DIE BINDUNG

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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Was bisher geschah

Einmal ist dieses kalte Wechsellicht am Himmel rund geworden und dann wieder aufgefressen worden, das die Zweifußläufer Mond nennen. Ich habe neue Wege in unserem großen Reich ausprobiert und bin auch immer wieder vor die Schlafhöhle gesprungen, wo Julius und seine Schlafgenossen zusammenwohnen. Doch er ist nicht da, wie alle anderen von den Zweifußjungen, die hier sonst herumlaufen. Lediglich die ganz große, die hier allen voransteht, hat sich zwischendurch mal blicken lassen. Ich gehe der aber immer aus dem Weg, weil ich nicht weiß, ob die nicht gleich nach mir tritt oder irgendwas macht, was mir wehtut. Die, die die hier wohnenden Zweifußjungen umsorgt, wenn die sich verletzt haben oder krank wurden, ist einmal sehr aufgeregt von hier weggeflogen und später mit der ganz großen Anführerin zusammengetroffen. Ich konnte hören, daß sie von Julius geredet haben. Ihm muß was sehr böses passiert sein. Aber sie sagten nicht, das er nicht mehr wiederkommt. Was ist ihm passiert? War das, weil ich nicht bei ihm sein konnte? Warum hat Aries mir auch diese singenden Steine hingelegt, die so laut sind, daß ich nicht mehr hören kann, wo Julius gerade ist? Das ist nicht richtig, mich hier zu halten, wenn ihm dann was böses passiert. Ich habe ihm doch bisher so gut geholfen, die bösen Sachen zu überstehen. Das wissen die hier doch alle. Ja, und ich möchte ihm doch auch zeigen, welches von den jungen Weibchen, die sie hier Mädchen nennen, besser zu ihm paßt. Zwar haben die mir erklärt, daß Claire nicht seine wurfungleiche Schwester ist und eigene Eltern hat, aber irgendwie finde ich, sind sie doch zu gleichschwingend, um gesunde Junge zu kriegen. Ich hoffe nur, Julius kriegt das doch raus. Denn ich will nicht, daß er seine Kraft verbraucht, wenn dabei keine guten Jungen herauskommen.

Oh, es wird etwas lauter in diesem großen Steinbau. Ja, die vielen Aufgestiegenen und wieder im Loch versunkenen Sonnen passen dazu. Heute kommen die ganzen Jungen wieder, die hier umsorgt und bewacht werden, damit sie alles lernen, was für das Leben wichtig und gesund ist. Heute wird Julius wohl wiederkommen. Ich freue mich drauf.

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Das leicht ramponierte Auto parkte etwa einhundert Meter von einer heruntergekommen wirkenden Lagerhalle. Fünf Personen stiegen aus, zwei Frauen, ein Mann, ein Mädchen von neun Jahren und ein Teenager, der vom Körper her als Sechzehnjähriger durchgehen mochte. Man sah sofort, daß das Mädchen mit der schwarzhaarigen Frau verwandt war, denn es besaß die gleiche Haarfarbe und beinahe dieselben Augen. Ihr Vater, der den Wagen gefahren hatte, blickte etwas mißtrauisch auf das Lagergebäude. Doch seine Frau lächelte nur beruhigend. Die blonde Frau, die hinter ihr im Wagen gesessen hatte und von Haar- und Augenfarbe eindeutig als Mutter des Halbwüchsigen erkennbar war, winkte dem Jungen, der eine große Reisetasche und einen großen, aber edel aussehenden Koffer aus weinrotem Leder hinter den anderen hertrug, auf dem in morgenrotfarbenen Lettern der Name Julius Andrews gestickt war.

"Und deine Mutter hat echt gesagt, ich sollte mir das schon jetzt ansehen, wie die Leute in dieses Beauxbatons reisen?" Vergewisserte sich Joe Brickston bei seiner Frau, einer echten Hexe, mit der und deren Anverwandten er ein nicht alltägliches Leben führte, worüber er seit einiger Zeit eher stolz als ungehalten war.

"Maman sagte wörtlich: "Lass deinen Mann mitkommen, damit er schon jetzt sieht, daß unsere Schüler problemlos abreisen und Babette keine Schwierigkeiten hat, wenn sie in zwei Jahren so weit ist." Da du ja die Reisesphäre nun selbst kennengelernt hast, ist das für sie kein Problem, zumal sie ja von Millemerveilles aus angekommen ist, bevor die Schüler und Lehrer aus Paris in Beauxbatons abreisen", sagte Catherine Brickston und führte sie alle zum Eingang der Lagerhalle, die in Wirklichkeit nur eine Fassade war. Denn tatsächlich lag in diesem Gebäude das Museum für Zaubereigeschichte in Frankreich, in dem es neben einer Cafeteria und den diversen Ausstellungsräumen auch eine große Halle mit mehreren gemauerten Kaminen gab, wo Zaubererfamilien aus dem gesamten französischen Raum per Flohpulver eintreffen oder von dort abreisen konnten. Der Hinterausgang des Museums war der Ausgang in die Rue de Camouflage, der berühmten französischen Zaubererstraße, wo es alle Läden für Zaubereibedarf, die Filiale der von den Kobolden geführten Zaubererbank Gringotts und den Ausgangskreis für eine magische Leuchtsphäre gab, die alle, die im Kreis standen einschließen und an ein bestimmtes Ziel tragen konnte, zwischen den Dimensionen von Raum und Zeit hindurch. Heute würde sie alle alten und neuen Schüler befördern, die in der Beauxbatons-Akademie die verschiedenen Felder der Magie erlernten und sich darin übten. Alle Schüler aus dem Umland von Paris, das bis zu hundert Kilometer Umkreis erfaßte, trudelten nun ein, um sich hier zu versammeln, damit sie in einer dieser sonnenuntergangsroten Leuchtsphären nach Beauxbatons hinüberwechselten.

Julius Andrews ging diesen Abreisetag, den letzten offiziellen Ferientag, mit gemischten Gefühlen an. Einerseits war er traurig, weil ihm in den Ferien so viel schreckliches passiert war. Andererseits war er glücklich, daß seine Mutter und er weiterhin zusammen sein konnten. Dann war ihm etwas mulmig, weil er wußte, daß sie ihn wegen der besonders ausgeprägten Zaubertalente noch mehr Aufgaben aufhalsen würden, aber auch gespannt, was nun alles auf ihn zukam. Er freute sich auf das Wiedersehen mit den Schulkameraden, die er im letzten Jahr gerne um sich gehabt hatte und auch auf das Wiedersehen mit der Knieselin Goldschweif, einer etwas größer geratenen Katze mit silbriggrauem Fell und braunen Tupfern, die aber einen goldfarbenen Schwanz mit einer buschigen Quaste hatte wie der eines Löwen. Wie würde dieses sehr intelligente Tierwesen ihn begrüßen? Ja, und dann war da noch diese Ungewissheit, ob er die im letzten Jahr so schöne und warme Beziehung mit Claire Dusoleil, die während eines Ausflugs zum Sonnenblumenschloß der Latierre-Familie leicht unterkühlt worden war, wieder auftauen oder sie wohl schweren Herzens beenden würde. Claires zunehmende Eifersüchteleien gegen andere Mädchen, insbesondere Mildrid Latierre, sowie ihre teils offenen teils unausgesprochenen Vorwürfe, er würde ihr nicht genug vertrauen, lagen wie faustgroße Eisklumpen auf seiner Seele. Zwar hatte sie ihm noch einen Brief geschrieben, sie würde sehr gerne die so schöne Beziehung mit ihm erhalten wollen, aber zu welchem Preis? Doch nein, bei soetwas nach einem Preis zu fragen war verkehrt. Denn ob eine Sache es wert war oder nicht, konnte keiner in Zahlen fassen, obwohl sich die Arithmantiker sehr mutig daran versuchten, die Formel für glückliche Partnerschaften zu finden.

Bis zur Abreise waren noch fünf Minuten zu überstehen. Diese Zeit brauchten die Brickstons und die Andrews nur zu einem Drittel, um den Weg zum von einer hufeisenförmigen Mauer umfaßten grünen Kreisfeld zurückzulegen, wo sich bereits alles versammelte, Eltern, Verwandte und Schüler. Madame Hippolyte Latierre überragte mit ihren beinahe zwei Metern Körperlänge und der langen rotblonden Mähne alle anderen hier versammelten. Rechts von ihr stand ihr Mann, nicht nur im Verhältnis zu ihr sehr klein geraten. Ihre Tochter Martine, die von der Größe her der Mutter nicht mehr nachstand, hatte sich weit von den hier zusammenrückenden Leuten hingestellt und beobachtete das Eintreffen der Beauxbatons-Schüler aus Paris und Umgebung. Sie sah die Brickstons und Andrews' an und winkte ihnen zu. Dann machte Julius die Familie Dornier aus, die gerade um eine leichte Biegung der Straße kam. Sie hatten den kürzesten Weg, weil sie keine zweihundert Meter vom Ausgangskreis entfernt wohnten. Julius sah seine Klassenkameradin Céline, die immer noch hager und knöchern wirkte und mit dem bleichen Gesicht eher einem Vampir als einer Hexe ähnelte, aber nicht bedrohlich dreinschaute, sondern erfreut, das es wieder losgehen würde. Neben ihr stand ihre zwei Jahre ältere Schwester Constance, die noch etwas rundlich wirkte, als Folge ihrer ungewollten Schwangerschaft. Das Ergebnis dieser anderen Umstände, die kleine Cythera, hing in einem rosaroten Tragetuch über ihrem Rücken und quängelte etwas mißlaunig. Madame und Monsieur Dornier sahen sich um, wer alles noch rechtzeitig für eine kurze Begrüßung angekommen war. Julius winkte zurück, als Monsieur Dornier ihm zuwinkte und dabei stolz lächelnd auf das lange Futteral an seinem Koffer deutete.

"Darf ich mal eben zu den Dorniers, Mum? Ich möchte Monsieur Dornier noch sagen, daß der neue Besen supergut abgeht", sagte Julius zu seiner Mutter, die die Atmosphäre der sich hier zusammenfindenden Hexen und Zauberer in sich aufsog. Sie kannte es zwar schon, wenn die Schüler heimkehrten, doch wie es nach den Sommerferien war, war noch neu für sie. Außerdem genoß sie nun jeden neuen Eindruck, den sie von der Welt, in der sie und ihr Sohn nun zum großen Teil lebten bekommen konnte. Sie lächelte Julius an und sagte:

"Ich fürchte, wenn du zu den Dorniers gehst, kommen noch andere zu dir herüber, um mit dir zu sprechen. Besser ist es, wenn wir uns dann gleich hier verabschieden."

"Mag wohl wahr sein, Mum", sagte Julius nun doch etwas betrübt. Er wollte seine Mutter nicht so einfach hier rumstehen lassen. Andererseits wollte sie nicht, daß er ihretwegen Mitleid hatte. Er wollte ja auch nicht bemitleidet werden. So umarmten sich Mutter und Sohn noch einmal innig.

"Komm gut ins neue Schuljahr! Sei weiterhin fleißig und lass dich wegen der Sache mit Paps nicht ärgern oder in Trübsal reinstoßen! Grüß mir Claire und die anderen, die ich kennengelernt habe! Schreibe mir bitte, wenn die erste Woche um ist oder wenn du was ganz besonderes zu erzählen hast!" Gab Martha Andrews ihrem Sohn noch mit. Dieser sagte:

"Vertrage dich gut weiter mit Catherine, Joe und Babette. Vielleicht kommen ja jetzt noch mehrere aus der Zaubererwelt zu Besuch zu dir rüber. Grüß mir die alle, die jetzt nicht hier stehen!"

Dann ging er hinüber zu den Dorniers.

"Na, wie ist der Besen jetzt für dich?" Fragte Monsieur Dornier, nachdem er sich erkundigt hatte, wie es Julius und seiner Mutter gerade ging.

"Och, wenn ich den so weiter fliege kann ich bald die Strecke Paris / London in einer Stunde schaffen, Monsieur Dornier. War auf jeden Fall ein sehr schönes Geburtstagsgeschenk. Danke noch einmal!"

"Geht es deiner Mutter jetzt wirklich wieder gut?" Fragte Madame Dornier, die nicht wollte, daß Julius und ihr Mann nur über diesen Wunderbesen redeten. Julius nickte und sah hinüber, wo seine Mutter gerade mit Catherine und Martine Latierre sprach.

"Ich denke, der Ausflug zum Château Tournesol kam für sie gerade recht, um sich nach der Gefangenschaft in Amerika zu erholen, Madame."

"Ich bewundere das echt, wie die Oma von Martine und Millie das mit zehn Kindern ausgehalten hat und jetzt noch mal zwei kriegen will", wandte Constance Dornier ein, die gerade prüfte, ob ihre kleine Tochter auch sicher verstaut war. Cytheras großer runder Kopf mit dem schwarzen Babyflaum ruhte an ihrer rechten Schulter, und die etwas erweiterte Bluse des Beauxbatons-Schulmädchenkostüms verbarg nur schwer die prallen Mutterbrüste der strafweise um eine Klasse zurückgestuften Schülerin.

"Die hat das zum Hobby gemacht, Connie", sagte Julius, sich um einen etwas lässigeren Tonfall bemühend. Céline fragte ihn leise:

"Und, hat sich das mit Claire wieder eingeränkt?"

"Noch nicht ganz, Céline", sagte Julius halblaut. Da kam auch schon Millie Latierre herüber und begrüßte Julius. Ihre Eltern sortierten gerade einige neue Schüler ein, deren Familien sie wohl kannten.

"Hallo, Julius. Hast dich wohl jetzt gut erholt, wenn ich denke, daß Faucon und die anderen dir in diesem Jahr alles mögliche aufladen wollen. Hast du Claire erklärt, wie das zwischen euch beiden weiterlaufen kann?" Sprach sie ihn direkt an.

"Das klären Claire und ich unter uns", sagte Julius leicht ungehalten. Millie lächelte. Es war eine Art von Lächeln, die wohlwollend oder tiefgründig verstanden werden mochte. Julius war sich sicher, daß dieses rotblonde Mädchen, das auf ihn keinesfalls abstoßend wirkte, immer noch darauf hoffte, mit ihm zusammenzukommen. Wenn er ihr erzählen würde, was im Schloß ihrer Großeltern passiert war ... Doch darüber durfte er nicht mit jedem reden und wollte es auch nicht.

"Deine Mutter kümmert sich um die Muggelstämmigen", wies Céline Julius darauf hin, was seine Mutter gerade tat. Sie sprach mit Erwachsenen, die sich wohl nicht sicher zu sein schienen, hier richtig zu sein. Er sah insgesamt fünf Kinder, drei Jungen und zwei Mädchen, die genauso erstaunt wie die Erwachsenen hier die Szenerie betrachteten.

"Das tut ihr gut, wenn sie was tun kann, worin sie sich auskennt", bemerkte Julius dazu. Mildrid, die wohl gemerkt hatte, daß Céline ihn von ihr abzulenken versucht hatte fügte dem hinzu:

"Jedenfalls hilft ihr das, über diese Kiste mit dieser Gefängnismaschine wegzukommen. Martine meint ja auch, die neuen hier einweisen zu müssen. Eben immer noch 'ne Saalsprecherin, obwohl die mit ihren Spitzen-UTZs alles in Beaux abhaken kann."

"Es geht los", warf Madame Dornier ein. Professeur Paximus, ein Zauberer mit schwarzem Haar und Vollbart klatschte in die Hände und rief:

"Messieurs et Mesdemoiselles, bitte zu mir in den Kreis treten! Die neuen Schüler bitte ganz in die Mitte! Die neuen Schüler bitte ganz nah zu mir in die Mitte!"

"Auf geht's", dachte Julius und trug sein Gepäck, das er vorübergehend vom Diebstahlschutz befreit hatte, in den grünen Vollkreis hinein. Er hielt sich nun eher am Rand auf, während die ganz neuen Schüler etwas unsicher in die Mitte trotteten, wobei ihm die Muggelstämmigen sofort auffielen, weil sie so daherliefen, als wüßten sie nicht wie ihnen gleich geschehen sollte. Er wußte es ja von sich selbst, wie befremdlich das war, auf diese Art zu verreisen. Letztes Jahr in Millemerveilles war er der einzige Neuzugang für Beauxbatons gewesen. So empfand er es als interessante Betrachtung von außen, wie neue Schüler sich für die Reise in die Schule bereitstellten.

"Halt dich weiterhin wacker und lass mir bloß keine Klagen kommen!" Wisperte Catherine Brickstons Stimme in seinem Kopf. Er konzentrierte sich auf sie und schickte den Gedanken zurück:

"Wenn deine Mutter mich läßt."

"Frechdachs", kam die nur in seinem Kopf erklingende Antwort zurück. Dann fühlte er sich unvermittelt schwerelos in jener sonnenuntergangsroten Kugelschale aus reiner Magie dahintreiben. Offenbar hatte er wegen der Antwort an Catherine nicht mitbekommen, wie Paximus den Sphärenzauber aufgerufen hatte. Neben ihm schwebte Mildrid Latierre, und Cythera gab merkwürdig giggelnde Laute von sich. Für eine Sekunde dachte julius an einen Traum, wo er dieses Baby als Schülerin gesehen hatte, einen Traum, den ihm vielleicht der hinterhältige Fluch eines alten Zauberers vorgegaukelt hatte. Ungewollt mußte er dabei an die eine entscheidende Stunde denken, als er heftig keuchend mit Béatrice Latierre zusammengelegen hatte, in einer Weise, die selbst diesem lüsternen Zauberer zuwider gewesen war. Er fühlte einen anregenden Schauer durch seinen Körper gehen und merkte, das Millie Latierre ihn genau beobachtete. Das holte ihn in die Gegenwart zurück.

"Was mich stört verschwindet. Mein Geist herrscht über meinen Körper. Mein Geist herrscht über meine Gedanken", dachte er bei sich. Dann kehrte die volle Schwerkraft zurück, und er mußte aufpassen, nicht hinzufallen.

"Voll schwerelos wie im Weltall", staunte einer der neuen Schüler, wohl ein Muggelstämmiger. Für den war es wohl eine sehr tolle Reise gewesen. Auch das konnte Julius nachempfinden.

"Die neuen Schüler versammeln sich bitte um mich!" Rief eine ältere Hexe sehr befehlsgewohnt. Julius sah sich um und entdeckte Professeur Faucon, die etwa zehn Meter außerhalb des hier roten Vollkreises stand und bereits mehrere Dutzend Jungen und Mädchen um sich geschart hatte. Sie klatschte in die Hände und sah zu, wie die in der Sphäre mitgereisten Saalsprecher oder deren Stellvertreter die neuen anhielten, zu ihr hinüberzugehen. Als einer die beinahe drei Meter hoch aufragende Gestalt von Madame Olympe Maxime erblickte, die genau auf der gegenüberliegenden Seite von Professeur Faucon bereitstand, stieß er einen erschreckten Aufschrei aus.

"Ach, du liebe Scheiße, 'ne echte Riesin!" Schlagartig wurde es totenstill. Alle sahen den Jungen an, einen etwas pummelig wirkenden Knirps mit schwarzer Igelfrisur und graugrünen Augen. Dieser lief tomatenrot an, als ihm mehrere Leute sehr ungehaltene Blicke zuwarfen, vor allem Madame Maxime, die in ihrem schwarzen Satinkleid sehr auf Erhabenheit bedacht war. Professeur Faucon räusperte sich und sagte für alle vernehmlich:

"Dies trifft nicht zu, Junger Mann. Riesen sind erheblich größer und bei weitem nicht so kultiviert wie Madame la Directrice Maxime. Das werden Sie aber noch früh genug lernen. Dafür sind Sie ja hier. Und jetzt bemühen Sie sich bitte zu ihren zukünftigen Klassenkameraden zu mir!" Der Junge nickte und trottete wie ein begossener Pudel zur Schar der Erstklässler hinüber. Keiner von den anderen Schülern grinste auch nur. Alle sahen zu, wie der Junge sich neben einen spindeldürren Burschen mit rostrotem Zottelhaar hinstellte. Julius konnte unter den Neuen auch drei Mädchen sehen, die sich fast so sehr glichen, daß man sie für Schwestern hätte halten mögen. Doch eine von ihnen unterschied sich gerade so sehr, daß jemand, der sie nicht kannte sie für Cousinen halten mochte, ein Einzelnes Mädchen und ein Zwillingspaar. Daß die einzelne Neue mit den rotblonden Haaren in Wirklichkeit die Tante der Zwillinge war, wäre keinem eingefallen, der die Latierres nicht kannte. Das waren Patricia Latierre, die im Moment noch zweitjüngste Tochter von Madame Ursuline und Monsieur Ferdinand Latierre und die Schwestern Calypso und Penthesilea, die Töchter von Madame Latierres zweitältester Tochter Barbara, der Besitzerin der imposanten Latierre-Kühe.

"Die Erstklässler folgen Professeur Faucon und halten sich für das aufnahmezeremoniell bereit!" Befahl Madame Maxime mit mehr als diesen Platz ausfüllender Stimme. Professeur Faucon nickte und machte eine antreibende Geste, die alle neuen Schülerinnen und Schüler in zwei Reihen hinter ihr hermarschieren ließ, zwar nicht im Gleichschritt, aber doch sehr gestreng.

"Sie anderen folgen mir bitte, wie Sie es ja schon kennen!" Legte Madame Maxime die Marschroute für die Schüler oberhalb der ersten Klasse fest. Julius lief zusammen mit Hercules und Céline zu den Kameraden der vierten Klasse hinüber, wo sie dann, als sich alle korrekt einsortiert hatten, in den weißen Palast von Beauxbatons hineingingen. Fast ohne ein Wort zu sagen folgten die Schülerinnen und Schüler der Direktrice bis zu jenem erhabenen, mit Teppichen ausgelegten Saal mit den sechs runden Tischen und dem langen Lehrertisch, der in der Nähe einer im Moment unsichtbaren Tür stand, durch die gleich alle neuen Schüler hereingebracht wurden. Über jedem der Tische hing eine große Glocke, und zwischen Wand und Lehrertisch lag lang und breit ein bunter Teppich, der alle sechs Farben enthielt, in denen die runden, in einem Sechseck angeordneten Tische gedeckt waren. Das war der Teppich der Farben, über den die Neuen gehen mußten, um in einen der sechs Wohnsäle von Beauxbatons eingeteilt zu werden. Nahm der Teppich beim Beschreiten eine dieser Farben an, war die Zuteilung geklärt und für die gesamte Schulzeit hier verbindlich. Julius dachte daran, wie er letztes Jahr über diesen Teppich geschritten war und nach dem ersten Schritt nur noch grasgrün, kirschrot, himmelblau und dunkelviolett auf dem Teppich verblieben war und er dann beim dritten Schritt nur noch grasgrün erschienen war, was durch das Läuten der Glocke über dem grünen Tisch bekräftigt worden war. Jetzt saß er am Tisch, der in dieser Farbe gedeckt war, zwischen Robert Deloire und Hercules Moulin, seinen Klassenkameraden und Schlafsaalmitbewohnern. Ihm gegenüber, in einer langen Reihe aus Mädchen der dritten und vierten Klasse saß Claire Dusoleil, seine schwarzhaarige Freundin und sah ihn mit ihren dunkelbraunen Augen aufmunternd an. Als alle saßen, klatschte Madame Maxime in ihre riesigen, aber wohlgepflegten Hände mit den vielen Opalringen und verschaffte sich Ruhe.

"Messieurs et Mesdemoiselles, wieder beginnt ein Schuljahr in unserer erhabenen Akademie Beauxbatons, und wie jedes Jahr dürfen wir auch dieses Jahr neue Schülerinnen und Schüler in unseren Reihen begrüßen. Die meisten von Ihnen werden uns die nächsten sieben Jahre durch den Schulalltag begleiten und hoffentlich sich und uns allen alle Ehre machen." Am Tisch mit der himmelblauen Decke grinsten welche verächtlich. "Ja, auch jene, die die fragwürdige Ehre erhalten, an Ihrem Tisch und in Ihrem Saal aufgenommen zu werden", knurrte Madame Maxime und machte eine sehr tadelnde Geste zu den Leuten am blauen Tisch. Diese, allgemein auch als "die Blauen" bezeichnet, galten in Beauxbatons und darüber hinaus als frech, undiszipliniert und aufsässig, schlichtweg als Chaoten in dieser sonst so strengen, in allen Belangen durchorganisierten Schule. Madame Maxime blickte dann jedoch wieder etwas freundlicher und fuhr fort: "Allerdings darf sich die Beauxbatons-Akademie in diesem Jahr wie in vielen Jahren davor rühmen, Zaubereischüler anderer Lehranstalten für ein volles Jahr zu lehren und zu nähren. Es handelt sich hierbei um zwei junge Damen, die von zwei verschiedenen Bildungsinstituten zu uns kamen, um für das heute beginnende Schuljahr als Schülerinnen der vierten Klasse unsere Art der Unterrichtsgestaltung und gesellschaftlichen Umgangsformen kennenzulernen. Wie es die Tradition bei Gastschülern gebietet werden sie vor den regulären Neuzugängen in unserer Mitte willkommen geheißen." Alle blickten hinter den Lehrertisch, dahin, wo gleich die Tür zu einem großen, zylinderförmigen Warteraum aufgehen würde. Julius war wie alle anderen gespannt, wer die beiden Junghexen waren und wo sie herkamen. Mochte es sein, das eine von ihnen von Hogwarts herüberkam? "Begrüßen wir zunächst die Schülerin aus der Zaubereiakademie für deutschsprachige Hexen und Zauberer Burg Greifennest, Mademoiselle Waltraud Eschenwurz!"

Die Wand hinter dem Lehrertisch bekam eine mannshohe Öffnung, durch die ein hochgewachsenes, sehr sportlich aussehendes Mädchen mit weizenblonder Löwenmähne und graubraunen Augen hereintrat. Alle im Saal anwesenden klatschten ihr zur Begrüßung Beifall. Sie verharrte vor dem Teppich und schien sich nicht sicher zu sein, ob sie nicht doch an ihm vorbeigehen sollte. Madame Maxime forderte sie auf, über den Teppich zu schreiten. Sie nickte und tat den ersten Schritt. Dabei schrumpften alle himmelblauen und sonnengelben Flächen zusammen, wurden von den verbleibenden vier Flächen regelrecht verschluckt.

"Hätte mich jetzt auch gewundert, wenn 'ne Deutsche so'ne Chaotin wäre", bemerkte Robert Deloire im Flüsterton. Dann tat Waltraud den zweiten Schritt, wobei auch die weißen Flächen verschwanden. Nun waren nur noch violette, rote und grüne Stellen übrig. Bei dritten, vierten und fünften Schritt blieben diese drei Farben erhalten. Nach dem sechsten Schritt verschwand alles rote aus dem Teppich, sodaß nur noch zwischen grün und violett zu entscheiden war. Die Grünen skandierten: "Komm doch zu den Grünen! Komm doch zu den Grünen!", während die Schülerinnen und Schüler am violetten Tisch skandierten: "Violett! Violett!

"Dieser Mottenfänger scheint kaputt zu sein", spöttelte Hercules, als nach dem zehnten Schritt noch immer keine eindeutige Entscheidung vorlag. "Der hängt jetzt genau bei den Farben fest. Nachher müssen wir die uns mit den vornehmen Leuten aus dem violetten Stall teilen."

"Das gibt noch was", stöhnte Gaston Perignon, ein hagerer Junge mit blondem Haar und blauen Augen, der ebenfalls zu Julius Schlafsaalkameraden gehörte.

Als Waltraud den vorletzten Schritt tat, löste sich die Anspannung in Jubel und Applaus auf, denn eine einzige grasgrüne Fläche breitete sich über den Teppich der Farben aus, und die große Glocke über dem Tisch mit dem grasgrünen Tuch schlug vernehmlich an.

"Ach du meine Güte, wenn die so heftig violette Anteile hat macht die deiner Bernie dieses Jahr voll Konkurrenz", feixte Robert an Hercules' Adresse.

"Hör mir bloß auf", knurrte Hercules Moulin. Seine Freundin Bernadette Lavalette war eine Bewohnerin des roten Saales, galt aber als übereifrige Musterschülerin, wie sie sonst eher im violetten Saal anzutreffen war.

"Ich hatte keine violetten Farbtupfer beim Rüberlaufen", sagte Julius. Robert meinte:

"Mal sehen, wie die so ist. Nur weil der Teppich die fast zu den Violetten geschickt hätte muß die nicht gleich eine Schreckschraube oder Besserwisserin sein."

Virginie Delamontagne, die neue Saalsprecherin der grünen, übernahm Waltraud Eschenwurz von Professeur Faucon, die der Gastschülerin gleich ein Exemplar mit den Schulregeln in die Hand gedrückt hatte. Als Waltraud dann zwischen Laurentine Hellersdorf und Jasmine Jolis an den Tisch gesetzt worden war, krachten Madame Maximes klatschende Hände wieder wie Gewehrschüsse durch den Saal.

"Es steht noch eine Dame im Warteraum, die hereingebeten werden möchte, meine Herrschaften. Diese kommt von den britischen Inseln und konnte vor zwei Jahren von mir selbst als sehr gelehrige und besonnene Schülerin bewundert werden." Julius fühlte, wie die Spannung in ihm schlagartig ins Unermeßliche stieg. Wer aus Hogwarts war das jetzt. Konnte es sein? Die Wahrscheinlichkeit dafür war ja sehr groß. Aber nein, sie hätte es ihm doch erzählt. Oder etwa nicht? "Begrüßen wir nun zusammen die Schülerin von Hogwarts, der Schule für britische Hexen und Zauberer, Mademoiselle Gloria Porter." Bums! Jetzt war es also heraus, dachte Julius in dem Moment, als die hochgewachsene Junghexe mit den hellblonden Locken und den graugrünen Augen im perfekt sitzenden Beauxbatons-Schulmädchenkostüm hereintrat. Schnell sah er sich um, wer von denen, der sie über ihn kennengelernt hatte wie zu ihr hinübersah. Caro Renard aus dem roten Saal nickte nur, während Mildrid Latierre die Gastschülerin eingehend betrachtete, nicht ablehnend, sondern interessiert. Belisama Lagrange am Tisch der Weißen lächelte nur warm. Die Mädchen am grünen Tisch, die Gloria auch schon kannten sahen sehr aufmerksam zu ihr hinüber. Julius vermeinte jedoch in Claires Blick einen gewissen Unwillen zu sehen. Sie blickte Gloria mit einem Ausdruck an, als wolle sie fragen, was ihr einfiel, hierher zu kommen. Céline wußte offenbar nicht sorecht, wie sie mit dieser Situation klarkommen würde und Laurentine Hellersdorf schien nicht so überrascht zu sein wie Julius. Jetzt war die Frage, wohin Gloria kommen würde. Denn nur weil Julius und sie in Hogwarts zusammen in Ravenclaw gewohnt hatten hieß das nicht, daß sie auch in den grünen Saal einziehen würde. Er konnte sich sogar vorstellen, daß sie zu den Violetten, den Gelben oder den Weißen hingesteckt würde. Die Roten kamen nicht in Frage, weil Gloria immer schon sehr bedacht gewesen war und die Chaoten des blauen Saales würden sie ganz bestimmt auch nicht unter ihrem Dach zu sehen kriegen.

Tatsächlich verschwand bereits mit dem ersten Schritt Glorias auf dem Teppich jede blaue und rote Stelle. Caro nickte darüber nur und Millie entspannte sich wohl. Julius hatte jedoch nicht die Zeit, sich immer umzusehen, weil Gloria es offenbar eilig hatte, über den Teppich zu laufen. Nach dem vierten Schritt verschwanden auch die gelben Anteile aus dem Teppich. Nach dem siebten Schritt verschwand sogar alles Violett aus der Musterung. Das wunderte Julius. Denn Gloria hatte immer auf Bestnoten hingearbeitet, nicht wie eine typische Streberin, aber auch nicht so, als sei ihr die Schule völlig gleichgültig. Sie ging noch drei weitere Schritte auf dem Teppich, ohne daß er sich wieder veränderte. Dann tat sie den vorletzten Schritt ... Klong! Mit raumfüllendem Schlag läutete die Glocke über dem Tisch, dessen Tischtuchfarbe nun als einzige den Teppich zierte, die Farbe Schneeweiß.

"Paßt auch", raunte Julius leise. Robert sah ihn an und meinte:

"Als wir die bei deiner Feier trafen hätte ich eher geglaubt, die wäre auch eine Grüne oder zumindest eine Violette. Weißt du, worauf die sich so heftig spezialisiert hat, daß die in den Fachidiotensaal reinsoll?"

"Ich weiß nicht, was die in Hogwarts im letzten Jahr so besonderes gelernt hat, Robert. Kann sein, daß da was eindeutiges rausgekommen ist, was den Teppich dazu bringt, sie dahin zu schicken. Aber als Fachidiotin habe ich sie nie erlebt, sonst hätte ich wohl auch nie so gut mit ihr zusammen klarkommen können."

Claire blickte wohl zu Julius hin, der im Moment zusah, wie Deborah Flaubert, die neue Saalsprecherin der Weißen, Gloria von Professeur Trifolio übernahm und sie zwischen Belisama und Estelle Messier hinsetzte. Offenbar hatte Belisama darauf bestanden, daß Gloria sich zu ihr setzen durfte, und Debbie Flaubert hatte ihr das erlaubt.

"Mit der wird Gloria jetzt ein Jahr lang im selben Zimmer schlafen", sagte Julius zu Robert und Hercules, als er sah, wie Belisama sofort mit Gloria zu sprechen begann. In seinem Kopf rotierten mehrere Fragen. Wann hatte Gloria sich dazu entschlossen, dieses Austauschjahr zu machen? Wie hatte sie sich darauf vorbereitet, wo er doch mehrere Tage in ihrer Nähe gewesen war und es doch hätte mitkriegen müssen? Wo hatte sie sich die obligatorische Sprachprüfung angetan? Wer hatte sie geprüft? Aber vor allem fragte er sich, warum sie ihm nichts davon erzählt hatte. Wollte sie ihn nur überraschen, oder hatte sie das nicht erzählt, damit es nicht vorher herumging und sich Leute das Maul drüber zerrissen.

"Heh, Julius, Claire guckt dich so an, als wolle die dich was fragen", sagte Robert. Julius nickte und sah Claire an. Über die ganze Tischbreite hinweg konnten sie jedoch nicht miteinander reden, und sich hier was zuzurufen würde ihnen beiden rasch mehrere Strafpunkte einbrocken. Als sie sah, daß er ihren fragenden Blick bemerkt hatte nickte sie ihm zu und griff unter ihre Bluse, wo sie vorsichtig eine kleine Pfeife hervorholte und hinter vorgehaltenen Händen in den Mund steckte. Julius hörte ein leises Summen in seinen Ohren, das andere jedoch nicht hören konnten. Er hatte Claire einmal das Morsealphabet beigebracht, als sie ihm und sich ein Paar dieser Pfeifen zum Valentinstag geschenkt hatte. So verstand er: "w-u-s-s-t-e-s-t d-u d-a-s v-o-r-h-e-r Er schüttelte den Kopf, das Claire das Nein unmöglich übersehen konnte.

"Hat die dir nix gesagt, daß die ausgerechnet zu uns rüberkommen will?" Fragte nun auch Robert. "Ihre Tante war doch hier, hat sie erzählt und offenbar hat die es hier nicht gut ausgehalten."

"Ich werde sie wohl bald fragen können. Sie hat ja auch Arithmantik und alte Runen genommen. Da werde ich sie wohl sehen können", sagte Julius, den die Antwort auf diese Frage selbst zu sehr interessierte. Er würde nachher, wenn alle im Bett lagen seinen Zweiwegspiegel rausholen, dessen Gegenstück Gloria hatte. Dann konnte er mit ihr solange reden wie er und sie wollten. Dabei fiel ihm Edmond Danton ein, der ja immer die Bettkontrolle gemacht hatte. Er sah Giscard Moureau an, der nun die goldene Brosche des Saalsprechers trug und nun als Sechstklässler neben dem UTZ-Stress noch auf die anderen Leute aus seinem Saal aufpassen mußte. Wenn er sich dann überlegte, daß beide, Virginie und Giscard, dann noch in der Quidditchmannschaft des grünen Saales mitspielten ...

"Nachdem wir nun die beiden Gastschülerinnen aus dem befreundeten Ausland in unserer Mitte willkommen geheißen und sie ihren Anlagen gemäß eingeordnet haben möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die regulären Neuzugänge lenken", holte sich Madame Maxime die Aufmerksamkeit aller Schüler zurück. Dann verlas sie den ersten Namen, "Armand, Marc". Hereintrippelte der kleine, pummelige Junge mit der schwarzen Igelfrisur, der vorhin über Madame Maximes überragende Erscheinung erschrocken war. Erst zögerte er, als er vor dem Teppich stand. Dann, als er anzuwachsen drohte, befahl Madame Maxime: "Beschreiten Sie diesen Teppich, sofort!" Julius wußte, dieser Junge war eindeutig Muggelstämmig. Womöglich hatte er auch erst vor einigen Wochen gehört, daß es echte Zauberer gab und er einer davon war und jetzt hier lernen sollte. Deshalb schenkte er diesem Bürschlein seine volle Aufmerksamkeit, als es den Teppich beschritt. Zuerst tat sich nichts. Doch als nach dem zweiten Schritt alles blaue, weiße und violette verschwand, und der Teppich nun wie eine Anordnung durcheinandergewürfelter Ampellichter aussah, begannen die Leute an den drei noch ausstehenden Tischen ihn anzufeuern. Doch als nach dem dritten Schritt auch die grünen Stellen verschluckt wurden, staunten nicht wenige. Rot und gelb lagen sich in Beauxbatons ziemlich fern. Doch Julius wußte, daß seine Pflegehelferin Sandrine Dumas vor dem entscheidenden Schritt auch noch gelb und Rot auf dem Teppich unter sich ausgebreitet hatte und ... Klong! Die Glocke über dem kirschroten Tisch schlug an, im gleichen Moment als der Teppich nur noch kirschrot erschien.

"Na toll, der erste gleich einer von den Raufbolden und Gefühlsduseligen", bemerkte Robert. Hercules, dessen Freundin ja im roten Saal wohnte, sah sich veranlaßt mal eben hinter Julius' Nacken vorbeizulangen und dem Spötterich kräftig am rechten Ohr zu ziehen. "Eh, lass den Mist, Culie!" Knurrte Robert und machte schon Anstalten, sich zu revanchieren. Doch Giscard sah das wohl und kam schnell herüber.

"Eh eh eh, keine Handgreiflichkeiten, Jungs! Ich habe keine Lust drauf, gleich beim Begrüßungsessen Strafpunkte rauszulassen." Dann eilte er zurück an seinen Platz.

"Der kommt zu Millie in den Saal", dachte Julius. "Würde er da klarkommen oder Probleme kriegen?

Die nächsten drei Schüler landeten im blauen Saal, darunter auch ein muggelstämmiges Mädchen aus Anderlecht. Dann wurde Endora Bellart aufgerufen, eine Tochter der Zauberkunstlehrerin Bellart, die im weißen Saal landete. Robert vermutete schon, sie sei wohl von Geburt her auf Zauberkunst festgenagelt. Dann kam der schlachsige Bursche dran, neben dem Marc Armand eben gestanden hatte, Barnabas Camus.

"Wenn der mit dem neuen Saalsprecher der weißen verwandt ist landet der da auch", vermutete Hercules, zu unrecht. Denn als nach nur drei Schritten Kirschrot die einzige Farbe auf dem Teppich war und Barnabas Camus mit einem kurzen hämischen Blick an den weißen Tisch zu den roten hinüberging, von wo ihm Aristo Lambert, der neue Saalsprecher entgegentrat, um ihn abzuholen, zog Hercules seinen Kommentar zurück.

"Kannst du mal sehen, Hercules, was Lesauvageblut ausmacht, wenn es auf schneeweißen Boden fällt", fühlte sich Gaston zu einer abfälligen Bemerkung veranlaßt. Edgar Camus, ein Quidditchspieler der Weißen, sah ziemlich betreten aus, daß sein wie immer mit ihm Verwandter bei den Roten unterkam.

Als dann zehn Schüler durchwaren und die grünen immer noch keinen Neuzugang hatten, rief Madame Maxime "Latierre, Calypso" auf. Julius hatte im Schloß Tournesol gelernt, die beiden an ihren Bewegungen zu unterscheiden. Als sie nach nur zwei Schritten nur noch zwischen Blau und rot vergeben werden konnte rief Jacques Lumière vom blauen Tisch her:

"Bitte nicht di zu uns!"

"Werden Sie wohl ruhig sein!" Fauchte Madame Maxime und hielt ihren Zauberstab in der Hand. Als Callie nach dem dritten Schritt immer noch eine Blaue oder eine Rote werden konnte fragte sich Julius, ob er Jacques nicht eine oder beide von denen gönnen sollte. Doch als sie mit dem vierten Schritt nur noch auf Rot stand und die entsprechende Glocke läutete, nickte er nur.

"Latierre, Patricia!" Rief Madame Maxime sofort, als Lucille Pirot, die neue Saalsprecherin der roten Callie an den Tisch geführt hatte. Pennie Latierre grummelte zwar aber für alle hier unhörbar. Für Patricia war es nach dem zweiten Schritt wie vorhin bei Waltraud, eine regelrechte Ampelmusterung.

"Oh, wenn die zu uns kommt kriegen wir bestimmt Spaß", flüsterte Julius seinen Sitznachbarn zu. Dann verschwand der gelbe Farbton vom Teppich. "Hätte ich mir jetzt auch nicht denken können", meinte er so leise es ging. Dann, als der vierte Schritt getan war, verschwand auch der grüne Farbanteil aus dem Muster des Teppichs. Als dann auch "Latierre, Penthesilea" nach nur drei Schritten als eine der Roten feststand lächelte Julius. "Quod erat expectandum", flüsterte er.

"Was heißt, daß du das jetzt erwartet hast?" Fragte Robert. Julius nickte bestätigend.

Immerhin bekamen die grünen noch sieben Neuzugänge, vier verschüchtert wirkende Jungen die wohl alle Muggelstämmig waren, wie Julius mit seinem Gespür für sowas erkannte und drei Hexenmädchen, von denen zwei, Pia Graminis und Auberge Bonmot Cousinen waren, wie Julius an der Ähnlichkeit der Gesichter vermutete. Vielleicht waren es aber auch wieder Tante und Nichte. Jetzt, wo er das schon so häufig mitbekommen hatte, würde es ihn nicht mehr wundern.

Nach insgesamt zweiundsiebzig neuen Schülerinnen und Schülern, die alle verteilt wurden, hielt Madame Maxime noch eine kurze Ansprache, daß sie hoffte, daß sowohl die neuen als auch eingesessenen Schüler ihr dieses Jahr keinen Grund zur Klage geben würden. Julius wußte zu gut, daß sie letztes Jahr wohl genug Skandale erlebt hatte. Hinzu kam ja noch die Sache mit der Sub-Rosa-Gemeinschaft, die Galerie des Grauens in Hogwarts und das letzte Spiel des Quidditchturniers, wo sie den Großteil der Mannschaft aus dem blauen Saal für das nun beginnnende Schuljahr gesperrt hatte.

Nach dem Essen, als die Saalsprecher und -sprecherinnen die Neuzugänge im Palast herumführten, beeilte sich Julius, zum grünen Saal zu kommen. Zwar hätte er mit dem Pflegehelferarmband direkt dorthinschlüpfen können, doch er wollte das Passwort haben. Dieses Schuljahr lautete es "Helianthus". Zumindest hatte Giscards Stellvertreter, sein Klassenkamerad Linus Grandville ihnen das gesagt.

"So, Juju", begrüßte ihn Claire, als er mit ihr durch die sich auflösende und sich danach wieder verfestigende Wand getreten war. "Du wußtest das echt nicht, daß Gloria hier in Beauxbatons ein Austauschjahr machen will?"

"Neh, echt nicht, Claire. Das kam für mich auch voll überraschend. Aber wenn wir sie vor Kräuterkunde sehen, kann ich sie ja fragen. Vielleicht ist sie mit mir ja auch im Arithmantikkurs."

"Ist doch schon komisch, daß sie jetzt wo du hier bist auch hergekommen ist", knurrte Claire. Julius verstand das so, als beschuldige sie Gloria, nur seinetwegen nach Beauxbatons gekommen zu sein, was stimmen konnte aber wohl sehr unwahrscheinlich war. Deshalb antwortete er:

"Das glaube ich nicht, Claire, daß sie wegen mir hier ist. Kuck mal, in Hogwarts ist im letzten Jahr einiges quergelaufen. Da wollte sie bestimmt was nachholen, was sie da versäumt hat. Immerhin haben die ja da wohl wieder einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste nötig und wegen Voldemort ... Ja, Claire, ich weiß, man soll ihn nicht beim Namen nennen." Claire hatte bei der Erwähnung des gefürchteten Namens verschreckt dreingeschaut. "Jedenfalls ist Gloria bestimmt nicht nur wegen mir hier. Könnte sein, daß sie sich dafür interessiert hat, ob sie hier auch gut klarkommt wie ich bisher. Aber nur wegen mir? Macht dir das irgendwie zu schaffen?"

"Zu schaffen nicht, nur so, daß ich mir nicht vorstellen kann, warum sie jetzt hier ist und nicht schon letztes Jahr. Die konnte doch da schon gut Französisch."

"Wegen Pina vielleicht, damit die nicht so allein in Hogwarts herumlaufen muß?" Fragte Julius. Claire sah ihn mit einem Ausdruck an, als fühle sie sich jetzt von ihm verschaukelt. Dann sagte sie:

"Warum sie jetzt auch immer hier ist, ich denke nicht, daß sich dadurch zwischen uns beiden und ihr und dir was ändert, oder, Juju?"

"Das wäre ja auch Blödsinn, wo Gloria nie was gesagt hat, daß sie was gegen unsere Beziehung hat", versuchte sich Julius in einer Antwort. Doch als er sie aussprach merkte er schon, daß es wohl die falsche war.

"Aha, dann könnte sie jetzt hier sein, um zu sehen, ob das zwischen uns wirklich was wichtiges oder nicht ist und dann was sagen."

"Gloria ist sehr vernünftig, Claire. Die bildet sich nicht ein, in anderer Leute Beziehungen rumstochern zu müssen. Könnte es sein, daß du paranoid bist?" Er fühlte, wie diese Frage nicht nur Claire aufbrachte sondern auch ihn.

"Ich wollte von dir nur wissen, ob du weißt, warum deine ehemalige Mitschülerin oder Schulfreundin jetzt hier ist. Du hast gesagt, du weißt es nicht, und ich muß es dir wohl glauben, so wie du vorhin gekuckt hast, als sie reingekommen ist. Außerdem ist die jetzt bei Belisama im weißen Saal und damit nicht immer um uns rum."

"Dann war das gerade doch völlig unnötig, Claire", fühlte sich Julius berufen, Claire zu belehren. Diese wollte schon was sagen, als Laurentine Hellersdorf und Céline herbeikamen.

"Claire, wenn er nicht weiß, was Gloria außer einer besseren Schule hier sucht brauchst du dich nicht aufzuregen", sagte Céline. Laurentine sagte nur:

"Ich dachte, ihr hättet diese blöde Stimmung in den Ferien abgelegt."

"Trotzdem werde ich ja wohl fragen dürfen", grummelte Claire. Da trat Mathilde D'aragon, die stellvertretende Saalsprecherin zu ihnen und räusperte sich.

"Julius, ich soll dir von unserer Saalvorsteherin ausrichten, daß sie dich in einer halben Stunde bei sich im Büro sehen will. Es geht da wohl um etwas, daß Madame Brickston mit ihr abgesprochen hat", sagte sie. Julius fragte, ob die Neuen nicht alle bei ihr vorbeikämen. Mathilde schüttelte den Kopf. "Die sind dann wohl schon durch. - Außerdem hat sie mir gesagt, du möchtest deine Freizeitplanung schon fertig haben und ihr deinen Wochenplan vorlegen, damit sie nachsehen kann, ob sie da nicht was dran ändern muß."

"Wo liegen denn die Formulare?" Fragte Julius, der erst die Lippen zusammenpressen mußte, um keine unbedachte Äußerung rauszulassen. Mathilde ging zu einer wand hin, zog an einem Panel der Vertäfelung und holte mehrere Pergamente heraus, die sie ihm und an die bereits eingetroffenen Mädchen weitergab.

"Da sind die Angebote drauf erklärt. Such dir was aus, von dem du denkst, daß es interessant und wichtig genug für dich ist!" Sagte sie.

Er las sich die Beschreibungen der Freizeitkurse durch. Sollte er wirklich noch einmal den Tanzkurs ankreuzen? Im Moment schien ihm das nicht sonderlich prickelnd zu sein, wenn Claire gerade auf ddieser Eifersuchtstour war. So nahm er stattdessen den Kurs für Zaubertierwesen, der für Schüler ab Klasse vier angeboten wurde, welche auch praktische Magizoologie als Unterrichtsfach hatten. Würde ihn Professeur Faucon wieder in diesen Verwandlungskurs reinholen wollen? Vielleicht sollte er sie das entscheiden lassen. Schach und Alchemie kreuzte er jedoch sofort an, ebenso praktische Zauberkunst, sowie das Duelltraining und den Kräuterkundekurs und die Musikgruppe. Er sah Mathilde an und fragte sie:

"Weißt du, ob Virginie mich in der Quidditchmannschaft drinhaben will?"

"Machst du Witze, Julius? Da du den Ganni 10 hast wäre es eine Todsünde, dich da nicht reinzuholen. Das kreuzt du sofort an!" Sagte sie. Dann meinte sie noch: "Da wird noch ein Kurs über nützliche und schädliche Zauberwesen angeboten, den Madame Maxime selbst geben will. Interessiert?"

Julius verstand den Wink. Einerseits wollte er nicht andauernd mit dem Zusammentreffen mit Hallitti behelligt werden, bei dem sein Vater endgültig sein bisheriges Leben verloren hatte. Andererseits mußte er sich darüber im klaren sein, daß er vielleicht auf der Abschußliste ihrer noch wachen Schwestern stand und da besser mehr über diese Kreaturen wissen sollte als bisher. Deshalb nickte er und kreuzte den Kurs an. Dafür konnte er aber dann den Malkurs nicht mehr mitnehmen, weil an jedem Termin, an dem er wiederholt wurde dann was anderes lag. Das konnte noch Stress mit Claire geben, wenn er zwei Kurse, die sie garantiert machte nicht mitmachte. Andererseits wußte er ja nicht, was sie ankreuzte. Als er dann jede Unterrichts- und hausaufgabenfreie Minute verplant hatte, trafen die Neuzugänge von ihrer Führung ein. Virginie führte die drei Mädchen sofort zum Trakt für Schülerinnen. Offenbar hatten sie es sehr eilig.

"Wo ist Giscard?" Fragte Julius, als Virginie mit den dreien wieder herauskam.

"Es gibt schon Stress. Einer von den Jungs ist ausgebüchst und läuft jetzt durchs Schloß. Ich dachte, die Blauen hätten noch genug Platz gehabt und wir hätten nicht deren Überschuß abbekommen", sagte sie und fragte ihn, ob er gleich wirklich zu Professeur Faucon mußte. Er nickte. Aber noch hatte er etwas Zeit, die er sich damit vertrieb, die deutsche Gastschülerin Waltraud etwas kennenzulernen, die sich bereits mit Céline und Claire unterhalten hatte. Als er neben ihr stand, merkte er, daß sie für die vierzehn Jahre, die sie wohl alt sein mußte, schon ziemlich groß gewachsen war, bestimmt an die einen Meter und siebzig messen mochte. Sie erzählte ihm mit einer raumfüllenden Altstimme, daß sie von einer für Muggel unsichtbaren Insel namens Feensand käme. Ihre Mutter sei eine Spezialistin für Elementarzauber und ihr Vater arbeite im Büro für internationale magische Zusammenarbeit.

"Als die Muggel Deutschland noch in zwei halbe Staaten unterteilt haben, wo der östliche sehr heftig überwacht wurde, hat er die Unterabteilung ostdeutsche Sonderaufgaben übernommen, um Verdächtigungen der Staatssicherheit zu entkräften, um Angehörigen Muggelstämmiger Zauberer zu helfen, ihr Leben weiterzuleben", berichtete sie. Dann fragte sie Julius: "Trifft das zu, daß du dein jetziges Aussehen durch einen Alterungsfluch erlangt hast, als du von einer dunklen Kreatur bedrängt wurdest?" Julius bejahte das und sagte auch, daß sein Vater dabei gestorben sei. "Und da ist nichts von nachgeblieben?" Fragte sie erstaunt. Julius verneinte verhalten. "Ich hörte davon, daß diese Art Kreatur die Seele vergiftet und warten kann, bis ihr Opfer so geschwächt ist, daß sie es endgültig überwältigen kann."

"Würde ihr jetzt auch nichts mehr helfen", grummelte Julius und legte nach: "Dieses Höllenweib ist tot."

"Das ist gut", sagte Waltraud mit einer Betonung, die Julius nicht so recht einschätzen konnte. Dann fragte sie ihn direkt heraus, ob sein Vater das mit Hallitti vielleicht herausgefordert hatte. Julius verzog das Gesicht und erwiderte:

"'tschuldigung, aber mein Vater verabscheute die Zauberei. Der hätte sich niemals auf was eingelassen, wo Zauberei im Spiel ist. Verstehst du, der hätte sofort die Finger von diesem Monster gelassen, wenn er das gewußt hätte." Er lief leicht rot an. Waltraud sah ihn ruhig an und erwiderte:

"Ich wollte dir bestimmt nicht wehtun. Aber ich las von Fällen, wo solche Begegnungen von Nichtmagiern absichtlich herbeigeführt worden sind, damit sie die heftigste Affäre ihres Lebens hatten."

"Ja, aber nicht mein Vater", brauste Julius auf. Dann erkannte er, daß er sich unnötig aufregte. Er fragte rasch: "Du interessierst dich für Zauberwesen?"

"Tierwesen", erwiderte Waltraud. "Ich werde hier wohl in die Tierwesen-AG eintreten. Da sollen ja alle kleineren und größeren Nutztiere behandelt werden, vom Knuddelmuff bis zu diesen legendären Flügelkühen, die eine der Zaubererfamilien in Frankreich und Spanien gezüchtet hat."

"Ja, die Kenne ich auch", erwiderte Julius, dem danach war, seine Wut von eben durch ein einfaches Gespräch abzukühlen und unterhielt sich einige Minuten über Tierwesen. Doch erwähnte er einstweilen nichts von Goldschweif. Als Waltraud gerade fragte, wer von denen allen hier Quidditch oder Schach spiele, ging die Wand auf, und ein atemloser Giscard Moureau trat ein.

"Hallo, Leute, ist Louis Vignier schon in diesen Raum zurückgekehrt?"

"Der kleine drahtige mit den brünetten Locken?" Fragte Hercules Moulin, der sich bis dahin noch an der Unterhaltung mit Waltraud Eschenwurz beteiligt hatte.

"Eben der. Wußte doch, daß die Farben, die vor dem letzten Schritt noch auf dem Teppich sind was bedeuten", knurrte Giscard. Immerhin waren vor Grün noch Blau und Weiß auf dem Teppich übriggewesen.

"Was ist denn passiert?" Fragte Virginie.

"Der ist mir ausgekniffen. Als ich ihn zusammen mit den anderen bei Professeur Faucon vorbeigeführt habe hat die gesagt, daß ja alle Muggelstämmigen die Artefakte aus ihren Elternhäusern abzugeben hätten. Der Kleine schien das nicht so recht zu begreifen. Als er dann was davon sagte, er wäre auf sein Fernsprechdings angewiesen, hat Professeur Faucon gesagt, er könne zum einen nichts damit anfangen, wegen der vielschichtigen Magiestreuung hier und zum anderen gebe es Eulen. Als ich ihn und die anderen dann hierher zurückbringen wollte ist der mir doch glatt in einem Zwischengang abgehauen", knurrte der Saalsprecher. Hercules feixte:

"Sei froh, daß du noch so gut in Form bist. Das ist gut für Quidditch."

"Haha, Hercules. Öhm, Julius, unsere werte Saalvorsteherin hat mich noch mal daran erinnert, daß du sofort bei ihr antreten sollst, wenn ich mit den Leuten hier bin. Also sieh bitte zu, daß du die nicht noch wütender machst als sie jetzt schon ist!"

"Kein Problem", sagte Julius und entschuldigte sich bei denen, mit denen er gerade gesprochen hatte. Claire, die bis dahin nur zugehört hatte, sah ihn merkwürdig an, als erwarte sie von ihm sofort eine Erklärung für diesen Sondertermin. Er beachtete das jedoch nicht weiter und trat an eine der Wände des Raumes. er legte den linken Zeigefinger auf sein Pflegehelferarmband und erzeugte damit eine rosarote Leuchterscheinung auf der Wand. Er konzentrierte sich und drückte dann das Armband gegen die Mauer, die ihn einfach einsaugte und verschwinden ließ. Doch keine Sekunde später wurde er aus einem anderen Wandabschnitt, mehrere Etagen tiefer und mehrere Korridore entfernt ausgestoßen. Es ging also noch. Warum auch nicht. Im unfreiwillig geliehenen Körper Belle Grandchapeaus hatte es ja auch geklappt.

Das Büro der stellvertretenden Schulleiterin war verschlossen. Er blickte die Tür an und sah ein Schild: Vorübergehend verlassen, bitte im Korridor warten!

"Super, die ist wohl gerade in dringenden Angelegenheiten unterwegs", dachte Julius, als er rasche Schritte von rechts hörte und sich umwandte. Da kam der von Giscard so verzweifelt gesuchte Louis Vignier angerannt. Als er Julius sah bremste er auf seinen Nike-Turnschuhen quietschend ab und starrte ihn an.

"Ey, ist diese Professeur Faucon da drinnen. Ich kriege hier kein Netz. Ach neh, das verstehst du ja nicht. Zauberer leben ja noch im Mittelalter."

"Ach, hat dir keiner gesagt, daß elektronische Geräte hier nicht gehen, von der Digitaluhr bis zum Computer?" Amüsierte sich Julius. Dann sah er die Verzweiflung, die der Junge hinter seiner Maske aus Trotz zu verbergen versuchte. "Ich hatte das Problem auch, daß ich nicht mit meinen Eltern telefonieren konnte. Als ich dann aber raus hatte, daß man ja die Posteulen verschicken kann, ging das bald vorbei."

"Höh, du bist einer von uns? Ich will aber nicht diese Viecher verschicken. Mit Tieren kann ich nicht gut, schon gar nicht mit Raubvögeln", erwiderte Louis Vignier. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, daß er sich hier wie auf einer einsamen Insel gestrandet vorkam. So sagte er entschlossen:

"Das hier keine Handies gehen hat uns diese Rekrutierhexe nicht erzählt. Wenn ich meine Alten nicht bis zehn Uhr erreicht habe oder die mich, rufen die die Bullen, und dann wird dieser ganze Verein hochgenommen, ob Zauberer oder nicht. Die sind im Moment eh sehr durch den Wind, weil in unserem Land gerade so'n Riesenmisthaufen am qualmen is'."

"Du kommst aus Belgien, wie Marie van Bergen und die Duisenbergs. Ach du meine Güte, dann ist das wohl ziemlich heftig, was da gerade bei euch abgeht. Ich habe das nicht so richtig mitgekriegt, nur daß so'n Typ junge Mädchen entführt und gefangengehalten hat, um sie an Kinderschänder zu verleihen."

"Ja, und wenn ich nicht erreichbar bin glauben meine Eltern ..." setzte Louis an, wurde jedoch von einem sehr energischen Räuspern unterbrochen, als Professeur Faucon leicht abgehetzt wirkend um die Ecke kam.

"Wie immer dem ist, Monsieur Vignier, sich ohne Absprache von der obligatorischen Rundführung abzusetzen und dazu noch ohne Genehmigung mit unzulässigen Gegenständen hantieren, auch wenn sie hier nicht ihren Konstruktionsvorgaben nach funktionieren können bedeutet einen groben Verstoß gegen die Regeln unserer Akademie. Dafür muß ich Ihnen fünfzig Strafpunkte auferlegen, womit Sie eines Viertels Ihres Bonuspunktekontos verlustig werden, Monsieur. Am besten händigen Sie mir nun dieses Funktelefon widerstandslos aus. Ich werde es an Ihre Eltern zurückschicken, am besten mit all den anderen Gerätschaften, welche Sie wohl mit sich führen."

"Ey, Sie können mir doch nicht das Handy wegnehmen", sagte Louis sehr aufgebracht. Julius wollte gerade was sagen, doch der saphirblaue Blick der Lehrerin traf ihn und Louis mit einer unausweichlichen Unerbittlichkeit.

"Junger Mann, wenn Sie darauf spekulieren, daß wir Sie stante pede von dieser Akademie verweisen so seien Sie gewarnt, daß Sie dann nicht mehr diese kleinen Tricks anwenden dürfen, die Sie zu einem so guten Fußballspieler gemacht haben. Wer hier aufgenommen wurde, und mit der Überquerung des Teppichs der Farben wurde die Einschulung vollendet, steht nach einem wie auch immer begründeten Verweis unter ständiger Beobachtung unseres Ministeriums, sofern er aus einer nichtmagischen Familie mit entsprechendem Umfeld stammt. Also übergeben Sie mir jetzt auf der Stelle dieses Gerät! Sonst könnte mir einfallen, Sie bis auf weiteres in eine Fledermaus zu verwandeln, was mir den Schulregeln gemäß in besonders drastischen Fällen gestattet ist."

Louis zog das Handy hervor, tippte noch einmal daran herum, ohne wen oder was zu erreichen und gab es kleinlaut ab.

"Vernunft ist immer besser als Unverstand, Monsieur. Ich geleite Sie nun zum grünen Saal und werde dort verkünden, welche Bußleistung Sie wegen der auferlegten Strafpunkte zu verrichten haben. Sie, Monsieur Andrews bleiben solange hier, bis ich zurückkehre!" Wies sie Julius an und ergriff sicher aber nicht zu grob den Arm des neuen Schülers und führte ihn ohne weiteres Wort fort.

"Hui, ich habe echt gedacht, der fliegt express von der Schule. Das hätte ich Bébé dann dick aufs Brot schmieren können", dachte Julius. Da sah er in einem Landschaftsbild auf dem Flur die bärengleiche Erscheinung des Gründungsvaters Orion Lesauvage. Dieser sah ihn an und zwinkerte ihm zu.

"Ey, Julius. Hattest du Spaß im Château Tournesol? Ich kriege seit einigen Tagen keine Nachrichten mehr von da. Habt ihr euch gut amüsiert?"

"Zieh Leine, du Schweinehund, bevor ich das Bild da in Brand stecke und dich damit aus der Geschichte rauslösche", knurrte Julius. Orion grinste feist. Dann meinte er:

"Och, war es dir zu anstrengend da? Da waren doch so viele hübsche Jungfern, die ..."

"Aha, da ist er ja!" Rief eine Stimme aus dem Bild. Orion erschrak und lief Hals über Kopf davon. Da tauchte Serena Delourdes im Bild auf, zusammen mit Viviane Eauvive.

"Hat er sich über seinen Schabernack gefreut, den er euch spielen wollte?" Fragte Viviane.

"Tja, wenn der wüßte, wie wir dem eins ausgewischt haben", grinste Julius. Viviane nickte und lief an den Ohren rot an. Dann eilte sie weiter.

"Madame Rossignol wird gleich zu euch hinzustoßen, soll ich Professeur Faucon und dir ausrichten", sagte SerenaDelourdes. Dann ging auch sie weiter.

Etwa eine Minute verging, da schlüpfte die Schulheilerin aus der Wand, aus der Julius vorhin gekommen war.

"Huch, ist Professeur Faucon nicht in ihrem Büro?" Fragte sie. Julius erklärte ihr kurz die Lage. "So kenne ich die gute Blanche ja nicht. Normalerweise ist sie nicht so gnädig. Wird wohl sein, daß sie erkennt, wie schlimm Heimweh oder Verlassenheit den Verstand trüben kann. Dir geht es aber jetzt soweit wieder gut?"

"Öhm, ja", erwiderte Julius.

"Auch keine Nachwirkungen dieser Auseinandersetzung mit dieser Kreatur?"

"'n paar Alpträume hat es gegeben. Aber sonst war nichts", sagte Julius.

"Und deine Mutter ist nach dieser höchst fragwürdigen wenn auch wirksamen Behandlung meiner Kollegin Eauvive wieder im Gleichgewicht?"

"Ja, ist sie wohl. Hätte aber beinahe in die andere Richtung ausschlagen können."

"Nun, dann wäre da noch etwas, von dem ich gerne mehr wüßte. Das möchte ich jedoch nicht in einem Korridor besprechen." Bei Julius klingelten die Alarmglocken. Hatte Béatrice Latierre vielleicht doch herumerzählt, was sie mit ihm zusammen angestellt hatte?

Professeur Faucon kam zurück.

"So, ich habe den jungen Mann ordnungsgemäß abgeliefert und mich mit den Saalsprechern ausgetauscht, wie mit ihm zu verfahren ist. Kommen Sie jetzt bitte beide herein!" Sagte sie und öffnete die Tür.

Im Büro der stellvertretenden Schulleiterin nahmen Madame Rossignol und Julius auf den Besucherstühlen Platz. Professeur Faucon nahm ihren Platz am Schreibtisch mit Blick auf die Tür ein. Dann sah sie Julius an.

"Ich habe eine sofortige Unterredung mit Ihnen veranlaßt, weil es drei Punkte gibt, die ich vor dem Beginn der Unterrichtsstunden klären möchte. Apropos unerlaubte Gegenstände", sagte sie und holte aus einer Schreibtischschublade etwas glitzerndes hervor. Julius stach das Sonnensymbol auf dem kleinen Spiegel in die Augen, den die Lehrerin hochhielt. "Wie ich sehe, erkennen Sie diesen Gegenstand auf Anhieb wieder. Ich habe Professeur Trifolio vorgeschlagen, nach diesem Gegenstand zu suchen, und er wurde fündig. Ich vermute jedoch, daß es einen zweiten solchen Gegenstand gibt, der nicht all zu weit entfernt ist."

Julius verstand und holte aus seinem Practicus-Brustbeutel das diesem Spiegel zugeordnete Gegenstück heraus und übergab es widerspruchslos. Sie nickte ihm zu und sagte:

"Ich habe gehofft, daß Sie trotz der außergewöhnlichen Ereignisse, die Ihre Ferien erschwerten noch vernünftig genug sind, Monsieur. Haben Sie denn allen Ernstes darauf gehofft, ich wäre nicht dahintergekommen, daß meine US-amerikanische ... Fachkollegin nicht nur einen solchen Spiegel überreicht?" Julius schüttelte den Kopf. Natürlich hatte er erwartet, daß sie das mit dem zweiten Spiegel wußte.

"Wenn es denn noch eines handfesten Beweises bedurft hätte, daß sie mit der nun für ein Jahr unter unserem Dach weilenden Mademoiselle Porter über solche Spiegel Verbindung halten, so lieferte sie mir diesen, als sie mich trotz der Arrestaura um das Haus ihrer Großeltern informierte, in welcher Gefahr Ihr Vater und damit Sie selbst schwebten. Aber wie gesagt war mir bei der Beschlagnahme des einen Spiegels schon klar, daß Madame Porter Ihnen auch eine Verbindung zu ihrer Enkeltochter ermöglichen würde, wobei sie wohl einen jener Bergesteine benutzt hat, um das Wissenund alles damit verknüpfte in Ihrem Gedächtnis zu verstecken. Sie wagt es wohl, sich mir überlegen zu fühlen, weil sie tagtäglich mit Neuerungen in der Bekämpfung der dunklen Künste zu tun hat und ich doch nur eine Lehrerin bin." Julius errötete. So ähnlich hatte sich Mrs. Porter wirklich geäußert. Er wollte schon ansetzen, seine Selbstbeherrschungsformel zu denken, als Professeur Faucon auf den zweiten Punkt der von ihr angeordneten Besprechung kam.

"Madame Brickston, welche derzeit die beratende und betreuende Funktion in Sie betreffenden Zaubereiangelegenheiten ausübt unterrichtete mich, daß Sie mit Ihnen Übungen zur Verhüllung ihrer Gefühle und Erinnerungen gemacht hat und ersuchte mich in ihrer Verantwortung für Ihre magische Ausbildung, das erreichte Niveau dieser Übungen zu erhalten und nach möglichkeit zu steigern. Um diesem Ersuchen nachzukommen möchte ich jetzt den von Ihnen angefertigten Wochenplan für Ihre persönliche Freizeitgestaltung einsehen, um bei Bedarf einen Zeitraum von einer Stunde zu finden."

Madame Rossignol sah Julius an und fragte Professeur Faucon:

"Catherine hat diesem Jungen Occlumentie gelehrt, Blanche?"

"Ja, hat sie. Von sich aus und mit meiner stillschweigenden Zustimmung. Sie und ich müssen von weiteren Angriffsversuchen auf Monsieur Andrews ausgehen, nicht aus derselben Quelle, aber zumindest von Individuen, die mehr über die Ereignisse wissen wollen, deren unfreiwilliger Zeuge er wurde. Insofern ist die Kunst der geistigen Verhüllung schon sehr wichtig."

Julius legte Professeur Faucon seinen Freizeitplan hin. Sie las ihn, nickte und überlegte. Dann nahm sie das Pergament, eine in smaragdgrüne Tinte getränkte Falkenfeder und schrieb etwas auf. Dann sagte sie.

"Nun, Sie haben sich für wahr sehr umfangreich verplant. Alle diese Kurse und Arbeitsgruppen sind für sich zu wichtig, um sie zu ändern, zumal ich froh bin, daß Sie von Sich aus erkannt haben, daß ich Sie unbedingt weiterhin in fortgeschrittenen Verwandlungsübungen fördern will. Der einzige Kurs, der auf den ersten Blick nicht so emminent wichtig erscheint, war der Holzbläserkurs. Andererseits ist die musische Bildung neben der praktischen Bildung gleichbedeutend. Ich frage mich zwar, weshalb Sie den Tanzkurs abgewählt haben, muß aber anerkennen, daß Sie Ihre Zeit genau abwägen wollten und jetzt durch den Umgang mit einem magischen Tierwesen sowie der unliebsamen Begegnung mit einer der gefährlichsten Zauberkreaturen mehr lernen möchten. Madame Maxime hat nach meinem Bericht beschlossen, dieses Seminar wieder zu erteilen, nachdem sie es wegen der Begleitung der trimagischen Delegation einstweilen aus dem Freizeitangebot gestrichen hat und wegen der Lage in Großbritannien nicht so schnell fortsetzen wollte. So verbleibt mir lediglich eine Stunde am Samstag Abend für die von Ihrer Fürsorgerin beantragten Sonderübungen bei mir. Da Sie als Schüler der vierten Klasse nun bis 22.30 Uhr außerhalb Ihres Schlafzimmers verbleiben dürfen, habe ich in den Plan, den ich zu meinen Unterlagen heften werde, die Zeit zwischen 21.25 Uhr und 22.25 Uhr vermerkt. Gemäß der Veranlassungsregeln kann ich sie von den üblichen Saalschlußgeboten freistellen, da Sie ja bei mir antreten werden und durch Ihren Pflegehelferschlüssel ja binnen weniger Sekunden in Ihren Saal zurückkehren können. Da Madame Rossignol gerade anwesend ist, erachte ich das als ihr mitgeteilt, damit Sie nicht gemäß den Gebrauchsbeschränkungen des Pflegehelferschlüssels belangt werden. Allerdings, ja, und das ist Ihnen wohl all zu vertraut, weiß ich, muß ich Sie darum ersuchen, keinem Ihrer Klassenkameradinnen und -kameraden davon zu berichten, was Sie bei mir lernen. Madame Maxime besteht darauf, weil die Kunst der Occlumentie Stoff der UTZ-Abschlußklasse ist, wie Sie ja selbst mitbekommen durften und wir durch die Ausnahme bei Ihnen keinen allgemeinen Präzedenzfall schaffen wollen. Ich hoffe, Sie erkennen dies an." Julius nickte. Damit war der Punkt wohl abgehandelt. Doch sie hatte was von drei Punkten gesagt. Als sie den dritten Punkt ansprach pendelte er wild zwischen Wut, Ertapptheit und Verlegenheit.

"Wider ihre ursprüngliche Auffassung, mich darüber in Unkenntnis zu halten, mußte Madame Brickston erkennen, daß wenn ich ihrem Ersuchen bezüglich der Occlumentie-Übungen stattgebe auf Dinge stoßen würde, die mich sichtlich erschüttern würden und informierte mich darüber, daß Sie im Château Tournesol zusammen mit Mademoiselle Béatrice Latierre sehr verwegen, um nicht zu sagen jenseits der Grenzen des moralisch zulässigen außerehelichen Geschlechtsverkehr hatten, um einen darauf abzielenden Fluch zu brechen, was Ihnen gelang, weil Sie, auf Ihren Vorschlag hin, Monsieur, durch Gebrauch des sehr umstrittenen Vielsaft-Trankes ihre Körper vor diesen ... Aktivitäten austauschten, sodaß Sie die bei derlei Tätigkeiten aufkommenden Gefühle und Sinneseindrücke einer erstmalig geliebten Frau erlebten." Madame Rossignol starrte Julius perplex an, Julius wurde eine Sekunde lang aschfahl und dann puterrot. Also hatte Catherine es ihrer Mutter doch erzählt. Ja, und er durfte ihr deswegen nicht einmal böse sein, weil es logisch war, einem Lehrer für Occlumentie oder Okklumentik, wie es anderswo genannt wurde, solche Details besser vorher zu erzählen, wenn man wollte, daß dieser nicht total verärgert gegen den Schüler und andere davon wissende vorging. Madame Rossignol starrte ihn immer noch an. Dann sagte Professeur Faucon:

"Sie sind sich doch darüber im klaren, daß Sie die immer noch zu respektierende Ehre von Mademoiselle Latierre sowohl als Frau als auch als Heilerin zu schützen haben, dadurch, daß Sie nicht mit den gemachten Erfahrungen hausieren gehen. Sicher, Mademoiselle Béatrice Latierre ist volljährig und als selbständig lebensfähige Hexe mit allen Ehren aus diesen Mauern entlassen worden. Dennoch muß ich Ihnen das so sagen, wie es sich gehört: Sie haben sich durch diesen körpervertauschten Beischlaf mit Mademoiselle Latierre eine große Verantwortung aufgeladen, nämlich die dabei gemachten Erfahrungen nicht gegen sie zu verwenden, sei es in herabwürdigender Rede, Gerüchten oder aus Gewinnsucht. Sehen Sie diese Belehrung als Ansporn, in den von uns durchzuführenden Occlumentie-Übungen diese Erlebnisse besonders gut zu verbergen. Ich werde Sie zwar nicht dafür bestrafen, wenn ich davon etwas ergreifen kann. Aber ich werde Sie ständig daran erinnern, daß Sie Mademoiselle Latierres ganz private Erlebnisse in sich tragen, die sie nach Möglichkeit nicht nach außen dringen lassen dürfen. Und, damit Sie nicht denken, es ginge ja nur um Mademoiselle Latierre, Sie müssen sich selbst vor einer möglichen Beschädigung Ihrer eigenen Ehre bewahren. Insofern gebe ich Ihnen die erste Hausaufgabe des Schuljahres, die bis zum Ende des Jahres immer und immer ausgeführt werden muß, üben Sie sich in der Occlumentie! Ich kann und werde erkennen, wie diszipliniert Sie dabei sind."

"Blanche, was diesen Punkt angeht bestehe ich als Schulheilerin und für den Jungen zuständige Vorgesetzte der Pflegehelfergruppe darauf, daß er zumindest mir diese sehr ominöse Affäre erläutert, wann, wo, wie, und vor allem warum er das getan hat. Da im Moment wohl noch niemand von den Schülern den Krankenflügel benötigt möchte ich Sie bitten, mir den jungen Mann hier für eine intensive Befragung ohne Anwendung von Veritaserum zur Verfügung zu stellen."

"Ich bin mit meinem Teil der Unterredung fertig, Florence. Es ist jetzt eine halbe Stunde vor Saalschluß. Sollten Sie den jungen Mann länger als zu diesem Zeitpunkt befragen tragen Sie dies bitte ein, damit ihm dadurch keine Bestrafung droht!"

"Natürlich, Blanche. Dann kommen Sie bitte mit, junger Mann!" Sagte die Schulheilerin und hakte sich bei Julius unter. Er wünschte Professeur Faucon noch eine gute Nacht und verließ mit der Heilerin das Büro der Lehrerin.

Im Krankenflügel angekommen interviewte Madame Rossignol Julius, der ihr von Orions Fluch erzählte und wie und warum Béatrice und er ihn sprichwörtlich ausgetrieben hatten.

"In der katholischen Welt wäre diese Form des Exorzismus wohl ein Grund zur Exkommunikation", sagte Madame Rossignol trocken, nachdem sie Julius über alle Einzelheiten befragt hatte, auch wie sich das angefühlt hatte, als Frau geliebt zu werden. "Nun, ich kenne Béatrice und wollte ja noch antreten, um ihre Nichte Mildrid zu examinieren. Allerdings hatte ich eigene Familienangelegenheiten zu klären. Ich erkenne zumindest an, daß dieser heimtückische Fluch gebrochen werden mußte, weil du sonst wider deinen Willen mit allen Frauen dort geschlafen hättest, ohne Ansehen von Stand, Alter und sonstigen Vorlieben. Aber jetzt sage mir bitte ganz ehrlich, hast du das nur gemacht, weil du diesen Fluch brechen wolltest, oder hat dich die Vorstellung gereizt, noch vor deinem fünfzehnten Lebensjahr geschlechtliche Wonnen zu erleben?"

Julius horchte in sich hinein. Ja, einerseits war es wegen des Fluchs. Dann war es natürlich auch ein aufregendes Experiment und tatsächlich auch der heimliche Wunsch, die Situation auszunutzen. Das sagte er Madame Rossignol auch so. Sie sah ihn an und sagte ganz ruhig:

"Gut, nachdem du es mir erzählt hast und ich ja genau wie diese Knochenflicker aus der Welt deiner Eltern an eine Schweigepflicht gebunden bin, kannst du es nun für dich behalten."

Julius fiel etwas ein, das er in dieser Atmosphäre der Vertraulichkeit noch anbringen wollte:

"Ich weiß nicht, ob das mit Claire bei den vielen Geheimnissen noch lange hält. Sie meint, ich solle ihr vertrauen und doch mehr erzählen als ich bisher erzählt habe. Aber ich kann doch nicht sowas erzählen. Professeur Faucon hat recht, wenn sie sagt, daß ich mich damit ja selbst an die Wand fahre, öhm, meinen Ruf oder die Ehre oder was immer wichtiges dabei verspiele."

"Das Problem ist mir bekannt, Julius, nicht von dir und Claire her, sondern von mir selbst. Ich habe damals auch vieles erfahren, was mich und andere geschädigt hätte, wenn ich anderen davon erzählt hätte. Das hat mich auch fast die Beziehung zu meinem Mann gekostet, weil er der Meinung war, ich müsse ihm grenzenlos vertrauen. Dann habe ich überlegt, ob ich ihm das eine oder andere Detail erzählen soll. Dabei bin ich immer von der Frage ausgegangen, ob ich ihn dabei vergraule oder ihm zu viel Ballast auflade. Ich habe ihm dann die Wahl gelassen, entweder mit mir weiterzuleben und mir zu vertrauen, daß ich nichts tun würde, was ihn oder mich nachhaltig schädigt oder ohne mich weiterzuleben. Er ist bei mir geblieben, und ich habe mit ihm drei gesunde Kinder in die Welt gesetzt und zu vernunftorientierten Hexen und Zauberern erzogen. Du wirst nicht zu einem Verräter an eurer Beziehung, wenn du Claire nicht alles erzählst, was dich umtreibt. Vielleicht behauptet sie auch nur, du solltest ihr vertrauen, damit sie ihr Vertrauen zu dir entwickeln kann. Wenn ihr beide aber feststellt, daß das was du ihr nicht erzählst nicht zwischen euch beiden steht und sie dich so akzeptieren kann wie du für sie und andere da bist, ist es besser, nicht zu früh zu viel zu erzählen, schon gar nicht das, was du mit meiner jungen Kollegin erlebt hast. Ich bin nicht prüde und Professeur Faucon auch nicht. Ich weiß jedoch von einigen Hexen, daß sie ihre Weiblichkeit als Heiligtum ansehen und jeden Mann einen Schwerverbrecher schimpfen, der dieses Heiligtum entweiht, indem er sich Sachen anzueignen versucht, die in der Natur von Frauen und Mädchen liegen. die Defloration, die Entjungferung als Mann mit dem Körper einer Frau zu erfahren könnte als Diebstahl dieses erhabenen Erlebnisses ausgelegt werden. Außerdem würde Claire oder eine andere partnerin vielleicht nicht davon begeistert, daß du bereits gewisse, vielleicht auch noch nicht so tiefgründige Erfahrungen gesammelt hast. Wie gesagt, wenn ihr beide miteinander so gut auskommt, daß das, was du erlebt hast oder weißt, aber ihr nicht sagen willst nicht zwischen euch steht und ihr euch sonst in allen Punkten vertraut, und irgendwann vor aller Welt die Treue schwört, dann besteht zumindest die Chance, daß mit dem, was du erlebt hast, intuitiv so umgegangen wird, daß du ihr immer wieder gutes tun kannst. So, meine Uhr zeigt kurz vor zehn Uhr. Du kommst also noch im Rahmen der üblichen Saalordnung in den Grünen Saal zurück. Übrigens, wo ich dich als zur Zeit noch einzigen Pflegehelfer aus eurem Saal hierhabe: Morgen Nachmittag werde ich unter anderem Mademoiselle Carmen Deleste aus der dritten Klasse den Pflegehelferschlüssel geben. Bist du so gut und zeigst Carmen nach dem Unterricht das Wandschlüpfsystem und erklärst ihr den ordentlichen Gebrauch des Schlüssels?"

"Carmen? Klar, mach ich", sagte Julius zu. Dann verabschiedete er sich und wandschlüpfte in den grünen Saal, wo Giscard gerade auf die Standuhr sah. Es fehlte noch eine Minute bis zehn Uhr.

"Du darfst zwar eine halbe Stunde länger aufbleiben, aber ... Ausnahme, unsere Saalkönigin oder deine andere Vorgesetzte halten dich länger auf", sagte er.

"Wie schwer ist die?" Fragte Julius den Quidditchkameraden, wobei er auf Giscards goldene Brosche deutete.

"Wird immer schwerer", knurrte Giscard. "Ich habe nicht gedacht, daß ich die kriege. Wahrscheinlich fanden Professeur Faucon und Madame Maxime keinen anderen Idioten, der sich die ansteckt. Toll ist auch, daß Virginie und ich beide im Quidditchaufgebot sind. Apropos, am nächsten Sonntag wird ausgelost, wer gegen wen ranmuß. Mal kucken, ob wir gleich wieder die Roten im ersten Spiel kriegen."

"Die haben jetzt neue Leute. Platini geht ins Tor und Millie Latierre geht auf die Jagd", sagte Julius. Da kamen Claire, Céline und Laurentine herangeschlendert.

"Hallo, Julius, du hast den Ausreißer gefunden, sagte Professeur Faucon", sagte Claire lächelnd.

"E.t. nach Hause telefonieren", erwiderte Julius. Doch dann wurde er ernst. "Ich kenne das, wenn du weit von zu Hause weggeschickt wirst und nicht mal telefonieren kannst. Aber gleich mit fünfzig Strafpunkten reinzurutschen, weil er gekuckt hat, ob sein Mobiltelefon irgendwo doch noch eine Netzverbindung kriegt ist hart."

"Sie hätte ihm auch gleich zweihundert Punkte aufbrummen und ihn damit gleich von der Schule runterpfeffern können", warf Giscard ein. Dann schlug die Uhr. "Oh, ich muß die Bettkontrolle für die Drittklässler machen", fiel es ihm ein, daß er ja jetzt Edmond Dantons leidigen Job zu machen hatte. Er eilte davon.

"Die sind jetzt alle im Schlafsaal, die neuen und die aus den beiden Klassen drüber?" Fragte Julius. "Heftig, wie man an sowas doch erkennt, wie schnell die Zeit verfliegt."

"Was wollte Professeur Faucon noch von dir, Juju?" Flüsterte Claire ihm zu. Er flüsterte zurück, daß sie von Catherine einen Bericht bekommen habe, was in den Ferien noch gelaufen sei und das sie den Auftrag habe, die Übungen weiterzumachen, die Catherine mit ihm angefangen habe. Claire fragte erneut, was für Übungen das seien. Julius knurrte:

"Claire, du kennst die Antwort. Ich darf es keinem sagen, keinem und keiner."

"Und warum nicht?" Schnarrte Claire.

"Weil sie nicht wollen, daß ich hier wie irgendein Weltwunder oder jemand rumgereicht wird, der besondere Aufmerksamkeit braucht und daher besonders belastet wird. Für mich ist das Zeit, die ich lieber anders verbringen würde, Claire. Aber ich mache das, weil ich erkannt habe, daß ich das machen muß. Bitte frage mich nicht immer, was ich wie und warum mache oder nach Sachen, von denen du weißt, daß ich sie dir nicht erzählen kann! Das ändert doch zwischen uns nichts."

"Sagst du. Du bist hier weggegangen und warst gerade mal so groß wie ich", fauchte Claire. Jetzt bist du so groß, daß ich mein Gesicht locker an deine Brust drücken kann, ohne mich bücken zu müssen. Du hast das erklärt, gut. Aber es gibt da noch so vieles, was du mir nicht erklären wolltest oder durftest. Und Juju, ich habe den verdammt blöden Eindruck, das wird jeden Tag mehr. Merkst du das denn nicht selbst?"

"Was meinst du, warum ich nicht drüber reden will, worüber ich eh nicht reden darf, Claire", versetzte Julius sichtlich in die Enge getrieben. "Gerade weil ich weiß, daß da Sachen sind, über die ich keinem was sagen kann. Wenn ich nicht ständig dran erinnert werde kann ich ganz normal weitermachen, weil die Sachen ja nicht in den ganzen Alltag reinlangen."

"Julius, wenn du bei Professeur Faucon Occlumentie-Übungen machst könntest du es Claire aber erzählen anstatt nur so blöde Andeutungen zu machen", mischte sich Céline Dornier ein. Julius sah sie verstimmt an und fragte, was sie jetzt ihren Senf dabeizutun habe. Céline sah ihn sehr entschlossen an und sagte:

"Also du hast Claire im Château erzählt, du dürftest sie angeblich nicht mehr küssen, weil Madame Brickston das irgendwie aus dir rauskriegen könnte. Ich bin bestimmt nicht blöd, und Claire solltest du auch nicht dafür halten. Der einzige Zauber, der sowas bewirkt, wenn es nicht gerade Imperius oder Veritaserum ist, ist die Legilimentie, auch Schöpfen aus dem Geist eines anderen genannt. Da Madame Brickston dir das aber wohl nicht beibringen will und ihre Mutter ganz bestimmt auch nicht hier weitermachen würde kann es nur darum gehen, daß du lernst, dich dagegen zu wehren, also die Verhüllung, das Verschließen des Geistes zu lernen. Da du das aber trotz der ganzen guten Sachen, die du drauf hast bestimmt erst üben mußt, kann sie also häufig sehen, was du erlebt oder gefühlt hast. Dann kommt sowas bei herum, was du Claire angedeutet hast. Der einzige Grund, warum du ihr das nicht erzählen dürfen könntest ist, daß diese Zauberei UTZ-Abschlußklässlern vorbehalten sein soll, die Verteidigung gegen die dunklen Künste im UTZ belegen wollen."

"Tja, und angenommen dem wäre so, was meinst du würde passieren, wenn ich sowas rumerzählen würde, einfach um anzugeben, bor, ich lerne was, was erst die großen lernen dürfen?" Konterte Julius. Claire sah ihn verstört an und meinte:

"Ja, verdammt, das muß doch nicht jeder wissen. Ich tratsche doch nicht herum, was du mir erzählst, wenn ich weiß, daß es vertraulich oder geheim ist."

"Du hast dich da leider schon widerlegt, Claire", stellte Julius nun sehr ungehalten fest. "Céline wäre ganz bestimmt nicht auf diese Idee gekommen, wenn du ihr das nicht erzählt hättest, daß ich nicht mehr so ungeniert mit dir kuscheln kann, weil Catherine das mitkriegen könnte. Selbst das hätte ich schon keinem anderem erzählt."

"Verdammt, Céline ist doch meine Freundin", fauchte Claire wie eine in die Enge getriebene Katze. Julius nickte. Dann führte er den entscheidenden verbalen Streich:

"Genau so ist es. Céline ist deine Freundin, wie Laurentine oder Jasmine. Die aber haben auch andere gute Freundinnen, denen sie das immer mit dem Grundsatz, es sonst keinem weiterzuerzählen weitergeben. Du kannst in fünf Minuten ein Supergeheimnis über die ganze Welt verbreiten, indem du jemandem was anvertraust und dann sagst, es aber keinem weiterzuverraten. Aber vielleicht habe ich als angehender Mann auch das falsche Gehirn dafür, daß zu kapieren, wo das gut und wo das weniger gut geht. Was ich möchte, Claire, das ist, daß wir beide, soweit das geht, ohne uns ständig vorzuwerfen, zu wenig Vertrauen zu haben zusammenbleiben. Ich sehe ein, daß es Sachen gibt, die du mir nicht erzählen willst oder darfst und bitte dich nur drum, daß du das mit mir auch so hältst. Ich denke, dann kommen wir beide auch wesentlich stressfreier über die Runden."

"Willst du mir jetzt Unterricht geben?" Reagierte Claire barsch. Julius sah sie sehr entschlossen an. Seine Stirnadern pulsierten bedrohlich dunkelrot und er straffte sich.

"Du meinst, ich würde dich jetzt schulmeistern, dich mit altklugem Zeug zutexten. Was machst du denn bitte die ganze Zeit mit mir?"

"Hast du echt den Eindruck, ich würde dir vorbeten, was du zu machen hast?" Erwiderte Claire. Julius sah sie an und sagte:

"Noch nicht, aber wenn du so weitermachst schon. Irgendwie ist das dann nicht mehr so, wie an Valentin oder Walpurgis, und das ärgert mich. Ich möchte nur nicht, daß wir beide uns das kaputtmachen, was im letzten Jahr gelaufen ist."

"Dann überlege dir das bitte, warum du mir dieses oder jenes nicht erzählen dürfen darfst. Wenn das stimmt, was Céline sagt, dann hätte es doch gereicht, daß du mir sagst, du lernst was, was erst UTZ-Leute lernen, weil Catherine und ihre Mutter wollen, daß du nach dem ganzen Stress mit dieser Hallitti besser vorbereitet bist. Dann hätte ich das auch keinem weitererzählt", flüsterte sie. Céline sah sie zwar etwas merkwürdig an, nickte dann aber auch. Dann meinte Claire:

"Stimmt vielleicht, daß wir uns jetzt gegenseitig herumschubsen. Aber mir geht es langsam auf den Geist, daß alle dir irgendwas aufladen können und du dir das auch noch gefallen läßt. Besser ist, wenn wir drüber schlafen. Kommt ihr mit, Céline und Bébé?"

"Geht mal besser vor. Ich möchte nicht auch noch da reingezogen werden", knurrte Laurentine und schob ab. Claire und Céline verließen trotzig den Gemeinschaftsraum in Richtung Mädchenschlaftrakt.

"Ich glaube, ich melde mich auch zum Matratzenhorchdienst ab", grummelte Julius. Da sah er Virginie neben sich und blickte sie verstört an.

"Claire kommt nicht damit zurecht, daß Professeur Faucon und andere dir was an Geheimzeug aufladen, wie? Das ärgert dich mehr als sie."

"Ich habe gedacht, wir könnten nach der Sache mit Hallitti so weitermachen wie bisher. Sie hat's mir ja auch so geschrieben. Aber jetzt fängt sie wieder damit an."

"Das lag jetzt nicht an Claire, sondern an Céline", sagte Virginie und zog Julius einfach am Arm hinter sich her zu einer kleinen Nische. "Céline hat von Claire erzählt bekommen, du würdest nicht mehr gerne mit ihr kuscheln und das sei wohl seit diesem Fluch so, der bei den Latierres gewesen sei. Céline hat Claire dann angespitzt dich zu fragen, was Professeur Faucon jetzt noch von dir wollte. Wenn du dann wieder sagst, du dürftest das nicht erzählen, wollte sie dir das auf den Kopf zusagen, was sie meint, was du da machst. Das du die Melo-Technik gelernt hast wissen ja die, die länger mit dir zusammen waren. Nur hier bringt die dir ja nichts. Aber ich denke, Céline hat schon mit dem recht, was sie dir vorgehalten hat. Falls ja, erkenne ich an, daß du mir das nicht bestätigen darfst, eben weil ja die ganze Disziplin durcheinandergerät, wenn die einen was dürfen, was die anderen nicht dürfen, ohne daß eine Schulregel das genau festlegt. Wie gesagt, das kam eben nicht von Claire."

"Gute Freundin oder nicht, was hat die sich da reinzuhängen. Ich kann mich ja auch nicht reinhängen, wenn sie mit Robert Stress hätte. Oder läßt sie sich von Claire in ihre Beziehung reinreden?"

"Ich denke, das hat nichts mit Freundschaft zu tun, sondern mit Egoismus. Céline wollte nicht haben, daß Claire ihr andauernd in den Ohren liegt, daß sie nicht an deine Geheimnisse rankommt und du vielleicht kein Vertrauen zu ihr hast und so weiter", sagte Virginie.

"Ja, aber dann hat sie den Ball mit Schmackes vom Anstoßkreis ins eigene Tor gepfeffert. Denn jetzt liegt ihr Claire noch mehr in den Ohren, was für'n zugeknöpfter Typ ich sei und sie sich auch noch hat anhören müssen, daß ich sie irgendwie geschulmeistert habe, weil sie ihr das geraten hat, mich festzunageln. Deshalb ist Bébé ja auch abgerückt."

"Die ist jetzt übrigens sowas von enthusiastisch drauf, Julius. Seitdem die einige Tage bei Claires Familie war hat sich das mit ihrer früheren Ablehnhaltung gelegt. Immerhin hat sie jetzt Claires Superbo-Besen, weil die ja Jeannes alten Ganni hat. Für mich war das auf jeden Fall mal 'ne schöne Abwechslung, sowas wie eine jüngere Schwester zu haben."

"Apropos, wie geht's deiner Mutter jetzt?"

"Och, das Kind hatte plötzlich keine Lust mehr noch mehrere Monate in Maman herumzuliegen und wuchs innerhalb eines Tages so schnell, bis es ihr zu groß war und geboren wurde", erwiderte Virginie mit schalkhaftem Grinsen. Julius verstand und trieb den Scherz weiter:

"Okay, Virginie. Dann hast du jetzt ein Geschwisterchen. Dann kommt es wohl nächsten Monat schon hierher, wenn es sooo schnell gewachsen ist und geht am Jahresende mit deinem Freund Aron zum Schulabschlußball oder mit Mathilde, wenn es ein Junge ist."

"Klar", erwiderte Virginie. Dann sagte sie ruhig: "Maman freut sich bestimmt, wenn alle an sie denken. Aber sie möchte jetzt nicht wie ein rohes Ei behandelt werden und ständig von besorgten Leuten umlagert werden. Aber um deine Frage ordentlich zu beantworten, außer den ersten Morgenübelkeiten ist sie noch sehr gut in Form. Und deiner Mutter geht es auch wieder gut. Ich habe sie ja nach eurer Abreise in die Staaten nicht mehr sprechen können."

"Diese Verbrecher, die sie entführt und in dieser Frankensteins-Braut-Gebärmuttermaschine eingelagert haben haben ihr doch einen gewissen Knacks verpaßt, wie mir dieses rothaarige Höllenflittchen Hallitti. Aber Madame Eauvive konnte ihr helfen, fast besser als gewünscht, zusammen mit Madame Latierre. Aber, ja ich weiß, der Spruch ist jetzt uralt von mir, darüber darf ich dir nicht mehr erzählen, wegen meiner Mutter und die Art, wie ihr geholfen wurde."

"Dann hättest du eben nicht Madame Latierre erwähnen dürfen, Julius", flüsterte Virginie. "Wenn dieser Knacks davon kam, daß man sie in eine rundum einschließende Vorrichtung reingelegt hat, dann wäre das beste Mittel eine Exosenso-Verbindung zu jemandem, der auf natürliche Weise in so einem abgeschlossenen, engen Raum liegt. Aber ich sehe ein, daß sowas natürlich nicht für die Zeitung oder den Schulhof gedacht ist", flüsterte sie weiter. Julius sah sie an und meinte scherzhaft:

"Ich danke dir, daß du meinen Seelenmüll aufgefangen hast. Ich hoffe nur, daß du jetzt nicht meinst, ich wollte haben, daß du Jeanne oder Barbara ersetzt."

"Ich habe keine Probleme damit, mit Leuten vernünftig über wichtige Sachen zu sprechen, Julius. Ich habe ja auch dich angesprochen, weil ich das Geplänkel mitgehört habe und nicht wollte, daß du dir oder Claire einen Vorwurf machst, weil es im Moment nicht so läuft. Das hatte ich mit Bernard auch einmal, was aber nicht der Grund war, daß er nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Mit Aron scheppert es zwischendurch auch mal. Aber der ist im violetten Saal und so können wir beide uns voneinander erholen."

"Ja, aber ich kann ja wohl schlecht einen Antrag auf Umschluß oder Umquartierung stellen", erwiderte Julius, der kapierte, was Virginie meinte.

"Umschluß? Heißt das nicht so, wenn in einem Gefängnis einer nicht mehr ruhig schlafen kann, weil sein Mitgefangener schnarcht oder ihn andauernd quält? Beauxbatons ist doch kein Gefängnis."

"Okay, glaube ich dir ja, Virginie", sagte Julius rasch. Dann meinte sie noch:

"Und was Barbara angeht, so werde ich sie dir nicht ersetzen was das Training am Morgen angeht. Lauf mal schön mit Bine und San, das bringt dich doppelt schnell in Form!"

"Oh, vorsichtig, Mademoiselle Saalsprecherin, das Ihnen keiner Kuppelei mit Zwillingen unterstellt."

"Ich sagte Laufen, du Lümmel", knurrte Virginie und kniff ihm in die Nase, mußte aber amüsiert grinsen.

Julius verabschiedete sich von Bébé, die demonstrativ die zulässige Aufbleibezeit ausgenutzt hatte und zog sich in den Schlafsaal zurück, wo sie Giscards erste Nachtkontrolle über sich ergehen ließen. Hercules meinte dabei einmal:

"Was ist, wenn unsere Betten schräg stehen, Giscard. Sperrst du mich dann für das Spiel gegen die Roten?"

"Das könnte dir so passen, mich alleine ackern zu lassen, wo die Montferre-Schwestern im letzten Jahr den Pokal küssen wollen. Schlaft gut ihr Schwatzfratze! Morgen läuft die Mühle wieder an."

"Nacht, Papi", wünschte Robert dem frischgebackenen Saalsprecher, der wohl an diesem Abend keine Lust hatte, Strafpunkte auszuteilen.

__________

Julius erwachte am nächsten Morgen um halb sechs. Ihm fiel ein, daß er Claires Bilder nicht aufgehangen hatte. Das wollte er am Nachmittag nachholen, bevor der Kurs Verwandlung für Fortgeschrittene, der dieses Jahr am Montag stattfand, beginnen würde. Er zog sich frühsportmäßig an und schlich leise aus dem Schlafsaal. Unten im Gemeinschaftsraum war niemand. Da fiel ihm auf, daß dieses Jahr ganz anders sein würde als das Jahr davor, wo Barbara Lumière hier schon gesessen hatte. Die Tische waren völlig leer und sauber. In einer Ecke stand nur eine angefangene Schachpartie. Das Virus für dieses Spiel, mit dem seine Mutter ihn wohl schon in ihrem Bauch angesteckt hatte trieb ihn dazu, sich anzusehen, wie die Partie ausgehen würde. Er stellte fest, daß es ein unmagisches Schachspiel war, mit starren Figuren aus Plastik. Also mochten das welche von den neuen gewesen sein, die Julius wegen dem Gespräch mit Waltraud Eschenwurz nicht kennengelernt hatte. Er überblickte die Partie und befand, daß wer die weißen Figuren führte in sieben Zügen mattgesetzt würde, sofern er nicht eine über zwei Züge laufende Dame-Springer-Kombination spielte, die den Gegner zum Rückzug zwingen mußte.

"Die konnten das nicht zu Ende spielen", schreckte ihn Waltrauds Stimme aus seiner Analyse auf. Sie stand in einem hautengen Sportanzug aus elastischem Pflanzengewebe, das irgendwie wie eine Mischung aus Gummi und Jute war da.

"Hoffentlich kriegen die keinen Ärger, weil die mit Muggelschachfiguren spielen", sagte Julius.

"Das ist ja wohl nicht verboten, oder? Bei uns in der Burg spielen noch viele Muggelstämmige mit starren Figuren und die Gräfin macht das auch zwischendurch, weil ihr Zauberschachmenschen manchmal zu vorwitzig sind, heißt es. Du spielst natürlich auch, weiß ich aus dem Königsbauern, unserer Zauberschachzeitschrift. Wie meinst du, geht die Partie hier aus?"

"Kommt drauf an wer die weißen Figuren hat, Waltraud. Ja, und natürlich auf den der die schwarzen führt, daß er den rechten Läufer beim nächsten Zug nur drei Felder zieht und nicht auf h3 durchmarschiert."

"Ach, du meinst, weil der sonst dem weißen König noch Platz zum Ausweichen läßt, wenn der Springer von c3 nach e4 übersetzt?" Fragte Waltraud und machte mit den Fingern die möglichen Züge vor. Julius nickte. Da hörten sie Schritte aus dem Jungentrakt. Es waren kleine Füße, nicht die eines Jungen oberhalb der zweiten Klasse. Zwei der vier Jungen aus der ersten Klasse betraten den Gemeinschaftssaal und sahen sich verstohlen um. Als sie die beiden älteren Mitschüler an dem Tisch mit dem Schachspiel sahen zogen sie leicht geknickte Gesichter.

"Morgen ihr beiden!" Grüßte Waltraud locker. "Ihr habt das Spiel hier angefangen?"

"Öhm, ja", sagte der Erstklässler, den Julius als Boris LeCloir in Erinnerung hatte, ein nicht zu dünner oder dicker Junge mit schwarzer Scheitelfrisur. Der andere Junge, Leonard Michel, wirkte leicht quadratisch. Irgendwie schien sein Körper nicht mehr in die Länge wachsen zu wollen und ging jetzt eher in die Breite.

"Wir haben eure Partie nicht angefaßt, nur geguckt, wie die ausgehen kann. Aber das ist wohl besser, wenn ihr das selbst rauskriegt", sagte Julius.

"Du bist Julius Andrews, von dem Louis erzählt hat. Eigentlich bist du aus England wie das blonde Mädchen, das Gloria heißt", sagte Boris. Julius witterte eine Gelegenheit, rauszukriegen, in welchen Ausgangskreis Gloria eingetreten war. Denn weder war sie in Millemerveilles noch Paris mitgereist. Blieben also nur Callais, Marseille, Nizza, Straßburg oder Brüssel. So fragte er ihn, wo er denn abgereist sei.

"Ich bin in Callais in diesen Kreis rein und habe mich mit ihr und diesem anderen Mädchen mit dem Haar das wie Honig aussieht zusammengestellt. Mann hatte ich einen Bammel, wie auf einmal diese Energiekugel um uns war und wir voll schwerelos waren."

"Wen kennt die in Callais? Oder hat die da ihre Sprachenprüfung gemacht?" Fragte sich Julius. Jetzt ärgerte er sich doch ein wenig, daß Professeur Faucon ihre beiden Spiegel eingezogen hatte. Seltsamerweise hatte sie ihm den für Jane Porter gelassen. Aber klar, das hatte sie ja auch genehmigt.

"Ihr beide spielt auch Schach?" Fragte Leonard. Waltraud und Julius nickten. Julius erzählte dann kurz was von den kleinen Zauberschachmenschen und daß es hier ja auch einen Schachclub gebe.

"Da spielen die alle mit diesen lebendigen Figuren? Gruselig", meinte Boris.

"Meine Mum hat sich da auch dran gewöhnt", erwiderte Julius kühl. Er fand es erfrischend, locker über Schach zu plaudern und sich nicht um Beziehungssachen scheren zu müssen. Für die Jungen da war die Welt noch in Ordnung. Vielleicht war ja doch was dran, daß man mit der ersten erlebten Liebe eine gewisse Unschuld verlor, besonders wenn es nicht mit der festen Freundin sondern einer fast fremden Erwachsenen war.

"Gleich ist sechs Uhr. Dann dürfen wir wohl raus und laufen", sagte Waltraud. Die beiden Erstklässler sagten, daß sie das Spiel in ihren Schlafsaal zurückholen wollten, weil diese Professeur Faucon ihnen ja gesagt hatte, daß sie kein sogenanntes Muggelzeug benutzen durften.

"Bei Schach ist das vielleicht nicht so heftig", meinte Julius. "Ihr könnt ja nicht von jetzt auf gleich alles aus der Zaubererwelt haben oder können. Nur wenn ihr irgendwann mal in den Schachclub reinwollt, werden die euch gelangweilt angucken, weil ihr nicht mit den Zauberschachmenschen spielen wollt."

"Nicht unbedingt, weil es auch genug Zauberer und Hexen gibt, die lieber mit unbelebten Figuren spielen. Die Direktorin von meiner eigentlichen Schule Greifennest mag auch keine Zauberschachmenschen", fand Waltraud ein paar tröstende Worte. Dann erklang die Standuhr und zeitgleich mit ihr Claires magicomechanischer Hahnenwecker.

"Oh, schnell zurück in den Schlafsaal, Boris", zischte Leonard und klaubte alle Schachfiguren vom brett, das er sich dann unter den Arm klemmte. Wie der Wind waren beide im Jungentrakt verschwunden.

"Mist, jetzt wissen wir gar nicht, wie die Partie ausgegangen wäre", sagte Julius. Waltraud rümpfte die Nase. Offenbar fand sie Fluchwörter nicht so angebracht.

"Du bist auch im Sportzeug? Dann raus!" Bestimmte sie einfach und öffnete die magische Tür nach draußen.

Am Übungsplatz rund um das Quidditchstadion traf Julius die Montferres und alle vier gerade hier lernenden Latierres, sowie einige Jungs aus dem Violetten und dem weißen Saal, darunter Edgar Camus, den neuen Saalsprecher. Julius hatte seinen Schwermacherkristall mit und machte damit vorgeschlagene Übungen, bevor er mit den Latierres um die Wette lief und feststellte, das Latierre-Kuh-Milch ein elfjähriges Mädchen so flink und ausdauernd wie eine siebzehnjährige Langstreckenläuferin machte. Denn Callie und Pennie zogen so uneinholbar davon, Das Julius schon davon ausging, die Mädchen würden ihn bald überrunden. Millie lief locker neben ihm her, dachte nicht daran schneller oder langsamer zu laufen. Patricia hielt einen Trab durch, der sie zwar auch von Julius fortbrachte, aber nicht so schnell wie ihre Nichten.

"Und auslaufen!" Rief Sabine Montferre, die sich absichtlich hinter Julius und Millie gehalten hatte, während Sandra Edgar Camus herausgefordert und gut hinter sich gehalten hatte.

"Also deine Cousinen sind keine Mädchen sondern Laufmaschinen, Millie", schnaufte Julius gut angestrengt. Sie meinte:

"Demies Milch hat die so stark gemacht. Kann sein, daß das nachläßt, wenn die nicht jeden Tag davon abkriegen. Es sei denn, Tante Barbara schickt denen jeden Morgen 'ne Kanne her. Aber du bist auch nicht so lahm dafür, daß du in den letzten Tagen nicht geübt hast. Offenbar hat Demies Milch dich auch in der Städtermischung aufgebaut."

"Hey, ihr wolltet wohl für euch bleiben und habt uns dumm rumrennen lassen", frotzelte Callie die beiden Viertklässler.

"Morgen hänge ich euch beiden je eine Kette mit zehn Kilogramm Eisenkugel an jedes Bein. Dann seht ihr zwar aus wie 'ne Arbeitskolonne aus Dartmoore aber wir könnten dann zumindest mithalten", konterte Julius.

"Dartmorr? Was ist das?" Fragte Pennie neugierig.

"'n Muggelknast in England", antwortete Julius.

"Na, meine Cousinen wie Sträflinge rumlaufen lassen, schäm dich, Julius", entgegnete Millie nicht so ernst gemeint.

"Noch habe ich Hosen an und muß mich nicht schämen", sagte Julius und erkannte, daß er besser gleich das Weite suchen sollte, weil Millie die linke Hand vorstreckte und das Elastikband seiner Trainingshose zu fassen versuchte. Das war ihm dann doch zu viel des Scherzes. Sabine sah den beiden zu, wie Millie Julius jagte, bevor Hannibal Platini, der am Training teilgenommen hatte, zwischen den beiden hindurchschlüpfte und fast von Mildrid umgeworfen wurde. Julius nutzte die Gelegenheit und entwischte.

"Laufe ich doch glatt vor der weg", grummelte er für sich, als er in der Nähe des Palastes war. Dort kam auch Waltraud Eschenwurz wieder, die nicht gelaufen war sondern Salti geschlagen hatte. In dem Moment huschte ein silberfarbener Schemen aus einem Gebüsch und setzte mit einem eleganten Sprung über vier Meter auf Julius Schulter über.

__________

Irgendwie ist er aufgeregt, fühle ich. Aber er will noch nicht haben, daß ich zu ihm in die Schlafhöhle gehe. Ich habe lange davor gesessen und gewartet. Aber er kam nicht an diese harte durchsichtige Fläche. Bis die neue Sonne aus ihrem Loch kroch bin ich herumgelaufen, habe Mäuse gefressen oder sogar einen unvorsichtigen Vogel. Jetzt, am Anfang des neuen Sonnendurchlaufs kriege ich mit, wie die Zweifußläuferjungen spielen und ausprobieren, wie stark und schnell sie sind. Julius ist auch bei denen. Beinahe hätte mich eines von den jüngeren Weibchen, das schneller laufen kann als ich von denen kenne mein Versteck bemerkt. Dann haben sie zu Ende gespielt und wollen nun in die große Wohnhöhle zurück. Ich sehe Julius und springe zu ihm hin. Ja, er ist wieder da. Und er weiß, daß ich auch da bin.

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Hallo, Goldi! Ich habe dir gestern kein Kissen rausgelegt", sagte Julius sanft und streichelte den Kniesel, der auf seiner Schulter saß und sehr behagt schnurrte. Waltraud sah ihm dabei zu und staunte.

"Dann stimmt das doch, was Hercules erzählt hat. Du hast einen der halbzahmen Kniesel als Vertrauten gewonnnen. Das ist Queue Dorée XXVI.?" Fragte sie. Julius nickte und drehte sich so, daß die anderen das Tierwesen betrachten konnten. Callie fragte, ob die sich streicheln ließ. Julius sagte:

"Nicht von jedem, Callie. Du mußt ganz vorsichtig die Hand zu ihr hinbewegen. Wenn sie einen Buckel macht oder faucht will sie nicht gestreichelt werden."

"Wau, schönes Tier. Das ist ein Mädchen?" Fragte Patricia Latierre. Julius bejahte das.

"Könnte nur anders riechen, meinte einer von den weißen. Callie sagte dazu nur:

"So riechen die halt. Das kommt nur von denen. Auf jeden fall nicht so heftig wie Demie oder Ostara."

"ja, die macht auch wesentlich kleinere Haufen und verbuddelt die dann auch selbst", hob Julius die Vorteile der Knieselhygiene gegen über der Latierre-Kuh-Pflege hervor.

"Na klar, wenn man so'n überschweres Rindvieh auch füttern muß fallen hinten ja auch entsprechende Ladungen raus", gab Edgar staubtrocken von sich.

"Eh, willst du Krach. Kein Problem", versetzte Callie und erhob ihre Fäuste.

"Ich lasse mich bestimmt nicht auf eine Rangelei mit 'ner Erstklässlerin ein", lachte er.

"Callie, mach dem armen Jungen nicht den Tag kaputt!" Sagte Millie.

"Mir? Wenn die mich haut, hau ich zurück. Ich habe keine Probleme damit, freche Mädchen zu verprügeln", sagte Edgar. Pennie warf ein:

"Oder von frechen Mädchen grün und blau gehauen zu werden?"

"Noch so'n Kampfküken. Ich verdrück mich, Leute", entfuhr es Edgar, der sich tatsächlich davonmachte.

"Und, würdest du ein Mädchen hauen?" Fragte Callie Julius.

"Nö, wwäre mir zu blöd. Außerdem machen sowas nur Jungs, die lieber mit den Händen arbeiten als mit der Birne." Unvermittelt packte Callie zu. Sie umklammerte Julius rechte Hand, der sofort versuchte, dagegenzuhalten. Im Château Tournesol hatte er das ein paarmal gemacht, weil er wissen wollte, wie stark die Zwillinge wirklich waren. Wie da hatte er auch jetzt das Gefühl, seine Hand könnte ihm zerdrückt werden. Doch er hielt tapfer durch und versuchte, Callies Arm zurückzudrücken. Millie stand dabei und sah dem Geplänkel zu. Dann kam die Saalsprecherin der Roten und sagte:

"Calypso Latierre, was soll der Blödsinn. Meinst du mit Jungen deren alberne Rangelspiele spielen zu müssen?"

"Aber immer", entgegnete Callie. Julius griff ohne Vorwarnung an die Taille von Millies Cousine und kitzelte sie. Callie zuckte zusammen und ließ dabei los.

"Eh, das ist unfair, kitzeln gilt nicht", protestierte Callie.

"Schluß jetzt ihr beiden Raufhennen", ging die Saalsprecherin der Roten dazwischen und umklammerte Callie. Doch das hätte sie wohl besser überlegen sollen. Denn unvermittelt umklammerte das einen Kopf kleinere Mädchen die ältere Mitschülerin und hob sie für eine Sekunde um mehr als zehn Zentimeter vom Boden an. Diesen Moment nutzte Julius, um mit Goldschweif zum Gehege der Kniesel zu laufen und sie dort vorsichtig wieder hineinzusetzen. Er wunderte sich, daß das sonst so dominante Katzenwesen nicht einmal gefaucht oder geknurrt hatte, als Callie mit ihm gerangelt hatte. Also hatte sie das als reine Schau erkannt oder sie hatte wieder ihre Antennen ausgefahren, ihm ein besser zu ihm passendes Weibchen auszusuchen.

Tagesfertig angezogen frühstückten die alten und neuen Schüler und unterhielten sich über die möglichen ersten Stunden. Als Professeur Faucon die Stundenpläne austeilte sah sie Louis Vignier sehr streng an und sprach zu ihm. Er verzog das Gesicht, schien aber sonst nicht sonderlich erschüttert zu sein.

"Hui, der Tag geht gut los, Freunde", frohlockte Hercules. Denn zuerst würden sie bei Professeur Armadillus magische Geschöpfe haben, dann kam Zauberkunst und vor dem Mittagessen noch Geschichte der Zauberei. Nachmittags Hatte Julius dann Arithmantik.

"Boing, morgen Früh kriegen wir Fixie im Doppelpack und Verteidigung gegen die dunklen Künste", stöhnte Robert. Dann noch Nachmittags Kräuterkunde. Super!

"Allemal besser als Nur Fixie", bemerkte Gaston.

Mittwochs kam zuerst Verwandlung, dann für Julius alte Runen und dann wieder Arithmantik. Nachmittags kamen wieder die Zaubertiere dran. Am Donnerstag fingen sie mit Zauberkunst an, gingen dann über zu Verwandlung und Geschichte der Zauberei, wohingegen sie nachmittags Kräuterkunde hatten.

"Wochenende fällig, wenn wir den Freitag immer hinter uns bringen müssen. Erst Fixie, dann Verwandlung und Nachmittags noch Verteidigung gegen die dunklen Künste und nachts noch Astronomie", stöhnte Gaston. Julius überlegte schon, wann die Lehrer die angedrohten Sonderaufgaben auf ihn loslassen würden. Seine rechte Hand schmerzte noch ein wenig. Offenbar unterschätzten diese Latierre-Küken ihre Kraft doch etwas oder er war einfach nichts mehr gewöhnt.

"Mal sehen was Armadillus zuerst im Unterricht bringt", freute sich Hercules sichtlich. Magische Geschöpfe war sein Lieblingsfach. Laurentine würde in der Zeit Muggelkunde haben.

"Goldi hat dich wieder begrüßt?" Fragte Hercules. Julius nickte und erzählte, wie die Knieselin ihn nach dem Training gefunden und sich mal eben aus vier Metern entfernung auf seine Schulter gesetzt hatte.

"Kann sein, daß wir die heute schon durchnehmen", vermutete Hercules. "Die sind ja Stufe XXX und für Viertklässler zugelassen."

"Hercules, du bist doch auch in dem Zaubertierfreizeitkurs drin, der am Donnerstag läuft", sagte Julius.

"Glaubst du, deine neuen Freundinnen aus dem Sonnenblumenschloß kriegen ihre Maman dazu, eine dieser Riesenkühe herzufliegen?" Fragte Hercules. In Julius' Gesicht zuckte es kurz, weil Hercules die Latierre-Schwestern als seine neuen Freundinnen bezeichnet hatte, mal eben so. Doch dann sagte er:

"Glaube mir, Hercules, daß du so'n Tier nicht haben willst, wenn's erst einmal vor dir steht."

"Ich habe die ganzen Maße von denen. Schon echte Brocken. Und deine Maman ist da echt mitgeflogen?"

"Ja, hin und zurück, und zwischendurch sogar über kurze strecken", sagte Julius.

"Vielleicht kommen aber erst die Asgardschwäne dran. Jetzt wo wir 'ne deutsche Gastschülerin hier haben wären die bestimmt genial", warf Robert ein.

"Tja, dann nur Pech, daß du nicht dabei bist", feixte Hercules. Robert war nicht beim Unterricht über magische Tierwesen dabei.

"Ah, die Posteulen", bemerkte André Deckers, ein weiterer Klassenkamerad von Julius. Aberhundert Eulen der verschiedenen Arten und Größen flogen durch die große Tür und die hohen Fenster in den Speisesaal ein und suchten an den sechs Tischen die Adressaten der von ihnen getragenen Briefe, Päckchen und Pakete. Die neuen Erstklässler, die nicht aus einer Zaubererfamilie stammten starrten das gefiederte Geschwader mit einer Mischung aus Staunen und leichtem Unbehagen an. Julius konnte ihnen nachfühlen, daß sie sich bei den vielen Vögeln, die sonst nur in Wäldern oder menschenleeren Gegenden vorkamen leicht unwohl fühlen mußten, wenn sie in einem solchen Schwarm in diesen erhabenen Saal einflogen. Vielleicht hatten auch schon einige von denen den Gruselfilm von Alfred Hitchcock gesehen, wo Vögel in großen Massen eine Stadt angriffen. Julius sah, wie eine Waldohreule auf den Roten Tisch zuhielt, die ein fassförmiges Ding mit Lederriemen um den Leib trug wie ein Lawinenrettungshund. Der Postvogel ging fast im Sturzflug vor Callie und Pennie Latierre auf dem Tisch nieder.

"Millie hat doch echt recht gehabt", dachte Julius, als er zusah, wie die beiden Schwestern das Paket auswickelten und ein Fäßchen aus Weißblech freilegten, das eine auf vierfache Größe aufgeblasene Getränkedose hätte sein können, hätte es nicht einen kleinen Zapfhahn an der Oberseite besessen. die nicht gerade hochgewachsene Hexe Professeur Fixus mit den rotbraunen Locken und der goldenen Brille mit ovalen Gläsern schien zunächst nicht sonderlich begeistert über diese Postsendung. Sie eilte an den Roten Tisch und machte Anstalten, das Fäßchen einzukassieren, als ihr Callie einen Zettel gab, der wohl mit dem kleinen Behälter zugestellt worden war. Professeur Fixus las, verzog kurz das Gesicht und nickte dann. Dann kehrte sie unverrichteter Dinge an den Lehrertisch zurück.

"Haben die Mädels ihre Ladung Latierre-Kuh-Milch gekriegt?" Fragte Hercules Julius. Dieser nickte, obwohl er das nicht absolut sicher wissen konnte.

"Madame Denk-nicht-dran war ja nicht sonderlich begeistert", bemerkte Hercules Moulin leicht schadenfroh.

"Eh, freu dich mal besser nicht zu doll, daß Fixie das Ding nicht einziehen konnte", meinte Robert. "Wenn dieses Zeug macht, was darüber gesagt wird, dann kriegst du im Quidditch demnächst arge Probleme, wenn die beiden Latis die Montferre-Mädels beerben."

"Eh stimmt ja. Mist! Hmm, ist das denn überhaupt erlaubt?"

"Nur wenn das ein gemischter Trank in einem Topf aus einer nachts unbewachten Hütte wäre, deren Tür nicht richtig schließt", warf Julius ein. "Über Naturprodukte, auch wenn sie von magischen Tieren kommen steht nichts in den Quidditchregeln."

"Häh, was bitte für 'ne unbewachte Hütte?" Wunderte sich Robert über Julius' Bemerkung. Dieser erklärte ihm den Gag, der aus einem der Asterix-Bände stammte, wo die unbesiegbaren Gallier bei den olympischen Spielen mitmachen wollten aber ihren Zaubertrank für übermenschliche Kräfte nicht benutzen durften, der dann in einer kleinen Hütte aufbewahrt wurde.

"Ah ja, und weil deren römische Konkurrenten meinten, den Wettbewerb gewinnen zu müssen haben die sich von den Galliern verleiten lassen, das Zeug zu nehmen", erkannte Robert grinsend. "Aber sind die damit denn aufgeflogen?"

"Weil der gallische Druide das Zeug mit einer Farbe versetzt hat, die an der Zunge hängengeblieben ist. Aber Latierre-Kuhmilch hat keine solchen Farbzusätze", sagte Julius.

"Du mußt es ja wissen, wo du ja fast 'ne Woche bei denen im Château Tournesol gewohnt hast", bemerkte Hercules. Ihm gefiel das nicht, daß die beiden Mädchen vielleicht stärker waren als er.

Julius sah eine Eule, die als eine der letzten hereinflog und auf den grünen Tisch zuhielt und genau vor ihm herabsank. Sie trug einen Brief. Er erkannte die Eule als eine der Familie Porter und las, daß er wohl jetzt wisse, daß Gloria das ganze Schuljahr in Beauxbatons lernen würde. Mrs. Porter schrieb noch, daß sie hoffte, sie beide würden sich gut vertragen, auch wenn Gloria nicht im selben Saal wohnen sollte.

"In fünfzehn Minuten beginnt der Unterricht. Machen Sie sich nun bitte dafür bereit und suchen Sie ihre Klassenräume auf!" Kommandierte Madame Maxime.

"Hoffentlich finden die Muggelskinder ihren Klassenraum", feixte Robert. Dann sah er Julius an, der grinste und auf Giscard deutete.

"Dafür ist der zuständig", sagte er.

Als sie in ihren Außenarbeitsumhängen vor dem Unterrichtsraum von Professeur Aries Armadillus eintrafen, warteten schon die Mitschüler aus dem weißen Saal, darunter Gloria Porter. Sie sah Julius und winkte ihm zu. Er sah kurz zu Claire hinüber, die mit Céline hinter ihm herging und ging dann zu seiner früheren Schulhausmitbewohnerin hinüber.

"Hallo, Julius! Belisama hat mir schon erzählt, was ihr im letzten Jahr gemacht habt. Ich denke, du willst bestimmt wissen, wie ich hierher gekommen bin und wieso ich dir nichts darüber erzählt habe", begrüßte sie ihn. Julius grüßte zurück und meinte:

"Nun, du wolltest wohl nicht, daß ich vor deinen Prüfungen schon darüber nachdenke, wie das ist."

"Mum hat mir dazu geraten, lieber erst die Prüfung abzuwarten. Hätte ja wer weiß wie heftig werden können, und nachdem, was du und die anderen über Beauxbatons erzählt habt", sagte Gloria. Da sahen sie und Julius Millie Latierre zusammen mit ihren Klassenkameradinnen Bernadette und Caroline Renard herankommen. Millie sah Julius bei Gloria stehen, zwinkerte Claire zu und ging zu der Austauschschülerin und ihrem früheren Hogwarts-Schulkameraden hin.

"Hallo ihr beiden, tauscht ihr gerade aus, was im letzten Jahr gelaufen ist?" Fragte sie frei heraus. Gloria sah sie etwas verwundert an, während Julius ganz ruhig sagte:

"Das hat Belisama schon erledigt, Mildrid. Darf ich bekannt machen, Mademoiselle Mildrid Latierre, Mademoiselle Gloria Porter."

"Ich dachte in Beauxbatons sei es nicht üblich, einfach in eine Unterhaltung reinzuplatzen", bemerkte Gloria etwas verstimmt. Millie sah sie völlig unbekümmert an und erwiderte:

"Nun, für mich sah das so aus, als wolle Julius dir erzählen, was wir im letzten Jahr gemacht haben. Wenn's was privateres war, entschuldige ich mich natürlich." Dann wandte sie sich Julius zu und sagte mit verschmitztem Lächeln: "Ich hatte tatsächlich recht. Tante Babs hat ihren Kleinen Nachschub geschickt. Fixie wollte das erst einsacken, hat aber 'ne Mitteilung von Tante Babs gekriegt, daß ihre Mädels das zum Frühstück trinken sollen, damit die nicht abschlaffen und sie die Schule belangen würde, wenn doch."

"Toll, dann kriegen die in Zaubertränke gleich den richtigen Gegenwind von Professeur Fixus", meinte Julius. "Wann haben die ihre erste Stunde?"

"In diesem Moment", erwiderte Millie grinsend. "Aber die Fixus kann eh nichts dran drehen, wenn Eltern auf bestimmte Ernährung bestehen. Immerhin sind ja bei uns auch zwei Vegetarier aus der zweiten Klasse."

"Ach, deine Tante hält diese Riesenkühe, von denen Julius mir erzählt hat", erkannte Gloria. "Und deine Oma kriegt demnächst noch zwei Kinder, hat er mir auch erzählt." Millie nickte und verkündete Stolz:

"Ja, und das macht Oma Line keine so schnell nach."

Claire kam herüber und wußte wohl nicht, ob sie jetzt auch noch was sagen sollte oder nicht. Schließlich begrüßte sie Gloria und wünschte ihr ein schönes und erfolgreiches Jahr in Beauxbatons. Gloria bedankte sich artig und sagte:

"Ich bin hier, weil im letzten Jahr so viel in Hogwarts quergelaufen ist und meine Eltern meinten, was für eine meiner Tanten nicht schlecht war wäre für mich bestimmt sehr gut, zumal ich ja Französisch kann und damit hier keine Probleme beim Lernen hätte."

"Bleibst du dann in den Ferien hier oder reist du nach England zurück?" Wollte Claire wissen. Gloria sah sie ruhig an und sagte, daß sie alle Ferien hier in der Akademie bleiben würde, weil sie hier wohl sicherer sei als anderswo.

"Der ist noch nicht nach Frankreich reingekommen", erwiderte Millie. "Unsere Leute zur Bekämpfung dunkler Hexen und Zauberer haben die Leute von dem hier schon frühzeitig weggesperrt."

"Außerdem ist Millemerveilles noch sicherer als Beauxbatons", warf Claire ein. Millie nickte verhalten. Immerhin hatten sie beide den Dementorenüberfall noch zu gut in Erinnerung.

"Umlagern dich jetzt alle?" Fragte Hercules jungenhaft grinsend, als er es geschafft hatte, mal von Bernadette Lavalette wegzukommen, die gerade mit Waltraud Eschenwurz diskutierte.

"Ich habe nur von Gloria wissen wollen, wie sie hier angekommen ist", sagte Julius. "Millie hat nur bestätigt, was wir heute morgen bei der Post schon mitgekriegt haben und Claire wollte Gloria nur ein gutes Schuljahr wünschen", fügte er ruhig hinzu. Dann hörten sie Schritte aus dem Korridor und schwiegen.

Als Professeur Armadillus die Schüler erreichte, bildeten diese respektvoll eine Gasse bis zur Tür. Er schloß wortlos auf und ließ alle an sich vorbei in den Vorbereitungsraum seiner Unterrichtsstunden. Erst als alle im Raum waren, er die Tür geschlossen und sich hinter sein Pult gestellt hatte begrüßte er seine Schüler, die gut eingeübt im Chor antworteten.

"Ich sehe, Sie alle haben sich gut erholt. Ich freue mich, in diesem Jahr noch zwei weitere Schülerinnen in diesem Fach begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen, Mademoiselle Eschenwurz und Mademoiselle Porter." Die beiden Mädchen nickten ihm zu. "Natürlich kenne ich Ihren Großvater Friedebold. Er ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Magizoologie. Bestellen Sie ihm bitte bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit Grüße von mir!" Wandte er sich dann noch an Waltraud.

Julius fragte sich, was das jetzt sollte. Aber dann fiel es ihm ein. Armadillus wollte gleich klarstellen, daß er von Waltraud wohl mehr erwartete als nur das Klassenziel in seinem Fach zu erreichen. Außerdem konnte sie jetzt nicht mehr mit diesem Großvater auftrumpfen, weil Armadillus ihn wohl kannte. Der Lehrer erkundigte sich bei Gloria, was sie im letzten Jahr schon durchgenommen hatte.

"Wir hatten zwei Lehrer in dem Jahr. Zuerst bei Wilhelmina Rauhe-Pritsche und dann bei Rubeus Hagrid. Bei Professor Rauhe-Pritsche haben wir Knuddelmuffs, Feen, Flubberwürmer und Salamander durchgenommen. Als dann Hagrid zurückkam haben wir Niffler, Jarveys und Leprechans im Unterricht gehabt", gab Gloria Auskunft und wirkte dabei so, als müsse sie etwas unangenehmes unterdrücken.

"Nun, ich hörte, besagter Professor Hagrid habe wegen Differenzen mit der zeitweiligen Schulleiterin in Hogwarts vorübergehend den Unterricht beenden müssen, sodaß Sie in den letzten Wochen des Schuljahres keinen Unterricht erhielten", sprach Armadillus etwas aus, daß Gloria sichtlich verdrossen dreinschauen ließ.

"Das war in der Woche, wo das britische Zaubereiministerium endlich zugeben mußte, daß die Rückkehr Voldemorts tatsächlich stattgefunden hat", stieß Gloria aus. Alle außer Julius schraken bei Nennung des gefürchteten Namens zusammen. Armadillus räusperte sich und merkte an:

"Nun, offenbar gehören Sie zu den wenigen, die der Meinung sind, den Namen dieses höchst unerfreulichen Zauberers laut aussprechen zu können. Ich möchte Sie jedoch darum ersuchen, dies aus Respekt vor ihren Mitschülern nicht zu laut zu tun."

Gloria sah ihn etwas verdrossen an, besann sich jedoch, daß hier das Wort eines Lehrers mehr gelten mochte als in Hogwarts und räumte ein, daß ein Name selbst kein Grund zur Angst sei, sie aber auf die anderen Rücksicht nehmen wolle. Danach begann Armadillus den Unterricht. Er sah Julius an und sagte:

"Wie die meisten hier wissen, hat ihr Mitschüler Julius Andrews im letzten Jahr unbeabsichtigt das Vertrauen eines ranghohen Knieselweibchens erlangt und zwar so gründlich, daß ich konstatieren muß, daß dieses Tierwesen ihn wohl nach der Zeit in Beauxbatons in und durch sein weiteres Leben begleiten wird. Deshalb werde ich mit Ihnen allen dieses Halbjahr schwerpunktmäßig magische Haus- und Nutztiere der internationalen Kategorie XX und XXX besprechen. Da die meisten in Beauxbatons lebenden Knieselweibchen in diesem Herbst wieder rollig werden, möchte ich diese Tiere gerne zuerst besprechen, damit sie durch uns nicht in zusätzlichen Stress geraten. Doch zuvor möchte ich Monsieur Andrews darum bitten, uns allen kurz darzulegen, was die wesentlichen Eigenschaften eines Kniesels sind und woher diese Tierwesen stammen. Bitte, Monsieur Andrews!"

Julius stand von seinem Platz auf und trat an die Tafel, wo er schnell fünf Stichwörter hinschrieb und dann aus dem Stehgreif vortrug, was er aus dem Buch über das Wesen des Kniesels wußte und welche eigenen Erfahrungen er mit Goldschweif gemacht hatte. Natürlich ließ er dabei die Erlebnisse in Slytherins verhängnisvoller Bildergalerie aus, wo er Goldschweifs Fähigkeiten besonders zu schätzen gelernt hatte. Einmal sah er zu Claire hinüber und sagte dann mit leicht amüsiertem Blick:

"Goldschweif befand sogar, daß ich mit Mademoiselle Dusoleil nicht näher als einen Meter zusammenzustehen habe, weil sie wohl instinktiv gespürt hat, daß wir beide miteinander um mehrere Ecken verwandt sind. Damit Mademoiselle Dusoleil nicht Angst vor ihr haben mußte hatten Professeur Faucon, Sie, Professeur Armadillus und ich zu klären, was Goldschweif so gegen Mademoiselle Dusoleil aufbringt. Offenbar können Kniesel an einer Form körperlicher Ausstrahlung erkennen, ob jemand mit jemand anderem verwandt ist und treffen dadurch auch ihre Auswahl, mit welchem Partner sie sich fortpflanzen. Goldschweif muß sich in ihrer Annäherung zu mir wohl darauf eingestimmt haben, auch für mich eine solche Auswahl zu treffen. Aber zum Glück ist sie davon jetzt gut abgekommen, ohne daß wir Gewalt anwenden mußten."

"Ja, was würdest du denn sagen, wer wem gehört?" Fragte Waltraud Eschenwurz, die durch Handheben ums Wort gebeten hatte.

"Hmm, so gesehen ist Goldschweif nicht darauf angewiesen, daß ich ihr sage, was sie zu tun und zu lassen hat. Andererseits will ich auch nicht sagen, daß ich ihr gehöre, weil ich ja doch noch einen eigenen Willen habe und nicht darauf angewiesen bin, was sie für richtig oder falsch hält. Ich stelle aber fest, daß sie wohl sehr wache Instinkte hat, die mir später, sollte ich sie wirklich von Beauxbatons mitnehmen dürfen, helfen können, wenn ich mich verlaufe oder mir jemand was böses antun will."

"Habt ihr eine Form, euch zu verständigen?" Fragte Waltraud weiter. Julius sagte dazu nur, daß sie einfache Kommandos befolgen oder auf seinen Zuruf zu ihm kommen konnte und er ihre Laute und ihre Körpersprache einigermaßen einordnen konnte. Das genügte Waltraud wohl. Mildrid wollte dann noch wissen, ob man Kniesel mit einem Ich-seh-nicht-recht-Zauber belegen könne, oder ob Julius dann in einer reinen Zaubererwohnsiedlung leben wolle, wenn er Goldschweif behalten wolle.

"Also die lassen sich nicht mit Zaubern belegen", sagte Julius. "Wenn die mir wirklich zugestanden wird und ich sie wirklich behalten möchte, muß ich wohl in einem alleinstehenden Haus mit genug freiem Umland wohnen, um die Vorschriften zur Haltung von magischen Tierwesen einzuhalten. Soviel ich von deiner Großmutter und deiner Tante Barbara erfahren habe halten diese den Bestand von Latierre-Kühen ja an einem Ort, der in jeder Richtung etwa zehn Kilometer freies Umland hat und mit Muggelabwehrzaubern umfriedet ist. Sowas müßte ich dann an und für sich auch mit Goldschweif machen. Das kann und will ich meiner Mutter jedoch nicht zumuten."

"Gut, ich denke, wir haben nun alles grundlegende über Mysteriofelis rictavia Knieseli erfahren, sodaß wir die hier angesiedelten Exemplare in eigenen Augenschein nehmen können", beendete Professeur Armadillus das Referat und gab Julius zwanzig Bonuspunkte dafür. Dann führte er sie alle zum Knieselgehege, wo zwei besonders rundliche Männchen mit kohlschwarzen Bäuchen vor dem magisch durchdrungenen Metallzaun hockten und die Sommermorgensonne auf ihre schwarzgetupften hellbraunen Pelze brennen ließen.

"Ach, mußten Sie die kastrieren?" Fragte Waltraud, als sie die beiden Kater sah, die behäbig aufstandnen und hinter dem Zaun herumstaksten.

"Bedauerlicherweise", sagte Armadillus. "Sie erwiesen sich als zeugungsunfähig aber bei der Partnersuche sehr aggressiv. Um unnötige Energievergeudung zu verhindern habe ich die beiden Kater kastriert, da ich sie nicht in die Obhut einer Zaubererfamilie geben konnte und wegen der erwähnten Zeugungsunfähigkeit auch kein Tierweseninstitut oder eine andere Schule Interesse an Ihnen hatte, um mit ihnen die eigenen Zuchtlinien zu verbessern."

Goldschweif kam herangeschlendert und sah Julius, der vor dem Zaun stand und sie ansah. Armadillus öffnete die Tür zum Gehege und trat ein. Er stellte sicher, daß die eingepferchten Tiere nicht entwischen konnten, obwohl es einer der Schwarzbäuche fast schaffte, zwischen seinen Beinen hindurchzuschlüpfen. Als nach und nach alle Schüler im Gehege standen wies er sie noch einmal darauf hin, keine hastigen Bewegungen zu machen und nicht von sich aus auf die Kniesel zuzulaufen. Bestenfalls würden sie weglaufen, schlimmstenfalls würden sie angreifen.

"Vergessen Sie bitte nie, daß es sich hier um halbzahme Raubtiere handelt!" Sagte er noch, bevor Goldschweif erfreut auf Julius' Schulter sprang und sich dort wie eine Königin auf dem Thron zurechtsetzte.

"Also besitzergreifend ist die schon irgendwie", warf Caro ein. Bernadette meinte dazu nur:

"Das ist doch hier schon längst rum, daß die den Engländer für sich vereinnahmt hat."

"Mesdemoiselles, bitte etwas mehr Sachlichkeit", maßregelte Professeur Armadillus die beiden Roten. Belisama fragte, ob sie Goldschweif streicheln dürfe. Julius, der im Moment auserkoren war, das zu beurteilen sagte ihr dasselbe, was er am Morgen den Latierre-Mädchen aus der ersten Klasse geraten hatte. Claire, die Goldschweif ja zur Genüge kannte, sowie Millie hielten sich zurück, als die anderen Mitschüler sich näherten. Gaston wurde von Goldschweif durch ein unmißverständliches Fauchen ermahnt, ihr nicht näher zu kommen als sie mit einem kurzen Satz zu seinem Gesicht springen mochte.

"Wie teuer wäre so'n Tier, wenn ich jetzt beschließen würde, mir eines anzuschaffen?" Fragte Céline Dornier.

"Das hängt wie bei nichtmagischen Tieren von Reinrassigkeit und Zuchtqualitäten ab, Mademoiselle Dornier", sagte Professeur Armadillus. "Wenn Sie meinten, Monsieur Andrews oder unserer Akademie Goldschweif abkaufen zu können, dürfte Sie das im Moment wohl an die zweihundert Galleonen kosten. Je nach Fortpflanzungspartner können ihre Nachkommen genauso viel kosten. Aber wer länger mit einem Kniesel in guter bis sehr guter Beziehung zugebracht hat wird ihn wohl nicht für weniger als das vierfache Gewicht in purem Gold hergeben wollen." Dabei sah Armadillus Julius an, der bestätigend nickte.

"Die können sich auch mit gewöhnlichen Katzen kreuzen", warf Claire ein, als sie ums Wort gebeten hatte. Armadillus und Julius nickten. "Eine Nachbarin von uns hat eine Knieselin, die diesen Sommer von einem einfachen Kater geschwängert wurde."

"Üblicherweise reagieren Kniesel sehr Abweisend auf die Annäherungsversuche von Ordinärkatzen, sofern sie nicht in der östrischen Phase sind, also den Gipfel ihrer Paarungsbereitschaft erreicht haben. Dann kann natürlich ein Ordinärkater eine Knieselin begatten und fruchtbare Nachkommen zeugen oder eine Ordinärkatze von einem Kniesel ebenso fruchtbare Junge empfangen. Hier kommt es jedoch darauf an, welcher Art die Mutter angehört. Handelt es sich um eine Ordinärkatze Felis catus domesticus, so können deren männliche Nachkommen einen leichten Dimorphismus der Gliedmaßen und / oder des Kopfes erwerben, will sagen, die Schweife oder Beine können zu dick, zu dünn oder gekrümmt erscheinen und das Gesicht eine konkave Wölbung aufweisen. Auch sind die Schweife nicht so stark auf die knieseltypische Quastenbildung hin entwickelt. Sie wirken lediglich sehr buschig. Hinzu kommt die einfarbigkeit des Fells, die von der Grundfärbung des väterlichen Fells herrührt. Bei Kreuzungen wo eine Knieselin die Mutter ist kommt es zu Kleinwüchsigkeit der weiblichen Nachkommen und einfarbiger Felltönung, die auf der Fleckenfarbe der Mutter beruht. In beiden Fällen gilt jedoch, daß die instinktiven Fähigkeiten des Kniesels dominant vererbt werden und auch bei Folgegenerationen, die mit reinen Ordinärkatzen gezeugt werden vorhanden bleiben, auch wenn die körperlichen Merkmale des Kniesels immer weiter zurücktreten. Es ist tatsächlich vorgekommen, daß nichtmagische Menschen Tiere aus der dritten Folgegeneration einer Kniesel-Ordinärkatzen-Kreuzung bekommen haben, die sehr aggressiv auf dubiose Menschen reeagierten oder überhaupt sehr Menschenscheu waren, weil dem Kniesel alles suspekt ist, was nicht über eine gewisse magische Eigenausstrahlung verfügt."

"Professeur, ich glaube, ich habe einen Kater gesehen, der die von Ihnen erwähnten Verformungen besitzt", sprach Gloria, als Armadillus ihr das Wort erteilte. "Eine Schülerin in Hogwarts hat einen Kater, der gekrümmte Beine hat und dessen Gesicht leicht eingedellt ist. Oder könnte es wirklich eine reinrassige Ordinärkatze sein?"

"Wenn dieses Exemplar die Größe eines gewöhnlichen Katers nicht übersteigt könnte es schon ein Ordinärkater sein", räumte Armadillus ein. Gloria schüttelte den Kopf. Dann verriet sie, daß dieser orangerote Kater größer als eine übliche Katze war und auch einen buschigen Schwanz besaß, der einer Flaschenbürste ähnelte.

"Hmm, dann ist es definitiv ein Abkömmling eines überwiegend reinrassigen Knieselkaters und einer Ordinärkätzin", legte sich der Zaubertierkundelehrer fest. Gloria hakte dies wohl als letzte Bestätigung ab und fragte sehr interessiert:

"Können diese Tiere auch Animagi erkennen, wenn sie welche sehen?"

"Natürlich können sie das", warf Bernadette Lavalette unerlaubt ein. "So konnte Belphégor Lestrange überhaupt enttarnt werden, der sich als Kaninchen unter die Muggel geschlichen hat, um Sardonia zu entwischen. Pech nur, daß ein Kniesel das rausgekriegt hat und ihn jagte, bis er sich zurückverwandeln mußte."

"Mademoiselle Lavalette, Ihren Enthusiasmus in Ehren, aber auch für Sie gilt, daß Sie mich um das Wort bitten mögen, bevor Sie etwas sagen wollen", entgegnete Armadillus ungehalten. "So leid es mir tut muß ich Ihnen dafür zehn Strafpunkte auferlegen." Hercules sah seine Freundin leicht gehässig an. Diese funkelte ihn an und zog sich ein paar Meter zurück, um dem noch gehässigeren Blick ihrer Saalkameradinnen auszuweichen.

"Dann kann dieses Tierwesen Animagi anzeigen?" Fragte Julius, nachdem er ordentlich um Sprecherlaubnis gebeten hatte.

"Sie hörten es gerade, daß dies schon passiert ist. Allerdings gilt auch hier, daß Kniesel nach der Vertrauenswürdigkeit des Animagus reagieren. Hexen und Zauberer, die sich in Tiergestalt bewegn, aber keine bösen Absichten hegen, werden von einem Kniesel lediglich als interessanter ja zum Freund zu gewinnender Zeitgenosse empfunden, während sie böswillige Animagi tatsächlich mit der gleichen aggressivität angreifen, die sie bösartigen Hexen und Zauberern in Menschengestalt entgegenbringen. Wer dann eine Tiergestalt angenommen hat, die von Größe und Art ins Beuteschema eines Kniesels paßt setzt sich der akuten Gefahr aus, getötet und verzehrt zu werden", erläuterte Professeur Armadillus.

Die Doppelstunde ging damit weiter, daß alle sich vorsichtig je einen Kniesel aussuchten und kurz hochhoben und dann aufschrieben, was sie alles darüber gelernt und beobachtet hatten. Am Schluß der Stunden schaffte es Julius nur mit gutem Zureden, die immer noch auf seiner Schulter thronende Goldschweif ins Gehege zurückzusetzen, bevor er und der Lehrer als letzte das Gehege verließen.

Als die Stunde vorbei war verabschiedete sich Julius von Gloria, während Claire, Céline und Hercules sich noch über Goldschweif unterhielten.

"Was habt ihr jetzt?" Fragte er die Schulfreundin aus Hogwarts-Tagen.

"Verteidigung gegen die dunklen Künste und danach Zauberkunst. Eigentlich blöd, daß Professeur Trifolio meinen Zweiwegspiegel eingezogen hat. Bestimmt hat Oma Janes nicht mehr so ganz gute Freundin ihn drauf gebracht."

"Meinen hat sie sofort kassiert, kaum daß die erstklässler sie begrüßt haben", grummelte Julius. "Hoffentlich hat deine Oma dich gut eingestellt, nach dem Jahr bei der Umbridge."

"Ich freue mich schon drauf, Professeur Faucon zu zeigen, was ich trotz dieser Giftkröte gelernt habe", sagte Gloria sehr selbstbewußt. Dann ging sie zu Belisama, die ihr heftig zuwinkte, bloß nicht zu spät zu kommen.

"Gut, daß ich die beiden Mädels schon bei meiner Geburtstagsfeier zusammengebracht habe", dachte Julius für sich. So konnte Gloria genau wie er mit weniger Schwierigkeiten in das Schuljahr starten.

"Herzlich willkommen Mademoiselle Eschenwurz", begrüßte die kugelrunde Professeur Bellart die Gastschülerin in ihrer Klasse. "Ich habe nach der Mitteilung, daß Sie uns für ein Jahr als Schülerin beehren werden mit Ihrem Zauberkunstlehrer Magister Güldensand korrespondiert und weiß daher, auf welchem Niveau Sie sind und freue mich, daß Sie ein sehr hohes Niveau erreicht haben und bereits einige der Zauber erlernt haben, die Stoff der vierten Klassenstufe sind. Für Sie anderen gilt, daß wir uns in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit den spezifischen physikalischen Zaubern befassen, wie Aufrufe- und Vertreibungszauber, Wärmeregulationszauber, sowie höheren Materialeigenschaftsänderungszauber, wie auch Lichteinfallbeeinflussungen." Sie stellte sich so vor ein Fenster, daß sie einen Schatten auf der diesem gegenüberliegenden Wand warf. Dann tippte sie mit dem Zauberstab gegen ihren Körper, und ihr Schatten verschwand völlig, ohne daß sie dabei durchsichtig wurde.

"Hui", machte Hercules. Die Lehrerin nahm dies als Kompliment hin, tippte sich erneut gegen den Körper und ließ ihren Schatten zurückkehren.

"Der Umbradessus-Zauber könnte als eine Art Spielerei betrachtet werden, da die Unterdrückung des eigenen Schattenwurfes keine direkte Nutzanwendung hat außer der, daß man eben keinen Schatten auf einer erleuchteten Oberfläche hinterlassen will. Ich habe ihnen diesen Zauber jedoch vorgeführt, um zu verdeutlichen, was physikalische Zauber vermögen. Einige Zeitgenossen mögen es auch haben, daß Säulen in oder vor einem Gebäude keine Schatten werfen, um den vollen Lichtglanz der Sonne oder künstlichen Beleuchtung auszunutzen. Kommen wir aber zu den wesentlich alltagsrelevanteren Zaubern. Mademoiselle Eschenwurz, Sie beherrschen bereits den Aufrufezauber, entnahm ich dem Bericht meines Kollegen in Greifennest. Können Sie ihn mir und uns bitte vorführen?"

"Selbstverständlich", willigte Waltraud ein und stand von ihrem Stuhl auf. Sie zielte auf ein flauschiges Kissen und rief: "Accio Kissen!" Wie an einem unsichtbarem Gummiseil zurückschnellend flog ihr das Kissen entgegen und landete in ihrer freien Hand.

"Sehr gut, Mademoiselle!" Lobte die Lehrerin diese Vorführung. "Können Sie es auch wieder an seinen Platz zurückschicken?"

"Natürlich, Professeur Bellart. Dismitto Kissen!" Erwiderte Waltraud und deutete mit dem Zauberstab auf das Kissen, das wie von einem Katapult geschnellt davonflog und punktgenau in der Kiste landete, aus der es eben geholt worden war.

"Exzellent! Zwanzig Bonuspunkte dafür", sagte die Lehrerin und sah dann Julius an. "Monsieur Andrews, Sie beherrschen diesen Zauber bereits wortlos. Demonstrieren Sie uns bitte diese Vollendung!"

Julius stand auf, zielte mit dem Zauberstab auf das Kissen, konzentrierte sich darauf, es gleich in der Hand halten zu wollen und dachte so stark es ging den Zauberspruch. Ohne daß die anderen ein Wort von ihm gehört hatten segelte das Kissen zu ihm hinüber, wenn auch nicht so stürmisch wie bei Waltraud. Aber Als er es dann ebenso wortlos auf seinen Platz zurückscheuchte und es punktgenau dort landete, sagte die Lehrerin:

"Ebenso exzellent, Monsieur Andrews. Allerdings kann ich auf Grund Ihres erhöhten Zauberkraftpotentials und der bereits erlangten Routine mit diesem Zauber lediglich fünf Bonuspunkte für die erfolgreiche Ausführung an sie vergeben. Danke Ihnen beiden für diese eindrucksvolle Vorführung! Also, Messieurs et Mesdemoiselles, so muß der Aufrufezauber wirken, den wir in den nächsten Wochen lernen. Um die theoretischen Grundlagen und alle notwendigen Komponenten dafür zu verinnerlichen werden Sie bitte für die Kommende Woche in unserem Standardbuch für Zaubersprüche sowie in "Magische Manipulationen der Materie" von Phosphilos Pinkenbach und "Theorie der Magie" von Adalbert Schwafel nachlesen und auf zwei Rollen Pergament zusammenfassen, welche wesentlichen Dinge zu beachten sind. Kommen wir zu den gerichteten Farblichtzaubern. Diese haben wir im letzten Schuljahr bereits durchgenommen, da unser damaliger Neuzugang", wobei sie wohlwollend lächelnd zu Julius hinüberblickte, "sehr rasch und gekonnt die nötigen Formeln und mentalen Komponenten fand und ich befand, daß Sie alle diese Zauber bereits erlernen können. Deshalb möchte ich jetzt, daß Sie alle praktisch wiederholen, was Sie von dieser vorgezogenen Lektion behalten und verinnerlicht haben!"

Auch Waltraud hatte mit den Zaubern, die ein Licht einer bestimmten Farbe am Zauberstabende aufglühen ließen schon gearbeitet. Danach wiederholten sie noch Zauber der vorangegangenen Klasse, um zu klären, ob es über die Ferien einen gewissen Schwund gegeben hatte. Doch dem war nicht so. Dabei trat die Lehrerin an Julius heran und flüsterte ihm zu:

"Nun, da Sie die meisten Zauberkunstaufgaben des anstehenden Jahres bereits erlernt haben werde ich nicht umhinkommen, Ihnen Sonderprojekte aufzugeben, um Sie nicht untätig oder gar unterfordert in dieser Klasse herumsitzen zu lassen. Deshalb trage ich Ihnen für die nächsten Stunden auf, sich mit optischen und akustischen Illusionen zu befassen, die größtenteils eigenständig agieren können. Ich weiß zwar, daß Sie auch darin schon einge gewisse Übung besitzen, möchte jedoch von Ihnen sehen, wie Sie materialunabhängig vorgehen. Zudem werden Sie die Schall- und Lichtverpflanzungszauber erlernen, wie den physikalischen Schweigezauber, den Bildverpflanzungs und Fernbildvergrößerungszauber, Schallverpflanzung und die mittelstufigen Elementarzauber, wie brennstoffunabhängige Feuerwände und -ringe, Wellengangberuhigungs- und Windveränderungszauber. Ich denke, das werden Sie im Rahmen der üblichen schriftlichen Aufgaben, die ich Ihnen und dem Rest der Klasse gebe schaffen können." Julius nickte schwerfällig. Es ging also los.

In der großen Pause trat ein leicht untersetztes Mädchen mit schwarzblauem Haar und dunkelbraunen Augen an Julius heran. Es war Carmen Deleste aus der dritten Klasse.

"Madame Rossignol hat mir gesagt, sie wolle mich heute Nachmittag in die Pflegehelfertruppe aufnehmen und hat gesagt, dich zu fragen, ob du mir alles erklären kannst, was dafür wichtig ist, besonders wie das mit dem Wandschlüpfen geht." Sie lächelte verlegen. Julius nickte.

"Sie hat mich gestern schon gebeten, dir zu helfen. Kein Problem, Carmen."

In Geschichte der Zauberei kündigte Professeur Pallas an, sich im ersten Halbjahr mit der blutigen Ära der langen Fehde zwischen den Vampiren und Werwölfen Osteuropas zu befassen. Dann wandte sie sich an Julius und fragte ihn noch einmal zu seinen Erlebnissen in Amerika aus. Julius fragte zunächst, ob das in dieses Unterrichtsfach gehöre. die sonst nicht so strenge Lehrerin sah ihn mit einer Unerbittlichkeit an, die glatt von Professeur Faucon stammen konnte.

"Julius, ich weiß, diese Erlebnisse haben dich arg erschüttert und durch den Tod deines Vaters bist du natürlich nicht sonderlich motiviert, immer wieder darüber zu sprechen. Aber ich habe meine Gründe, weshalb ich in dieser Stunde noch einmal auf deine Begegnung mit dieser Abgrundstochter eingehen möchte, die durchaus auch zaubereigeschichtlich bedeutsam ist. Immerhin gehörte diese Kreatur zu einer uralten Familie dunkler Kreaturen, die weit über zweitausend Jahre zurückreicht. Also bitte!"

Julius gab sich einen Ruck und berichtete noch einmal von seiner Begegnung mit Hallitti. Waltraud Eschenwurz hing ihm regelrecht an den Lippen. Dann, als er die Vernichtung der dunklen Kreatur noch einmal geschildert hatte sagte die Geschichtslehrerin:

"Daran wie diese Kreatur vernichtet wurde zeigt sich, wie gut es ist, sich mit der Geschichte der Zauberei zu befassen, zu der ja leider auch Ursachen und Folgen schwarzmagischer Experimente gehören. Deshalb werden wir diese Doppelstunde damit zubringen, uns über die bekanntesten Vorkommnisse dieser Art zu unterhalten."

So fand diese erste Doppelstunde Zaubereigeschichte nicht im sonst so lockeren Rahmen statt, sondern war eine kühle, sachliche Veranstaltung, während der Professeur Pallas über die heftigsten Auswirkungen schwarzmagischer Experimente der letzten fünftausend Jahre dozierte, wobei sie einräumte, daß vieles nicht schriftlich belegt sei und nur von gewissenhaften Zauberern und Hexen wortwörtlich weitergegeben wurde, die zum Teil noch der Priesterschaft in Ägypten, anderen afrikanischen und vorderasiatischen Ländern angehört hatten. Als die Stunde vorbei war und die Glocke zum Mittagessen läutete sagte Claire zu Waltraud:

"Das war heute eine Ausnahmestunde. Sonst ist Professeur Pallas wesentlich lockerer drauf."

"Ich finde es gar nicht schlecht, sich ernsthaft mit der Geschichte magischer Alleinherrscher und Tyrannen zu befassen, wenn die so viel hinterlassen haben", erwiderte Waltraud. "In Greifennest werden wir nur mit Zauberervereinigungskrempel und Übereinkünften zwischen Zauberern und intelligenten Zauberwesen traktiert. Hinzu kommt noch, daß Magister Silberstoppel ein Zwerg ist, der ziemlich einseitig über Kobolde und Hauselfen berichtet. Da kriegst du mit hundert Prozent eine Eins plus, wenn du in einem Aufsatz über die Barbaraei und Gewinnsucht der Kobolde schreibst und das Ungleichgewicht zwischen magischen Menschen und humanoiden Zauberwesen anprangerst, wo es sich anbietet. Ansonsten ist das ein ziemlich langweiliges Fach."

"Wenn man nicht gerade wen hat, der mit so'ner uralten Kreatur zusammengerasselt ist", knurrte Julius. Waltraud nickte.

"In Deutschland hat sich auch einmal eine von denen herumgetrieben, so um 1518. Die hat es angestellt zwölf Muggel zu unterwerfen, die ihr helfen sollten, das damalige Kaiserreich zu erobern. Offenbar kam die aus Spanien herüber, weil sie dort die meisten ihrer Unterworfenen hatte. Wie genau die vertrieben wurde hat Magister Silberstoppel uns nicht erzählt, weil das wohl erst in der ZAG-Prüfung wichtig wird."

"In Hogwarts gibt ein Geist Geschichte der Zauberei", sagte Julius. "Das ist schlicht zum einschlafen."

"Ein Geist?! Der könnte zumindest von selbst gemachten Erfahrungen erzählen. Sicher, Silberstoppel ist schon zweihundert Jahre alt, für'n Zwerg ja gerade Mittelalt. Aber ein Geist könnte echt viel mehr aus eigenen Erlebnissen schöpfen. Warum ist das dann in Hogwarts so langweilig?"

"Weil der sich nicht drum schert, ob das wen interessiert und der nur Zahlen und kurze Beschreibungen runterrattert wie ein Automat."

"Ein was? Achso, eine Selbsthandelmaschine, die nur in Gang gesetzt werden muß", erwiderte Waltraud. Julius nickte.

Nach dem Essen traf er sich mit Céline und Laurentine, um mit ihnen zum Arithmantikunterricht zu gehen. Dort angekommen trafen sie auch Gloria Porter wieder, die sich gerade mit Belisama Lagrange unterhielt.

"Und, wie lief es in Verteidigung gegen die dunklen Künste?" Fragte Julius, nachdem er sich durch leises Räuspern die Aufmerksamkeit der beiden Mädchen gesichert hatte.

"Die hat mir nur fünf Bonuspunkte gegeben, weil: "Sie, Mademoiselle Porter, stehen im guten Kontakt zu einer sehr kundigen Fachkollegin von mir, die Sie, wie ich sehr gut informiert bin, in den Ferien hinreichend ausgebildet hat, um die unverantwortliche Lehrverweigerung meiner sogenannten Kollegin in Hogwarts zu kompensieren"", erwiderte Gloria und immitierte dabei Professeur Faucons Tonfall. Die übrigen Mädchen kicherten belustigt. Dann kam noch Millie Latierre und winkte Julius zu sich. Céline und Laurentine sahen ihm etwas verunsichert nach, meinten wohl wieder, ihn im Namen Claires bewachen zu müssen. Doch ihn scherte es im Moment nicht. Er ging zu Millie hin und hörte, was sie halblaut zu ihm sagte:

"Also, Callie und Pennie haben bei unserer Saalvorsteherin heftig strampeln müssen, weil die von denen verlangt hat, innerhalb einer Doppelstunde alle magischen Tierprodukte zusammenzufassen und nach Verwendung in Zaubertränken zu sortieren. Tja, und eben ..." Sie hob den rechten Arm und zog den Ärmel ihrer blaßblauen Bluse zurück, wodurch Julius das silberne Armband mit dem weißen Schmuckstein sehen konnte. "Madame Rossignol hat mir das gerade angelegt. Jetzt bin ich auch eine von deiner Truppe. Allerdings, hat die dir das auch so erzählt, daß sie Leute, die heftig danebenhauen in Bettpfannen verwandelt?" Flüsterte sie beklommen.

"Angeblich hat sie das schon getan", sagte Julius. "Aber ob das stimmt weiß ich nicht genau. Ich will es aber auch nicht darauf ankommen lassen, selbst wenn sie da ein Minenfeld aus null Minen gebaut hat."

"Bitte was?" Fragte Millie nun belustigt.

"So hat es ein General mal erklärt, daß man allein durch die Behauptung, irgendwo Sprengstofffallen hingelegt zu haben Leute von der Gegend fernhalten kann, wo diese Fallen angeblich liegen und damit eigentlich keine echten Sprengkörper verstecken muß. Das könnte hinter der Behauptung von Madame Rossignol stecken. Andererseits, wie gesagt, will ich nicht der Idiot sein, der rausfindet, daß sie nicht blufft, also was erzählt, was nicht stimmt, wenn es dann doch stimmt", erwiderte Julius.

"Ist ja auch irgendwie klar, wenn wir mit dem schnuckeligen Armband hier überall hinkönnen, ohne die Losungswörter zu kennen oder uns aus dem eigenen Wohnsaal verdrücken können, wenn zehn Uhr abends durch ist. Frage mich dann nur, wie die das dann den Eltern stecken wollen, wenn die so'ne Strafe wirklich anwendet", erwiderte Mildrid. Julius runzelte die Stirn und schwieg einige Sekunden. Dann gab er halblaut zurück:

"Die werden denen sagen, daß mit der Einstellung als Pflegehelfer eine Riesenverantwortung aufgeladen wurde und jeder, der voll danebenhaut eben nicht mehr nach Hause gelassen wird. Deine Schwester war Pflegehelferin, deine Tante Béatrice wohl auch. Die würden sich ihren Teil denken. Allerdings wundere ich mich dann, daß die Eltern sich dann nicht beschweren."

"Vielleicht tun die das, aber es bringt nichts, weil die Schulregeln das einfach so erlauben", erwiderte Millie. Gloria Porter, die zusammen mit den anderen Schülerinnen die Ohren lang machte, trat an die beiden Pflegehelfer heran. Millie lächelte sie an und meinte:

"Wir geheimnissen nur über die Pflegehelfer, Gloria. Du hast es ja wohl schon raus, daß die hier in Beaux heftige Strafsachen machen, wenn wer nicht so spurt wie die wollen."

"Ja, hörte ich. Meine Tante väterlicherseits hat die Akademie ein Jahr lang besucht und war nicht sonderlich begeistert wie es ihr hier erging", erwiderte Gloria. Da sie mit normaler Lautstärke sprach fühlten sich die anderen Mädchen eingeladen, sich ebenfalls dazuzugesellen.

"Echt, und dann wolltest du trotzdem herkommen?" Wandte Millie sich feist grinsend an die englische Gastschülerin. Gloria nickte energisch.

"Ich habe befunden, daß eine so strenge Schule wie die Beauxbatons-Akademie ja wohl auch viel vermitteln muß, und meine Tante war und ist schon immer etwas gegen feste Verhaltensregeln eingestellt."

"Ach, und wie ging das dann bei dir ab?" Fragte Mildrid und sprach damit was aus, das Julius auch schon lange interessierte, er bisher aber nicht die Zeit und die Worte dafür gefunden hatte.

"Du meinst, wie ich es erreicht habe, dieses Jahr bei euch zu sein?" Prüfte Gloria, ob sie Millie richtig verstanden hatte. Diese nickte bejahend. "Also", setzte die Gastschülerin an, "auf die Idee, dieses Jahr hier zu lernen kam ich bei Julius' Geburtstagsfeier, als ich die Gelegenheit fand, mit Belisama, Claire, Laurentine und den Jungen aus Julius' Klasse zu sprechen. Ich habe mich dann erkundigt, wie lange vorher ich mich dafür anmelden müsse und bei wem ich wie geprüft würde. Die Anmeldefrist war zwei Wochen, in denen Hogwarts und die Akademie geklärt haben, ob mich dieses Jahr wirklich voranbringen oder zurückwerfen würde. Während du, Julius, bei uns warst, wartete ich auf die Antwort von der Ausbildungsabteilung und von Professor Flitwick. Deshalb wollte ich dir da noch nichts erzählen." Bei diesen Worten sah sie Julius an, der verstehend nickte. "Ja, und am fünfzehnten August kam dann die Eule, mich in Callais bei einer Professeur Tourrecandide zur Sprachprüfung einzufinden. Als diese vorüber war und mir mitgeteilt würde, daß ich bestanden hätte und meine Eltern nur noch ihr Einverständnis erklären müßten, war die Sache klar. Professeur Tourrecandide hat mich dann für die verbliebenen Ferientage bei sich untergebracht. Meine Oma kennt die sogar und ist schwer von ihr beeindruckt. Sie hat mir erzählt, sie habe dich auch im letzten Schuljahr geprüft, weil Professeur Faucon meinte, du könntest schon mehr als das übliche." Julius errötete leicht an den Ohren. Doch er nickte ihr bestätigend zu. Millie sagte dazu:

"Ui, die werte Professeur Tourrecandide ist heftiger als Königin Blanche. Kunststück, wo die Saalvorsteherin der Grünen ja alles von der gelernt hat. Wohnst du da jetzt dieses Jahr?"

"Nein, das war nur zur Vorbereitung des Schuljahres und der Überbrückung der letzten Ferientage. Mum und Dad waren ja auch mit in Callais", erwiderte Gloria. Millie wollte dazu noch was sagen, doch da erschien Professeur Laplace, um den Unterricht zu beginnen.

Nach der Doppelstunde wünschten sich alle noch einen schönen Tag. Belisama meinte einmal:

"Debbie wird mir gleich noch die Sache mit dem Pflegehelferschlüssel zeigen. Madame Rossignol will ihn mir gleich noch anlegen. Kann sein, daß wir uns dann noch sehen, Julius und Mildrid."

"Gerlinde will mir die Sache erst nach dem Abendessen zeigen, bevor sie zur Theatergruppe muß. Was hast du denn gleich als Nachmittagsveranstaltung, Julius?"

"Verwandlung für Fortgeschrittene", sagte Julius. Belisama sah ihn an und meinte:

"Da sind doch eher die über Klasse vier drin oder?"

"Belisama, der war letztes Jahr schon da drin und Königin Blanche hat den wohl nicht rausgeworfen. Also will sie ihn wohl da drin behalten, ob es ihm paßt oder nicht", versetzte Millie. Julius fühlte sich etwas überfahren und erwiderte so ruhig er konnte:

"Mildrid, ich kann das alleine erklären, wieso ich in dem Kurs drin bin oder nicht. Jedenfalls bin ich gut ausgebucht."

"Klar", bemerkte Mildrid Latierre dazu und verabschiedete sich von Julius und Belisama. Als sie um die Ecke ging vibrierte Julius' Pflegehelferarmband. Er legte den Finger auf den Schlüsselstein und sah Madame Rossignols räumliches Abbild vor sich erscheinen. Aus dem Armband klang wie von sanften Wellen getragen ihre Stimme:

"Julius, bringst du Belisama bitte zu mir, damit ich auch ihr noch das Armband geben kann? Patrice und Carmen sind auch gerade hier."

Julius gehorchte und brachte Belisama über das Wandschlüpfsystem in das Büro der Schulheilerin, wo Carmen Deleste und patrice Duisenberg, eine Viertklässlerin aus dem blauen Saal warteten. Patrice war die Tante der Quidditchspilerin Corinne, die in der fünften Klasse war und eine der wenigen aus der Mannschaft der Blauen war, die dieses Jahr kein Besenflug- und Spielverbot hatten.

"Wunderbar", sagte die Heilerin. "Patrice ist ja die einzige aus dem blauen Saal, die als Pflegehelferin mit uns zusammenarbeiten wird. Kannst du ihr auch bitte zeigen, wie der Schlüssel zu gebrauchen ist, Julius?"

"Ich hoffe, ich kriege das in zehn Minuten hin, weil ich um vier ja schon bei Professeur Faucon antreten möchte", sagte Julius. Die Heilerin nickte. Patrice lächelte ihn an, als wolle sie sagen, daß sie sich freute, in dieser Truppe zu sein.

Tatsächlich konnte Julius seinen beiden Kolleginnen innerhalb von einer Viertelstunde die Ein- und Ausgänge des praktischen Wandschlüpfsystems und die Sprechverbindung untereinander erklären.

"Danke, daß du uns das gezeigt hast, Julius", sagte Patrice ehrlich erfreut. "Corinne wollte ja auch den Ersthelferkurs machen, aber mein Bruder hat die anders verplant. Ist das echt so, daß keiner von uns in einen anderen als den eigenen Wohnsaal reindarf, wenn Schwester Florence das nicht ausdrücklich befiehlt?"

"So ist es", sagte Julius. "Die kriegt das raus, wer mit dem Armband wohin schlüpft. Ich lege es nicht drauf an, daß die mich oder sonst wen dafür bestraft, weil er oder sie sich nicht dran hält", sagte Julius. patrice nickte. Dann umarmte sie Julius kurz und verschwand durch ein himmelblau aufleuchtendes Wandstück.

"Du machst jetzt Verwandlung?" Fragte Carmen.

"Genau. Du bist im Malkurs?" Fragte Julius zurück. Die ein jahr jüngere Mitschülerin nickte.

"Soll ich Claire schöne Grüße ausrichten?"

"Ja, mach das bitte", sagte Julius leicht irritiert. An und für sich wollte er Claire nicht noch dazu verleiten, sich weiter über ihn zu ärgern. Er sah zu, wie Carmen durch dasselbe Wandstück verschwand, nur das es jetzt grasgrün schimmerte.

"Dann wollen wir auch mal", dachte Julius und wandschlüpfte in jenen Teil der Schule, wo der Verwandlungskursraum lag.

Wie im letzten Jahr war er der einzige unterhalb der fünften Klasse, der an diesem Kurs teilnahm. Aus der fünften Klasse war Constance Dornier dazugestoßen. Julius wunderte sich, das die junge Mutter sich diesen Kurs ausgesucht hatte. Er sah ihre kleine Tochter Cythera, deren Kopf er schon berührt hatte, bevor sie zur Welt gekommen war in einem geflochtenen Tragekorb liegen, der einem Kinderwagen ohne Räder und Haltegriff ähnelte. Sie schlief wohl gerade.

"Monsieur Andrews, Sie gesellen sich bitte zu den jungen Damen Montferre und Monsieur Collis. Ich werde Sie sich dieses Jahr schwerpunktmäßig mit Materialisationen, Beschwörungen von toten und lebenden Objekten befassen lassen", legte Professeur Faucon die Marschroute fest. Julius sah sie an und fragte kühn:

"Und was ist, wenn ich im zweiten Halbjahr einen anderen Kurs belegen möchte?"

"Sie wissen sehr gut, daß Sie nicht deshalb in diesem Kurs sind, weil Sie mich letztes Jahr darum gebeten haben, sondern weil ich Sie zur Teilnahme verpflichtet habe, Monsieur Andrews", erwiderte Professeur Faucon mit warnendem Unterton. "Also versuchen Sie bloß nicht, sich auf irgendwelche sonstigen Aktivitäten zu berufen, um diesen Kurs zu verlassen und erfüllen Sie auf jeden Fall die Mindestanforderungen dieses Kurses, weil widrigenfalls massive Strafpunktzuteilungen und Entzug aller Privilegien die unerfreuliche Folge wären!" Legte sie noch nach. Dann blickte sie zu Constance Dornier hinüber, die sich zu Deborah Flaubert stellte, die ebenfalls als Neue an diesem Kurs teilnahm.

"Hat Constance sich freiwillig gemeldet oder wurde sie auch darum gebeten?" Fragte Julius leise. Professeur Faucon sah ihn an und erwiderte ruhig:

"Ich bekam ihre Meldung gestern abend noch und habe keine Einwände. Ihre Tochter muß nur während der Stunden in einem körperunabhängigen Tragebehälter verbleiben und Langzeitwindeln tragen. Ich gehe davon aus, daß Mademoiselle Dornier sie vor Beginn dieser Stunde noch stillen konnte und wir daher keine Störung von der ganz jungen Mademoiselle zu erwarten haben. Das erzähle ich Ihnen, weil Sie als Mitglied der Pflegehelfergruppe und aktiver Geburtshelfer ein Anrecht haben, über Mademoiselle Dorniers Teilnahme an diesem Kurs informiert zu werden. Mehr müssen Sie nicht wissen. Jetzt gehen Sie bitte zu den Mesdemoiselles Montferre hinüber!" Beendete Professeur Faucon ihre kurze Erläuterung und machte eine energische Handbewegung von Julius zu den rothaarigen Zwillingen, die ihm entgegenblickten und warteten, wo er sich einsortieren sollte. Als Julius bei Sabine und Sandra ankam, fiel ihm der winzig erscheinende Golbasto Collis auf, der die goldene Saalsprecherbrosche trug und Julius nun knapp über den Bauch reichte und den Montferres, die über 1,80 Meter groß waren, gerade so zum Bauchnabel ging.

"Hat sie dich zu uns geschickt, Julius? Dann sollst du wohl da weitermachen, wo du im letzten Jahr aufgehört hast", stellte Sabine fest. Golbasto blickte zu Julius hinauf und fragte:

"Möchte Professeur Faucon dich in Materialisation unterrichten?"

"Genau", erwiderte Julius ruhig. Da kam auch schon die Kursleiterin und teilte Zettel aus. Als sie bei Julius ankam gab sie ihm "Wege zur Verwandlung Band 6", wo er nachlesen sollte, was zur einfachen Beschwörung von kleinen unbelebten Objekten nötig sei. Sie kündigte an, gleich noch intensiver auf ihn einzugehen, wenn sie allen ihre Aufgaben verteilt hatte und setzte ihre Runde fort.

"Ich habe im Ferienunterricht bei ihr schon Flüche mit materiellen Objekten ausprobiert. Was ist denn schwieriger an der Objektbeschwörung?" Fragte er seine Gruppenmitglieder, die gerade ihre Zettel studierten.

"Im wesentlichen, daß du etwas aus dem Nichts erscheinen läßt, ohne das es unmittelbar mit dem Zauberstab in Berührung kommt", sagte Sabine. "Wie es der Wille Professeur Faucons ist habe ich auf meinem Zettel eine solche Übung stehen. Ich führe dir das mal vor, am besten verbal, damit du mitkriegst, wie die Bewegungen und Worte zusammengehören", sagte sie und deutete auf den Arbeitstisch vor ihr. "Inanimatum ex Fluido nihilis immanato!" Sprach sie beschwörend, während sie den Zauberstab aus dem Handgelenk einen senkrechten und waagerechten Kreisbogen beschreiben und ihn bei der letzten Silbe auf einen Punkt über der Tischoberfläche auspendeln ließ. Julius meinte zuerst, eine flimmernde Kugel aus erhitzter Luft zu sehen, die jedoch in der nächsten Sekunde zu einer leeren Holzschachtel wurde, die aus nur zwei Zentimetern Höhe auf den Tisch herabfiel.

"Hört sich einfach an", meinte Julius voreilig. Andererseits wußte er, daß manche Zauber die einfach aussahen nur klappten, wenn die Koordination zwischen Zauberstabbewegung, Zauberspruch und bestimmten Gedankenmustern stimmte.

"Du kennst das Spiel mit der mentalen Komponente. Ich mußte mir während der ganzen Zauberformel die Schachtel so vorstellen, wie ich sie beschwören wollte. Aber wenn der zauber klappt, bleibt das Objekt vorhanden, ja kann sogar zerlegt und wieder zusammengesetzt werden, ohne sich in die unstoffliche Form aufzulösen, aus der ich es erschaffen habe."

"Um die wegzukriegen muß ich jetzt den üblichen Verschwindezauber bringen oder geht auch der Renihilis wie bei verstofflichenden Flüchen?" Fragte Julius, der begeistert war, was er jetzt schon lernen konnte.

"Probieren Sie es aus, Monsieur!" Forderte Professeur Faucon den jüngsten ihrer Kursteilnehmer auf. Dieser richtete seinen Zauberstab auf die Schachtel und sagte "Renihilis!" Die Schachtel zitterte kurz, blieb jedoch auf dem Tisch stehen.

"Bei genuiner Materialisation, also der tatsächlichen Verstofflichung oder Umformung anderweitiger Materie aus flüssigen oder gasförmigen Stoffen ist das Objekt nach der Entstehung völlig frei von Zauberkraft, wohingegen Materialisationsflüche einen ständigen Strom magischer Energie erhalten, der durch den Renihilis-Zauber unterbrochen werden kann oder eben durch den Dissolvetur-Artivivum-Zauber, sofern es sich bei den Verstofflichungen um primitive Lebensformen handelt. Wenn Sie also dieses Objekt verschwinden lassen wollen, müssen sie den im letzten Jahr erlernten und hoffentlich noch präsenten Dematerialisationszauber für unbelebte Dinge benutzen. Tun Sie dies bitte!"

Julius erinnerte sich, wie der Verschwindezauber ging und schaffte es ohne Worte, die Schachtel wieder aufzulösen.

"Mademoiselle Montferre hat mit Ihnen aber schon den zweiten Schritt gemacht, konnte ich erkennen. Gut, sie soll zur Einstimmung eine Serie von toten Gegenständen erschaffen. Aber Sie selbst können bestimmt einen Zauber anwenden, der bereits vorhandene Objekte vervielfältigt, weiß ich sehr gut."

Julius nickte und führte den Multiplicus-Zauber vor und schuf zehn Kopien eines Streichholzes auf einmal. Danach wiederholte er gemäß seinem Zettel Verschwindezauber und Verwandlungen von Lebewesen in andere Lebewesen. Die Montferre-Mädchen holten derweil Kerzen, Schachteln und schließlich kleinere Tiere aus dem Nichts. Dann fragte Professeur Faucon:

"Worin besteht Ihrer Meinung nach der Unterschied zwischen einer Beschwörung aus dem Nichts und einer Gebündelten Verstofflichung, wie sie in der Zauberkunst zur Erzeugung von Objekten aus dem Zauberstab heraus üblich ist? Ich meine, was unterscheidet die beiden magischen Vorgänge außer das bei einem der Zauberstab als direkter Ausgangspunkt von Objekten wirkt?" Julius überlegte und schlug in dem geliehenen Exemplar des Verwandlungsbuches nach, was Maya Unittamo dazu schrieb. Dann sagte er:

"Im wesentlichen, daß direkte Erscheinungen aus dem Zauberstab nur solange auftauchen, solange man an den zu zaubernden Stoff oder die Objekte denkt und bei der Beschwörung die magische Kraft vom Zauberstab gelöst wird und sich an einem Punkt im Raum bündelt und eine bestimmte Anzahl von Objekten entstehen läßt. Außerdem besteht die Möglichkeit bereits vorhandene Grundstoffe in die gewünschte Endform zu versetzen oder bereits fertige Objekte über größere räumliche Entfernung hinweg direkt am Zielort erscheinen zu lassen, also zu teleportieren, was im Gegensatz zum Aufrufezauber innerhalb eines Sekundenbruchteils abläuft und das Objekt nicht bewegt wird."

"Sie entsinnen sich gewiß meiner notwendigen Maßnahmen, um eine gesunde Ernährung zu sichern, als meine Familie und ich Sie und Ihre Eltern einmal besuchten", sprach Professeur Faucon leise zu ihm. Er nickte. Wie hätte er das auch vergessen sollen? Sie hatte am Morgen eine Schale mit frischen Aprikosen herbeigezaubert und ihm später noch reife Tomaten und andere Zutaten aus dem Nichts auf den Küchentisch gezaubert, um ihm zu zeigen, daß sie eine Hexe war und wußte, daß er ein Zauberer war.

"Der Apportierzauber verläuft ähnlich dem Verschwindezauber, nur daß Sie wissen müssen, was Sie herbeiholen möchten und wo es sich gerade befindet, während beim Verschwinden lediglich wichtig ist, das Objekt aus dem Raum-Zeit-Gefüge zu werfen. Apportieren wird in den nächsten Stunden in diesem Kurs das wesentliche sein, was Sie üben werden. Später werden Sie die Umformung der Luft und dann als dritte Stufe die direkte Erzeugung vorher nicht vorhandener Objekte üben. Falls Sie darin sehr rasche Fortschritte erzielen bringe ich Ihnen gerne bei, wie sie unerschöpfliche Objekte erschaffen, die sie nach der Materialisation mit einem entsprechenden Zauber erhalten, daß sie sich ständig vervollständigen, beispielsweise ein Glas mit Wasser nie leer wird oder feste Nahrung nicht versiegt, so viel Sie davon auch zu sich nehmen. So würde das dann aussehen." Sie vollführte einige Zauberstabbewegungen und ließ eine große Karaffe voll Wasser auf dem Tisch erscheinen. Sabine und Sandra beschworen je ein großes Glas, von denen Julius wiederum zehn Kopien machte. Es gelang jedoch nicht, die Karaffe auch nur um ein viertel zu leeren, obwohl sie alle zwanzig Gläser randvoll füllten. Julius sah sich nach Professeur Faucon um, die gerade bei Constance stand, die beruhigend auf Cythera einsprach.

"Ich denke, das hat Jeanne letztes Jahr gemacht, als wir ausprobiert haben, wieviel in ein rauminhaltsvergrößertes Glas reingeht", sagte Julius. Sabine nickte. Golbasto trat einige Schritte zurück und bezauberte sich selbst, daß er zu einer Wassersäule wurde und zu einer großen Pfütze auseinanderfloß. Als diese Pfütze nach mehrmaligem Zittern und Wellenschlagen gänzlich zu zerfließen drohte rief Julius Professeur Faucon zu sich.

"Mist, ich kann mich nicht mehr halten!" Kam eine plätschernde und sehr panisch klingende Stimme aus der Pfütze. Die Verwandlungslehrerin kam mit langen, schnellen Schritten herüber und hielt den Zauberstab auf die große Pfütze, die drohte, sich über den ganzen Boden auszubreiten. Mit mehreren raschen Bewegungen schaffte sie es, Golbasto zurückzuverwandeln, der sichtlich erschöpft und verängstigt dastand und die Lehrerin leicht vorwurfsvoll ansah.

"Das hätten Sie mir sagen müssen, daß dieser Zauber sich verflüchtigt, wenn ich mich weiter ausdehnen will."

"Ich ging davon aus, daß Sie die geistige Balance und das Zauberpotential besitzen, ihren umgewandelten Körper zusammenzuhalten, Monsieur. Abgesehen davon steht in Ihrem Buch ausdrücklich drin, daß man den Rückverwandlungszauber mit der Warteformel gleich hinter der Liquifikationsformel sprechen oder denken muß, um sich bei Erschöpfung noch zurückverwandeln zu können. Sobald Sie einmal ihren festen Zustand aufgegeben haben, sind Sie zu weiteren Zaubern nicht mehr fähig und können sich nur mit viel Geisteskraft zusammenhalten. Am besten studieren Sie einstweilen die nötigen, um nicht zu sagen überlebenswichtigen Formeln und Zauberkomponenten, bevor Sie sich wieder einer solchen Verwandlung unterziehen! Wegen grob fahrlässiger Selbstgefährdung muß ich Ihnen zwanzig Strafpunkte auferlegen", schnarrte Professeur Faucon. Golbasto nahm das kleinlaut hin.

"Ich denke, ich bringe das besser erst nach den ZAGs", fühlte sich Julius zu einem Kommentar veranlaßt. Professeur Faucon sah ihn an und sagte sehr entschlossen:

"Ich denke nicht, daß Sie damit Probleme haben werden. Leider müssen Sie gemäß gemäß der Ausbildungsgesetze volljährig sein, um Selbstverwandlungen zu vollführen und können auch nicht durch Erlaubnis der Erziehungsberechtigten dazu aufgefordert werden. Wenn Sie sich an die genauen Vorgaben und Sicherheitsanweisungen halten, werden Sie jedoch keine Schwierigkeiten damit bekommen. Sie haben es an Mademoiselle Didier und Madame Jeanne Dusoleil gesehen, daß es funktioniert, solange die wichtigen vorgaben eingehalten werden. Aber keine Sorge, ich werde Sie nicht mit Gewalt in Aktionen hineintreiben, die Sie sich noch nicht zutrauen, sofern dabei Gefahr für Sie besteht."

Die restlichen Stunden arbeiteten die Montferres und Julius als Dreiergruppe zusammen. Sabine Und Sandra schienen es zu genießen, dem jüngeren Schüler was beibringen zu dürfen. Golbasto hockte etwas entfernt und las sich wohl die ganzen Vorgaben für eine Zustandsänderung durch. Julius dachte daran, daß er sich wohl glücklich schätzte, nicht den Gasförmigkeitszauber ausprobiert zu haben. Dann hätte Professeur Faucon sicher großen Ärger bekommen, wenn Golbasto sich dabei restlos und unwiederbringlich aufgelöst hätte.

Nach den Stunden wußte Julius immerhin, wie man kleinere Objekte apportieren konnte. So ähnlich funktionierte also Claires Allbereitsteller, eine kleine Metallkiste, die ihr ihr Vater zum Geburtstag geschenkt hatte, zumindest ungefähr so ging es.

"Wann wolltest du mir das sagen, daß du dich nicht für den Tanzkurs eingetragen hast?" Fragte Claire Julius nach dem Abendessen ohne Vorwarnung. Julius sah seine Freundin leicht irritiert an und rang um Worte, was er ihr nun antworten sollte. Dann sagte er:

"Ich wollte dir das heute abend nach dem Schachclub erzählen, weil ich mir dachte, daß du genau wie ich noch Hausaufgaben machen wolltest und ich dich damit nicht zu heftig aufregen wollte. professeur Faucon hat ja von mir verlangt, mich schnell zu entscheiden, was ich mache und da habe ich mir die Sachen ausgesucht, die im Moment für mich wichtiger sind."

"Es ist nicht so, daß ich dich dazu verpflichten wollte, da mitzumachen, Juju", erwiderte Claire leicht verstimmt. "Es wäre nur schön gewesen, wenn du mir das gestern schon gesagt hättest, ja wenn wir das hätten abklären können, was wir zusammen machen und was nicht. Ist dir das nicht mehr so wichtig, daß wir beide zusammen tanzen?"

"Ich gehe davon aus, daß wir beide das so gut können, daß wir das nicht andauernd lernen müssen", erwiderte Julius schnippisch. "Außerdem habe ich durch Goldschweif und durch einen Kurs von Madame Maxime über Zauberwesen, den ich für wichtig halte, keine sonstige Zeit mehr gefunden, zumal der Tanzkurs ja dieses Halbjahr am Donnerstag ist und genau da die Tierwesen-AG angesetzt ist."

"Nun gut, daß ich dich erst fragen wollte, ob du dieses Jahr wieder mit mir in dem Kurs bist und auf dem Plan gesehen habe, daß du dich nicht eingetragen hast. Du hättest mich ziemlich blöd aussehen lassen", knurrte Claire. Julius dachte nicht daran, sich jetzt schuldig oder betroffen zu fühlen. Er antwortete:

"Wie gesagt hätte ich dir das in dem Moment gesagt, wo du das in aller Ruhe hättest hören können. Na ja, jetzt weißt du es ja."

"Öhm, mehr fällt dir dazu nicht ein?" Fragte Claire sichtlich ungehalten.

"Zumindest nicht, solange du diesen Ton anschlägst und mich so anguckst, als hätte ich dir irgendwas schlimmes getan. - Hmm, du hast dich für den Kurs eingetragen?"

"Hatte ich vor, Julius. Aber wenn ich mir erst einen neuen Partner suchen muß mache ich lieber in der Töpfergruppe mit. Wie gesagt, du hättest mich ruhig fragen können, ob wir beide den Kurs zusammen machen sollen oder mir erzählen können, daß es da Sachen gibt, die im Moment für dich wichtiger sind."

"Du hättest mich auch fragen können. Gestern oder schon im Schloß Tournesol", entgegnete Julius. Ihm paßte es nicht, hier und jetzt wieder in eine unlustige Auseinandersetzung hineingezogen zu werden. Sicher, er hätte Claire das gestern abend schon sagen sollen. Aber da war sie auch schon so unterkühlt gewesen.

"Das hatte ich an und für sich vor. Aber Professeur Faucon hat dich ja zu geheimen Sonderaufgaben verdonnert und gemeint, dich noch eben zu sich rufen zu müssen. Sonst hätten wir beide unseren Wochenplan aufeinander abstimmen können. Na ja, ich hoffe nur, daß du dir nicht echt zu viel aufladen läßt. So viel dazu", beendete Claire das Thema. Sie merkte, daß mehrere Mitbewohner sich um sie beide versammelten und zuhörten. Offenbar erkannte sie jetzt erst, daß sie den Eindruck rüberbrachte, mit Julius einen heftigen Krach zu haben.

Beim Schach wurden Julius und Laurentine einander zugelost. Nach zwei Partien, die Julius gewann, gab Laurentine auf. Sie saß ihm gegenüber und schien was zu überlegen. Julius fragte sich, was er nun mit der verbleibenden Zeit anfangen sollte, wenn Bébé nicht mehr spielen wollte. Dann fiel ihm was ein, was er sie fragen konnte:

"Bébé, auch auf die Gefahr hin, dich jetzt in was reinzuziehen, was du nicht willst. Aber irgendwie ist das mit Claire nicht mehr so wie in den Ferien. Liegt das nur an mir? Ich möchte deine Meinung dazu hören."

"An und für sich will ich nichts dazu sagen, Julius", erwiderte Laurentine. Doch sie wirkte so, als sei eine unerträgliche Spannung von ihr gewichen, als habe sie eine lange erwartete Frage gestellt bekommen oder das gehört, was sie zu hören erhofft oder befürchtet hatte. "Aber, ich habe mir natürlich auch Gedanken gemacht, was gerade zwischen euch los ist, Julius. Ich denke, die Sache mit deinen Eltern hat dir gezeigt, daß die Welt nicht immer so ruhig ist. Dann kommt noch der ganze Krempel dazu, den die dir aufgeladen haben. Claire will das nicht hinnehmen, daß du das alles für dich behalten willst oder mußt. In Millemerveilles läuft das eben so, daß Probleme einzelner Leute von der ganzen Gemeinschaft gelöst werden. Zumindest haben mir das Madame Delamontagne und Claires Mutter so erzählt, jede mit eigenen Worten und ganz unterschiedlich betrachtet. Du und ich kommen aus Städten, wo das dem Nachbarn zum großen Teil egal ist, was du hast, solange du ihn nicht damit ärgerst oder reinziehst. Wenn du mir gesagt hättest, daß du Sachen erlebt hast, die du mir nicht erzählen darfst, dann hätte ich wohl gesagt, daß du ja damit fertig werden müßtest. Sicher, ich hätte auch gefragt, ob du mir das nicht doch irgendwie erklären kannst, damit wir uns nicht aus irgendeinem Grund zoffen, wie du das jetzt gerade mit Claire machst. Für Claire gilt, was der andere, den sie noch dazu sehr gern hat für Probleme hat, geht sie genauso viel an wie den betreffenden, weil sie ihm dann ja erst helfen kann und sei es, ihn zu verstehen, warum er dieses oder jenes jetzt anders macht als vorher. Ich will mich hier nicht als Psychologin aufspielen, das überlasse ich zu Hause meiner Tante Monique und hier Professeur Faucon oder Madame Rossignol. Ich wollte dir nur deine Frage beantworten, welche Meinung ich habe. Okay, meine Meinung ist, daß du mit Claire solange Krach haben wirst, solange du ihr nicht anbietest, das zu kapieren, was dir passiert ist. Aber wenn du alles für dich behalten mußt, was an merkwürdigen Sachen passiert, dann kann sie das nicht verstehen. Ich verstehe zumindest, daß dir Leute sagen, daß sie nicht wollen, daß du dieses oder jenes erzählst. Mein Vater möchte auch nicht haben, daß ich mit anderen über seine Arbeit rede, was über pressetaugliches Zeug hinausgeht, und mein Opa mütterlicherseits hat mir auch schon Sachen erzählt, die ich nicht weitererzählen soll, weil davon viel Geld oder Vertrauen abhängt."

"Bébé, es gibt Sachen, die darf ich Claire nicht erzählen und dir auch nicht", sagte Julius ruhig. "Warum kann sie mir nicht dadurch helfen, daß sie das einfach so hinnimmt. Ich meine, ich habe direkte Anweisungen von Leuten, die mir das nur erzählt oder mich das nur haben sehen lassen, weil es mich unmittelbar anging."

"Eben, und da sind wir wieder bei dem, was ich gerade gesagt habe", erwiderte Laurentine leicht verbittert. "Claire ist deine Freundin. Damit ist das was dich was angeht auch was, das sie was angeht. Dorfleute halt. Wenn Bauer Fred krank ist, bittet er um hilfe, bis er wieder gesund ist. Damit will ich nicht behaupten, daß du gerade krank bist. Ich will nur sagen, daß Claire einfach nicht kapieren will, daß du ihr nichts erzählen willst, wo sie merkt, daß dich das irgendwie heftig mitnimmt. Aber mehr dazu zu sagen ist jetzt nicht mein Ding. Nimm das so, wie's ist!"

"Okay, ich wollte dich wie gesagt auch nicht damit reinziehen, zumal du Claire doch länger kennst als ich und eine gute Freundin von ihr bist. Natürlich will ich nicht, daß du was gegen sie sagst oder Partei für mich ergreifst oder sowas. Ich wollte halt nur wissen, wie das bei dir ankommt, was mit uns gerade läuft und ob das eher an mir liegt."

"Claire hat mir erzählt, wie ihr in dem Schloß der Latierres wart hätten dir nicht nur Millie sondern auch Martine und die beiden Zwillinge Callie und Pennie hinterhergekuckt und da sei was wegen eines Fluches gewesen, den du zusammen mit Millies Tante Béatrice wohl abgewehrt hast, aber nichts erzählen wolltest, wie genau."

"Ja, das stimmt", sagte Julius. "Das war etwas, wo nur zwei Leute, von denen eine Person sich gut mit bestimmten Sachen auskannte, was machen konnten. Aber mehr darf ich eben nicht weitererzählen." Laurentine nickte und sagte dann zum Abschluß:

"Das hängt ganz bei dir, wovon du meinst, daß du es Claire erzählen kannst oder nicht. Wenn das aber lebenswichtige Geheimnisse sind, die nur bestimmte Leute wissen dürfen, dann überlege dir, ob du Claire wirklich damit reinziehen kannst. Denn in dem Moment, wo du ihr was erzählst, hängt sie in dem drin, was dir zu schaffen macht. Wenn sie das so will, dann liegt es bei dir, wo du sie mit reinziehen willst. Ich hörte nur von Madame Delamontagne, daß diese Eidessteine nicht das heftigste sind, was Zauberer und Hexen machen können, um jemandem zum Einhalten bestimmter Sachen zu bringen. Wenn die mit dir sowas angestellt haben, kannst du Claire nichts erzählen, es sei denn, du willst, daß sie dabei zusieht, wie du bestraft wirst."

"Danke, Bébé. Offenbar habe ich das jetzt gebraucht", sagte Julius sehr erleichtert. Ja, es hing an ihm, womit er Claire behelligen wollte und womit nicht. Nur Claire kapierte das nicht. Er ärgerte sich, daß das mit seinen Eltern so heftig durchgesickert war und er dieses Interview hatte geben müssen, damit niemand mehr behauptete, er habe seinen Vater umgebracht. Mochte es sein, daß Claire das vielleicht doch dachte? Konnte es angehen, daß sie fürchtete, er würde sich Vorwürfe machen und sich damit selbst kaputtmachen? Aber er hatte es ihr immer wieder erzählt, daß er seinen Vater nicht umgebracht hatte. Sollte er ihr die Wahrheit erzählen, daß er gesehen hatte, wie sein Vater zum Säugling zurückverwandelt worden war und daß er selbst einen ihm bis dahin unbekannten Zeitzauber ausgeführt hatte, der seinen Körper verändert hatte? Ja, und sollte er ihr erzählen, wie es sich angefühlt hatte, als er in Béatrice Latierres Körper die anregenden Berührungen erlebt hatte, als sie ihn, der für eine Stunde sie war, die erste Liebeslust seines Wachlebens erfahren ließ? Nein, das wollte er Claire auf keinen Fall erzählen, solange sie meinte, die Latierres hätten ihn für sich sicher. Doch hatte sie damit so unrecht? Wenn das so weiterging, würde er sich wohl überlegen, ob es sinnvoll war, jetzt schon eine feste Freundin zu haben und ob er nicht warten sollte, bis er mit dem Trott hier durch war und seinen Platz im Leben finden würde. Nein! Im Moment wollte er das nicht aufgeben, was Claire und er im letzten Jahr erlebt hatten.

"Möchten Sie einen anderen Schachpartner, Mademoiselle Hellersdorf, Monsieur Andrews?" Fragte Professeur Paximus, der den Club leitete.

"Für die halbe Stunde lohnt sich das nicht mehr", meinte Julius. Der Lehrer sagte dazu:

"Nun, Mademoiselle Patricia Latierre hat gefragt, ob Sie auch einmal gegen Sie antreten könnten, sollten Sie gerade keine Partie spielen. Wir sind hier ja des königlichen Spiels wegen." Julius verstand, obwohl der Lehrer, der dem gelben Saal vorstand sehr ruhig und keinesfalls maßregelnd gesprochen hatte. Doch da er als Belles kurzzeitige Zwillingsschwester auch einen streng durchgreifenden Professeur Paximus kennengelernt hatte hörte er eine gewisse Aufforderung heraus, hier nicht nur rumzusitzen und mit einem Mädchen einfach so zu plaudern. Professeur Faucon hätte ihn sofort angehalten, entweder weiterzuspielen oder den Partner zu wechseln, und sei es, daß sie mit ihm oder Bébé gespielt hätte. Da er den nur scheinbar so sanftmütigen Lehrer nicht provozieren wollte sagte er ihm ruhig:

"Ich habe in den Ferien gegen die Mutter der Mademoiselle gespielt. Wenn die ihrer Tochter das Spiel beigebracht hat möchte ich nicht ablehnen, wenn sie mich fragt."

"Okay, Julius, ich lasse mir dann einen anderen Partner geben", sagte Laurentine ruhig.

"Nun, Sie können dann gegen Monsieur Collis spielen, der gerade die dritte Partie gegen Mademoiselle Latierre beendet hat", legte Professeur Paximus fest und ging mit Julius an einen anderen Tisch, wo Golbasto, der sogar noch etwas kleiner war als die sechs Jahre jüngere Patricia Latierre, gefrustet auf die Zauberschachmenschen starrte, deren weiße Königin ihn sehr beleidigt anblickte und deren weißer König ihn immer wieder wütende Gesten machte.

"Wie kann er gegen dieses Kind so schmachvoll verlieren? Das ist eine untragbare Beleidigung wider uns und unser Gefolge ..."

"Schnauze", schnaubte Golbasto und klaubte seine Schachmenschen wie ein Bündel hingeworfener Streichhölzer zusammen. Sie zeterten und quiekten verstört, wurden aber sofort still, als sie in ihre Holzkiste geworfen wurden.

"Julius, willst du gegen die spielen? Überleg dir das besser. Die zockt dich mit links ab."

"Monsieur Collis, als Sprecher des violetten Saales erwarten Sie einigen Respekt, den Sie nur dadurch erhalten, daß Sie sich respektabel ausdrücken. Ich muß Ihnen für eine unvorbildhafte Ausdrucksweise zehn Strafpunkte auferlegen, so leid mir dies tut", ging Paximus dazwischen, wieder ruhig und sanftmütig klingend. Golbasto nickte und überließ Julius den Platz.

"Drei Spiele hat der gegen mich verloren. Ich dachte, der wäre gut", sagte Patricia amüsiert.

"Du hast von deiner Mutter das Spiel gelernt?" Fragte Julius.

"Einige sagen, schon bevor ich geboren wurde", erwiderte die Tante Millies.

"Ich auch", erwiderte Julius sehr entschlossen und ließ sie die Farbe wählen. Es folgte eine Lange Partie, die lief und lief, bis es viertel nach zehn war. Paximus verabschiedete in der Zeit alle, die noch vor der Sperrstunde fertig waren und saß schweigend dabei. Als Julius es endlich schaffte, die Elfjährige schachmatt zu setzen, erschrak er, als er seine Uhr ansah.

"Ui, sechzehn Minuten drüber. Hoffentlich gibt das keinen Ärger", sagte er zu Patricia. Paximus, der sich wohl alle laufenden Züge der letzten zehn Minuten notiert hatte sagte dazu:

"Nein, da brauchen Sie beide keine Angst zu haben. Wer in diesem Club eine Partie mehr als eine halbe Stunde vor der Sperrzeit beginnt, darf sie anständig beenden. Das haben Sie beide, und ich muß sagen, Mademoiselle, man merkt, wer ihre Lehrmeisterin ist. Aber die Erfahrung des jungen Monsieur Andrews und vielleicht das höhere Schlafbedürfnis haben ihm heute den Sieg ermöglicht. Ich schreibe Ihnen beiden eine Notiz für Ihre Saalsprecher, damit Sie keine Schwierigkeiten bekommen. Monsieur Andrews, Sie können sich ja über Ihren Schlüssel in den Grünen Saal begeben. Ich werde Mademoiselle Latierre zu ihrem Saal begleiten."

"Auf jeden Fall bist du sehr gut in dem Spiel. Maman sagte mir, ich solle unbedingt mal gegen dich spielen, weil deine Maman ja auch so gut mit ihr gespielt hätte und du das ja von ihr gelernt hast", sagte Patricia und verabschiedete sich zur Nacht. Julius wünschte ihr den Schlaf, den sie brauche und wandschlüpfte mit seiner Notiz für Giscard in den grünen Saal zurück, wo Waltraud Eschenwurz sich gerade mit dem Saalsprecher unterhielt.

"... und die Familie gibt's immer noch? Ich hörte davon, daß die keine Zaubererschule besuchen wollten, zumindest die Jungen von denen", sagte Giscard gerade, als Julius auf ihn zutrat.

"Und, wie die Mutter so die Tochter?" Fragte er Julius. Dieser warf sich in eine Siegerpose und sagte:

"Wie die Mutter so der Sohn, Giscard. Hier, das ist die Bestätigung von Professeur Paximus, daß wir wirklich nur schach gespielt haben." Er überreichte dem Saalsprecher den Zettel. Giscard nahm ihn, prüfte ihn und nickte.

"Du hast noch dreizehn Minuten, bis ich euch alle zudecken komme", sagte Giscard Moureau locker und machte eine Kopie von dem Zettel, die er wohl an Professeur Faucon schicken sollte, damit die nicht meinte, Julius hätte ganz ohne Grund überzogen.

"Hallo, Julius", sagte Claire ruhig und nicht so angespannt wie vor dem Schachclub. Julius atmete durch und grüßte ebenso ruhig zurück. "Hat die kleine Latierre ihren Willen gekriegt und verloren?"

"Yep", erwiderte Julius.

"Bébé hat mir das erzählt, daß die unbedingt gegen dich spielen wollte. Dabei habe ich gar nicht gedacht, daß die dieses Spiel überhaupt spielt. Aber du siehst ziemlich müde aus. War wohl ein langer Tag."

"Ja, war es", sagte Julius. Er wollte noch frech einwerfen, daß die Latierres ihn von morgens bis abends auf Trab gehalten hatten. Aber im Moment fand er es schön, mit Claire ruhig und wieder sehr freundschaftlich zu reden. Sie umarmten sich kurz und innig und wünschten sich eine gute Nacht.

Im Bett dachte Julius noch einmal über alles nach, was er mit Laurentine beredet hatte. Natürlich wollte Claire ihm nichts böses. Aber er wollte ihr auch nicht sein ganzes Elend aufladen. Vielleicht erkannte sie, daß sie ihm überhaupt nicht half, wenn sie andauernd von ihm verlangte, Sachen zu erzählen, die er nicht erzählen durfte oder besser nicht weitererzählen sollte. Ihm fiel ein, daß er für Goldschweif wieder ein Kissen rauslegen wollte und so rieb er eines der überzähligen Kopfkissen unter den Achselhöhlen und an der Innenseite seiner Oberschenkel ab, bis er sicher war, genug Schweiß von sich aufgebracht zu haben, bezauberte es mit dem Gleichwärmezauber, das es nicht abkühlte und legte es Goldschweif auf die Fensterbank. Kaum hatte er das Fenster wieder geschlossen, sah er Goldschweif auch schon über die Simse der unteren Etagen zu ihm hinaufspringen. Eigentlich hätte er sie kurz hereinlassen und sie ein wenig streicheln können. Aber er war zu müde.

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Julius schläft. Er hat mir den weichen Schlafstein wieder vor die durchsichtige Fläche gelegt, hinter der seine Schlafhöhle ist. Er hat wohl die ganze Sonne lang gejagt, gekämpft oder irgendwas neues gelernt, daß er jetzt so müde ist. Ich liege jetzt hier und habe mich so weit zusammengerollt wie es geht. Vielleicht wird er ja noch einmal wach und läßt mich dann mal zu sich, damit ich auf seinen Hinterbeinen liegen und ihm sagen kann, wie schön er mein Fell glattstreicht.

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Julius probierte am nächsten Tag aus, ob seine Occlumentiekenntnisse ausreichten, um Professeur Fixus daran zu hindern, seine Gedanken mitzuhören. Tatsächlich gelang es ihm wohl, seine Gedanken für sich allein zu haben. Bernadette und Waltraud wetteiferten darum, wer das Rezept für einen Schmerzunempfindlichkeitstrank am besten vervollständigen konnte. Julius hatte zwar auch aufgezeigt. Aber Professeur Fixus hatte diesmal die Gastschülerin aus Deutschland drangenommen.

Im Verlauf der doppelten Doppelstunde kam sie einmal zu ihm herüber und sagte:

"Ich merke sehr wohl, daß Sie sich darauf konzentrieren, mich nicht mehr in ihre oberflächlichen Gedanken hineinhören zu lassen, Monsieur Andrews. Aber glauben Sie ja nicht, daß ich deshalb darauf verzichten werde, Ihr Wissen auszuloten und ihnen angemessene Aufgaben zuzuweisen."

In Verteidigung gegen die dunklen Künste fragte Professeur Faucon die Gastschülerin erst darüber aus, was sie bei ihrer eigentlichen Lehrerin Elsa Meerschaum durchgenommen hatte. Dann besprachen sie die Seelenfangflüche, die ihre Opfer verwirrten und dazu trieben, etwas zu tun, was ein Dunkelmagier von ihnen verlangte. Dann machten sie noch Fluchabwehrübungen, bei denen Laurentine diesmal auf Anhieb gut aussah.

"Nachdem Sie hier und jetzt also sich und allen anderen in diesem Raum bewiesen haben, daß Sie durchaus magisches Potential in sich haben, Mademoiselle Hellersdorf, erkennen Sie nun endlich, daß Sie bei uns und nur bei uns lernen können, es konstruktiv auszuschöpfen. Insofern bin ich froh, daß wir Sie in den Ferien in der Obhut einer Zaubererfamilie untergebracht haben. Zwanzig Bonuspunkte dafür."

Nach der Stunde alte Runen, bei der auch Gloria und Waltraud dabeigewesen waren, war die Auswahl der Quidditchmannschaft des grünen Saales. Professeur Dedalus, der Fluglehrer und Schiedsrichter begutachtete Waltraud Eschenwurz, die zunächst auf einem fremden Besen flog. Als er ihr dann sagte, daß sie nicht auf dem Donnerkeil 13 an den Spielen teilnehmen dürfe, erwiderte Waltraud:

"Ich weiß, daß Sie hier noch auf inländischen Besen spielen. Deshalb habe ich mir einen Ganymed 9 besorgt, leihweise. Ich wollte Ihnen lediglich vorführen, wie gut ich fliegen kann", sagte die deutsche Mitschülerin. Dedalus grummelte was von "Hätten Sie gleich den genommen", sagte aber nichts weiteres.

"Also die Aufstellung für die Spitzenspiele gegen rot, Violett und Blau steht wohl", sagte Virginie, als sie zehn Anwärter aus den Klassen zwei und drei begutachtet hatte. "Hüter wird Monique Lachaise, während Waltraud, Julius und ich Jäger spielen. Giscard und Hercules bleiben Treiber und Agnes bleibt die Sucherin. Alle anderen, die Professeur Dedalus zum Spielen zugelassen hat werden bei den Begegnungen gegen die Gelben und weißen ihre Chance erhalten."

"Die Blauen sind doch dieses Jahr klar unterlegen. Da müssen wir nicht mit den Altgedienten ran", warf Giscard Moureau ein. Virginie schüttelte den Kopf.

"Die Rossignols spielen zwar nicht mit, aber ich denke, Corinne Duisenberg hat schon eine brauchbare Mannschaft ausgewählt. Außerdem könnten die durch Schnatzfang schnell das Spiel machen. Da will ich besser welche in der Mannschaft an dem Tag haben, die punkten und gleichzeitig den Sucher am Suchen hindern. Wie gesagt bekommen die anderen ja ihre Chance bei den Spielen gegen die Weißen und Gelben", sagte sie.

"Ist das nicht unfair den anderen gegenüber, wenn Julius als einziger einen Ganymed 10 fliegt?" Fragte Waltraud Eschenwurz.

"Wenn du gegen die blauen gespielt hast, vergißt du das Wort Fair ganz schnell", sagte Hercules Moulin.

"Ich denke, Julius wird nicht der einzige sein, der den Ganymed 10 fliegt", erwiderte Virginie darauf. "Ich hörte, daß sich von den Violetten auch welche einen zugelegt haben. Insofern geht das wohl schon."

"Doch nicht etwa der kleine Collis. Dann haben wir im Spiel gegen die keine Chance, den Schnatz zu kriegen", erschrak Monique Lachaise.

"Dann kann Agnes meinen Besen für das Spiel haben", erbot sich Julius spontan. Agnes sah ihn an und schüttelte den Kopf.

"Nein, wenn der echt einen Ganni 10 kriegt dann habe ich endlich einen Grund, mir auch einen zu besorgen. Du fliegst deinen Besen als Jäger besser als ich damit klarkäme, wenn ich suche."

"Das Angebot bleibt aber", sagte Julius. Virginie sagte dazu:

"Die, die dir den Besen besorgt haben möchten haben, daß du dieses Jahr keine Probleme mit Leuten hast, die dich runterschmeißen wollen. Die wollten bestimmt nicht, daß du den Besen bei Spielen gerade gegen die Violetten oder die Blauen verleihst. Wir Klügeln das schon aus, wie wir Collis oder jeden anderen Sucher auf einem Zehner auf verträgliches Niveau runterbremsen. Gegen die Violetten haben wir es ja im letzten Jahr sehr gut hingebogen."

"Ja, aber ich bestehe darauf, daß diese Spielweise nicht unbedingt wiederholt wird, Mademoiselle Delamontagne", mischte sich nun der Fluglehrer ein. Dann sagte er noch einmal, daß am Sonntag bereits die Auswahl getroffen werde.

Nach dem Abendessen stieg Julius' Aufregung. Wie würde das Seminar für Zauberwesen genau ablaufen. Würde Madame Maxime gutartige Zauberwesen einladen, was über sich zu erzählen? Würde sie einen reinen Theoriekurs halten und wenn ja, würde sie Vorträge halten oder den Seminarteilnehmern einzelne Zauberwesen zum vorbereiten und darüber referieren aufgeben? Vorstellbar war es, daß Julius über die Töchter des Abgrundes ein solches Referat halten sollte und sich hierfür schlaulesen und bei Experten erkundigen konnte.

"Und du machst heute Handarbeit?" Fragte Julius Claire. Sie nickte.

"Ich wollte meine alten Kurse nicht alle umschmeißen, obwohl mich das Thema auch interessiert. Kannst du mir erzählen, was ihr da so macht?"

"Ich hoffe doch", sagte Julius ganz ehrlich. Andererseits glaubte er nicht, daß Madame Maxime ein Seminar anbot, über das dann niemand außenstehendes was mitbekommen durfte. Waltraud Eschenwurz, die Julius in den letzten Tagen tatsächlich als sehr lerneifrig erlebt hatte, fragte Julius, wie man am schnellsten in den Panoramaraum gelangen konnte. Julius fiel ein, daß er den bisher nicht besucht hatte. Sicher war nur, daß er nicht im unmittelbaren Arbeitsbereich der Schulleiterin lag. Er überlegte, wo der sein mochte. Dann hatte er eine Idee.

"Warte mal für paar Minuten, Waltraud. Ich frage mal wen, der mir das sagen kann."

"In Ordnung", sagte Waltraud einverstanden nickend. Julius eilte darauf in den Schlafsaal für Viertklässler, und wandte sich einem großen Vollportrait über seinem Bett zu, das eine schwarzhaarige Frau mit graugrünen Augen zeigte.

"Aurora, weißt du von den anderen wo dieser Panoramaraum sein soll. Könnte in einem der Türme sein, dem Namen nach."

"Moment, ich frage Viviane und die anderen", sagte das lebende Motiv auf dem großen Gemälde und schwang sich nach rechts aus dem Rahmen und war verschwunden. Keine halbe Minute später kam sie zurück und sagte: "Also der Raum heißt so, weil er wie die Schulaula Umgebungsillusionen erzeugen kann. Er liegt unterhalb des Südflügels, genau dem Zaubertrankkerker gegenüber. Du mußt von eurem Saal aus erst richtung Verwandlungsraum und dann bei der Wand, wo die Skulptur von Cyrus dem Drachenbändiger und seinem Zwergdrachen Flambeau steht. Du legst dem Zauberer die linke Hand auf die rechte Schulter und dem Drachen die rechte Hand zwischen die Flügel. Dann tut sich die Wand auf und gibt eine Wendeltreppe frei, die direkt in den Raum hinunterführt. Rauf geht's dann einfach, indem du beide Hände gegen die Wand drückst. Aber die Tür bleibt eine halbe Minute lang offen."

"Danke dir", sagte Julius.

"Dank Viviane, indem du dich weiterhin so gut hier hältst", sagte Aurora Dawns Bild. Julius nickte und verließ seinen Schlafsaal wieder.

Die Wegbeschreibung war erstklassig. Als Waltraud und Julius an die Stelle kamen, wo eine Doppelstatue von einem Zauberer mit Schlapphut und einem wohl zwei Meter langem Drachen stand, trafen gerade die Montferre-Zwillinge, sowie Mildrid Latierre aus dem roten Saal, die Duisenbergs aus dem blauen Saal, Edith Messier, und Felicité Deckers aus dem Violetten Saal, Edgar Camus und einige andre aus dem Weißen Saal zusammen mit Gloria Porter ein. Edgar öffnete die Geheimtür wie Julius es von Aurora Dawns Bild-Ich erfahren hatte und führte alle hinunter.

Der Panoramaraum war ein Viertel so groß wie die Schulaula und wirkte wie ein völlig abweisendes Verlies ohne Fenster und Lichtquelle. Lediglich die Zauberstablichter der hier unten versammelten leuchteten den Raum etwas aus. Um ein rundes Podest reihten sich hochlehnige Holzstühle hinter kleinen Klapptischen, wie Julius sie einmal in einem Hörsaal der Universität von Oxford besichtigt hatte, wo sein Vater ihn schon mal schnuppern lassen wollte, wo er später seinen Weg machen würde. Julius stellte sich neben Gloria Porter. Millie schlüpfte auf seine andere Seite. Waltraud stellte sich hinter ihn an einen Stuhl. Ja, irgendwie schien es Julius, als ziehe er die, die er in der Klasse hatte oder die ihn aus der Pflegehelfertruppe kannten an, weil sich Edith und Felicité ebenfalls in seine Nähe begaben. Weitere Kursteilnehmer kamen, hauptsächlich Jungen aus dem violetten und weißen Saal. Dann stieg in ihrer erhabenen Größe von etwa drei Metern, gehüllt in ein mitternachtsblaues Samtkleid, Madame Maxime die lange Wendeltreppe hinunter. Sie begrüßte die Schüler sehr energisch und ließ sich von diesen zurückgrüßen. Dann erlaubte sie ihnen, sich zu setzen. Als sie auf das Podest kletterte hob sie ihren eher einem kurzen Speer ähnelnden Zauberstab und rief: "Caesiomuri!" Unvermittelt glühten die Wände in einem dämmerblauem Licht. "Omnoctes", murmelte die Schulleiterin und machte mit dem Zauberstab eine alle überstreichende Schwenkbewegung. Mit leisem Knistern erloschen darauf alle Lichter an den Stabenden.

"Ich freue mich, daß sich genug Interessenten für die Wiederbelebung des interdisziplinären Seminars intelligente Zauberwesen hier eingefunden haben. Insbesondere begrüße ich unsere diesjährigen Gastschülerinnen Mademoiselle Eschenwurz und Mademoiselle Porter, von denen ich bereits Kenntnis habe, daß sie gute bis sehr gute Experten im familiären Umfeld besitzen.

Die heutige Tagesordnung erstreckt sich über drei Punkte, die Feststellung der Anwesenden im Bezug auf die mir vorliegende Teilnehmerliste, die Bekanntgabe der von mir erwogenen Themen nebst schriftlicher Grundlagenprüfung sowie eine allgemeine Diskussion darüber, wie wir in der Zaubererwelt die Begriffe von gutartigen, neutralen und bösartigen Zauberwesen definieren. Stellen Sie sich das bitte nicht als einfach vor! Beginnen wir mit der Überprüfung der Anwesenden gemäß gemeldeter Teilnehmer! Andrews, Julius!" Julius antwortete deutlich mit Ja und erhobener Hand. Die Schulleiterin nickte und zog wohl einen Strich auf einem pergamentbogen. So ging sie die ganze Liste durch, stellte fest, daß alle da waren, die sich eingetragen hatten und beschloß damit den ersten Tagesordnungspunkt. Danach sollte sich jeder zwei Pergamentblätter holen und die darauf aufgeführten Fragen beantworten. Julius holte sein Schreibzeug hervor und fing mit der ersten Frage an, was er über Hauselfen wußte. Dann ging es um Kobolde, Riesen, Sabberhexen, dann um das, was Julius sowohl erhofft als auch befürchtet hatte, die Succubi, Vampire, Wassermenschen, Werwölfe und zum Schluß auch um Zwerge. Als es um Riesen ging, konnte er sich gerade noch beherrschen zu schreiben, daß er noch keinen reinrassigen Riesen gesehen hatte aber zwei Halbriesen kannte. Er wußte, daß Madame Maxime das nicht sonderlich mochte, wenn man ihre Abstammung erwähnte. Zu den Succubi schrieb er, daß es davon neun Stück gegeben hätte, aber jetzt nur noch acht existierten und wie sie sich ernährten, welche Kräfte sie seiner Erfahrung nach hatten und wie sie vernichtet werden konnten, wobei er dazu schrieb, daß dies jedoch sehr gefährlich sei, weil dabei eine große Menge Todesenergie freigesetzt würde. Über Vampire und Werwölfe schrieb er, was er in Hogwarts und hier darüber gelernt hatte, zu den Wassermenschen, daß sie laut Scamander als Tierwesen geführt wurden und in größeren Süßgewässern und küstennahen Meeren vom Nord- bis zum Südpol existieren könnten. Zu den Zwergen schrieb er nur:

"Sind wohl sehr klein, vielleicht gerade so groß wie Kobolde, leben wohl in unterirdischen Ansiedlungen. Gesehen habe ich bisher nur einen, der wohl für den Miroir arbeitet."

Nach ungefähr einer halben Stunde waren wohl alle mit ihren Fragebögen durch und hatten diese bei Madame Maxime abgeliefert. Bei Julius hatte sie leise geraunt:

"Das war Ihnen bewußt, daß wir auch jene Kreaturen drannehmen, mit denen Sie zu tun hatten."

"Wie ich feststellen darf gibt es in diesem Plenum ein hohes Gesamtwissen über Hauselfen und Kobolde, wohingegen andere Zauberwesen je nach Erfahrung und Interessenlage unterschiedlich gut bekannt sind", begann Madame Maxime und kam damit zum dritten Tagesordnungspunkt, der allgemeinen Diskussion über die Bewertung von Zauberwesen. Bei Hauselfen waren sie sich fast alle einig, daß sie als gutartige Zauberwesen angesehen werden durften, wenngleich es einige gab, die fragten, ob die Behandlung dieser Wesen nicht entwürdigend und unterdrückend war. Gloria, deren Eltern ja einen Hauselfen hatten, wiederholte noch einmal das, was sie auch Hermine Granger gesagt hatte, als sie sie und Julius für ihren B.Elfe.R.-Club werben wollte. Was die Kobolde anging, wurden sie eher als neutral angesehen, da sie durchaus ihren eigenen Willen und ein hohes Maß an Selbstbewußtsein hatten. So lief die Diskussion bis Julius' Antwort auf die Frage nach seinem Wissen über Succubi laut vorgelesen wurde. Da nur Gloria und Waltraud den Zeitungsartikel nicht kannten, Gloria aber aus erster Hand erfahren hatte, was Julius passiert war, ging es lediglich darum, das diese Wesen in einer der späteren Seminarstunden ausführlicher besprochen wurden, ebenso wie alle anderen Kreaturen.

"Meine Großmutter väterlicherseits ist eine Zwergin", las Madame Maxime eine erhaltene Antwort vor. Sie sah Millie an und fragte: "Wäre es möglich, daß Sie mich mit ihr in Kontakt bringen, um sie zu fragen, ob sie einmal zu uns stößt und uns von ihrer Lebensweise berichtet?"

"Öhm, soweit ich das raushabe könnte das ziemlich einseitig werden, Madame Maxime, weil meine Oma sich von ihrem Volk abgesetzt hat und mit dem nichts mehr zu schaffen haben will. Sie würde uns wohl erzählen, daß die Zwergenfrauen von ihren Männern wie lebendige Möbel und Haushaltsgeräte behandelt werden und nur die niedrigsten Arbeiten machen, wenn sie nicht gerade für das Kinderkriegen rangezogen werden", sagte Millie.

"Das könnte interessant werden, eine Pro- und Contradebatte mit ihr und einem auf seine Lebensweise stolzen Zwerg ... Nein, vergessen Sie das. Es würde in Mord und Totschlag enden. Natürlich kenne ich Ihre Großmutter von früher her, als Ihr Vater selbst noch Schüler hier war. Aber damit, Mademoiselle Latierre, haben wir einen interessanten Punkt angesprochen. Können humanoide Zauberwesen mit anderen humanoiden Zauberwesen gesunde Nachkommen, eventuell ihrerseits fruchtbare Nachkommen hervorbringen? Da ich weiß, daß Sie mich und damit uns hier nicht aus purer Angabe mit ihrer zwergischen Großmutter vertraut gemacht haben, muß diese Frage im Bezug auf Zwerge und magische Menschen mit Ja beantwortet werden. Können Sie sich noch andere solche Nachkommen vorstellen?"

Julius meinte, ein Kloß würde seinen Hals verstopfen. Sie legte es also echt darauf an, daß man ihr sagte, daß es auch Halbriesen gab. Waltraud hob die Hand und bekam das Wort.

"Ich weiß von der alten und sehr eigenwilligen Zaubererfamilie der Pumphuts, die auf ein Paar aus Koboldin und Zauberer zurückzuführen ist, Madame. Diese Ahnenreihe reicht bis zurück ins sechzehnte Jahrhundert und ist wegen der erst späten Einführung der Geheimhaltungsvorschriften auch den Muggeln bekannt, beziehungsweise, sie erzählen sich Geschichten über einen wandernden Müllerburschen mit erstaunlichen Zauberkräften, der häufig seinen Schabernack mit niedergelassenen Müllermeistern treibt. Falls Sie möchten, bitte ich meine Eltern und Großeltern um eine weitergehende Beschreibung dieser Familie."

"Ja, dies wäre sehr entgegenkommend, sofern Sie sich bereiterklären, ein Referat über die Kräfte des damaligen Stammsohnes und dessen Nachkommen vorzubereiten. Ich hörte von einem aus diesem Stammbaum, der 1945 den schwarzen Magier Grindelwald vom europäischen Festland nach Großbritannien vertrieb, wo er letzthin von meinem geschätzten Amtskollegen Professeur Dubmlydor besiegt werden konnte. Noch irgendwelche Vermutungen und / oder Kenntnisse?"

"Ich hörte im letzten Jahr von unserem Hauslehrer Professor Flitwick, er habe Kobolde in der Ahnenlinie, nicht nur einen, was seine Kleinwüchsigkeit erklären würde. Das war, als eine gewisse Ähm, Professor Umbridge die Lehrer in Hogwarts auf ihre Tauglichkeit und Gesinnung getestet hat. Irgendwie war ihr das nicht sonderlich recht, daß er wohl keinen puren Zaubererstammbaum besaß. Aber er war ihr zu kompetent als das sie ihn zu entlassen gewagt hätte", erläuterte Gloria. Julius machte ein Gesicht, als wäre er auf eine so offensichtliche Lösung gestoßen worden, daß es ihm schon weh tat. Madame Maxime nickte Gloria zu. Dann fragte sie herausfordernd:

"Sonstige bekannte oder vorstellbare Nachkommen aus Zaubererwesen und magischen Menschen?"

Julius und Gloria zeigten gleichzeitig auf. Jetzt wollte die es ja so haben, dachte Julius, der das Wort erhielt.

"Nun, im Tagespropheten, der englischen Zaubererzeitung, stand zwischen Weihnachten und februar während des trimagischen Turniers ein ziemlich ausschweifender Artikel, daß der Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe und Wildhüter von Hogwarts der Sohn einer Riesin und eines Zauberers sei. Da er tatsächlich ziemlich groß ist, mag da was dran sein. Allerdings würde dies dann ja nahelegen, daß Sie, Madame, und werden Sie jetzt bitte nicht wütend, ebenfalls in dieses Schema passen würden."

"Mut und Diplomatie sind Eigenschaften, die ich bei Teilnehmern dieses Seminares hoch anrechne, Monsieur Andrews", sagte Madame Maxime. "Da Sie und Ihre frühere und für dieses Jahr gegenwärtige Mitschülerin Mademoiselle Porter während des trimagischen Turniers in Hogwarts anwesend waren und mich und Professeur 'agrid dort miteinander vergleichen konnten, liegt es nahe, daß wenn behauptet wird, er habe einen reinrassigen Riesen als Elternteil, dies auch impliziert, ich habe ebenfalls einen reinrassigen Riesen in der Ahnenlinie. Ich habe mich nach diesem reißerischen und teilweise sehr agitativen Artikel damit arrangiert, diesen Vermutungen nicht mehr mit Wut sondern mit Gelassenheit zu begegnen. Außerdem habe ich diese, Ihre Aussage ja provoziert, Monsieur Andrews und werde wohl nicht auf mich selbst wütend sein. Das steht meiner Würde hier nicht an."

Die Klippe war umschifft. Offenbar hatte sich Madame Maxime damit abgefunden, als Halbriesin angesehen zu werden. Dann ging es noch um die Sabberhexen, über die ja viele hier was gelernt hatten. Hier entzündete sich eine Diskussion, ob man sie grundweg als bösartig einstufen durfte, weil sie nicht anders lebten als Löwen oder Haie auch, die ja nicht deswegen böse waren, weil sie andere Tiere oder Menschen angriffen und fraßen. Als ihr die Diskussion zu entgleiten drohte klatschte Madame Maxime in ihre kinderkopfgroßen Hände, was sich hier anhörte wie ein im geschlossenen Raum abgefeuerter Gewehrschuß. Sofort waren alle totenstill. Einige rieben sich die vom Knall gepeinigten Ohren.

"Wir klären das ganz einfach dadurch, daß ich in den nächsten Wochen in den Wäldern Zentralfrankreichs eine dieser grünen Waldfrauen, wie sie sich selbst nennen auftreibe und hierherhole. Jetzt kucken Sie bloß nicht so wie verängstigte Kaninchen, Mademoiselle Messier und Monsieur Camus. Ich bin durchaus in der Lage, die Gefährlichkeit und Stimmung eines solchen Geschöpfes einzuschätzen. Deshalb sind Wir ja alle hier, um nicht nur über Zauberwesen zu sprechen, sondern sie auch leibhaftig zu erkunden."

"Dann können Sie ja gleich einen Vampir einladen", grummelte Edgar Camus.

"Ja, dies beabsichtige ich ebenfalls", entgegnete Madame Maxime darauf. "Wie ich aus den Antworten von Ihnen allen entnehme und ja von meiner geschätzten Kollegin Professeur Faucon weiß, wurde Ihnen im Unterricht beigebracht, das Vampir nicht gleich Vampir ist. Ich kenne ein Ehepaar Vampire von der hellen Seite des Mondes. Dieses habe ich früher bereits zu solchen Lehrveranstaltungen einladen können. Sicher sind, wie auch bei erwähnter grünen Waldfrau gewisse Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, aber ein Massaker ist nicht zu befürchten." Die meisten grummelten unverständliches, trauten sich jedoch nichts deutliches zu sagen. Julius empfand nach dem Treffen mit Hallitti kein anderes Zauberwesen mehr als so gefährlich. Gegen Sabberhexen und Vampire konnte man sich absichern, notfalls rammte man einem Vampir einen Eichenholzpflock ins Herz Methode van Helsing oder schleuderte ihm Flüche der Ungier oder der Kraft von Sonne und Mond entgegen. Sabberhexen scheuten das Feuer, fließendes Wasser und Flächen aus Steinsalz. War also alles unter Kontrolle. Also konnte er ganz cool bleiben.

"Wenn Sie einen Werwolf zu diesem Seminar einladen möchten, Madame", wandte sich Gloria an die Schulleiterin. "Dann fragen Sie doch nach Remus Lupin!"

"Dieser Gedanke kam mir bereits. Allerdings ist besagter Zeitgenosse unserer Sprache nicht mächtig, und ich möchte ungern alles übersetzen oder diesem bedauerlichen Mann den Wechselzungentrank aufnötigen. Aber auch von dieser Sorte Zauberwesen kenne ich einige, die durchaus bereit sind, vor interessiertem Publikum über ihre Lebensumstände zu sprechen."

So klang die erste Seminardoppelstunde mit einer Zuteilung von Projekten aus. Julius sollte, wie er erwartet hatte, über die Töchter des Abgrundes recherchieren und dann hier einen Vortrag halten, in dem auch seine eigenen Eindrücke enthalten sein durften. Millie hatte, weil sie sich ja diesbezüglich aus dem Fenster gelehnt hatte, über Zwerge und Halbzwerge zu referieren. Gloria bildete mit Waltraud und Felicité eine Gruppe zum Thema Kobolde, zumal Glorias Vater ja beruflich mit diesen Wesen zusammenarbeitete und Waltraud näheres über die Pumphuts herausfinden wollte. Die Duisenbergs taten sich zu einer Gruppe zusammen, die über Wassermenschen recherchieren wollten und Edgar tat sich mit einigen seiner Klassenkameraden zu einer Gruppe zusammen, die über Riesen referieren wollte. Die Montferres ließen sich darauf ein, über Vampire zu recherchieren, wobei Madame Maxime ihnen und Julius anbot, das Thema der Abgrundstöchter mit dem Komplex über Vampire zu verknüpfen, da die Succubi die erklärten Todfeindinnen der Vampire seien. Edith und einige andere warfen ein, daß die Vampire ja auch mit den Werwölfen verfehdet waren. Doch da Werwölfe an sich im Bezug auf ihren Platz in der Zaubererweltgesellschaft besprochen werden sollten, wurden sie nicht der Vampir-Succubus-Projektgruppe zugeordnet. So wurde jedem diskutiertem Zauberwesen mindestens ein Seminarteilnehmer zugeteilt. Abschließend wurden alle in ihre Säle zurückgeschickt.

Julius berichtete Claire und den anderen, die in dieser Zeit was anderes gemacht hatten, was so besprochen worden war. Als Laurentine hörte, daß Waltraud sich zu den Zauberern aus dem Geschlecht der Pumphuts eingebracht hatte grinste sie. Sie hatte von denen tatsächlich in Sagen der Muggelwelt was darüber gelesen, auch in einer Erzählung, die für größere Kinder gedacht war und um eine Mühle ging, in der zwölf Burschen neben dem Müllerhandwerk in der bösen Zauberkunst unterrichtet wurden.

"Ja, ich las dieses Buch auch", sagte Waltraud. "Die Gräfin, die uns im dritten Jahr in der Abwehr böser Zauberei unterrichtet hat, als unsere eigentliche Lehrerin, Magistra Meerschaum, im Mutterschaftsurlaub war, hat uns aufgegeben, Spuren dunkler Zauber in der Muggelwelt zu suchen, was hieß, alles zu finden, was die Muggel sich über schwarze Magie zu erzählen meinen. Ein Muggelstämmiger hat mir da einige Bücher empfohlen, unter anderem auch "Krabat", das Buch, daß du meintest, Laurentine. Der Arme Junge war dadurch ja so verdutzt, daß er meinte, wir würden uns alle in Raben verwandeln, um am Unterricht teilzunehmen." Sie lächelte dabei. "Na ja, jetzt weiß er es ja besser."

"Und du machst mit den Montferres was über Vampiere und diese Succubi?" Fragte Claire ihren Freund.

"Damit habe ich gerechnet, Claire. Am besten schicke ich gleich ein paar Eulen los, zu Monsieur Delamontagne, dem älteren, sowie Professeur Tourrecandide. Die kennen mich und, ich denke, die werden mir gerne helfen, wenn die Zeit das zuläßt."

"Warum nicht?" Sagte Claire. "Könnte Aurora Dawn auch was drüber wissen?"

"Wohl eher nicht direkt. Sonst hätte die mir vielleicht schon was verraten, bevor ich nach Amerika los bin."

"Dann lasse ich dich mal deine Briefe losschicken. Dauert ja dann eh einige Tage, bis eine Antwort zurückkommt."

"Danke, Claire", erwiderte Julius und wünschte ihr noch eine gute Nacht.

Nachdem er sehr höflich formulierte Briefe an Professeur Tourrecandide und Monsieur Phoebus Delamontagne abgeschickt hatte ging er in den Schlafsaal, wo bereits Robert und Hercules bettfertig dasaßen.

"Und die hat dich echt versetzt, Culie. Wie kommt denn sowas. Geht dir der Charme aus?" Hörte Julius Robert feixen.

"Die bildet sich ein, daß sie die ZAG-Prüfung schon in diesem Jahr machen will, weil Königin Blanche, Fixie und Kugelrund Julius ... Hallo, Julius", sagte Hercules und errötete an den Ohren. Julius lächelte wohlwollend und sagte:

"Weil die golden Girls vvon Beauxbatons mir Sondersachen aufbrummen wollen, Hercules? Was ist denn mit Bernadette? Seit wann meint die, ich wolle ihr Konkurrenz machen?"

"Seitdem Millie die damit aufziht, daß du eher durch die ZAGs wärest als Bernadette mit der vierten Klasse fertig. Oha, wenn Fixie das mitkriegt, macht die der Feuer unterm Allerwertesten."

"Millie oder Bernadette?" Fragte Julius gehässig.

"Millie, weil die sich da reinhängt, was die dir aufladen und Bernie daß sie das wohl kaum auf sich sitzen lassen kann, daß Königin Blanches Neuerwerb vom letzten Jahr den roten Saal wieder auf die hinteren Plätze schubst."

"Tja, das ist der Nachteil, wenn man 'ne Freundin in einem anderen Saal hat, Culie", spottete Robert. "Ne, Julius?"

"Da laßt ihr mich mal besser raus. Im Moment könnte ich mir was einfacheres vorstellen als eine Freundin im selben Saal zu haben."

"Weil alle Latierre-Weibchen hinter dir her sind, Julius?" Fragte Robert gehässig.

"Ja, von der Oma über deren zweitälteste Tochter, deren zwei Töchter, deren Cousinen bishin zu den noch im Lagertank schwimmenden zwei Töchter von Madame Ursuline Latierre", setzte Julius dem einen drauf. "Also, werdet nicht frech zu mir! Sonst habt ihr die alle am Hacken."

"Die große schwere Oma mit dem Babybauchladen? Oha, besser nicht. Die hat bestimmt hundert Kilo mehr drauf als ich", tat Robert verängstigt. Hercules meinte dann noch:

"Kein Wunder, daß Claire Probleme hat. Gegen die große Hippolyte und ihre beiden Töchter gleichzeitig anzustinken ist der zu heftig. Aber Hippolyte Latierre ist doch noch mit dem Zwerg zusammen oder hat die den in einer Kinderschar verloren?"

"Oh jetzt wird's langsam eng, Leute. Also ich denke nicht, daß Hippolyte ausgerechnet mich haben will, wo die schon zwei Kinder hat und mir nicht den Eindruck gemacht hat, ihrer Mutter nachzueifern. Außerdem ist Monsieur Latierre ein Halbzwerg, hat Millie vorhin öffentlich verkündet."

"Paßt also gut zu Madame Maxime. Wenn der den Matratzensport mit der überlebt kann die normale Kinder kriegen, weil Zwerg und Riese sich dann gegenseitig ausfiltern."

"Eh, seid ihr denn Bescheuert?" Zischte Gaston Perignon, der gerade hereineilte und hastig aus den Sachen schlüpfte. "Giscard ist schon unterwegs. Der hat gesagt, er ginge mal zum Klo, und wenn er davon runter sei käme er zu uns."

"Sowas nennt man eine Runde Vorsprung", grinste Hercules. Da kamen Gérard und André noch hereingeflitzt und sprangen schnell aus den Tagesklamotten.

Der läßt sich zehn Minuten Zeit, Leute", versuchte Hercules die Lage zu beruhigen. "Denn er kann ja nichts dafür, wenn er 'ne längere Sitzung hat."

Als Giscard nach neun weiteren Minuten hereinkam und sah, daß alle im Bett lagen, wünschte er ihnen noch eine gute Nacht und verschwand. Aurora Dawns Bild-Ich grinste, als Julius den Schnarchfängervorhang um sein Bett zugezogen hatte.

"Der ist anders drauf als der im letzten Jahr", meinte sie. Julius sagte:

"Ja, die ersten Wochen vielleicht. Aber wir müssen aufpassen, daß er sich nicht doch noch zum Korintenkacker mausert, wenn wir dem auf der Nase herumtanzen sollten."

"Glaube es mir, Julius, ich habe diese Art von Kontrolldienst auch gemacht und dabei gelernt, daß du dir dann Respekt verdienst, wenn du die Leute, auf die du aufpassen sollst nur selten herumkommandierst."

"In Hogwarts aber nicht hier", konterte Julius.

"Eure Hauslehrerin hat dem Muggelstämmigen nur fünfzig Strafpunkte gegeben. Viviane hat mir erzählt, daß früher unter Professeur Tourrecandide oder als Madame Maxime lehrerin war Leute wegen sowas gleich rausgeflogen sind. Die weiß also, wie hart sie gerade noch zulangen darf. Und jetzt schlaf gut, bevor Viviane dich wieder bei ihr anschwärzt!"

"Aye aye, Mylady."

__________

Der Mittwoch verging ohne besondere Ereignisse. Lediglich das in der Alchemie-AG Waltraud an Stelle von Martine zu der alten Gruppe um Julius und Millie dazustieß war anders als im letzten Jahr. Julius stellte fest, daß Bernadette mal ihn und mal die deutsche Junghexe argwöhnisch ansah, weil diese die von Professeur Fixus vorgegebenen Versuche so aalglatt durchzogen, wo sie noch ein Buch zu Rate ziehen mußte.

Am Donnerstag legte Professeur Faucon Julius einen Stapel Blätter auf den Tisch und sagte:

"Ich werde nicht zulassen, daß Sie sich hier langweilen oder aus einer falsch verstandenen Solidarität mit Ihren Mitschülern ignorieren, was sie im Fortgeschrittenenkurs vollbringen. Deshalb werden Sie ab heute nach den für die vierte Klasse obligatorischen Verwandlungen die Dematerialisation und Materialisation üben. Was sie dabei tun müssen steht auf diesen Pergamentbögen."

"Öhm, bis wann?" Fragte Julius leise.

"Bis ich befinde, daß Sie das können", erwiderte Professeur Faucon sehr entschieden. Claire Dusoleil zeigte einmal auf und fragte, ob die Ausbildungsabteilung den Auftrag erteilt habe, Julius die ZAGs schon in diesem Jahr machen zu lassen. Professeur Faucon sah sie ungehalten an und sagte dann:

"Sie, Mademoiselle Dusoleil, sowie jeder und jede hier, die Monsieur Andrews im letzten Jahr bereits im Unterricht miterlebt hat haben erkannt, daß er für sein erlebtes Alter überdurchschnittlich große Zauberkräfte hat. Madame Maxime und ich haben unsererseits der Ausbildungsabteilung vorgeschlagen, im Rahmen unserer Möglichkeiten diese Fähigkeiten zu fordern und für ihn sinnvoll nutzbar zu machen. Was er jetzt schon lernen kann, wird er lernen. Sollte dabei herauskommen, daß er durchaus schon die ZAG-Reife erreicht, können wir diesbezüglich eine frühere Prüfung und auch eine Versetzung in die übernächste Klasse in Erwägung ziehen. Aber soweit sind wir noch lange nicht, weil Verwandlung nur ein Feld der von uns gelehrten Formen der Magie ist. Nur das zu Ihrer Information. Immerhin waren Sie klug genug, Ihre Kritik an dieser besonderen Förderung und Forderung als Frage zu formulieren und mir nicht Übereifer oder gar Vorantreiben Ihres Mitschülers zu unterstellen. Aber zukünftig werde ich derlei Einwände oder Kritiken mit Strafpunkten ahnden. Sie sind hiermit gewarnt." Claire verzog das Gesicht und schwieg. Offenbar hatte ihre sonstige Lieblingslehrerin ihr gerade erzählt, was sie garantiert nicht hören wollte. Professeur Faucon wandte sich noch einmal an Julius. "Sie haben es Gehört, Monsieur, daß ich darauf bestehe, daß Sie die von Mir gestellten Aufgaben gewissenhaft und mit der Ihrem Heimatvolk zugeschriebenen Disziplin und Gründlichkeit ausführen. Wagen Sie es ja nicht, sich von Ihren Mitschülern oder gar von Ihrem Gewissen beschwatzen zu lassen, nachlässig zu werden, weil alle um sie herum ja angeblich weniger zu arbeiten haben. Sie sind nicht der erste und auch nicht der einzige zu diesem Zeitpunkt, welcher von mir gesondert beansprucht wird. Soviel ich weiß setzen meine Kollegen Bellart, Fixus und Trifolio ähnlich hohe Erwartungen in Sie. Weil wir Sie hier optimal an Ihre Leistungsgrenzen führen können sind Sie hier und bleiben hier. Also ans Werk!"

Waltraud zwinkerte Julius aufmunternd zu. Da sie gerade einen ähnlichen Pergamentstapel, vielleicht etwas kleiner vorgelegt bekam, war sich Julius sicher, daß sie wohl auch härter rangenommen wurde. Trotz der Warnung mußte Gérard Laplace doch noch was dazu bemerken:

"Wieso legen Sie bei Julius so ein hohes Tempo vor und von uns erwarten Sie das übliche, was in dieser Klasse ansteht?"

"Zum einen, Monsieur Laplace, erwarte ich von Ihnen allen hier keinen Durchschnitt, sondern das bestmögliche was Sie leisten können und zwar nicht nur in meinem Unterricht sondern als Ihre Saalvorsteherin. Zum zweiten wissen Sie doch gar nicht, welche Ziele sie in der vierten Klasse erreichen sollen, auch wenn Ihre Mutter eine Kollegin von mir ist und Ihnen vielleicht einige Anhaltspunkte gegeben hat. Zum dritten erteile ich Ihnen wegen Mißachtung meiner Warnung von eben sowie der Unterstellung, Sie nicht ausreichend zu fördern dreißig Strafpunkte und ordne an, daß Sie heute nachmittag nach dem regulären Unterricht bei mir bis zum Abendessen nachsitzen. Ich werde Mademoiselle Nurieve mitteilen, daß Sie heute nicht am Tanzkurs teilnehmen können."

"Mist!" Fluchte Gérard. Dafür lud die Lehrerin ihm noch einmal zehn Strafpunkte auf.

Nach dem Unterricht fragten sie in sicherem Abstand Waltraud Eschenwurz, ob die in Greifennest auch so heftig drauf seien.

"Oh, Magistra Raufels, unserer Kräuterkunde- und Tierwesenlehrerin ist schon mal der Zauberstab ausgerutscht, weil einer Schleifhexe zu ihr gesagt hat, weil sie uns mal ziemlich stramm im Gelände hat marschieren lassen, um ein paar Goldhautzwiebeln in die Beete zu pflanzen. Der betreffende Typ stand einen halben Tag als Fliederstrauch herum, bis die Gräfin ihn wieder zurückverwandelt hat. Bei uns läuft das ohne Punkte ab. Da gibt's Gartendienst, Putzdienst oder Stubenarrest mit Sätzeschreiben. Zur Belohnung gibt es Feriengeld, je besser einer gewesen ist desto höher. Auch 'ne Form von Zuckerbrot und Peitsche. Aber von Rauhfels abgesehen sind die Lehrer bei uns etwas nachsichtiger. Da muß schon sowas passieren wie das, was Gérard gerade gewagt hat, um heftig abgestraft zu werden."

"Ich habe doch nur wissen wollen, was an Julius außer den Zauberkräften so heftig wichtig ist, daß sie den mit Gewalt durch den ganzen Lehrstoff jagen", verteidigte sich Gérard.

"Du hast im selben Satz angedeutet, daß Professeur Faucon euch anderen nicht alles abverlangt, was ihr könnt. Damit hast du sie beleidigt. Nachdem was ich sonst von ihr gehört habe, hätte sie dich auch in ein Kaninchen oder eine Maus verwandeln können", erwiderte Waltraud.

"Mist, hätte die glatt bringen können", knurrte Gérard.

"Was nicht ist kann noch kommen", stichelte Robert Deloire. Dafür fing er sich von Gérard einen drohenden Blick ein.

Nach dem Mittagessen und der Kräuterkundestunde am Nachmittag ging Julius zunächst in einen der Parks, um da einige Hausaufgaben vom Morgen abzuarbeiten. Er war froh, daß er abends nichts ausstehen hatte und damit genug Zeit fand, einige Sachen abzuarbeiten. Claire und Sandrine suchten und fanden ihn in der Nähe des Westflügels.

"Lass dich bloß nicht von denen verheizen!" Sagte Claire sehr entschlossen. "Sicher, Professeur Faucon hat es ja angedroht, dich heftiger ackern zu lassen. Aber vergiss dabei nicht, daß du nicht nur zum lernen hier bist, Julius."

"Ja, stimmt, ich muß auch noch in der Pflegehelfertruppe arbeiten", sagte er gefrustet. Sandrine sah ihn vorwurfsvoll an. Claire wollte schon was sagen, doch sie kam ihr zu vor.

"Mach das, was Claire befürchtet, und ich trage dich in den Krankenflügel, damit Schwester Florence dich in die Delourdes-Klinik schicken kann wegen Überarbeitung und Stress. Was mußt du überhaupt alles machen?" Sie nahm eines der gerade nicht benötigten Pergamentblätter und überflog die Aufgaben. "Das ist UTZ-Zeug. Das mußt du echt nicht machen, Julius. Geh zu Madame Maxime und verweise auf Ausbildungsartikel 5, wonach nur dann höherer Lehrstoff an Schüler vermittelt werden darf, wenn diese sich durch eine entsprechende Zwischenprüfung für aufnahmefähig erwiesen haben. Da du die ZAGs noch nicht hast ist das unzulässig."

"Danke, Sandrine, daß du mir das sagst", sagte Claire. "Könnte sein, daß ich Madame Brickston anschreibe und sie frage, ob ihr Auftrag darin besteht, dich fertig machen zu lassen, noch dazu mit unzulässigen Zusatzaufgaben."

"Ich fürchte, Claire, daß Catherine dann persönlich hier aufläuft, und einen Meinungsaustausch mit Ihrer Mutter macht. Sie geht mit ihrer Meinung zu ihr rein und kommt mit der Meinung ihrer Mutter wieder raus. Obwohl ... Catherine hat in den Staaten etwas die Krallen ausgefahren, offenbar weil Professeur Faucon ihr Verantwortungslosigkeit oder sowas unterstellt hat. Sandrine, Claire, ich wußte das vorher doch auch schon, daß das UTZ-Kram ist. Sicher kriegt Catherine einen wöchentlichen Bericht, was ich hier gerade mache. Die käme glatt auf die Idee euch zu schreiben, daß sie das mit der Ausbildungsabteilung abgeklärt habe und die nichts dagegen haben, solange ich mithalten kann."

"Dann halte eben nicht mit. Hast du nicht selbst erzählt, in der Muggelschule hättest du es nie darauf angelegt, bessere Noten zu kriegen, weil die ja dann gemeint hätten, daß du nur noch solche Noten zu kriegen hast?" Fiel Claire etwas ein. Julius nickte. Andererseits konnte er gerade jetzt, wo er diese Occlumentie-Übungen noch hatte, nichts anderes machen als zu ackern bis zum Umfallen. Er sagte:

"Unsere Saalvorsteherin hat mich hier und will es jetzt wissen, wie weit sie mich treiben kann. Die werden mich nicht nach Hogwarts zurückschicken. Das hieße ja, ich hätte dem Druck hier nicht standgehalten oder sie hätten mir nichts beibringen können. Ich will bestimmt nicht so blöd ackern wie Bernadette, aber irgendwas muß ich schon machen, damit die nicht denken, ich wäre undankbar. Denn vergessen wir nicht, Claire, daß wir jetzt hier zusammenstehen, daß meine Mutter mit mir die Ferien verbringen kann und auch das ich nicht in Amerika von diesem durchgeknallten Zaubereiminister aus der Geschichte gefeuert worden bin, verdanke ich, und das heißt auch du, Professeur Faucon, so blöd das dir jetzt auch sein muß. Außerdem will ich es jetzt auch wissen, wie weit ich ohne mich selbst zu übertouren kommen kann. Das ist in Hogwarts schon so gelaufen, weil die mir alle einen davon erzählt haben, was ich angeblich könne."

"Das heißt, du gehst darauf ein, das hier zu machen und die Sachen von Professeur Bellart und eventuell noch irgendwelche Sondersachen von Fixus?" Fragte Claire. Sandrine sah den Pflegehelferkollegen an.

"Ich sage nicht, daß ich das nur noch mache, Claire. Professeur Faucon sagt ja selbst, daß das noch längst nicht sicher ist, daß ich die ZAGs in diesem Jahr mache. Also hänge ich mich auch nicht so rein, als müßte ich die dieses Jahr schon machen. Ich sage nur, ich möchte sehen, wie weit ich komme, ohne mich zu überanstrengen. Das ich jetzt mit euch beiden darüber rede und nicht sage, ich müßte jetzt unbedingt vor dem Freizeitkurs damit fertig werden zeigt doch, daß ich mich nicht wie der letzte Idiot da reinschmeiße. Ich stelle nur fest, daß das nicht gerade wenig ist und ich mein Tempo finden muß, wo ich das machen und dabei die anderen Sachen hier noch erledigen kann."

"Julius, ich fürchte, du läßt dich von den Lehrern hier ohne das die das wollen irre machen", sagte Sandrine sehr entschlossen für eine sonst auf der Hut befindlichen Gelben. Julius ließ diese Worte in sich einsinken und dachte nach, ob sie recht hatte oder nur sagte, was Claire wollte, daß sie das sagte, weil sie selbst meinte, er würde es von ihr nicht mehr hören wollen. Er wollte gerade was sagen, da sprach Sandrine weiter. "Du kommst bitte mit mir zu Madame Rossignol und zeigst ihr diese Aufgabenzettel. Wenn die der Meinung ist, du könntest das alles schaffen, ohne daran kaputtzugehen, will ich nichts gesagt haben. Dann kannst du das ausprobieren, wie gut du mithalten kannst. Aber wenn sie sagt, daß sie dir zu viel aufgeladen haben und dir wohl noch mehr aufladen, wenn du denen zeigst, daß du mit dem Zeug hier gut und schnell durchkommst, dann hast du das zu tun, was sie dir rät. Immerhin ist sie für die Gesundheit der Schüler hier verantwortlich und besonders für die von uns Pflegehelfern. Also komm bitte, bevor ich Madame Rossignol herrufen muß und die das vielleicht nicht so toll findet!" Julius fühlte, daß Sandrine eine von ihr selten spürbare Entschlossenheit und Willensstärke aufbot. Das hatte er nur einmal so heftig erlebt, als sie ihn sehr energisch davon abbrachte, alle Gänge eines Abendessens auf einen Teller zu tun. Das war während Cytheras Geburt und hatte ihn da sehr beeindruckt. Vielleicht - ja, das konnte auch sein - war sie auch nur wütend, daß Gérard wegen der Kritik an Professeur Faucon nicht zum Tanzen kommen konnte. Mochte es sein, daß sie sich durch die Hintertür bei Professeur Faucon revanchieren wollte? Jedenfalls wirkte diese seltene aber jetzt um so deutlichere Entschlossenheit Sandrines auf ihn. Er stand auf und folgte ihr.

Im Krankenflügel angekommen beendete Madame Rossignol gerade eine Behandlung. Marc Armand, der pummelige Muggelstämmige aus dem roten Saal, hatte sich wohl mit irgendwem oder irgendwas angelegt. Jedenfalls war sein Umhang gut angeratscht und blutig.

"Stören wir?" fragte Sandrine die Heilerin. Diese schüttelte den Kopf. "Ist schon erledigt. Der hat gemeint, noch vor der ersten Flugstunde auf einem Besen gut auszuprobieren, ob er fliegen kann. Dabei hat er den Schulbesen erst zu steil hochgerissen und dann vor Schreck mehrere Rollen gedreht und den Besen durch die Baumwipfel fliegen lassen. Als er unten ankam sah der Besen etwas besser aus als sein Reiter."

"Na, welches Mädel war's wert, daß du die Nummer gebracht hast?" Fragte Julius jetzt ganz locker, froh, sich erst einmal von seinem Problem ablenken zu können.

"Nix Mädel, Luc Bracefort, dieser Gangster aus der dritten Klasse. Der hat mich als blöden Muggelversager bezeichnet und gemeint, ich käme ja mit dem Besen gerade mal so Hoch, um mit Schmackes auf den Arsch zu fallen. Dann hat er mir den Besen hingehalten und gemeint, ich könnte ihm ja das Gegenteil beweisen. Tja, und dann bin ich in die Bäume reingedonnert und halb weggetreten. Als ich wieder etwas Strom im System hatte bin ich schon hier gewesen, und die liebe Tante Heilhexe hat an meinen Armen, Beinen, Rücken und Kopf rumgezaubert."

"Hat der Bursche dich hier abgeliefert, weil dem plötzlich sowas wie ein Gewissen erschienen ist wie in der alten Waschmittelreklame?"

"Weiß ich das? Ich war halb im Koma, Mann", grummelte Marc.

"Die Geschwister Latierrre haben ihn abgeliefert. Ich habe denen gesagt, sie möchten ihre Saalvorsteherin informieren, daß ich die gleich noch wegen der Sache sprechen werde", sagte Madame Rossignol.

"Echt, die Latierre-Zwillinge haben mich den ganzen weg von dem Buchenpark hierher getragen. Ich habe achtzig Kilo drauf. Heftig!" Staunte Marc. Julius besah sich den Jungen. Ja, achtzig Kilo bei der Größe konnte der mit dem Umfang wirklich draufhaben.

"Bei deiner Körpergröße wohl wahr, heftig zu viel", sagte die Heilerin. "Ich habe dir ja schon am ersten Tag hier gesagt, daß ich das mit dir noch einmal bereden würde. Bietet sich dann wohl auch gleich an."

"Neh, ist nicht nötig. Ich kann ja noch laufen und springen und schwimmen sowieso gut. Aber das die mich hergetragen haben ist heftig."

"Hast du 'ne Ahnung, was die alles so tragen können", grinste Julius. Da kamen die beiden erwähnten Kraftwunder auch schon an, zusammen mit Millie und mit Professeur Fixus. Claire und Sandrine verzogen die Gesichter. So würde nichts aus der Unterredung.

"Hallo, Ihr", grüßte Millie. "Geht's dem jungen Hüpfer wieder gut? Den Besen hat's ja in einer der Buchen gut zerbröselt."

"Ich fürchte, es sind mir jetzt zu viele Besucher auf einmal hier. Julius, Sandrine, was immer ihr von mir wolltet, kommt bitte nach dem Abendessen zu mir, wenn es kein echter Notfall ist."

"Geht wohl nicht anders", knurrte Claire und winkte Sandrine, mit ihr und Julius das Feld zu räumen. Doch Professeur Fixus drehte sich ihr zu und sah sie an. Julius machte sofort den inneren Fensterladen zu, wie er es nannte, seitdem Catherine gemeint hatte, er verberge seine Gedanken nicht nur, sondern drücke leicht den Außenstehenden zurück.

"Ich hoffe, Mademoiselle Dusoleil, Sie sind sich dessen, was Sie da gerade anstoßen wollten bewußt. Ihnen kann ich keinen Vorwurf machen, Mademoiselle Dumas, da ja an ihre Verpflichtung als Pflegehelferin appelliert wurde. Mehr dazu zu sagen steht mir nicht zu."

"Komm, Sandrine, Julius!" Zischte Claire sichtlich nervös. Sie verließen das Sprechzimmer Madame Rossignols.

"Ich fürchte, Professeur Fixus wollte dir durch ihren bekannten Blumenstrauß sagen, daß sie findet, daß du was machen wolltest, was denen hier nicht passen wird, Claire", sagte Julius.

"Kunststück, wo die selbst ja meint, dir Extrasachen aufpacken zu müssen, schnaubte Claire. Sandrine blieb ruhig. Sie überlegte offenbar, ob sie sich nicht doch zu weit vorgewagt hatte, dachte Julius. Doch als sie sagte, daß sie das nach dem Abendessen klären würden, wußte er, daß sie nur nichts gesagt hatte, weil sie sich nicht eingeschüchtert zeigen wollte.

Julius verabshiedete sich von den Mädchen und ging zum Vorbereitungsraum Magizoologie. Unterwegs flutschte Mildrid aus einer Wand heraus und sah Julius an.

"Unserem Fliegerhelden wird demnächst der Abspecktrank Nummer zwei zum Frühstück serviert. Du weißt wie der geht?"

"Nummer zwei, heftig! Ich hätte gedacht, die setzt den nur auf Diät. Bei dem Körperlängen-Massen-Index wäre das wohl ausreichend gewesen, dem weniger Wurst und Butter zu erlauben und bei den Salaten nur Essig und Öl zuzulassen. Gut, daß ich sowas bisher nicht nötig hatte."

"Oma Line kam auch damit klar, weniger Süßkram zu essen, außer Honig oder Demies oder Ostaras Milch."

"Die ja alles andere als dünn macht", feixte Julius.

"Oh, Callie und Pennie kriegen die jeden Morgen und sind nicht im Ansatz pummelig, Julius. Das Fett, das da drin ist wird entweder unverdaut rausgeworfen oder in nützliches Zeug für Knochen oder Muskeln umgewandelt. Da ist sogar was drin, was im Abspecktrank Nummer zwei drin ist. Also wie geht der ganze Trank?"

"Meine Prüfung ist schon mehr als ein Jahr her, Mildrid Ursuline Latierre. Ich muß das nicht wissen. - Aber irgendwo in meinem Hirn liegt das Rezept rum, oder ich hol mal das Buch für Heiltränke und Tinkturen raus. Da steht der wohl auch drin", wandte Julius diese Frage ab. "Du bist auch in der Tierwesen-AG?"

"Aber gewiß doch, wo Bernie behauptet hat, die Tierwesen zu kennen reiche völlig aus. Sie müßte sie nicht auch noch füttern oder hinter ihnen putzen."

"Also bist du dabei, weil Bernadette das nicht macht?" Fragte Julius herausfordernd.

"Weißt du, Julius, wenn du mit der auch nur ein Jahr in derselben Klasse bist, noch dazu im selben Schlafsaal und wegen der Tischordnung nicht all zu weit von der weg am Tisch, dann suchst du dir schon aus, wo du ohne sie hingehen kannst. Zaubertränke konnte die mir nicht madig machen, aber vom Tanzen habe ich erst mal genug, ebenso vom Töpferkurs und Schulchor. Weil die bei euch in Zauberkunst ist bin ich in der Freitagsgruppe Handarbeit, was man in der Zaubererwelt so nennt. Aber wieso interessiert dich das? Du hast doch deine Freizeitsachen alle klar."

"Ich wollte nur hören, was ich machen kann, damit Claire und du mich genauso nicht mehr leiden können wie Bernadette", sagte Julius gehässig.

"Deshalb hat Claire Sandrine angespitzt, dich zu Schwester Florence zu schleppen. Die sollte Fixie, Königin Blanche und alle anderen zurückpfeifen, daß du auch nur ein Junge bist, selbst wenn du schon viel machen kannst, wo ich noch nicht drankomme", sagte Millie. Julius sah sie grinsend an und erwiderte:

"Ich könnte jetzt einen alten Chauvie-Spruch bringen und sagen, daß Mädels sowieso nicht alles schaffen, was ein echter Mann kann. Aber ich habe ja gerade in Frankreich mitgekriegt, daß der Hase hier doch etwas anders läuft."

"Hätte mich jetzt auch gewundert, wenn du auf einmal Lesauvage-Ansichten hättest. Obwohl ja irgendwo in dir was rotes schlummert. Der Teppich hat das gezeigt."

"Ja, was rotes. Mein Blut, da vor allem die roten Blutkörperchen oder auch Erythrozyten genannt, ohne die das Blut keinen Sauerstoff aufnehmen und ... Mmmmhmmmmmhmmmm" Julius konnte seinen gerade schwungvoll angefahrenen Kurzvortrag über das Blut nicht fortsetzen, weil millie ihm ansatzlos die linke Hand auf den Mund drückte.

"Hörst du jetzt damit auf, deine innere Veranlagung lächerlich zu reden!" Sagte sie unvermittelt unerbittlich. "Der Teppich hat gezeigt, daß du genausogut zu uns hättest kommen können. Woran das liegt, daß das nicht passiert ist habe ich glaube ich schonmal erwähnt." Sie nahm ihre Hand von seinem Mund.

"Sieh an, man kann dich auch ärgern", feixte Julius. "Sonst hast du dieses Spiel mit mir getrieben. Ist irgendwie fies, wenn einer einen so ärgert."

"Ja, nur das ich das nicht all zu lange abwarte, ob man mich noch mehr ärgert oder weniger. Gewöhn dich besser daran, mit mir gut auszukommen. Immerhin sind wir jetzt Kollegen."

"Deshalb müssen wir uns nicht unbedingt liebhaben", sagte Julius.

"Dich liebzuhaben ist auch nicht einfach. Aber es wäre ja langweilig, wenn alles einfach wäre", konterte Mildrid. Julius wollte gerade ansetzen, ihr zu sagen, daß er drauf verzichten könne, sie liebzuhaben, als ihr Spruch bei ihm richtig ankam. Wie meinte sie das jetzt? Meinte sie, er wäre so unausstehlich? Oder meinte sie, daß er es ihr nicht leicht mache, aber nichts desto trotz immer noch von ihr gemocht würde, ja daß sie ihn noch heftiger für sich begeistern wollte? Falls ja, dann machte sie das gerade ziemlich dilletantisch.

"Ach, bei dem Kurs bist du auch", grüßte Gloria Julius von hinten. Dann kamen noch Waltraud Eschenwurz, die Montferres, Belisama, die Duisenbergs, Hercules Moulin, Hannibal Platini, Apollo Arbrenoir und Béatrice aus dem gelben Saal.

"Ich wollte wissen, wie das hier abläuft", sagte Julius. Sabine und Sandra kamen näher, mißmutig beäugt von Mildrid.

"Ich dachte Claire und du würdet wieder den Tanzkurs machen."

"Zumindest nicht dieses Halbjahr", sagte Julius. Dann marschierten sie bis vor den Vorbereitungsraum.

"Was wir in dieser AG machen ist die hier lebenden Zaubertiere beobachten, pflegen und statistisch erfassen. Bei denen, die Produkte wie Eier, Dung oder Wolle liefern werden Sie von mir auch Techniken erlernen, diese Tierprodukte zu gewinnen", sagte Armadillus, bevor er eine Liste auslegte, wer sich um welche Tiere kümmern wollte. Jede Woche sollten andere Tiere dran sein. Julius entschied sich für die Kniesel, womit er unbeabsichtigt auch Mildrid, Belisama, Waltraud Eschenwurz und Gloria dafür begeisterte. Die übrigen gingen zu den größeren Tieren wie den Abraxarieten, jenen elefantengroßen Flügelpferden.

"Schöne Tiere sind das schon", sagte Belisama, als ihr ein kupferrotohriger Knieselkater um die Beine strich. Goldschweif hatte sich mal wieder bei Julius auf die Schultern gesetzt. Waltraud bewunderte das, wie zutraulich dieses halbzahme Raubtier war. Millie nutzte die Gunst und vermaß die Schweiflänge, die Körperlänge und soweit es ging auch die Pfotenlänge Goldschweifs.

"Die ist echt groß", sagte Millie, als sie die Werte eingetragen hatte und Julius den Zettel gab. "Da, das ist dein schnurriges Schulterpolster, also darfst du die Angaben auch vorzeigen."

"Huch, danke Millie", sagte Julius. Sie hatte tatsächlich was getan, für das er sich bedanken konnte, ja mußte.

"Wie heißt die hier?" Fragte Belisama und hielt eine Knieselin mit weißen Ohren hoch, deren dunkelbraunes fell mit schwarzen Tupfern gesprenkelt war.

"Tja, wie heißt die. Schwarzpunkt, Dunkelfell oder Weißohr", vermutete Julius. Die Knieselin mochte nicht zu lange auf irgendwelchen Armen getragen werden, ruckte und wand sich und setzte dann ohne ein Geräusch zu machen von Belisama weg auf den sandigen Boden. "Leider kann mir Goldschweif das nicht sagen, wie ihre Geschwister und Nachbarn heißen."

"Könnte sie schon, aber dazu müßten die dir und ihr den Interfidelis-Trank geben", sagte Waltraud halblaut. Millie und Belisama hörten zu, während Gloria gerade mit einem der kastrierten Schwarzbauch-Brüder kuschelte.

"Von dem habe ich bisher nichts gehört, und mir sagen die alle nach, ich würde Zaubertrankbücher fressen", sagte Julius. Gloria horchte nun doch und ließ den nicht mehr ganz so quirligen Kniesel vorsichtig auf den Boden zurück.

"Das würde mich nicht wundern, wenn der in den üblichen Zaubertrank-Büchern nicht drinsteht, weil der zu den Hochpotenten Zaubertränken gehört. Die meisten von denen sind wegen ihrer Wirkung oder der Gefahren beim Brauen unter Verschluß. Unsere Lehrerin für magische Tiere und Pflanzen hat ihn erwähnt, als ein Klassenkamerad von mir sie mal gefragt hat, wie man größere Zaubertiere am besten Kontrollieren kann wie Asgardschwäne oder die goldenen Abraxas-Pferde oder auch die Latierre-Kühe, von denen wir für zwei Wochen mal eine zur Besichtigung hatten." Dabei kuckte sie Millie herausfordernd an. Millie nickte ihr zu, sie solle weitersprechen. "Jedenfalls nannte sie den Interfidelis-Trank, der ermöglicht, zwischen zwei unterschiedlichen Lebewesen eine magische Verbindung zu schaffen, die jeden der beiden aus Körper- und Lautsprache des anderen heraus verstehen läßt. Es sei sogar möglich, so Magistra Rauhfels, daß gefährliche Tiere wie Rochs, Fluglöwen oder Feuerkrabben damit zu harmlosen Spielgefährten werden, solange der, mit dem sie Verbindung haben in der Nähe ist. Grundbedingungen: Beide Partner müssen einen lebendigen Funken Magie im Leib haben und sie müssen beide etwas von ihrem Blut für den Trank lassen. Aber mehr weiß ich nicht."

"Wenn das einer der hochpotenten ist wäre das auch schon zu viel für Professeur Fixus", sagte Gloria. "Ich wollte ihr als Einstand den Trank des furchtlosen Schlafes hersagen. Aber da hat die mich im ersten Satz abgewürgt und zugezischt, daß das ein ziemlich gefährlicher und zudem nicht gern gesehener Trank sei. Da habe ich es gelassen."

"Ja, aber dieser Interfidelis-Trank. Existiert der echt oder ist das ein Märchen in der Zaubererwelt?" Fragte Julius sowohl sehr interessiert aber auch skeptisch.

"Magistra Rauhfels hat den uns vorgeführt", beteuerte Waltraud. "Höchst wahrscheinlich steht der in "Hochpotente Zaubertränke" oder in "Elixiere der Macht". Jedenfalls ist der wohl ziemlich schwer oder lange zu brauen. Magistra Raufels hat einen Asgardschwan damit vorgeführt."

"Der Trank existiert, Julius. Weißt du noch, wie meine Tante Demie beruhigt hat, als deine ... als Demie verschreckt wurde?" Fragte Millie. Julius erinnerte sich zu gut, wie seine Mutter in der Transportkabine auf Demies Rücken einen Panikanfall bekommen hatte und die geflügelte Riesenkuh dadurch selbst aus der Ruhe geraten war. Barbara Latierre hatte mit einer merkwürdig tiefen Stimme befohlen, daß Demie wieder ruhiger fliegen sollte, was die dann auch getan hatte. Er nickte zustimmend.

"Wäre schon eine interessante Sache, wenn ich verstehen könnte, was Goldschweif so sagt. Aber nicht, daß ich mir dann alles, was Tiere von sich geben wie Gequatsche anhören muß. Öhm, ich habe bei Madame L'ordoux, einer Bienenzüchterin, einen so ähnlich wirkenden Trank getrunken, der mich für eine gewisse Zeit alles was die Bienen sich zugesummt oder getanzt haben wie gesprochene Wörter hören konnte."

"Der ist wohl eine Stufe niedriger angesetzt, Julius", sagte Waltraud. Der trank, den ich meine, schafft eine tiefgründige und vor allem lebenslange Verbindung zwischen einem Zauberkundigen und einem vertrauten magischen Tierwesen."

Julius dachte daran, wie er mit Goldschweif in Hogwarts die Galerie des Grauens gesucht und mehr unabsichtlich als gewollt restlos zerstört hatte. Innerhalb der gemalten Welt hatte er sie so verstehen können wie eine Menschenfrau. Später, als Goldschweif sehr heftig gegen Claire gefaucht hatte, war er mit ihr zusammen in der Gründergalerie von Beauxbatons gewesen. Dort hatte sie ihm gesagt, daß Claire seine Schwester sei, was schließlich aufgeklärt werden konnte. Sie auch außerhalb der Bilderwelten zu verstehen wäre schon faszinierend und sicherlich auch praktisch. Denn daß Goldschweif gute Instinkte und besondere Sinne besaß hatte ihm in der Galerie des Grauens das Leben gerettet und auch zur Vernichtung der alten Erbschaft Slytherins beigetragen.

"Nun, ich denke nicht, daß man mir erlaubt, solch einen Trank zu benutzen", warf Julius leicht frustriert klingend ein. Millie erwiderte darauf:

"Das ist wohl die Frage, wie wichtig den Lehrern ist, daß Goldschweif sich mit dir unterhalten kann oder nicht. Nach der Kiste, die dir in Amerika passiert ist und wo ja wohl noch einiges nicht ganz klar ist, wäre das schon was, wenn du Goldschweif sofort verstehen könntest, wenn sie dir sagt, wo was gefährlich ist oder wer dir was will."

"Ja, Mildrid, aber du kannst ihm ja nicht einzureden versuchen, den Lehrern damit in den Ohren zu liegen", sagte Gloria leicht pickiert. "Kuck mal, wenn Goldschweif ihn nur ausgesucht hat, weil sie im Moment nichts besseres zu tun hat ... Eh, was ist denn mit der los." Goldschweif, die immer noch wie eine Königin auf dem Trhon auf Julius' linker Schulter saß hob die rechte Vorderpfote und zeigte Gloria die fünf halb ausgefahrenen Krallen daran. Sie gab dabei aber keinen Ton von sich.

"Offenbar hat ihr das nicht gepaßt, was du da gerade gesagt hast", vermutete Millie schmunzelnd. Julius, der die halbe Drohgebärde Goldschweifs mitbekommen hatte meinte:

"Kann sein, daß sie verstanden hat, was du über sie und mich gesagt hast, Gloria. Ich habe nämlich gelernt, daß Kniesel sehr gut die menschliche Sprache verstehen lernen können, mehr als ein Schimpanse oder ein Haushund."

"Unsere Kühe können das garantiert", sagte Millie stolz. "Demie kann sogar die Uhrzeit an der Sonne ablesen und durch Hufschläge oder Beinkreisen mitteilen. Kniesel sind ziemlich intelligent, und Goldschweif gilt als eine der in allen Fähigkeiten ihrer Art am besten ausgestattetes Weibchen. Insofern wäre das schon toll, wenn sie dir was erzählen könnte, was sie so umtreibt."

"Verzeihung, die Damen und der Herr, aber Sie sollen nicht nur mit den Tierwesen spielen sondern ihre Behausungen erkunden und gegebenenfalls säubern", mischte sich Armadillus ein, der gerade von einem Rundgang zu den übrigen Tierwesenstallungen und Freigehegen zurückkehrte. Dann fügte er noch hinzu: "Was das umtreiben angeht, so interessiert es Sie sicherlich, daß fünf der weiblichen Exemplare im September wohl wieder in die proöstrische Phase eintreten, was allgemein als Rolligkeit bezeichnet wird, da sie dabei die gleichen Laut- und Bewegungsformen ausführen wie ordinäre Katzen."

"Gibt es vielleicht Jungtiere hier?" Fragte Belisama.

"Ja, sogar welche, die nicht mehr so strickt von der Mutter beschützt werden. Kommen Sie, ich zeige Sie Ihnen. Danach führen Sie aber bitte aus, weswegen Sie hier sind!" Erwiderte der Lehrer und zeigte ihnen einen kleinen Rundbau, wo vier wollige Jungen leise und hoch maunzend neben einem Haufen aus Fell und Stroh herumtapsten. Da sprang die weißohrige Knieselin herbeiund wedelte wild mit dem Schwanz. Gloria mißdeutete diese Geste und meinte:

"Ey, kuckt mal, wie die sich freut."

"Ui, Gloria, absolut nicht", sagte Julius. Goldschweif sprang von seiner Schulter und postierte sich zwischen ihn und der weißohrigen Knieselin, die kurz fauchte und dann in den kleinen Bau hineinwetzte und sich vor den vier flauschigen Knieseljungen aufpflanzte.

"Oh, das hätte aber was gegeben", meinte Millie. "Wenn Kniesel mit dem Schwanz wedeln ist das anders als bei Hunden, nicht "Ich freu mich, dich zu sehen", sondern "Bleib mir ja vom Leib, du!""

"Sehr richtig", sagte Professeur Armadillus und gab ihr dafür fünf Bonuspunkte. Dann forderte er noch mal, sie sollten die kleinen Behausungen kontrollieren, Essensreste und Haare herausschaffen und im Bedarfsfall neues Stroh auslegen, bevor er weiterging.

"Zeig uns mal, wo du wohnst, Goldi!" Sagte Julius leise. Goldschweif, die erkannte, daß die angespannte Situation wohl vorbei war stellte ihren Namensgeber senkrecht auf und stolzierte allen voran durch das weitläufige Gehege. Julius prüfte den kleinen Rundbau, der das unverkennbare Wildkatzenparfüm verströmte und ging einmal mit dem Staubsammel- und dann mit dem Ratzeputzzauber durch. Dann legten sie frisches Stroh in die Ecke des Rundbaus, wobei Goldschweif wieder auf seine Schulter hochsprang.

"So sehen im Muggelmärchenbuch die bösen Hexen aus", scherzte er. "Einen Buckel machend und eine Katze auf der Schulter."

"Was meinst du, wo der Glaube herkommt", erwiderte Gloria. Belisama streichelte über Goldschweifs Fell, die wohlig schnurrte.

Nach dem sie den Hausputz bei den Knieseln erledigt und sich notiert hatten, daß diese Tierwesen sehr reinlich waren konnte Julius Goldschweif dazu bewegen, von seiner Schulter herabzuspringen und zu ihren anderen Mitbewohnern zurückzukehren.

"Mir ist jetzt völlig klar, daß dieser Krummbein, Hermine Grangers Kater, so ein halber Kniesel ist", sagte Gloria. "Ich habe dieses orangerote Ungetüm im letzten Jahr so oft gesehen, daß ich mir da ganz sicher sein kann."

"Wie hat dieser Kater denn auf die Umbridge reagiert?" Fragte Julius gehässig.

"Konnte ich nicht mitkriegen. Aber Fredo Gillers hat von Glenda gehört, daß Ron Weasleys Ratte wohl keine echte Ratte war und Krummbein sehr aggressiv drauf reagiert hat."

"Schade, daß dieses Tier dann nicht rausgekriegt hat, wo Rita Kimmkorn sich herumgetrieben hat", sagte Julius.

Am Ende der heutigen Tierwesen-AG faßten alle die gesammelten Beobachtungen noch einmal zusammen. Hercules, der bei den fliegenden Pferden gewesen war, wandte sich an Armadillus:

"Wie lange tragen Cleopatra und Calypso noch?"

"Die Trächtigkeit der Abraxas-Pferde Pterhippos Chrysomegas Abraxasis beträgt fünfzig bis sechzig Wochen, also ein Jahr bis ein und ein Viertel Jahre. Da sie wohl im Februar bis März empfangen haben können wir zwischen Februar und Mai des nächsten Kalenderjahres mit den Fohlen rechnen. Die Fohlenpflege selbst dauert dann noch einmal ein Jahr", informierte der Lehrer. Danach verteilte er noch einmal Bonus- und Strafpunkte. Für seiner Meinung nach unnötige Verzögerungen bei der Begehung des Knieselgeheges bekamen Julius und seine Begleiterinnen je fünf Strafpunkte. Sie als Gruppe bekamen jedoch zehn Bonuspunkte, was für jeden beteiligten Saal drei ein Drittel Bonuspunkte in der Gesamtwertung ergaben.

"Nächste Woche teilen wir neu auf. Am besten formen wir dann kleinere Gruppen, da ich heute erst einmal sehen wollte, wie Sie mit ihnen womöglich noch unbekannten Tierwesen zurechtkommen", verkündete Armadillus. Dann entließ er die AG-Teilnehmer zum Abendessen.

"Bis morgen Früh, ihr drei!" Wünschte Millie Waltraud, Hercules und Julius. Hercules rief zurück:

"Bestell Bernie schöne Grüße, das Bücher nur halb so spannend sind wie Sachen direkt zu untersuchen!"

"Das machst du bitte selber, wenn ihr euch morgen seht", knurrte Mildrid biestig und zwinkerte Julius noch einmal zu, bevor sie in einen anderen der von diesem Raum aus sternförmig verzweigenden Korridore abbog.

"Wie konnte ich mir auch einbilden, daß die Bernie sowas sagt", knurrte Hercules.

Nach dem Abendessen winkte Claire Julius zu sich heran. Dann kam noch Sandrine Dumas.

"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, Julius. Hast du die Aufgabenzettel von Professeur Faucon noch dabei?" Fragte Sandrine wieder mit dieser von ihr nicht zu erwartenden Entschlossenheit in Stimme und Körperhaltung. Julius grinste.

"Neh, die haben die Kniesel gefressen", sagte er. Claire sah ihn erst perplex an und lachte dann. "Sage das unserer Lehrerin, und sie serviert dich den Knieseln zum Nachtisch. - Also hol die bitte raus, Julius! Das ist kein Witz."

Julius holte die Aufgabenzettel aus dem Practicus-Brustbeutel, dem sichersten Ort, den er sich dafür vorstellen konnte. Dann zogen sie zu dritt zum Krankenflügel. Julius war sich zwar immer noch nicht so sicher, daß das richtig war. Aber Claires dauernde Einwände gegen die ihm gestellten Sonderaufgaben und vor allem Sandrines eiserne Entschlossenheit trieben ihn an, sich auf dieses Vorhaben einzulassen. Falls Schwester Florence befand, er habe zu viel auf, sollte die das mit den Lehrern klären. Falls sie sagte, es sei nicht zu viel, würde Claire endlich Ruhe geben.

"So, was hattet ihr drei heute Nachmittag für ein Anliegen?" Fragte Madame Rossignol. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und strickte wie so häufig an irgendwas herum.

"Bestimmt wissen Sie, daß Julius von den meisten Lehrern hier Sonderaufgaben aufbekommen hat. Er selbst geht davon aus, es sei nicht zu viel", sagte Sandrine. "Jetzt hat mir Claire erzählt, daß er wohl Sachen aus der sechsten Klasse machen soll. Ich habe mir seine Aufgaben angesehen und meine als Pflegehelferin, daß er damit zu viel zu arbeiten aufgeladen bekommen hat. Er meinte darauf, Sie möchten uns bitte sagen, ob das zu viel ist oder nicht."

"Findest du, daß du zu viel aufbekommen hast, Julius?" Fragte die Heilerin und sah ihn sehr erwartungsvoll an.

"Viel, nicht zu viel, Madame Rossignol", antwortete Julius. "Aber, damit die beiden Damen beruhigt sind möchte ich Ihnen die Liste der Aufgaben zur Prüfung geben. Vielleicht können Sie mir ja sagen, ob ich das so hinkriege oder nicht, weil ich die meisten Sachen da drauf noch nie gemacht habe." Er übergab seine Aufgabenblätter.

"Soso, du möchtest also, daß ich die Schiedsrichterin zwischen Professeur Faucon, deiner Freundin Claire und deiner Pflegehelferkollegin Sandrine mache und festlege, ob du noch im Rahmen der Schulregeln und des gesundheitlich zumutbaren belastet wirst?" Fragte die Heilerin. Julius fühlte wieder einen Kloß im Hals. So wie sie das sagte könnte sie gleich total wütend werden und sie alle mit ihren Stricknadeln aufspießen oder in schallendes Gelächter ausbrechen. Ein Wort konnte das berühmte Wort zu viel sein.

"Ich kenne mich da nicht aus. Ich weiß nur, daß es diese Sonderbestimmung 4 b in der Prüfungsordnung für magische Studien gibt und eine Regel fünf besagt, nach allen erkannten Talenten und Grundkenntnissen zu fördern und zu fordern, wenn vorher bestimmte Prüfungen bestanden wurden."

"Ein klares Ja oder Nein würde schon reichen", erwiderte Madame Rossignol etwas verdrossen.

"Ja, ich möchte, daß Sie bitte diesem ganzen Ärger um diese Sonderaufgaben ein Ende machen und mir bitte sagen, was ich tun oder lassen soll."

"In Ordnung, ich lese mir das ganze durch. Das wird aber zwei Minuten dauern. Kehrt bitte solange in eure Säle zurück, damit ich Ruhe habe. Ich rufe euch dann über die Schlüssel zu mir. Also raus!" Sagte sie und deutete auf die Wände hinter ihr, von denen drei je zwei Direktverbindungen zu den Wohnsälen hatten. Julius nahm Claire bei der Hand und wandschlüpfte in den grünen Saal zurück.

"Hui, ist ja richtig schnell", sagte Claire, als sie aus der Verbindungswand herausflogen.

"Claire, bitte beantworte mir eine Frage, bevor Madame Rossignol das entscheidet: Was machst du, wenn sie sagt, daß ich diese ganzen Sachen so wie sie da stehen in der Zeit, die Professeur Faucon und die anderen angesetzt haben machen soll?"

"Dann schreibe ich Belisamas Mutter, Madame Delamontagne, Madame Eauvive und deine Mutter an, daß die dich hier mit Gewalt kaputtunterrichten wollen. Wird dann wohl so sein, daß Madame Brickston mir einen Heuler schickt, weil ich mir das rausnehme, nicht sie anzuschreiben, aber den stecke ich weg."

"Mit anderen Worten, du traust mir nicht zu, daß ich das so einteilen kann, daß ich den Krempel hinbekomme, ohne dabei kaputtzugehen?" Entgegnete Julius. Claire sah ihn an, als habe sie gerade wer in den Magen geschlagen. Offenbar hatte sie diese Frage nicht erwartet. Dann holte sie tief luft und sagte halblaut und sehr verbittert:

"Nach dem, was du heute Nachmittag gesagt hast, von wegen Dankbarkeit und Pflicht und so, kann ich dir das nicht zutrauen. Denn wenn du das in der von denen vermuteten Zeit hinkriegst, ja sogar schneller fertig damit wirst, packen sie dir immer mehr drauf, bis du endlich umfällst und nicht mehr kannst. Sollen die es dann erst kapieren? Willst du das wirklich, daß du erst umfällst und nichts mehr machen kannst, damit du's kapierst? Nein, ich denke nicht, daß du das von selbst hinkriegst, ohne dir von Faucon, Bellart und Fixus ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen oder aus Angst vor blöden Strafpunkten durch alle Reifen springst, die sie dir hinhängen."

Julius fühlte, wie ihm alle Farbe aus dem Gesicht wich. Er hatte eine klare Antwort haben wollen und sie bekommen. Claire traute ihm also nicht zu, selbst damit klarzukommen, was er wann wielange lernte. Außerdem fiel ihm mit der Heftigkeit eines über den Kopf gekippten Schwalls Eiswassers ein, daß all das, was Claire und er hier und jetzt besprachen, irgendwann von Professeur Faucon aus seiner Erinnerung geschöpft werden konnte, wenn er einmal eine schlechte Tagesform erwischte oder von anderen Sachen zu erschöpft war, um sich ordentlich auf die Occlumentie zu konzentrieren.

"Claire, du hast mir gesagt, ich sollte dir mehr vertrauen. Aber umgekehrt kannst du mir offenbar nicht vertrauen, wenn ich sage, daß ich das hinkriege, das zu lernen, was ich lernen kann, ohne dabei umzufallen. Damit muß ich wohl klarkommen, egal, was Madame Rossignol sagt", stieß er halblaut aus. Claire sah ihn sehr irritiert an. Ihre dunkelbraunen Augen glitzerten immer feuchter. Sie atmete schneller als gewöhnlich und verharrte ganze dreißig Sekunden in dieser verwirrten Lage. Dann sagte sie:

"Ich hatte gedacht, du würdest das anders sehen. Ich wollte und will dir nichts böses, schon gar nicht will ich dich von was abhalten, wenn du meinst, das erreichen zu können. Aber ich fürchte, wenn du das nicht rauskriegst, wieviel du dir zumuten lassen kannst und wie viel nicht, dann kann ich dir nicht helfen. Ich hoffe nur, daß Madame Rossignol besser weiß, was gut für dich ist als du oder ich. Sag mir bescheid, wenn sie sich meldet!" Julius wollte noch sagen, daß sie das ja mitkriegen würde, wenn er mit der Heilerin sprach, aber sie drehte sich auf dem Absatz um und ging davon, nicht zu schnell, aber entschlossen. Er stand für einige Sekunden wie angewurzelt da, sah ihr schwarzes, leicht gewelltes Haar bei jedem ihrer Schritte sanft fließen und bekam nichts von seiner Umgebung mit. Erst als er fand, er müsse ihr nachgehen und losmarschierte, merkte er, daß er fast in Virginie reingelaufen wäre, die sich auf dem Weg zu einem von ihr gewählten Freizeitkurs befand. Sie blieben voreinander stehen. Julius entschuldigte sich rasch und wollte weitergehen. Doch Virginie griff ihn beim Arm und hielt ihn mit sanfter Gewalt zurück.

"Bevor ich es von Claire höre will ich es wissen, was ihr beide euch gerade so heftig an den Kopf geworfen habt, daß sie und du so leichenblaß wurdet."

"Telegrammstil, weil wir noch auf einen Rückruf von Madame Rossignol warten. Claire findet, ich hätte zu viel auf. Ich finde, ich könnte das. Sie sagt, ich könnte das nicht einschätzen. Ich sage, sie traut mir das nicht zu. Sie sagt, sie könne mir das nicht zutrauen. Ich sage, daß ich damit leben müsse. Sie sagt, dann könne sie mir nicht helfen. Ende des Kurzberichts", sagte Julius und versuchte, seinen Arm freizukriegen. Doch Virginie hielt ihn fester umklammert und sagte:

"Reicht mir nicht. Mitkommen." Sie zog Julius hinter sich her zu einem Tisch, an dem gerade zwei der Erstklässler Schach spielten. Laurentine stand dabei und verfolgte die Partie. Virginie sah kurz hin, wie beschäftigt die beiden Jungen waren und zog Julius dann weiter bis zu einem Tisch, der mit achtlos hingelegten Pergamenten bedeckt war.

"Ein wenig mehr Ordnungssinn würde hier nicht schaden", grummelte sie. Sie drückte Julius wie einen kleinen Jungen auf einen der freien Stühle und setzte sich gegenüber hin. Julius setzte schon an, daß sie ja nicht für ihn zuständig sei. Doch sie schüttelte den Kopf.

"Ich bin auch für dich zuständig, sofern es um Sachen geht, in die Mädchen aus diesem Saal einbezogen sind, genau wie Barbara vor mir. Und der hast du nie unterstellt, für dich nicht zuständig zu sein."

"Doch ein paarmal", widersprach Julius.

"So, und jetzt will ich von dir hören, um welche Aufgaben es geht. Die von Professeur Faucon, Bellart, Fixus oder Trifolio?"

"Alle zusammen", sagte Julius.

"Hast du die gerade da oder kannst du mir so sagen, was du bei Professeur Faucon für Sonderaufgaben zu machen hast?"

"Madame Rossignol hat die Listen davon. Im wesentlichen möchte sie von mir haben, daß ich alle Materialisationszauber lerne und ..." In diesem Moment vibrierte sein Pflegehelferarmband. Er hob den rechten Arm und stellte den Kontakt her.

"So, ich bin mit der Liste durch. Kommt bitte zu mir!" Sagte die Heilerin. Virginie sah das räumliche Abbild Madame Rossignols auftauchen und wieder verschwinden. Dann sagte sie:

"Nimm Claire mit! Vielleicht ränkt sich das ja dann ein."

Julius suchte Claire und fand sie nicht. Virginie vermutete, daß sie in den Schlaftrakt der Mädchen reingegangen war und verschwand durch die Tür dorthin. Eine halbe Minute Später kehrte sie mit Claire zurück, die leicht betreten dreinschaute. Ihre Augen waren etwas gerötet. Virginie führte sie zu Julius und sagte, er möge sie zu Madame Rossignol bringen. Er nickte und führte seine Freundin zum Wandstück, durch das sie in den Krankenflügel hinüberwechselten.

Schwester Florence war nicht alleine. Bei ihr standen noch Sandrine Dumas und Professeur Faucon. Claires Gesichtsfarbe wurde so bleich wie Kaffee mit viel Milch. Offenbar war sie sich ihrer Sache nun absolut nicht mehr sicher.

"Also, Kinder, daß Professeur Faucon hier ist zeigt euch, wie wichtig mir das ist, was ihr mir mitgeteilt habt. Da ich nur sehen konnte, daß es sehr viele Aufgaben sind, aber nicht unumstößlich festlegen kann, ob es für dich zu viel ist, Julius, habe ich mir überlegt, daß ich deine Fähigkeiten hier vor ort in Augenschein nehme und nachprüfe, wie stark dich Zusatzaufgaben belasten oder nicht. Dann werde ich entscheiden, ob ich dir das erlauben kann, deine körperlich-seelische Verfassung zu belasten oder nicht. Professeur Faucon ist damit einverstanden, sofern sie diese Prüfung beobachten darf, was ich ihr gestattet habe." Professeur Faucon nickte nur, sagte aber kein Wort.

In den nächsten zehn Minuten mußte Julius verschiedene Verwandlungszauber, Verschwindezauber, Flüche und Gegenflüche, Bewegungszauber und physikalische Manipulationen vorführen, wie in einer Jahresendprüfung, eben nur in verschiedenen Fächern gleichzeitig. Danach maß die Heilerin mit verschiedenen Instrumenten die körperliche Erschöpfung und ob das Gehirn sich über das verträgliche Maß hinaus angestrengt hatte. Dann sagte sie:

"Also, Professeur Faucon, Mesdemoiselles et Monsieur, ich komme zu folgendem Ergebnis: Julius Andrews hat sich zwar angestrengt, aber in einem Maße, das ich noch für verträglich halte, sofern diese Übungen im doppelten der Zeit ausgeführt werden als ich das hier gerade gemacht habe. Da in den regulären Unterrichtsstunden immer wieder kurze Pausen möglich sind, steht dem nichts im Wege, ihn das machen zu lassen. Andere Schüler haben sich bei ähnlichen Prüfungen heftiger angestrengt für weniger aufwändige Zauber und litten nicht an Erschöpfung. Insofern gestatte ich es in meiner Eigenschaft als Heilerin, daß du, Julius, die dir zugestandenen Sonderaufgaben ausführst, wenn du dich nicht dabei abhetzt. Was die Vor- und Nachbereitung angeht, also das Lernen und Bewerten, so weiß ich, daß du da bereits sehr gut zurechtkommst. Ich erlege dir jedoch einige Bedingungen auf, damit du nicht doch noch an Überanstrengung zu Grunde gehst: Erstens, du hältst einen geregelten Schlafrhythmus bei. Zweitens, du isst und trinkst genug, damit du immer genug Energie vorrätig hast. Drittens, um die geistigen Anstrengungen beim Lernen auszugleichen empfehle ich dir weiterhin besenlosen Sport. Viertens solltest du dich immer bereithalten, wenn ich deine Hilfe als Pflegehelfer brauche. Rede dich also ja nicht darauf heraus, daß du zu lernen hast! Fünftens vergiss nicht, daß die Welt nicht nur aus Lernen und Arbeiten besteht. Da du aus einem Land kommst, daß für Gründlichkeit und Disziplin bekannt ist, könnte dir einfallen, daß deine Verpflichtungen wichtiger sind als dein Recht auf erholsames Vergnügen. Mehr muß ich dazu nicht sagen. Ich bin der Meinung, daß du herausbekommst, wann du was zu tun oder zu lassen hast."

"Soll ich einen Zeitplan aufstellen oder sowas?" Fragte Julius vorsichtig.

"Nicht für mich", sagte Madame Rossignol. "Plane nur ein, daß wir diesen Sonntag bereits die erste Pflegehelferkonferenz haben!"

"In Ordnung, dann gehen wir jetzt wieder in unseren Saal zurück", sagte Julius. Sandrine und Claire sahen Professeur Faucon an. Diese sagte jedoch nichts. Julius verabschiedete sich von der Heilerin und winkte Claire, ihm zu folgen. Doch sie schüttelte den Kopf, sah Sandrine fragend an, die nickte und mit ihr das Sprechzimmer durch die Tür verließ.

"Öhm, das war nicht meine Idee", sagte Julius zu Professeur Faucon. Diese sah ihn ruhig an und erwiderte keineswegs ungehalten oder streng klingend:

"Selbst wenn es Ihre Idee gewesen wäre, Monsieur, hatten Sie das legitime Recht, das abzusichern, wie weit Sie sich belasten dürfen oder nicht, zumal Sie ja durch die Zugehörigkeit zur Pflegehelfertruppe auch außerschulische Verpflichtungen haben, ebenso wie innerhalb der Quidditchmannschaft. Insofern verstehe ich nicht, warum Mademoiselle Dusoleil so verängstigt aussah, als Sie mit ihr hier eintrafen. Aber womöglich werde ich das auf anderem Wege ohne Ihr Zutun erfahren, Monsieur. Es ist also nicht nötig, daß Sie reine Vermutungen äußern. Ich empfehle mich dann mal, Florence. Danke, daß Sie das Anliegen mit der gebotenen Objektivität behandelt haben!"

"Noch einen Schönen Abend, Blanche", wünschte Madame Rossignol. Julius wartete, bis die Lehrerin das Sprechzimmer verlassen hatte. Dann sagte er noch:

"Ich fürchte, so objektiv Ihr Urteil jetzt auch war, den eigentlichen Stress kriege ich nicht durch die Schulaufgaben."

"Weil Claire denkt, du würdest von den Lehrern verheizt, wie es trivial heißt?"

"Ganz genau", bestätigte Julius mit einem Nicken.

"Da Professeur Faucon jetzt fort ist und Claire es vorzog, mit Sandrine fortzugehen, ohne auf dich zu warten, möchtest du mir das erzählen, was euch beide gerade umtreibt oder möchtest du das gerne für dich behalten?"

"Ich denke nicht, daß es Claire und mir mehr bringt, wenn ich es Ihnen jetzt erzähle. Das was Sie mir vor ein paar Tagen erzählt haben ist im Moment das einzige, was Sie mir dazu sagen könnten."

"Wie du meinst. Dein Privatleben gehört dir, solange du nichts machst, was dich oder andere gesundheitlich gefährdet", sagte die Heilerin. Irgendwas dabei ließ es in Julius' Kopf klicken. Er stand da, schien für einige Momente nicht in der Lage zu sein, sich zu bewegen. In seinem Verstand rotierte das Gespräch vom Nachmittag. Würde es seine Gesundheit gefährden, wenn er diesen Interfidelis-Trank ausprobierte? Er fragte die Heilerin, ob sie schon was davon gehört habe. Als sie ihn fragte, woher er davon wisse erzählte er kurz, was er am Nachmittag mit seinen Tierwesen-AG-Kameradinnen besprochen hatte. Madame Rossignol runzelte die Stirn, schien für eine halbe Minute völlig abwesend zu sein und sagte dann:

"Solltest du mit dem Gedanken spielen, diesen Trank zu brauen und anzuwenden, sage mir das bitte rechtzeitig oder wende dich an deine Saalvorsteherin, damit sie befindet, ob du das Gebräu anwenden darfst. Auf keinen Fall unternimmst du was in dieser Richtung ohne Einwilligung von mir oder Professeur Faucon. Andernfalls muß ich dich wegen groben Verstoß gegen deine Pflegehelferpflichten und sehr groben Ungehorsam bestrafen, und du weißt wie. So, und jetzt Marsch zurück in deinen Saal, damit ich den Abspecktrank für den jungen Monsieur Armand fertigstellen kann!"

"Der freut sich bestimmt", entschlüpfte Julius eine Frechheit.

"Wenn er dadurch zwanzig überflüssige Kilogramm verliert bestimmt", erwiderte die Heilerin mit überlegenem Lächeln. Julius winkte ihr kurz zum Abschied zu und wandschlüpfte in den grünen Saal. Claire war nicht hier, und auch Virginie war schon weg. Die beiden Jungs spielten immer noch Schach, und Laurentine, die wohl die Erlaubnis hatte, ihnen zuzusehen, saß dabei und schien von der Partie gebannt zu sein. So ging er kurz in seinen Schlafsaal, wo er aus seiner Centinimus-Bibliothek einige Bücher holte, mit denen er dann in den Saal zurückkehrte und die Hausaufgaben für Faucon und Bellart machte.

Kurz vor zehn kehrte Claire in den Saal zurück. Julius stand auf und ging auf sie zu. Doch sie sagte ihm nur:

"Schlaf gut, Julius!"

"Moment, Claire, wir können doch noch 'ne halbe Stunde ...", versuchte Julius, seine Freundin zu einem Gespräch zu überreden. Doch sie wandte sich ab und verschwand im Mädchenschlaftrakt. Knapp hinter ihr tauchte Virginie auf, die einige Zweitklässler vor sich hertrieb.

"Euch bringe ich das noch bei, die Zeiten einzuhalten", hörte er sie harsch auf die verspäteten Schülerinnen einreden.

"Der eiserne Besen nimmt Form an", dachte er grinsend. Ein Glück für die Mädels, daß Virginie nur ein Jahr hatte, um sich richtig in ihre neue Rolle reinzuwerfen.

Céline Dornier winkte ihm zu. Doch er hatte keine Lust, sich jetzt mit ihr darüber zu unterhalten, was jetzt schon wieder zwischen ihm und Claire los war. Um sie davon abzubringen, ihn noch zu rufen wendete er Claires Rückzugstaktik an und verschwand im Jungentrakt, wohin kein Mädchen ihm folgen durfte. Mit Viviane Eauvive, die über seinem Bett in Auroras Gemälde auf einem Stuhl saß unterhielt er sich ein wenig über die fast beendete erste Woche. Viviane riet ihm, sich von Claire nicht beirren zu lassen. Zwar müsse er aufpassen, sie nicht zu verärgern, aber dürfe sich dabei nicht von ihr herumschubsen lassen. Als dann die anderen Jungen hereinkamen, wünschte Viviane ihm noch eine gute Nacht, ließ den Stuhl verschwinden und verschwand dann selbst aus dem Bild. Aurora war im Moment wohl nicht da, vielleicht bei ihrer natürlichen Vorlage in Australien oder deren Mutter in England.

"War das eben Vivi Eauvive?" Fragte Robert.

"Yep", erwiderte Julius.

"Was wollte die denn von dir?" Fragte Hercules.

"Das ich gut schlafen kann", sagte Julius. "Immerhin ist ja raus, daß ich zur Eauvive-Familie gehöre und sie daher meine Urmutter ist."

"Pech, daß sie dich nicht noch zudecken kann", stichelte Robert.

"Ich decke dich gleich zu und zwar so gründlich, daß dich erst die Archäologen in tausend Jahren ausbuddeln können", erwiderte Julius postwendend.

"Eh, böse? Céline meinte, Claire habe jetzt voll den Krach mit dir wegen Königin Blanches Zusatzzeug", sagte Robert.

"Sagen wir's so, Claire hat gemeint, Madame Rossignol damit reinzuziehen und die hat mir gesagt, wenn ich immer brav meinen Teller leeresse und durchschlafe und immer hübsch Gymnastik treibe dürfte ich mir von Professeur Faucon alles aufladen lassen, was ich tragen kann, ohne hinzuknallen. Das paßt Claire nicht und sie wollte auch nicht weiter mit mir darüber reden. Ich hoffe, sie schläft gut, damit sie morgen besser gelaunt ist."

"Ach, dann hat die Angst, du könntest wie Bernie werden", vermutete Gaston bissig. Hercules knurrte sehr bedrohlich. Julius erwiderte:

"Bernadette ist Claire egal. Die hat Angst, ich könnte drauf kommen, eine Klasse zu überspringen und dann zu Sandrines Cousin Romeo und seinen Kameraden ziehen."

"Würde ich dir nicht verübeln, wenn du mit dem Laden hier so schnell fertig wirst wie es geht", sagte Gérard Laplace. "Klar, daß Claire das dann in den falschen Hals kriegt. Auch 'ne Art, jemanden loszuwerden, indem man ihm alles ermöglicht, was ihn schnellstmöglich fertig werden läßt."

"Tja, wegloben oder in sichere Entfernung befördern heißt das bei den Beamten und Soldaten, wenn jemand unbeliebtes anderswo hinversetzt werden soll und deshalb alles über den so supertoll verkauft wird", sagte Julius gehässig. "Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Professeur Faucon will, daß ich schon übernächstes Jahr von hier weggehen kann, bevor ich siebzehn Jahre alt bin und mich wer von den Mädels hier auf einen Besen ziehen darf."

"Ach, meinst du, die wollte erst klar haben, mit wem du dann in die wirkliche Welt hinausziehen darfst, damit du bloß nicht irgendwo verlorengehst?" Fragte Robert ebenso gehässig. Julius nickte. Dann war es halb elf, und die Jungs präsentierten sich brav im Bett, damit Giscard ihnen keine Strafpunkte verpassen mußte.

_________

Claires Stimmung besserte sich nicht wesentlich. Alles was sie in den beiden folgenden Tagen mit Julius besprach waren Sachen für den Unterricht oder die gemeinsam besuchten Freizeitkurse. Wenn Julius versuchte, sie in die Arme zu nehmen wich sie zurück oder drückte seine Arme nach unten.

"Es gibt einiges, was ich selbst erst klarhaben will, bevor ich weiß, ob das mit uns beiden sich wieder so einkriegt wie es vorher war", sagte sie einmal, kurz bevor Julius zum Duellierkurs ging. Er sagte darauf nur, daß sie beide jetzt irgendwie damit zurechtkommen lernen sollten, und daß er nicht wolle, daß es so bliebe wie jetzt.

"Dann schreib du an die Schulräte, daß die dich hier überfordern, auch wenn Madame Rossignol was anderes behauptet. Die will ja schließlich nicht ihre Anstellung verlieren", zischte sie ihm zu wie eine drohende Kobra. Doch Julius hatte weder Kraft noch Lust, sich auf ein längeres Geplänkel mit der Schulverwaltung von Beauxbatons einzulassen. Sicher, Catherine würde er anschreiben, ob sie eine Gefahr darin sähe, daß er mehr zu tun bekäme als bisher. Aber sonst wollte er sich keinen weiteren Ärger einhandeln.

Als er nach mehreren Runden mit Waltraud Eschenwurz im Duell drei Siege zu null verbuchen konnte, meinte Professeur Faucon:

"Nun, Mademoiselle Eschenwurz, daß Sie dreimal unterlagen liegt nicht daran, daß Sie nicht fleißig geübt hätten. Aber Monsieur Andrews hat durch erforderlichen Zusatzunterricht und erhöhte Zauberkräfte einen gewissen Vorsprung, der sehr schwierig auszugleichen ist. Deshalb werden Sie nun mit Mademoiselle Lavalette üben, Mademoiselle Eschenwurz. Sie, Monsieur Andrews, werden in den nächsten drei Runden gegen Mademoiselle Sandra Montferre antreten."

Julius schaffte es einmal, ein Duell vorzeitig zu beenden, weil er Sandra einen gekoppelten Entwaffnungs- und Schockzauber aufbrannte, der wie ein feuerroter Laserblitz aus seinem Stab sirrte und Sandra nicht nur den Zauberstab fortriss, sondern sie total erschöpft zu Boden warf.

"Bei dem sollten Sie sich vorsehen, ihn nicht zu häufig zu wirken, Monsieur Andrews", sagte Professeur Faucon. "Sie werden es vielleicht nicht sofort bemerken, aber diese Kopplung zehrt auch Sie stark aus, erst den Geist und dann drastisch den Körper. Aber es war sehr informativ, ihn mal in Aktion zu sehen."

"Den lerne ich aber noch", keuchte Sandra, als die Lehrerin sie mit dem Enervate-Zauber mit neuer Kraft aufgeladen hatte.

Die zweite Runde ging unentschieden aus, weil beide Kombatanten ihre Schildzauber sehr gut einsetzten. In der dritten Runde erwischte sie ihn mit dem Versimundus-Fluch, der ihm das Gefühl gab. er hinge von der Decke herab. Ein Schockzauber gab ihm den Rest.

"Anderthalb zu anderthalb", stellte Professeur Faucon fest, als sie Julius wieder aufgeweckt hatte. "Das war ziemlich ausgewogen.

Am Samstag fand die Kräuterkunde-AG statt, und am Nachmittag gingen die Schüler, die keinen Kurs hatten in die Parks oder an den schuleigenen Strand. Julius holte sich dazu bei Professeur Faucon die Meerbesuchserlaubnis ab und erfuhr, daß sein Disziplinarquotient, der sich aus der Summe der erhaltenen Bonuspunkte durch die Summe aller Strafpunkte in einer Woche errechnete, bei 10 lag.

"Der hätte höher ausfallen können, wenn Sie sich nicht diese Plauderei mit den jungen Damen im Knieselgehege geleistet hätten, Monsieur. Ich hoffe, diese Unterhaltung war für Sie wichtig genug."

"Ich werde das heute abend mit Ihnen besprechen, weil ich mich zu etwas entschlossen habe, worüber Sie informiert werden müssen. Aber wie gesagt, heute abend", sagte Julius.

"Ich erwarte sie dann zur vereinbarten Zeit", sagte die Saalvorsteherin der Grünen. Da klopfte es an der Tür. Julius wartete, bis die Lehrerin "Herein" gerufen hatte und sah Monsieur van Heldern, Barbaras Schwiegervater, der mit einer Aktenmappe und zusammen mit Madame Grandchapeau hereinkam.

"Ah, Sie sind beschäftigt, Blanche. Hallo, Julius", begrüßte Madame Grandchapeau den Jungen, der einmal vier Tage lang das Leben ihrer Tochter geteilt hatte.

"Hallo, Madame, Guten Tag, Monsieur van Heldern", erwiderte Julius den Gruß.

"Nur das übliche, Nathalie, die Meerbesuchsgenehmigungen. Monsieur Andrews ist der letzte, der sie sich geholt hat", erwiderte Professeur Faucon. Julius nickte und verabschiedete sich von den Besuchern und der Lehrerin. Als er die Sprechzimmertür von außen geschlossen hatte und unterwegs zum grünen Saal war, um sein Schwimmzeug zu holen, überlegte er, was die beiden Besucher wohl wollten. Monsieur van Heldern war in Belgien für die Abteilung zur Geheimhaltung der Zauberei zuständig, Madame Grandchapeau leitete das Büro für Kontakte in die nichtmagische Welt. Das mochte bedeuten, daß ein muggelstämmiger Schüler oder dessen Eltern irgendwelche Probleme mit Beauxbatons hatten. Falls ja, bekam er das noch früh genug mit, wenn es ihn was anging.

Er war etwas enttäuscht, daß Claire nicht an den Strand wollte. Sie hatte sich mit Laurentine und Jasmine zu einer privaten Musikstunde im östlichen Park verabredet. Julius war jedoch nach Bewegung, zumal er sich mit Robert und Hercules verabredet hatte, ein Wettschwimmen zu veranstalten. So ging er alleine durch das magische Verbindungstor zwischen dem Schulgelände und den mehrere Dutzend Kilometer entfernten Mittelmeerstrand, der durch Unortbarkeits- und Muggelablenkungszauber nur für die Schüler und Schülerinnen von Beauxbatons zu erreichen war.

"Es stimmt, dein Körper und dieses Schwermacherding haben dich ziemlich gut aufgemotzt", keuchte Hercules, nachdem Julius ihn und Robert zweimal hintereinander um Längen hinter sich gelassen hatte. Hercules war dabei noch der schnellere von den beiden gewesen.

"Na, seid ihr zu langsam?" Feixte Apollo Arbrenoir aus dem roten Saal. Der hoch aufgeschossene, dunkelhäutige Viertklässler lieferte sich gerade eine Partie Wasserball mit seinen Kameraden Alfonse und Boris Ruiter sowie Theseus D'aragon.

"Eher ist unser über die Ferien etwas größer gewordener Kamerad hier etwas zu schnell", keuchte Robert.

"Ich bin nicht zu schnell", sagte Julius.

"Juhu, ihr da!" Rief eine Mädchenstimme herüber. Julius sah sich um und erkannte die Latierre-Zwillinge, die mit kräftigen Arm- und Beinschlägen herüberschwammen.

"Eh, was wollen denn die Küken hier?" Fragte Hercules und machte schon Anstalten, die beiden aufzufordern, sich zu verziehen, da waren sie auch schon heran.

"Hallo, Julius. Ich habe das gesehen, wie gut du schwimmst. Sollen wir mal um die Wette schwimmen?"

"Dreister geht's nicht", meinte Robert. "Kleine Mädchen, die große Jungs zum Schwimmen auffordern?"

"ich sprach nich' mit dir", versetzte die, die Julius gerade gefragt hatte. Julius sah sie an und sagte:

"Lassen wir das besser, Callie oder Pennie. Meine Kameraden könnten sonst Komplexe kriegen."

"Heh?" Machten Robert und Hercules. Apollo Arbrenoir pfefferte gerade den roten Wasserball im hohen Bogen übers Wasser, sodaß der auf Julius herabfiel. Der riss die Arme hoch, wobei er fast mit dem Kopf im Meer untertauchte und prellte die mit Druckluft gefüllte Faserstoffplastikkugel zurück.

"Mist, ich wollte dich nicht treffen", sagte Apollo und nahm den Ball sicher auf.

"Was war das eben mit diesen Komplexen, Julius?" Wollte Robert wissen.

"Er meint, wir wären euch vielleicht zu schnell", antwortete die andere Zwillingsschwester. Alfonse Ruiter rief dazu:

"Stimmt, ihr seid denen zu schnell."

"Schneller als die sind wir allemal!" Rief Hercules. Das konnte er sich unmöglich bieten lassen, daß zwei Zwölfjährige, die gerade eine Woche in Beauxbatons waren schneller als er sein sollten. Julius grinste.

"Macht das erst mal unter euch aus", sagte er. "Dann wißt ihr ja, wer schneller ist."

"Robert, die beiden Küken hängen wir einarmig ab", tönte Hercules. Robert nickte. Er suchte die Strandaufsicht, an diesem Nachmittag Antoine Clement, der Saalsprecher der Gelben. Schnell war es ausgemacht, wie sie schwimmen wollten. Julius sah den Start und erkannte sofort, daß die Mädels seine Kameraden locker abhängten. Als sie die vereinbarte Wendemarke erreichten drehten die beiden Mädchen sich beinahe ein und waren keine Sekunde später schon auf dem Rückweg.

"Du hast es ihnen gesagt, Goldtänzer", bemerkte Apollo. "Culie und Robert werden von denen total abgehängt. Die können ja nicht mal in den Windschatten von denen rein. Also, ich denke, ich zieh mir auch diese Riesenkuhmilch. Dann kriegt ihr im Spiel gegen uns die Ringe poliert bis sie glühen."

"Pech nur, daß die beiden die Milch direkt nach der Muttermilch gekriegt haben und das Zeug nur bei unberührten Jungfrauen wirkt. Bist du noch eine?" Versetzte Julius.

"Häh, habe ich Dutteln oder was? Nöh."

"So, wie du geantwortet hast garantiert doch, Polli", frotzelte ihn Boris Ruiter. Julius wartete eine Sekunde, bis die beiden sich in eine Rangelei hineinsteigerten und räumte das Feld.

"Mist, wir sind denen zu langsam. Das kann doch wohl nicht sein", knurrte Hercules. "Wo hast du den Schwermacher her, Julius?"

"Den habe ich geschenkt bekommen von Barbara, wo sie noch Lumière geheißen hat."

"Eh, dann muß ich die anschreiben und fragen, wo man das Ding herkriegt. Bis zum Jahresende muß ich die beiden Biester einkriegen können."

"Nimm das nicht zu heftig. Die beiden sind ihr Leben lang mit Latierre-Kuhmilch abgefüllt worden. Auf unberührte Hexenmädchen wirkt die so wie Miraculix' Zaubertrank auf Obelix."

"Erzählst du da gerade was gemeines über uns, Julius Andrews?" Fragte eine der Zwillingsschwestern. Julius sah sie an und konnte ein rotes Armband mit den Initialen C und L lesen. Sie war also Callie. Er sagte nur, daß die beiden Jungen eben nicht ihr ganzes Leben lang Demies Milch getrunken hätten wie sie. Dann ging er darauf ein, mit ihnen um die Wette zu schwimmen und schaffte es mit Mühe und Not, nicht all zu weit zurückzufallen.

"Ich sehe es ein, daß die uns alle im Schwimmen über sind. Aber dafür können wir besser zaubern", sagte Robert, nachdem Julius gut erschöpft zurückgekehrt war. Millie Latierre trat zu ihnen hin und trällerte:

"Na, haben meine kleinen Cousinen euch fertiggemacht?"

"Ist ja gut, daß du mit deinen Eltern in der Stadt wohnst", sagte Hercules. "Da haben sie dich nicht mit diesem unfairen Schlabberzeug vollgepumpt."

"Na, das ist aber jetzt unprofessionell für einen angehenden Tierwesenexperten", erwiderte Millie. Hercules entgegnete:

"Haha, Experte. Nur wenn ich nach dem Jahr 'ne bessere Note kriege als Bernie oder unsere Gastschülerin aus Deutschland."

"Ich komm darauf zurück, wenn es soweit ist", sagte Millie. Dann fragte Sie Julius, ob es ihm wieder besser ging und schwamm mit ihm, um seine Arme und Beine zu lockern.

Nach dem Abendessen unterhielt er sich noch etwas mit Hercules, Robert und Gérard über die Latierres und Schloß Tournesol. Waltraud Eschenwurz diskutierte mit Fünftklässlern über fortgeschrittene Zauberkunst, an der sich Julius wohl auch noch versuchen sollte. Dann fiel ihm ein, daß ja heute der erste September war und damit Schuljahresbeginn in Hogwarts.

"Ich muß mal in den Schlaftrakt, Leute. Bin in ein Paar Minuten wieder da", sagte er zu seinen Kameraden. Diese dachten, er müsse wohin und nickten ihm zu.

Aurora Dawns Bild war besetzt. Die gemalte Ausgabe der Heilhexe diskutierte mit Viviane Eauvive, die wieder auf einem herbeigezauberten Stuhl saß. Dabei hörte Julius heraus:

"Wie konnte der nur? Dann noch diese Entstellung am Arm. Wird er jetzt verrückt?"

"'tschuldigung, die Damen. Aber ich möchte gerne wissen, Aurora, ob du schon mitbekommen hast, wie das neue Schuljahr in Hogwarts angefangen hat."

"Da haben wir es gerade von", knurrte Aurora Dawn verärgert. "Mein dortiges Bild-Ich kam vor einer Viertelstunde und erzählte mir, daß Dumbledore wohl durchgeknallt ist. Ich denke nicht, daß du das hören willst, wen der zum neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste gemacht hat."

"Doch, gerade das will ich wissen", beteuerte Julius. Doch Auroras Gesicht sah sehr verbittert aus, als habe sie eine Nachricht erhalten, die sie nicht wahr haben wollte. Da klickte es bei Julius, und seine Nackenhaare stellten sich auf. Mit einem Anflug von bitterer Vorahnung starrte er auf das Bild und zischte:

"Sag nicht, Dumbledore hat Snape zum neuen ..." Aurora nickte heftig. "Scheiße!" Entfuhr es Julius. "Der hat diesen Schleimbeutel zum Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste gemacht? Ausgerechnet den, der Slytherin führt, der Karkaroff kannte, der ein Todesser war?"

"Das ist ja gerade das, was mir auch nicht in den Kopf will", knurrte Aurora.

"Ist Dumbledore senil geworden oder was?!" Ereiferte sich der ehemalige Hogwarts-Schüler. "Da habe ich gedacht, der würde Snape bloß nicht diesen Job geben, und dann gibt er ihm den doch. Neh, das ist ja voll der Drachenmist."

"Hallo, junger Mann, mit derben Kraftausdrücken um dich zu werfen macht die Lage nicht besser", maßregelte Viviane den Jungen. "Aurora berichtete mir, daß dieser Zeitgenosse früher wohl ein Verehrer dieses Voldemort war und Professor Dumbledore wohl irgendwas an ihm gesehen hat, daß seiner Wertschätzung würdig war."

"Was stimmt muß auch gesagt werden", sagte Julius von dem Tadel seiner gemalten Urmutter unbeeindruckt. Diese funkelte ihn zwar sehr mißmutig an, ließ ihn jedoch weitersprechen. "Snape ist und bleibt ein parteiischer Schweinehund, der nur die aus seinem Haus hochkommen lassen will. Und ich bin mir nicht sicher, ob der nicht doch für Voldemort spioniert und darauf wartet, dem einen Gefallen zu tun. Den das Fach zum unterrichten zu geben macht den größten Bock zum Gärtner. Denn der bringt den Schülern bestimmt nichts bei, was die wirklich gebrauchen könnten."

"Dumbledore ist am rechten Arm verletzt, beziehungsweise, der rechte Arm wirkt fast abgestorben, schwarz und dünn", sprach Aurora Dawn. "Kann also sein, daß er irgendwas abbekommen hat, was den Körper und den Verstand durcheinanderbringt."

"Mist! Hat er gegen diesen Drecksack Voldemort gekämpft?" Fragte Julius. Viviane räusperte sich sehr tadelnd.

"Ich sagte dir, diese Schimpfwörter zu unterlassen", wiederholte sie ihre Maßregelung. Julius sah sie an und meinte:

"Und ich sagte Ihnen, daß was wahr ist auch gesagt werden muß."

"Er hat schon recht, Viviane, daß Snape ein sehr parteiischer Zauberer ist. Mein natürliches Ich hat den noch als Schüler erlebt und dann noch drei Jahre als Lehrer aushalten müssen. Keiner weiß, was Professor Dumbledore an diesem Zauberer so gut findet, daß er ihn eingestellt hat und jetzt dieses Fach anvertraut hat."

"Dann gibt dieser Mistkerl jetzt zwei Fächer", knurrte Julius.

"Nein, nur Verteidigung gegen die dunklen Künste. Für Zaubertränke hat Dumbledore seinen alten Freund und Kollegen Horace Slughorn aus dem Ruhestand zurückgeholt. Immerhin das war eine gute Wahl. den hat mein natürliches Ich zwar selbst nicht mehr als Lehrer mitbekommen, weil der ein Jahr vor ihrer Einschulung in den Ruhestand ging und Professor Bitterling Slytherin und den Zaubertrankunterricht übernahm, aber sie hat ihn auf diversen Braumeisterzusammenkünften treffen können."

"Slughorn, der Name sagt mir was. Hat der nicht eine Suspension erfunden, die pflanzliche Bestandteile für einen Zaubertrank in der Wirkung verstärken kann, sodaß sie in geringerer Dosierung reingemischt werden müssen?"

"Genau, Julius. Außerdem hat er die internationale Normung der Kesselgrößen vor sechzig Jahren erreicht, von der wir alle heute noch profitieren", sagte Aurora Dawn.

"Das macht den Fehlgriff Dumbledores nicht besser", knurrte Julius. "Der wird wohl jetzt mit Gewalt alt, wenn das mit seinem Arm nicht wirklich seinen Verstand durcheinandergebracht hat. Da bin ich ja mal auf die Briefe von Pina und Kevin gespannt."

"Hat Gloria wen, der ihr das sagen kann?" Fragte Auroras Bild-Ich. Julius wußte es nicht. "Gut, dann versuche ich, es ihr nachher zu sagen, wenn sie im Bett ist. Immerhin hängt in ihrem Schlafsaal ja das Bild von Geneviève Lagrange."

"Ob das so gut ist, ihr das nach der vorgeschriebenen Zubettgehzeit zu berichten?" Wandte Viviane ein, sah aber ein, daß die Gastschülerin fairerweise informiert werden sollte.

"Ich kann Geneviève ja bitten, ihr das zu sagen, wenn sie den Schlafsaal betritt", lenkte Aurora Dawn ein. Viviane nickte.

"Prost Mahlzeit, Hogwarts", knurrte Julius. "Snape darf denen jetzt die Abwehr dunkler Künste beibringen." Er erinnerte sich als ob es gestern war, wie Snape zweimal Professor Lupin vertreten hatte und dabei wohl alle darauf stoßen wollte, daß Lupin ein Werwolf sei, wie oft er gerade Julius im Zaubertrankunterricht heruntergepputzt hatte, auch wenn Julius alles richtig gemacht hatte und wie seine Eltern sich seine abfälligen Bemerkungen über Abstammung und Grundlagen anhören mußten. Immerhin hatte Julius' Vater dem die Meinung gesagt und ihm vorgehalten, daß selbst der dümmste Schüler was lernen konnte, wenn ein Lehrer ihm was beibringen wollte. Er hörte förmlich, wie er gehässig zischte:

"Hast du dich jetzt nach Beauxbatons reingemogelt, Andrews. Glaubst wohl, die bringen dir mehr bei als wir in Hogwarts, wie? ... Och, ist dein Vater von einer der Abgrundstöchter zum hirnlosen Mörder gemacht worden? Pech für ihn!"

"Wollen nur hoffen, daß Dumbledore sich bei Snape nicht total geirrt hat", grummelte Julius. Dann wünschte er den beiden abgebildeten Hexen noch einen ruhigen Abend und verließ den Schlafsaal.

"Ey, was ist denn mit dir los? Konntest du nicht alles rauslassen, was dich aufs Klo getrieben hat?" Fragte Hercules leicht gehässig grinsend. Julius schüttelte den Kopf. Dann erzählte er ihm und seinen Schlafsaalkameraden, was in Hogwarts los war.

"Deshalb hat Königin Blanche dir dieses Bild also gelassen, damit du mit denen in Hogwarts Kontakt hältst", fiel es Hercules ein. Robert grinste dazu nur und erwiderte gehässig:

"Och, hast du das jetzt erst geblickt, Culie. Guten Morgen! Ich hoffe, du hast dich ausgepennt."

"Ey, das nimmst du sofort zurück!" Erboste sich Hercules und ging in Kampfstellung. Robert schüttelte den Kopf.

"Ist doch so, Culie. Wenn Julius ein Bild von Aurora Dawn gekriegt hat, und Madame Maxime und unsere Saalkönigin haben das abgesegnet, daß er es bei uns hinhängen darf, dann doch deshalb, weil dieses Bild anderswo noch Ableger hat, todsicher auch in Hogwarts. War doch für die 'n gefundenes Fressen, daß Julius zu seiner alten Penne noch Kontakt hat. Besonders jetzt, wo der Unnennbare in England wieder rumläuft."

"Ja, und wo Snape wahrscheinlich für den gearbeitet hat. Hoffentlich arbeitet der nicht immer noch für den, sonst ist Hogwarts bald erledigt", unkte Julius, den ein unbestimmtes Unbehagen eine brodelnde Wut einjagte.

"Dieser Dumblydor ist doch nicht blöd. Der Hat Ihr-wißt-schon-wen immer zurücktreiben können. Der wird schon wissen, wem der vertrauen kann", versuchte Hercules, die Situation zu bereinigen. Julius wiegte schwerfällig den Kopf. Dann sagte er:

"Trotz allem, was Dumbledore drauf hat ist der auch nur ein Mensch, Leute. Ich hörte nur einmal daß die Fehler, die weise Menschen begehen, schlimmer sind als die, die ungebildete oder dumme Leute begehen.""

"Eh, du bist jetzt in Beauxbatons, Julius", sagte Gérard, während Robert und Hercules sich gegenseitig belauerten, ob nicht doch wer eine Prügelei anfangen würde. Robert meinte dazu:

"Gérard, red' nicht so blöd daher! Julius hat immer noch Freunde da, die diesen Kerl jetzt aushalten müssen. Das ist sein gutes Recht, sich drüber aufzuregen."

"Robert, du suchst wohl Streit. Kannste kriegen", erregte sich Gérard und sprang auf Robert zu. Da sprang Giscard auf die Streithammel zu und bellte:

"Hier wird sich nicht gekloppt, Leute. Fünf Strafpunkte für jeden, der diesen Unsinn mitmachen wollte! Worum das immer ging, das ist die Kiste nicht wert."

Julius erzählte kurz, was er aus Hogwarts gehört hatte. Giscard meinte dazu:

"Das betrifft dich hier doch nicht wirklich, Julius. Und die drei hier sollten sich deshalb bestimmt nicht prügeln. Also vergesst es besser!" Julius grummelte zwar, mußte aber eingestehen, daß der neue Saalsprecher nicht so ganz unrecht hatte. Innerlich verwünschte er jedoch die mögliche Altersverwirrtheit Dumbledores, diesen schleimigen, hakennasigen Dreckskerl Snape mit einem der im Moment wichtigsten und brisantesten Fächer betraut zu haben.

Er erzählte noch Claire, Céline und Bébé, was er erfahren hatte. Claire meinte dazu:

"Wenn der wirklich mal für Ihr-wißt-schon-wen gearbeitet hat, wieso meint Dumbledore, dem jetzt dieses Fach zu geben?"

"Weil kein anderer den Job übernehmen wollte", vermutete Bébé. Julius mußte nicken. Das konnte natürlich ein Grund sein.

Als es halb zehn wurde, verließ er den grünen Saal, um zu seiner Privatstunde Occlumentie zu gehen. Claire sah ihm zwar etwas mißlaunig nach, sagte aber nichts dazu.

Nachdem er Professeur Faucon erzählt hatte, was er aus Hogwarts gehört hatte sah sie teils verärgert, teils irritiert aus.

"Ich hätte nie damit gerechnet, daß Professeur Dumbledore diesem Zauberer ein solch blindes Vertrauen schenkt, ihn mit diesem sehr heiklen Unterrichtsfach zu betrauen. Ich kann nur hoffen, daß sich das nicht bitterböse rächt. Aber Sie sind nicht hier, um mit mir die Personalpolitik Ihrer ehemaligen Schule zu diskutieren, Monsieur Andrews. Fangen wir an!"

Schon sehr rasch erkannte Julius, daß es schon schwerer war, gegen die Lehrerin durchzuhalten als gegen Catherine. Als er nach nur fünf Minuten nicht mehr dagegen ankämpfen konnte und Bilder aus seinen schlimmsten und anregendsten Erlebnissen durch sein Bewußtsein fluteten wie ein etwas zu schnell abgespielter 3-D-Film wußte er, sie hatte ihn überwunden. Er stemmte sich zwar noch dagegen, zumal sie ausgerechnet jetzt jene Erinnerung hervorzog, wo er in Béatrice Latierres Körper den Höhepunkt des Liebesaktes erreichte. Dann sah er die Hexe im rosafarbenen Umhang wieder, die vor ihm stand, sah ihr Gesicht und versuchte, sie aus seinem Bewußtsein zu verdrängen. Es gelang ihm zwar, aber nur, um jener Flucht durch unterirdischen Gängen Pplatzzumachen, von der er einmal geträumt hatte. Schlußendlich stand er vor der von ihm im Traum gesehenen Hexe Sardonia und ihren nicht minder herrschsüchtigen Verwandten Nigrastra und Anthelia. Dann sah er Hallitti vor sich, wie sie ihm mit weit ausgebreiteten Armen entgegenkam, nackt und tödlich gefärhlich. Da riss der Film aus erschreckenden und leidenschaftlichen Bildern ab. Julius sah in das Gesicht von Professeur Faucon, die nicht minder angestrengt aussah als er sich fühlte.

"Ja, Catherine hat dich sehr gut ausgebildet. Ich hatte schon große Mühe, diese Bilder zu erfassen, die du vielleicht gesehen hast", sagte sie, wobei sie die familiäre Anrede benutzte, die sie außerhalb von Beauxbatons pflegte. "Ich muß gestehen, dein Erlebnis mit Mademoiselle Latierre oder als Mademoiselle Latierre war schon sehr gewagt. Wenn es nicht deine Idee gewesen wäre und letzthin niemand dadurch zu Schaden kam, hätte ich Catherine empfohlen, diese Dame bei der Heilerzunft und dem Büro für Familienangelegenheiten anzuzeigen wegen Verführung zur Unzucht mit Minderjährigen. Aber zum einen hätte sie mir wohl das Präsardonianische Gesetz zum Recht des Knaben auf Ausbildung in Liebesdiensten vorbeten können und zum zweiten auf notwendige heilmagische Maßnahmen verwiesen, die die körperlich-seelische Unversehrtheit ihr anvertrauter Hexen und Zauberer erhalten sollten. Du hast versucht, mich davon abzuhalten, dieser Hexe durch deine Augen ins Gesicht zu sehen. Dabei habe ich Bilder sehen können, die leicht verschwommen waren. Das muß sich um einen Traum gehandelt haben. Ich hörte merkwürdige Kommandos über Vorrichtungen, die wie Fernsehapparate aussahen, obwohl du letzthin Sardonia und ihre weiblichen Anverwandten im Traum gesehen hast, wie du sie aus dem Buch entnehmen konntest, daß meine Tochter dir geschenkt hat. Wie kam denn diese Verknüpfung zu Stande?"

Julius erzählte ihr, was seine Mutter nach diesem Traum darüber erzählt hatte. Professeur Faucon nickte.

"Manchmal enthüllt die Phantasie des Jugendlichen im Traum mehr als die Kenntnisse des wachen Erwachsenen."

"Catherine, öhm, Madame Brickston meinte, sie habe diese Hexe in Rosa erkannt oder sowas", erwiderte Julius.

"Erkannt in dem Sinne nicht. Aber ihr habt euch schon darüber unterhalten, daß sie durchaus sehr gefährlich sein könnte", sagte Professeur Faucon. Dann sagte sie mit besonderem Ernst in der Stimme: "Es war auf jeden Fall richtig, dir jetzt schon die Occlumentie beizubringen. Deshalb werden wir diese Übungen auch fortsetzen, bis du eine ganze Viertelstunde gegen mich bestehen kannst. Catherine hat dich wie gesagt schon sehr gut vorgebildet. Aber ich werde dich erst als ausgebildet und sicher vor böswilliger Erheischung deiner Erinnerungen ansehen, wenn du auch mir diesen Widerstand entgegensetzen kannst, den du Catherine geboten hast. In fünf Minuten beginnt die zweite Runde. Trinke bitte ein Glas Wasser, um dein erhitztes Gehirn etwas abzukühlen!"

Julius trank und überlegte, wie er in der zweiten Runde diese Bilder und Gefühle verdrängen und vor seiner Lehrerin verbergen konnte. Er sah das ockergelbe Licht des Klangkerkers, den sie errichtet hatte und dachte daran, sich nur auf dieses Licht zu konzentrieren. Doch das würde nicht viel bringen. In dieser Kunst war es wichtig, nicht an etwas bestimmtes zu denken, sondern alles aus dem Bewußtsein zu verdrängen, es zu leeren.

In der Zweiten Runde hielt er lange durch. Erst nachdem die aufgestellte Sanduhr zur Hälfte durchgelaufen war bröckelte der Widerstand. Julius sah Bilder aus der vergangenen Schulwoche, sah sich mit Millie, Waltraud, Gloria und Belisama bei den Knieseln, sich danach mit Claire und Sandrine bei Madame Rossignol und wie Claire ihn von da an sehr zurückhaltend behandelte. Er sah sich vor dem Gemälde von Aurora Dawn, deren Motiv ihm gerade erzählte, daß der bei allen Nichtslytherins verhaßte Lehrer Snape Verteidigung gegen die dunklen Künste geben würde. Dann überfielen ihn wieder die Wespen aus dem Sanderson-Haus, die er jedoch schnell verdrängte, um wieder mit der in seinem Körper steckenden Béatrice Latierre zusammenzuliegen. Nein, das war Martine, und er hatte seinen eigenen Körper und lag in einem Beauxbatons-Bett, um im nächsten Moment vor Millie Latierre zu stehen. Sein Widerstand bäumte sich auf und drängte dieses Bild zurück, um im nächsten Moment in Hallittis Höhle zu stehen, die rothaarige Höllenfrau splitternackt und tödlich verführerisch vor sich.

"Dieses Geschöpf hat dich ziemlich gut überrumpelt, Julius. Wenn ich nicht gewisse Bedenken wegen dieser Hexen in Weiß und vor allem deren Anführerin hätte, würde ich sagen, wir müßten ihnen dankbar sein", sagte Professeur Faucon, nachdem sie die Übungsrunde beendet hatte und Julius sich von dem Angriff auf seine Erinnerungen erholte. "Aber ich muß davon ausgehen, daß es ihnen nie darum ging, dich zu retten, sondern nur dieses Ungeheuer in Frauengestalt zu vernichten und du ihnen nur wie ein Wurm am Angelhaken vorkamst, an dem dieses Geschöpf angebissen hat. Ich teile Catherines Besorgnis, was es mit diesen Hexen auf sich hat."

"Wollen Sie mir nicht sagen, wer die Ihrer Meinung nach sind?" Fragte Julius interessiert.

"Erst wenn ich befinde, daß du in der Occlumentie gut genug ausgebildet bist. Dieses wird der Fall sein, wenn ich selbst keine Möglichkeit mehr habe, an deine Erinnerungen zu rühren. Dann werde ich meine Vermutung erläutern, sofern sie bis dahin nicht zur Gewißheit geworden oder verworfen ist."

Julius fühlte nun, was Claire empfinden mochte. Da war jemand, der ihm etwas wichtiges nicht erzählen wollte, obwohl er sich ganz sicher war, daß es ihn etwas anging. Doch er konnte die Lehrerin nicht zwingen, ihm zu sagen, was sie ihm verschwieg. So nickte er nur und meinte:

"Dann hoffe ich, daß Sie mich bald für gut genug ausgebildet halten. Eine Andere Frage: Kennen Sie den Interfidelis-Trank?" Professeur Faucon nickte und sah ihn an, als habe sie eine Ahnung, was Julius mit dieser Frage ansprechen wollte. Er erzählte ihr, was er darüber gehört hatte und daß er sich dazu entschlossen hatte, wenn seine Mutter, Catherine und die Schulleitung ihm das erlaubten, diesen Trank zu brauen und sich und Goldschweif davon was zu verabreichen.

"Soso, die junge Mademoiselle Eschenwurz kennt also den Interfidelis-Trank. Hätte mich auch gewundert, wenn sie das vergessen hätte, wenn Gudrun ihr und anderen den auch noch vorführt. An und für sich sehr unverantwortlich für eine sonst so geschätzte Kollegin von mir", sagte sie. "Aber da sprichwörtlich die Katze aus dem Sack ist und du weißt, wie hilfreich eine direkte Verständigung zwischen Mensch und Kniesel sein kann, und nachdem ich alles gesehen habe, was dir in den letzten Monaten widerfahren ist, werde ich Catherine und deiner Mutter schreiben, daß ich sofort die entsprechenden Maßnahmen einleite, dir und Goldschweif über diesen Trank die Bindung zu ermöglichen, wenn sie beide ihr Einverständnis erklären. Ordnung muß sein. Denn wenn es nach mir ginge würde ich dir diesen Trank gleich heute geben, natürlich unter der Aufsicht von Madame Rossignol und im Beisein der Kollegen Professeur Fixus und Professeur Armadillus.

"Wie lange braucht denn so ein Interfidelis-Trank, bis er fertig ist?" Fragte Julius.

"Der Basistrank drei Wochen, und nachdem von dir und dem Wesen, mit dem die Verbindung hergestellt werden soll ein Zwölftel des im Körper kreisenden Blutes hinzugegeben wurde noch eine volle Erddrehung vom Zeitpunkt des Hinzufügens an. Mein neuer Kollege Horace Slughorn hat das Verfahren, daß schon die Druiden benutzt haben, um mit bis zu vier gewöhnlichen Tieren Verbindung halten zu können, erheblich sicherer und dauerhafter gemacht, eben halt nur mit der Einschränkung, daß der Trank nur auf magische Tierwesen angewendet werden kann."

"Das hat sich immer noch nicht ganz gelegt, daß Professor Dumbledore ausgerechnet Snape zum neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste gemacht hat", grummelte Julius. "Pina und die anderen tun mir echt leid. Der wird die noch heftiger runtermachen als in Zaubertränken."

"Ja, was meinen hochgeschätzten Kollegen Professor Dumbledore umtrieb, diesen Zauberer mit einem der brisantesten Unterrichtsfächer zu betrauen, noch dazu in diesen Zeiten, will mir auch nicht in den Kopf. Ich muß gestehen, nicht nur du hast allen Grund, dir Sorgen zu machen. Wann rechnest du mit den ersten Briefen aus Hogwarts?"

"Nächste oder übernächste Woche, wenn die erste volle Woche um ist und man mir was erzählen kann oder Gloria."

"Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir die Sachen erzählst, die nicht unmittelbar das Privatleben deiner Freunde betreffen", sagte sie ruhig und keineswegs befehlend. Julius nickte.

Nachdem sie vier weitere Übungsrunden mit längeren Pausen überstanden hatten, wobei Julius sich nun mehr darauf einstimmte, bestimmte Bilder sofort zu verdrängen, entließ ihn Professeur Faucon zur Nachtruhe.

Claire fragte nicht einmal, was er jetzt gemacht hatte. Sie war schon im Bett, sagte ihm Virginie Delamontagne. Julius gähnte demonstrativ und ging ebenfalls zur Ruhe.

__________

Am Sonntag berief Madame Rossignol die Pflegehelfer zur Gesamtkonferenz ein. Sie stellte den bereits eingesessenen die vier neuen Pflegehelferinnen Carmen Deleste, Patrice Duisenberg, Belisama Lagrange und Mildrid Latierre vor und teilte die Gruppen neu ein.

"Die erste Gruppe besteht aus Belisama Lagrange, Josephine Marat, Gerlinde van Drakens, Carmen Deleste und Sandrine Dumas, sowie Sixtus Darodi. Die restlichen Pflegehelfer und -helferinnen stellen die zweite Gruppe. Nächste Woche beginnt Gruppe a mit dem Formhaltungskurs für magische Ersthilfe", sagte die Heilerin. Somit waren Millie und Julius zusammen mit Deborah, Patrice und Felicité dazu bestimmt, dieses Jahr und womöglich die folgenden Jahre zusammenzuarbeiten.

Der restliche Sonntagmorgen brachte eine gewisse Spannung der fröhlichen Art. Die Quidditchmannschaften trafen sich beim Stadion, wo Professeur Dedalus ein großes Rad aufgestellt hatte, dessen sechs Speichen für die sechs Hausfarben standen. Er ließ das Rad mit einem Stubser seines Zauberstabs anlaufen, sich schnellund immer schneller drehen und dann auf den Punkt anhalten, als hätte es sich gar nicht erst gedreht. Die Speiche, die senkrecht nach oben wies stand für eine der Mannschaften. Es war die violette. Dedalus sagte diese Farbe laut an und notierte sie als Mannschaft des ersten Spiels. Dann ließ er das Rad wieder anspringen und wieder nach einer willkührlichen Zeit auf dem Punkt stehenbleiben. Julius hörte kein Quietschen oder Schnarren einer Bremse. Höchstwahrscheinlich wurde der ganze Schwung genauso ausgelöscht, wie durch Zauberei Dinge ohne Zutun in Bewegung gerieten. Die zweite Mannschaft des ersten Spiels war Mannschaft Gelb. Somit hatten die grünen und Roten, die traditionellen Hauptgegner mehr Zeit zum Training. Die beiden Farben des ersten Spiels wichen einem silbernen Farbton. Dann erfolgte die Auslosung des zweiten Spiels, in diesem Fall Weiß gegen Rot. Somit stand fest, daß im dritten spiel Blau gegen Grün antreten mußte. Die zweite Runde begann mit der Zulosung von Gelb und Rot. Dann Grün und Weiß, was auf Blau und Violett als letztes Spiel dieser Runde hinauslief. In der dritten Runde spielten zuerst die grünen gegen die Violetten, dann die Blauen gegen die Roten und Weiß gegen Gelb. In der darauf folgenden Runde spielten die Roten gegen die Violetten, die Weißen gegen die Blauen und die Grünen gegen die Gelben. Die letzte Runde verhieß den Schlager des Turniers Rot gegen Grün am Anfang, dann die Weißen und Violetten, dann die Blauen und Gelben.

"Wenn unser Spiel gelaufen ist können die beiden danach ausfallen", tönte Hannibal Platini, der neue Hüter der Roten. Dafür bekam er zehn Strafpunkte von Professeur Dedalus.

"Also sehen wir uns beide erst in der fünften Runde auf den Besen", sagte Millie zu Julius, als sie vom Quidditchfeld heruntergingen.

"Denke bloß nicht, ich nähme Rücksicht auf dich!" Sagte Julius knochentrocken.

"Gut zu wissen, daß ich auch auf dich keine Rücksicht nehmen muß", konterte Millie und zog mit ihren Kameraden aus der roten Mannschaft ab, um die Auslosung und die sich daraus ergebenden Taktiken zu besprechen. Der restliche Sonntag gehörte der Sommersonne und dem Meer. Julius schwamm einmal mit Gloria einige hundert Meter hinaus, bis Virginie, die heute Strandaufsicht hatte mit dem Sonojectus-Zauber ihre Stimme wie ein Strahl aus gebündeltem Schall übers Wasser klingen ließ:

"Nicht zu weit raus, ihr beiden!"

"Den lerne ich auch noch", sagte Gloria. "Ziemlich praktisch dieser Schallwerferzauber."

"So was ähnliches hat man mit Mum gemacht, um ihr einzugeben, sie sei von den Zauberern verhext und verrückt gemacht worden", erinnerte sich Julius.

"Na ja, alles kann man zum Bösen verwenden", sagte Gloria. "Oma Jane sagt, daß du mit demselben Messer, mit dem du ein Stück Brot für einen Hungrigen abschneidest, im nächsten Moment wem anderem die Kehle durchschneiden kannst. Deshalb ist das mit den Dunklen Künsten und den Abwehrzaubern dagegen ja so wichtig, wie was benutzt wird und welche Gefahren dabei entstehen können."

"Tja, wenn der richtige Lehrer das Zeug unterrichtet", warf Julius ein und paßte auf, nicht zu schnell zu schwimmen.

"Warten wir ab, was unsere früheren Schulkameraden schreiben!" Zähneknirschte Gloria. Julius schwieg dazu nur.

__________

Am Morgen des Sechsten Septembers flog eine Gruppe aus vier unterschiedlichen Eulen, einem Steinkauz, einem Habichtskauz, einem Uhu und einer Waldohreule im großen Schwarm der Posteulen mit. Julius konnte jedoch sofort sehen, daß diese Vögel wohl zusammengehörten und erst als sie in der Mitte des Speisesaals angelangt waren in verschiedene Richtungen flogen. Der Uhu segelte majestätisch über dem roten Tisch herunter und landete vor Patricia Latierre, während die Waldohreule vor Millies Teller niederging. Der Habichtskauz landete genau vor Callie Latierre, die gerade ein dick mit Marmelade bestrichenes Stück Weißbrot von ihrem Teller nahm, und der Steinkauz glitt mit immer weniger Flügelschlägen genau zum grünen Tisch herüber und setzte vor Julius Andrews links neben dessen Teller auf. Alle diese Vögel hatten dicke Briefumschläge an einem Bein hängen. Julius ahnte, was diese Viererstaffel für Nachrichten brachte. Hercules, der den Einflug aller Eulen gespannt verfolgte, fragte Julius, wer ihm da was geschickt hatte. Julius sagte ihm:

"Werde ich gleich wissen, Hercules." Dann nahm er den Briefumschlag vom Bein des Steinkauzes und öffnete ihn vorsichtig. Drei Pergamentseiten kamen zum Vorschein. Julius nahm das obere davon und las:

Hallo, Julius!

Meine Mutter hat mich gebeten, dir sofort zu schreiben, wenn alles gut geklappt hat. Wir möchten dir mitteilen, daß gestern abend um neun Uhr meine neuen Schwestern Esperance und Felicité nach nur anderthalb Stunden Anstrengung angekommen sind. Meiner Mutter und den beiden ganz neuen Mädchen geht es gut. Esperance entwickelte gleich nach der Ankunft einen sehr großen Durst und hat auch nur einmal kurz geschrien, kaum das sie an der frischen Luft war. Felicité hingegen hat fünf Minuten lang ihre Verärgerung hinausgeschrien, jetzt in dieser kalten, lauten Welt leben zu müssen. Obwohl es Maman doch ziemlich gut ausgezehrt hat und ich ihr nach der erfolgreichen Geburt eine kleine Menge Bluterneuerungstrank verabreichen mußte, meinte sie, es sei immer wieder schön, nach dieser Anstrengung neues Leben in den Armen zu haben und könnte sich vorstellen, noch einmal Mutter werden zu wollen, wenn die beiden laufen gelernt hätten. Sie meinte, ich solle dir das sofort schreiben, daß du in den Weihnachtsferien unbedingt zu uns ins Château Tournesol kommen möchtest, um die beiden zu besuchen, da sie dir ja ihr Leben zu verdanken hätten. Maman hat mir für dich noch einige Zeilen mitgegeben, die du hoffentlich zusammen mit meiner Schwester Patricia und meinen Nichten Callie, Pennie und Millie bekommen wirst.

Noch viel Erfolg in Beauxbatons!

                             Béatrice Latierre

"Mademoiselle Latierre hat mir geschrieben, daß Millies ganz neue Tanten angekommen sind", kommentierte Julius den Brief. Robert fragte:

"Und, hat die große, runde Oma Latierre jetzt genug Junge gekriegt?"

"Steht hier so nicht drin", erwiderte Julius. Dann nahm er den zweiten Pergamentbogen, auf dem sich Madame Latierre noch einmal dafür bedankte, daß sie diese wenn zwischendurch schmerzhafte, aber doch unbezahlbare Freude erfahren durfte, weil er ihr nach dem Dementorenüberfall in Millemerveilles so schnell und selbstlos geholfen hatte. "Wie gesagt steckt in den beiden was von dir mit drin. Deshalb nur noch einmal meine Bestätigung, daß du sobald es sich in den Weihnachtsferien einrichten läßt zu uns kommen möchtest, um sie dir ausgepackt anzusehen. Noch einmal sehr herzlichen Dank, Julius", las er noch. Auf dem dritten Pergamentzettel stand eine kurze Danksagung von Monsieur Latierre. Der schrieb ihm, daß er nicht bei "seinen Frauen" sein durfte, als Madame Ursuline die entscheidenden Vorzeichen der anstehenden Zwillingsgeburt verspürt hatte.

"Ich habe alle meine vier Kinder, die ich mit Line habe direkt nach der Geburt so richtig pinkeln lassen. Aber leider wollen die in Beaux ja nicht, daß ihr was anständiges zu trinken bekommt, wenn so ein Ereignis gefeiert wird. Deshalb werde ich aus dem Fass Wein, das ich extra wegen unserer beiden neuen Prinzessinnen angestochen habe etwas von dem holden Rebensaft in Conservatempus-Krügen auslagern, damit du zu Weihnachten was davon hast, wenn du zu uns kommst. Line besteht darauf, daß deine Maman und du zu uns herüberkommt, ob Antoinette Eauvive euch nun zu sich einläd oder nicht."

"Tja, jetzt ist der Latierre-Clan um zwei Hexen reicher", sagte Julius schmunzelnd, als er die drei Briefe aus einem Umschlag fortsteckte.

Millie sprach ihn nachmittags vor der Tierwesen-AG auf diese frohe Botschaft an.

"Dir ist klar, daß Oma Line das so gemeint hat, wie sie es dir gesagt hat, Julius. Also nimm dir über Weihnachten nix vor, was dich zu weit vom Château fortführt. Demie kann ja nicht um die ganze Welt fliegen."

"Millie, ich denke nicht, daß deine Oma mich mitten in Paris mit Demie abholen kommt. Würde den Muggeln ja auffallen, wenn eine geflügelte Riesenkuh auf einer öffentlichen Straße runtergeht und da vielleicht noch einen großen Fladen hinklatscht", grinste Julius.

"Ich denke, so oft wie man dich schon an die Hand genommen und beim Apparieren mitgezogen hat macht dir das bestimmt nichts aus, wenn Tante Trice dich bei euch abholt. Mit der bist du doch so gut zurechtgekommen."

Julius schluckte und mußte sofort seine Selbstbeherrschungsformel denken, um nicht in einer Woge aus Ertapptheit zu versinken. Erst drei Sekunden später sagte er:

"Was immer bei euch im Schloß rumging, Millie, ist stark übertrieben."

"Soso, dafür brauchtest du jetzt so lange?" Erwiderte Millie grinsend. "Ich denke mal, Tante Trice sieht nicht zu schlecht aus, daß du dich dafür schämen müßtest, wenn zwischen ihr und dir was gelaufen wäre, was mehr als irgendwelches Fachgeplauder war. Nur wenn ihr beide da was angestellt habt, um Orions alten Zauber zu vertreiben, dann müßt ihr beiden euch ja ziemlich gut abgestimmt haben", raunte sie leise, bevor Waltraud und Gloria in Hörweite kamen.

"Lassen wir die Angelegenheit ruhen", schnarrte Julius. "Deiner Familie wäre das nicht recht, darauf rumzureiten."

"Wohl wahr", amüsierte sich Millie halblaut. Dann sagte sie laut genug, daß die beiden anderen Mädchen es hören konnten: "Jedenfalls steht fest, daß Oma dich als Paten für Tante Esperance und Tante Felicité haben möchte. Überlege es dir also gut, bevor du diese Ehre zurückweist!"

"Unter siebzehnjährige dürfen keine Patenschaften übernehmen, Mademoiselle Latierre. Es sei denn, deine Familie erklärt mich für volljährig, wofür ich aber keine gesetzliche Grundlage sehe."

"Ach, habt ihr's davon, daß Julius deiner Oma nach dem Dementorenangriff geholfen hat, ihre Babys nicht zu verlieren?" Fragte Gloria. Millie und Julius nickten.

"Wie denn?" Fragte Waltraud Eschenwurz. Julius erzählte es ihr, weil es ja eh jeder in Millemerveilles mitbekommen hatte. "Oh, dann steckt in den beiden Kindern was von dir, als wenn du ein entfernter Verwandter von denen wärest, Julius. In Deutschland steht jemand, der einem ungeborenen Kind das Leben gerettet hat, schon als Pate fest, egal ob er oder sie siebzehn oder drunter ist. Das hieße, du wärest jetzt ein gesellschaftlich anerkanntes Mitglied dieser Großfamilie", bemerkte sie dazu. "Das hieße nach unseren Familienstandsgesetzen auch, daß du von der Familie des Patenkindes aufgenommen und versorgt werden müßtest, wenn deinen Verwandten vor deiner Volljährigkeit was passierte."

"Nett", bemerkte Julius dazu. "Soll ich jetzt hoffen, daß die französischen Familienstandsgesetze anders sind oder das meine Mutter lange genug lebt, daß ich nicht vor meinem siebzehnten bei Millies Oma einziehen muß?" Legte er leicht ungehalten nach. Waltraud erkannte, was sie da angedeutet hatte und entschuldigte sich.

"Och, so unpraktisch wäre das nicht, wenn Julius bei meiner Oma einzieht. Dann hättest du zumindest Superexperten für alles in Rufweite, Julius", griff Millie Waltrauds Bemerkung auf. Gloria sagte dazu:

"Nicht wenn er ein Mitglied der Eauvive-Sippe ist, Mesdemoiselles. Die würden das nie zulassen, daß er von den Latierres aufgenommen würde, es sei denn, er würde eine geborene Latierre-Hexe heiraten. Doch das liegt ja wohl weit genug weg, als es noch weiter auszuwalzen."

"Es war nur eine Erklärung, was in Deutschland üblich ist", knurrte Waltraud. Dann entschuldigte sie sich noch einmal bei Julius für diese indirekte Andeutung, seiner Mutter könne ja was passieren.

"Ich trage dir das nicht nach, Waltraud. Ist ja auch interessant, was in anderen Ländern gilt. In irgendeinem zentralasiatischen Zauberervolk darf ein Ehemann erst mit seiner Frau zusammenliegen, wenn seine Schwiegermutter von ihm ein Kind bekommen hat. Ist noch abgedrehter."

"Allerdings", fauchte Gloria, bevor Armadillus von hinten kam und sie voranscheuchte, weil die übrigen Tierwesen-AG-Teilnehmer schon vor seiner Tür warteten und sie nicht den Betrieb aufhalten sollten.

__________

Der Schulalltag beanspruchte sie nun wieder voll. Julius versuchte zwar noch ein paarmal, Claire für ein längeres Gespräch zu begeistern, doch sie beließ es nur bei kurzen Sätzen und wies darauf hin, daß er ja wohl wegen seiner Gedankenzauberstunden mit Professeur Faucon nichts tun dürfe, was diese ärgern könne. Offenbar hatte Céline sie von der felsenfesten Ansicht überzeugt, daß er eben solche Zauberei lernte. Sicher, er hatte ja auch erwähnt, daß er etwas dazu passendes bei Catherine lernte. So blieb ihm wohl oder übel mehr Zeit zum lernen. Darin glich er Waltraud Eschenwurz, die man nach der Eingewöhnungswoche nie ohne ein Buch oder über irgendwas nachdenkend antraf. Sicher, sie unterhielt sich auch mit Leuten und war bald für ihre offene, direkte Art bekannt, Leuten etwas zu sagen, auch wenn sie sich denken konnte, daß sie es nicht hören wollten. Das heftigste Erlebnis dieser Art hatte Julius beim Kräuterkundeunterricht erlebt, wo sie sich mit Estelle Messier in der Wolle gehabt hatte, weil diese offenbar die vorbereitenden Texte über Den Siedesämling nicht gründlich genug gemacht hatte, weil sie die mehlfeinen Samenkörner mit bloßen Händen anfaßte, worauf sie schlagartig gefährlich große Brandblasen an den Fingern bekam, ja, es sah so aus, als koche alles Wasser unter ihrer Haut. Laut schreiend wirbelte sie herum, als feine Dampfwolken aus ihren Fingern herausquollen, aus tiefen runden Löchern. Julius war sofort hingelaufen und hatte mit einem Schockgefrierzauber den Siedevorgang beendet, wie er es aus dem Buch über diese heimtückische Pflanze gelesen hatte. Professeur Trifolio war in heller Aufregung und auch einer gewissen Verärgerungherübergekommen und besah sich das Unglück. Julius vollführte die mittlerweile routinierten Zauber und trug Wundheilsalbe auf. Einmal holte er sich per Schlüssel Instruktionen von Heilerin Rossignol ein, die ihm sagte, was er mit seinen Kenntnissen und Mitteln machen mußte. Tatsächlich gelang es ihm, Estelles Haut restlos zu heilen. Belisama, seine neue Pflegehelferkameradin, sah ihm ruhig dabei zu. Danach tadelte Waltraud Estelle und hielt ihr vor, wohl nur für Zauberkunst richtig zu üben, weil sie sie ja nur mit Zauberkunstbüchern in der Bibliothek zu sehen bekäme. Nachdem Estelle Waltraud entgegengeschleudert hatte, sie solle sich an den eigenen Eierkopf fassen, hatte Trifolio diesen aufflammenden Zank unterbunden und beiden dafür zehn Strafpunkte verpaßt und Estelle wegen grober Unvorsicht noch mal zwanzig, so leid ihm dies für jemanden aus seinem Saal tat.

Gloria Porter, die dem ganzen zugesehen hatte, lobte Julius nach der Stunde und meinte:

"Waltraud ist wohl davon überzeugt, alle müßten alles lernen. Kenne ich eher von Muggelstämmigen."

"Danke", erwiderte Julius. "So wollen die mich hier ja hinstellen."

"Nimm's bitte nicht persönlich, Julius!" Erwiderte Gloria. "Ich wollte nur sagen, daß Waltraud vergessen hat, daß es auch Leute gibt, die sich nicht für alles gleichzeitig interessieren."

"Das ist ihr Ding", erwiderte Julius etwas unwirsch. Dann entschuldigte er sich und sagte: "Ich hänge jetzt voll in dieser Zwickmühle, weil ich zum einen wissen will, was ich lernen kann, ich aber auch nicht will, daß mir das doch irgendwann zu viel wird und ich ja doch auch etwas Spaß an der Freizeit haben will."

"Dann mußt du dir einen Plan machen, wie du was am besten unterbringst, wie ein ZAG-Schüler seine Wiederholungsübungen verplant. Ich denke, so haben die das bei dir gemeint."

"Das wird es sein, Gloria", stimmte Julius zu. Dann gingen sie in ihre zugeteilten Wohnsäle.

Am dritten Freitag im September erhielt Julius Post aus Hogwarts. Kevin schrieb, er ärgere sich, daß sie nun bei Snape Verteidigung gegen die dunklen Künste hätten. Aber "dieser Slughorn" sei dafür um Meilen besser. Aber das sei ja kein Kunststück. Dann kam noch ein Brief von Catherine und seiner Mutter.

Hallo, Julius,

wir haben den Brief von deiner Saalvorsteherin erhalten. Catherine hat erst nicht gewußt, worum es ging, und das soll wohl was heißen. Sie mußte in die Bibliothek in der Rue de Camouflage und sich schlaulesen. Als sie mir dann berichtete, daß dieser Trank aus sehr seltenen Bestandteilen sehr sorgsam angerührt werden müsse, war ich erst skeptisch, ob du dieses Risiko wirklich eingehen solltest. Dann sprach ich mit dem Abbild unserer gemeinsamen - na ja - Urmutter Viviane und erfuhr, daß sie schon genug Leute kennengelernt habe, die sich durch diesen Trank einen entscheidenden Vorteil bei der Führung sonst sehr scheuer oder aggressiver Zaubertiere verschafft haben, es aber auch schon zu vielen Unfällen gekommen sei, weil bei der Zubereitung winzige Abweichungen zu unerwünschten Ergebnissen führten. Da ich jedoch gerade nach unseren Erlebnissen in den Ferien überzeugt bin, daß du alles tun solltest, was dich vor weiteren Gefahren so gut es geht schützt, stimme ich dem Experiment zu. Also fang bitte nicht an, diesen Trank alleine zu brauen, auch wenn du noch so gut darin bist! Ich hoffe, du tust das richtige.

Catherine und ich haben einen Brief an Professeur Faucon geschickt und unsere Genehmigung unter der Bedingung erteilt, daß gesichert wird, daß der Trank den ordentlichen Vorgaben entspricht, daß ein mögliches Gegenmittel bereitgestellt wird und du nach der Einnahme von der Heilerin überwacht wirst, bis sicher ist, daß dir nichts mehr passieren kann, was auf den Trank zurückzuführen ist.

Bitte schreibe mir, wenn alles geklappt hat!

In Liebe
                    Martha Andrews

Einen Tag später bat Professeur Faucon Julius zu sich. Bei ihr waren Professeur Fixus, Professeur Armadillus und Madame Rossignol.

"Hallo, Monsieur Andrews. Gemäß der uns gestern zugegangenen Genehmigung Ihrer Mutter Martha Andrews, sowie Ihrer für magische Angelegenheiten zuständigen Madame Catherine Brickston, Ihnen und dem weiblichen Kniesel Goldschweif XXVI. den Zaubertrank Interfidelis in der korrekten Zusammensetzung und Dosierung zu verabreichen, möchte ich Sie nun fragen, ob Sie diesen Schritt wirklich gehen möchten?"

Wie bei einer Hochzeit, dachte Julius. Ein Wort entschied alles. Ob es das richtige Wort war, zeigte sich dann womöglich erst Jahre später. Im Grunde war es ja auch genau das, wenn nicht zum Zweck einer Familiengründung, dann zumindest eine Verbindung zweier sich vertrauender Wesen, damit sie ein gemeinsames Leben führen konnten. Mit seinem nächsten Wort würde er seine und Goldschweifs Zukunft zementieren, eine gemeinsame Zukunft, von der keiner heute schon sagen konnte, was sie bereithielt. Er dachte an die Bilder aus der Vision bei Marie Laveau. Da hatte er ein Bild gesehen, wie er mit Goldschweif zusammenstand, allerdings in der gemalten Welt, bei Viviane Eauvive. Doch von den vier Zukunftsbildern, die er kurz vor Schluß gesehen hatte, war keines dabei, daß ihn mit Goldschweif zeigte. Was hatte Marie Laveaus Geist noch einmal gesagt: Die Abbildung, die wie sein Vater in jungen Jahren oder ihm selbst aussah, sei das, was er in der Zukunft bewahren solle und die anderen Bilder seien die Ziele von Wegen, die ihn ins Unglück führen würden. Er dachte eine weitere Viertelminute lang nach. Dann sagte er laut und deutlich: "Ja, ich bin dazu bereit." Wenn es Barbara Latierre getan hatte und dabei keinen geistigen Schaden abbekommen hatte, dann klappte es auch bei ihm. Doch wer hatte den Trank gebraut? Oder würde dieser noch gebraut?

"Da Sie nun erklärt haben, diesen Trank zusammen mit Goldschweif XXVI. einzunehmen, möchte ich Sie darüber informieren, daß ich, eine mögliche Genehmigung voraussetzend, bei der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe um eine ausreichende Dosierung des Trankes gebeten habe", sagte Professeur Faucon. "Ich erhielt gestern abend noch die Bestätigung von Madame Barbara Latierre, Leiterin des Büros für Aufzucht und Betreuung magischer Tierwesen, daß eine ausreichende Menge des Interfidelis-Trankes vorrätig sei und bekam diese heute Morgen per Expresseule zugestellt. Professeur Fixus wird nun vor uns allen die korrekte Zusammensetzung des Trankes gemäß der in "Elixiere der Macht" niedergeschriebenen Rezeptur prüfen, um eine doppelte Verifikation zu erstellen. Sollte die zugestellte Mischung der als den gewünschten Effekt garantierenden Rezeptur entsprechen, wird Madame Rossignol Ihnen nach Bemessung ihres gesamten Blutgehaltes exakt ein Zwölftel Blut entnehmen, während Professeur Armadillus dies bei Goldschweif tut. Die dabei gewonnenen Mengen Blut werden in den Trank gegeben und eine volle Erddrehung auf kleiner Flamme bis zur endgültigen Wirksamkeit herangereift. Bei Vollendung der Erddrehung wird zuerst Goldschweif XXVI. und danach Sie selbst die für das gegenwärtige Körpergewicht ausgerechnete Dosis trinken. Madame Rossignol hat für den unerfreulichen Fall, daß trotz unserer Vorsichtsmaßnahmen und Prüfungen ein Fehler auftritt ein Gegenmittel erhalten, um Ihnen erste Hilfe leisten zu können. Sollte dieses nicht ausreichen, steht immer noch ein Transport in die Delourdes-Klinik zu Gebote. Aber Diesen Fall möchten wir natürlich vermeiden", fuhr die Lehrerin mit ihrer Erläuterung fort. Julius nickte. Er hoffte, daß dieses Experiment nicht doch noch danebenging. Professeur Fixus ließ sich von Professeur Faucon eine große, blaue Flasche mit einem Etikett geben, das den Kopf eines Menschen und den Kopf eines Löwen mit Hörnern zeigte, zwischen denen zwei goldene Pfeile hin- und zurückwiesen. Die Zaubertranklehrerin baute per Zauberkraft einen Wandschirm auf, hinter dem sie in Deckung ging. Julius hörte nur ein Klappern und Plätschern und bekam nicht mit, wie die Lehrerin für magische Alchemie diesen Zaubertrank analysierte. Er wußte aus den Tagen an Belles Seite, daß es einen relativ einfachen Zauber gab, einen fertigen Trank in seine Einzelbestandteile zu zerlegen. Aber wie analysiert werden konnte, ob bestimmte Mischungsvorschriften eingehalten worden waren, konnte er sich nicht vorstellen. Doch irgendwann würde er auch das lernen, falls dieses Experiment nicht grundweg schief ging und er danach ... Nein, daran wollte er nicht denken.

Nach etwa einer halben Stunde kehrte die Zaubertranklehrerin zurück und verkündete: "Der Trank ist korrekt nach den Vorgaben gebraut. Ich habe fünf Untersuchungen durchgeführt, alle mit demselben Ergebnis."

"Phase 2", dachte Julius. Professeur Fixus wiederholte das laut.

Halt jetzt bitte still, damit ich deine Blutmenge im Körper bestimmen kann!" Forderte Madame Rossignol den Jungen auf. Julius stellte sich ruhig hin, während sie mit ihrem Zauberstab und einem Instrument, das wie eine Fahrradpumpe aus Glas aussah vor seinem Bauch hantierte. Einmal hörte er die Worte "Quantitasanguinis Revelio". Er fühlte etwas wie einen Stoß in sich selbst entstehen und sich innerhalb einer Sekunde von der Schädeldecke bis in die Finger- und Zehenspitzen ausbreiten. Gleichzeitig sah er, wie der gläserne Kolben des Pumpenähnlichen Instruments von einem inneren Druck nach außen geschoben wurde. Wie dieser Zauber ging und was er über seine Blutmenge aussagen sollte konnte er nur ahnen. Vielleicht war dieses gläserne Gerät darauf kallibriert, ein Echo dieser magischen Stoßwelle in seinem Körper aufzufangen und sich daraufhin um den Wert auszufahren, der dann auf die Blutmenge im Körper zutraf. Jedenfalls notierte sich die Heilerin nach vier Sekunden, in denen keine weitere Reaktion erfolgte etwas und sagte laut:

"Der Bluterschütterungskolben wurde auf einen Umrechnungswert von 6570 Kubikzentimeter ausgefahren. Insofern muß ich jetzt ein Zwölftel davon ausrechnen. Dann kann ich mit Professeur Armadillus die Menge bei Goldschweif bestimmen und ihn ihr Blut abnehmen lassen."

"Ohne Taschenrechner sowas auszurechnen ist wohl nicht einfach", sagte Julius.

"Wir brauchen keine Elektronischen Hilfsmittel, die hier sowieso nicht funktionieren würden", sagte Professeur Faucon. Die Heilerin schrieb die gemessene Zahl hin und machte dann eine schöne schriftliche Divisionsrechnung, wie Julius' Grundschulmathematiklehrer sie ihm und seinen Klassenkameraden in der vierten Klasse beigebracht hatte. Dabei kam sie auf 547 1/2 Kubikzentimeter. Das war etwas mehr als ein halber Liter Blut, erkannte Julius und erbleichte. Das würde er gleich abgeben müssen. Wehe, sie vertat sich dabei um einen halben Kubikzentimeter!

"Wo ist Goldschweif?" Fragte Madame Rossignol.

"Ich habe sie in einem Tragekorb in meinem Büro. Ich hole sie. Aber sie wird nicht gerade gutmütig sein", sagte Armadillus und verließ Professeur Faucons Büro. Einige Zeit später kam er mit einem unwirsch knurrenden Tragekorb mit Luftschlitzen zurück.

__________

Aries, der die Grenzen um unsere Wohnhöhlen gemacht hat, ruft mich zu sich. Vor ihm steht ein Bau aus dünnen Stangen, fast wie ein Nest. Ich rieche frisches, unverbranntes Vogelfleisch und bekomme Hunger. Ich laufe zu dem Stangenbau hinüber, springe hinein und finde einen federlosen Vogel, wohl gerade gejagt, denn an ihm ist noch Blut. Ich will ihn herausziehen, da fällt über mir was herunter wie die Decke einer Wohnhöhle. Ich rufe: "Heh, wegmachen! ich will hier wieder raus!" Aber ich kann hier nicht mehr heraus. Ich fühle, wie dieser Bau nach oben steigt und dann in die Richtung fliegt, wo der große Steinbau der Menschenjungen ist. Ich höre die Kraft in diesem Bau singen. Sie trägt mich und diesen Bau, der mich eingefangen hat in den großen Steinbau hinein bis irgendwo hin, wo ich bisher noch nicht war. Durch die Stangen dieses tragbaren Nestes kann ich Aries erkennen, der gerade ein Schließholz zwischen sich und mich drückt. Ich rufe noch ein paarmal. Dann merke ich, daß ich wohl hierbleiben soll. Immer noch habe ich Hunger. So fresse ich diesen Vogel, dessen leckerer Geruch mich in diesen Einfängerbau reingebracht hat. Als ich satt bin kommt Aries zurück, drückt das Schließholz zur Seite und spricht zu mir.

"Goldschweif, ganz ruhig. Ich bringe dich zu Julius. Hörst du? Julius!"

"Warum ist der nicht zu mir gekommen?" Knurre ich. "Was soll das hier mit dem Trageding? Ich will hier raus und alleine laufen." Doch der versteht mich einfach nicht. Er trägt mich jetzt selbst, weil seine Greifpfoten über mir ain großes Ding fest umklammern und die Kraft nicht zu hören ist, von der Kraft abgesehen, die ich in den Wänden und anderswo leise singen höre. Ich fühle, daß ich mich Julius nähere. Dann bin ich in einer Höhle, wo er wirklich ist. Ich rieche ihn, höre ihn mit seinen Artgenossen sprechen und fühle seine anregende Ausstrahlung. Dann hebt sich die Verdeckung dieses gemeinen Einfängerbaus und ich springe sofort heraus. Julius ist da und spricht zu mir:

"Ganz ruhig, Goldi. Wir machen gleich was, damit wir beide ohne weiteres miteinander reden können. Interfidelis heißt das. Wenn wir das gemacht haben, kann ich verstehen, was du mir sagen willst."

Er spricht ruhig und ohne böses in der Stimme zu mir. Ja, dieses Wort Interfidelis habe ich schon gehört. Heißt das nicht, es würde mir helfen, ihm zu sagen, was ich ihm sagen will, das er das auch versteht? Ich beruhige mich, lasse mich von ihm auf seine Laufbeine heben und sage ihm, daß ich jetzt ganz ruhig bin und es mir gut geht. Die, die den Jungen hier hilft, wenn sie sich verletzt haben oder krank sind, macht was mit dem Stab ... "Heh, lass das!" Rufe ich. Doch da schrillt schon die Kraft in meinen Ohren und Barthaaren und aus mir will was raus, das mir in die Pfoten, den Schwanz und die ohren saust. Dann höre ich sie was sagen, was ich nicht verstehen kann. Muß wohl was sein, was gezählt werden kann. Aber mit diesem Wort kann ich nichts anfangen. Dann sagt Julius, ich möchte ganz ruhig bleiben. Denn da kommt diese Florence mit einer Spitzen Nadel ... "Autsch!" Rufe ich, als dieses spitze Ding in meine rechte Vorderpfote sticht. Ich fühle, wie etwas darin an mir saugt. So geht das aber nicht. Wenn sie meine Milch haben wollten hätten sie sie einfacher kriegen können und sowieso anderswo dran saugen müssen und bestimmt nicht so wehtun müssen. Nein, sie ziehen mir Blut aus dem Körper. "Nein!" Rufe ich und will mich losmachen. Doch da schlägt jemand mit der Kraft nach mir, nicht Julius. Sie singt jetzt in mir, hält mich fest. Gemeinheit! Ich kann jetzt nicht einmal rufen. Ich kann meinen Mund nicht mehr bewegen. Irgendwann hört das Saugen an meiner rechten Vorderpfote auf. Florence zieht die Nadel aus mir und macht was mit der Kraft. Auf jeden Fall tut mir danach nichts weh. Nur bin ich jetzt ziemlich müde. Die haben mich damit müde gemacht, daß sie mir Blut ausgesaugt haben wie diese lästigen Sirrflügler, die bei den heißen Sonnen häufig herumfliegen. Dann höre ich, wie Julius wohl auch gestochen wird.

"Das war schon der größte Schmerz. Wenn du mir die erforderliche Menge gegeben hast, heile ich den Einstich wie bei Goldschweif. Dann mußt du noch fünf Minuten warten, bis ich dir den Bluterneuerungstrank gebe, Julius. Ein halber Liter ist nicht gerade wenig um dann noch in der Gegend herumzuspringen", höre ich Florence sagen.

Ich höre es wieder saugen, nicht an mir. Ich sehe etwas wie eine silberne Wurzel, die sich in einem gleichen Takt bewegt und Blut in ein rundes, oben offenes Ding aus dem Zeug aus dem die Schließflächen vor den Wohnhöhlen sind gemacht ist reinspritzen. Es dauert, und das durchsichtige runde Ding wird immer mehr voll Blut. Dann stößt Florence das Ding an, in dem neben dem saugenden und schlürfenden Geräuschen auch das Singen der Kraft zu hören ist. Dann sieht sie sich dieses Blutfangding an und schüttet es durch ein oben sehr breites Maul, das in einen ganz dünnen Hals übergeht und in einem ganz langen Ding aus dem durchsichtigen Zeug endet. Dieser tote Bluttrinker bekommt Julius' Blut in seinen ganz langen Körper, auf dem ich Querstreifen mit merkwürdigen Strichen und Kringeln erkennen kann.

"Dieses Feindosierungsglas kann auf den Viertelkubikzentimeter genau gefüllt werden", höre ich Florence sagen. "Damit kann ich zwischen 0,25 und 1000 Kubikzentimeter einer Flüssigkeit abmessen. Aha, da sind wir gleich bei 547,5 Kubikzentimeter", sagt sie. Was immer sie da sagt, sie klingt erfreut, weil sie was so hinkriegt, wie sie will. Dann höre ich, daß sie wohl fertig ist und nimmt diesen langen Bluttrinker fort.

"Oh, Mann, mir wird speiübel", sagt Julius. Ihm geht es nicht gut. Die machen den auch müde oder krank. Das soll helfen, daß er mich auch ohne durch diesen Lichtsturm zu springen versteht?

"So, ich habe die Menge von Goldschweifs Blut gemäß den Angaben dosiert", sagt Aries.

"Das Gleiche gilt für Julius' Blut. Müssen wir das zusammen oder hintereinander einfüllen?"

"Laut Rezeptur hintereinander, erst die kleinere, dann die größere Menge", heult dieses kleine Menschenweibchen mit dem rotbraunen Kopffell und den durchsichtigen Stücken vor den Augen. Dann plätschert was, erst leise und wenig, dann lauter und viel.

"In Ordnung, ich habe Goldschweifs Blut zweimal umgerührt. Mit Julius' Blut muß ich die Mischung nun dreimal umrühren. Dann können wir den Trank ziehen lassen. Ich beschwöre ein tragbares Feuer, um ihn in meinen Kerker zu bringen", sagt die mit der Windheulstimme.

"Danke, Boragine. Morgen um genau diese Zeit werden wir sehen, ob wir uns verkalkuliert haben oder nicht", sagt das Weibchen, das sie hier Professeur Faucon oder Blanche nennen. Julius sagt, ich kann wieder nach draußen gehen. Aries trägt mich in diesem Ding, das Julius Korb nennt hinaus. Er selbst ist von dem Bluttrinkerstein zu müde, um mitzugehen. Sicher, ich bin auch müde. Aber ich werde mich gleich hinlegen und schlafen, bis das Wechsellicht ganz aus seinem Loch nach oben geklettert ist und ich rausgehen kann.

__________

Die Prozedur war schon anstrengend, fand Julius. Doch nachdem er fünf Minuten nach seiner Blutabnahme einen Bluterneuerungstrank getrunken hatte, fühlte er sich gleich besser. Madame Rossignol untersuchte ihn noch einmal und sagte:

"Am besten würde ich den Jungen erst nächste Woche wieder zu den Sonderunterrichtsstunden bitten, Blanche. Ich möchte sicherstellen, daß sein Geist diesen Trank ganz erholt bewältigt."

"Nun, diese Zeit ist kein Problem. Julius macht sich in dieser Kunst bereits besser als mancher Siebtklässler, den ich unterwiesen habe", sagte Professeur Faucon.

Julius kehrte in den grünen Saal zurück, wo er Claire aufsuchte, die offenbar auf ihn gewartet hatte.

"Was gibt es. Oder darfst du mir das nicht erzählen?" Sagte sie.

"In diesem Fall doch, Claire", setzte Julius an und berichtete leise, damit es nicht jeder mitbekam, was er gerade angeleiert hatte. Als er fertig war hob Claire die rechte Hand auf Julius' Wangenhöhe, ließ sie aber sofort wieder sinken, weil Virginie und Giscard ihr zusahen.

"Du machst echt jeden abgedrehten Kram mit, der dich einmal fasziniert, wie? Wozu soll das jetzt gut sein?" Herrschte sie ihren Freund an. Julius atmete tief durch und sagte:

"Das soll dazu gut sein, daß ich dann von ihr sofort erfahren kann, wenn irgendwas in der Nähe nicht stimmt oder ich mich ganz schnell für eine Richtung entscheiden soll. Meine Mutter und Catherine sind auch der Meinung, wenn ich durch diesen Trank mehr Sicherheit kriege, dürfte ich das machen."

"Ach, immerhin hast du deine Mutter gefragt, die ja so gut wie gar nichts von Zaubertränken versteht", blaffte Claire.

"Und Catherine, die bestimmt genug versteht", konterte Julius jetzt nicht mehr so davon überzeugt, daß er das Claire erzählen müsse, was er nun schon wieder vorhatte.

"Ja, und wenn du Goldschweif verstehen kannst, können wir das dann auch?"

"Nein, könnt ihr nicht, weil es so ähnlich läuft wie bei Madame L'ordouxes Bienenverständigungstrank. Den hast du auch anstandslos geschluckt, als wir sie besucht haben. Also spiel dich jetzt bitte nicht so auf, als wärest du meine Mutter und ich hätte mich zu was überreden lassen, was nicht gut für mich ist!"

"Ach, dann habe ich nicht das Recht, dir zu sagen, wie ich etwas finde, was du vorhast?" Fragte Claire. Julius dachte kurz nach. Dann sagte er:

"Du hast das recht, mir zu sagen, ob du das gut findest oder nicht. Mir einzureden, was ich zu tun und zu lassen habe, das Recht hast du nicht. Genauso darf ich dir ja auch nicht reinreden, wenn du was machst, was gefährlich werden könnte."

"Ich dachte, das gehört zu einer Partnerschaft dazu, daß man sich gegenseitig hilft, das richtige zu tun", sagte Claire verbittert. "Aber offenbar gilt das nicht in England oder in der Muggelwelt oder was weiß ich."

"Gegenseitig helfen heißt nicht, sich gegenseitig zu bevormunden", dachte Julius für sich. Er wollte es zwar aussprechen, aber dann hätte er eine längere Diskussion mit Claire am Hals. So sagte er nur: "Das hängt von der Hilfe ab und ob der Partner sie will oder nicht will, Claire. Bitte versteh das, daß ich diese Möglichkeit nutzen möchte, wenn sie schon mal da ist. Wenn Goldschweif dich ausgesucht hätte, und jemand hätte dir das erzählt, daß sowas ginge, würdest du es auch machen wollen."

"Ja, doch ich hätte meinen festen Freund vorher gefragt, was er davon hält, bevor ich damit loslege, einfach damit er sich nicht blöd fühlt, so wie ich mich jetzt blöd fühle. Nur, damit du das weißt", erwiderte Claire und wandte sich wieder ab. Julius ging ihr nach. Doch als sie wieder durch die Tür zum Mädchentrakt verschwand, schnaufte er nur. Gaston, der die Szene mitbekommen hatte grinste ihn an und sagte:

"Jetzt erzähl mir noch einmal, es sei so schön und erfrischend, eine Freundin zu haben, wenn die meint, deine Mutter spielen zu müssen. Aber wenn das mit diesem Trank geht, das wäre doch voll genial. Goldschweif würde dich zumindest nicht rumschubsen."

"Gaston, probier das erst einmal aus, wie das ist, mit einem Mädchen zusammenzusein!" Mischte sich Giscard ein. "Vielleicht verstehst du dann eher, daß es mal schöne und mal weniger schöne Zeiten gibt, aber die schönen Zeiten die weniger schönen überragen."

"Sehe ich im Moment nicht so, Giscard. Aber danke für den Hinweis", erwiderte Gaston.

__________

Genau vierundzwanzig Stunden später fand sich Julius bei Professeur Faucon ein. Madame Rossignol, sowie Armadillus und Fixus waren auch da. Ja, und Goldschweif saß friedlich auf einem Kissen auf Professeur Faucons Schreibtisch.

"Ich habe ihr gesagt, daß wir zu Ihnen gehen, damit Sie sie verstehen können", erläuterte der Lehrer für magische Tierwesen. Professeur Fixus stellte zwei Gefäße auf den Tisch. Goldschweif blickte argwöhnisch mit ihren smaragdgrünen Augen auf die Trinkgefäße, ein größeres Glas und ein flaches Silberschälchen. Julius mußte sich auf eine Waage stellen. Dann wurde auch Goldschweif gewogen. Daraufhin füllten der Zaubertierlehrer und die Zaubertrankbraumeisterin die Gefäße so voll, wie sie einer Julius' unbekannten Anweisung entnahmen. Der Trank schimmerte rötlichgolden, fast wie Roséwein. Doch der Geruch von Blut und ätherischen Ölen paßte nicht zu einem Wein. Goldschweif schien von dem Gebräu noch weniger angetan zu sein. Julius vermutete, weil sie wesentlich mehr herausriechen konnte. Doch jetzt wollte er nicht kurz vor dem Ziel halt machen. Er sagte ruhig zu Goldschweif:

"Trinke das, Goldi! Das wird mir helfen, daß ich alles hören kann, was du mir sagen willst. Trink das bitte, Goldi!" Er mußte es zehnmal wiederholen. Dann schlappte Goldschweif mit ihrer rosafarbenen Zunge aus dem Schälchen. Als es immer leerer wurde, hob Julius es vorsichtig an, wobei er weiter aufmunternd auf Goldschweif einsprach, bis das Schälchen leer war. Kaum war dies passiert, fühlte er etwas merkwürdiges wie ein Strom unsichtbarer Funken, der von Goldschweif ausging und auf ihn eintrommelte wie eine ununterbrochene Folge schwacher Stromstöße.

"Spüren Sie etwas?" Fragte Professeur Faucon. Julius bejahte und beschrieb ihr, was er fühlte.

"Dann trinken Sie jetzt Ihre Dosis des Tranks!" Forderte sie ihn auf. Er nahm das Becherglas, setzte an und stürzte den Inhalt, der nach rostigen Nägeln, sauren Kirschen und Galle Schmeckte in Todesverachtung hinunter. Als er den letzten Schluck in sich hatte und das Becherglas zurückstellte, geschah es:

Der unsichtbare Funkenstrom verklang, um unvermittelt einem Gefühl des Davongeschleudertwerdends zu weichen. Um Julius schien die ganze Welt eine wilde Drehung zu machen. Dann meinte er, alles um ihn würde wachsen, bis er sich selbst in riesiger Vergrößerung sah und fühlte, wie er auf allen vieren auf einem großen, weichen Kissen hockte. Er bekam Gerüche von Schweiß, verbrauchter Luft, Holzleim, Wandfarbe, und noch so vielem Mehr in die Nase und hörte das Trippeln von großen Füßen weit entfernt und das vielstimmige, von allen Seiten zu ihm dringende Gemurmel. Er hörte bekannte Stimmen, die von Millie, Claire, Gloria und einigen Jungen aus seiner Klasse heraus, laut genug, daß er sie verstehen würde, wenn er sich auf sie konzentrierte. Dann, nach einem erneuten Salto der Welt, sah er die Umgebung wieder in normaler Größe, und Goldschweif vor sich sitzend. Dann schlug die Welt einen neuen Salto. Wieder meinte er, alles um ihn wäre um ein zigfaches vergrößert worden, er hocke auf einem Kissen und höre unzählige Stimmen und nehme sehr intensive Gerüche wahr. Dann gab es wieder einen Salto der Umgebung. Wieder sah er Goldschweif vor sich. Da begriff er. Sie wechselten ihre Wahrnehmung. Ihre Sinne wurden seine, und wohl auch umgekehrt. Dieser Vorgang passierte in immer schnellerer Abfolge und hielt immer kürzer an, als dann eine Folge von zehn Sinnestauschen in zwei Sekunden erfolgte, fürchtete Julius schon, er habe zu viel gewagt und würde nun gleich wahnsinnig, weil seine und Goldschweifs Wahrnehmung ineinanderfließen und sie beide taub, blind und gefühllos für ihre Umwelt machen würden. Dann jedoch fühlte er einen inneren Ruck, einen heißkalten Schauer in seinem Kopf und saß dann keuchend auf seinem Stuhl, während Goldschweif die Augen verdrehte und die Ohren wie aus ddem Gelenk gekugelt herumkreisen ließ. Als nach zehn Sekunden kein weiterer Sinnestausch mehr erfolgt war, fragte Julius ziemlich überwältigt von diesem Vorgang:

"Wie geht es dir, Goldschweif?"

"Was habt ihr mir da gegeben. Erst sehe ich alles kleiner, höre fast nichts, rieche fast nichts. Dann ist wieder alles richtig, dann wieder nicht richtig. Was sollte das?"

"Das sollte, daß ich das, was du jetzt gesagt hast, auch verstanden habe. Du hast also die Welt immer anders gesehen, mit meinen Augen. Aber jetzt ist es vorbei. Besser, jetzt fängt es erst an, richtig gut zu sein."

"Sie haben tatsächlich verstehen können, was dieses Wesen sagt?" Fragte Professeur Faucon, während Madame Rossignol bereits den jungen Pflegehelfer untersuchte. Professeur Fixus sah Julius an und nickte ihm zu. Sie bestätigte, daß er nicht einfach was dahererzählte. Dann fragte er:

"Wo geht die Sonne auf, Goldschweif?"

"Wie, wo geht die Sonne auf? Heißt das aufgehen, daß sie klettert?"

"Aufgehn heißt klettern, zumindest bei Himmelslichtern", sagte Julius. Professeur Fixus sah ihn genau an. Er war sich sicher, daß sie durch seine Ohren mithörte.

"Da in diese Richtung", hörte Julius diese mittelhohe Frauenstimme, die er auch schon in der Bilderwelt gehört hatte. Offenbar entsprach sie dem telepathischen Stimmabdruck Goldschweifs. Sie deutete mit der rechten Vorderpfote in Richtung eines Fensters, das genau zur Ostseite hinausblickte.

"Das geht also", sagte Professeur Armadillus fasziniert. "Hätte ich das vorher gewußt, daß es diesen Trank gibt, hätte ich selbst Kontakt zu einem der Kniesel aufgenommen. Aber er hilft ja nur einmal", fügte er hinzu und blickte bedauernd auf Goldschweif.

"In Ordnung, die Prozedur ist zur vollsten Zufriedenheit beendet. Jetzt bleibt nur zu klären, wie Monsieur Andrews und Goldschweif in Zukunft zusammensein dürfen", sagte Professeur Faucon. Keiner sagte was. So sprach sie weiter: "Ich lege fest, daß Monsieur Andrews jede zweite Woche für eine Viertelstunde mit Goldschweif kommuniziert, um diese Bindung zu pflegen. Des weiteren werde ich Aushänge in der Schule verteilen, daß Sie auf direkte Empfehlung von Ministerialbeamten diese günstige Gelegenheit genutzt haben und derlei nur dann wieder gestattet wird, wenn Mitschüler in eine ähnliche Lage wie Sie geraten sind und sich eine ähnlich vorteilhafte Ausgangslage ergibt, damit niemand denkt, jetzt auch den Interfidelis-Trank trinken zu müssen. Am Besten erwähnen Sie das in Ihrem Unterricht noch einmal, Aries, bitte auch Sie, Boragine!"

"Natürlich", sagte Professeur Fixus. Professeur Armadillus nickte und bestätigte, daß er seinen Schülern erklären wolle, daß dieser Versuch nur deshalb angegangen wurde, weil Julius Andrews durch seine Erlebnisse in einer Ausnahmesituation sei und durch die freiwillige Zuwendung von Goldschweif erst die Möglichkeit bestand, daß zwei Vertraute über diesen Trank miteinander in Verbindung treten konnten und es nicht bei jedem X-beliebigen Tierwesen funktioniere. Dann verließen er und Professeur Fixus das Sprechzimmer. Julius bedankte sich noch einmal bei Professeur Faucon und Madame Rossignol. Diese meinte:

"Am besten gehst du jetzt in den grünen Saal, es ist gleich neun Uhr. Heute liest und tust du nichts mehr."

"Öhm, gut daß ich die Hausaufgaben schon fertig habe", sagte Julius darauf.

"Bitte bringen Sie goldschweif ins Freie! Ich kümmere mich dann um die Bekanntmachungen. Denn daß Sie diesen Versuch nicht in absoluter Geheimhaltung machen konnten verstehe ich schon. Auch eine Möglichkeit, Diskussionen im Unterricht zu ermöglichen", sagte die Saalvorsteherin der Grünen. Dann entließ sie Julius und Goldschweif.

"Läßt du mich nicht bei dir wohnen?" Fragte Goldschweif.

"Das darf ich nicht, Goldi. Aber morgen abend darfst du kurz zu mir kommen. Hoffentlich sind die anderen Jungen dann nicht eifersüchtig."

"Was heißt das, eifersüchtig?" Fragte Goldschweif zurück.

"Wenn jemand Angst hat, das andere was haben wollen, was man selbst hat oder wenn andere was haben, was man haben will", sagte Julius spontan. Denn so hatte seine Mutter ihm einmal diesen Begriff erklärt, der einfach klang und doch so vieles so kompliziert machte. Wenn er da an Claire dachte, die zwischendurch doch immer wieder gegen Millie oder andere Mädchen wetterte. Ihr mußte er jetzt sagen, daß alles geklappt hatte.

Als er Goldschweif in den Spätsommerabend hinausgebracht hatte und in den grünen Saal zurückwandschlüpfte, warteten Claire, Bébé, Céline, Hercules und Robert schon auf ihn. Claire fragte nur:

"Und, bist du erfolgreich gewesen?"

"Ja, bin ich", sagte Julius.

"Dann kannst du ihr ja die Sachen erzählen, die du mir nicht erzählen wolltest. Sie kann es ja keinem Menschen weitererzählen", raunzte Claire. Céline meinte dazu:

"Julius, was immer die dir noch alles aufladen, am besten schreibst du es Claire auf und gibst es ihr zu lesen, damit sie Ruhe gibt."

"Ja, und am besten auf Pergament, das sich fünf Sekunden nach dem Durchlesen selbstzerstört", legte Laurentine nach.

"Wenn du sowas schon erwähnst, Bébé, dann kennst du den Spruch bestimmt auch: "Ich kann es Ihnen sagen, aber dann müßte ich Sie töten."

"Eh, da macht man keine Witze drüber", zischte Claire und kniff Julius in die Nase. Dann sagte sie lächelnd: "Ich bin froh, daß du noch bei uns bist. Aber wir beide sollten bald miteinander reden, wie das mit uns weitergehen kann. Denn so wie jetzt, will ich es nicht lassen."

"Sehe ich ein, Claire", sagte Julius leise. Doch er wußte da schon, daß dieses Gespräch sehr schwer werden würde.

ENDE

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