Protektion gegen destruktive Formen der Magie."

Julius las und stutzte. Derartig gestelzte Türschilder kannte er nur von den Büros seines Vaters und dessen Vorgesetzten. Dann klopfte er höflich an und wartete, bis Professeur Faucon "Herein!" Rief.

Julius wandte sich um, um sich bei der Zaubertranklehrerin zu bedanken, doch diese deutete auf die Türklinke. Julius öffnete die Tür und trat ein. Die kleine Lehrerin folgte ihm und meldete:

"Ich fand diesen jungen Herren auf dem Weg zu meinem Büro vor, Blanche! Monsieur Lumière sollte ihn wohl zu Ihnen bringen. Ich erbot mich, den Gast aus England in eigener Person hierher zu geleiten."

"Danke, Boragine! Dann erspare ich mir die Suche. Unser Palast ist für Neuankömmlinge ein verwirrendes Labyrinth."

"Wem sagen Sie das, Blanche? Schließlich ist es jedes Jahr das gleiche Spiel mit den Schulanfängern, die sich gerne verlaufen und dann herumirren und immer hilfloser reagieren. Ich werde mich nun wieder in mein Sprechzimmer begeben, da es noch einige Termine wahrzunehmen gilt. Bis heute abend dann!" Sagte die kleine aber nicht zu unterschätzende Lehrerin. Dann trat sie hinaus und schloß die Tür.

"Sie wünschten mich zu sprechen, Professeur Faucon?" Wandte Julius sich an die hiesige Verwandlungslehrerin. Diese sah auf eine durchlaufende Sanduhr und wandte sich Julius zu.

"Ja, das ist richtig. Deshalb habe ich dich ja auch aus Hogwarts herbringen lassen. Es ist gut, daß du so problemlos mitreisen konntest. Setz dich bitte!" Sprach Professeur Faucon jetzt mit der Stimme einer energischen aber nicht unmenschlich handelnden Großmutter. Julius setzte sich, aufatmend, daß diese Frau für einige Minuten die kalte Atmosphäre vertreiben konnte, wenn sie dies wollte.

"Boragine Fixus ist eine äußerst beklemmende Kollegin, nicht wahr?" Fragte sie und holte mit dem Zauberstab eine Teekanne und zwei reich verzierte Tassen aus dem Nichts. Julius nickte.

"Ich habe nicht mehr daran gedacht, daß es Gedankenleser in der Zaubererwelt geben könnte. Können Sie das auch?"

"Eine direkte persönliche Frage gleich am Anfang, damit man bloß nicht in die Versuchung kommt, sie wieder zu verdrängen. - nein, dieses Talent, Gedanken regelrecht zu hören, habe ich dann doch nicht. Allerdings kann ich, und das hast du natürlich bei mir erfahren, erkennen, wenn jemand lügt, etwas vortäuscht oder sich unter seinem oder über ihrem Wert präsentiert. Wo wir schon dabei sind frage ich doch gleich, was meine Kolegin so aufgebracht hat, daß sie dich beim Weggehen mit einer Mischung aus Bedauern und Verachtung gleichermaßen angeblickt hat?"

"Ich habe daran gedacht, wie sie mir im ersten Moment vorkam und wie Sn., ähm, Professor Snape wirkt. Ich wußte nichtt, daß sie das sofort beleidigt."

"Hoja, das tut es ganz bestimmt. Sie hält nichts von meinem englischen Kollegen im Fach Zaubertränke. Sie war auf verschiedenen Symposien der magischen Alchemie, wo auch er zugegen war und mußte sich anhören, was er sagte - und vor allem, was er nicht sagte. so ein Talent kann für den, der es besitzt, ein Fluch sein. Aber sie kann diese Gabe nur nutzen, wenn sie die Person sieht, deren Gedanken sie aufnimmt. Soviel zu meiner Kollegin. Kommen wir zu dir!

Wie du vielleicht von Barrbara, Nadine oder auch Jeanne gehört hast, reisen wir nicht sofort nach Millemerveilles. Der letzte Schultag ist ein Tag der inneren Entspannung. Wir lassen ihn immer feierlich ausklingen, und verbinden die Abschlußfeier mit der Heimkehr der Schüler. Da wir nicht auf einen antiquierten Eisenbahnzug angewiesen sind, geht dieses Prinzip sehr gut."

"Ich habe Madame Dusoleil meine Eule geschickt, Besen, Schachspiel, Festumhang und Tanzschuhe eingepackt, sowie diverse Bücher, die ich von Ihnen und anderen bekommen habe. Meine Reisetasche liegt noch im Reisewagen. Nur ich kann sie herholen."

"Gut, daß erledigen wir nach der Teestunde", sagte Professeur Faucon und schenkte Julius eine Tasse dampfenden Tees voll. Dann bat sie ruhig darum, daß Julius ihr noch mal erzählte, was er im letzten Schuljahr erlebt hatte und vor allem das Verhalten Moodys zu beschreiben, sowie auf die letzte Runde einzugehen. Julius nahm sich die Zeit, von Anfang an zu erzählen und ließ nichts aus. Die Begegnung mit der Telepathin hatte ihn davon abgebracht, etwas verheimlichen zu wollen. Professeur Faucon könnte sie ja jederzeit herbestellen. Als er den Bericht mit der Rede Dumbledores zum Schuljahresende beendet hatte, war bereits die dritte Tasse Tee geleert. Professeur Faucon nickte. Dann sagte sie:

"Meine Kollegin, Professor McGonagall, hat mir berichtet, was sich zugetragen hat. Hier zeigt sich die Schwäche der Dementoren, gezielt die Absichten ihrer Gefangenen zu erkennen. So konnte Bartemius Crouch Junior, der von seinem eigenen Vater wegen Mittäterschaft bei einer barbarischen Folterung eines Auroren angeklagt und für schuldig befunden wurde, aus der lebenslangen Askabanhaft entkommen, weil gewisse Sentimentalitäten dies ermöglichten, auf die ich hier nicht eingehen möchte, da jede Kritik daran unangemessen ist, da es jedem Passieren kann, der Ehrgeiz mit Familienpflichten verquickt. Was du mir von den Beobachtungen durch das magische Nachtglas berichtet hast, dekct sich mit den letzten Aussagen des überführten Bartemius Crouch Junior, der durch illegale Magie als Alastor Moody in Hogwarts tätig war. Es war also schon klug von uns, deine Kenntnisse im Bereich der Abwehr schwarzer Magie zu verheimlichen. Crouch Junior hätte dich als potentiellen Störfaktor einstufen und sich deiner entledigen können. - Nun gut. Damit sind wir dann durch."

"Sie haben mich darum ersucht, mich bei und von Ihnen weiter ausbilden zu lassen. Ist das nicht etwas unfair den anderen muggelstämmigen Hogwarts-Schülern gegenüber?"

"Mal abgesehen davon, daß Fairness, also Rücksichtnahme auf Schwächen anderer oder die Einhaltung von Regeln, nur im Sport wirklich durchgesetzt werden kann, ist nicht jeder Muggelstämmige dazu fähig oder bereit, sich einer intensiven Fortbildung zu unterziehen. Ich habe dich ja auch zusammen mit den beiden Töchtern von Camille zu mir bestellt. Jetzt, wo der Psychopath wieder körperlich vorhanden und damit zur Benutzung von Zauberstäben fähig ist, habe ich in meiner Eigenschaft als zuständige Lehrerin allen in Millemerveilles lebenden Schülern angeboten, bei mir Nachhilfe zu nehmen. Es haben außer dir sieben zugesagt, darunter Virginie Delamontagne. Insofern brate ich dir keine Extrawurst, wie es bei euch heißt, wenn jemandem mehr gegeben oder ihm weniger aufgebürdet wird, als seinesgleichen sonst. Ich sah nur nicht ein, daß du nun nach Cambridge zurückfährst, mit dem dumpfen Gefühl, nun tatsächlich bedroht zu werden und dich womöglich unkontrolliert in den Besitz von Zauberkenntnissen zu bringen, die dir hilfreich erscheinen mögen, aber tatsächlich gefährlich für dich werden können. Und damit wir das auch gleich geklärt haben: Ja, ich tue das auch für Catherine, weil sie sich für dich verantwortlich fühlt, seitdem sie sich damals in den Versuch eingemischt hat, dich von Hogwarts fernzuhalten. Das sind aber Gründe, die nicht für den freien Markt bestimmt und daher zu verschweigen sind. Das Verhältnis zwischen deiner Familie und Catherine und ihrer Familie ist schon bekannt genug in Millemerveilles. Catherine hat schon gefragt, ob und wenn ja wann du wieder bei mir anzutreffen sein wirst. Sind damit alle Fragen und Bedenken deinerseits geklärt?"

"Ja, sind sie, Professeur Faucon", erwiderte Julius gehorsam.

"Dann werden wir jetzt Ihre diebstahlsichere Reisetasche aus dem Reisewagen bergen, Monsieur Andrews. Bitte folgen Sie mir!"

Julius folgte der ehrwürdigen Lehrerin durch Gänge und Treppenhäuser, zurück zum Hauptportal, dessen mächtige Flügel sich wieder geschlossen hatten. Madame Faucon machte eine Geste in Richtung eines steinernen Löwenkopfes auf der dem Portal nächsten Säule. Sofort schwangen die Torflügel wieder auf und ließen die beiden hinaus.

Über den Plattenweg ging es zu der Kutsche, die nun ohne das Gespann geflügelter Riesenpferde dastand. Professeur Faucon öffnete den Wagenschlag per Fernlenkzauber, ließ die goldene Treppe ausklappen und stieg hinein. Drinnen holte Julius seine Practicus-Reisetasche, die als einziges Gepäckstück noch dastand. Ein Zettel hing an den Tragehenkeln:

"Diese Tasche wurde durch Diebstahlschutzzauber am Ort festgehalten. Der Besitzer möchte sie schnellstmöglich an sich nehmen!"

Julius wunderte sich über die Winzschrift, in der die Nachricht verfaßt war.

"Ähm, unterhält Beauxbatons auch einen Stab von Hauselfen?"

"Sowohl diese als auch Berg-, Wald- und Flußnymphen, Fauen, Feen und Zwergtrolle aus Norwegen. Die hiesige Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe billigte uns vor Jahrhunderten diese Vielfalt von geschickten Wesen zu. Manchmal laufen hier auch Zwerge herum, die Ausbesserungen an den metallischen Einrichtungen sowie der Bausubstanz durchführen. Dafür haben wir hier nur zehn echte Geister und keinen Poltergeist."

"Keinen Poltergeist? Hat was für sich", erwiderte Julius.

Auf dem Weg zurück in den Palast von Beauxbatons kam ihnen Barbara Lumière entgegen und sah Professeur Faucon erleichtert an.

"Ich erfuhr davon, daß Monsieur Lumière sich in der heutigen Richtung zu Ihnen vertan hat. Er brachte mir die Entbindung von seinem Auftrag durch Professeur Fixus. Insofern ist alles korrekt, Professeur Faucon."

"Danke, Mademoiselle Lumière. Es verlief alles im Rahmen meiner Wünsche. Monsieur Andrews wird am grünen Tisch das Abschlußdiner mit uns einnehmen. Haben Sie schon Kontakt zu ihrem männlichen Kollegen aufgenommen?"

"Sehr wohl, Professeur Faucon. Meine Stellvertreterin hat alles arrangiert. Wir heißen Julius für diesen Abend an unserem Tisch willkommen, zumal mir auf verschlungenen Pfaden bekanntgemacht wurde, daß er sich tatsächlich als Repräsentant unseres Tisches würdig erweisen dürfte", erwiderte Barbara Lumière.

"Dann haben die hier wohl auch ein Ding wie den sprechenden Hut", dachte Julius nur für sich und suchte schnell nach Professeur Fixus. Sie war nicht zu sehen. Also gehörte dieser Gedanke nur ihm.

Professeur Faucon brachte Julius in den Palast zurück, wo ihnen der bohnenstangenlange Zauberer entgegenkam, der immer noch einen erdverkrusteten Umhang trug.

"Ah, Professeur Faucon! Ich habe die Ehre, Ihnen von Madame Maxime mitteilen zu dürfen, daß Sie unsere Lehranstalt im Zeitraum ihrer Abwesenheit sehr gut betreut haben. Sie wird Sie dafür heute abend noch einmal gebührend auszeichnen, wie auch die stellvertretenden Saalsprecher und -sprecherinnen, die die Obliegenheiten derer übernahmen, die nach Hogwarts gereist sind. Oh, offenkundig haben sie von dort jemanden mitgebracht", sagte der lange Lehrer. Dabei sah er Julius amüsiert an. Julius hoffte, daß dieser Zauberer nicht auch telepathische Fähigkeiten hatte.

"Das ist Monsieur Julius Andrews, ein Ausnahmeschüler unserer Kollegen in Hogwarts, der aus besonderen Gründen hierherkam, um von mir in die Obhut einer guten Nachbarin gegeben zu werden. Die Umstände geboten, ihn ohne den üblichen Umweg direkt von Hogwarts herzuholen, Professeur Trifolio."

"Trifolio? Ranunculus Trifolio? Der Verfasser von "Behandlung von subterrestrischen Zauberpflanzen unter Berücksichtigung photophober Reaktionen und ihrer Minimierung durch periodische Beleuchtung mit rotem Kerzenlicht?"

"Oh, ein Wissenschaftler! Sonst würde sich doch keiner einen solch langen Titel merken", gab Professeur Trifolio begeistert zurück und bestätigte, daß er eben dieser Professeur Ranunculus Trifolio sei. Dann sagte er noch, daß er hier Kräuterkunde lehre. Julius Andrews sah Professeur Faucon an. Diese nickte ihm aufmunternd zu. Julius stellte sich ordentlich vor, mit Namen, Schule und abgeschlossener Klasse.

"Andrews, Julius! Sie dürfen sich geschmeichelt fühlen oder nicht, Monsieur, aber ich habe von Ihnen gehört, beziehungsweise gelesen. Sie ließen sich vor einem Jahr darauf ein, über die Verwendbarkeit von Sonnenstrahlen in der Zauberei zu referieren, als Zusammenfassung des vielschichtigen Buches über die Magie des Sonnenfeuers von Dias und Meridies, angereichert mit zusätzlichen Versuchen zur Arbeit mit den unsichtbaren Strahlenanteilen. Ein Auszug Ihres schriftlichen Exposées wurde mir, Ihr Interesse an einer fachlichen publikation im kleinen Kreis vorausgesetzt, von Mademoiselle Claire Dusoleil zur Verfügung gestellt. Ich bedauere, daß ich bei diesem Vortrag nicht anwesend sein konnte. Aber immerhin lasen und demonstrierten Sie vor kompetentem Publikum."

Julius errötete. An und für sich hatte er seinen Vortrag damals für Leute gehalten, die er kannte und die ihn kannten. Professor Flitwick und Professor Sprout hatten noch Abschriften davon bekommen. Aber so, wie sich Professeur Trifolio nun ausdrückte, hatte Julius das umfangreiche Buch von Hyperion Dias und Corona Meridies in eine einzige Formel gepackt. Das gefiel ihm wiederum nicht, weil er wußte, daß er nur zusammengetragen und nacherzählt hatte. Deshalb sagte er:

"Das war nichts besonderes, Professeur Trifolio! Das waren nur die ersten akademischen Gehversuche eines Jungen, der wissen wollte, wie weit er ohne Hilfen kommt. Ich hätte damit ja auch reinfallen können."

"Oh, falls ich Sie über gebühr gelobt haben solte und Sie den Eindruck haben, diese Form von Anerkennung noch nicht verdient zu haben, tut es mir Leid", entgegnete Professeur Trifolio und zog sich nach einem höflichen Abschied zurück.

"Ich hoffe, ich war nicht allzu respektlos", erkundigte sich Julius bei Prof Faucon. Diese sagte kühl:

"Wäre dem so gewesen, hätte ich Sie hier und jetzt zur Ordnung gerufen, Monsieur. Hier sind Sie an einem Ort, wo sie merken, wenn Sie sich über eine verbotene Grenze bewegen und das noch rechtzeitig gesagt bekommen."

Barbara Lumière übernahm Julius von der großen Eingangshalle an und geleitete ihn zum Dachgarten hinauf, der um die große Silberkuppel verlief. Julius war neugierig, was in der Kuppel war und fragte:

"Ist der Inhalt der Kuppel ein Geheimnis?"

"Das, was man sehen kann, ist kein Geheimnis. Geheim ist nur, wie es funktioniert. Aber ich denke nicht, daß du jetzt in unsere Sternenkuppel möchtest. Du könntest dich darin verlieren", sagte Barbara Lumière, die wußte, daß Julius sich für Astronomie interessierte.

"Ein Planetarium?"

"Ein Galaktikum. Alle sichtbaren Sterne der Milchstraße räumlich verteilt. Zusätzlich kann man eine illusionäre Reise durch unser Sonnensystem machen. Professeur Paralax hat schon ganze Schulklassen durch den dort abgebildeten Kosmos reisen lassen. Hier lassen sich auch die eigenen Beobachtungen mit den Modellen vergleichen. In seltenen Fällen kann der Astronomieunterricht auch bei schlechtem Wetter erteilt werden.

Eine halbe Stunde lang genoß Julius den Rundblick von Dach des weißen Palastes. Er ließ sich von Barbara erklären, wo die magischen Kreaturen lebten, die im Unterricht besprochen wurden, sah auf den schmalen Fluß, in dem eine schlanke Flußnymphe herumschwamm, eine zerbrechlich wirkende, durchsichtige Gestalt, die wie eine Frau aus Glas oder biegsamem Eis erschien. Dann verschwand das Wesen. Julius spürte unvermittelt einen prickelnden heißen Schmerz auf der Haut, und ihm fiel siedendheiß ein, daß er vergessen hatte, sich mit Sonnenkrauttinktur gegen die hier vorherrschende Sonnenstrahlung zu schützen. Barbara, die Julius zusammenfahren sah, sah die geröteten Hautpartien und schüttelte den Kopf.

"Da haben wir wohl alle nicht dran gedacht. Ich bbring dich am Besten zu unserer Schulkrankenschwester. Die wird noch Sonnenkrauttinktur haben."

"Nein, sowas habe ich in der Reisetasche", sagte Julius und durchsuchte die Tasche, die er mit hier heraufgebracht hatte. Er fand die Tinktur und rieb sich damit ein. Schlagartig kühlten die verbrannten Stellen ab. Barbara half ihm, auch die Bereiche einzureiben, die er mit den eigenen Händen nicht so leicht erreichen konnte. Nach wenigen Sekunden war von dem Sonnenbrand weder was zu sehen noch zu spüren. Julius wußte, daß er jetzt noch zwei Stunden in der prallen Sonne sein konnte, denn durch die Sonnenbrandheilung waren drei Stunden Sonnenschutz magisch verflogen, so wußte er.

"Das war aber gerade soeben vor Toresschluß", bemerkte Barbara Lumière.

Zwei Jungen in Julius' Alter schwirrten auf Ganymed-Rennbesen um den Palast herum. Sie tobten sich wohl von der anstrengenden Schule aus. Barbara sah dem wilden Treiben einige Minuten zu, dann pfiff sie auf den Fingern und wirkte mit ihrem Zauberstab den Sonorus-Zauber.

"Eh, wolt ihr euch mit Gewalt umbringen? Ist euch Quidditch schon zu langweilig?" Rief sie magisch verstärkt. Die Jungen mußten sich festklammern, um nicht vor Schreck von ihren Besen zu rutschen. In dem Moment kam Professeur Boragine Fixus aus dem Palast und sah die beiden.

"Selbstverständlich wieder die Gebrüder Mistral. Kommt herunter und erzählt mir eure neusten Ausreden!" Schrillte die kleine Lehrerin nach oben. Die beiden Jungen landeten und lachten. Doch als die Lehrerin sie genau musterte und ihnen zuredete, wurden sie ganz ruhig. Danach schulterten sie ihre Besen und gingen schnell davon. Professeur Fixus ging weiter in den grünen Forst, der das Gelände kreisförmig umschloß.

"Das waren zwei blaue, Julius", sagte Barbara, als sie den Quietus-zauber gewirkt und ihre Stimme damit wieder normalisiert hatte.

"Blaue?" Fragte Julius.

"Undisziplinierte, aber aufgeweckte Leute, die alles ausprobieren, aber ohne Sinn und Verstand. Chaoten."

"Interessant. so eine Einteilung gibt's nicht in Hogwarts."

"Sieh an, jetzt ist es schon interessant für dich. Vor ungefähr einer Stunde wolltest du hier wieder fort."

"Das möchte ich immer noch. Aber im Moment muß ich ja warten. Da kann ich mich auch für Sachen interessieren, die ich höre und sehe."

"Wie gesagt, du wärest unwiderruflich einer von uns Grünen."

"Ich habe mit Politik nichts am Hut", erwiderte Julius irritiert. Barbara Lumière lachte.

"Nein, das ist keine politische Richtung, sondern eine Tischfarbe, sowie Blau. Ungefähr wie bei euch teilt etwas die Schüler hier bestimmten Eigenschaften nach in die Säle ein, von denen es sechs gibt. Jeder Saal hat eine Farbe. Ich bin Saalsprecherin des grünen Saales. Da wohnen lauter kreative, neugierige und experimentierfreudige Jungen und Mädchen. Da ich weiß, daß du in diesem Schuljahr oft und gerne rumexperimentiert hast und dich möglichst umfangreich informierst, sowie dein künstlerisches Talent kennengelernt hast, bist du wohl einer von uns, wenn unser Auswahlsystem dich hätte einteilen müssen, wärest du wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit bei uns gelandet. Zumindest kannst du heute abend mit uns zusammen bei Tisch sitzen. Virginie, die meine Stellvertreterin ist, hat mir schon vorgeschwärmt, wie das am Ostersonntag war."

"Moment, Barbara! Wer sitzt denn da noch so dran, von denen, die ich kenne?"

"Da sage ich nicht mehr zu, als ich gesagt habe. Das kann ja auch nicht gehen, daß du dich nur danach orientierst, wer wo sitzt, sonst landest du nachher auch noch bei den Chaoten", erwiderte Barbara Lumière spöttisch.

Julius hatte den Eindruck, daß die wesentlich ältere Schülerin hier richtig auftaute, wo sie wieder in Beauxbatons war. Dennoch war ihm die Atmosphäre hier immer noch zu kalt.

Um sechs Uhr läutete eine große Glocke zum Abendessen. Julius besuchte noch mal den Waschraum, wo ihm der an der Tür angebrachte Bilderjunge wieder vorhielt, er habe einen verkohlten Umhang an. "Unflexibel programmiert", knurrte Julius, als er wieder herauskam.

Johlend schwirrten mehrere Vierzehnjährige an ihm vorbei in Richtung Treppe. Julius hatte von Barbara Lumière einen jüngeren Wegführer bekommen, der doch etwas besser im ständig richtungsändernden Gewirr der Korridore und Treppen Bescheid wußte. So gelangten sie kurz nach Sechs uhr durch ein vergoldetes Glasportal in einen mit Teppichen ausgelegten Speisesaal, der überhaupt nichts von einem altehrwürdigen Bau, sondern eher von einem modernen Kongreßhotel hatte. Julius hätte sich nicht gewundert, wenn auf einmal ein Telefon geläutet oder ein Kellner im Frack einen Doktor XYZ ausgerufen hätte, der am Telefon verlangt würde. Doch trotz der hellen Teppiche, die wie türkische oder andersorientalische Teppiche beschaffen waren, der freischwebenden Kerzenleuchter aus Gold und Silber, in denen armdicke Kerzen steckten, die im warmen orangegelben Licht brannten, der wuchtigen Kronleuchter, die erhaben und bedrohlich zugleich an der über vier Meter hohen, undurchsichtigen Decke hingen, der mit Seide verzierten Säulen und den sieben großen Tischen, sechs runder und ein langer, der auf die große Eingangstür deutete, wirkten hier alle eher wie auf einer Totenfeier, so leise war es hier. Julius ließ sich von seinem Begleiter zu einem der im Sechseck angeordneten runden Tische führen, der mit einem grasgrünen Leinentuch bezogen war und neben weißem Porzellangeschirr und Kristallgläsern bauchige Blumenvasen in Grasgrün mit frischen Sommerblumen trug. Der Tisch stand leicht versetzt zur Eingangstür. Der nächste Nachbar war ein weißer Tisch mit weißen Blumenvasen. Auf der anderen Seite stand ein kirschrot gedeckter Tisch. Dort saß bereits César Rocher und unterhielt sich mit Jungen seines Alters, die gut in Form sein mußten, den Muskeln nach zu urteilen.

"Die Roten sind die Draufgänger, die sich ständig in Wettkämpfen beweisen müssen, aber dabei gerne über ihre mangelnde Selbstbeherrschung stolpern", flüsterte der Junge, der Julius führte.

Julius nahm auf einem Stuhl am grünen Tisch Platz und beobachtete, wie weitere Schüler und Schülerinnen in den Speisesaal hineingingen und sich auf die sechs runden Tische verteilten. Julius sah alle Farben und überlegte sich, wer wohl an den Tisch mit er zitronengelben Decke, dem violetten und dem weißen Tisch untergebracht wurde. Wenn hier auch bestimmte Eigenschaften die Zugehörigkeit zu einem Saal und dessen Tisch bestimmten, war es doch sehr interessant, sich damit zu beschäftigen, fand Julius.

Nach fünf Minuten Wartezeit kamen auch Schüler, die am grünen Tisch sitzen wollten. Darunter waren Jeanne Dusoleil und Virginie Delamontagne, die ein Mädchen in Julius Alter flankierten, das ihn anstrahlte, wie ein Weihnachtsbaum und so aussah, wie Jeanne, eben nur einige Jahre jünger.

"Willkommen in Beauxbatons, Monsieur Julius Andrews aus England", begrüßte ihn Claire Dusoleil, nachdem sie von Barbara Lumière, die ebenfalls an den grünen Tisch kam, die Erlaubnis bekommen hatte, sich neben Julius niederzulassen.

"Hallo, Mademoiselle Dusoleil, die zweite! Ich staune, daß wir uns hier wiedersehen."

"Du meinst jetzt an diesem Tisch", flüsterte Claire Julius zu. Julius nickte.

Links neben Julius setzte sich Edmond Danton hin, der Sprecher des grünen Saales.

"Willkommen am Tisch des grünen Saales von Beauxbatons, Monsieur Andrews", begrüßte Edmond Julius höflich aber distanziert. Julius erwiderte den Gruß.

"Wie ich bereits erfuhr, haben Sie unsere Parkanlage bewundert und sich mit den richtungsändernden Korridoren abplackern müssen. Ich hoffe, das hat Sie nicht auf die Idee gebracht, Beauxbatons sei ein Irrgarten, in dem man unnütz herumlaufen müsse, um bestimmte Orte aufzusuchen."

"Ähnliches haben wir in Hogwarts auch", erwiderte Julius ruhig aber ebenfalls auf Abstand betont.

Jeanne nahm rechts von ihrer Schwester Platz, Barbara setzte sich Julius gegenüber an den runden Tisch. Julius fiel auf, daß sich Jungen und Mädchen in säuberlich getrennten Gruppen um jeden Tisch sammelten. Bei Julius begann die Riege der Jungen, bei Claire die der Mädchen, die bis Barbara Lumière reichte. Julius wunderte sich darüber. Wieso konnten sich die Angehörigen eines Tisches nicht beliebig hinsetzen? Diese Frage stellte er dem Saalsprecher leise genug, um nicht unnötig aufzufallen.

"Alte Tradition. Wer sich jeden Tag auf einen Anderen Platz setzt, bringt mehr Hektik in die Ordnung an den Tischen. Die Trennung nach Geschlecht geht auf die Gründerzeit zurück, wo ein Hexenflügel und eine Zaubererabteilung bestanden, die in voneinander abgeteilten Bereichen des Palastes untergebracht waren. Damals, so die Chronik "Bulletins de Beauxbatons" standen hier zwölf Tische, allerdings mit kleinerem Durchmesser", erklärte Edmond Danton ruhig.

Julius verzichtete darauf, weitere Fragen zu stellen, da er nicht aufdringlich sein wollte und sowieso nicht mehr daran dachte, ein Austauschjahr hier zuzubringen. Er beobachtete die Lehrerinnen und Lehrer, die an den langen Tisch traten und sich dort an ihre Stühle stellten. Julius bemerkte, daß es tatsächlich zwanzig Hexen und Zauberer waren, die nun am langen Tisch warteten. Als dann Madame Maxime durch eine goldene Eingangstür trat, schnellten alle Schülerinnen und Schüler von ihren Plätzen hoch, wie von Sprungfedern hochgeschossen. Julius zögerte einen Sekundenbruchteil, dann stand auch er neben seinem Stuhl und sah Madame maxime erwartungsvoll an. Diese schritt an jedem Tisch vorbei, warf einen strengen Blick auf die wartenden Schüler und gesellte sich schließlich zu ihren Kollegen an den langen Lehrertisch. Sie sagte einige Worte, dann setzten sich die Lehrer und die Schulleiterin hin. Das war das Zeichen für die Schüler, sich ebenfalls wieder zu setzen.

"Sieh an, er hält sich schon an unsere Begrüßungsregel", flötete Claire leise, als alle Schüler sich kurz etwas sagten. Julius lief leicht rot an. Immerhin hatte er ja getönt, daß er den Aufmarsch, den die Beauxbatonss veranstaltet hatten, die zur Quidditch-Weltmeisterschaft gereist waren, für überzogen streng gehalten hatte. Nun hatte er sich selbst dieser eingeschliffenen Respekts- oder Disziplinbezeugung unterworfen. Das lag wohl daran, daß er nicht dumm auffallen wollte. Sein schwarzer Hogwarts-Umhang reichte ja schon aus, ihn aus der Schar der andren Schüler herauszupicken. Außerdem wollte er nicht riskieren, daß diese Professeur Fixus recht hatte und er hier noch irgendwie bestraft werden konnte.

Madame Maxime erhob sich noch einmal. Julius wollte schon aufstehen, doch Edmond legte ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte:

"Sie möchte nur eine Ansprache halten. Behalten Sie Platz!"

Madame Maxime sprach zu ihren Kollegen und den Schülern, daß sie sich freue, wieder in Beauxbatons zu sein und die Verteilung der Hauswertungen selbst vornehmen zu können. Dann wandte sie sich an Professeur Faucon:

"Professeur Faucon! Wie ich hörte, ist es Ihnen vortrefflich gelungen, die von mir in Sie gesetzten Erwartungen vollständig zu erfüllen und Sie den reibungslosen Betrieb dieser Lehranstalt erhalten konnten. Dafür danke ich Ihnen noch mal recht herzlich und verleihe Ihnen den diesjährigen Erfolgspreis für Schulbedienstete in Beauxbatons in Gold."

Madame Maxime holte aus ihrem Umhang eine Halskette aus dünnen Goldfäden, an der eine kleine Medaille mit dem Beauxbatons-Wappen befestigt war und legte sie Professeur Faucon um den Hals. Julius stimmte sofort in den Beifall mit ein, mit dem die Schüler und Lehrer diese Ehrung bedachten. Julius fragte sich zwar, wieso man dafür geehrt wurde, wenn man nur seinen Job erledigte, doch dachte dann über den Ameisenhaufen hier nach, der ohne die Strenge und Gefahr verheißende Halbriesin schnell außer Rand und Band geraten wäre. Arcadia hatte ihm erzählt, daß es im Jahr, wo die Kammer des Schreckens geöffnet worden war, zu häufigen Unruhen unter den Schülern gekommen war, zumal Dumbledore für eine kurze Zeit auf Betreiben der Schulräte sein Amt hatte aussetzen müssen.

"Wir werden nun wie jedes Jahr zum Abschluß eines außergewöhnlichen Schuljahres das Abschiedsfest feiern, in dessen Verlauf die Vorbildtrophäe für den Saal mit der höchsten Gemeinschaftswertung überreicht wird. Danach reisen wir alle wieder in unsere Heimatstädte zurück, um uns während der Ferien der erholsamen Kurzweil zu widmen, die uns für das nächste Schuljahr stärken wird. Es wird wohl schwerer sein, als das letzte, soviel steht fest. Aber Sie sind Beauxbatons-Absolventen und als solche dafür ausgebildet, die schwierigen Neuerungen und Prüfungen des nächsten Schuljahres zu meistern. Man möge servieren!"

Auf dieses Kommando hin erschienen Lastwagenradgroße Teller mit kleinen Appetitanregern, sowie silberne Terrinen mit dampfendem Inhalt auf den Tischen. Dazu kamen noch große Karaffen mit weiß- und Rotwein, Quellwasser und Traubensaft. Julius besah sich das Besteck und vermutete, daß es sieben Gänge geben würde. Zuerst tat er sich von den kleinen Backspezialitäten etwas auf einen kleinen Teller und füllte sich von dem Traubensaft in seinen Kristallkelch. Stille machte sich breit. Keiner aß, bevor Madame Maxime nicht allen einen guten Appetit gewünscht und alle Schüler im Chor diesen Wunsch erwidert hatten.

Nach der kleinen Vorspeise, kam eine heiße Suppe, wahlweise Gemüsesuppe mit Nudeln oder eine Bouillabaisse. Keiner sprach während des ersten richtigen Ganges. Gefräßige Stille, nur unterbrochen durch das Klappern der Suppenlöffel in den Tellern, beherrschte den Speisesaal, der durch seine Teppiche und üppigen Wandbehänge so gut schallgedämpft war, daß Julius einmal mehr glaubte, im Saal eines Restaurants oder Hotels zu sitzen, als im Speisesaal eines Internats. Julius wagte nicht, die Stille zu durchbrechen, so sehr bannte ihn die allgemeine Ruhe. Irgendwann, man war bereits beim zweiten Gang, dem Salatgang, sprachen Schüler an den anderen Tischen mit den Kameraden, die in Hogwarts gewesen waren. Auch am grünen Tisch fing Barbaras Sitznachbarin an, die Kameradin zu befragen, wie es denn in Hogwarts zuging. Zumindest vermutete Julius das, denn der Tisch war so groß, daß zwischen ihm und Barbara gut und gern zwanzig Meter Luftlinie lagen und die beiden Mädchen sich in einer Lautstärke unterhielten, wie sie in Bibliotheken oder Kirchen gepflegt wurde. Doch Edmond Danton fragte ihn, wohl um ein Gespräch mit ihm einzuleiten, ob er eine gute Anreise gehabt hätte. Julius erwiderte, daß die Reise hierher störungsfrei verlaufen sei und er die Zauber bewunderte, die in die Reisekutsche eingebaut waren. Edmond fragte ihn, ob ihm das Schloßgelände gefalle. Julius antwortete:

"Es sieht alles so erhaben aus, wie bei einer königlichen Residenz. Das ist schon anders als in Hogwarts."

"Natürlich! Unsere Schule ist die beste auf dem europäischen Festland, und wir haben Schüler aus angesehenen Zaubererfamilien hier, deren Eltern schon darauf bestehen, ihre Kinder sowohl örtlich, als auch erzieherisch gut untergebracht zu wissen. Soviel ich heute während der kurzen Tagesbesprechung der Saalsprecher erfuhr, wurden Sie hergebracht, weil Sie heute Abend nach Millemerveilles weiterzureisen trachten?"

"Ja, das ist korrekt", erwiderte Julius, wobei er sich des gehobenen Sprachstils bediente, in dem er gefragt wurde.

"Ich erfuhr, daß es während des trimagischen Turniers zu einer Katastrophe gekommen sei und einer der Schüler Ihrer Lehranstalt zu Tode kam. Kamen jene, bei denen Sie zu Gast sein werden deshalb darauf, Sie direkt von Hogwarts hierherholen zu lassen, mit den anderen Teilnehmern unserer Turnierdelegation?"

"Das mit der Katastrophe trifft zu, Monsieur Danton. Cedric Diggory wurde ermordet. Daraus resultierte, daß er und der verbliebene Champion Harry Potter in eine Falle des dunklen Lords gelockt worden waren und dieser Diggory tötete. Da ich bereits damit einverstanden war, meine Ferien in Millemerveilles zu verbringen, willigte ich ein, Ihre Delegation auf ihrem Rückweg zu begleiten. Ich ging nur davon aus, direkt nach der Ankunft hier weiterzureisen."

"Der Herr wollte wohl nicht hierher", warf Claire Dusoleil näckisch ein. Julius räusperte sich und schaufelte sich schnell eine Gabel voll Salat in Knoblauch-Jogurtsoße in den Mund, um einen Vorwand zu haben, nichts dazu sagen zu müssen.

"Weil für ihn und seine Kameraden am Abend vor der Abfahrt gefeiert und am frühen Morgen die Heimfahrt angetreten wird, Claire. Ärgere ihn nicht damit, daß er das nicht wußte, wie wir das hier handhaben", sagte Jeanne Dusoleil, die rechts neben ihrer Schwester saß.

Julius wurde noch befragt, wofür er sich so interessiere. Er fragte zurück, ob man seine Lieblingsfächer oder seine Hobbies meine.

"Beides", erwiderte Edmond. Julius erwähnte, daß er sich wohl von seiner Herkunft her für Zaubertränke und Kräuterkunde, sowie Astronomie interessiere.

"Oh, dann arbeiten Ihre Eltern in diesen Berufszweigen?"

"Mein Vater ist Wissenschaftler, meine Mutter arbeitet in der Verwaltung von Firmenunterlagen und ihrer Handhabung."

Julius wollte nicht gleich im ersten Ansatz zugeben, daß seine Eltern keine Zauberer waren. Ihm stand noch deutlich die Bemerkung Professeur Faucons in Erinnerung, daß Schüler aus Beauxbatons und ihre Eltern Probleme mit Muggeleltern hatten und Kinder, die aus Muggelfamilien stammten, mit gewissen Vorurteilen behandelten. Zumindest reichte diese Antwort Edmond Danton aus. Er hakte nicht nach, welche Wissenschaften Julius' Vater genau betrieb oder wie und was seine Mutter genau arbeitete.

"Spielen Sie auch Quidditch?" Fragte Edmond.

"Nicht wirklich. Ich bin froh, wenn ich mich auf einem Besen halten kann, ohne runterzufallen", erwiderte der Hogwarts-Schüler in seiner Art, zu untertreiben. Jeanne räusperte sich.

"Monsieur Andrews pflegt die englische Untugend der taktischen Untertreibung ohne Notwendigkeit. Dabei weiß er genau, daß gerade an diesem Tisch drei Leute sitzen, die es besser wissen. Lass dich also nicht beirren, Edmond. Julius kann sehr gut fliegen und beherrscht auch einfallsreiche Spieltechniken."

"Hmm, Sie werden Ihre Gründe dafür haben, nicht mit Ihren Fähigkeiten anzugeben, Monsieur Andrews. Aber daß Sie Schach spielen können und offenbar auch kultivierte Tänze beherrschen, wurde unserer Öffentlichkeit bereits mitgeteilt, wie Sie vielleicht wissen", sagte Edmond Danton.

Jeanne und Claire grinsten belustigt. Julius nickte widerwillig.

"Dann schätze ich Sie richtig ein, daß Sie einer Einladung zum Millemerveilles-Schachturnier entsprechen möchten?"

"Ich wurde im letzten Sommer dazu eingeladen, da ich zu diesem Zeitpunkt Gast in Millemerveilles war und herauskam, daß ich dieses Spiel kann. Sonst hätte ich wohl nicht daran teilgenommen."

"Immerhin kamen Sie auf den zweiten Platz", erwiderte Edmond.

"Glauben Sie alles, was in der Zeitung steht?" Fragte Julius Andrews leicht vorlaut.

"Hatte er nicht nötig", erwiderte Virginie Delamontagne, die drei Plätze rechts von Julius saß und bis dahin mit einer Klassenkameradin gesprochen hatte. Julius sah das ein und bestätigte, daß er den zweiten Platz erreicht hatte. Dann fragte er Edmond, ob dieser auch schach spiele. Der Sprecher des grünen Saales von Beauxbatons nickte und führte aus:

"Bis auf wenige Ausnahmen spielen hier an diesem Tisch alle Schach. Außerdem beherrschen hier alle mindestens ein Musikinstrument, und wir haben alle Positionen unserer Quidditchmannschaft doppelt besetzt, bis auf den Hüter. Da haben wir keinen, der an das Talent von Mademoiselle Lumière heranreichen konnte."

"Aja! Ich hörte davon, daß es hier Freizeitangebote gibt, zu denen auch Schach und Zaubermalerei gehören. Gibt es auch Projekte, die sich mit Pflanzen und Tieren beschäftigen?"

"Wir haben fast für jedes Schulfach drei Arbeitsgruppen, von Verwandlung einmal abgesehen, da es Schülern verboten ist, sich gegenseitig zu verwandeln, solange sie nicht als Saalsprecher eingesetzt wurden. Sonst ist aber alles vertreten, von den Projekten in Zaubereigeschichte, über verschiedene Kräuterkundegruppen, Einzelstudien magischer Geschöpfe bis zu Thaumaturgischen Handwerksgruppen. Dazu gibt es noch Theater- und Musikangebote, Zaubermalerei und Besenkunstflug. Vielleicht kennen Sie Angelique Liberté?"

"Ich habe von ihr gelesen. Aber persönlich kenne ich sie nicht. Würde mich auch nicht sonderlich interessieren. Ballett besaß bislang für mich keinen Reiz", erwiderte Julius.

"Immerhin war sie hier in Beauxbatons eine der besten Besenkunstfliegerinnen", erwiderte Edmond mit einem nicht ganz sachlichen Unterton, der Bewunderung, vielleicht sogar Verehrung verhieß.

Der Hogwarts-Schüler genoß die Fisch- und Fleischgänge, verzichtete jedoch auf die Schnecken, die zwar in einer wohlriechenden Soße eingelegt waren, ihn aber nicht besonders einluden. Dem Käsegang, bei dem zwanzig verschiedene Sorten gereicht wurden, sprach er dagegen mehr zu und nahm sich zum Nachtisch Obstsalat. Danach fühlte er sich pappsatt und lehnte sich zurück, darauf hoffend, daß er bald aufstehen und sich für die Weiterreise bereitmachen konnte.

Madame Maxime wartete, bis alle Schüler sich sattgegessen hatten, dann klatschte sie dreimal in ihre übergroßen Hände, daß es wie Gewehrschüsse klang. Sofort verstummte jede Unterhaltung, und sämtliches Geschirr und Besteck verschwand von den Tischen.

"Messieursdames Kollegen und Messieurs und Mesdemoiselles Schüler!

Da wir nun alle genug gegessen und getrunken haben, ist es Zeit für die feierliche Würdigung Ihrer diesjährigen Leistungen an unserer altehrwürdigen Akademie.

Professeur Faucon, die während meiner Abwesenheit mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit die Geschicke in Beauxbatons gelenkt hat, teilte mir die Ergebnisse der Haus- und Einzelwertungen mit. Ich darf Sie bitten, sich zur feierlichen Verkündung der Endergebnisse von Ihren Plätzen zu erheben!"

Unverzüglich standen alle Schüler auf, auch Julius Andrews, der nun merkte, wie klein er im Verhältnis zu Edmond Danton war, der wohl einen Meter und neunzig groß sein mochte.

Madame Maxime las die Namen und Punkte der zehn besten Schülerinnen und Schüler vor und würdigte Fleur Delacour für ihre Turnierteilnahme mit 200 Punkten, wobei Seraphine, die Freundin von Jeanne und Quidditchkameradin in Millemerveilles, die am weißen Tisch saß, mit 225 Punkten die Jahresbestwertung erhielt. Alle Schüler klatschten, während die Schüler um den Weißen Tisch jubelten und Seraphine beglückwünschten. Julius sah, wie die Junghexe, die er letztes Jahr in Millemerveilles kennengelernt hatte, mit den Kerzen in den mächtigen Kronleuchtern um die Wette strahlte. Danach gab Madame Maxime noch einen Kommentar zu den fünf schlechtesten Schülern, gemäß der irgendwie erstellten Bewertungsregeln ab, von denen Jacques Lumière, der am blauen Tisch mit zwei Klassenkameraden zusammenhing, mit gerade zehn Punkten auf dem vorletzten Platz vor einem Kameraden seines Tisches stand, der mit fünf Punkten das Schlußlicht bildete.

"Die beiden Messieurs mögen vielleicht die Auffassung hegen, daß es eine Ehre sei, zu den schlechtesten Schülern dieser Akademie zu gehören, da ja auch diese verkündet werden", begann Madame Maxime, als Jacques und sein Freund oder Klassenkamerad sich beglückwünschten, "sollten sich jedoch tunlichst vergewissern, daß wir hier nicht dazu dasind, um undisziplinierte und verantwortungslose Junghexen und Zauberer durchzufüttern und ihnen eine gewisse Kurzweil zu bieten. Sie sollten wissen, daß jeder, der die Grenze von zwanzig Punkten unterschritten hat, alle Rechte auf eigene Freizeitgestaltung im nächsten Schuljahr verspielt hat. Offenkundig müssen Sie daran erinnert werden, warum Sie hier bei uns sind. Schöpfen Sie also genug Energie, um sich den an Sie gestellten Aufgaben im nächsten Schuljahr zu stellen, wenn Sie nicht möchten, daß wir verfügen, Ihre Ausbildung an dieser Lehranstalt für beendet zu erklären. Ein Lotterleben können Sie woanders führen, aber nicht hier. Ihnen wird mitgeteilt werden, in welchem Maß Sie für Ihre Nachlässigkeiten und Regelverstöße belangt werden. Glauben Sie nur nicht, dem ausweichen zu können. Dann wäre Ihre Ausbildung hier sofort beendet! Sie sind hiermit gewarnt."

Dann rief Sie die besten zehn Schüler und Schülerinnen an den Lehrertisch und überreichte ihnen je nach erreichter Stufe kleine Medaillen, dem zehnten eine aus Bernstein, Fleur eine aus Silber und Seraphine eine große aus Gold. Auf allen Medaillen prangten stilisierte Zahlen und das Wappen von Beauxbatons.

Die geehrten Schüler durften am Lehrertisch platznehmen, während Madame Maxime die Saalwertungen verlas.

"Der azurblaue Saal erreicht in diesem Jahr eine Gesamtbewertung von 101 Punkten", verkündete Madame Maxime leicht verärgert. Julius verstand, weshalb die Schüler am blauen Tisch als Chaoten bezeichnet wurden, denn sie grinsten nur. Offenbar lag ihnen nichts an hohen Auszeichnungen, wenn diese nur durch klaglosen Gehorsam und Fleiß zu erlangen waren.

"Der rote Saal kann dieses Jahr 200 Punkte in der Gesamtwertung veranschlagen. Ich weise die Messieurs und Mesdemoiselles aus diesem Saal noch mal darauf hin, daß all Ihre schulischen Leistungen vertan sind, wenn Sie nicht lernen, Ihre Emotionen zu kontrollieren", maßregelte Madame Maxime die Schüler am roten Tisch.

"Die Bewohner des gelben Saales dürfen sich darüber freuen, daß sie mit 300 Punkten den vierten Rang erreicht und damit erhebliche Verbesserungen im Vergleich zum letzten Jahr erlangt haben.

Auf dem dritten Rang schafften es dieses Jahr die Bewohner des weißen Saales mit 450 Gemeinschaftspunkten."

Alle Schüler, die am blauen Tisch ausgenommen, spendeten Beifall für die Schüler des weißen Saales.

"Die höchsten Ränge waren dieses Jahr nicht so klar auseinanderzuhalten, wie im Jahr davor. Dies mag daran liegen, daß einige Schüler der beiden ersten Säle dem trimagischen Turnier beigewohnt haben und daher nicht direkt mit ihren Kameraden zusammen an der Erringung von wichtigen Punkten arbeiten konnten. Die Entscheidung wurde dadurch erschwert, daß Mademoiselle Delacour als Turnierteilnehmerin nachträglich Punkte in die Gemeinschaftswertung einbringen konnte. Dennoch ist es nun so, daß der violette Saal 520 Punkte errang, jedoch fünf Punkte weniger als der grüne Saal."

Madame Maxime gönnte es ihren Schülern, ausgiebig zu klatschen und zu jubeln. Vor allem am grünen Tisch wurde überschwenglich geklatscht und gejubelt. Julius klatschte mit, hielt sich jedoch mit Jubel zurück, weil ihm das Bewertungssystem nicht bekannt war und er daher nicht wußte, wodurch diese Rangliste zu Stande kam.

"Insbesondere das Konzert der Holzbläsergruppe des grünen Saales, sowie die Auszeichnung Mademoiselle Claire Dusoleils für einen phantasievollen und präzise an Tages- und Jahresverlauf angepaßten Zauberkalender in Gemäldeform, legte großes Gewicht in die Waagschale des Erfolges für die Bewohner des grünen Saales. Meine Hochachtung!" Beschloß Madame Maxime die Verkündung der Bewertungspunkte. Dann bat sie die Saalsprecher und -sprecherinnen der vier besten Säle an den Lehrertisch. Barbara nickte Virginie Delamontagne zu.

Virginie ging um den Tisch herum zu Barbara. Diese sagte etwas zu ihr, schüttelte den Kopf und deutete auf den Lehrertisch, wo alle Lehrer bereitstanden. Virginie nickte und ging mit Edmond Danton an den Lehrertisch. Julius wunderte sich und fragte Claire:

"Wieso ist Barbara nicht gegangen?"

"Weil sie bei euch war. Virginie ist ihre Stellvertreterin. Wahrscheinlich wollte Barbara, daß Virginie dann auch die Ehrung entgegennimmt.

"Mademoiselle Claire Dusoleil, bitte kommen Sie auch an den Lehrertisch!" Befahl Madame Maxime. Claire nickte, strahlte Julius kurz an und ging dann hinter Virginie her.

"Sie hat mir geschrieben, daß sie für das Bild gelobt wurde. Aber daß sie so viele Punkte geholt hat, wußte ich nicht", sagte Julius leicht errötend.

"Wieso beschämt dich das?" Fragte Jeanne. Dann grinste sie.

"Natürlich! Du weißt ja, wer das Bild bekommen hat."

"Kann sein, daß ich den vor einer Stunde noch im Badezimmer gesehen habe", sagte der Hogwarts-Schüler nur.

Madame Maxime deutete auf vier Lehrer, von denen Julius zwei erkannte: Professeur Trifolio und Professeur Faucon. Dann sah er noch einen Lehrer, der kurzes schwarzgraues Haar besaß und etwa einen Meter fünfzig groß war. Er besaß dunkelgrüne Augen in einem bleichen Gesicht und trug einen mitternachtsblauen Umhang mit silbernen Halbmondverzierungen an Ärmelsäumen und Kragen. Neben ihm war noch ein Lehrer mit schwarzem Haar und Vollbart von Madame Maxime aufgefordert worden, vorzutreten. Er trug einen kirschroten Samtumhang.

Julius sah, wie Madame Maxime jedem der vier Lehrer eine Medaille und eine Pergamenturkunde überreichte, bei Seite trat und es den Lehrern und Lehrerinnen überließ, die Auszeichnungen an die Sprecherinnen und Sprecher der vier besten Säle zu verteilen. Er fand dabei heraus, daß Professeur Faucon wohl für den grünen Saal zuständig war, da sie Virginie und Edmond die untertassengroßen Goldmedaillen mit den gekreuzten Zauberstäben in einem Doppelkreis umhängte. Professeur Trifolio hängte den Sprechern des weißen Saales die bronzene Medaille um, die so groß wie eine 1-Pfund-Note waren. Der Lehrer mit den schwarzgrauen Locken zeichnete die Sprecher des violetten Saales aus, zu denen, Julius wunderte sich nicht schlecht, auch Fleur Delacour gehörte. Die Viertbesten bekamen eine Medaille in der Größe einer Münze aus Kupfer umgehängt, und zwar von dem Zauberer im kirschroten Umhang.

"Ich berühre doch kein Geheimnis, wenn ich frage, was die beiden anderen Lehrer geben, die ich noch nicht mit Namen kennengelernt habe", wandte sich Julius an Jeanne.

"DerZauberer im blauen Umhang ist Professeur Paralax, unser Astronomielehrer und Betreuer des violetten Saales. Der Lehrer im kirschroten Umhang ist Professeur Claude Paximus, der alte Runen und Muggelkunde gibt. Er leitet auch die Schachgruppe von Beauxbatons", informierte Jeanne den Gast aus England. Dann sahen beide eine kugelrunde Lehrerin mit rotblondem Haar, daß bis auf den Rücken herabfiel und von mehreren Goldspangen zusammengehalten wurde. Sie trug einen mossgrünen Umhang und einen kleinen Hexenhut, ähnlich dem, den Mrs. Priestley getragen hatte, als sie mit Julius' Mutter nach Hogwarts gekommen war.

"Aha, Professeur Bellart überreicht den goldenen Zauberpinsel an Mademoiselle Claire Dusoleil", kommentierte Jeanne, was sich vorn abspielte. Claire bekam eine Kette aus bunten Perlen umgehängt, an der ein ovales Medaillon hing, auf dem der Hogwarts-Schüler gerade soeben einen langen Malpinsel erkennen konnte.

"Hoffentlich ist deine Schwester nicht gegen Gold allergisch. Jetzt hat sie einen goldenen Tanzschuh und einen goldenen Zauberpinsel. Wofür das alles, besser, für wen?" Fragte Julius leise. Jeanne zog ihn sanft zu sich heran und flüsterte:

"Wag dich, ihr einzureden, daß sie das alles nicht hätte tun dürfen. Maman würde dich für den Rest der Ferien in ein Insekt verwandeln, einen Schmetterling vielleicht, damit du ihre Blumen bestäuben kannst."

"Ich frage mich nur, wer oder was es wert ist, sich so reinzuhängen."

"Weil sie dafür was zurückbekommt, Monsieur Andrews."

Claire Dusoleil strahlte wie Seraphine, die immer noch am Lehrertisch stand. Dann durften die Schüler zu ihren Tischen zurückkehren und sich wieder hinsetzen.

"Hast du das Bild in Hogwarts gelassen, oder hast du es mitgebracht?" Fragte Claire Julius überglücklich.

"Ich habe es mitgebracht", sagte er verlegen.

Nach der Zeremonie trieben Madame Maxime und die Lehrer die Schüler in Viererreihen aus dem Saal. Der Gast aus Hogwarts holte seine Reisetasche aus dem Vorraum und folgte zusammen mit Jeanne und Claire Dusoleil, sowie Virginie Delamontagne, die immer noch die goldene Hausmedaille umhängen hatte, zum Portal.

"Jetzt bin ich ja mal gespannt", sagte er.

"Ach, das ist kein großer Akt. Beauxbatons hat vor siebenhundert Jahren angefangen, in die sechs wichtigsten Städte des französischsprachigen Raumes magische Verbindungswege zu schaffen. Ebenso gibt es einen nach Millemerveilles. Unsere magischen Hausdiener sammeln die gepackten Koffer, tragen sie zum Ausgang und warten, bis die Schüler abreisen. Den Gruppen, die abreisen, geben sie die Koffer. Dann reisen wir ab.

"Magische Verbindungswege. Wie Flohpulver, oder was?"

"Nein, anders. Komfortabler, sicherer und schneller", sagte Jeanne. "Du wirst sehen."

Madame Maxime befahl allen Schülern, um den großen Roten Kreis herum Aufstellung zu nehmen, den Julius bei der Ankunft gesehen hatte. Dann kommandierte sie:

"Die Schüler aus Paris zuerst! Bitte nehmen Sie ihr Gepäck und treten sie in den Kreis!"

Julius sah, wie eine große Gruppe Schüler und Schülerinnen, zu denen auch Belle Grandchapeau gehörte, in den roten Kreis trat, nachdem sie von Hauselfen in goldenen Geschirrtüchern ihre Koffer entgegengenommen hatten. Dann traten noch zwei Lehrer in den Kreis, die Professoren Paximus und Paralax.

Die Lehrer stellten die Schüler um sich herum auf, so daß sie in der Mitte standen. Dann hob der bärtige Professeur Paximus seinen zehn Zoll langen Rotbuchenzauberstab und streckte ihn senkrecht über seinen Kopf. Mit langsamen Bewegungen ließ er den Stab kreisen, während die anderen Lehrer um den Kreis herumgingen und sahen, ob auch nur ein Schüler mit einem Fuß außerhalb des roten Bereichs stand. Nach der Umrundung winkte Madame Maxime den Schülern im Kreis zum Abschied, und plötzlich stülpte sich eine glutrote Lichtkuppel, die von einem hellen Strahl aus Professeur Paximus' Zauberstab erschaffen wurde, über die Schüler und Lehrer im Kreis, berührte den Boden und leuchtete für eine Sekunde so hell, wie eine untergehende Sonne. Dann gab es einen dumpfen Knall, und Lichtkuppel und Schüler waren aus dem Kreis verschwunden.

"Wau!" Staunte Julius. Er wollte gerade sagen, daß das wohl sowas wie ein Materietransporter aus einem Zukunftsfilm war, doch Professeur Faucon, die mit den anderen Lehrern um den roten Kreis ging, kam in Hörweite und trat zu der kleinen Gruppe aus drei Mädchen und Julius Andrews.

"Derartige Magie ist in Hogwarts wohl nicht bekannt, wie?" Fragte sie. Julius nickte.

"Die Reise in einer magischen Sphäre ist etwas schneller als Flohpulver, aber bei weitem bequemer. Allerdings müssen zwischen den Abreise- und Ankunftsorten magische Verbindungen geschaffen werden."

"Löst einen dieses magische Licht auf?" Fragte Julius. Claire und Jeanne lächelten ihn amüsiert an.

"Sei doch nicht so neugierig. Du wirst es nicht vermeiden können, es am eigenen Leib zu erleben. Also ist es doch unnötig, alles vorher wissen zu wollen", sagte Jeanne grinsend.

Madame Maxime rief diejenigen auf, die nach Brüssel reisen sollten. Die Gruppe war wesentlich kleiner, fand der Hogwarts-Schüler. Gustav van Heldern trat zusammen mit einer Lehrerin, die ihm nicht vorgestellt worden war, in den Kreis. Die übrigen Lehrer verzichteten darauf, zu prüfen, ob jemand mit einem Fuß außerhalb stand, weil die Schüler alle Platz genug hatten, um weit vom Außenrand weg stehen zu können. Die Lehrerin hob ihren Zauberstab, ließ ihn dreimal über ihrem Kopf kreisen. Julius sah genau hin. Sie sprach eine Zauberformel. Doch er konnte sie nicht hören. Vielleicht war es auch nur ein Auslösewort und die Passwörter für das Ziel. Wieder baute sich für wenige Sekunden eine rotglühende Lichtkuppel über dem Kreis auf, erstrahlte sonnenhell, als sie den Boden berührte und löste sich und die unter ihr stehenden Personen mit einem dumpfen Knall auf.

So ging das vier weitere Male. Julius, der die Landkarte Frankreichs oberflächlich studiert hatte, erkannte, daß in jeder Himmelsrichtung eine Stadt angesteuert wurde: Nizza im Westen, Marseille im Süden, Straßburg im Osten und Calais im Norden.

"Die wohnen doch alle an verschiedenen Orten des Landes", bemerkte Julius, als bis auf Professeur Faucon und einer fünfzig Personen umfassenden Gruppe von Schülerinnen und Schülern keiner mehr da war, außer Madame Maxime und Professeur Fixus.

"Ja, aber in den Zielstädten warten ihre Eltern und bringen sie an die Heimatorte. Bekanntermaßen habt ihr in Hogwarts doch nur einen Zielbahnhof: London", wandte Jeanne ein. Dann mußten alle verbliebenen in den Kreis treten. Professeur Faucon scharte die Schüler um sich herum, wobei sie Julius zu sich heranwinkte.

"Unser Gast aus Hogwarts ist mit dieser Form der Reise nicht vertraut. Daher ist es besser, wenn Sie in meiner Nähe bleiben, Monsieur Andrews!" Rief sie laut. Leise fügte sie Hinzu: "Und halten Sie ihre Reisetasche hoch! Wenn sie auf dem Boden steht verhindert sie die magische Reise."

Julius verstand. Der Diebstahlschutz seiner Reisetasche verhinderte jede magische Versetzung. Wenn er sie jedoch hochgehoben hielt, war sie zu transportieren und somit kein Störfaktor. Er sah auf die Weltzeituhr an seinem linken Handgelenk. Der rote Stundenzeiger lag bei der Neun, während der schwarze Stundenzeiger, der die Zeit am Heimatort, also England, zeigte, bei der Acht lag. Der silberne Sekundenzeiger rückte gerade Tick für Tack auf die Zwölf zu, wo der goldene große Zeiger gerade drauf ruhte. Schnell sah der Gast aus Hogwarts auf Professeur Faucon, die ihren Zauberstab hob, sich vergewisserte, daß alle Reisende nach Millemerveilles im Kreis standen und flüsterte mehrere Worte, während sie den Stab über ihrem Kopf dreimal rechts herum kreisen ließ. Julius zählte rückwärts:

"Drei - zwei - eins - null!"

Leise zischend schoß ein goldroter Lichtstrahl aus dem Zauberstab von Professeur Faucon. Julius sah, wie sich die Lichtkuppel über ihnen wölbte, wie ein rotglühender Himmel, den Rand des roten Kreises berührte und hell erstrahlte. Er vermeinte, den Hall wie in einem Keller zu hören, als er kurz mit dem Fuß auftrat. Dann spürte er sein Gewicht nicht mehr. Er hörte ein leises Grollen, wie von einem fernen Donner und fühlte sich völlig schwerelos, eingeschlossen in einer roten Lichtkugel. Er sah sich um und bemerkte, daß alle Schüler und Schülerinnen mit ihm fast in der Mitte der magischen Sphäre schwebten. Er fühlte keine Bewegung, keinen Fahrtwind. Professeur Faucon suchte seinen Blick und sagte mit ruhiger Stimme, die wie in einem Gewölbe von der Lichtkugel widerhallte:

"Wir sind gleich in Millemerveilles. Bleiben Sie ganz locker, Monsieur Andrews!"

Erwußte nicht, ob es Angst oder Aufregung war, die ihm das Blut wie heißes Wasser durch den Leib strömen ließ. Er fühlte sich so, wie in einer Achterbahn vor dem freien Fall oder im Inneren einer Raumstation, wo kein Gewicht auf ihn einwirkte. Er wollte gerade etwas fragen, als etwas unsichtbares mit Wucht auf seine Schultern drückte und ihn fast zu Boden warf. Die Lichtkugel hatte sich wieder in eine Kuppel verwandelt, die oben aufklaffte und um alle herum im Boden versank, bis sie verschwand.

Sie standen wieder in einem Kreis, in einem blauen. Julius sah nach der Uhrzeit und staunte. Der ganze Vorgang hatte nur vier Sekunden gedauert. Außer der Ankunft, bei der ihn die Erdanziehung wieder eingefangen hatte, war die Reise völlig ohne Ruckeln und schlingern verlaufen.

Julius sah sich um. Außerhalb des Kreises standen drei Meter hohe Büsche mit tellergroßen glatten Blättern. Er erkannte diese Zierpflanzenart.

"Die eurasische Schirmblatthecke", flüsterte er unwillkürlich. Jeanne lächelte und erwiderte:

"Die Reise ist dir offenbar gut bekommen, denn dein herbologisches Gedächtnis ist noch intakt."

Die großen Schirmblätter wichen zur Seite und ließen sechzig Hexen und Zauberer in den Kreis eintreten. Er sah sofort Madame Delamontagne und ihren Ehemann. Madame Delamontagne trug ihren purpurfarbenen Seidenumhang und hatte ihr strohblondes Haar wie üblich zu einem langen Zopf gebunden. Ihr stattlicher Körper verdeckte eine kleine zierliche Hexe, die jetzt erst in Sicht kam. Sie trug einen violetten Umhang und besaß rotes Lockenhaar. Dann sah er noch eine Hexe in einem meergrünen fließenden Umhang. Sie besaß eine braungetönte Haut, dunkelbraune Augen und schwarzes Haar, daß ihr offen aber glatt und geschmeidig über die Schultern wehte. Neben ihr stand ein Zauberer mit heller Haut, schwarzem Haar und graublauen Augen in einem türkisfarbenen Umhang, der gerade so lang herabfiel, daß er die Oberschenkel bedeckte. Daneben stand eine Hexe in einem wolkengrauen Kleid, die dem Zauberer im türkisfarbenen Umhang ähnelte, so daß kein Zweifel bestand, daß sie seine Schwester war. An der Hand der Hexe im grauen Kleid trippelte ein Mädchen von wohl sechs Jahren, das ebenfalls eine braungetönte Haut, schwarzes Haar und dunkelbraune Augen besaß und in einen bunten Umhang gekleidet war.

"Willkommen in Millemerveilles, Messieursdemoiselles", sagte Professeur Faucon. Ihre Stimme hallte nun nicht mehr von einer Innenwand wider, sondern verflog in freier Natur. Die Schüler nahmen ihre Gepäckstücke auf und traten ruhig aus dem Kreis. Jeder wurde von einem Paar Erwachsener begrüßt. Er sah Barbaras Mutter, die in einen blütenweißen Seidenumhang gehüllt war und zwei Tragetücher aus rosaroter Baumwolle über ihren Schultern trug. In jedes Tuch war ein winziges Bündel Mensch gewickelt. Die großen Köpfe mit den roten Pausbacken und den blauen Augen, dem flaumartigen braunen Haaren und den Stubsnasen ruhten sicher an den Schultern der Hexe, die ihre Tochter anstrahlte und dann ihren jüngeren Sohn mit ihrem Blick zu sich bestellte.

Professeur Faucon hielt Julius sanft an der Schulter fest, als Jeanne, Claire und Virginie zu ihren Eltern und Verwandten hinübergingen.

"Ich übergebe dich gleich an Camille und ihre Familie. Vorher möchte ich dir nur noch einen kleinen Notizzettel mitgeben", sagte Professeur Faucon und förderte ein kleines Stück Pergament aus ihrem mauvefarbenen Umhang.

Julius steckte den Zettel zu sich und wartete, bis alle Schüler mit ihren Eltern und Verwandten zusammengekommen waren.

"Blanche, warum hältst du den Jungen fest? Hat er dir was getan?" Flötete Madame Dusoleil, eben jene Hexe im meergrünen Umhang und kam strahlend auf Julius zu, während Jeanne und Claire ihren Vater und ihre Schwester Denise begrüßten.

"Ich wollte nicht, daß Monsieur Andrews sich einfach davonstiehlt, ohne zu warten. Immerhin ist er ja nicht hier, nur weil du ihn unbedingt wiederhaben wolltest. Das muß schon offiziell gehen", erwiderte die Beauxbatons-Lehrerin, jetzt wieder so vertraut sprechend, wie zur Teestunde, die sie mit Julius in ihrem Sprechzimmer abgehalten hatte.

"In Ordnung, Blanche! Dann machen wir es eben offiziell", erklärte sich Madame Dusoleil einverstanden.

"Monsieur Andrews", begann Professeur Faucon, "gemäß der getroffenen Übereinkunft zwischen den Abteilungen für internationale magische Zusammenarbeit in Großbritannien und Frankreich, sowie den Abteilungen für magische Ausbildung und Studien in Großbritannien und Frankreich, nach erteilter Genehmigung durch Ihre derzeitige Fürsorgebeauftragte June Priestley von der Abteilung für magische Ausbildung und Studien in Großbritannien, ausgehandelt am 27. Juni 1995, überstelle ich Sie hiermit in die Obhut der Eheleute Camille und Florymont Dusoleil zu Millemerveilles. Ich habe die Genehmigung, Ihnen erholsame Ferien und eine ruhige Zeit in diesem unseren beschaulichen Dorf zu wünschen, sofern Sie der von mir anempfohlenen Ausbildung im Bereich der Protektion gegen destruktive Formen der Magie nachkommen."

Diesen Teil hatte die Lehrerin wie ein Automat ohne Punkt und Komma heruntergebetet. Dann sagte sie:

"So, und jetzt darfst du gehen. Ich erwarte dich zusammen mit den älteren Demoisellen Dusoleil übermorgen, am dritten Juli pünktlich um neun Uhr morgens in meinem Haus. Jede Verzögerung oder unentschuldbare Abwesenheit gilt als Akt offenen Ungehorsams. Also gib mir keinen Grund, dich zu bestrafen!"

Julius versicherte, daß er bestimmt nichts tun würde, was ihm den Zorn der Beauxbatons-Hexe eintragen würde und durfte dann mit seinem Gepäck zu den Dusoleils.

Monsieur Dusoleil kam zu Julius, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und begrüßte ihn.

"Dein Koffer kann so getragen werden?" Fragte er. Julius nickte. Mit dem Zauberstab berührte Monsieur Dusoleil den schweren Hogwarts-Koffer und ließ diesen in die Luft steigen, aus dem Kreis und aus dem Ring der Schirmblatthecken schweben, wo er neben denen von Jeanne und Claire landete.

"Vergiß bitte nicht, daß du hier in Millemerveilles nur dann zaubern darfst, wenn ich oder ein magischer Beamter dies ausdrücklich befehlen!" Gab Professeur Faucon Julius noch mit auf den Weg.

"Hast du deinen Besen mit?" Fragte Madame Dusoleil.

"Neh, den habe ich in Hogwarts gelassen. Den brauche ich hier doch nicht", gab Julius gehässig zurück.

"Na, mich darfst du auch nicht ärgern, Monsieur Julius. Ich bin die, die dir in den nächsten sechs Wochen zu essen gibt, dein Bett und deine Wäsche macht und dir interessante neue Pflanzen zeigen wird. Dies nur, damit du nicht meinst, mir immer frech kommen zu dürfen. Dafür habe ich Denise."

"Angekommen!" Erwiderte Julius leicht eingeschüchtert. Ein Lächeln der Hexe im grünen Umhang beruhigte ihn wieder. Er sagte:

"Was soll mein Besen in Hogwarts, wo ich ihn nicht fliegen kann?"

"Wollte doch sagen. Jeanne hat dich schon eingeplant, hat sie mir geschrieben. Ihr habt ja in Hogwarts nur Flugübungen machen können. Deshalb wirst du hier wieder in Form kommen."

"Huhu, Camille! Du wirst doch nicht mit dem jungen Herrn davonmarschieren, ohne das er die begrüßt, die er zu Ostern das letzte Mal gesehen hat", meldete sich eine fröhliche Frauenstimme. Julius sah Madame Lumière, die mit ihren beiden neugeborenen Kindern auf dem Rücken heranschritt.

"Ach, guten Abend, Madame Lumière! Herzlichen Glückwunsch zu Ihren beiden Töchtern!" Wünschte Julius und strahlte die beiden schlafenden Babys an.

"Aha, dann hat Barbara meinen Gruß weitergegeben. Freut mich! Du hast wohl gedacht, mich erst viel später wiederzusehen", sagte Barbaras Mutter.

"Ich wußte nicht, wann ich wieder herkommen würde", sagte der Hogwarts-Schüler halblaut.

"Am 28. Juli findet der Sommerball statt. Ich habe dich bereits angemeldet. Immerhin hast du den goldenen Tanzschuh gewonnen. Das verlangt nach einer neuen Teilnahme", sagte Madame Lumière leise.

"Das hat Ihre Tochter auch erzählt", erwiderte Julius lächelnd. Dann begrüßte er noch die Delamontagnes. Bei Madame Delamontagne tat er so, als sei ihm gerade etwas siedendheiß eingefallen.

"O, ich fürchte, ich habe mein Zauberschachspiel vergessen. Peinlich!"

"Hast du nicht. Ich weiß es, daß du nicht herkommen konntest, ohne es mitzubringen, junger Mann! Wir treffen uns zu einem Testspiel am fünften Juli bei mir. Virginie wird ja mit dir Unterricht bei Blanche nehmen."

Julius wunderte sich. Alles lief so ab, als sei nichts passiert. Alles war so, als sei der dunkle Lord nicht zurückgekehrt, als sei Cedric Diggory nicht gestorben. Aber er wagte nicht, sich laut darüber zu wundern. Er war nun sechs Wochen hier. Das reichte aus, alle Fragen zu stellen oder zu beantworten.

Außerhalb der Schutzhecke sah Julius den Teich der Dorfmitte von Millemerveilles, um den herum Bronzestatuen magischer Tiere Standen, die als Windrose und Sonnenuhr gleichermaßen dienten. Julius, der hier schon oft genug gewesen war, erkannte, daß sie aus östlicher Richtung die Dorfmitte betraten. Ein bronzenes Drachenstandbild zeigte mit dem geöffneten Maul nach Süden, genau auf ein Gasthaus, dem Chapeau du Magicien.

"Wir floh-Pulvern zu uns nach Hause", sagte Madame Dusoleil und nahm Julius bei der Hand.

Sie stellten sich ans hintere Ende einer Schlange von Schülern und ihrer Familienangehöriger, die sich auf zwei brennende Kamine zubewegte. Andauernd schlug eine smaragdgrüne Flammenwand in den Kaminen hoch und trug brausend Hexen und Zauberer aus dem Gastraum.

"Magische Reise, dritter Teil", sagte Julius halblaut, als er mit den Dusoleils an den rechten der beiden Kamine herantrat. Noch vier Leute waren vor ihnen. Dann waren es nur noch drei, noch zwei, noch einer.

Monsieur Dusoleil ging zuerst ins smaragdgrüne Feuer, das er mit einer Prise Flohpulver gezündet hatte.

"Jardin Ddu Soleil!" Rief er und verschwand unter lautem Brausen. Dann ging Mademoiselle Uranie Dusoleil und verschwand ebenfalls, als sie den Zielkamin ausgerufen hatte. Danach folgten Jeanne und Denise, dann Claire.

Julius nahm seinen Koffer, der noch vor dem Kamin wartete und trat in die grünen Flammen, die sich wie eine warme Brise anfühlten. Er stellte den Koffer aufrecht und rief schnell:

"Jardin du Soleil!"

Er schloß schnell die Augen, bevor ein mächtiger Wirbel ihn erfaßte und davonriß, hinaus aus dem Gastraum.

Nach einigen Sekunden des Herumgewirbeltwerdens schlug er mit den Füßen auf einen harten Kaminrost auf und fing sich schnell ab, bevor er herausfallen konnte. Dann warf er den Koffer heraus, sprang behände aus dem Kamin und stellte sich im Wohnzimmer der Dusoleils, das er erst in den Osterferien gesehen hatte, neben die bereits eingetroffenen Familienmitglieder.

Unter dem Rauschen wie von einem nahebei vorüberrasenden Schnellzug erschien Madame Dusoleil im Kamin, prüfte nach, ob alle auch wirklich angekommen waren und sprang heraus.

"So, da wären wir alle!" Sagte sie. "Ich bringe unseren Gast nach oben und helfe ihm beim auspacken, Florymont. Falls er müde ist, kann er gleich ins Bett."

"Du wirst doch nicht gleich schlafen wollen, Julius", wandte sich Claire an den Hogwarts-Schüler. Dieser schüttelte ruhig den Kopf.

"Auf meiner inneren Uhr ist es erst halb neun, Claire. Außerdem bin ich noch viel zu aufgedreht."

"Dann komm mit!" Sagte Madame Dusoleil.

Das Waldlandschaftszimmer im ersten Stock kannte er noch von den Osterferien her. Er sah zu den beiden geöffneten Fenstern hinaus in die klare südfranzösische Sommernacht. Am westlichen Horizont glomm noch ein wenig Dämmerlicht. Doch die ersten Sterne waren schon zu sehen.

Madame Dusoleil entzündete die große magische Lampe im Zimmer und half Julius, seine Kleidung in den gut hinter der mit beweglichen Bildern verzierten Tapete verborgenen Schrank zu räumen, aus dem heraus es nach Lavendel und Zitronenmelisse roch.

"Aha, du hast dich ja richtig umfangreich eingekleidet. Wollte die Dame das, bei der du in den Ferien gewohnt hast?"

"Teils teils! Ich wollte nur nicht in einer Zauberersiedlung wie der hinterletzte Muggel herumlaufen", erwiderte Julius. "Außerdem war mir da schon klar, daß ich wohl häufiger in einer Zauberersiedlung wohnen würde, als im London der Muggel. Ich schätze sogar, daß meine Mutter schon keine passenden Hosen und Pullover mehr für mich hat."

"Taschengeld hast du auch mit?" Fragte Madame Dusoleil mit warmer Stimme.

"Hmm, es müßten noch um die vierzehn Galleonen sein, die ich mithabe."

"Kommst du damit aus?" Fragte Madame Dusoleil.

"Hmm, kann ich hier was abholen?"

"Das ist kein Problem. Du stellst eine Überweisung aus, zeigst den Kobolden deinen Verliesschlüssel, und die lassen dich dann soviele Galleonen mitnehmen, wie du in deinem Verlies aufbewahrst, wenn du das möchtest. Bei uns dürfen die zwölfjährigen Zauberer schon solche Geldgeschäfte machen", erwiderte Madame Dusoleil.

Julius hängte den von Claire gemalten Wandkalender so auf, daß er ihn beim Aufstehen würde ansehen können. Er sagte zu Madame Dusoleil:

"Ich wußte nicht, daß Claire für dieses Bild den goldenen Zauberpinsel von Beauxbatons kriegen würde. Ich hoffe nur, daß ich mich dafür erkenntlich zeigen kann."

"Ich gehe davon aus, daß du das wirst", erwiderte Madame Dusoleil freundlich lächelnd. Dann fragte sie, ob er sich schon hinlegen wolle oder nicht. er erwiderte, daß er sich nur umkleiden und dann noch mal herunterkommen wolle.

Madame Dusoleil nickte und ließ ihn allein.

Im Badezimmer des Gästeflurs wusch und kämmte sich Julius Andrews noch mal und zog einen der zwei mitternachtsblauen Umhänge an, die er in den Osterferien in der Winkelgasse gekauft hatte. Dann ging er hinunter ins Wohnzimmer, wo die Familie komplett um den Kamin saß und sich über das letzte Schuljahr unterhielt. Julius setzte sich neben Jeanne, Claire Dusoleil gegenüber.

Den Abend lang unterhielten sie sich über alles, was im letzten Schuljahr gelaufen war, nur nicht über die dritte Turnierrunde. Zumindest nicht solange, wie die kleine Denise noch dabei war. Erst als diese ins Bett gebracht worden war, so um halb zehn herum, sollten Jeanne und Julius berichten, wie sie die dritte Runde erlebt hatten.

Julius fiel es schwer, die von ihm beobachteten Einzelheiten zu erzählen, ohne daß die düstere Stimmung dieses Abends ihn zu übermannen schaffte. Jeanne übernahm den Bericht von dem Moment an, wo Cedric gefunden worden war. Sie erzählte auch von Dumbledores Rede am Morgen danach und von seiner Abschiedsrede.

"Blanche und Catherine haben uns geschrieben, daß er wieder da ist", ergriff Florymont Dusoleil das Wort, als sie nach Jeannes Bericht eine Minute lang schweigend dagesessen hatten.

"Die Gefahr bestand ja schon seit über dreizehn Jahren, weil er ja nicht richtig gestorben war", sagte er noch.

"Deshalb wundert es mich, daß Sie mich überhaupt noch bei sich aufnehmen wollten", wagte Julius, sein Erstaunen zu äußern.

"Du meinst, weil Muggelstämmige auf seiner Todesliste stehen?" Erwiderte Madame Dusoleil direkt heraus.

"Ja, natürlich. Ich hörte, daß dieser schwarze Magier einen wahnsinnigen Haß auf Muggel und Muggelabkömmlinge hätte. Ich erfuhr, daß er angeblich selbst einen nichtmagischen Elternteil gehabt haben soll. Möglicherweise kommt dieser Wahnsinn daher."

"Aha! Damit hast du dir gerade die Frage selbst beantwortet, wieso wir zusammen mit Blanche und Catherine beschlossen haben, dich gerade deswegen zu uns zu holen", erwiderte Monsieur Dusoleil überzeugt. Der Gast der Dusoleils stutzte.

"Wieso? Damit bringen Sie sich doch selbst in Gefahr!" Widersprach Julius.

"In dieser Gefahr leben wir schon seit über zwanzig Jahren, Julius. Seitdem der Unnennbare die Macht ergriffen hat, lebt jeder anständige und aufrechte Zauberer und jede zivilisierte Hexe mit der Bedrohung, von ihm aus Lust und Laune heraus ermordet zu werden. Außerdem ist Millemerveilles gegen böse Kräfte abgeschirmt, was Blanche dir sicherlich erzählt hat", wandte Madame Dusoleil beruhigend ein.

"Ich hörte mal den Spruch, daß selbst die sicherste Festung einen Brunnen für Trinkwasser und einen Kanal für Abwasser haben muß. Das erstere kann man abgraben, durch das zweite kann man eindringen, um die Festung zu erobern."

"Nicht hier. Hier bist du wirklich an einem Ort, der so sicher ist, wie Beauxbatons oder Hogwarts. Hier hat einmal eine schwarze Hexe residiert, die genau wußte, wie sie ihresgleichen daran hindern konnte, sich hier einzunisten, wenn sie nicht unter ihrer Herrschaft stehen wollten. Dieser Schutz wurde nach dem Tod dieser Hexe noch ausgefeilt."

"Aber wieso soll ich meine Frage von eben schon beantwortet haben?" Fragte Julius, ohne auf diese beruhigende Erläuterung einzugehen. "Weil du sagtest, daß er dadurch, daß ein Elternteil ein Muggel war, in den Wahnsinn getrieben worden sei. Womöglich wußte er nicht, in welche Welt er gehörte. Vielleicht hat ihn der nichtmagische Elternteil sogar verstoßen, was ihn in eine kalte Umgebung geworfen hat. Kinder, die man aussetzt, hassen die, die das getan haben, egal, wie edel die Gründe dafür auch gewesen sein könnten.

Nun wissen wir alle hier, daß deine Eltern dich nicht so leben lassen wollten, wie es in deiner Natur liegt. Im Grunde hattest du nur die Wahl, zwischen verstoßen werden oder Selbstverleugnung. Du hast dich dafür entschieden, in der Welt der Zauberer den Rest deiner Kindheit zu verleben, damit du das lernst, wozu du veranlagt bist. Blanche hat es mir erzählt, bevor sie nach Beauxbatons aufbrach", sagte Madame Dusoleil.

"Ja und?" Fragte Julius.

"Deshalb bist du hier. Weil du nicht so enden sollst, wie der dunkle Lord, in einem grenzenlosen Vernichtungsdrang."

"Aber an und für sich kann es Ihnen doch egal sein. Ich gehöre doch nicht zu Ihrer Familie. Oder habe ich da im letzten Sommer etwas nicht mitbekommen?"

"Es ist richtig, daß du nicht in unsere Familie hineingeboren wurdest. Aber das heißt nicht, daß du uns egal bist. Dafür hast du dich zu gut in unsere Dorfgemeinschaft eingelebt, auch wenn du darauf gefaßt warst, daß viele dir deine Abstammung um die Ohren hauen würden. Blanche, Catherine und wir haben beschlossen, dich auf dem Weg weiterzuführen, auf den du mit uns gegangen bist. Dich jetzt einfach deinem Schicksal zu überlassen, nur weil dieser wahnsinnige Massenmörder wieder aufgetaucht ist und seine fixe Idee von einer reinblütigen Zaubererwelt mit Muggeln als Sklaven oder Spielzeug durchsetzen will, wäre nicht nur feige gewesen, sondern grundweg gegen jede moralische Verantwortung. Bei deinen Eltern wärest du nicht sicher gewesen, es sei denn, sie hätten zugelassen, daß jemand, der starke Abwehrzauber beherrscht, ihr Haus und die Umgebung geschützt hätte. Sie wären in Gefahr geraten, deinetwegen getötet zu werden. Du hättest auch sterben müssen, wenn du nicht nach Hogwarts zurückgekehrt wärst oder hättest dich ihm unterwerfen müssen, wenn er oder seine Handlanger erkannt hätten, was du bist. Wolltest du gerne sein Opfer werden, ohne dich vielleicht zu wehren?"

"Ich bin nicht lebensmüde. Ein Sklave unter dem Imperius-Fluch will ich auch nicht werden. Dafür habe ich zuviele gruselige Geschichten über böswillige Wesen von anderen Planeten gehört oder gelesen, die die Erdbevölkerung als niedere Wesen, Haustiere, Zeitvertreib oder gar Futter angesehen haben. Davon hatte ich genug Alpträume", erwiderte Julius schnell. Dann fragte er noch:

"Aber was ist nun mit meinen Eltern? Dieser Wahnsinnige hat bestimmt Verbündete, die unerkannt im Ministerium arbeiteten. Die könnten ihm auf die Nase gebunden haben, daß es da zwei Muggel gibt, die superstarke Zauberkinder hervorbringen könnten."

"Deshalb hat Catherine .. - ach nein, das weißt du noch nicht!" Sagte Camille Dusoleil, stand auf und kitzelte eine Kommode, die neben dem Geschirrschrank stand. Knarrend riß diese eine Tür wie ein auf der Seite liegendes Maul auf und ließ es sich gefallen, daß Madame Dusoleil mit der rechten Hand in sie hineingriff und einen Umschlag hervorholte. Dann tätschelte sie die Kommode, die ihre Tür wieder zuklappen ließ.

"Ua! War das mal ein lebendes Wesen?" Fragte Julius.

"Ja, eine Urgroßtante von mir, die nicht sterben wollte und sich deshalb selbst in diese Kommode verwandelt hat", erwiderte Jeanne mit einer Betonung, die Julius daran zweifeln ließ, daß sie das ernst gemeint hatte. Er dachte nur, daß er sich das vorstellen konnte. Aber er wollte nicht weiter darauf eingehen, denn Madame Dusoleil gab ihm den dicken Umschlag. Er holte vier Bögen Heraus, zwei aus Pergament und zwei aus richtigem Papier. Er stutzte. Dann entfaltete er zunächst die Papierbögen und las die vertraute Computerdruckschrift seiner Eltern:

An Madame Dusoleil, die meint, mir meinen Garten nach beliben zum Gefängnis zu machen!

Ich sehe ein, daß Sie stärker sind als ich. Ich kapituliere und werde diese vier Galleonen für diese Eule zahlen. Was ich jedoch über den Umgang mit meinem Sohn schrieb, bleibe ich dabei, daß Sie mit ihm machen können, was Sie wollen. Verderben Sie ihn ruhig, damit er gegen uns aufbegehrt.

Danke, daß Sie meine Frau vor Ihrer Hexenwut bewahrt haben, indem Sie diese Horrorhecke haben zusammenfallen lassen! Mehr Dankbarkeit werden Sie jedoch nicht von mir erwarten können.

Erwarten Sie auch keine freundlichen oder hochachtungsvollen Grüße

Dr. Richard Andrews

Julius nahm den zweiten Papierbogen und las:

Sehr geehrte Madame Dusoleil,

mit Hilfe einer Bekannten von mir schreibe ich Ihnen in Ihrer Muttersprache. Ich habe ihr gesagt, den Brief nach Fertigstellung einfach in den Briefkasten zu werfen, er würde dann schon richtig ankommen.

Ich wollte mich noch mal für das Betragen meines Mannes Ihnen gegenüber entschuldigen und Ihnen meinen mütterlichen Dank für das Wohlwollen aussprechen, mit dem Sie sich um unseren Sohn kümmern möchten. Selbstverständlich bin ich damit einverstanden, daß er in den Sommerferien wieder zu Ihnen kommt und dort ausreichend Erholung und Kurzweile beim Schach, Sport und vielleicht Tanz finden kann. Wir können ihm diese Annehmlichkeiten so nicht bieten, weil wir beide arbeiten müssen.

Im Moment sind wir bei einem Studienkollegen von mir, der uns zu sich und seiner Frau nach Paris eingeladen hat. Da Richard, mein Mann hier dienstlich zu tun hat, können wir einen längst fälligen Urlaub nutzen, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Catherine, meine Bekannte hier in Paris, hat ihre Tochter zu einer Großtante gebracht, die sich um sie kümmern wird, so daß wir hier Ruhe haben. Julius weiß dann, wo wir sind. Ich hoffe, Sie schreiben mir, wenn er wohlbehalten angekommen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Martha Andrews

Dann zog Julius das erste Pergamentstück heraus und las:

Hallo, Camille,

ich schicke dir mit diesem Brief einen Brief von der Studienkollegin meines Mannes Joe, die mit ihrem Mann gerade hier angekommen ist. Meine Mutter und ich haben beschlossen, daß wir sie hierherholen sollten, da unser Haus durch den Sanctuafugium-Zauber gegen den Angriff böser Magier geschützt ist. Ich denke, du hast gehört, daß der dunkle Lord wieder aufgetaucht ist. Maman und ich sind uns darin einig, daß er seine alten Kontakte im englischen Zaubereiministerium reaktivieren und erfahren könnte, daß ein Muggelstämmiger mit Ruster-Simonowsky-Befähigung existiert. Dieser Jungzauberer dürfte im psychopathischen Wahrnehmungsvermögen des Unnennbaren als verlockender Helfer oder tödlicher Gegner erscheinen, zudem seine Eltern jederzeit noch einen Abkömmling mit diesen starken Grundkräften hervorbringen könnten. Deshalb habe ich vorgeschlagen, daß Martha und Richard Andrews für mehrere Wochen bei mir und Joe leben.

Ich habe Babette zu meiner Tante gebracht, wo sie bis zur dritten Ferienwoche bleiben soll. Meine Tante hat auch einen Sanctuafugium-Schutz um ihr Haus errichten lassen, so daß Babette sicher dort untergebracht ist.

Da ich davon ausgehe, daß Julius bei Eintreffen dieses Schreibens schon unterwegs zu dir ist, bitte ich dich, ihm von mir erholsame und friedliche Ferienwochen zu wünschen und ihm meine Hochachtung für seine schulischen Leistungen zu übermitteln.

mit herzlichen Grüßen

Catherine Brickston

Julius nahm das zweite Pergament und las:

Hallo, Camille!

Schön das es geklappt hat, daß du Julius zu dir holen durftest. Ich gehe davon aus, daß er schon bei dir ist, wenn meine Nachricht ankommt.

Ich habe wohlwollend vernommen, daß er mir in Kräuterkunde nachfolgt und schon im zweiten Jahr die Bestnote erzielt hat. Außerdem las ich einen Brief von Madame Pomfrey, der Schulkrankenschwester zu Hogwarts, die mir mitteilte, daß Julius womöglich auch an magischer Heilkunde interessiert sei und wir vielleicht ergründen sollten, wieweit dieses Interesse reicht.

Du kannst Julius diesen Brief ruhig von mir geben, denn ich denke mal, daß ich wieder von mir hören lassen werde.

Unheimlich aber nicht zu leugnen, daß der dunkle Lord wieder da ist. Meine Tante June versicherte mir, daß der englische Zaubereiminister dies nicht wahrhaben will, ein Kollege aus einer anderen Abteilung jedoch gesicherte Erkenntnisse habe, die diese dunkle Tatsache unumstößlich belegen. Sie wird dich wohl noch persönlich anschreiben.

Ich lasse wieder von mir hören oder lesen und wünsche euch allen bis dahin schöne Ferien

Aurora Dawn

P.s. Versuche es einzurichten, daß die von mir hochgeschätzte Nachbarin von dir deinen jungen Gast nicht andauernd unter Lernzwang hält! Er hat sich seine Ferien verdient.

Der Hogwarts-Schüler wußte nicht, ob er lachen oder seufzen sollte. Aurora Dawn hatte gut Reden, wenn sie Madame Dusoleil anhielt, ihn nicht zu sehr in neuen Streß geraten zu lassen. Sie kannte Professeur Faucon nur von der Feier zu seinem zwölften Geburtstag und von seinem Vortrag zu der Magie der Sonne. Bei dieser Gelegenheit viel ihm etwas ein, das er gerne noch geklärt haben wollte, bevor er zu Bett ging.

"Mademoiselle Claire Dusoleil! Ihr Kräuterkundelehrer, Professeur Trifolio sprach mich heute Nachmittag an und lobte mich für meine Zusammenfassung des Buches über die Magie des Sonnenfeuers. Ich habe Ihnen nicht verboten, die Unterlagen weiterzugeben, aber war doch ein wenig verlegen, von einem mir unbekannten Zauberer dafür gelobt zu werden. Hätten Sie mich nicht besser darauf vorbereiten können?"

"Was soll denn das jetzt, Julius? Du hast nichts getan, wofür du dich schämen solltest. Ich habe einen Vortrag über bestimmte Einflüsse der Sonne auf Zauberkräuter gehalten. Das mußte ich, weil Professeur Trifolio jedem von uns einen solchen Eigenvortrag abverlangt hatte. Er ist ein absoluter Experte in Kräuterkunde. Er glaubt, daß wir alle, die wir einigermaßen gut bis sehr gut in seinem Unterricht sind seine Meinung haben müßten, nur für die Forschung zu leben. Da ich in meinem Vortrag Auszüge aus deinem Vortrag eingebaut habe und mich nicht mit fremden Federn schmücken wollte, habe ich ihm gesagt, woher ich die seiner Meinung nach gut erarbeiteten Erklärungen und Denkansätze habe und ihm die Kopie von deinem Vortragsplan gegeben. Ich hätte mir ja auch nur eine sehr gute Note verdienen können, wenn ich behauptet hätte, der Vortrag sei komplett von mir. Also beschwere dich nicht!" Rechtfertigte sich Claire und sah ihn sehr vorwurfsvoll an. Julius brachte das zum erröten. Jeanne lachte und sagte:

"Du armer Junge. Hat meine böse Schwester deine Ruhmestaten gepriesen, und du mußtest damit hadern, daß du dich für zu klein hältst, von einem Experten für magische Pflanzen dafür anerkannt zu werden."

"Absoluter Experte ist ein anderes, schönes und akademisch zulässiges Wort für Fachidiot, Julius. Ich habe mit dem Kollegen viele interessante Diskussionen geführt. Aber er kann nichts anderes als Kräuterkunde. Somit ist er zwar sehr kompetent für sein Fach, aber ein schlechter Gesellschafter", sprach Madame Dusoleil. Ihre Töchter erblaßten und erröteten dann, weil sie sich für ihre Mutter schämten. julius genoß diesen Anblick mit innerer Schadenfreude. Dann sagte er:

"Er hat mich sofort als Wissenschaftlerabkömmling erkannt, weil ich mir dummerweise den vollständigen Titel seines Artikels über unterirdische Zauberpflanzen und ihre Lichtscheu gemerkt habe. So verrät man sich irgendwann. Eine Tante von mir hat mal gesagt, daß man nicht alles loswird, was man in dem Schoß mitbekommen hat, aus dem heraus man geboren wird."

"Da mag was dran sein", grinste Madame Dusoleil. Claire verstand es zunächst nicht. Doch dann grinste sie auch.

"Jeanne hat mir auch erzählt, daß du mir den goldenen Pinsel nicht gönnst", revanchierte sich Claire für Julius' Vorhaltung. Dieser sah Claire an und erwiderte:

"Ich meinte nur, daß ich nicht weiß, warum du dir so eine Heidenarbeit gemacht hast. Mehr war das nicht."

"Achso, du rechnest immer auf und ab. Stimmt ja. Geb ich dir was, gibst du mir was. Krieg ich was von dir, mußt du dafür was von mir haben. Ich wollte das Bild malen. Es gefällt mir sehr gut. Ich wollte es nicht allein für mich behalten und habe gedacht, daß es dir gefällt. Dies tut es, und mehr ist darüber nicht zu sagen. Mir hat es Spaß gemacht, es zu malen, auch wenn es lange gedauert hat. Daß ich dafür einen Preis bekommen habe, ist für mich nebensächlich. Schön, aber nebensächlich."

"Das mußtest du wohl heute noch loswerden, wie?" Wandte sich Jeanne an Julius. Dieser wollte schon sagen, daß er doch gar nichts gesagt hätte, als Uranie Dusoleil vorschlug:

"Leute, der Tag war für euch lang. Er sollte nicht damit enden, einen völlig unnützen und noch dazu unsinnigen Streit anzufangen, wer wem wieviel wert ist. Es gibt Sachen, die man nicht mit Zahlen und Mengen vergleichen kann. Du kommst aus einer Familie, die alles aus Berechnung tut, Julius. Dafür kannst du nichts. Doch hier sind wir nicht so. Wir leben nicht für die Arbeit, sondern arbeiten, um zu leben. Nur, damit du nicht nachher auf die Idee kommst, Camille und Florymont vorzurechnen, wieviel Geld sie von dir kriegen, solange sie dich unter unserem Dach verpflegen."

Julius nickte zustimmend und vergrub sein Gesicht in den Händen. Doch die hochroten Ohren sprachen überdeutlich aus, daß er sich für seine Einstellung schämte. Doch konnte er sie ablegen, wie einen alten Hut? So ohne weiteres wohl nicht!

Um die unnötig angeheizte Stimmung wieder aufzulockern beschlossen die Dusoleils, den Abend mit Musik ausklingen zu lassen. Julius holte seine Blockflöte aus der Reisetasche und brachte auch seine Liederbücher in das Musikzimmer, wo ein kunstvoll gearbeitetes Spinett stand. Jeanne und Claire hatten ebenfalls Flöten herbeigeholt, während Monsieur Dusoleil ein Triangel und seine Schwester eine Schellentrommel spielten.

So klang der Abend doch noch harmonisch aus, und Julius vergaß Voldemort, die dunkle Bedrohung und die kalte Atmosphäre von Beauxbatons, die er an diesem Tag hatte schnuppern dürfen. Um elf Uhr mitteleuropäischer Zeit abends gingen sie alle Schlafen. Julius verbarg noch die Zauberlaterne für Claire und die dreißig Glasplättchen in seinem Schulkoffer unter den Schulumhängen und seinen Socken. Dann legte er sich in das große Bett mit dem blauen Baldachin, zog die dünne Decke hoch und fragte sich, ob er nicht besser einen Pyjama mit kurzen Ärmeln und Hosenbeinen hätte mitnehmen sollen. Dann fiel ihm noch etwas ein. Er holte aus dem im Schrank hängenden Hogwarts-Umhang den Zettel von Professeur Faucon. Der Mond schien hell genug, daß er lesen konnte:

Sehr geehrter Monsieur Andrews,

hier ein paar wichtige Verhaltensregeln, deren Einhaltung Ihnen sicherlich keine Last sein dürfte!

Mit Beginn der Sommerferien werden Sie morgens zwischen neun und zwölf Uhr zusammen mit den Schwestern Dusoleil, sowie Mademoiselle Delamontagne, Mademoiselle Renard, den Medmoiselles Lagrange und Monsieur Dimanche in meinem Haus in der Abwehr dunkler Künste unterwiesen. Beginn der Ferienstunden ist am 3. Juli diesen Jahres.

Während Ihres Aufenthaltes hier nennen Sie mich bitte wieder Madame Faucon, selbst wenn ich Ihnen gemäß meiner Befähigung Unterricht erteile.

Versuchen Sie, sich stets im guten mit der Familie Dusoleil zu arrangieren, da es für Camille einfacher aussehen mag, als es ist, mit jemandem mit einer nichtfranzösischen Mentalität, noch dazu jemanden aus einer Familie ohne lebende Zauberer und Hexen in der Verwandtschaft, zurecht zu kommen!

Nutzen Sie ihr Wohlwollen nicht schamlos aus, um sich irgendwelche Vorteile für Ihren Aufenthalt hier zu verschaffen!

Gewöhnen Sie sich bitte ab, andauernd tiefzustapeln! Irgendjemand könnte sich veralbert fühlen und damit den Eindruck gewinnen, Sie legten es indirekt auf eine Feindseligkeit an. Bescheidenheit ist gut, sehr gut sogar. Aber bleiben Sie dabei bitte ehrlich und leugnen sie nicht ihre Fähigkeiten, sofern nicht eindeutige Verdachtsmomente bestehen, daß Sie besser wenig von Ihrem Können preisgeben.

Vermeiden Sie jede im Scherz geäußerte Anspielung auf das Treiben des dunklen Lords Voldemort! Gerade jetzt dürfte jeder Spaß über ihn und seine Taten Ihnen berechtigten Ärger verschiedener Leute in Millemerveilles eintragen, die Anverwandte oder Freunde durch das Terrorwerk dieses Psychopathen verloren haben.

wie gesagt, gehe ich davon aus, daß Sie diese einfachen Regeln ohne geistige Belastung einhalten werden, und wie Sie am Ende des Schuljahres erfahren haben, erweisen sich die meisten Einschätzungen meinerseits im Bezug auf Sie als richtig.

Ich wünsche Ihnen trotz der düsteren Bedrohung durch die Hand des irregeleiteten Magiers, der sich Voldemort nennt, erholsame, fröhliche und erquickliche Ferienwochen in unserem schönen Millemerveilles.

Blanche Faucon

Julius nickte, obwohl er niemanden sah, dem er hätte zunicken können. Dann faltete er den Zettel wieder zusammen, steckte ihn in ein Seitenfach seiner Reisetasche, kletterte zurück ins Bett und drehte sich in die dünne Decke ein. Es dauerte nicht lange, bis er in tiefen Schlaf versank.

ENDE

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