BESUCHER ZUR OSTERZEIT

eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie
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© 2000, 2001, 2002 by Thorsten Oberbossel

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Vorige Story

P R O L O G

Julius Andrews, ein sogenanter muggelstämmiger Zauberer, soll in der Schule Hogwarts seine Zauberfähigkeiten richtig zu nutzen lernen. Das wolte sein Vater nicht wahrhaben, mußte jedoch einstweilen klein beigeben. So landet Julius in dem berühmten Zaubererinternat und schließt Freundschaft mit Gloria Porter und Kevin Malone, sowie den in Hufflepuff wohnenden Hollingsworth-Schwestern. Die Lehrer stellen ein übergroßes Zaubereitalent bei ihm fest, was ihm fast alle Zauber durch reine Vorstellungskraft gelingen läßt. Kräuterkunde, Besenflug und dem unsympathisch wirkenden und unfairen Professor Snape zum Trotz auch Zaubertränke, liegen Julius am besten. Er empfiehlt sich für die Reservemannschaft des Ravenclaw-Quidditchteams.

Blacks Flucht aus Askaban, sowie die dort wachenden Dementoren, werfen einen unheimlichen Schatten auf Hogwarts. Julius erfährt die Abneigung der meisten Slytherin-Schüler gegen ihn, den Muggelstämmigen, doch kann sie durch seine Beherschtheit von sich fernhalten.

In den Weihnachtsferien laden ihn die Porters sowie die in Australien lebende Kräuterhexe Aurora Dawn zu sich ein. In Australien sieht Julius das erste profi-Quidditchspiel und bekommt ein Autogramm der für Sydney spielenden Sucherin Pamela Lighthouse.

Wieder in Hogwarts nimmt Julius an den Trainingsstunden der Reservemannschaft teil, bei denen er die ältere Mitschülerin Prudence Whitesand und die Ravenclaw-Sucherin Cho Chang kennenlernt. Letztere leiht ihm kurz ihren Rennbesen, der besser als die schuleigenen fliegen kann. Es sieht ganz danach aus, als würde ein Slytherin-Schüler namens Brutus Pane sich mehr und mehr zum Feind für Julius entwickeln. Doch Julius kümmert das nicht, denn sein Vater hat für die Osterferien Besucher angekündigt.

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Das letzte, was Julius von seinem Vater hörte und sah, als er wieder in der Winston-Churchill-Straße eintraf, war ein großer gepackter Koffer, der in den Kofferraum eines Taxis gelegt wurde. Sein Vater sagte noch:

"Sieh zu, daß du dich in die Computersachen wieder reinarbeiten kannst! Du weißt doch noch, was Joe Brickston, dieser Computertyp beim letzten Besuch alles von dir wissen wollte. Ich komme leider nicht vor deinem Ferienende zurück. Viel Spaß und Erfolg!"

Julius winkte dem Taxi zum Abschied nach, bevor er zu seiner Mutter ins Haus zurückkehrte.

"Wann kommt denn Onkel Joe? Oder soll ich jetzt Mr. Brickston zu ihm sagen?"

"Am besten sagst du nur Joe zu ihm. Er würde es merkwürdig finden, von dir gesiezt zu werden, Julius. Es ist zwar schon vier Jahre her, daß er und Catherine bei uns waren, aber so fremd dürftest du nicht geworden sein."

"Kommt diese Babette auch mit, oder haben die mittlerweile einen Babysitter für die finden können?" Fragte Julius Andrews leicht frustriert. Er erinnerte sich noch gut daran, wie die damals zweijährige Tochter von Onkel Joe und Tante Catherine ihm den letzten Nerv geraubt hatte, weil sie das Talent einer lauten Alarmsirene mit der Fertigkeit einer Taschendiebin kombinieren konnte, die, wenn sie etwas hatte mitgehen lassen und erwischt wurde, laut krakehlte.

"Babette kommt mit. Aber sie wird bei ihren Eltern im Zimmer schlafen."

"Wie, Zimmer? Ich dachte, die ... Vergessen wir's!" Erwiderte Julius. Dann fragte er, ob er seine Schulfreundin Gloria hierher einladen konnte, um ihr seinen Computer zu zeigen. Martha Andrews nickte zustimmend, offenbar als Ausgleich für die zu erwartenden Strapazen.

Julius dachte kurz an die drei unterschiedlichen Typen, die in der Familie Brickston zusammenkamen. Onkel Joe, der Familienvater, hatte mit Martha Andrews zusammen studiert und war so wie ein Rechner, perfektion und Logik in einer Person. Dazu war er noch sehr gründlich, um nicht zu sagen, er haßte jede Form von Unkorrektheit.

Catherine Brickston, die Joe in Paris kennengelernt hatte, war eine sehr ruhige und gut aussehende Frau mit dunklen Haaren, die gerne bunte Kleider anzog und wunderbar singen konnte. Sie war der ruhige Pol der Familie.

Wie die beiden, der übergründliche Mann und die ruhige Frau zu einer solch wilden Tochter wie Babette kommen konnten, konnte Julius nicht begreifen. Onkel Joe, den er wohl nur noch Joe nennen sollte, hatte zwar einige Male Geschimpft, aber nicht so, wie Julius' Vater mit ihm schimpfte, wenn er etwas böses angestellt hatte. Julius konnte auch nicht ganz davon wegkommen, daß er dauernd dachte, daß Joe Angst vor seiner Tochter hatte. Oder hatte er Angst vor seiner Frau? Julius hatte mindestens einmal erlebt, daß sie ihn streng angesehen hatte, und schon war eine Streitigkeit beendet, ohne daß jemand gewonnen hatte.

"Sicher schlafen die drei hier im Gästezimmer, Julius. Oder denkst du, daß ich Joe zumuten will, die sündhaft teuren Hotelpreise zu zahlen, wenn er zwei Tage hier ist?"

"Zahlen könnte der schon. Nur wird er kein Hotel gefunden haben, weil die schon wissen, was für ein Früchtchen die kleine Babette ist."

"Das Mädchen ist nun sechs Jahre alt, Julius. Die wird wohl etwas kontrollierter sein."

"Nur, wenn sie noch an den Weihnachtsmann glaubt, der ihr Haue geben kann, wenn sie nicht artig ist", warf Julius gehässig ein.

"Wie dem auch sei, ich habe ja gesagt und dein Paps hat zugestimmt."

"Ja klar, weil er sich über die beiden Tage verdrücken kann", setzte Julius nach. Seine Mutter zuckte mit den Achseln und erwiderte:

"Tante Catherine ist doch sehr nett."

"Richtig das Hausmütterchen, nur in guter Aufmachung", gab der Sohn der Andrews' frech zur Antwort.

"Du wirst es überleben. Außerdem haben deine alten Spießgesellen sich gemeldet. Sie wollen sich einen Tag vor Ostern mit dir treffen. Ich denke, sie haben dir viel zu erzählen."

"Das denke ich auch, Mum. Weißt du, wo sie jetzt sind?"

"Peter Founder High School", erwiderte Mrs. Andrews. Julius hatte von dieser Oberschule gehört. Dort landeten Leute, deren Eltern entweder kein Geld für die Eliteschulen oder kein Interesse daran hatten, ihre Kinder auf eine akademische Superkarriere vorzubereiten. Das es hieß, die Schüler von dort wären eher zu Handwerkern geeignet, als zu Doktoren oder Ministern. Julius dachte daran, daß sie sowieso nichts von Büchern hielten, wenn man nicht alles nachahmen konnte, was darinstand.

In der Woche zum Ostersonntag hin klingelte das Telefon. Julius hörte, wie seine Mutter den Hörer abnahm und sagte:

"Hallo! - Ach, Mr. Porter. Schön, daß Sie anrufen. - Achso, ja. Julius hat es uns erzählt, daß Ihre Tochter den Computer ausprobieren will. - Ach, Sie und Ihre Frau wollen auch kommen? Hmm, ich erwarte übermorgen Besuch vom Kontinent. Aber wenn es morgen geht. - Geht? Gut! Wann genau? - In Ordnung, Mr. Porter. Wie kommen Sie hierher? - Geht in Ordnung, ich sage es meinem Sohn. - Ihnen auch einen schönen Abend."

"Wollen die Porters morgen herkommen?" Fragte Julius laut aus der Küche herüber. Martha Andrews bejahte und ging in die Küche zurück, wo Julius gerade eine Hausaufgabe für Professor McGonagall fertiggeschrieben hatte.

"Die Porters kennen sich offenbar gut aus mit der technischen Welt. Hat sich das mit Gloria in den letzten zwei Monaten so gehalten, wie vor Weihnachten?"

"Sie legt es immer noch darauf an, mich von allem elektronischen und technischen Kram wegzubringen. Zauberer und Hexen brauchen keine Technik."

"und was hast du ihr dazu gesagt?"

"Das ich das verstehen kann, aber nicht von jetzt auf nachher alles vergessen will, was ich gelernt habe", antwortete Julius.

"Wieso meint sie, dich von unserem Leben abbringen zu müssen, interessiert sich jedoch für Computer?"

"Vielleicht, um bessere Argumente zu finden. Studiere deinen Feind, um ihm gewachsen zu sein!" Gab Julius zurück. Martha Andrews zuckte die Achseln und sagte:

"Ich seh das ja mittlerweile ein, daß du diese Zaubererschule besuchst. Aber sage deinem Vater nichts davon, daß Schulkameraden dich davon abbringen wollen, dich in Techniksachen weiterzubilden."

"Solange es nur Schüler sind, Mum. Wenn aber Professor Flitwick oderProfessor McGonagall meinen, ich dürfe nicht mehr diese Muggelsachen lernen, müßte ich damit aufhören, die Zusatzsachen zu lesen."

"Dann könnte dein Paps auf den Gedanken kommen, alles wieder rückgängig zu machen, was diese Cynthia Flowers ihm abgetrotzt hat", erwiderte Mrs. Andrews.

"Da wird er Probleme kriegen. Immerhin haben die uns auch in Australien gefunden", sagte Julius.

"Das würde ihm in dem Moment nicht bewußt werden", erwiderte Martha Andrews.

"Wie wollten die Porters hier ankommen?" Wollte Julius noch wissen.

"Mr. Porter sprach von einem Wagen. Vielleicht kommen sie wieder mit dem Mercedes."

"Das war ein Leihwagen von Mr. Porters Firma. Ich weiß nicht, ob die den wieder kriegen", antwortete der junge Zauberschüler.

"Achso", erwiderte Mrs. Andrews.

Wie angekündigt kamen die Porters am nächsten Tag um drei Uhr Nachmittags. Martha Andrews hatte gerade das Besucherzimmer für ihre Freunde bereitggemacht. Julius testete seine Computerkenntnisse und las dabei eine Nachricht von Moira, die beschrieb, wie sie gerade an einem Referat zum Thema "Die Stände des Mittelalters: Ein Lebensbild durch zwei Jahrhunderte" arbeitete. Julius dachte dabei nur an die Hausaufgaben, die er für die Professoren Binns und Flitwick schreiben mußte. Binns wollte eine Beschreibung der Hexengilde von Little Spillington, einem Dorf von Zauberern, das im 15. Jahrhundert von einer schwarzen Magierin beherrscht worden war. Flitwick hatte ihm die Sonderaufgabe zugeschustert, sich mit den Auswirkungen von Zauberschutzvorkehrungen zu befassen. Zusätzlich verlangte er von jedem anderen Erstklässler eine detailierte Beschreibung der verschiedenen Schwebeformen.

"Julius, die Porters kommen gerade an!" Rief Martha Andrews von unten. Julius legte die Aufsätze Bei Seite und sicherte die eingegangenen Nachrichten in einer großen Datei. Dann rannte er die Treppe hinunter und sah durch die Haustür, die seine Mutter schon geöffnet hatte. Er konnte Gloria in einem normalen Straßenanzug erkennen, Mr. Porter in einem karierten Anzug und Mrs. Porter in einem blauen Kostüm, blau wie die Hausfarbe von Ravenclaw. Julius ging hinaus und begrüßte zunächst Gloria, dann Mrs. Porter, dann Mr. Porter.

"Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie uns empfangen", sagte Mrs. Porter.

"Ach, ich finde es gut, daß Julius sich so gut in der Schule eingelebt hat. Da wir ja bislang keinen Elternabend hatten, war ich neugierig, muß ich zugeben", erwiderte Mrs. Andrews. Mr. Porter nickte und grinste seine Frau an, die ebenfalls nickte.

"Ähnliches dachten wir auch", gestand Plinius Porter.

Im Haus angekommen sagte Martha Andrews noch:

"Sie wissen vielleicht, daß mein Mann selbst nicht viel von Ihrer Lebensweise hält. Daher ist es für mich wichtig, klarzustellen, daß wir unseren Sohn unterstützen, wie auch immer er sich entwickelt."

Zunächst gingen sie alle ins Wohnzimmer, wo sie eine Kleinigkeit tranken. Dann schlug Julius Vor, Gloria den Computer zu zeigen. So verschwanden die beiden nach oben, während sich Mrs. Andrews mit den Porters unterhielt.

Julius erzählte, während er ein einfaches Programm aufrief, daß seine Mutter und er bald Besuch von ihrem Bekannten und seiner Familie bekommen würden und erwähnte auch Babette, die bereits als Zweijährige kaum zu bändigen gewesen war. Gloria nickte und fügte an, daß ihre Cousine Dora ebenfalls ein schwieriges Kind sei, obwohl sie erst drei wäre.

Gloria zeigte sehr schnell, daß sie das Buch, welches sie sich von Julius ausgeliehen hatte, sehr gut gelesen hatte. Denn sie fand sich schnell in die Grundbefehle ein und schaffte es in einer halben Stunde, Texte zu verfassen und über den Drucker zu schicken, sowie das Datenbankprogramm zu bedienen, um Adressen einzuspeichern oder zu löschen. Julius zeigte ihr die Möglichkeiten, im Computernetz zu forschen und holte als Anschauungsmaterial eine Liste von Großrechnern, die Material über Zauberei und Hexerei für die Öffentlichkeit bereithielten. Gloria schmunzelte, als sie auf eine Abhandlung zum Thema "Hexerei als neuer Freizeitkult" stieß. Sie bat Julius darum, den Artikel auf seinen Computer zu laden und auszudrucken. Dann las er ihn mit Gloria zusammen und konnte nur noch laut lachen. Unten im Wohnzimmer, wo bis dahin das leise Murmeln einer Unterhaltung zwischen den Erwachsenen zu hören gewesen war, wurde es still. Dann klangen Schritte auf der Treppe, die von Mr. Porter stammen konnten, denn Julius konnte die schweren Tritte nicht mit seiner Mutter in Verbindung bringen. Tatsächlich klopfte Plinius Porter wenige Sekunden später an die Tür und fragte was los sei. Julius, der sich gerade wieder einzukriegen versuchte, antwortete:

"Wir haben hier nur einen sehr lustigen Artiekel über eine Hexengruppe namens "Schwestern der weißen Mondin". Gloria meint, daß die wohl aus lauter Muggeln bestehen müßte."

"Huch, interessant. Darf ich reinkommen?"

"Aber bitte doch, Mr. Porter", sagte Julius.

Plinius Porter betrachtete den Computer, den Drucker, den Monitor und dann den Stapel bedruckten Papiers.

"Ach du meine Güte! Ich habe davon gelesen, Gloria. Im Tagespropheten von vor drei Wochen stand ein längerer Artikel über den beklagenswerten Versuch einer Muggelfrau, eine Hexengruppe zu gründen. Ihr muß ein Zauberbuch über Magie zu bestimmten Jahreszeiten in die Hände gefallen sein. Weasleys Abteilung fahndete danach, konnte jedoch nichts bei ihr finden. Eine Gedächtniskorrektur erschien unsinnig, da die besagte Person keine magischen Artefakte in ihrem Besitz hatte."

"Das kann ja auch nicht hinkommen, Dad. Diese Lady Miranda betreibt wohl eher eine Schaubude. Wenn die richtig hexen könnte, würde die nicht so damit angeben."

"Solche Leute sorgen dafür, daß unsereins als verrückt abgestempelt wird", seufzte Plinius Porter. Dann ließ er sich noch den Computer vorführen.

Um fünf Uhr nachmittags war Teezeit, wie überall in England. Die Porters und die Andrews saßen im Wohnzimmer des großen Hauses und genossen den heißen Tee und das Gebäck, daß Mrs. Andrews besorgt hatte. Sie sprachen über den Computer und inwieweit er als Erfindung der nichtmagischen Menschen die Welt verändert hatte. Mrs. Porter wandte ein, daß Wissen zwar hilfreich sei, aber auch der Umgang damit gelernt werden müsse. Mr. Porter führte an, daß die Zaubererwelt sich schon seit Jahrhunderten ohne elektrischen Strom ein weltweites Informationsnetz erschlossen hatte, das jedoch nicht so uneingeschränkt für jedermann nutzbar war, wie das Internet. Julius, der nun etwas von beiden Welten kannte, fragte nach, ob die Zauberer und hexen darum fürchten mußten, doch irgendwann enttarnt zu werden.

"Die Ministerien der Zaubererwelt in allen Ländern haben bereits ein Kommitee zur Wahrung der bisherigen Koexistenz gebildet. Man könnte es eine Weltregierung der Zauberer nennen. Da sind auch Zauberer und Hexen drin, die in der Muggel-, ähm, der Welt der Nichtmagier Ämter in Politik und Wirtschaft bekleiden. Wer das ist, weiß ich zum Glück nicht."

"Julius hat erzählt, daß die Magierwelt sehr darum bemüht sei, ständig talentierte Nachwuchszauberer und Hexen zu finden. Wie soll das gehen, wenn die Geheimhaltung dadurch gefährdet wird?" Fragte Martha Andrews.

"Das ist uns nicht bekannt", wandte Mrs. Porter ein. "Wir kümmern uns nicht sonderlich um die Politik des Zaubereiministers."

"Genau wie er selbst", sagte Gloria vorlaut. Mrs. Porter sah ihre Tochter strafend an, während Mr. Porter sich beherrschen mußte, um nicht loszulachen.

"Das sagen wir über unsere Politiker auch", kommentierte Mrs. Andrews und mußte sich beherrschen, um nicht ebenfalls zu lachen.

Nach der Teestunde gingen Julius und Gloria noch einmal in das Zimmer hoch. Julius führte seiner Schulkameradin den CD-Spieler vor. Gloria meinte dazu nur, daß selbstgemachte Musik immer noch besser sei als konservierte. Sie fragte Julius, ob er schon einmal ein Konzert von Hexen und Zauberern gehört hatte. Er verneinte das.

Julius besprach noch die Hausaufgaben mit Gloria. Dabei stellte sich heraus, daß er bei der Arbeit für Binns noch ein interessantes Detail übersehen hatte und fügte es hinzu.

Um sieben Uhr verließen die Porters das Haus der Andrews wieder. Dione Porter sagte noch mal zu Martha Andrews:

"Machen Sie das ruhig, worüber wir gesprochen haben, Mrs. Andrews! Es wird keine Probleme geben."

"Danke Mrs. Porter", erwiderte Martha Andrews. Dann sahen sie und Julius, wie Gloria und ihre Eltern in einen grauen Ford einstiegen und davonfuhren. Julius konnte noch einen Mann in königsblauer Uniform am Steuer erkennen, bevor der Wagen in Fahrt kam und leise surrend davonbrauste.

"Und, was hältst du von Hexeneltern?"

"Ich dachte erst, ich hätte nichts mit ihnen zu bereden. Doch die sind ja gut informiert und haben mir auch wichtige Tips geben können, wie dein Paps und ich mit deinen Professoren Kontakt halten können. Sie meinten auch, daß wir einmal um ein direktes Gespräch bitten sollten, um deine Lehrer kennenzulernen und direkt von Ihnen zu erfahren, ob du wirklich dort hingehörst."

"Soso, Mum. Dann bist du ja beruhigt.

"Ich wußte gar nicht, daß es auch bei den Hexen Kosmetik und Schönheitsberatung gibt. Mrs. Porter arbeitet für eine internationale Organisation, die Hexen in Kosmetikfragen berät. Hat Gloria dir das mal erzählt?"

"Ja, hat sie. Mrs. Porter war im gleichen Haus untergebracht, in dem Gloria und ich jetzt wohnen."

"Aja. Mr. Porter konnte mir auch erklären, wie wir das mit der Schulfinanzierung auch abhandeln könnten, ohne andauernd in diese ominöse Winkelgasse zu gehen. Ich habe mir das aufgeschrieben. Hoffentlich macht dein Vater das mit."

"Wenn prof. McGonagall ihm noch mal etwas vorzaubert hat er da bestimmt kein Problem mit", ereiferte sich Julius.

Der nächste Tag begann mit zwei Anrufen. Der erste kam von Julius' Vater, der fragte, ob das Haus noch stehe. Julius nahm diese dumme Frage spaßig und antwortete:

"Wie man Atombombenexplosionen zaubert lernen wir in der sechsten Klasse, Paps."

Der zweite Anruf kam von Joe Brickston. Julius hörte, wie seine Mutter am Telefon erst fröhlich, dann leicht angespannt klang. Sie sagte:

"Hallo, Joe! - Wann kommst du? - Achso. Wie bitte?! - Und das ließ sich nicht anders einrichten? - Hmm, dann muß ich noch ein Zimmer freimachen. Das hättest du mir schon gestern sagen können, Joe. - Nun gut, ich sehe ein, daß du deine Gründe hast, Joe. - Jaja, das kannst du mir erzählen, wenn du da bist. - Bis nachher!"

"Das ist doch nicht wahr! Joe hat mir gerade jetzt erst erzählt, daß er schon seit zwei Tagen weiß, daß seine Schwiegermutter aus Marseille zu Besuch bei ihm ist und er sie nicht einfach nach Hause schicken kann, weil er angeblich bestimmte Gründe hat, sich nicht mit ihr zu verkrachen. Jetzt bringt er sie noch mit", sagte Martha Andrews genervt. Julius schluckte hörbar. Dann bekam er den Auftrag, seiner Mutter bei der Vorbereitung des zweiten Gästezimmers zu helfen. Sie fragte ihn sogar, ob er da was mit Magie machen könne. Er sagte:

"Für mich gilt das gleiche, wie für andere Magier auch. Ich darf nicht vor Nichtmagiern zaubern. Die kriegen das raus und kassieren mich ein."

"Achso. Jetzt verstehe ich auch, wieso die Porters mit einem normalen Auto vorgefahren sind. Na gut. Aber du kannst mir auch so helfen, denke ich."

"Kein Problem. Ich geh auch für dich einkaufen."

"Das brauchst du nicht. Ich taue einfach was auf, wenn ich Essen mache. Die Dame soll keine Extrawünsche haben."

"Wenn sie Französin ist zerstörst du zumindest nicht irgendwelche guten Vorurteile über das englische Essen, Mum", ärgerte Julius seine Mutter noch. Sie tadelte ihn kurz mit "Frechdachs!" und lachte dann.

"Wie kommen die eigentlich her, Mum. Haben die immer noch den alten Renauld, die Königin der Rostlauben?"

"Nicht so respektlos, Julius! Der Wagen ist immerhin schon seit zwanzig Jahren im Einsatz und fährt immer noch. Aber ich weiß nicht, ob die den noch haben."

"Wir werden sehen", sagte Julius etwas gelangweilt und ging mit seiner Mutter in den zweiten Stock, wo die Gästezimmer und das Gästebad untergebracht waren. Julius half beim Abstauben und Betten beziehen. Er erzählte seiner Mutter, um die Arbeit so richtig zu würzen, daß die Porters einen langnasigen Hauselfen hatten, der alle Arbeiten im Haus verrichtete.

"Wenn du dir einen halten darfst, sag mir bescheid", erwiderte Martha Andrews nur darauf und prüfte den Zustand der Lampen.

"So, die können kommen", meinte sie zum Schluß, als sie noch ein Bild mit einem Sonnenaufgang über einem Pier des londoner Hafens über dem zweiten Gästebett angebracht hatte, um dem Raum etwas mehr Atmosphäre zu geben.

"Bist du sicher, daß das ein Sonnenaufgangsbild sein soll, Mum? Nachher denkt die Schwiegermutter deines Freundes Joe, du wolltest ihr damit zu verstehen geben, daß sie wie eine untergehende Sonne für dich sei, oder gar die hereinbrechende Nacht."

"Jeder, der den londoner Hafen kennt, weiß, wo die Sonne beim Aufgang und wo beim Untergang stehen muß. Ich werde ihr das erklären, wenn sie es darauf anlegen sollte."

"Kannst du französisch? Oder spricht sie englisch?"

"Ich kann kein Französisch. Ich habe Latein und Spanisch gelernt. Und ob Joes Schwiegermutter englisch spricht, weiß ich nicht. Ich kenne die Dame nicht", antwortete Martha Andrews gereizt.

Am Nachmittag um zwei klingelte es an der Tür, während Julius' Mutter gerade noch etwas im Badezimmer erledigen mußte. Julius erhielt den Auftrag, nachzusehen, wer vor der Tür stand. Er sah durch das bruchsichere Türglas der Haustür und erkannte Joe Brickstons weizenblonde Haartolle und die goldgeränderte Brille, die einem Professor an der Universität gestanden hätte. Julius rief nur: "Sie sind's, Mum! Ich mach schon auf!"

Julius entriegelte die schwere Haustür und öffnete sie weit. Joe Brickston trat sich auf der breiten Fußmatte die Füße ab und kam herein, leicht außer Atem, mit zwei schweren Koffern an den Armen.

"Hi, Julius! Lange nicht mehr gesehen", keuchte der Studienfreund von Julius' Mutter zur Begrüßung. Dann quiekte jemand hinter dem stämmigen Mann mit der weizenblonden Haarpracht und schoß an ihm vorbei. Ein kleines dürres Mädchen mit pechschwarzen Zöpfen, die wie zwei Windvogelschwänze hinter ihr herflatterten.

"Heh, Babette! Du kannst doch nicht einfach so reinrennen!" Rief Joe Brickston gequält. Eine energische Frauenstimme schimpfte auf Französisch. Julius hörte nur den Namen der quirligen Sechsjährigen heraus. Wie ein Blitz schoß Babette wieder an Julius vorbei nach draußen, als habe sie jemand mit einem Accio-Zauber zu sich hinfliegen lassen.

"Meine Schwiegermutter, Julius. Sie ist eine der wenigen, die das Kind mit einem Wort zur Ruhe bringen können."

"Hallo, jeun Monsieur!" Grüßte eine hochgewachsene Frau mit dunklem Haar, die kaum älter als Julius Mutter sein mochte den Sohn der Andrews'. Julius sah in die saphirblauen Augen der Frau, die ein phantasievoll gemustertes Kleid trug. Es wirkte irgendwie außerweltlich, nicht dem Modediktat oder einer geschäftsmäßigen Kleiderordnung unterworfen.

"Bonjour, Madame Brickston", grüßte Julius, wobei er froh war, daß er diese spärlichen Französischkenntnisse fehlerfrei anbringen konnte. Er wünschte sich in diesem Moment, daß er doch in den Weihnachtsferien Glorias Buch, das ihm angeboten hatte, mit ihm zu lernen, nicht so schnöde in die Ecke zurückgestellt hätte. Dieser Wunsch verstärkte sich noch, als eine Frau, die ungefähr sechzig Jahre alt sein mochte, in einem langen, an einen Umhang erinnernden Kleid aus bonbonrosafarbener Seide, die schwarzes Haar zu einem Knoten trug, ähnlich wie Professor McGonagall, mit der kleinen Babette an der Hand näher an das Haus herantrat. Sie fragte irgendwas auf Französisch, was Joes Frau übersetzte:

"Dürfen wir hereinkommen?"

"Sicher doch. Meine Mutter wartet im Wohnzimmer. Bonjour Madame!" Grüßte er noch die zweite Frau, die in Gebahren und Haartracht Minerva McGonagall sehr stark ähnelte. Diese nickte und erwiderte den Gruß, wobei sie noch Worte anfügte, die Julius nicht verstand. Doch er dachte, daß sie ihn nicht gerade beleidigen wollte und lächelte nur. Dann führte er die vier zunächst zur geräumigen Garderobenwand, wo sie ihre Übermäntel aufhängen konnten.

"Übrigens, meine Mutter heißt Madame Faucon, für den Fall, daß du oder deine Mutter Sie direkt ansprechen möchten", sagte Catherine Brickston in einwandfreiem Englisch. Julius nickte und sah flüchtig zu Babettes Großmutter hinüber, die den kleinen Quälgeist, der sie wohl immer noch war, ständig in ihrer Nähe hatte. Julius wurde das Gefühl nicht los, daß er dieser Frau noch einmal dankbar sein würde. Sicher, er hatte nichts in Greifhöhe der kleinen Babette legen lassen, was wertvoll war. Er hatte seine Zauberutensilien ganz hoch und ganz weit in einem Schrank eingesperrt, den er noch verschlossen hatte. Der Schlüssel lag gut verstaut in Vaters Safe, zu dem nur seine Mutter die Kombination kannte. So würde die Kleine nichts in die Hand bekommen, was peinliche Fragen hätte nach sich ziehen können.

"Dann wollen wir mal", sagte Joe Brickston, der in einen Geschäftsleuteanzug mit Schlips gekleidet war, als ginge es hier nicht um einen Freundesbesuch, sondern um einen entscheidenden Vertragsabschluß. Er bugsierte die schweren Koffer unter die Mäntel und ging voran ins Wohnzimmer. Babette tapste neben ihrer Großmutter her, wobei sie diese immer wieder kurz anblickte. Julius fragte sich, womit die Fremde ihre Enkelin bedroht hatte, daß dieses quirlige Kind so kuschte, wie ein geschlagener Hund vor seinem Herren. Julius fragte sich auch, wieso Joe offenbar so auf Vorsicht seiner Schwiegermutter gegenüber bedacht zu sein schien. Doch es ging ihn nichts an. Sie war nun einmal hier, also mußte er auch damit klarkommen.

Im Wohnzimmer wartete Mrs. Andrews schon auf die Gäste. Sie begrüßte zunächst Joe, dann Babette, dann Joes Schwiegermutter, wobei sie es nur bei einer Grußgeste beließ, da sie überhaupt kein Französisch konnte. Schließlich grüßte sie noch Catherine Brickston und sagte, daß sie sich freuen würde, mal wieder mit jemanden außerhalb Englands plaudern zu können. Catherine Brickston erwiderte darauf:

"Ich freue mich, daß ich mal wieder meine Englischkenntnisse pflegen kann, ohne daß es gleich um was wichtiges geht."

Julius betrachtete die beiden Frauen, Catherine Brickston und ihre Mutter. Sie sahen so aus, als wenn jemand eine Person im Abstand von dreißig Jahren photographiert hätte. Dabei fiel Julius wieder auf, wie ruhig Catherine Brickston war, während ihre Mutter eine hohe Unruhe ausstrahlte, wie ein Vulkan, der drauf und dran war, auszubrechen. Aber der Hogwarts-Schüler aus einer Muggelfamilie empfand keine richtige Angst, sondern eher unvermittelten Respekt vor dieser Dame, vor der selbst ein solches Energiebündel wie Babette auf der Hut zu sein schien. Denn Babette sah nicht ihre Eltern an, wenn sie irgendwas tat, sondern ihre Großmutter, als müsse sie sich jedesmal erst eine stille Erlaubnis holen, um auch nur eine Armbewegung zu machen.

Mrs. Andrews bot den Gästen Kakao, Tee oder Kaffee an. Madame Faucon ließ von ihrer Tochter um Kaffee für sich bitten, während Joe inbrünstig eine Kanne Tee ansah, die Julius' Mutter auf einem verzierten Tablett hereingetragen hatte. Julius gönnte sich mal wieder richtigen Kakao, da in Hogwarts außer der Zauberschokolade nur Tee oder Fruchtsaft ausgegeben wurde. Man unterhielt sich, teilweise mit Übersetzung, über die letzten vier Jahre und was so alles passiert sei. Mrs. Andrews tischte den Gästen die Geschichte von der Eliteschule auf, auf die Julius ging, so daß niemand mitbekommen konnte, daß er in Wirklichkeit eine Schule für angehende Zauberer und Hexen besuchte. Er erfuhr, daß Joe mittlerweile in einem großen Rechenzentrum eines pariser Wettervorhersageinstitutes die Hard- und Software betreute und hörte mit Begeisterung, mit welchen Geschwindigkeiten und Speichergrößen die Großrechner arbeiteten. Dann wurde er gefragt, wie gut denn seine Computerkenntnisse gediehen seien. Julius überlegte nur kurz und sagte:

"Mit meinem Computer komme ich sehr gut klar, Joe. Ich habe auch die Anwendungen studiert, die zur Zeit auf den meisten PCs laufen."

"Vielleicht hast du interesse, mir das vorzuführen?" Fragte Joe Brickston. Julius verstand dies jedoch eher als Aufforderung als als Frage. Er überlegte kurz und antwortete, daß es ihm gar nichts ausmachen würde, seine Computerkenntnisse zu demonstrieren. Dann sprach man über Julius' bisherige Schulbildung. Gemäß der Legende, die die Andrews sich überlegt hatten, um anderen gegenüber zu verheimlichen, daß Julius in eine Zaubererschule ging, erzählten Mrs. Andrews und Julius von der Theodor-C.-Beaufort-Lehranstalt. Julius wandte ein, daß dort jedoch keine großen Computer stehen würden und Internet dort überhaupt nicht möglich sei. Darauf meinte Joe Brickston:

"Wie soll jemand in einer Schule auf das Leben vorbereitet werden, wenn er oder sie nicht einmal Internetkenntnisse erwerben kann?"

"Das ist ein Lehrkonzept der Schule, daß Computerarbeit nur im Einzelbereich gelernt werden darf, damit die Schüler nicht auf die Idee kommen, sich nur noch im Internet auszutoben", wandte Martha Andrews ein. Julius fügte dem noch wahrheitsgemäß hinzu:

"Wir haben dafür eine riesige Bibliothek für Nachforschungen und zur Unterstützung der Hausaufgaben. Man will uns beibringen, selbst zu suchen und nicht einfach alles per Knopfdruck aufgelistet zu bekommen."

"Soso", entgegnete Joe unbeeindruckt. Dann meinte er noch:

"Catherine hatte überhaupt keine Ahnung von Computern. Die hatten auch nur eine große Bibliothek dort, wo sie war."

"Eine Mädchenschule?" Fragte Julius.

"Nein, für Jungen und Mädchen", erwiderte Catherine Brickston sofort, als ihr Mann gerade noch etwas sagen wollte. Julius hatte den unbestimmten Eindruck, als wolle Catherine nicht über ihre Schulzeit reden und ließ es, weitere Fragen zu stellen. So konnte man ihm auch nicht zu viele unangenehme Fragen stellen. Julius' Mutter fragte die sechsjährige Babette:

"Und, wann kommst du in die Schule, Babette?"

"Nach dem Sommer", sagte Babette laut und vernehmlich, allerdings mit starkem französischen Akzent.

"Wir haben sie in einer Privatschule angemeldet, wo nicht so viele Kinder sind. Meine Frau und meine Schwiegermutter wollten das so haben", erklärte Joe leicht niedergeschlagen. Offenbar mußte es einen Streit um Babettes Schule gegeben haben. Catherine Brickston übersetzte beinahe zeitgleich ihrer Mutter, was gerade besprochen wurde. Dann sagte Madame Faucon irgendwas, was Julius' innere Alarmglocken zum klingen brachte, obwohl er es nicht wörtlich verstand. Aber der Tonfall war unmißverständlich streng, wie ein Tadel von Professor McGonagall oder eine Rüge seines eigenen Vaters.

"Maman meint, daß mein Mann versucht hat, Babette in einer billigen Volksschule mit über dreißig Kindern in der Klasse unterzubringen."

"Na und, da war ich doch auch", wandte Julius frech ein. "Und das hat mir nicht geschadet, sagt Paps."

Wieder mußte erst übersetzt werden, was Julius gesagt hatte, bevor die Mutter von Catherine Brickston lachte und eine Antwort gab, die belustigt klang.

"Welchen Schaden jemand nimmt, kommt häufig erst später heraus, sagt Maman."

"Auf jeden Fall ist Julius jetzt in einer Klasse wo nur zehn bis zwölf Leute drin sind. Jetzt muß er sich beweisen, weil er häufiger drankommt und die Lehrer intensiver unterrichten können."

"C'est ça", kommentierte Catherines Mutter, nachdem ihr übersetzt worden war, was Mrs. Andrews gesagt hatte.

Nach dem Tee gingen Julius und Joe Brickston in Julius' Zimmer hoch. Als Julius die Tür hinter sich zugemacht hatte, wandte sich Joe an ihn, während der Computer gestartet wurde:

"Du magst mich für einen Pantoffelhelden halten. Ich hab's dir angemerkt, Junge. Aber ich sage dir, mit meiner Frau Schwiegermutter sollte sich niemand anlegen. Sie ist die Königin der Familie, und ich werde froh sein, wenn sie wieder nach Marseille zurückfliegt, ohne daß ich mich mit ihr über irgendwas in die Haare gekriegt habe."

"Wieso, Onkel Joe? Hat sie euer Geld und teilt nur welches aus, wenn ihr brav seid?"

"Wäre glaubhaft, nicht wahr? Ist aber nicht so. Sie kontrolliert uns förmlich, wie eine Königin. Die Frau ist eine Hexe, Julius."

Julius schluckte kurz, dann lachte er laut und antwortete: "Da bist du nicht der einzige Mann, der das von seiner Schwiegermutter behauptet."

"Pssst! Nicht zu laut! Ich weiß nicht, ob die Alte wirklich kein Englisch versteht, Julius."

"Die hört doch nichts, wenn wir hier oben normal reden. Glaub mir, Joe, die reden da unten sowieso nun über uns."

"Aber gut. Du mußt mir ja nicht glauben. Ist auch besser so. Also zeig mal, was du kannst!"

Julius führte Joe Brickston vor, was er alles am Computer erledigen konnte und zeigte ihm auch, wie gut das neue Internetverwaltungsprogramm arbeitete. Er holte zwei neue E-Mails ab und speicherte sie ab, um sie später zu lesen. Joe zeigte ihm noch einige Kniffe, wie man die Datenbankverwaltung noch besser steuern konnte und wie der Arbeitsspeicher besser ausgenutzt werden konnte. Dann meinte er:

"Habt ihr wirklich Computerkurse? So wie du hier vorgehst, hätten die Lehrer total veraltete Methoden zum Unterricht."

"Haben sie auch. Aber in der dritten Klasse gibt es Sonderkurse für Leute, die intensiver lernen wollen. Wir haben zwar vier neue Computer, aber zehn veraltete Kisten, die am Ende der Achtziger rauskamen", behauptete Julius. Joe schüttelte den Kopf.

"Auf so eine Schule würde ich Babette nicht lassen. Aber ich fürchte, meine werte Frau und ihre noch mehr werte Mutter werden mich dazu nötigen, Babette auf die selbe Schule zu schicken, die Catherine besucht hat. Tradition ist alles."

"Wo ist denn die Schule? Hoffentlich nicht im Norden", Erkundigte sich Julius. Joe sagte:

"Ich weiß das nicht. Ich erfuhr ja auch erst im vierten Ehejahr, wo Kathy war. Sie hat mir zwar gesagt, wie die Anstalt hieß, aber ich habe es wieder vergessen. Soll auf jeden Fall unterentwickelt sein. Mathematik ist da eine absolute Nebensache. Kannst du dir das vorstellen?"

"Was, genial!" Ereiferte sich Julius, der sich sehr gut vorstellen konnte, was Joe meinte. Schließlich gab es in Hogwarts lediglich kleinere Kurse zur Berechnung von Rauminhalten, Dosen und Buchhaltung. Irgendwann sollte es noch Geometriekurse geben, die Julius wohl auch besuchen würde. Sie gehörten aber nicht zum benoteten Unterricht.

"Und was lernen die dann da, wenn sie keine Mathe und keine Computer haben? Fliegen?"

"Haha, wie witzig", antwortete Joe Brickston, der jedoch so aussah, als sei Julius' Bemerkung für ihn kein Witz gewesen. Dann sagte der Computerexperte noch:

"Mach dich bloß nicht lustig, wenn Kathy dabei ist. Sie kann das zwar ab, aber ich darf mir das später doppelt und dreifach anhören."

"Jaja, die böse Schwiegermutter", spottete der Sohn von Richard und Martha Andrews.

Um sieben Uhr abends klingelte jemand an der Haustür Sturm. Martha entschuldigte sich kurz und eilte zur Tür. Julius lauschte und hörte, kaum daß die Tür sich öffnete, den allseits gefürchteten Schlachtruf: "Bi-ba-Bubblegum!!" Dann Hörte er einen unterdrückten Empörungsruf seiner Mutter, während zwei paar Füße mit unüberhörbarem Getöse die Treppe heraufjagten und ein dreifacher Türklopfer die Zimmertür erzittern ließ.

"Wer ist denn das?" Wunderte sich Joe Brickston.

"Der Rest des chaotischen Trios!" Rief Julius und riß die Tür weit auf.

"Hallo, Jungs! Wie ich höre seid ihr mal wieder ungefragt an meiner Mutter vorbeigerannt."

"Heyyupp!!" Riefen Lester und Malcolm und hieben Julius auf die Schultern, daß es nur so klatschte.

"Hach, mal wieder aus diesem Schulmief raus", sprach Lester und trat ins Zimmer. Er sah den Mann mit der weizenblonden Haartolle und fragte: "Huch, hast du Besuch?"

"Das ist ein Schulfreund von Mum. Er hat mir nur gezeigt, wie ich mit meinem Zauberkasten besser herumspielen kann."

"Wie komisch", grunzte Joe Brickston entrüstet. "Wer sind die beiden, Julius?"

"Das ist lester und sein Kumpel Malcolm. Wir haben die Grundschule besucht und viel Kurzweile verbreitet."

"Vollkommen korrekt", pflichtete Malcolm bei. Dann meinte Julius:

"bevor Mum mich hier oben noch zur Schnecke macht frage ich lieber, was wir heute noch unternehmen. Ich denke mal, gleich gibt's was zu essen. Dann schmeißt Mum euch eh raus."

"Wir wollten noch auf den Bolzplatz. Es sei denn, du kannst kein Fußball mehr. Ich habe gehört, ihr lernt nur noch Golf und Tennis an eurer Schule für höhere Tiere. Aber zumindest kannst du noch richtig reden. Moira redet sowas von geschraubt daher, daß es schon krank ist", beklagte sich Lester über ihre frühere Schulkameradin Moira Stuard.

"Ich hab's mitggekriegt. Sie war nicht gerade begeistert, als ich eine Ausstellung ihres Vaters aufgeheitert habe, indem ich gemeint habe, daß wir da was über Miraculix und seine Kollegen erfahren würden, wo mehrere Geschichtsprofessoren dabeistanden."

"Ist ja heftig gut, Julius", erwiederte Malcolm total begeistert.

"So, Jungs! Ihr habt mich einmal überrumpelt, jetzt sagt, wann ihr euch drei zu einer zivilisierten Zeit treffen wollt und schiebt erstmal ab, ja!" Kam Mrs. Andrews' Stimme von hinten.

"Ich habe gehört, es gibt gleich was zu mampfen. Fällt da auch was für bettelarme Schulbuben ab?"

"Kartoffelschalen kann ich dem Herrn offerieren, Mr. Lester Piers. Ich habe Besuch, der zivilisierter ist, als ihr beiden. Das könnte ein Kulturschock für euch werden."

"Für uns? Was ist denn das eigentlich, ein Kulturschock? Ich kenne nur Kulturbeutel", tönte Malcolm frech. Mrs. Andrews lachte und sagte:

"Immerhin kennst du sowas. Aber jetzt macht euer Treffen klar und dann den Abflug."

"Scotty kann uns im Moment nicht hochbeamen. Aber wie Sie wünschen, Mrs. Andrews. Sie sind die Königin in dieser Burg. Also, Julius, wann geht das Match los?"

"Morgen vormittags. Am Ostersamstag ist nicht zuviel los. Die hängen dann alle im Stau oder bei ihren Verwandten rum", sagte Julius. Malcolm grinste gemein und sagte: "Außer unsereinem. Die Verwandten sind froh, wenn wir nicht um sie herumwuseln. Gut, alles klar! Komm, Lester. Wir zischen ab!"

Die beiden Jungen rasten genauso laut die Treppe wieder hinunter, wie sie sie heraufgekommen waren und huschten durch die große Haustür hinaus und davon.

"Mit denen hast du deine Freizeit verbracht?" Fragte Joe Brickston auf dem Weg ins Esszimmer.

"Nur, wenn Paps es nicht verhindern konnte. Wir haben gute Tricks ausgearbeitet, um uns häufig zu treffen", flüsterte Julius.

Madame Faucon sah Julius an, dann Joe. Dann setzte sie sich neben ihre Tochter, Babette saß gegenüber neben Julius.

Das Essen verlief schweigsam. Lediglich einmal fragte die Mutter von Mrs. Brickston etwas, was diese übersetzte:

"Meine Mutter will wissen, wer die beiden Rabauken waren, die vor einer halben Stunde hier hereingepoltert sind."

"Sag deiner Mutter, Tante Catherine, daß das meine besten Kumpels aus vergangenen Zeiten waren, mit denen ich mich morgen treffen werde. Mehr braucht sie nicht zu wissen."

Julius sah trotzig, daß Madame Faucon ihn vorwurfsvoll ansah, als ihre Tochter die Antwort ins Französische übersetzt hatte.

Nach dem Essen gingen Julius und Babette mit Joe Brickston noch mal in Julius' Zimmer und spielten dort am Computer. Babette schien richtig befreit zu sein, daß sie von ihrer Großmutter wegkam. Julius gewann im Autorennspiel und zeigte Joe, wie gut die Bilddarstellung bei einem schnellen Fußballspiel war. Babette trat gegen ihren Vater und Julius in einem Olympia-Computerspiel an und holte in sechs von 9 Disziplinen die Goldmedaille. Als Julius ihr den Joystick aus der Hand nehmen wollte, quängelte sie. Joe sagte zu ihr, daß es bald Zeit für sie sei, ins Bett zu gehen. Babette quängelte weiter. Dann sah sie auf den Computer, wo Julius gerade versuchte, seinen Olympiasportler mit schnellen Bewegungen des Joysticks über einen See rudern zu lassen. Unvermittelt knisterte der Bildschirm, wurde tiefschwarz, und der Computer fiel aus.

"Verdammt!!" Fluchte Julius und hieb auf den Schreibtisch, während Joe erschrocken dreinblickte. Er sah auf die Computerkonsole, den Monitor und den Drucker. Dann sagte er:

"Das ding ist wohl durch Überspannung ausgefallen."

"Unsinn! Da war kein Kurzschluß und nichts", lamentierte Julius und sah zu Babette, die ein gehässiges Grinsen zeigte.

"Was soll es denn sonst gewesen sein?" Fragte Joe Brickston. Julius glaubte, Angst in der Stimme mitschwingen zu hören.

"Keine Überspannung. Ich versuche den Kasten noch mal anzuwerfen."

Julius drückte den Einschalter auf "aus", dann überprüfte er die Steckverbindungen, schnupperte an den Luftschlitzen, ob nicht doch irgendwo etwas verschmort sein könnte, dann schaltete er den Computer wieder an. Das Kühlgebläse lief zwar, doch die Festplatte und der Monitor kamen nicht mehr auf Touren. Julius schaltete das Ding aus.

"Verflucht noch mal!"

"Könnte was dran sein", wandte Joe leise ein. Julius konnte darüber nicht lachen. Der Computer war zwar zu einer Nebensache geworden, doch zu einer, die ihn noch mit seinem Zuhause verband. Fiel er nun aus, hätte Julius nichts, worauf er sich noch freuen konnte, wenn nicht die Bolzspiele mit Lester und Malcolm wären.

"Hat keinen Zweck, Julius. Der muß zur Reparatur."

"Ich kann nicht mehr spielen, und ihr könnt auch nicht mehr spielen. So!" Sagte Babette mit bösem Unterton.

"Da ist was dran", sagte Julius, der gerade überlegte, ob er der Kleinen nicht einmal eine schallern sollte. Doch er verzichtete darauf. Nachehr galt er noch als Feigling, der kleine Mädchen haute. Diese Demütigung wollte er sich doch nicht antun.

"Dann wollen wir mal, Petite demoiselle!" Beschloß Joe und versuchte, seine Tochter am Arm zu fassen. Doch diese streckte ihm die Zunge raus und entwischte durch die Tür.

"Das ist dumm mit deinem Computer. Ich bezahl die Reparatur, Julius."

"Was nützt das, wenn die Festplatte durch diesen Blödsinn gelöscht wurde? Außerdem hast du den doch nicht kaputt gemacht, Joe."

"Aber wir haben ihn ziemlich gut strapaziert", meinte Mr. Brickston. Dann rannte er hinter seiner Tochter her.

"Wieso ist das Ding genau da ausgefallen, als Babette nicht mehr damit spielen durfte?" Fragte sich der Hogwarts-Schüler.

Julius stand auf und verließ sein Zimmer, um seiner Mutter zu erzählen, daß der Computer kaputt war. Er fand seine Mutter in der Küche, wo sie mit Händen und Füßen versuchte, Madame Faucon die verschiedenen Gewürze in ihrem Sortiment zu erklären.

"Entschuldige, Mum! Ich wollte nicht stören. Mir ist nur beim Spielen mit Joe und seiner Tochter der Computer in die Binsen gegangen. Es sieht nicht nach einem Kurzschluß aus. Das Kühlgebläse geht noch, alles andere ist zappenduster."

"Was? Hmm, nicht so gut! Dann lasse ich den abholen, wenn die Ostertage um sind, Julius. Ist zwar schade, aber kann passieren. Hoffen wir, daß die Festplatte nicht gelöscht wurde."

"Na gut, ich habe noch Backup-Disketten. Nur die neue E-Mail von heute dürfte dann weg sein, falls es die Platte leergeputzt hat. Dann höre ich eben noch ein bißchen Musik auf dem Walkman."

"OK. Babette muß ohnehin ins Bett. Ich wollte mir noch einen Krimi im Fernsehen angucken, bevor ich den heutigen Tag beende", erklärte Julius' Mutter. Dann erinnerte sie sich wieder an Madame Faucon und fuhr mit ihrer Beschreibung der Gewürze und Küchenkräuter fort.

Julius ärgerte sich zwar darüber, daß er nicht mehr die E-Mails lesen konnte, bei denen auch eine von Moira dabei war, doch sonst ging es ihm gut. Er hörte sich eine Casette mit längst aus den Verkaufslisten verschwundenen Liedern an und summte dazu. Um elf Uhr knipste er das Licht aus und legte sich hin. Er dachte an den Zufall, daß der Computer ausfiel, als Babette nicht mehr damit spielen durfte. War das wirklich ein Zufall? Er mußte es glauben, denn was anderes hätte Ärger bedeutet.

Es mußte so um ein Uhr Nachts gewesen sein, als Julius den leisen Ruf eines Käuzchens hörte. Der mit Eulenpost vertraute Zauberschüler war sogleich hellwach und lauschte in die Nacht hinaus. Doch der leise Ruf war nicht mehr zu hören. Er dachte an Gulliver, den Postkauz von Cynthia Flowers oder an Chackie, das weiße lachende Tölpelweibchen von Aurora Dawn. Er stand leise auf und ging ans Fenster. Dort war nichts zu erkennen. Er entriegelte es so leise wie möglich, zog es noch leiser auf und blickte hinaus. Kalte Frühlingsnachtluft wehte ihm um das Gesicht, und er konnte einige helle Sterne erkennen, die trotz der nahen Stadtbeleuchtung noch zu sehen waren. Dann schaute er zu einer Buche hinüber, die in der Nähe des Hauses gepflanzt war. Dort erkannte er fünf sich bewegende Schatten, die lautlos herumflogen, wie Flugzeuge in einer Warteschleife. Julius dachte darüber nach, was das ganze zu bedeuten hatte, als aus einem Fenster über seinem ein kleiner grauer Schatten heraushuschte, zu dem Baum hinüberstrich und dann mit hohem Tempo davonflog, während einer der um den Baum kreisenden Schatten auf das Haus Winston-Churchill-Straße 13 zugeflogen kam. Julius erkannte nun den Umriß einer Waldohreule und sah deren Augen funkeln, als sie durch das geöffnete Fenster im Zweiten Stock in das zweite Gästezimmer hineinglitt, wo Joe Brickstons Schwiegermutter schlief.

"Höchst interessant", dachte Julius und stand starr wie versteinert da und beobachtete, wie der Eulenvogel nach wenigen Minuten das Zimmer wieder verließ, ebenfalls um den Baum herumstrich und davonflog, in eine andere Richtung, als der Vogel vorhin. Wieder kam einer der nun noch vier Vögel aus der Wartestellung und flog in das Fenster des Gästezimmers ein. Alles ging außerordentlich leise zu. Kein Licht fiel aus dem Fenster auf die Straße. Julius vermutete, daß die Empfängerin der Eulenpost eine kleine Kerze benutzte, um gerade genug Licht für ihre Post zu haben.

"Da hat doch Joe Brickston tatsächlich recht gehabt. Und das mit dem Computer war also auch kein Zufall", dachte Julius und grinste triumphierend. Er beobachtete, wie ein Eulenvogel nach dem anderen ins Gästezimmer hinein und wieder herausflog, bis keine Eule mehr im Baum saß. Julius wartete noch einige Minuten, bevor er das Fenster übervorsichtig wieder schloß. Er war nun so wach, als habe er zwei Schöpfkellen von Snapes Aufputschtrank geschluckt. Er fragte sich, ob man im Zaubereiministerium wußte, daß Madame Faucon hier übernachtete und mit ihrer Tochter und Enkeltochter war. Falls ja, so war klar, warum Julius keinen Verwarnungsbrief bekommen hatte, als Babette ihre unentwickelte Zauberkraft an seinem Computer ausgelassen hatte. Er fragte sich, ob seine Mutter das wissen sollte, daß ihre Gäste aus einem Muggel und zwei ganzen und einer Viertelhexe bestanden. Seinem Vater hätte er damit bestimmt einen Herzinfarkt an den Hals jagen können. Doch wie würde die alte Hexe reagieren, wenn Julius durch irgendwas erkennen ließ, daß er ihre Eulenpost mitbekommen hatte. Dann fragte er sich, wieso die Eulen nicht einzeln erschienen waren, wie es sonst üblich war. Wieso hatten sich fünf Tiere im Baum aufgehalten, während eines Nachrichten zustellte und Antworten mitnahm? Ihm fiel nur eine Antwort ein: Die Dame war irgendein hohes Tier in der französischen Zaubererwelt, daß sie mehrere Eulen gleichzeitig unterhielt. Er schmunzelte bei dem Gedanken, daß das Zaubereiministerium von England vielleicht eine Eule geschickt hatte, die eine Nachricht gebracht hatte, daß jemand einen Computer-K.O.-Zauber angewendet hatte. Aber dann - Julius verging das Schmunzeln sofort wieder - könnte sie auch erfahren haben, daß dieses Haus deshalb unter Beobachtung des Ministeriums stand, weil hier ein Hogwarts-Schüler wohnte, der per Gesetz nicht zaubern durfte.

"Tun wir erst einmal so, als wüßte keiner von den achso dunklen Umtrieben des Anderen", beschloß Julius für sich. Er mußte nur aufpassen, daß er nicht mit der alten Hexe alleine war. Nachher kam die noch auf dumme Ideen, von wegen, ihre Eigenheit dürfte nicht bekannt werden. In diesem Moment wünschte sich Julius, selbst eine Posteule zu haben, um Gloria oder Kevin, vielleicht auch die Hollingsworths anzuschreiben, wie er sich am schlauesten verhalten sollte. Aurora Dawn wäre zwar die bessere Adresse, aber zu weit weg. Dann dachte er beruhigt, daß sich das in zwei Tagen erledigt hätte.

Nach einer kleinen Ewigkeit fand Julius zurück in den Schlaf. Er träumte von Professor McGonagall, wie sie seine Eltern besuchte und seines Vaters Revolver in ein harmloses Sofakissen umhexte. Gleich darauf trat Madame Faucon durch die Tür zur Küche ins Wohnzimmer und sah die Verwandlungslehrerin an. Dann sagte sie etwas auf Französisch oder einer anderen für Julius unverständlichen Sprache, worauf Professor McGonagall eine Antwort in jener Fremdsprache gab. Dann verschwanden beide wieder, und Joe Brickston kam hereingelaufen und rief:

"Meine Frau ist eine Hexe! Sie hat mich belogen!" Dann hörte Julius wieder den nächtlichen Schrei, der ihn nach dem Quidditchmatch Gryffindor gegen Ravenclaw geweckt hatte und sah Sirius Black mit seinen langen Haaren auf ihn zulaufen, mit einem langen Messer in der rechten und einem Zauberstab aus schwarzem Holz in der linken Hand.

"Weg da, Kerl!" Rief der Mörder aus der Zaubererwelt und schwang den Stab gegen Julius. Julius schrak zusammen und stürzte unvermittelt in ein schwarzes Loch, das in seinem Bett in der Winston-Churchill-Straße endete. Schweißgebadet streckte er sich und versuchte, den bösen Traum aus dem Kopf zu verscheuchen. Er sah auf seine Uhr und stellte erleichtert fest, daß in einer halben Stunde acht Uhr am Morgen des Ostersamstags war. Das war eine gute Zeit zum Aufstehen, fand Julius.

Er war nicht der Erste, der die Küche betrat, um zu sehen, ob er schon was erledigen konnte. Catherine Brickston stand bereits vor der Kaffeemaschine und hantierte mit einer Filtertüte, die bereits mit schwarzem Kaffeepulver gefüllt war. Julius sah ihr neugierig zu, wie sie die Filtertüte in den Plastikfilter einsetzte, den Filter in die dafür vorgesehene Halterung klemmte und die Glaskanne zum auffangen des Kaffees darunterstellte, bevor sie den Einschaltknopf drückte.

"Entschuldigung, Catherine! Du hast den Stecker noch nicht reingesteckt. Mum zieht ihn immer raus, wenn der Kaffee durchgelaufen ist, damit die Maschine nicht andauernd unter Strom steht."

"Olala! Danke, Julius!" Sagte Catherine Brickston in akzentfreiem Englisch und schloß die Kaffeemaschine an das Stromnetz an. Sofort leuchtete die rote Lampe über dem Schalter, und erste blubbernde und gurggelnde Geräusche waren zu hören.

"Ich mach das immer auf dem Herd und mit anderen Filtern. Richtig heißes Wasser gibt Kaffee einen besseren Geschmack", sagte die Frau von Joe Brickston. Julius ging derweil an die elektrische Brotmaschine und fragte:

"Was esst ihr so für Brot? Wir haben dunkles und weißes da. Und ich könnte sogar Toasts rausholen."

"Maman ißt nur richtiges Baguette. Sie ist sehr traditionsbewußt. Aber für Joe darfst du dunkles Brot abschneiden."

"Hmm, ob wir Baguette haben? Denke nicht, tut mir Leid."

"Meine Mutter hat immer zwei große Baguettes mit, wenn sie für mehrere Tage ins Ausland fährt. Sie wird wohl damit auskommen", beschwichtigte Catherine Brickston. Julius warf die elektrische Brotmaschine an und schnitt für sich und seine Mutter je drei Scheiben von dem weißen brot und für Joe ebenso viele von dem dunklen Brot ab. Er fragte:

"Wo ist Babette?"

"Sie und Joe schlafen noch. Ich bin eine, wie heißt das, frühe Aufsteherin", antwortete Catherine Brickston.

"Ich eigentlich auch. Aber wenn ich lange auf war, muß ich auch mal länger schlafen, vor allem nach einer harten Trainingsstunde Sport." Julius hatte es gerade noch verhindert, "Quidditchstunde" zu sagen.

"Und was macht ihr da so?"

"Ballsport, Laufen, Springen, Werfen und Turnen. Unsere Trainingsstunden sind immer überraschend", sagte Julius und schaffte es, sich hart an der Wahrheit entlangzuhangeln, ohne sie zu sagen. Er sah Catherine Brickston dabei zu, wie sie für Babette einen Topf mit Kakao auf den Herd setzte.

"Ich habe gehört, dein Computer ist gestern kaputtgegangen, Julius?"

"Ja, ist er. Joe wollte die Reparatur bezahlen, aber ich denke, daß es ein Fehler im Kraftwerk war, der das Ding außer Gefecht gesetzt hat. Das läuft dann über die Versicherung gegen Blitzschlag", antwortete Julius schnell, um nicht wieder daran denken zu müssen, daß er sich sicher war, daß Babette den Computer mit einer intuitiven Hexerei ausgeschaltet hatte, weil sie nicht mehr damit spielen durfte.

"Die sind auch viel zu kompliziert, diese elektronischen Geräte. Ich bevorzuge Bücher und Briefe. Hat auch irgendwas persönliches, wenn du einen Brief bekommst, den jemand mit der Hand geschrieben hat, oder?"

"Das ist wohl richtig. Meine Eltern schreiben meistens nur noch auf Computern und lassen das Zeug dann über einen Drucker laufen. Meine Freunde kriegen meistens handgeschriebene Briefe."

"Dann wirst du wahrscheinlich häufig bemitleidet, oder?"

"Sie nennen mich den Jungen mit den Maschinenbriefen", gab Julius zu, weil er dachte, daß diese Aussage nichts über seine Schule verraten konnte.

"Bonjour, ma Fille! Comment vas tu?" Meldete sich eine leicht verschlafen klingende Frauenstimme von der Küchentür her. Catherine grüßte zurück:

"Halló, Maman! Très bien!" Julius grüßte ebenfalls mit "Bonjour, Madame Faucon" und wandte sich dann dem Vorratsschrank zu, wo die Marmeladengläser verstaut waren. Da er davon ausging, daß Babette von der Schokocreme haben wollte, die seine Mutter eingekauft hatte, stellte er den bunten Becher heraus und holte für sich das Glas mit der Aprikosenmarmelade heraus.

Madame Faucon zeigte auf den Becher mit der Schokoladencreme und fragte was. Catherine antwortete und erhielt eine Gegenantwort.

"Meine Mutter will das Zeug probieren. Sie traut der englischen Nahrungsmittelchemie nicht."

"Wie sie will. Frage sie bitte, ob sie ein Stück Brot dazu haben möchte oder nur einen kleinen Löffel voll probieren will!"

Nach einem kurzen Frage- und Antwortspiel auf Französisch sagte Catherine, daß ihre Mutter einen Löffel voll probieren wolle. Julius holte einen Teelöffel aus der Schublade und schaufelte damit eine kleine Portion von der Schokocreme aus dem Becher. Dann reichte er der dunkelhaarigen Hexe aus Frankreich den Löffel. Sie leckte die Schokocreme ab, machte ein etwas betretenes Gesicht und gab den Löffel zurück. Julius warf ihn wie beiläufig in das Spülbecken.

"Sie traut dem ganzen nicht, Julius. Da ist zuviel künstliches Zeug drin, sagt sie", erläuterte Catherine, als ihre Mutter ihr etwas gesagt hatte.

"Kann ich nichts für", meinte Julius. "Wäre auch für Babette gewesen."

Catherine übersetzte, und Madame Faucon lamentierte: "Pas pour la petite! Je ne veux pas qu'elle mange cela!"

"Hat Sie verboten, daß die Kleine was davon haben darf?" Fragte Julius vorlaut.

"Ja, hat sie. Sie ist da sehr eigen."

"Aber du bist doch die Mutter. An und für sich verbieten Mütter ihren Kindern das, was sie dann von den Großmüttern kriegen. War zumindest bei mir so."

Catherine lachte und übersetzte schnell. Madame Faucon lachte auch und erwiderte etwas. Dann sagte Catherine: "Sie meint, ich wäre schon zu sehr mit einem Techniker verbunden, als daß ich noch echte Speisen zu schätzen wüßte. Daher wäre das bei uns genau umgekehrt. Die Marmelade, ist die echt?"

"Könnte Industriezucker drin sein", antwortete Julius gelangweilt, als würde ihn nicht interessieren, was er aß.

"Das sage meiner Mutter besser nicht", erwiderte Catherine Brickston.

"Anspruchsvoll, diese alte Hexe", dachte er bei sich und war so klug, nicht in die Richtung zu sehen, wo die ältere Dame stand. Dadurch entging ihm jedoch, wo die Besucherin, die in stockfinsterer Nacht einen regen Eulenpostverkehr betrieben hatte, die kleine Messingschale mit den frischen Aprikosen hergeholt hatte.

"Interessant. Wie ist sie denn daran gekommen?" fragte Julius ernsthaft neugierig und deutete auf die frischen gelben Früchte.

"Die hat sie mitgebracht", sagte Catherine, und ihr war anzuhören, daß es ihr peinlich war, darauf antworten zu müssen. Madame Faucon hielt Julius die Messingschale hin und machte mit der freien Hand eine einladende Handbewegung. Julius blickte fragend auf den Inhalt der Schale, erhielt ein Kopfnicken zur Antwort und fischte eine Aprikose heraus.

Sie schmeckte erfrischend, genau richtig abgestimmt süß und sauer. Julius machte Mmmm und nickte zustimmend, als müsse er gleich die Frage beantworten, wie gut ihm das schmeckte.

"Wo erntet ihr die Aprikosen?" Fragte Julius.

"In unserem Garten", erwiderte Catherine Brickston. "Da haben wir viele Obstsorten und Gemüsebeete, und Maman hat sogar noch einen größeren Garten bei sich zu Hause."

Julius beendete die Vorbereitungen des Frühstücks, indem er Butter und Milch aus dem Kühlschrank holte und auf dem Küchentisch bereitstellte. Als er gerade sehen wollte, ob er den Teekessel aufsetzen konnte, klingelte das Telefon.

Julius schlüpfte an der älteren Dame vorbei nach draußen und eilte fast geräuschlos zum Apparat und grabschte nach dem Hörer, bevor das Telefon eine Chance hatte, ein drittes Malzu klingeln.

"Andrews!" Meldete er sich.

"Hallo, Julius! So früh auf?" Klang Gloria Porters Stimme durch den Hörer, klar aber nicht zu laut.

"Huch, was treibt dich denn an den Apparat?"

"Ich lese gerade die neue Hexenwoche. Vielleicht interessiert es dich, daß im Moment eine hochrangige Vertreterin von Beauxbatons in England Urlaub macht. Du erinnerst dich noch an Beauxbatons?"

"Selbstverständlich, Gloria", erwiderte Julius und peilte durch den Flur in Richtung Küche, wo sich die beiden Gäste gerade in ihrer Muttersprache eine kleine Diskussion lieferten.

"Okay, ich lese dir das mal vor, da unsere Posteule gerade hinter meinem Dad nach Litauen hergeflogen ist.

"Wie uns gestern erst über verschlungene Pfade bekanntgemacht wurde, ist Professeur Blanche Faucon, Trägerin des Ordens "Reine des Sorcières" und des Ordens der Merlin erster Klasse, stellvertretende Schulleiterin der Akademie von Beauxbatons, Lehrerin für Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste, für die Osterfeiertage mit ihrer Tochter und ihrem Muggelschwiegersohn, sowie ihrer sechs Jahre alten Enkeltochter Babette zu Besuch bei einer mit dem Muggel befreundeten Familie in London, um, wie wir aus gut unterrichteten Quellen erfuhren, das Alltagsleben englischer Muggel hautnah zu erleben. Sie sagte unserem Frankreichreporter Claude Renard wörtlich: "Ich muß doch endlich mal sehen, ob an den ganzen Vorurteilen was dran ist, daß die Muggel sich mit künstlicher Nahrung vergiften und nur mit Hilfe von Elektrizität ihr Leben bewältigen können. Auch wird es mal interessant sein, mit einem Muggelwagen zu fahren."" Soviel, Ladies und Gentlemen, die allgemeine Presseschau!" Beendete Gloria die Vorlesung.

"Na und?" Fragte Julius, der versuchte, Gloria von dem Gedankenpfad wieder abzulenken, auf dem sie bereits wandelte.

"Herzlichen Glückwunsch! Du darfst mit einer der renommiertesten Hexen Europas am Tisch sitzen und mit ihr zusammen speisen. Also benimm dich ja anständig!"

"Woher willst du wissen, daß wir damit gemeint sind?"

"Weil du Schlaumeier mir bei meinem Besuch erzählt hast, daß ihr Besuch von einem Studienfreund deiner Mutter kriegt, der eine Französin geheiratet hat und eine Tochter namens Babette hat. Und meinen Eltern hat deine Mutter auch erzählt, daß ihr Freund nicht sicher sei, wieso seine Frau so wenig Ahnung von Technik hätte, wo doch selbst sie, also meine Eltern, genug davon verstehen, um nicht aufzufallen", begründete Gloria ihren Gedanken und brachte Julius dazu, kurz zu seufzen.

"Gloria, du weißt, daß jemand im wilden Westen erschossen wird, der soviel denkt wie du?"

"Von dir? Nicht, daß ich wüßte. Ich frage mich nur, ob ich nicht Pina, Gilda und den Hollingsworths schreiben soll, daß du gerade hohen Besuch hast."

"Dann kriegtest du Ärger, denke ich. Nicht nur mit jener Person selbst, sondern auch mit einigen unserer hohen Herrschaften, vielleicht mit noch höheren Herrschaften und vor allem mit mir."

"Ich kriege ja Angst", spöttelte Gloria und lachte.

"Angenommen, du hast recht. Käme der Prominente alleine klar, oder bräuchte der Hilfe bei irgendwas?"

"Wie? Achso! Du meinst, ob sie Englisch kann oder einen Übersetzer braucht. Dann will ich dir mal eben die Liste vorlesen, die hinter dem Artikel angehängt ist:

"Professeur Blanche Faucon, Geburtsdatum geheim, unterrichtet an der Akademie Beauxbatons Verwandlung, Materialisation und Verteidigung gegen die dunklen Künste von der ersten bis zur Abschlußklasse. Gilt als sehr streng, aber nicht demütigend. Beherrscht außer ihren Lehrfächern noch Zaubertränke und Besenflug, ist ein eingetragener Animagus, wobei aus Gründen des Datenschutzes keine Details über die Tiergestalt bekannt sind. Sie ist seit vierzehn Jahren Witwe von Hugo Faucon, der durch einen Angriff von Getreuen von Du-weißt-schon-wem zu Tode kam. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor, Catherine, die als Zaubergeschichtlerin tätig ist und im französischen Zaubereiministerium als Sachverständige für Artefakte der dunklen Kräfte arbeitet. Sie ist Mitglied in der Academie Française, der Vereinigung zur Pflege der französischen Sprache und Kultur, sowie Mitglied in der europäischen Vereinigung akademischer Zauberei und Ehrendoktorin der Universität Oxford, wo sie zwei Jahre lang die englische Sprache studiert hat. Neben ihrer Muttersprache Französisch und Englisch beherrscht die Professorin Deutsch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Arabisch, Gälisch, Ungarisch, Russisch, Koboldisch, Nichsisch und Griechisch. Hinzu kommt eine umfassende Kenntnis alter Runen, sowie ägyptischer Hieroglyphen, Astronomie und Zauberkunst. Ihre Hobbies sind Gartenbau, magisch und nichtmagisch, Schach, Kochen, Geige, Cello und französische Muggelliteratur, vor allem Philosophie."

Wie gesagt, ich kann dir nur meinen tiefsten Neid und meinen herzlichsten Glückwunsch bekunden."

"Ich habe mir schon sowas gedacht, Gloria. Mach dir keine Sorgen, ich langweile mich schon nicht."

"Okay, Julius! Grüße mir deine Mutter. Meine Mum war ja schwer begeistert von ihr."

"Andersrum war es genauso, Gloria. Grüß mir deine Eltern auch schön!"

Es klickte im Hörer. Julius wußte, daß Gloria aufgelegt hatte. Also legte auch er den Hörer wieder auf den Telefonapparat zurück, Gerade noch rechtzeitig, um mitzubekommen, wie Babette um die Ecke schoß und direkt auf ihn zurannte.

"Buuuuh!" Rief sie laut.

"Uuuuuaaaah!" Brüllte Julius wie ein gereizter Löwe und fing das kleine Bündel mit zwei Zöpfen ein.

"Loslassen!" Verlangte Babette.

"Wiesooo?" Fragte Julius mit stöhnender Stimme, die wie das Geheul eines Geistes auf Spuktour klang.

"Weil ich das will", erwiderte Babette und strampelte. Julius paßte auf, daß sie ihn nicht beißen konnte. Er drehte sie mit dem Rücken zu sich und hielt sie hoch und weit ausgestreckt. Und unvermittelt entglitt sie ihm, als wäre plötzlich alle Kraft aus seinen Armen verschwunden.

"Hups!" Rief Julius aus. Er hätte fast gerufen, daß sie nicht mit Zauberei kämpfen durfte. Doch er konnte sich noch beherrschen.

"Babette, viens hici!" Erscholl die gestrenge Stimme von Madame Faucon.

"Die Stimme deiner Herrin, kleines Biest", grummelte Julius, als das Mädchen mit fliegenden Zöpfen in die Küche rannte.

Mit verschlafener Miene trottete Joe Brickston die Treppe herunter und sah Julius.

"Wie geht's?" Fragte er und gähnte.

"Ich bin schon seit einer Stunde auf, du Langschläfer", erwiderte Julius frech.

"Na und. Ich habe mir das überlegt mit deinem Computer. Ich denke, die Festplatte ist nicht gelöscht. Ich bau sie dir aus und steck sie in einen schnelleren Rechner mit 4 Megabyte mehr Arbeitsspeicher. Dann haben wir das aus der Welt, oder?"

"Weiß ich nicht. Ich bin nach Ostern ja nicht da, um die Karre probezufahren", wandte Julius ein.

"Ja, aber ich gehe davon aus, daß es meine Schuld war, daß der Rechner ausgefallen ist, Julius. Deshalb ..."

"Venez vitement!" Rief Madame Faucon aus der Küche.

"Wo ist denn deine Mutter?"

"Weiß ich doch nicht. Ich hab' gerade noch mit einer Schulkameradin telefoniert. Mum müßte eigentlich schon fertig sein."

"Weil die alte Sorcière schon das Kommando übernommen hat."

"Ist wohl ihre Mentalität. Könnte 'ne Lehrerin von uns sein. Die kann das auch. Die kommt rein, kuckt, und alles ist ruhig."

"Aber die könnte nicht, ... aber lassen wir das", sagte Joe Brickston. Julius hätte doch zu gerne gehört, wass die angeblich so tolle Hexe von Beauxbatons mit Leuten anstellte, die nicht spurten. Aber vielleicht, so fiel ihm ein, wollte er das doch nicht wissen. Nachher bekam er auch noch Angst vor der Dame. Und das wollte er sich wirklich nicht antun.

Als Julius hinter dem eilfertig der Küche zueilenden Joe Brickston durch die Küche ins Esszimmer ging, wartete Martha Andrews schon. Sie hatte die Teller und Tassen auf den langen Tisch gestellt. Dort, wo bei Besuchen von Gästen Julius' Vater saß, am Kopf des Tisches, hatte sich die ältere Dame mit dem dunklen Haar hingesetzt. Julius mußte sich anstrengen, nicht einmal durch ein zuckendes Augenlid zu verraten, was in ihm vorging. Einerseits dachte er, daß seine Mutter aus Höflichkeit der ältesten am Tisch den Ehrenplatz zugestanden hatte. Andererseits konnte es auch sein, daß sie ihn sich ohne Einspruch von irgendeiner Seite angeeignet hatte. Julius setzte sich links neben Babette, die ihm schnell noch einen giftigen Blick zuwarf, um dann auf den Tisch zu starren, wo drei Marmeladengläser und eine Messingschale mit frischen Aprikosen standen. Julius sah zu seiner Mutter herüber, dann zu Madame Faucon, die nickte, um dann nach drei Aprikosen zu greifen, die er mit seinem Messer kunstgerecht zerteilte und sich auf ein Stück Brot ohne Butter legte.

"Sag deiner Mutter, daß ich nicht wußte, daß sie frisches Obst auf dem Tisch haben wollte, Catherine!" Bat Martha Andrews.

"Sie meinte, daß sie als Gast gewisse Aufmerksamkeiten beisteuern wollte", sagte Catherine Brickston.

"Das ist ihr gelungen", erwiderte Julius' Mutter und fügte ein ehrliches "Mercie, Madame" hinzu.

Martha Andrews fragte, ob sie das Radio einschalten dürfe und bekam von Joe und Catherine die Erlaubnis, bevor Catherine die Frage ihrer Mutter übersetzt hatte. In den Nachrichten ging es um diverse innenpolitische Ereignisse, um eine vorgeschlagene Konferenz zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem französischen Präsidenten und noch so einiges mehr, daß Julius langweilte. Dann kam noch eine Meldung:

"Der flüchtige Mörder Sirius Black konnte immer noch nicht wieder dingfest gemacht werden. Die Polizei bittet die Bevölkerung weiterhin um ihre Mithilfe, warnt jedoch nochmals davor, daß der entflohene Häftling sich eine Schußwaffe besorgt hat, von der er rücksichtslos Gebrauch machen wird."

"Haben sie den immer noch nicht?" Wunderte sich Martha Andrews. Julius hätte sich fast an einer Aprikose verschluckt.

"Was ist los, Julius? Dieser Kerl geistert doch schon seit September durch die Nachrichten", meinte Martha Andrews.

"Ich dachte nur, daß es irgendwie erschreckend ist, daß den keiner so richtig zu sehen gekriegt hat, um die Polizei zu informieren. Aber vielleicht leben die Zeugen auch nicht mehr", fügte er mit einem Hauch von Grusel in seiner Stimme hinzu. Babette zitterte.

"Was soll denn das. Du machst dem Kind Angst, Julius", sprang Joe Brickston seiner Tochter bei. Julius dachte nur daran, wie nahe ihm Sirius Black schon gewesen war. Zweimal war der Verbrecher in Hogwarts eingedrungen und unbehelligt wieder entkommen. Wer sollte da also mehr Angst haben?

"War nicht so gemeint. Der Typ ist einfach zu clever. Vielleicht kann er sich tarnen", beruhigte Julius das kleine Hexenmädchen.

"Dieser Black ist ein Massenmörder. Babette hat von einem älteren Jungen gehört, daß er viele Leute umgebracht hat."

"Naja, recht hat sie ja", wandte Julius ein, bevor noch irgendwer dumme Fragen stellen konnte, der gemäß einer ihm vor kurzem vorgelesenen Liste alles andere als dumm sein mußte. Julius hatte sich schon vor Glorias warnendem Glückwunsch darauf eingerichtet, daß die ältere Dame über ihn Bescheid wußte. Falls dem so war, herrschte jetzt ein Gleichgewicht des Wissens.

Nach dem Frühstück wollten Martha Andrews und Catherine in die Stadt fahren. Catherine wollte dringend noch einige Geschenke für ihre Freunde in Frankreich einkaufen. Madame Faucon wollte eine Stadtrundfahrt machen, während Babette und ihr Vater Lust auf eine Bootspartie hatten. Julius durfte sich entscheiden, ob er an der Stadtrundfahrt teilnehmen wollte, was er damit ablehnte, daß er mit Joes Schwiegermutter ja nicht sprechen könne, eine langweilige Shopping-Tour machen, die er auch nicht mitmachen wollte, da er ja nicht in die Versuchung geführt werden wollte, Catherine die Winkelgasse zu zeigen. Aber auf eine Bootspartie, noch dazu mit Babette, hatte er schon gar keine Lust. Er sagte, daß er sich mit Lester und Malcolm zum Fußballspielen treffen wollte. Martha überlegte kurz und rief dann bei Lesters Familie an. Dann sagte sie:

"Du kannst zu den beiden. Aber die kommen hier nicht rein, Julius. Nachher passiert noch was, während wir nicht hier sind."

"Okay, geht klar, Mum", versprach Julius und holte schnell seine Fußballspielklamotten, einen alten Jogginganzug und zwei wetterfeste Laufschuhe. Babette plärrte im Wohnzimmer, als Julius loszog, sich mit einem kurzen "au Revoir!" Verabschiedete und im Hinausgehen noch rief:

"Ich komme um eins wieder, Mum!"

Julius freute sich. Einerseits konnte er mal wieder bodenständigen Sport machen. Andererseits war ihm die Gelegenheit willkommen, von dieser Professeur Faucon wegzukommen. Er verstand zumindest, was Joe meinte. Diese Frau strahlte eine unheimliche Willensstärke und Macht aus, obwohl er von ihrer Hexenkunst gerademal ein halbes Dutzend Eulen und eine aus dem Nichts geholte Obstschale mitbekommen hatte. Er dachte, daß sie wohl ein Versteckspiel mit ihm spielte und wartete, bis er herauskam und sagte, daß er ein Zauberer sei und sie ihm ruhig gestehen könne, daß sie eine Hexe sei. Ein gewisses Grinsen überkam Julius, wenn er daran dachte, daß sein Vater den Brickstons sofort Hausverbot erteilt hätte, wenn er gewußt hätte, wie nahe die Zaubererwelt wieder an seine Familie gerückt war. Julius griff in seine linke Joggingjackentasche, wo er sechs von den Wunderbonbons von Melinda Bunton verstaut hatte, bevor er aus dem Zimmer gekommen war. Er dachte zwar, daß er sie nicht brauchte. Aber seit der zweiten Begegnung mit einem Dementor im Zug nach Hogwarts war er froh, immer welche dabei zu haben. Er dachte an Knoblauch und Silberkreuze, die nach dem Glauben der Muggel Vampire und andere Dämonen zurücktreiben konnten. In einigen Fällen sollte das auch klappen, hatte Lupin erzählt. So wie Knoblauch gegen Vampire waren für ihn die Bonbons gegen Dementoren, solange er diesen Schutzpatron nicht beschwören konnte, den Harry Potter von Lupin gelernt hatte.

Er legte einen strammen Lauf zu Lesters Haus hin, das an einer U-Bahn-Haltestelle lag. Lester wartete schon auf ihn. Auch Malcolm war bereits im Anmarsch.

"Bi-ba-Bubblegum!!" Schrien sich die drei an.

"Na endlich wieder was gemeinsames. Weihnachten war wieder ziemlich heftig mit buckliger Verwandtschaft überfrachtet", maulte Malcolm. Dann ging es zum nahegelegenen Sportplatz. Malcolm hatte seinen beliebten Lederfußball mitgebracht.

"Wie spielen wir? Einer im Tor und zwei davor?" Wollte Julius wissen.

"Geht wohl nicht anders."

"Okay, dann los!" Rief Lester.

Die nächste halbe Stunde wurde eifrig drauf los Fußball gespielt. Einer spielte Torhüter, der zweite Verteidiger und der Dritte Angriff. So wechselten sie sich ab. Malcolm, der als erster im Tor stand, kassierte von Julius zwei Treffer hintereinander. er konnte sich immer noch so schnell auf den Füßen bewegen, daß die beiden Freunde nicht rechtzeitig an den Ball kamen. Julius freute das. Er hatte schon befürchtet, ohne Besen keinen brauchbaren Sport mehr betreiben zu können. Als Julius Torhüter spielte, hätte er fast eine Dreierserie von Malcolm kassiert, der im Angriff spielte. Doch er konnte die auf seinen Kasten abgeschossenen Bälle immer wieder abfälschen oder richtig fangen. Zwei Tore mußte er jedoch hinnehmen, bevor Lester in das Tor ging. Julius spielte Verteidiger und schaffte es, Malcolm ohne Foul den Ball immer wieder kurz vor dem Schuß abzujagen.

"Sag mal, wer hat dich denn so eingeölt, Julius. Ich dachte, ihr Eierköpfe macht nur Denksport", beschwerte sich Malcolm darüber, daß er Julius haushoch unterlegen war.

"Denken ist Glückssache, und Glück hat nicht jeder", erwiderte Julius und ließ den Ball kurz auftitschen, um ihn dann per Kopfstoß fast über den halben Platz zu feuern.

"Wau! Der alte Zauberer von der Churchill-Straße hat wieder eine Probe seiner schwarzen Magie gegeben", sagte Malcolm. Diesen Ausspruch nutzte Julius, um etwas zu prüfen, was ihn schon lange beschäftigte. Er hatte damals Moira und den beiden erzählt, daß er Briefe von Hogwarts bekommen hatte. Doch die Schule wollte geheim bleiben. Professor McGonagall hatte sie dabei belauscht, wie sie sich über diese Zauberschule unterhalten hatten. Julius wollte prüfen, ob die beiden noch etwas wußten.

"Habe ich euch von dem Freund erzählt, dem irgendein Ulkmensch geschrieben hat und behauptet hat, er sei ein Zauberer und müsse das an einem bestimmten Ort lernen?"

"Höh?! Nöh!" Antworteten Malcolm und Lester. "Du hast uns nur erzählt, daß du wohl nicht nach Eton gehen kannst, was auch besser für dich ist, Freund. Von dem Typen, der angeblich zaubern können sollte, weiß ich nichts mehr, falls du uns das wirklich erzählt hast."

"Okay! War auch nur ein dummer Jux. Der Knabe ging zu einer Adresse, wo er als Einstand einen angeblichen Hexentanz aufführen sollte. Dabei wurde er gefilmt und abends in einer Show mit versteckter Kamera gezeigt. Also laßt euch nicht veralbern, wenn einer kommt und sagt, er habe einen echten Zauberer an der Hand."

"Ich steh sowieso mehr auf Hexen", meinte Lester. Und als hätte er dieses Stichwort gebraucht, um etwas anderes loszuwerden, sprudelte es sofort aus ihm heraus:

"Apropos Hexen. Seitdem Moira in dieser höheren Mädchenschule eingebunkert ist, zickt die nur noch rum und spielt sich auf, wie ein Professor von sechzig Jahren. Allein schon die Sprache von der solltet ihr euch mal reinziehen."

"Habt ihr eigentlich mal wieder eine Rollenspielsitzung gemacht?" Fragte Julius, der sich noch gerne daran erinnerte, das die drei vor einem Jahr noch mysteriöse Geschichten von Rittern und Zauberern nachgespielt hatten.

"Nein, eigentlich nicht. Wir haben uns mit unseren Mitschülern nicht sonderlich gut angefreundet. Einige von denen sind gut drauf, aber andere dafür völlig abgedreht", stellte Malcolm fest.

"Bei uns sind sie auch nicht daran interessiert", stellte Julius wahrheitsgemäß fest. Denn was sie betrieben, war durch kein Spiel zu überbieten.

"Wir haben dafür viele Bücher und Comics gelesen. Unsere Lehrer waren zwar immer hinter uns her, daß wir diesen unwirklichen Schund nicht konsumieren sollten, aber die Romane, die unsere Englischlehrerin empfohlen hat, waren eher zum einschlafen als spannender Lesestoff", sagte Lester und holte, wie auf ein Stichwort einen kleinen abgegriffenen Band aus seiner kleinen Tragetasche, in der noch Schreibzeug, Streichhölzer und eine Garnrolle steckten.

"Der Foltergarten des Imperators Cruelloch", prangte in blutroten Buchstaben auf dem Titelbild, daß einen Astronauten im Raumanzug und ein kleines Mädchen mit silbernen Haaren zeigte.

"Ist das neueren Datums?" Fragte Julius, der seinen Blick nicht von dem auf dem Hintergrund des Titelbildes dargestellten Raumschiff abwenden konnte, das einem langezogenen Düsenflugzeug ähnelte, ähnlich der Concorde.

"Der Kram ist vor einem halben Jahr aufgelegt worden. Der Typ im Raumanzug heißt Scorpio Taurus. Die Kleine da ist Selene Vesta, eine Sternenprinzessin mit parapsychischer Heilkraft, Telepathie und sehen von Unsichtbarem ausgestattet, während Scorpio ein Ultranthrop ist, der so stark ist wie Hercules. Die wollen den als neue Superheldenfigur nach Flash Gordon und Superman herausbringen. Sie haben es auf jeden Fall geschafft, ein Comic in ein Textbuch umzuschreiben. Lies dir das ruhig durch und schicke mir dann mal deine Eindrücke davon", bot Lester Julius das Buch an. Julius ließ es in seiner zweiten Jackentasche verschwinden und konnte noch den Reißverschluß schließen.

"Das darf ich Paps nicht zeigen, sonst beschlagnahmt der das noch. Und ich weiß auch nicht, wie unsere Lehrer drauf anspringen. Deshalb sollte ich es bis Dienstag durchgelesen haben", beschloß Julius.

Die drei Freunde spielten noch eine Weile fußball, allerdings nicht mehr so ausgiebig. Sie paßten sich den Ball zu, schossen Elfmeter ins leere Tor oder übten Kopfballspiel. Dann meinte der Hogwarts-Schüler zu seinen ehemaligen Klassenkameraden:

"Wenn ich noch duschen will, bevor Mum das Essen fertig hat, muß ich nach Hause, Jungs."

"Alles klar, Julius. War schön, wieder mal mit dir was unternommen zu haben", bekundete Malcolm seine Freude. Lester pflichtete ihm bei, daß er mal wieder mit einem guten Kumpel zusammen ohne großes Gelaber Fußball gespielt hatte.

Julius begleitete die zwei alten Freunde noch nach Hause, dann kehrte er zum Haus seiner Eltern zurück. Er sah beim Betreten des Hauses auf die Uhr im Flur und verglich sie mit seiner Armbanduhr. Beide zeigten eine halbe Stunde vor ein Uhr. Er meldete sich mit einem lauten "Ich bin wieder da!" zurück. Doch seine Mutter war noch nicht wieder vom Einkaufen heimgekehrt. So stieg er zu seinem Zimmer hinauf, zog sich die durchgeschwitzten Joggingsachen aus, holte die Befreiungsbonbons und das ausgeliehene Science-Fiction-Buch aus den Taschen und verstaute sie wieder sicher außerhalb der Sicht- und Griffhöhe von Babette. Dann nahm er eine kurze Dusche und zog seine Alltagskleidung wieder an. Gerade, als er damit fertig war, schaltete Julius den Computer ein, bevor ihm einfiel, daß der durch irgendwas kaputtgegangen war. Doch der Rechner startete ordnungsgemäß, testete die Laufwerke und lud das Betriebssystem. Julius wunderte sich nur einen kurzen Moment. Dann schwante es ihm, daß die Professorin aus Frankreich wohl ihre weit besser entwickelten Hexenkünste auf den Computer angewandt und diesen wieder repariert hatte. Julius prüfte, ob die Daten auf der Festplatte noch in Ordnung waren, war beruhigt, daß noch alles gespeichert war, was vor dem Ausfall auf der Festplatte war und las kurz die E-Mail von Moira, die er gestern nachmittag abgeholt und einstweilen abgelegt hatte. Moira schrieb:

Hallo, Julius!

Ich hoffe, du verlebst gute und erholsame Osterfeiertage bei deinen Eltern. Da ich, wie bereits beschrieben, an einem Referat über das Mittelalter arbeite, verfüge ich selbst nicht über genug Zeit der Muße und Erholung. Meine Mutter befindet sich gerade auf einer journalistischen Auslandsreise, während mein Vater einer Sache nachgeht, die eventuell, so ließ er durchblicken, das Weltbild der Geschichtsforschung um eine Tatsache erweitern wird, die bislang als pure Legende anerkannt wird. Näheres hierzu darf ich jedoch nicht preisgeben, da die Ermittlungsarbeit weder zufriedenstellend beendet, noch irgendetwas vorab veröffentlicht werden darf, bevor mein Vater sich nicht bereiterklärt, seinerseits die Medien in Kenntnis zu setzen.

Falls es meine Zeit wider erwarten doch noch zuläßt, möchte ich anfragen, ob ich Sonntag Nachmittag nicht bei euch zum Tee vorbeikommen kann, um mal wieder unter Leute zu kommen. Da eure Schule ja merkwürdigerweise nicht über modernste Kommunikationseinrichtungen verfügt, war es dir ja nicht möglich, mit mir in Kontakt zu bleiben. Daher verstehst du wohl meine Neugier, wie es dir bislang ergangen ist.

Ich werde anrufen, falls sich für mich die Zeit erübrigen läßt, eine Arbeitspause einzulegen.

mit freundlichen Grüßen

Moira Stuard

Julius mußte an Malcolm und Lester denken, die behauptet hatten, Moira würde sich zu geschraubt ausdrücken.

"Malcolm und Lester haben recht. Die Moira hebt ab und schwebt immer weiter von uns weg."

Es läutete an der Haustür. Julius fuhr den Computer wieder herunter, schaltete ihn aus und sprang die Treppen hinunter, um zu sehen, wer vor der Tür stand. Er glaubte, Joe und Babette wären schon zurück. Doch vor der Tür stand Madame Faucon, unter dem Arm eine Einkaufstüte aus Jutestoff, wie er sie auch in der Winkelgasse bei älteren Hexen und Zauberern häufig gesehen hatte. Er zögerte, ob er die Tür öffnen sollte, solange seine Mutter nicht daheim war. Doch war es auch unhöflich, einen Hausgast vor verschlossener Tür zu lassen. Er öffnete also.

"Bonjour Julius! Ta Mère et Catherine sont à la maison?"

"Wie bitte?! Catherine ist noch nicht da! Non! Catherine non est hici", quälte sich Julius eine hoffentlich verständliche Antwort ab. Dann ließ er die ältere Hexe herein.

Madame Faucon trug erst ihre Einkaufstüte nach oben zu ihrem Gästezimmer. Dann kam sie herunter, ging schweigend in die Küche und untersuchte ohne weiteres Wort den Inhalt der Küchenschränke. Julius sah ihr zu, wie sie den Kühlschrank öffnete, kurz hineinschaute, den Kopf schüttelte, um dann die Gewürze und Konservendosen zu begutachten. Julius hörte, wie sie bedauernd seufzte und den Schrank wieder schloß.

"Die fällt voll vom Glauben ab", dachte der elfjährige Hogwarts-Erstklässler in aller Stille. Er schaffte es nicht, sein Grinsen schnell wieder aus dem Gesicht zu bekommen, als die altehrwürdige Hexe aus der Küche kam und mit der Hand auf ihn deutete.

"Ou est ta mère, Julius?"

"Das soll wohl heißen, daß Sie wissen wollen, wo meine Mutter ist. Weiß ich nicht", erwiderte Julius langsam und deutlich sprechend. In dem Moment klingelte das Telefon. Julius ging schnell in den Flur und hob den Hörer von der Gabel.

"Andrews", meldete er sich.

"Hallo, Julius. Wir hängen in einem Stau auf der Oxfordstraße fest. Ich habe dein Mobiltelefon dabei gehabt. Gute Idee. Wir können im Moment nicht zurückkommen. Wenn Joe und Babette eintrudeln, kannst du dann eine Tüte Spaghetti aufmachen und kochen? Tomatensoße habe ich noch im Konservenschrank."

"Müßte ich hinkriegen. Haben wir noch italienische Gewürze im Schrank?"

"Ja, sowie geribenen Parmesankäse", antwortete Martha Andrews. Julius wollte gerade was entgegnen, als die ältere Hexe hinter ihm stand und in einem befehlsgewohnten Tonfall forderte: "Je veux parler avec Catherine!"

"Mum, kannst du Catherine kurz das Handy geben? Ihre Mutter möchte wohl was, habe ich ungefähr verstanden."

"Kein Problem."

Julius gab der Hexe aus Frankreich den Telefonhörer und trat mehrere Schritte zurück, bereit, sich die Ohren zuzuhalten, falls Professeur Faucon in den Hörer brüllen würde, wie Aurora Dawn es bei Bill Huxley getan hatte. Doch die ehrwürdige und respekterheischende Dame sprach ganz normal in den Telefonhörer, wenngleich sie etwas verärgert klang. Julius hörte, wie Madame Faucon wenige Sätze sprach und dann auflegte. Julius, der dachte, daß seine Mutter ihn noch mal hätte sprechen wollen, verzog kurz das Gesicht wegen dieser Eigenmächtigkeit der Besucherin. Doch als diese sich zu ihm umdrehte vergaß er diesen Gedanken schnell wieder. Die Zauberkünstlerin aus Frankreich sah ihn aus ihren saphirblauen Augen an, wie jemanden, den sie im nächsten Moment entweder hypnotisieren oder in einem Feuerball verglühen lassen wollte.

Julius erstarrte, als habe jemand den Ganzkörperklammerfluch auf ihn geschleudert. Er sah, wie die Hexe auf die Küchentür deutete und ihm winkte, ihr zu folgen. Da wich die Starre wieder von Julius' Körper. Er folgte wortlos, wie ein stummer Dienstbote seinem Herren. Dabei dachte er daran, daß diese Frau mühelos eine Klasse von hundert Schülern mit einem solchen Blick sofort zur Ruhe bringen konnte und dies wohl auch schon oft getan hatte.

In der Küche öffnete die Hexe den Vorratsschrank, fischte die Spaghetti heraus und holte aus dem Gewürzschrank Origano, Basilikum und Salz. Dann stellte sie die Gewürze wieder zurück und nahm eine Gewürzdose mit Kräutern der Provence heraus, schnupperte, nickte und stellte die Dose neben die rechte vordere Herdplatte.

Julius trat an den Konservenschrank, um Tomatensoße zu holen, wurde jedoch mit einem entschiedenen "Non!" zurückgerufen. Dann sah er, wie die Hexe ganz ungeniert einen Zauberstab aus ihrem Ausgehkleid holte, damit auf das freigeräumte Küchenbord zeigte und ihn kurz durch die Luft sausen ließ. Mit einem kurzen Plopp erschienen fünf große Tomaten, in herrlichem Rotton. Wieder vollführte die Hexe eine Bewegung mit dem Zauberstab und holte dadurch ein Bund anderer Küchenkräuter aus dem Nichts. Eine weitere Zauberei brachte vier Knoblauchzehen, diverse Paprikaschoten und einen kunstvoll gestalteten Pfefferstreuer her. Julius, der nicht zugeben wollte, daß Zauberei für ihn zu den alltäglichsten Dingen gehörte, stieß einen entgeisterten Schrei aus, rief: "Das gibt's doch nicht! Das kann doch nicht sein!" und sprang aus der Küche zurück, als müsse er vor etwas schrecklichem fliehen.

"Wirst du wohl zurückkommen!" Rief Madame Blanche Faucon energisch und in einem Englisch, das so akzentfrei klang, als habe sie die Sprache zehn Jahre lang studiert. "Du willst mir doch etwa nicht vorspielen, daß es dich erschreckt, einer Hexe beim hexen zuzusehen, Julius Andrews. Komm wieder rein, sofort!"

Julius wirbelte herum und stand keine Sekunde später wieder in der Küche.

"Catherine glaubt immer noch, du seist ein Muggel. Aber ich habe einen interessanten Brief erhalten, der das Gegenteil belegt. - Du wunderst dich, daß ich eure Sprache so gut beherrsche? Das liegt schlicht daran, daß sie so einfach konstruiert ist, daß sie jeder lernen kann, der aus einem höher entwickelten Sprachraum abstammt."

"Ich habe nichts von einem Postboten mitbekommen. Hat der Ihnen den Brief während ..."

"In Ordnung! Du möchtest bis zur letzten Sekunde spielen. Gut! Ich weiß, daß du seit einem halben Jahr in Hogwarts zur Schule gehst und das deshalb, weil eine Vorfahrin von dir eine Hexe war. Das Zaubereiministerium hat mich nämlich gefragt, wer gestern abend einen ziemlich tolpatschigen, aber doch wirksamen Mechanetus-Zauber in diesem Haus gewirkt hat. Da meine Familie und ich bei unserer Einreise nicht nur von den Grenzbeamten der Muggel, sondern auch von denen unserer Welt registriert wurden, weiß man im Zaubereiministerium, daß ich bei euch zu Gast bin. Es wäre also unnötig gewesen, mich zu fragen, wer den Zauber gewirkt hat, da ja der Logik nach nur drei Leute dafür in Frage gekommen wären, von denen zwei zu gut ausgebildet sind, um derartig unbeholfen zu zaubern. Doch die Antwort folgte im nächsten Absatz. Dort stand zu lesen, daß sich dort, wo ich glaubte, nur bei Muggeln untergekommen zu sein, ein elfjähriger Junge befinde, der seit einem halben Jahr in Hogwarts unterrichtet wird. Mir war natürlich auch ohne eine weitere Ausführung klar, wer es sein mußte. Ich sandte eine Antwort zurück, in der ich darüber informierte, daß ich nur in deiner Anwesenheit hexen würde, ohne deine Eltern darüber in Kenntnis zu setzen, daß ich und damit auch meine leiblichen Verwandten einer Welt ohne künstliche Gifte und Technik entstammen."

"Dann bleibt mir wohl nur übrig, Danke zu sagen, Madame Faucon. Danke dafür daß Sie meinen Computer repariert haben."

"Das hast du dir also schon gedacht, daß ich das war, du Lümmel. Nun, dann ist dir wohl auch bekannt, welchen Status ich in unserer Welt innehabe?"

"Woher? In unserem Haus ist die Times die Zeitung, aus der man was neues erfährt, nicht der Tagesprophet oder die Hexenwoche."

"So? Also hat dir heute morgen niemand vorgelesen, was in der aktuellen Hexenwoche veröffentlicht wurde?"

Die Professorin aus Beauxbatons sah Julius durchdringender an, als es jemand zuvor getan hatte. Sein Widerstand war sinnlos. Er sagte:

"Ich erhielt am Morgen des heutigen Tages einen Anruf von einer Person aus meiner Schulklasse, die darauf brannte, mir eine wichtige Mitteilung vorzulesen. Die Mitteilung entnahm sie der neuen Hexenwoche, worin geschrieben stand, daß sich eine Madame Professeur Blanche Faucon, Mutter einer verheirateten Tochter namens Catherine zusammen mit ihrer sechsjährigen Enkeltochter Babette in England aufhalte, um über die Osterfeiertage den Alltag von englischen Muggeln mitzuerleben. Mehr stand in dem Artikel nicht drin, außer eine Auflistung von Glanztaten und Orden, die besagte Professeur Faucon in ihrem erfolgreichen Leben bereits errungen habe. Mehr kam nicht rüber", beendete Julius den im Stile eines Beamten vorgetragenen Bericht von Glorias Anruf.

"Aber du wußtest natürlich schon, das ich hexen konnte. Heute morgen hast du nämlich nicht diesen bühnenreifen Entsetzensschrei gegeben, als ich die Obstschale herbeschworen habe. Wahrscheinlich war es dir schon klar, als Babette deinen Computer beschädigt hat. Du bist sehr schlau und sehr beherrscht. Aber ich habe hunderte von Jungen und Mädchen erfolgreich zu Hexen und Zauberern ausgebildet, die alle meinten, mich an der Nase herumführen zu können. Wer ist dein Hauslehrer in Hogwarts? Meine geschätzte Korrespondenzkollegin Professor McGonagall oder Professor Flitwick?"

"Würden Sie mir abnehmen, wenn ich Professor Snape als Hauslehrer hätte?" Fragte Julius frech. Ihm gefiel das Spiel immer noch, obwohl er es schon längst verloren hatte.

"Niemals! Dieser Zauberer ist nur Professor, weil er sich gut mit Professor Dumbledore steht. Der ist nicht dein Hauslehrer."

"Sie haben recht, es ist Professor Flitwick. Und wozu wollen Sie das wissen?" Stellte Julius Andrews eine weitere Frage.

"Ganz einfach. Ich wollte nur wissen, wo du untergebracht wurdest. Es deckt sich übrigens mit meiner Vermutung. Denn ein Hufflepuff-Schüler hätte seinen Eltern sofort mitgeteilt, daß er etwas bemerkt hat, was mit der Zauberei zu tun hat. Und ein Slytherin-Schüler hätte versucht, sich das Wissen um mich und meine Verwandtschaft nutzbar zu machen. Es konnten also nur noch Ravenclaw oder Gryffindor in Frage kommen. Von der Intelligenz und Auffassungsgabe her war Ravenclaw wahrscheinlicher als Gryffindor."

"Moment, die Gryffindors haben auch kluge Leute, falls Sie dieses Einteilungsschema des sprechenden Hutes als Maßstab benutzen."

"Das stimmt natürlich. Aber Leute die denken können und ihr Wissen solange wie möglich für sich behalten, besitzen mehr Weitsicht und wägen alle Konsequenzen gründlich ab. Das hast du getan. Deshalb wolltest du auch nicht mit mir in die Stadt, oder? Du hattest Bedenken, dich zu verraten oder zu offenbaren, daß du mehr von mir weißt, als ich preisgeben wollte. Auf den Punkt gebracht: Du wolltest dich mir nicht ausliefern."

"Ich mach immer einen Unterschied zwischen Angst und Respekt", brachte Julius heraus.

"Das ist auch richtig. Jedoch gibt es Leute, die brauchen Angst, um Respekt zu erlernen. Mein Muggelschwiegersohn zum Beispiel respektiert unsere Welt nur, weil ich ihm eingeschärft habe, daß jeder Versuch, sich gegen uns zu wenden, negative Folgen mit sich bringen wird."

"Sie haben ihm gedroht?"

"Wenn es dabei geblieben wäre, wäre er wohl heute noch aufsässig und demütigend zu seiner Frau."

"Entschuldigung! Aber bevor Sie mir Familiengeheimnisse ausplaudern: Ich will das gar nicht wissen!" Unterbrach Julius die Hexe. Diese lächelte und sagte:

"Ich wollte auch nur sagen, daß ich sehr gut mit Leuten klarkomme, die sich an gegebene Situationen anpassen können. Daher sollten wir beide, solange wir unter uns sind, dieses Versteckspiel beenden. Ich werde jedoch weiterhin nur französisch mit deiner Mutter sprechen, um Joe und sie im Glauben zu lassen, ich sei eine sprachlich unerreichbare, gestrenge Geheimnisvolle. Das vermeidet viele neugierige Fragen."

"Das ist auch in meinem Interesse. Sonst müßte ich ja zugeben, daß ich weiß, was Sie sind, weil ich selbst ein Zauberer bin. Ich will nicht, daß Joe oder Babette das mitbekommen. Es ist ja schon für meine Eltern schwierig genug, sich damit abzufinden."

"Wem sagst du das? Und jetzt hilf mir bei der Zubereitung meines Standardnotgerichtes: Nudeln in Tomatensoße de Beauxbatons!"

Julius ging der Hexe zur Hand, die nach dem Herholen von frischen Gemüse- und Gewürzpflanzen keine Zauberei mehr benutzte. Innerhalb einer halben Stunde hatten sie den großen Topf mit Spaghetti und einen kleineren Topf mit der Soße zum kochen gebracht. Als dann Joe, Babette und Julius Mutter mit Catherine zurückkehrten, war das Essen fertig und der Tisch gedeckt. Von nun an sprach die Mutter von Catherine nur noch Französisch.

Julius' Mutter war erstaunt, wie gut die Soße schmeckte und wieviele Zutaten noch hineingegeben worden waren. Sie sah Julius kurz an, der sofort eine vorgedachte Ausrede brachte:

"Madame Faucon hat mir mit Händen und Füßen erklärt, daß sie keine Konserven haben wollte. Dann hat sie mir die Gewürze unter die Nase gehalten, genickt und dann auf deinen Einkaufskorb gedeutet. Ich bin dann hier um die Ecke in den Laden und habe frisches Zeug geholt. Ging ganz schnell und war ein gutes Training für mich."

"Du bist dahin gelaufen?"

"Wie denn sonst, Mum. Geflogen kann ich ja wohl nicht sein. Und beamen lassen konnte ich mich auch nicht", versetzte Julius aufsessig.

"Ja, dumme Frage. Ich weiß", erwiderte Martha Andrews. Beinahe hätte sie verraten, daß sie ihrem Sohn auch etwas anderes unterstellt hatte, als zu Fuß einen Supermarkt zu besuchen.

Nach dem Essen bedankte sich Martha Andrews bei Madame Faucon.

Joe Brickston erlebte noch eine Überraschung. Er wollte an und für sich Julius' Computer untersuchen, um den Fehler zu finden. Julius führte ihm vor, daß sein Rechner wieder tadellos funktionierte. Darauf meinte der Computerexperte:

"Dann war das wohl eine Überspannung. Habe ich auch schon gehabt. Die Kiste stürzte ab, ließ sich nicht mehr hochfahren, bis zwei Minuten vergangen waren. Dann klappte alles wieder. Allerdings waren einige Dateien zerschossen, weil miten in einem Arbeitsvorgang der Absturz erfolgte."

"Dann hat sich das wieder eingeränkt", antwortete Julius. Joe nickte bestätigend und verließ das Zimmer.

Als Richard Andrews anrief, saßen die Andrews und Brickstons zusammen mit Madame Faucon beim Nachmittagstee. Zunächst ging Martha Andrews an den Apparat und erzählte, daß sie gut mit den Gästen klarkam, zumal sie mit Joe viele alte Geschichten aufwärmen konnte. Sie erwähnte auch, daß Joes Schwiegermutter mitgekommen sei, kurzfristig, und daß sie das zweite Gästezimmer bereithalten mußte. Sie sagte dann noch:

"Richard, was sollte ich machen? Ausladen konnte ich ihn ja nicht wieder. - Wie? Nein, die kann nur Französisch. - Achso! - Gut, dann probiere ich den aus. Wo liegt der? - OK, Richard. Ich gebe dir mal Julius."

Julius nahm diese Ankündigung als Aufruf, um hinauszugehen und den Telefonhörer entgegenzunehmen.

"Hallo, Julius", hörte der Hogwarts-Schüler seinen Vater sagen. Julius erwiderte die Begrüßung und hörte dann, wie sein Vater ihm kurz berichtete, was er so erlebt hatte. Dann fragte Mr. Andrews:

"Und, kommst du gut mit deinem Onkel Joe und Babette klar?"

"Besser, als ich erst gedacht habe", erwiderte Julius. Sein Vater erwiderte leicht verängstigt:

"Wieso, hast du die kleine ..."

"Nein, habe ich nicht. Die kleine hört gut auf ihre Großmama und stellt nichts an."

"Und ich hatte schon befürchtet ... Doch Mum sagte, die ältere Dame könne kein Englisch. Dann soll Mum den Sprachencomputer nehmen, den wir vor zwei Jahren benutzt haben, um uns durch Belgien zu fragen", sagte Richard Andrews. Julius nickte und erwiderte: "Hoffentlich reicht das aus. Das Ding ist doch für Touristen gemacht worden."

"Für Alltagssituationen reicht das."

"Gut. Ich habe von Moira eine E-Mail bekommen, worin sie etwas von ihrem Vater schreibt, daß der einen wichtigen Fund gemacht hat. Muß etwas mit alten Kelten zu tun haben. Moira schrieb sehr unbeeindruckt davon."

"Soso. Dann wird sich Professor Stuard ja bald wieder in den Fachzeitschriften wiederfinden."

"Mag sein", tat Julius diese Möglichkeit gelangweilt ab.

"Dann rufe ich morgen noch mal an. Ich hoffe, es passiert nicht noch was unvorhergesehenes", sagte Richard Andrews. Julius entgegnete:

"Noch haben sie die Wasserstoffbombe im Keller nicht scharf gemacht, Paps. Du wirst also noch ein bewohnbares Viertel finden, wenn du nach Hause kommst."

"Ha-ha-ha! Wieder mal zu einem dummen Scherz aufgelegt, wie? Du weißt genau, wie ich das gemeint habe."

"Jooh!" gab der Zauberschüler eine lässige Antwort.

"Dann bis morgen."

Das Experiment mit dem Übersetzungscomputer verlief außerordentlich lustig, fand Julius. Denn es zeigte sich nach wenigen Versuchen, daß die Maschine, die aus einer winzigen Schreibmaschinentastatur und einer vierzeiligen Flüssigkristallanzeige bestand, zwar kurze Standardsätze wie "wo geht es hier zum Bahnhof?" oder "Ich möchte bitte ins hotel X gefahren werden!" anstandslos übersetzen konnte. Doch bei außertouristischen Sätzen spielte der Übersetzungscomputer nicht so recht mit und übersetzte entweder in völlig andersdeutige Begriffe oder verweigerte schlicht weg einen Versuch, etwas zu übersetzen.

"Ich habe meinem Mann zwar gesagt, daß damit keine intelligenten Gespräche übersetzt werden können, aber er meinte, wir sollten es mal ausprobieren", sagte Mrs. Andrews abschließend.

"Wieso sollte das Ding da nicht Alltagswörter übersetzen? Die Einrichtungsgegenstände und Speisen, so wie Besteckteile dürfte der Apparat doch in seinem Speicher haben", wandte Joe Brickston ein. Er versuchte es und schaffte es, kurze Sätze brauchbar übersetzen zu lassen, wenngleich die Grammatik nicht immer der Vorgabe entsprach.

Zum Abend hin bereiteten Martha Andrews und Catherine Brickston das Essen vor, das aus einem 3-Gänge-Menü bestehen sollte. Zunächst gab es eine Lauchcremesuppe mit Schinkenröllchen. Zum Hauptgang trug Martha Andrews Geschnetzeltes mit Reis auf. Zum Nachtisch gab es Früchteeis.

Abends sahen sie sich noch einen Lustfilm im Fernsehen an. Es handelte sich um eine Verwechslungskomödie.

Um neun uhr ging Babette schlafen. Um zehn verabschiedete sich Julius. Seine Mutter wunderte sich darüber, daß er schon so früh zu Bett gehen wollte. Julius gab vor, noch einige E-Mails bearbeiten zu müssen und verabschiedete sich von den beiden französischen Hexen. Professeur Faucon wünschte ihm "bonnenuit", und Julius erwiderte den Gruß.

Julius verschwand in seinem Zimmer, zog sich seinen Schlafanzug an und warf sich ins Bett, um noch etwas in Lesters Buch zu lesen.

Die Story war zwar nicht besonders neu, doch mal wieder eine willkommene Abwechslung. Scorpio Taurus, der Mann mit der zehnfachen Körperkraft und Schnelligkeit eines Normalerdenbürgers, mußte mit seinem Sternenkreuzer "Sternentänzer" in ein Sonnensystem fliegen, wo der grausame Herrscher Cruelloch eine Waffe zur Eroberung des Universums gebaut hatte. Scorpio kämpfte sich an mehreren Ungeheuern und versklavten Kriegern vorbei in die Hauptstadt, wo er die ihrer Eltern beraubten Sternenprinzessin Selene Vesta traf und ihr aus einer Notlage helfen konnte. Dennoch gelang es dem Imperator des Schreckens, der Julius witzigerweise an Voldemort erinnerte, den Superhelden und seine Freunde gefangenzunehmen. Julius wollte das Buch schon bei Seite legen, als er las, daß alle Gefangenen in ein Labyrinth geschickt wurden, in dem baumhohe Farne einen grünlichblauen Nebel absonderten, der die Gefangenen ihrer Selbstbeherrschung beraubte und sie unvermittelt in Tränen und Verzweiflung ausbrechen ließen. Julius kam das irgendwie bekannt vor. Er las weiter. Der Foltergarten war deshalb so schlimm, so stand dort, weil jeder, der ihn betrat, all seine Untaten ins Gedächtnis zurückgerufen bekam und in starken Ängsten und Schuldgefühlen ertrank, bis er oder sie wahnsinnig wurde. So konnte sich der Imperator Cruelloch neue Kampfsklaven schaffen, in deeren verwirrten Geist er fernhypnotische Impulse strahlen lassen konnte. Doch die Sternenprinzessin Selene schaffte es, den Garten der Folter zu durchschreiten und eine Flammenbombe zu zünden, so daß die Dunstschwaden der Farne vernichtet wurden. Die Freunde der kleinen Sternenprinzessin kamen langsam wieder zu Verstand und konnten gegen Cruelloch kämpfen, der mit blauen Todesstrahlen um sich schoß. Dabei wurde Scorpio Taurus getroffen und drohte zu sterben. Doch Selene Vesta heilte ihn mit ihren Mutantengaben und konnte mit ihm zusammen aus der Hauptstadt entkommen, nachdem Cruelloch besiegt war.

Ein Weltraumpsychologe fand heraus, daß Selene noch nie in ihrem Leben Angst vor etwas haben mußte, da sie noch nie etwas verbotenes getan hatte. Den Tod ihrer Eltern hatte sie nicht miterlebt und somit auch keine Erinnerung daran, die ihr im Foltergarten hätte schaden können. Sie war in jeder Hinsicht ein Unschuldsengel.

Julius hatte das Buch komplett durchgelesen. Wo er am Anfang noch gedacht hatte, es schnell weglegen und schlafen zu können, war die restliche Handlung für ihn zu interessant gewesen, um die Lektüre zur Seite zu legen. Doch nun spürte er die Müdigkeit. Er knipste die Taschenlampe aus und schloß die vor Überanstrengung brennenden Augen.

Im Traum erschienen ihm die Figuren aus dem Buch und fochten ihre Schlachten aus. Dann sah er die Sternenprinzessin Selene Vesta im Foltergarten. Er vermeinte, zwischen den dunstigen Farnen Dementoren zu sehen, die die Hände ausstreckten, um sie dann wieder zurückzuziehen, als würden sie gegen Glaswände stoßen. Dann verschwand die Sternenprinzessin in einer Nebelwolke. Heraus kam die abgemärgelte Gestalt von Sirius Black mit langen zerzausten Haaren. Der Askaban-Flüchtling trat auf eine große Röhre zu, von der Julius wußte, daß es die Flammenbombe war, mit der die Sternenprinzessin den Foltergarten vom Nebel der Farne befreit hatte. Ein Dementor rief mit einer unheimlich widerhallenden Stimme:

"Sirius Black! Es wird Zeit für dich, zu uns zurückzukehren!"

"Ihr habt keine Macht über mich", johlte Sirius Black wie ein kleines Kind, dem man etwas unheimlich tolles geschenkt hatte.

"Ich bin euch entkommen. Ich bin immun gegen euch. Ihr könnt mich nicht halten!" Rief Black und löste die Bombe aus. Ihr blauer Feuerball löschte das Bild aus und ließ Julius in sein Bett zurückstürzen, wo er schweißüberströmt und mit in den Ohren hämmerndem Herzschlag zu sich fand.

"Hui! Ich sollte doch keine Bücher über irgendwelche Grausamkeiten lesen, bevor ich schlafe", dachte Julius. Er lauschte. Über sich hörte er leise Schritte. Die altehrwürdige Hexe aus Frankreich war aufgestanden und ging zum Fenster. Womöglich erledigte sie jetzt ihre Eulenpost. Julius drehte sich wieder um und schlief ein.

Er träumte von seinen Schultagen in Hogwarts und von dem legendären Quidditchmatch, das er mit Aurora Dawn besucht hatte.

Als er wieder erwachte, war es bereits sechs in der Früh. Der Hogwarts-Schüler warf sich noch eine halbe Stunde im Bett herum, bis er lustiges Quieken und Lachen aus der Etage über ihm hörte. Babette war schon auf und würde wohl schon darauf brennen , nach versteckten Ostereiern und Schokoladenhasen zu suchen. Er war sich sicher, daß seine Mutter und Catherine die kleinen Ostergeschenke für das Hexenmädchen mit den schwarzen Zöpfen bei dunkler Nacht versteckt hatten. Vielleicht waren es auch Madame Faucon und ihre Tochter alleine gewesen, die dem Kind eine Freude machen wollten.

Julius stemmte sich aus dem Bett und lief in das Badezimmer, wo er sich duschte und sich anzog.

"Julius, kannst du schon Tee und Kaffee aufsetzen, wenn du schon wach bist?" Hörte er die verschlafene Stimme seiner Mutter. Julius antwortete darauf mit einem Ja und ging hinunter ins Erdgeschoß, wo Küche, Wohn- und Essraum lagen. In der Küche traf er Catherine Brickston, die bereits den Teekessel aufgesetzt und die Kaffeemaschine eingeschaltet hatte.

"Huch! Geht meine Uhr nach oder sind alle so früh aufgestanden?"

"Erstmal guten Morgen, Julius. Nein, deine Uhr geht nicht nach. Maman und ich sind schon seit fünf Uhr auf, um Babette einige Osterüberraschungen zu bereiten."

"Soso. Und wo ist deine Mutter gerade?" Wollte Julius wissen. Catherine sagte:

"Sie liest gerade Zeitung im Wohnzimmer."

Der Hogwarts-Erstklässler wunderte sich, daß die alte Hexe mitten in der Nacht Eulenpost bearbeiten und dann noch so früh morgens aus den Federn kommen konnte. Doch das sagte er lieber nicht laut. Julius schnitt Brot ab und stellte wieder Marmeladengläser heraus, um sie im Esszimmer auf den Tisch zu stellen.

"Deine Mutter schläft noch?" Fragte Catherine Brickston.

"Ja, sie hat mir gesagt, daß ich hier alles vorbereiten soll. Aber sie wußte wohl nicht, daß ihr alle schon auf seid", antwortete der Sohn von Martha und Richard Andrews.

"Joe liegt auch noch im Bett. Der Mann hat einen gesunden Schlaf. Der hat noch nicht einmal mitbekommen, daß Babette ihm die Decke weggezogen hat", lachte Catherine Brickston.

Babette rannte lachend in die Küche und deutete auf Julius:

"Heh du, ich war schon draußen und habe geguckt, was der Osterhase versteckt hat!"

"Ach, und ich dachte den Osterhasen hätten sie entlassen, weil er dem Weihnachtsmann die Schau gestohlen hat", entgegnete Julius gemein.

"Ich such gleich weiter. Der Garten von euch ist so schön groß. Da liegt bestimmt noch mehr. Suchst du nicht auch?"

"Bei mir kommt der Osterhase immer erst, wenn alle Kinder ihre Ostereier gefunden haben. Weißt du, der will nämlich sehen, wie sie danach suchen, damit er sie beim nächstenmal noch besser verstecken kann."

"Achso", gab sich Babette mit dieser Antwort zufrieden und lief wieder aus der Küche. Dabei hätte sie fast ihre Großmutter umgerannt, die nicht besonders begeistert davon war. Sie tadelte ihre Enkeltochter kurz, dann kam sie in die Küche.

Madame Faucon sprach auf Französisch mit ihrer Tochter. Julius hörte dabei seinen Namen heraus.

"Maman wundert sich, daß du auch schon so früh auf bist", übersetzte Catherine. Julius erklärte, daß er früh aufgewacht sei und dann Babettes Lachen gehört hatte.

Wieder sprach Madame Faucon mit ihrer Tochter. Diese übersetzte:

"Maman möchte wissen, ob du nach den frischen Aprikosen von gestern noch frische Erdbeermarmelade probieren möchtest."

"Lust habe ich schon. Aber Sie möchte sich nicht zuviel Mühe machen", antwortete der Hogwarts-Schüler. Die Verwandlungslehrerin von Beauxbatons schüttelte den Kopf, kramte ihren Zauberstab hervor und vollführte damit eine schnelle Bewegung, worauf ein Messingkrug auf dem Küchenbord auftauchte.

"Ist das schon so gewesen oder hat sie das aus dem Nichts erschaffen?" Flüsterte Julius Catherine zu. Diese sah ihre Mutter an und übersetzte schnell die Frage, ebenfalls in Flüsterlautstärke. Madame Faucon sah Julius respekterheischend an und sagte gerade so laut, daß nur er und ihre Tochter sie verstehen konnten:

"Erste Lektion der Materialisationslehre: Es ist am einfachsten, Dinge an einem Ort auftauchen zu lassen, die bereits in der Endform existieren, als sie aus dem Nichts zu erschaffen." Dann lächelte sie. Julius dachte daran, daß ihre Schüler sich dieses Lächeln wohl hart erarbeiten mußten. Offenbar gefiel es Professeur Blanche Faucon, Julius nicht nur neues Wissen, sondern auch Produkte aus ihrem Garten bieten zu können.

"Wie erklären wir es meiner Mum, daß Sie Erdbeermarmelade dabei haben?" Fragte Julius im Flüsterton.

"Ich habe immer einige Leckereien aus dem Garten dabei, wenn ich verreise. Das ist eine Marotte von mir", flüsterte die Professorin.

"Babette, wieviel hast du schon gefunden?!" Rief Joe von der Treppe her und rannte ungeniert durch das Wohnzimmer aus der geöffneten Balkontür hinaus in den Garten.

"Ostereier zu finden ist doch kinderleicht. Man sagt "Accio" und schon kommen sie einem zugeflogen", flüsterte Julius. Madame Faucon sah ihn grimmig an und verließ die Küche, um ihrer Enkelin zuzusehen.

"Das hat Babette letztes Jahr auf ähnliche Weise bei ihren Muggelgroßeltern gemacht und so die Ostergeschenke zu sich geholt. Ich mußte die Vergissmichs bemühen, um den Vorfall vergessen machen zu lassen."

"Vergissmichs? Was soll denn das sein?"

"Mitarbeiter des Ministeriums. Die wichtigsten Leute überhaupt, wenn es um das Verbergen der Zauberei vor Muggeln geht. Sie korrigieren das Gedächtnis, so daß Muggel die Zaubereivorfälle vergessen."

"Diese Typen haben dann wohl letztes Jahr meine Freunde heimgesucht", dachte Julius. Denn daß Malcolm und Lester sich nicht mehr an den Brief erinnern konnten, den er von Hogwarts bekommen hatte, konnte ja nur so hingebogen worden sein.

"Wenn ich mal fragen darf: Wieso seid ihr dieses Jahr nicht bei Babettes englischer Oma?" Wollte Julius wissen.

"Die hat sich geschickt ins Ausland verdrückt. Offenbar war ihr Babettes letzter Streich einer zuviel gewesen. Der hatte zwar nichts magisches an sich, war aber dafür ziemlich gemein. Babette hat mit einem Eimer roter Farbe aus dem Keller von Joes Vater die Hausfassade neu bepinselt. Joe hat den Schaden zwar bezahlt, aber ich denke, daß er sich für's erste nicht mehr mit seiner Tochter dort sehen lassen darf."

"Gut, daß Babette nicht in unseren Keller kann. Paps hat vier große Schlösser an der Stahltür."

"Das wäre kein Hindernis", grinste Catherine gehässig. Julius mußte ihr zustimmen.

"Ich bin froh, daß mein Paps nicht hier ist. Der hätte sich schon längst aufgeregt, über Babette, über deine Mutter und über Joe."

"Wieso über meine Mutter?"

"Weil sie ihm im Punkte Autorität ebenbürtig ist, wenn nicht sogar überlegen. Wenn er dann noch etwas wüßte, was ihm schon bei mir Sorgen macht, wüßte ich nicht, wie er das wegsteckt", erklärte Julius.

"Du bist echt drollig, Julius", lachte Catherine Brickston. Dann gingen sie mit den Frühstückssachen hinüber ins Esszimmer.

Babette strahlte vor Glück. Sie hatte zwei große Schokoladenosterhasen, zwanzig bunte Ostereier und einen bunten Zauberwürfel im Garten gefunden. Julius beobachtete, wie sie immer wieder auf das Muggelspielzeug starrrte, das ihn vor fünf Jahren schon fasziniert hatte.

"Ich hatte auch mal so einen Zauberwürfel", verriet Julius Babette. Sie strahlte ihn an und fragte:

"Wielang hast du gebraucht, um den richtig hinzukriegen?"

"Mehrere Wochen. Wenn meine Eltern mir nicht gesagt hätten, daß ich was essen, trinken und im Haus machen sollte, hätte ich jeden Tag komplett damit zugebracht", erinnerte sich Julius mit grinsendem Gesicht.

"Du hast es gehört, ma chere! Essen und trinken, schlafen und lernen und mit anderen Kindern spielen, solltest du auf jeden Fall noch", sprach Babettes Mutter.

Nach dem Frühstück ging es noch mal in den Garten hinaus. Julius wollte sich ansehen, wo die Ostergeschenke versteckt gewesen waren. Babette zeigte ihm, daß sie den Zauberwürfel unter einem Rhododendronstrauch gefunden hatte. Julius Andrews bewunderte die Kleine. Er freute sich mit ihr über die vielen kleinen Geschenke.

Als das Telefon klingelte, dachte sich der junge Hogwarts-Schüler, daß sein Vater ihn anrufen würde. Er lief ins Haus zurück und sah seine Mutter, die den Telefonhörer bereits in der Hand hielt und hörte sie sagen:

"Ja, Richard. Die Kleine hat sich sehr gefreut über den Zauberwürfel. Julius ist gerade reingekommen. Willst du ihn haben?"

Julius nahm seiner Mutter den Hörer aus der Hand und meldete sich. Dann hörte er seinen Vater sagen:

"Hallo, Julius! Wie seid ihr in den Ostersonntag gekommen?"

Soweit alles im grünen Bereich", antwortete Richard Andrews' Sohn.

"Was macht der Übersetzungscomputer?"

"Catherine wird weiter für uns übersetzen, Paps. Es wäre fast zu einem Mißverständnis gekommen, weil der Übersetzer was falsch übermittelt hat. Hinzu kommt, daß der jedes Gespräch eher bremst als fördert."

"War ja auch nur ein Versuch. Wie ist denn die Frau sonst so, die Joe mit Catherine geheiratet hat?" Julius war erstaunt über soviel Anflug von Humor seines Vaters.

"Was soll ich sagen? Sie kann gut kochen, interessiert sich für Kultur und hat eine sehr starke Ausstrahlung, wie eine Königin."

"Ach neh. Aber sie hat noch nicht das Kommando im Haus übernommen?"

"Nur über Babette", grinste Julius.

"Das wäre ja was ganz neues. Okay, mein Sohn! Dann wünsche ich dir noch schöne Feiertage und eine sichere Rückkehr zur Schule."

"Alles klar, Paps", stimmte Julius zu und beendete das Gespräch. Er reichte seiner hinter ihm wartenden Mutter den Hörer und zog sich in das Wohnzimmer zurück, wo Joe gerade versuchte, den Zauberwürfel zu ordnen.

"Das ist ja wieder typisch! Was für die Kinder ist, wird von den Vätern in Beschlag genommen", ärgerte Julius den Computerexperten.

"Ein Kollege von mir, dessen Bruder ist Architekt. Selbst der mit seiner dreidimensionalen Vorstellungsgabe konnte dieses Hundsding nicht so schnell hinkriegen."

"Deshalb heißt das Ding ja auch Zauberwürfel", tönte Julius. "Vielleicht können den nur richtige Zauberer so schnell hindrehen."

"Wie überaus witzig. Dann sollte ich ihn vielleicht mal meiner ehrwürdigen Schwiegermutter in die Hand geben, wie?" schnaubte Joe Brickston. Zu seinem Verdruß kam Madame Faucon wie auf ein Stichwort herein und betrachtete den bunten Würfel, dessen sechs verschiedene Farben chaotisch über alle Seiten verteilt gedreht worden waren.

Julius stand auf und suchte den Übersetzungscomputer. Als er ihn fand, tippte er ein: "Das ist ein Zauberwürfel."

Die Übersetzung konnte Julius nicht überprüfen, doch Madame Faucon lächelte.

"Die hat davon sowieso keine Ahnung", raunzte Joe. Doch seine Schwiegermutter, von der Julius wußte, daß sie ihn wohl verstanden hatte, sah ruhig hin, wie Joe an dem Würfel drehte, ohne das Farbendurcheinander zu entwirren.

"Komm, gib mal her. Ich glaube, daß ich das hinkriege, obwohl du es geschafft hast, das Ding total zu verdrehen", sagte Julius und streckte die Hand aus. Doch Madame Faucon nahm ihm den Würfel ohne Worte aus den Händen und hantierte damit.

"Die nimmt den dir einfach weg. Hat man sowas schon gesehen?" Beschwerte sich Joe, wobei er aufpaßte, daß seine Schwiegermutter ihn nicht genau ins Gesicht sah. Julius lächelte nur.

"Warum nicht. Wenn es ihr Spaß macht."

Joe stand auf und verließ das Wohnzimmer, um zu Martha zu gehen, die bereits wieder in der Küche stand und sich mit Catherine unterhielt.

Julius sah zu, wie die Hexe aus Frankreich den Zauberwürfel leicht und spielerisch verdrehte und dabei immer mehr gleichfarbige Außenflächen nebeneinander erschienen. Dann drehte sie noch viermal in verschiedene Richtungen und holte so sechs gleichfarbige Flächen auf den Würfel. Julius wollte etwas sagen, doch die Hexe zischte ihm ein in allen Sprachen verständliches "schschsch" zu und legte das Spielzeug auf den Wohnzimmertisch.

Das Telefon läutete wieder. Julius, der auf dem Sprung in sein Zimmer war, ging schnell an den Apparat. Er meldete sich.

"Andrews!"

"Heh, Julius! Hier ist Bill. Ich wolte euch schöne Ostern wünschen. Ist dein Paps da?"

"Nein, der ist unterwegs und macht Mäuse für seine Firma", beantwortete Julius die Frage von Bill Huxley mit beschwingtem Tonfall.

"Der ist Direktor und reist durch die Gegend? Saftladen! Aber deine Mum ist da, oder?"

"Die steht in der Küche. Wir haben ein volles Haus, Bill. Aber ich hol sie dir mal an den Hörer", verkündete Julius und rief: "Mum, Bill Huxley ist dran!"

"Ich komme schon!" Kam die Antwort seiner Mutter.

Julius übergab den Hörer an Martha Andrews und lief in sein Zimmer hoch.

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, tauchte eine lange Nase unter seinem Bett auf. Der Kopf, an dem diese Nase saß, wies noch zwei große Fledermausohren und zwei tennisballgroße Augen von wasserblauer Farbe auf. Der Rest des kleinen Wesens schob sich behände unter dem Bett heraus, klopfte sich mit einer schnellen Handbewegung den Staub vom bunten Einteiler und grüßte mit schriller Stimme:

"Nifty wünscht Julius Andrews im Namen seiner Meisterinnen fröhliche Ostern!"

"Nicht so laut, bitte! Wir haben Besucher", zischte Julius dem Hauselfen der Porters zu. Dann fragte er im Flüsterton:

"Wielange haben Sie denn schon da unten gehockt?"

"Nifty hat eine Viertelstunde unter Julius' Andrews' Bett ausgeharrt, weil er den Auftrag hat, Julius Andrews ein Geschenk von Meisterin Dione Porter zu übergeben."

"Und dafür schicken Sie Sie durch die Weltgeschichte? Das ist doch völlig unnötig", wandte Julius ein. Der Hauself schüttelte den Kopf.

"Oh, das ist nicht richtig, Julius Andrews, Sir. Mrs. Dione Porter hat gesagt, daß Nifty selbst das Geschenk übergeben soll, weil Cook nicht zu Hause ist, um das Geschenk zu überbringen."

"Es ist doch nur Ostern", maulte Julius, dem es peinlich war, daß die Porters ihm ihren Dienstelfen schickten, nur um ihm ein Geschenk zu machen. Hoffentlich hatten sie nicht beschlossen, ihm den Hauselfen selbst zu schenken.

"Da ich das ja nicht zurückweisen kann, möchte ich es haben, Nifty."

"Sehr wohl, Sir!" bekundete der Hauself seine Dienstbereitschaft und händigte Julius ein Paket aus, das mit einer blauen Schleife verschnürt war. Das Pergament war mit bunten Osterhasen bedruckt, die mit den Ohren Wackelten, als Julius es auszuwickeln begann. Er behielt dabei den Hauselfen im Auge, weil er ihm noch eine Antwort mitgeben wollte.

Zwei dinge fielen aus dem Paket. ein Briefumschlag aus rosafarbenem Pergament mit einem Siegel, das zwei ineinandergefügte Ps darstellte. Dann fiel noch ein Buch in blau-weißroten Deckeln herunter aufs Bett. Julius erkannte es.

"Diese Hexe hat mir dieses Sprachlernbuch zugeschustert", seufzte er, als sich das Buch aufklappte und mit einer sanften geschlechtslosen Stimme sagte:

"Bonjour, Monsieur! Je suis le livre universal d'aprendre La Langue Française."

"Klapp dich zu und schweig!" Befahl Julius gereizt. Die magische Stimme des Buches räusperte sich und murmelte eine Mißfallensäußerung, bevor es sich zuklappte.

"Haben Sie den Auftrag, der jungen Miss Porter eine Antwort von mir zu überbringen?" Fragte Julius. Nifty nickte, wobei seine lange Nase den buntgemusterten Einteiler anstubste, den er trug.

Julius öffnete den Briefumschlag und zog eine Pergamentseite heraus. Dabei schielte er schnell zur Tür, ob vielleicht jemand auf die Idee kam, heraufzukommen. Dann las er den Brief, den Gloria in ihrer sanft geschwungenen Handschrift verfaßt hatte:

Hallo, Julius!

Meine Mutter und ich waren gestern noch in der Winkelgasse, weil mein Daddy ihr und mir mehrere Galleonen Gegeben hat, wohl weil er ein schlechtes Gewissen hat, daß er am Ostersonntag nicht bei uns sein kann. Snatchup, ein Gringottstyp, hat ihn nach Brasilien geschickt. Ich sah nicht ein, daß ich mein ganzes Geld für irgendwelchen kurzlebigen Kram ausgeben sollte. Da habe ich mir überlegt, dir bei Flourish & Blotts das Sprachlernbuch von Janine Polyglosse und Clarissa Babel zu besorgen, das ich dir ja Weihnachten gezeigt habe. Außerdem habe ich mir eine Eule besorgt, ein Steinkauzweibchen. Allerdings wollte ich der armen Trixie nicht gleich so ein schweres Paket anhängen und habe unseren Hauselfen zu dir geschickt.

Fröhliche Ostern! Man sieht sich am Dienstag im Zug!

Gloria

"Julius, Bill will noch mal mit dir reden!" rief Martha Andrews von unten herauf.

"Ein Ferngespräch aus Australien, Nifty. Ich muß eben runter. Warten Sie hier?"

"Wie Sie wünschen, Mr. Andrews, Sir!" willigte der Hauself ein und schlüpfte wieselflink unter das Bett von Julius. Der Junge verbarg die Geschenke unter der Bettdecke und hechtete durch die Tür hinaus, die Treppe hinunter und schnappte sich im Vorbeigehen den Telefonhörer.

"Hallo, Julius! Ich bin's noch mal. Aurora wollte unbedingt noch was mit dir bequatschen. Bitte!"

Julius drehte die Hörmuschel des Telefonhörers von seinem rechten Ohr weg. Doch Aurora hatte gelernt, ein Telefon normal zu benutzen. Mit ruhiger Stimme sagte sie:

"Julius? Ich kann zwei Karten für das Weltmeisterschaftsmatch Australien gegen Kolumbien kriegen. Pam Lighthouse gegen Paco Rayo."

"Oh, ich weiß nur nicht, ob meine Eltern mir erlauben, da hinzugehen, Ms. Dawn. Ich habe von Kevin, einem Klassenkameraden, gehört, daß man da mehrere Tage wohnen muß. Das hat er von seinem Vater."

"Das ist richtig. Aber ich denke nicht, daß mir deine Eltern das verbieten, dich zu einer Sportveranstaltung mitzunehmen."

"Ihr Optimismus ist heller als die Sonne, Ms. Dawn", bemerkte Julius nur.

"Ich wollte dir das nur sagen und dir fröhliche Ostern wünschen. Bill hat gesagt, ihr hättet Besuch?"

"Ja, ein Schulfreund von Mum und dessen Familie."

"Dann viel Spaß noch."

"Julius, Grandmère fragt, ob du mit Maman und mir zum Zoo fährst!" Quiekte Babette und schmiss sich von hinten Julius um die Beine.

"Ich telefoniere gerade, Babette. Lust hätte ich schon."

Babette rannte mit trampelnden Schritten davon.

"Grandmère? Ihr habt Besuch aus Frankreich?" Fragte Aurora Dawn neugierig.

"Hat Mum Bill das nicht erzählt. Ihr freund ist mit seiner Schwiegermutter, seiner Frau und seiner kleinen Tochter gekommen, wie Sie gehört haben."

"Und die Kleine heißt Babette?" Fragte aurora Dawn. Bei Julius läuteten die inneren Alarmglocken. Er ahnte schon die nächste Frage. Deshalb sagte er:

"Bill kriegt nachher Ärger wegen einer überhöhten Telefonrechnung. Deshalb mache ich lieber Schluß",

"Ja, mach das, Julius. Fühl dich geehrt!"

"Bei Bedarf, Ms. Dawn. Tschüs!"

Julius legte schnell den Hörer auf und zog sich zurück. Dann rannte er wieder zu seinem Zimmer hoch, wobei er fast mit Madame Faucon zusammenprallte. Er hauchte eine Entschuldigung hin und schloß schnell seine Tür hinter sich. Nifty tauchte sofort wieder unter dem Bett auf und fragte leise, was er nun seiner Meisterin übermitteln sollte.

"Ich schreibe ihr das auf die Rückseite des Briefes", sagte Julius und fischte nach einem Kugelschreiber. Ohne Probleme schrieb er auf die Rückseite des Briefes:

Hallo, Gloria!

Das war nicht nötig, mir euren Hauselfen zu schicken. Da ich deine Mutter und dich nicht davon abhalten kann, mir Wissen zu schenken, bleibt mir nur, mich bei ihr und dir zu bedanken. Ich denke zwar, daß ich innerhalb von 24 Stunden nicht genug lernen kann, um mich in französischer Sprache auszudrücken. Aber zum verabschieden wird's wohl reichen.

Bis Dienstag!

Julius

Der Hogwarts-Schüler gab Nifty den Brief und bedankte sich bei dem Hauselfen. Dieser lief rot an und verschwand mit einem kurzen Knall. Kaum war der Hauself fort, klopfte es an die Tür. Julius vergrub das verzauberte Sprachlernbuch noch tiefer unter der Bettdecke und rief: "Herein!"

"Du hast der Kleinen erzählt, daß du mitfahren wolltest", sagte Joe Brickston, als er im Türrahmen auftauchte. Julius nickte bestätigend.

"Dann bleibe ich hier. Catherine wird für dich übersetzen. Ihr fahrt mit dem Wagen. Ihre Majestät mißtraut den U-Bahnen."

"Wen wundert es. Sie will ja nicht neonbeleuchtete Tunnel sehen, sondern unsere Hauptstadt. Weiß Catherine, wo sie langfahren muß?"

"Ungefähr."

"Alles klar, Joe. Aber stellt keinen Unsinn an, während wir unterwegs sind!"

"Ich glaube es bald. Du gibst mir Anweisungen?"

"Na klar! Paps ist nicht da. Einer muß ja das Haus zusammenhalten."

"Frechdachs. Viel Spaß mit dieser alten Hexe."

"Quesque tu as dit, Joe?" Kam Madame Faucons Stimme von hinten. Joe schrak zusammen. Er sagte irgendwas auf Französisch. Madame Faucon sah ihn mißtrauisch an. Joe trollte sich, wie ein Hund, der weiß, daß er etwas verbotenes angestellt hat und sich vor seinem Herren hütet.

"Allez, Monsieur!" Trieb die Beauxbatons-Professorin den Hogwarts-Erstklässler an. Dieser zog sich an, rief noch seiner Mutter zu, daß er nun losführe und schloß die Tür hinter sich. Er fühlte in seiner Jackentasche die drei Befreiungsbonbons von Melinda Bunton, die er als stille Reserve für jeden Ort dabeihatte.

Julius hatte bei seinem Ausflug mit Lester und Malcolm nicht sehen können, welchen Wagen Joe nun fuhr. Mum hatte ihm den Platz in der Garage freigemacht und den Ford, den sie als Stadtauto nutzte, neben der Garage geparkt. Julius staunte nicht schlecht, als Catherine Brickston mit einem geräumigen Rover-Kombi aus der Garage heraussetzte. Julius wollte hinten einsteigen, damit Madame Faucon vorne platznehmen konnte. Doch sie schüttelte den Kopf und schlüpfte durch die rechte Hintertür neben Babette, die wohl gehofft hatte, Julius würde hintten einsteigen.

"Maman möchte, daß du uns sagst, wo wir hinfahren müssen, wenn wir erst zum Zoo und dann zum botanischen Garten wollen. Also nehmen Sie neben mir Platz, Monsieur!"

Julius hüpfte neben der jüngeren Hexe auf den Beifahrersitz und schloß die Tür. Catherine setzte aus dem Zufahrtsweg heraus, vorsichtig, im Rückspiegel nach quer zu ihr passierenden Fußgängern und Autos Ausschau haltend. Julius mußte sich beherrschen, nicht zu fragen, ob ihr das Besenfliegen nicht besser lag. Er wunderte sich nur, daß jemand, der der Zaubererwelt abstammte, nicht nur die Maschine, sondern auch die Verkehrsregeln beherrschte. Denn ohne große Mühe schlüpfte der silberblaue Rover aus der Einfahrt Winston-Churchill-Straße 13, fädelte sich in den spärlichen Autoverkehr ein und glitt mit regelmäßig brummendem Motor in Richtung Innenstadt. Julius erklärte kurz, wo Catherine abbiegen mußte, um den berühmten Zoo ohne Umwege zu erreichen. Als die Mutter von Babette den Weg eingeschlagen hatte, fragte Julius doch noch:

"Wo hast du so gut fahren gelernt, Catherine? Meine Mutter kann zwar auch Auto fahren, aber nicht, wenn mein Paps auf dem Beifahrersitz hockt."

"Das ist bei mir genauso. Der Unterschied ist nur, daß wir in Frankreich auf der richtigen Straßenseite fahren. Aber ich habe keine Probleme damit. Ich habe den Führerschein seit dem Babette vier Jahre alt ist", informierte Catherine den jungen Beifahrer. Madame Faucon unterhielt sich inzwischen mit Babette über irgendwas, von dem Julius nichts mitbekam. Auf jeden Fall schien sich das sechsjährige Mädchen nicht sonderlich darüber zu freuen, daß seine Großmutter neben ihm saß. Julius dachte wieder daran, daß er der älteren Dame unbewußt dankbar sein würde. Dieser Eindruck hatte sich bestätigt, auch und vor allem, weil er nun wußte, daß Catherine und ihre leibliche Verwandtschaft der Zaubererwelt entstammten. Ein quirliges Kind wie Babette, ausgestattet mit starken Zauberkräften, wäre für Nichtmagier überhaupt nicht zu bändigen. Das brachte ihn dazu, darüber zu grinsen, daß seine Eltern noch mal Glück gehabt hatten, daß er nicht früher entdeckt hatte, daß er etwas durch übernatürliche Kraft bewirken konnte.

Die Fahrt verlief ruhig. Irgendwann sangen Babette und ihre Großmutter fröhliche Kinderlieder, während Catherine sich vergewisserte, daß sie auf dem richtigen Weg war. Dann erreichten sie den Parkplatz des londoner Zoos.

Julius ging zusammen mit Madame Faucon durch die Kassenschranke. Babette hatte die Schranke kaum durchschritten, als sie schon losrannte, um sich die ersten Tiere anzusehen. Ihre Mutter joggte hinter ihr her, wobei sie gerade so noch einem Kinderwagen ausweichen konnte, der von einem Mann Anfang zwanzig geschoben wurde. Dann sah Julius noch die ältlichen Kindermädchen mit ihnen anvertrauten Zöglingen, deren Eltern wohl besseres zu tun hatten als den Ostersonntag mit ihren Kindern zu verbringen. Er lief neben Madame Faucon her und dachte daran, daß die Hexe in ihrem mintfarbenen Kleid und dem schwarzen, im Nacken geknoteten Haar ebenfalls als sein Kindermädchen angesehen werden mochte. Dabei stellte er fest, daß diese Vorstellung irgendwas faszinierendes an sich hatte, selbst wenn er nicht viel von Gouvernanten hielt.

Babette war schon dreißig Meter von Julius und Professeur Faucon entfernt.

"Wieso haben Sie sie nicht zurückgerufen?" Fragte Julius. Die Lehrerin von Beauxbatons schüttelte den Kopf und erwiederte auf Englisch: "Babette kennt ihre Grenzen. Außerdem wollte ich ihr einen gewissen Freiraum lassen. Es ist etwas anderes, ob ich in einem Haus darauf achten muß, daß ein Kind nichts beschädigt oder zulasse, daß es herumrennt. Catherine freut sich auch darüber, daß sie mit ihrer Tochter herumlaufen kann."

Julius hielt sich neben der älteren Hexe. Er hätte auch hinter Babette herrennen können, aber irgendwie war ihm nicht danach. Ihn interessierten die fremden Tiere, die in großen oder kleinen Gehegen und Käfigen ausgestellt waren. Madame Faucon schien ebenfalls den ruhigen Spaziergang durch einen großen Tierpark zu genießen. Denn hier und da lächelte sie, wenn sie sah, wie in einer Greifvogelvoliere ein Adler seine Flügel ausspannte und quer durch den großen Käfig flog.

"Immerhin halten sie diese stolzen Vögel in Flugkäfigen, daß sie ihre Schwingen auch mal ausnutzen können. Wenn ich auch eher bevorzuge, solche Vögel in der freien Natur zu sehen", erklärte die Hexe von Beauxbatons.

"Ich denke das auch. Das sieht irgendwie erhaben aus, wenn so große Vögel richtig hoch am Himmel fliegen können", stimmte Julius zu und beobachtete, wie ein kleinerer Greifvogel, ein Habicht, mit schnellem Flügelschlag eine Runde durch die Fluganlage drehte. Dann gingen sie weiter.

Bei einem Eisverkaufsstand holten sie Catherine Brickston und Babette wieder ein. Die Kleine hatte sich ihr erstes Eis im Jahr erquängelt. Madame Faucon sprach auf Französisch mit ihrer Tochter, während Julius Andrews sich umsah. Die Frühlingssonne schickte ihre warmen Strahlen über den Himmel, während Eltern und Großeltern mit Kindern vom Baby bis zum Zehnjährigen herumgingen und sich über die vielen Tiere unterhielten. Julius fragte sich, warum Joe nicht mit seiner Familie diesen schönen Tag genießen wollte. Er wußte zwar, daß die Beauxbatons-Lehrerin sehr willensstark war, aber da mußte noch was anderes vorgefallen sein. Er dachte an die Kameraden in Hogwarts, die nicht in die Ferien gefahren waren. Würden sie auch diesen herrlichen Ostersonntag genießen?

Richtig spannend fand Julius den Besuch des Reptilienhauses. Als kleiner Junge hatten ihn schon Vogelspinnen, Schlangen und Krokodile fasziniert. Er sah aufgeregt zu, wie Babette sich vor das Panzerglas stellte, hinter dem ein nordamerikanischer Aligator seine platte kurze Schnauze aufriß und seine spitzen Zähne zeigte. Babette schien vor dem gepanzerten Tier keine Angst zu haben.

"In Florida kann man Babys von diesen Tieren kaufen", meinte Julius. Babette sah ihn mit großen Augen an. Catherine Brickston sah den Sohn der Andrews' tadelnd an.

"Seit dem die drei ist, will sie ein Haustier haben. Die kriegt erst eins, wenn sie sich alleine darum kümmern kann", stellte Babettes Mutter klar.

"Meine Eltern wollten mir auch kein Tier zulegen", sagte Julius kleinlaut. Dabei dachte er daran, wie gerne er eine eigene Eule hätte. Er überlegte sich auch schon, sich eine zum Geburtstag zu wünschen.

"Aligatoren werden auch nicht lange gehalten. Manche werfen sie in den Abfluß, bevor sie größer werden. Irgendwo in Miami und New York soll es Aligatoren in den Abwasserkanälen geben", servierte Julius Babette eine Geschichte, von der er selbst nicht wußte, ob sie wahr oder eine Zeitungsübertreibung war.

"Ich will einen Drachen haben", sagte Babette und fing sich von ihrer Mutter und ihrer Großmutter einen sehr bösen Blick ein.

Julius sah zu dem Komodowaran hinüber, der ebenfalls hinter einer dicken Panzerglasscheibe lag. Fast hätte er "Nimm doch den da drüben" gesagt. Doch er beherrschte sich gerade noch. Das wäre nicht so klug, einer kleinen Hexe sowas einzureden. Nachher bekam sie noch die Scheibe auf und ließ den großen Waran heraus. Das wäre nicht nur gefährlich, sondern auch sehr auffällig. Und Julius wollte keinen Ärger mit den Brickstons oder mit Madame Faucon haben, geschweige mit dem Zaubereiministerium. Nachher kamen sie ihm noch mit "Anstiftung zur gefährlichen Zauberei" oder etwas in der Richtung.

Babette sah den Komodowaran eine Minute später, als sie sich von der Riesenpython abgewandt hatte. Sie zeigte mit ihrem rechten Zeigefinger darauf und ließ ein langezogenes Ooooo hören. Madame Faucon und ihre Tochter sahen Babette warnend an, so das die Kleine zusammenfuhr und irritiert auf ihre Mutter und ihre Großmutter starrte. Julius vermutete, daß die beiden erwachsenen Hexen das Kind daran gehindert hatten, irgendwas mit dem Zootier hinter der Sicherheitsscheibe anzustellen. Auf jeden Fall war sie danach nicht mehr an dem Reptil interessiert und wollte nur noch aus dem Terrarienhaus heraus.

Der restliche Zoobesuch verlief ohne Ereignisse. Madame Faucon, die Brickstons und Julius wirkten wie jede andere Familiengruppe, die den großen Tierpark besuchte.

Nach dem Zoo besuchten die Hexen aus Frankreich und Julius Andrews noch den botanischen Garten. Hier ließ sich Professeur Faucon von Julius demonstrieren, wie weit sein Wissen über nichtmagische Pflanzen gediehen war. In einem Bereich, in dem heimische Gartenpflanzen ihren Familien nach zugeordnet waren, erklärte die Verwandlungslehrerin von Beauxbatons dem Hogwarts-Schüler, wie sie in ihrem eigenen Garten Gemüse nebeneinander anbaute, um es ohne Magie zu hohem Ertrag zu bringen. Babette interessierte sich eher für die Dschungelpflanzen, die in zwei beheizten Gewächshäusern wuchsen. Julius konnte ihr nachempfinden, wie toll es sein mußte, an einem tropischen Baum hinaufzuklettern. Als dann auch noch die Mittagssonne durch das hohe Glasdach hereinschien und sich ihren Weg durch die breiten dunkelgrünen Blätter suchte, verlor er sich in einer Phantasie, in einem echten Dschungel zu wandern.

Es war so um ein Uhr, als die Ausflügler in die Winston-Churchill-Straße 13 zurückkehrten. Schon von weitem konnten sie den Festtagsbraten riechen, den Martha Andrews zubereitet hatte. Babette stürmte ins Haus, kaum das Julius die Tür aufgeschlossen hatte.

Während die Andrews' und ihre Gäste aßen, erzählten Babette und Julius von ihrem Ausflug in den großen Zoo und den botanischen Garten. Joe hatte den Vormittag genutzt, um diverse unerledigte Arbeiten zu bewältigen. Er erzählte von Programmierungen, die er auf Martha Andrews' Computer testen und verbessern konnte, wenngleich sich außer Martha und Julius niemand dafür interessierte.

Der restliche Tag klang damit aus, daß Madame Faucon und Catherine Brickston ihren Dank abstatteten, indem sie ein original französisches 5-Gänge-Diner zubereiteten. Man ließ sich zeit, um bei Kerzenschein die überlegene französische Küche zu genießen. Joe rümpfte die Nase, weil er sich überlegte, wie seine Schwiegermutter an die Gewürze und Sonderzutaten gelangt war. Martha freute sich, daß man aus wenig Zutaten so vielfältige Speisen zubereiten konnte.

Nach dem Abendessen vertrieben sich Madame Faucon, die Brickstons und die Andrews' die Zeit mit Hausmusik. Julius holte seine Mundharmonika, die er seit drei Jahren nicht mehr gespielt hatte und begleitete Catherine Brickstons Gitarrenmusik. Danach spielte Madame Faucon leise Violinenstücke. Um neun Uhr brachte Catherine Babette in das Gästezimmer, damit sie schlafen konnte, während Joe leicht verärgert seine Schwiegermutter ansah.

"Was hast du für ein Problem, Joe?" Wollte Martha Andrews wissen.

"Dazu sage ich nichts", erwiderte Joe und fragte Julius, ob er ihm nicht noch ein paar neue Tricks für die Arbeit mit dem Computernetz zeigen konnte. Julius, der spürte, daß Joe nicht mit Madame Faucon alleine sein wollte, willigte ein und verließ ebenfalls das Wohnzimmer.

"Ich weiß gar nicht, was du heute für ein Problem hast, Joe. Deine Schwiegermutter ist zwar irgendwie streng und bestimmend, aber doch ganz umgänglich", meinte Julius leise.

"Würdest du mir glauben, daß deine Mutter vieles, was da im Essen war, nicht in London gekauft haben kann, weil es hier nicht verkauft wird?" Fragte Joe.

"Du meinst den französischen Käse und die Spezialgewürze. Die hat deine Schwiegermutter doch in einer Kühlbox mitgebracht. Das sagt zumindest Catherine."

"Was soll sie dir auch sonst erzählen", seufzte Joe und arbeitete noch ein wenig mit Julius.

"Wann fahrt ihr morgen?" Stellte Julius die Frage, die er an und für sich nicht hatte stellen wollen.

"Gleich morgen nach dem Frühstück. Ich will deiner Mutter nicht zu lange auf den Keks gehen", erklärte Joe.

"Wieso. Mum hat sich doch gefreut, daß du da warst."

"Ja, aber jedesmal, wenn ich mit der ganzen Familie wohin komme, habe ich das ungute Gefühl, daß irgendwas merkwürdiges passiert."

"Wieso merkwürdig?" Fragte Julius.

"Ich sage dazu nichts mehr", entgegnete Joe Brickston.

"Also mir ist nichts ungewöhnliches an deiner Schwiegermutter aufgefallen", sagte Julius und lächelte, weil er die Wahrheit gesagt hatte. Denn für ihn war Zauberei zur alltäglichsten Sache der Welt geworden, so war Madame Faucon völlig normal für ihn, abgesehen von ihrem bestimmenden Wesen.

Julius verabschiedete sich um zehn Uhr von Joe, der dann in das Gästezimmer hinaufstieg, wo seine Frau schon wartete. Julius selbst ging noch mal in die Küche hinunter, um seiner Mutter bei angefallenen Hausarbeiten zu helfen. Martha Andrews unterhielt sich mit Madame Faucon, wenn man Unterhaltung als Austausch von Gesten und Mienenspiel bezeichnen wollte.

"Kommst du noch mal, um sicherzustellen, daß es für dich nichts mehr zu tun gibt, Julius?" Fragte seine Mutter.

"Ich dachte, ich helfe dir noch beim wegräumen des Geschirrs, das nicht in der Spülmaschine gespült werden kann.

"Das haben Madame Faucon und ich schon erledigt. Ist joe schon im Bett?" Wollte Mrs. Andrews wissen.

"Er ist schon in sein Zimmer gegangen. Er hat mir erzählt, daß er morgen schon nach dem Frühstück losfahren will", erzählte Julius.

"Ja, das hat Catherine mir auch erzählt", bestätigte Martha Andrews.

Um kurz vor halb elf verließen die Andrews' und Madame Faucon das Wohnzimmer, um schlafen zu gehen. Dabei fiel Martha auf, daß eine Blumenvase fehlte, die im Flur stand.

"Huch, wo ist denn die Kopie dieser Ming-Vase?"

"kaputt kann sie nicht gegangen sein. Das hätten wir gehört", vermutete Julius. Dann sagte er:

"Womöglich hat die kleine sie versteckt, als sie nach oben ging."

"Du unterstellst Babette aber auch jeden Schabernack, wie?" Fragte Martha Andrews.

"Wenn sie es war, können wir sie ja morgen fragen", meinte Julius.

Martha zuckte die Achseln und ging nach oben. Julius wolte eigentlich auch in seinem Zimmer verschwinden, doch die französische Hexenlehrerin hielt ihn mit einer Geste zurück. Sie bedeutete Julius, ihr noch mal ins Wohnzimmer zu folgen. Dort fragte sie leise:

"Glaubst du wirklich, daß meine Enkelin die Vase hat verschwinden lassen?"

"Die Vase ist einen Meter groß. Die kann nicht so einfach irgendwo hingestellt werden, ohne daß das jemand sah. Ich denke, sie hat einen Schrumpfzauber oder dergleichen angestellt", flüsterte Julius.

"Du kennst diese Vase besser als ich. Hier, hol sie her!" bestimmte die Verwandlungslehrerin von Beauxbatons und gab Julius ohne zu zögern ihren Zauberstab. Julius sah sie entgeistert an.

"Ich darf nicht zaubern", flüsterte Julius eindringlich. Doch Madame Faucon schüttelte den Kopf und erwiederte sehr bestimmt:

"Ich möchte morgen abreisen, ohne daß etwas nicht so ist, wie wir es vorfanden, als wir hier eintrafen. Du holst diese Vase jetzt her, sofort!"

Die Letzten Worte zischte die Professorin und sah Julius dabei so durchdringend an, daß dieser glaubte, sie wolle ihn mit ihrem Blick durchbohren. Julius nickte und entspannte sich. Dann schloß er die Augen und stellte sich die verzierte Vase vor, die eine kunstvolle Kopie einer Vase aus dem 14. Jahrhundert war, die Julius' Vater einmal von einer Dienstreise mitgebracht hatte. Als er das Bild klar vor seinem geistigen Auge sah, murmelte er ein kräftiges "Accio Kopie der Ming-Vase aus dem Flur!"

Ein leises Schwirren kam aus dem Flur und etwas kleines, weißes schoß Julius fast an den Kopf. Reflexartig fischte er das winzige Ding und hätte es fast in der freien Hand zerdrückt, so zerbrechlich wirkte es.

"Das kann doch nicht sein", entfuhr es dem Jungen, und Professeur Faucon machte "schschscht!"

"Das hat sie schon mit vier Jahren einmal gemacht", sagte die ältere Hexe mit wohlwollendem Lächeln.

Julius besah sich das herbeigezauberte Ding noch mal. Es bestand keinn Zweifel. Das winzige Objekt, das locker in seiner Handfläche lag, war eine nur vier Zentimeter große Version der gesuchten Vase. Er drehte das zerbrechliche Stück Porzellan vorsichtig und konnte keinen Unterschied zu dem großen Gefäß erkennen, welches verschwunden war.

"Das ist ja unheimlich", gestand Julius, daß ihm unwohl bei der Sache war. Babette mußte die Vase aus einem Anfall von Wut oder Spieltrieb heraus eingeschrumpft haben. Womöglich war sie dann hinter dem Papierstapel im Flur verschwunden.

"Du hast die Größenveränderungen schon gelernt?" Fragte Madame Faucon.

"Ja, habe ich. Aber meine Versuche konnten nie auf eine bestimmte Größenveränderung abgestimmt werden. Machen Sie das wieder rückgängig, bitte!"

"Aber sicher doch. Stell die Vase bitte auf den Tisch ab!"

Julius befolgte die Anweisung. Dann gab er der Hexe von Beauxbatons den Zauberstab zurück und sah ihr zu, wie sie über der geschrumpften Vase eine Dreivierteldrehung im und gegen den Uhrzeigersinn vollführte. Dann sagte sie leise aber bestimmt:

"Remagno!"

Die verkleinerte Vase zitterte kurz, dann wuchs sie lautlos an, wie ein sich aufblähender Luftballon, bis sie einen Meter groß war.

"Der Engorgius-Zauber, den ihr vielleicht gelernt habt, vergrößert unbestimmt, abhängig von der eingebrachten Magie. Der Remagnus-Zauber stellt bei einem schon eingeschrumpften Gegenstand die Ursprungsgröße wieder her, auf den Millimeter genau", erläuterte die Professorin für Verwandlung ganz im Stil einer Lehrerin, die eine ihr längst bekannte Tatsache weitergibt.

"Achso", meinte Julius gelangweilt klingend. Dafür fing er einen etwas tadelnden Blick der Hexe auf und erstarrte vor Schreck.

"Mach mich nicht wütend, junger Herr. Ich verabscheue Ignoranten."

"Entschuldigung, Madame", erwiderte Julius reuevoll. Dann nahm er die rückvergrößerte Vase und trug sie wortlos an ihren Stammplatz zurück. Dann gingen sie leise nach oben. Julius trat mit gewöhnlich lautem Schritt an die Schlafzimmertür seiner Eltern und klopfte.

"Julius, was ist denn?" Fragte seine Mutter, die bereits im Bett lag.

"Wir haben die Vase gefunden. Sie lag hinter einem Regal im Flur. die Kleine muß sie heimlich dorthingelegt haben, um uns zu ärgern. Ihre Mutter hat das nicht mitkriegen können, weil sie nicht immer um ihren Wirbelwind herumlaufen kann."

"Dann ist ja gut. Das Ding ist zwar nur ein Tausendstel soviel wert wie es aussieht. Aber dein Paps hätte schon komisch geguckt, wenn sie nicht mehr da wäre", erwiderte Martha Andrews. Julius wünschte ihr noch eine gute Nacht und kehrte in sein Zimmer zurück.

Am nächsten Morgen wurde noch ruhig gefrühstückt. Babette sah kleinlaut zu ihrer Großmutter hinüber. Offenbar hatte sich das kleine Mädchen noch am Morgen eine Strafpredigt anhören müssen. Vielleicht hatte die alte Hexe auch mit einer heftigen Strafe gedroht. Madame Faucon hatte für die Andrews' noch einmal frische Aprikosen herbeigeholt, angeblich aus ihrer Kühlbox. Nach dem Frühstück verabschiedeten sich die Andrews' von Joe Brickston und seiner Familie. Julius sah vor allem die ältere Hexe aus Beauxbatons an und sagte nur "Au revoir, Madame Faucon!"

"Au revoir, Garçon!"

Dann fuhren die vier Besucher in ihrem Rover Kombi davon.

"Hast du auch den Eindruck, daß Joe mit seiner Schwiegermutter Probleme hat, die über das Normalmaß hinausgehen?" Wollte Martha Andrews von ihrem Sohn wissen. Dieser guckte sie irritiert an und fragte zurück:

"Wieso fragst du mich das, Mum?" Dann meinte er noch:

"Auf mich wirkte sie ähnlich streng wie Professor McGonagall. Die war vielleicht auch Lehrerin oder ist es immer noch."

"Den Eindruck habe ich auch gewonnen, Julius. Sie hatte Babette gut im Griff und konnte sich fast ohne Worte durchsetzen. Aber ich hatte nicht den Eindruck, daß sie ihre Rolle durch Gewalt erstritten hat. Aber Joe hat immer so gesprochen, als habe sie ihm gedroht oder ihm etwas getan."

"Er nannte sie eine alte Hexe", lachte Julius. Martha Andrews zuckte zwar kurz zusammen, als sie das hörte. Doch dann lachte sie auch.

Dann können wir ja zur Tagesordnung übergehen, Julius. Hilfst du mir, die Zimmer aufzuräumen?"

"Kein Problem", erwiderte Julius Andrews.

Julius verbrachte den Nachmittag zusammen mit Malcolm und Lester auf dem Fußballplatz. Er gab ihnen das geliehene Buch von Scorpio Taurus zurück und unterhielt sich mit ihnen über die Umsetzung in eine Fantasy-Geschichte, wo an Stelle der Raumschiffe Pferde und an Stelle der Strahlenwaffen Schwerter und Bögen verwendet werden sollten, aber sonst alles beim alten blieb.

Am Abend trafen drei Eulen ein. Ein Steinkauzweibchen von Gloria Porter, das einen Brief beförderte, eine Schleiereule vom Ministerium für Zauberei und ein Waldkauz von Hogwarts.

Julius las zunächst den Brief von Gloria:

Hallo, Julius!

Ich hoffe, du hast dich mit Professeur Faucon gut verstanden. Meine Tante Geraldine, die gestern bei uns zu Besuch war, hat Stories über ihre Zeit als Austauschschülerin in Beauxbatons erzählt. Sie muß sichs ja da mal gründlich mit Professeur Blanche Faucon verscherzt haben, weil sie bei einem Streich ein Objekt in eine Teekanne verwandelt hat. Die Verwandlungslehrerin hat das irgendwie gerochen und mit einem Reverso-Mutatus-Zauber das verdächtige Objekt wider hergestellt. Ich habe dabei an unser Experiment am See denken müssen. Am besten solltest du sowas nicht mehr ausprobieren, damit McGonagall nicht doch noch auf merkwürdige Ideen kommt!

Treffen wir uns morgen auf Gleis 9 3/4?

Viele Grüße an deine Mutter!

Gloria

P.s. Das Französischsprachbuch ist nicht dazu da, zu Hause herumzuligen. Bring's also bitte mit nach Hogwarts!

Danach las Julius den Brief des Zaubereiministeriums. Er lautete:

Sehr geehrter Mr. Andrews,

wir zeigen uns sehr erfreut, daß Sie sich trotz des in Ihrem Zuhause stattgefundenen Besuches aus der Zaubererwelt an das Ihnen auferlegte Beschränkungsgebot gehalten haben. Wir erhielten von Professeur Faucon stets eine genaue Auflistung aller von ihr oder ihren direkten Familienangehörigen gewirkten Zauber. Sie deckte sich immer mit den von uns registrierten Zaubereien.

Wir möchten Sie daher nur der Form halber daran erinnern, daß jede weitere Zauberei an Ihrem Wohnsitz nun auf Sie zurückzuführen ist und gemäß den Ihnen bekannten Beschränkungen der Zauberei für Minderjährige abgemahnt oder bestraft wird.

Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Fortsetzung Ihrer schulischen Ausbildung und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Mafalda Hopfkirch, Abteilung zur vernunftgemäßen Beschränkung der Zauberei bei Minderjährigen

Schließlich las Julius noch den Brief von Hogwarts.

Sehr geehrter Mr. Andrews,

wie wir erfuhren, bot Ihnen die Osterzeit die Gelegenheit, eine renommierte Kollegin aus Beauxbatons kennenzulernen. Professeur Blanche Faucon zeigte sich sehr beeindruckt von Ihrer Zurückhaltung und Ihrer Auffassungsgabe und teilte uns mit, daß sie unsere Überzeugung teilt, daß Sie bei uns richtig untergebracht sind. Wir sehen uns also morgen hoffentlich erholt wider.

mit freundlichen Grüßen

Professor Flitwick Professor M. McGonagall, stellvertretende Schulleiterin

So endeten die ersten Osterferien für Julius Andrews, dem jungen Zauberer, der bis vor einem dreivierteljahr nicht wußte, daß es Zauberei überhaupt gab.

ENDE

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