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Was bisher geschah | Vorige Story
Für Julius Andrews beginnt nach turbulenten Sommerferien das vierte Jahr seiner Zaubereiausbildung, das zweite Jahr in Beauxbatons. Neben den regulären Neuzugängen begrüßt Madame Maxime auch zwei Gastschülerinnen, die das beginnende Schuljahr in der französischen Zauberei-Akademie lernen wollen, die deutsche Junghexe Waltraud Eschenwurz, welche zu den Grünen zieht und - zu Julius' großer Überraschung, die englische Junghexe Gloria Porter, seine frühere Haus- und Klassenkameradin in Hogwarts, welche den Weißen zugeteilt wird. Neben Mildrid Latierre stoßen auch Belisama Lagrange, Patrice Duisenberg und die Drittklässlerin Carmen Deleste zu den Pflegehelfern.
Wie vor den Ferien angekündigt geben die Lehrer in Beauxbatons Julius wegen seiner stärkeren Zauberkräfte und seinem Wissensvorsprung Aufgaben aus höheren Klassen auf. Nebenbei gibt Professeur Faucon ihm Einzelunterricht in der Kunst, seinen Geist vor anderen Hexen und Zauberern zu verschließen. Davon darf Julius jedoch keinem etwas erzählen. Dieses und die anderen Dinge, die geheimzuhalten er angehalten wurde, drohen, die Beziehung zwischen ihm und Claire Dusoleil zu vergiften, weil Claire findet, er vertraue ihr zu wenig und sie ihm unterstellt, er könne die zusätzlichen Aufgaben und Übungen nicht so einteilen, daß er nicht darunter zusammenbricht.
Von Waltraud Eschenwurz erfährt Julius, daß es einen Trank gibt, mit dem ein magischer Mensch eine dauerhafte Verständigung mit einem magischen Tierwesen herstellen kann, weil es die lerneifrige Deutsche fasziniert, wie gut Julius und die Knieselin Goldschweif miteinander zurechtkommen. Julius fragt Professeur Faucon, ob er diesen Interfidelis-Trank benutzen darf und erhält nach Rücksprache mit seiner Mutter und Catherine Brickston die Erlaubnis. In einer die Sinne verwirrenden Aktion verbindet der Trank tatsächlich Goldschweif und Julius. So kann er nun verstehen, was sie ihm mitteilen will, ohne daß andere es mitbekommen.
Nach dem diese Bindung erfolgreich geschaffen wurde, wollen Claire und Julius sich darüber aussprechen, ob ihre Beziehung noch eine Zukunft hat.
Die nächsten Tage vergingen mit dem üblichen Schultrott. Zwar fanden Claire und Julius genug Gelegenheiten, miteinander zu sprechen, aber keiner von beiden fand die rechte Stimmung, die notwendige Aussprache zu beginnen, die über den weiteren Verlauf ihrer Beziehung entscheiden sollte. Denn die Hausaufgaben, insbesondere die für Julius ausgegebenen Sonderaufgaben, forderten ihre ganze Aufmerksamkeit. Professeur Faucon trieb ihre Schüler in Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste sehr stark voran. Jetzt, wo Laurentine sich als Hexe anerkannte, schien Professeur Faucon sie regelrecht auf ein höheres Niveau hochhieven zu wollen. Waltraud Eschenwurz zeigte, daß sie alles, was ihr aufgetragen wurde, sofort und mit Feuereifer bewältigte. In den anderen Unterrichtsstunden war es nicht viel anders, besonders in denen, in denen mit dem Zauberstab gearbeitet wurde. In Zaubertränken überflügelten Waltraud und Julius bald Bernadette, die darüber sichtlich frustriert wirkte, was durch wortlose Spötteleien von Millie und Caro noch verstärkt wurde, die der übereifrigen Klassenkameradin gönnten, daß da jemand besser als sie war. Dann waren da noch die Freizeitkurse. Julius hatte eigentlich geglaubt, schon alles über die Töchter des Abgrundes zu wissen, das meiste davon aus eigener, leidvoller Erfahrung. Doch wie so oft im Leben trog der Schein. Denn kaum daß er mit der Recherche nach allem begonnen hatte, was es über die neun fast unsterblichen Kreaturen gab, mußte er feststellen, daß über die Jahrhunderte ganze Bibliotheken darüber geschrieben worden waren, wobei sich viele Schreiber gegenseitig widersprachen, ja sogar die Fachkenntnis des jeweils anderen leugneten. Sabine Montferre, die bei einer solchen Wissenssuche neben Julius saß meinte dazu einmal, daß sie in den UTZ-Klassen nur solche widerstreitenden Texte zu lesen hatte.
Daß sich Bernadettes verbissener Kampf um die Bestnoten ihres Jahrgangs auch auf ihren Freund Hercules Moulin auswirkte bekam Julius im Verlauf der letzten Septemberwoche mit, als er bei einer Quidditchtrainingsstunde beinahe in einen wütend gedroschenen Klatscher reinflog, den Hercules eigentlich ins leere Spielfeld schlagen wollte und den gefährlichen schwarzen Ball um einige Grad zu weit nach links lenkte. Nur der überragenden Manövrierfähigkeit des Ganymed 10 und seiner Erfahrung mit diesem Besen verdankte Julius, daß der Ball ihn nicht voll am Kopf traf.
"Was sollte das denn, Hercules? Wolltest du Julius' Ausweichreflexe testen?" Fragte Virginie Delamontagne mit einer Mischung aus Schreck und Ärger.
"Häh? Wollte den Klatscher nur übers Feld hauen, um zu sehen, wie weit ich den kloppen kann", knurrte Hercules verbittert. Dann erst erkannte er, was er da fast angerichtet hatte und blickte Julius an. "'tschuldigung, Julius. Hab den Schläger wohl ein Stück zu weit nach links verzogen."
"Auf jeden Fall weiß ich jetzt, warum man mir diesen Besen geschenkt hat", versetzte Julius darauf trocken. Sicher, er mußte ja darauf gefaßt sein, von gegnerischen Treibern so direkt beharkt zu werden, besonders da es im ersten Spiel der Grünen gleich gegen die Blauen gehen würde. Aber von einem Kameraden ohne vorherige Absprache derartige Donnerklatscher abzukriegen gefiel ihm im Moment nicht. Das lag wohl auch daran, daß er innerlich etwas unausgeglichen war, weil er es bis heute nicht auf die Reihe gebracht hatte, wie er seine Beziehung zu Claire erhalten konnte.
"Wenn du Probleme hast, Hercules, dann sollten wir das besser unten auf dem Feld klären", sagte Virginie sehr energisch. "Wenn du in dieser Form gegen die Blauen antrittst machen die dich und uns locker fertig."
"Eh, Virginie, ich kriege das klar", murrte Hercules. "War nur ein blöder Verreißer."
"Vorsicht, Hercules. Du weißt, mit wem du gerade redest. Ich habe keine Lust, mit jemandem offensichtlich frustrierten Treiber zu spielen."
Giscard Moreau kam herbeigeflogen und fragte, ob alles in Ordnung sei, was Julius als überflüssige Frage ansah, da Hercules' verbitterte Miene und Virginies tadelnder Blick doch zeigten, daß eben nicht alles in Ordnung war. Er selbst flog zu Waltraud hinüber, die gerade Übungen mit dem Quaffel machte. Sie sah ihn und warf ihm den roten Ball zu. Er nahm ihn locker an und jonglierte damit.
"Hätte dich fast vom Besen gefegt, wie. War das Absicht von dem?"
"Wüßte ich nicht", sagte Julius. "Sieht eher aus, als hätte der gerade was, das ihn wütend macht. Kann ich ihm irgendwie auch nachfühlen."
"Weil seine Freundin nur noch in der Bibliothek sitzt?" Fragte Waltraud trocken. Julius schluckte eine Bemerkung, daß sie das gerade nötig habe, sowas zu sagen hinunter und antwortete stattdessen:
"Das weiß ich nicht, Waltraud. Vielleicht hat er aber nur Stress wegen der Schule." Innerlich glaubte er jedoch, daß es wirklich wegen Bernadette war. Doch das mochte von seiner eigenen Situation herkommen. Denn Claire war ihm gegenüber immer noch leicht unterkühlt, obwohl sie ja darauf hinauswollte, daß sie sich aussprachen. Offenbar wartete sie darauf, daß er den entscheidenden Schritt tun würde.
"Es gibt halt Leute, die wollen das nicht begreifen, wie wichtig es ist, gründlich genug zu lernen", meinte Waltraud noch dazu. "Aber wenn die denkt, sie müßte die Bestnoten im Jahrgang haben, kann ich auch nichts ändern. Ich lerne um des Wissens willen und nicht wegen der Noten."
"Soso", entgegnete Julius leicht gehässig. "Ich habe früher auch nur gelernt, ohne den Lehrern zu zeigen, was davon bei mir hängen geblieben ist."
Waltraud grinste amüsiert, während Julius den Quaffel mit Schwung zu Virginie hinüberpaßte, die sich gerade von Hercules und Giscard absetzte, die im Landeanflug waren und dabei hitzig diskutierten. Die Kapitänin der Grünen nahm den Ball auf und machte einige Übungen damit. Waltraud bemerkte zu Julius:
"Davon haben sie dich aber wohl sehr gut kuriert, wie? Wenn ich mir so ansehe, wie unsere Saalvorsteherin und die anderen dich ranklotzen lassen. Da könntest du doch auch sagen, ich lerne nur und mach nichts, was denen zeigt, daß ich die besten Noten dafür haben will."
"Was Verteidigung gegen die dunklen Künste angehtt würde ich dabei den Kürzeren ziehen, weil einiges von dem, was wir jetzt gerade machen in den vorletzten Sommerferien von ihr im Ferienunterricht drangekommen ist und ich dabei war", erwiderte Julius. Für sich selbst dachte er, daß es ihm jetzt, wo Professeur Faucon ihm noch Occlumentie beibrachte nicht gut wäre, wenn sie rausbekäme, daß er nicht alles zeigte, was er konnte. Nicht nur, daß sie ihm dafür Strafpunkte geben würde, sobald sich eine Gelegenheit ergab, sondern daß sie sich dann persönlich beleidigt fühlen könnte und er über Catherine ja auch privat mit ihr zu tun hatte und es sich nicht absichtlich mit ihr verscherzen wollte. Immerhin hatte sie ja mitgeholfen, daß seine Mutter noch Kontakt zu ihm halten durfte und er in Beauxbatons untergekommen war.
"Tja, Hercules scheint eher zu meinen, erst mal Spaß und dann die Arbeit", vermutete Waltraud leicht ungehalten, als sei es ein Unding, wenn jemand sich in dieser Schule nicht ranhalten wollte.
"Wenn das wirklich was mit seiner Beziehung zu tun hat, Mademoiselle Eschenwurz, so betrifft Sie das nicht", sprach Virginie sehr ungehalten. "Also unterlassen Sie bitte solche Kommentare!"
"Ich wollte von Julius nur wissen, ob Hercules was gegen ihn hat, weil er ihm den Klatscher so heftig um die Ohren gehauen hat, Mademoiselle Delamontagne. Er hat mir die Frage beantwortet und ich habe nur vermutet, daß es dann an was anderem liegen muß", begehrte Waltraud auf. Virginie sah sie dafür sehr warnend an, sagte aber nichts. Julius konnte sich jedoch denken, daß Waltraud gerade die gelbe Karte gezeigt bekam, daß beim nächsten Mal Strafpunkte fällig würden. Da sich Waltraud bisher weniger als fünfzig Strafpunkte eingefangen hatte, würde das ihrem Super-DQ wohl einen gehörigen Knacks verpassen, wenn Virginie ihr Strafpunkte anhängte. Julius, der im Moment ebenfalls weniger als fünfzig Strafpunkte auf dem Kerbholz hatte, konnte das nachempfinden, sich nicht aus einer dummen Laune heraus reinrasseln zu lassen.
Abends im Schlafsaal der Viertklässler fragte Robert Hercules: "Was sitzt bei dir gerade quer, Culie?"
"Das alle Welt meint, mich dum rumschupsen oder nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen", knurrte Hercules Moulin.
"Och, und ich dachte schon, Bernie habe dir gesagt, daß sie keine Zeit mehr für dich hat, wo unsere deutsche Gastschülerin ihr den Jahrgangsthron unterm Hintern wegzieht", bemerkte Robert dazu.
"Daß ich dir nicht mal gleich deinen Hintern zerbrösel", schnaubte Hercules und griff nach seinem Zauberstab, den er gerade erst auf seinen kleinen Nachtschrank gelegt hatte, um sich umzuziehen.
"Dann habe ich also recht", feixte Robert und grinste Hercules an, der den Zauberstab anhob. Da maunzte es vor dem Fenster. Wie die Abende zuvor war Goldschweif wieder erschienen. Seitdem Julius und sie nun direkt miteinander sprechen konnten genoss er es sichtlich, wenn er sie jeden Abend nach der Bettkontrolle hereinholte und sich mit ihr auf einen Stuhl setzte. Er hatte es sogar rausbekommen, für die anderen unverständlich zu flüstern. Goldschweifs scharfes Gehör verstand jedoch alles, was er ihr so mitteilen wollte.
"Wenn Goldi dich mit dem Stab sieht meint sie, du wolltest sie angreifen", feixte Robert Hercules zugewandt, als Julius zum Fenster hinüberging. Hercules steckte den Stab fort und knurrte nur:
"Halt bloß das Maul, Robert, sonst rutscht mir in den nächsten Tagen doch noch ein Fluch aus!"
"Ich denke nicht, daß Bernie dich dafür wieder anguckt", gab Robert leicht verächtlich zurück. In diesem Moment öffnete Julius das Fenster und ließ Goldschweif herein.
"Erzähl ihr ruhig, was dir heute passiert ist, Julius", knurrte Hercules. "Ist mir jetzt eh scheißegal."
Julius hat mir erzählt, daß sie bald wieder dieses Quidditch machen wollen, was für sie ein Spiel ist, um ihre Körperkraft und Beweglichkeit besser zu machen. Wenn diese Woche vorbeigeht, werden welche von ihnen dieses Spiel spielen. Aber warum ist er dann so gestimmt, als müsse er bald kämpfen?
"Hallo, Goldi, feines Mädchen", sagt er mir so leise, daß nur ich das hören kann. Ich liege wieder auf seinen Hinterbeinen und lasse mir von ihm das Fell glattstreichen.
"Was hast du denn?" Frage ich ihn. "Du mußt doch nicht wieder gegen wen böses kämpfen?"
"Ich nicht, erst die aus dem violetten und dem gelben Saal", spricht Julius ohne seine Stimme laut werden zu lassen. "Ich habe nur noch nicht raus, was ich Claire sagen soll, um mit ihr wieder gut klar zu kommen."
"Sie ist in Stimmung, Julius. Willst du mit ihr Liebe machen?" Frage ich. Julius gibt ein kurzes leises grummeln von sich. Dann sagt er:
"Nein, jetzt nicht und ob irgendwann weiß ich jetzt noch nicht. Hier dürfen wir das nicht, weißt du doch."
"Warum nicht?" Frage ich. Warum dürfen die Jungen hier nicht ihre Stimmung ausleben, wenn sie soweit sind?
"Weil wir hier erst alles andere lernen müssen, um im Leben klarzukommen. Ich habe dir doch Constance gezeigt. Weil sie jetzt das Kind hat wird sie immer sehr erschöpft, wenn sie sich darum kümmert. Genau das wollen die nicht, daß wir nur noch müde herumlaufen. Deshalb ist hier nichts mit Liebemachen."
"Dann mußt du sie auch nicht umwerben", sage ich. Julius grummelt wieder. Dann erzählt er mir wieder, daß es nicht nur darum geht, wer von wem gute Junge kriegt, sondern mit ihm oder ihr zu zweit lebt. Dann sagt er noch:
"Claire meint, ich wolle nicht mehr mit ihr zusammen sein, weil ich ihr nicht erzählen will, was mir alles passiert ist. Es gibt Sachen, die dürfen nicht alle wissen, und einiges von dem, was mir so passiert ist gehört dazu. Die Erwachsenen, die aufpassen, was ich lerne und mache, haben mir das gesagt, daß ich von dem einen nichts und von anderen Sachen auch nichts weitersagen soll."
"Weil es denen was macht, die mit dir zusammenleben wollen?" Frage ich. Julius sagt das Wort Ja, also das das so ist. "Was macht das denn denen, denen du das sagst?"
"Das andere, die nicht wollen, daß sie das wissen ihnen dann wehtun oder sie umbringen, also tot machen, nicht um sie zu essen, sondern einfach, damit die das, was sie wissen, nicht weitererzählen können. Schlimm genug, daß ich sowas weiß. Dann habe ich dir ja gesagt, daß wir alle ja hinkriegen wollen, mit anderen gut zusammenzuleben. Es gibt Sachen, die machen jemanden böse auf einen, wenn er oder sie das hört oder anderswie mitkriegt. Auch davon habe ich einiges erlebt, was Claire vielleicht böse auf mich macht, und das will ich nicht."
"Aber du willst doch im Moment nicht mit ihr Liebe machen. Dann ist es doch nicht so schlimm, wenn ihr euch nicht immer gern habt. Ich will auch nichts von den anderen aus meinem Revier, wenn ich nicht gerade in Stimmung bin. Aber ich weiß, daß ich nach den nächsten Sonnen wohl jemanden bei mir haben will, mit dem ich die Stimmung richtig auslebe."
"Ich weiß", sagt Julius. "Aber es geht bei uns Menschen eben nicht nur um sowas. Außerdem dürfen wir das hier eben nicht."
"Die, die nun das Junge hat, hat es aber doch gemacht", sage ich. Julius antwortet darauf:
"Nein, sie wollte nur wissen, wie es geht, nicht mehr. Sie hat diesen Jungen aber nicht wirklich geliebt. Der wollte nur eine haben, mit der er das ausprobieren konnte. Das Kind, also das Junge, wollte sie erst gar nicht haben. Das hat fast bis zur Geburt gedauert, also kurz bevor sie das Kind bekommen hat, daß sie es haben wollte. Aber den Jungen dazu wollte sie vorher nur zum Ausprobieren haben und für nichts anderes. Wenn ich mit jemandem zusammen Liebe mache, will ich, daß sie das auch will und dann auch, wenn sie ein Kind dabei kriegt, daß sie dieses Kind auch von mir haben und mit mir zusammen aufziehen will, also daß ich mit ihr zusammen auf das Kind aufpasse und ihm alles beibringe, was ich ihm zeigen kann, so wie ihr euren Jungen ja zeigt, wie sie jagen und klettern können, was sie essen und besser nicht essen sollen und so weiter. Deshalb müssen wir Menschen mehr machen als uns fortpflanzen, weil wir ja doch irgendwie Herdentiere sind, also welche, die nie ganz alleine zurechtkommen. Das ist bei uns ähnlich wie bei den Mäusen und Ratten."
"Aber ihr seid keine Mäuse und Ratten. Ihr seit zu groß dafür und kriegt auch nicht alle Monde Junge."
"Weil wir nicht von anderen Tieren gejagt und gefressen werden", sagt Julius. "Deshalb müssen wir auch nicht jedesmal, wenn wir in Stimmung sind, neue Junge kriegen, sondern dann, wenn wir wollen, daß wir welche haben und auch dann Lust haben, ihnen zu zeigen, wie sie zurechtkommen."
"Aber ihr ärgert euch, wenn ihr eure Stimmung nicht ausleben könnt. Dein Schlafhöhlennachbar Hercules ist böse, weil sein ausgesuchtes Weibchen nicht einmal mit ihm das Körperaneinanderdrücken und Vorderbeinumklammern macht. Also will er mit ihr, aber sie will ihre Stimmung nicht ausleben."
"Woher willst du das wissen?" Fragt Julius.
"Kriege ich von euch mit, wenn ihr aus dem Steinbau kommt oder was mir die anderen aus meinem Revier sagen", sage ich sehr entschlossen.
"Warum bist du bei mir?" Fragt Julius. Das verstehe ich erst nicht. Als er dann fragt, warum ich zu ihm gekommen bin und immer wieder zu ihm komme, obwohl er mit mir wohl keine Jungen machen kann sage ich:
"Du hast was, das mich zu dir hinzieht, mir zeigt, daß ich für dich da sein will und daß ich auf dich aufpassen muß, daß dir keiner was tut und dir zeige, wo du hingehen kannst, wenn du es nicht weißt."
"Mit anderen Worten, du hast dich in mich verliebt", sagt Julius. "Es gibt da nämlich zwei Arten Liebe. Die eine, die Welche zusammenbringt, nur um Junge zu kriegen und die, die andre zusammenbringt, um gegenseitig füreinander dazusein und aufeinander aufzupassen. Dabei kann die eine Art durch die andere Art aufkommen."
"Nein, ich kann wohl keine Jungen von dir kriegen, wenn du nicht lernst, so wie ich zu werden. Was du mir über das Aufpassen erzählt hast verstehe ich. Das heißt also auch Liebe?"
"Wenn es richtig und ganz stark ist ja", sagt Julius. Offenbar staunt er darüber, was er mir erzählt, weil er leicht verunsichert ist, ob er jetzt das richtige gemacht hat. Ich rolle mich noch etwas mehr zusammen und lasse seine glatten Vorderpfoten über mich streichen. Ja, er muß wohl das richtige gesagt haben. Denn ich finde, ich will bei ihm bleiben, auch wenn ich keine Jungen von ihm kriegen kann. Außerdem lasse ich mir ja nicht immer von demselben Junge in den Bauch legen. Deshalb frage ich ihn, ob es denn sehr wichtig ist, wenn er nur ein Weibchen für sich gewinnen möchte. Er sagt, daß es sehr wichtig sei, weil man sich dann ja immer besser kennen würde und dann, wenn wirklich Junge dabei herauskommen diese sehr gut beschützt aufwachsen können. Ich sage ihm darauf, daß es aber nicht unbedingt gut ist, wenn ein Weibchen sich nur ein Männchen dazu holt, weil es ja nicht weiß, ob die dabei entstehenden Jungen wirklich einen so gesunden Körper kriegen wie es sein sollte. Julius antwortet darauf, daß das so bei den Menschen gewachsen sei, auch wenn ich wohl recht haben könnte, weil es ja auch Menschenmännchen gibt, die sich andere Weibchen suchen oder Weibchen, die nicht nur bei einem ausgesuchten Männchen bleiben wollen, das dann aber Ärger macht. Ich frage dann, was genau er Claire nicht sagen darf. Er erzählt mir, wobei er spürbar ruhiger wird, daß unsere Angst machende Reise in dieses Land mit den riesigen Brummflüglern, den grünen Fadentieren, dem lauernden, gefährlichen Weibchen und dem angriffslustigen, ganz bösen Männchen dazu gehört, und daß er in einem Land namens Amerika von einem Weibchen, das keinen Körper mehr hat was gehört hat, daß ihm ganz gefährliche Sachen passieren würden, wenn er nicht gut aufpassen würde. Dann erzählt er mir noch, daß er mit einem Weibchen namens Béatrice durch die Kraft die Körper getauscht hat, weil etwas, daß sie alle in eine unersättliche Stimmung versetzen wollte sie nicht mehr losgelassen hätte, wenn sie es nicht durch Liebe in veränderten Körpern vertrieben hätten.
"Das kann ich Claire auch nicht erzählen", sagt er so leise, daß ich selbst schon die Ohren spitzen muß, um es zu verstehen. "Claire wird denken, ich wollte Béatrice für mich haben und sie dann nicht mehr, weil Béatrice erwachsen ist und mir mehr beibringen könnte als sie, könnte Claire denken."
"Dann will Béatrice keine Jungen von dir?" Frage ich. Julius sagt nein, also das es nicht so ist. "Aber das Weibchen mit dem roten Haar mit etwas gelb darin ist mit ihr verwandt. Sie würde dich wohl gerne als Vater ihrer Jungen haben."
"Millie? Wenn sie nur das will hat sie keine Chance bei mir", knurrt Julius wie eines unserer Männchen, wenn es böse wird und jemanden gleich angreifen will, der nicht alleine weggeht. Doch irgendwie kann ich dieses Knurren nicht als echt erkennen. Vielleicht macht er das nur, um nicht zu zeigen, daß ich doch recht habe. Außerdem ist Millie besser für ihn geeignet, weil sie stark und klug ist und deshalb bestimmt bessere Junge von ihm kriegt, als Claire, die ja doch etwas näher mit ihm verwandt ist, wenn sie auch nicht seine Schwester ist. Deshalb sage ich ihm ganz ruhig:
"Sie will nicht nur Junge von dir, Julius. Sie will wohl auch, daß du mit ihr zusammenlebst. Aber sie zeigt dir das nicht, weil sie klug ist und weiß, daß du ihr böse wärest, wenn sie offen gegen Claire um dich kämpfen müßte. Aber warum kannst du Claire das mit diesem körperlosen Weibchen nicht erzählen oder daß du jetzt schon weißt, wie Liebe gemacht wird, auch wenn du dafür kurz ein Weibchen werden mußtest?"
"Was das in Amerika angeht ist es was von der Sorte, die ihr mehr Gefahr bringt als gut für sie ist und das mit Béatrice wird sie wohl böse machen, weil sie dann denkt, die hätte ihr was weggenommen oder ich hätte sie haben wollen, wo ich die Möglichkeit hatte, mit Claire zusammenzusein."
"Ich bin nicht böse, daß Weißohr von Rattenschreck Junge bekommen hat, der mir die ersten Jungen in den Bauch gedrückt hat."
"Weil das bei euch nicht so kompliziert läuft", sagt Julius. "Wenn du in Stimmung bist und dich herumrollst und gut riechst, findest du einen, der mit dir zusammensein will. Bei uns ist das schwieriger, überhaupt wen zu finden, um mit ihm oder ihr gut zusammenzuleben auch ohne gleich Kinder zu kriegen. Aber daß du mir Millie andrehen wolltest weiß ich ja. Und wenn nicht die dann Sandra oder Sabine, oder was?""
"So heißen die beiden anderen Weibchen, die wurfgleichen Schwestern", antworte ich. "Die wollten dich auch haben, weil sie in Stimmung waren. Jetzt, wo du so schnell so groß geworden bist, ist das wohl noch stärker."
"Ich kriege das irgendwie raus, was für mich richtig ist, Goldi. Du mußt mir kein Weibchen aussuchen. Sonst könnte ich ja gleich mit einer der Lehrerinnen hier was anfangen, wenn's nur um irgendwelche Nachkommen geht", sagt er irgendwie böse. Ich antworte darauf:
"Einige von denen würden gerne die Stimmung ausleben, werden aber darüber böse, weil sie das hier nicht dürfen. Doch ich weiß, welches Weibchen für dich gut da sein wird. Es ist doch wichtig, daß die Jungen klug und stark werden. Da ist es gut, wenn du und ein Weibchen zusammenfinden, die starke und kluge junge von dir bekommen wird, egal ob du mit ihr das ganze Leben zusammenbleibst oder nur einmal die Stimmung auslebst."
"Na klar, ich nehm die alle durch, von Millie über die Montferres bis ich alle hatte, die du mir als gute Weibchen angezeigt hast, Goldi. Sei nicht böse, aber ich möchte das selbst herausfinden, weil das ja für mich dazugehört, zu lernen, wie das geht. Außerdem möchte ich weiterhin mit Claire zusammensein."
"Die will aber, daß du ihr sagst, was dir so Angst macht, damit sie besser auf dich aufpassen kann", sage ich. Julius grummelt wieder. Dann sagt er:
"Ja, aber ich möchte nicht, daß sie deshalb Ärger kriegt oder böse auf mich wird. Aber danke, daß du mir zugehört hast. Aber jetzt bin ich doch ziemlich müde. Darf ich dich wieder raussetzen?"
"Warum darf ich nicht bei dir bleiben. Ich kann dann ganz gut auf dich aufpassen."
"Weil Armadillus sagt, daß das nicht geht", sagt Julius. "Außerdem hast du doch erzählt, daß du bald wieder Junge haben möchtest. Dabei würde ich dich nur stören."
"Ich bin nicht Weißbauch, die Angst hat, jemand täte ihren Jungen was", sage ich. "Wenn ich welche bekomme, und ich dir zeige, wie du sie mit deinen Vorderpfoten greifen und halten kannst, darfst du zu ihnen. - Ich gehe selber hier raus. Mach mir nur diese durchsichtige Wand da weg, dieses Fenster!"
Ich springe von Julius' Hinterbeinen herunter, laufe zur Wand und warte, bis er die Ausgangsöffnung freimacht. Ich springe hinaus, wo mein weicher Schlafstein liegt und springe an den anderen Vorsprüngen des Steinbaus entlang zurück auf den Boden, um mir noch was zu Fressen zu besorgen. Warum müssen die Menschen so einfache Sachen so schwierig machen? Warum versucht Claire nicht, Julius direkt zur körperlichen Liebe aufzufordern, wo sie das doch will? Oder warum will er nicht auf Millie eingehen, wo er sie doch auch irgendwie will, sobald sie in Stimmung ist. Die Menschen sind schon sehr seltsam, aber doch auch sehr interessant. Ich werde also weiter aufpassen, was Julius macht, auch wenn ich wohl bald wieder diesen Drang fühle, unbedingt mit einem Männchen zusammenzukommen.
"Diese Mademoiselle will mich echt mit Millie, Sabine oder Sandra verkuppeln", dachte Julius, als er das Fenster hinter Goldschweif schloß. "Ich muß das mit Claire unbedingt bereden, wie es weitergehen soll. Nach dem Quidditchspiel Violett gegen Gelb versuche ich das", dachte er noch. Dann legte er sich ins Bett und zog den Schnarchfängervorhang zu. Wie sollte er Claire begreiflich machen, daß er ihr bestimmte Sachen nicht erzählen durfte, ohne daß sie dann völlig einschnappte und ihm den Rest der Schulzeit hier immer wieder so kalt kam? Das mit Slytherins Galerie des Grauens durfte er nicht erzählen, ebensowenig das von der Audienz um Mitternacht, wo er von Marie Laveaus Geist aus seinem Körper geholt und in ihre Höhle der Vorhersagen gezogen worden war. Ja, und auch den Zeitpaktzauber durfte er nicht erwähnen. Das mit Béatrice Latierre wollte er nicht einmal andeutungsweise erwähnen, weil er sich ziemlich sicher war, daß Claire das in den falschen Hals bekommen konnte. Sollte er vielleicht Claires Mutter einweihen, was da gelaufen war und ob sie ihm dafür böse sein mochte? Dann konnte er ... Nein, das brachte nichts. Denn auch wenn Madame Dusoleil sagen oder schreiben würde, daß Julius es Claire ruhig sagen sollte, damit diese wußte, was genau er mit Béatrice Latierre angestellt hatte, konnte Claire darüber wütend werden. Dann mußte er sich die Frage stellen, zu welchem Preis er die Beziehung mit Claire fortsetzen wollte. Dabei mußte er grinsen, weil er daran dachte, daß Claire sich diese Frage wohl auch schon gestellt haben mochte. Denn wenn er nichts erzählen wollte oder durfte, dann würde alles wie bisher bleiben, falls Claire ihre Zuneigung, ja ihre Liebe zu ihm nicht für so groß hielt, daß sie auch damit leben konnte, daß er Geheimnisse vor ihr hatte.
"Halte einer das Vieh auf!" Rief Gaston Perignon erschrocken, als die aus einer Maus gezauberte Spinne, die ein wenig zu groß geraten war, vom Tisch heruntersauste und auf seinen acht haarigen Beinen durch das Verwandlungsklassenzimmer huschte. Julius hatte gerade auf Anweisung der Lehrerin vier Mäuse in Folge verschwinden lassen, als das handtellergroße Spinnentier an seinem Tisch vorbeiflitzte. Er zielte mit dem zauberstab darauf, machte zwei wohlkoordinierte Bewegungen, wobei er in Gedanken "Wingardium Leviosa" ausrief. Die Spinne stieg vom boden auf wie ein mit Helium gefüllter Ballon. Dann ließ er Gastons leicht verunglücktes Zauberergebnis zu ihm zurückschweben. Professeur Faucon, die gerade bei Irene Pontier stand, weil sie offenbar was noch heftigeres gezaubert hatte als eine handgroße Spinne, drehte sich kurz um, sah, was Julius tat und nickte. Dann ging sie zu Gaston hinüber und machte rasche Zauberstabbewegungen, worauf die Spinne wieder zur Maus wurde, die laut quiekend auf dem Tisch landete und darauf herumrannte, von einem Rand zum anderen.
"Also den Schweber ohne Worte möchte ich noch von dir lernen, Julius", flüsterte Robert Deloire, der neben Julius saß und gerade mit einer Maus darum kämpfte, sie in eine harmlose Hausspinne zu transformieren. Immerhin hatte er es geschafft, der Maus statt der Barthaare Spinnenfühler an den Kopf zu zaubern.
"Das war nicht nur der Schwebezauber, sondern auch ein daran gekoppelter Bewegungszauber", flüsterte Julius zurück.
"Ja, aber den kriege ich nicht mal ausgesprochen hin", flüsterte Robert, während er weiter mit seiner Maus auf dem Tisch herumeiferte, ob er sie vollständig verwandeln konnte. Waltraud hatte derweil fünf Hausspinnen hinbekommen, Claire immerhin schon drei stück. Laurentine schaffte es in diesem Moment, die dritte Maus zu verwandeln. Robert sah ihr zu und lief rot an, weil die Verwandlung fast reibungslos ablief.
"Was kriegt man in Millemerveilles zu trinken und zu essen, daß man sich so heftig verändert?" Fragte er Julius.
"Frage das Professeur Faucon", grinste Julius zur Antwort. Roberts Maus erzitterte derweil und schien sich aufzulösen, um dann als Weinbergschnecke auf dem Tisch dahinzukriechen, wobei sie eine zähe glitzernde Schleimspur zog.
"Soll ich dir noch Knoblauchsoße dazuzaubern?" Fragte Julius mit amüsierter Miene.
"Mist, wie ist mir denn das jetzt passiert?" Grummelte Robert.
"Das möchte ich auch gerne wissen", sagte Professeur Faucon unvermittelt von hinten, worauf Julius und Robert zusammenzuckten wie unter einem Schlag in den Nacken.
"Öhm, äh, weiß ich nich'", brachte Robert heraus. "Ich wollte die maus in eine Spinne verwandeln. Allerdings ist die mir zu schnell gelaufen."
"Also wollten sie eigentlich, daß sie langsamer wird und haben statt einer Spinne eine Schnecke aus dem Unterbewußtsein aufsteigen lassen, die sich auf Grund Ihrer angestauten Zauberkraft auf die Maus ausgewirkt hat", erklärte die Lehrerin. Dann sah sie Julius an und sagte sehr entschlossen: "Was Ihre Frage angeht, Monsieur andrews, so lautet die Antwort ja. Apportieren Sie aus der Küche eine Knoblauchknolle!"
"Öhm, wenn Sie meinen, daß ich das schon kann", erwiderte Julius. Schlagartig wurde es totenstill im Klassenraum. Alle blickten zu Professeur Faucon und den beiden Klassenkameraden herüber, vor allem Waltraud und Claire. Julius nickte schwerfällig. Die Frau nahm doch alles zu ernst, dachte er. Sie sah ihn an und meinte:
"Ich habe es schon gesehen, daß Sie das können. Also bitte."
"Distapporto Knoblauchknolle", sagte Julius, nachdem er sich ganze zehn Sekunden auf eine frische Knoblauchzehe konzentrierte, die er mit ausgestrecktem Arm zu erreichen und heranzuholen versuchte. Denn so, das hatte ihm Sabine Montferre erklärt, konnte man die mentale Komponente des Apportierzaubers verstärken, der bereits fertige Objekte zeitlos und durch geschlossene Mauern und Türen zu einem hinbrachte, die Grundübung des Materialisierens. Später konnte man damit sogar noch Objekte aus großer Entfernung herholen, wenn man den Aufbewahrungsort kannte und sich diesen bei der Ausübung des Zaubers vorstellen konnte. So hatte Professeur Faucon damals in den Osterferien von Julius erstem Hogwarts-Jahr frische Tomaten aus einem Vorratsraum ihres Hauses in die Küche seines Elternhauses geholt, allerdings ohne Worte. Es ploppte laut, und eine verarbeitungsbereite Knoblauchknolle lag genau neben der immer noch dahinkriechenden Weinbergschnecke. Alle außer Professeur Faucon und Julius machten "Ui".
"Nächste Woche werden Sie den wohl auch nonverbal ausführen können", sagte die Lehrerin. Dann meinte sie noch: "Machen Sie niemals Scherze in meinem Unterricht, wenn Sie nicht wollen, daß ich Sie beim Wort nehme!" Danach schwang sie ihren Zauberstab, und an Stelle der Knoblauchknolle stand eine große Schüssel mit unverkennbar duftender Knoblauchsoße auf dem Tisch. Einen Wink mit dem Zauberstab später verschwand die Schüssel. Nur der eindringliche Knoblauchduft hing noch im Raum.
"Fünf Bonuspunkte für Sie, Monsieur Andrews für diese gelungene Apportierübung, sowie einen Bonuspunkt für Sie, Monsieur Deloire für eine vollständige Verwandlung einer Maus. Da ich jedoch Hausspinnen gefordert habe, kann ich Ihnen nur einen Bonuspunkt zuerkennen. Sie werden weiter dematerialisationsübungen machen, Monsieur Andrews, während Sie, Monsieur Deloire mit den Verwandlungsübungen fortfahren!" Dann ging sie zum Lehrerpult, um von dort aus die Klasse besser überwachen zu können.
Am Ende der Stunde verteilte sie noch einmal Bonus- und Strafpunkte. Julius hatte seine ganzen Sonderaufgaben hinbekommen, bekam aber genauso viel Bonuspunkte wie die, die einwandfreie Verwandlungen geschafft hatten. Beim Hinausgehen fragte Waltraud ihn, ob das mit dem Apportieren so schwer war. Julius erklärte ihr, daß man sich so stark auf das zu holende Objekt konzentrieren müsse, weil sonst bestenfalls gar nichts passierte und schlimmstenfalls etwas dem zu holenden Objekt vollkommen entgegengesetztes auftauchen könne oder anstatt was herzuholen etwas von einem selbst verschwand, je nachdem, wie groß das zu holende Ding sei.
"Warum gehört das in den Verwandlungsunterricht?" Fragte sie. "Der Zauber ähnelt doch dem Aufrufezauber, den wir in Zauberkunst behandeln, eben nur, daß das zu holende Objekt zeitlos den Ort wechselt."
"Beantworten Sie Ihrer Klassenkameradin bitte diese Frage!" Forderte Professeur Faucon Julius auf.
"Nun, wenn ich Maya Unittamos Erläuterung richtig verstanden habe, sind alle die Zusammensetzung eines Körpers verändernden Zauber Gegenstand des Verwandlungsunterrichtes, weil auch die Materiealösung und -erschaffung ein Prozeß ist, der die Erscheinungsform eines Objektes nachhaltig verändern kann. Das sei vor zweihundert Jahren so vereinbart worden, als diskutiert wurde, welchem Feld der Magie das Verschwinden und Erscheinen zugeordnet werden sollte. Die Verwandlungsexperten konnten sich damit durchsetzen, daß jedes Heraufbeschwören oder Verschwindenlassen eine Form der Verwandlung sei, weil ein Körper in reines Nichts oder reines Nichts in einen Körper verwandelt werde. Auch bei einer Ortsversetzung wäre dem so, sofern es sich hierbei um Objekte ohne Kontakt zum Körper der Hexe oder des Zauberers handele. Im Grunde haben wir hier das, was in der Science Fiction, also der Zukunftsdichtung der Muggel gerne genommen wird, wenn von sogenannten Materietransmittern oder Teleportation gesprochen wird. Ein objekt wird am Ort a in reine Energie verwandelt, mehr oder weniger zeitlos an den Ort b übergesetzt und dort in einen materiellen Körper, bestenfalls den vorher aufgelösten, zurückverwandelt. Deshalb, so schreibt Professeur Unittamo, sei alles dergleichen letzthin Sache der Verwandlungslehrer an den Zaubererschulen geworden, wo es vorher noch ein eigenständiges Unterrichtsfach war, bis Zauberkunst- und Verwandlungsexperten befanden, das endgültig klären zu müssen, wo es denn hingehöre."
"Lasse ich gelten", sagte professeur Faucon ruhig. Dann schob sie Waltraud und Julius zur Tür hinaus, schloß die Tür von außen und blieb davor stehen, um auf die nächste Klasse zu warten, die Drittklässler der Gelben.
In der großen Pause nach Alte Runen hatte er Pausenhofaufsicht zusammen mit Professeur Fixus, an der er seine Occlumentie-Künste ausprobierte.
"Sie werden wohl wenn das Jahr zu ende ist ausgezeichnet in dieser Kunst sein", sagte sie einmal, als sie sich einige Minuten über den Alchemiekurs am Nachmittag unterhalten hatten. Julius nickte nur. Dann sah er zu einer Gruppe hinüber, die aus Spielern der Violetten und fünf von den Blauen bestand. Offenbar diskutierten oder stritten sie um was. Eine Fünftklässlerin der Gelben, die der Quidditchmannschaft ihres Saales angehörte ging gerade mit leicht verschüchtertem Blick zu ihren Kameradinnen zurück.
"Oh, haben die sich über das Spiel am Samstag?" Fragte Julius. Er wußte, daß die telepathisch Begabte Lehrerin ihm sowas nicht sagen würde, weil alles, was sie auffing unter eine Schweigepflicht fiel, solange sie nicht die unmittelbar betroffenen Personen damit konfrontierte. Doch ihr Schweigen war ihm wohl eine ausreichende Antwort. Vor allem als zwei der Blauen auf den kleinen Golbasto zugingen und sehr entschlossen nach ihm langten, erkannte Julius, das die offenbar Streit suchten. Golbasto hielt unvermittelt seinen Zauberstab in der Hand und machte eine Schwenkbewegung damit. Wie von einer Windhose ergriffen zog es die beiden Blauen übergangslos vom Boden hoch, wobei sie sich wild zu drehen begannen.
"Hui, dieser Bewegungszauber ist ja ziemlich heftig", dachte Julius, ohne sich gegenüber der Lehrerin zu verschließen.
"Der funktioniert auch nur in einer unmittelbaren Gefahrensituation, oder wenn der, der ihn wirkt ehrliche Angst vor körperlichem Schaden hat", sagte sie und rannte los, um die sich anbahnende Keilerei sofort zu unterbinden. Julius erstaunte es, wie flink die bestimmt über siebzig Jahre alte kleine Hexe mit dem rotbraunen Haarschopf über den Schulhof spurten konnte. Er trabte hinter ihr her und sah noch, wie die beiden Blauen gerade aus drei Metern Höhe herabstürzten. Er hob den Zauberstab und dachte den Fallbremszauber. Einen der Jungen konnte er so auffangen. Der andere wurde von Professeur Fixus sicher zu Boden gebracht.
"Die wollten mich angreifen", sagte Golbasto Collis sichtlich erschüttert. Die hatten ihre Zauberstäbe auf mich gerichtet."
"mann, wir wollten doch nur wissen, ob du genug Pepp für Samstag hast, weil die euch doch erst gegen die Gelben ranlassen, anstatt gleich gegen das grüne Unkraut oder den roten Dreck", sagte einer der beiden gerade eben noch hochgewirbelten, einer der Mistral-Zwillinge.
"Jetzt aber ganz hübsch sachte", sagte Professeur Fixus sehr bedrohlich, was bei ihrer wie Windheulen durch Türritzen klingenden Stimme noch gefährlicher herüberkam. "Niemand bezeichnet die Bewohner meines Saales als Dreck."
"Oh, Mist!" Rief der Bursche, den Julius zu gut kannte. Es war der, der ihm beim letzten Quidditchspiel fast den Besen in den Leib gerammt hätte. So fühlte sich Julius berufen, ihm zu sagen:
"Was spulst du dich eigentlich auf, wo dein Bruder und du dieses Jahr eh nicht mitspielt?"
"Erinnere mich bloß nicht dran, Andrews", knurrte der jüngere der beiden Mistral-Zwillinge. Dann kam noch Corinne Duisenberg angelaufen, hinter ihr der Saalsprecher der Blauen.
"Madame Maxime hat Ihnen völlig zurecht Flugverbot erteilt", schnarrte Professeur Fixus, während Corinne zu Golbasto hinüberging und leise mit ihm sprach.
"Für die Bemerkung von eben erlege ich Ihnen fünfzig Strafpunkte auf, Monsieur Mistral und erwarte sie morgen nachmittag bei mir zum Nachsitzen", verkündete Professeur Fixus unumstößlich. Julius sah den soeben abgestraften gehässig an und zog sich zurück, darauf bedacht, nicht aus dem Hinterhalt heraus angegriffen zu werden. Als Professeur Fixus sich wieder zu ihm gesellte sagte sie nur:
"Die wollen es nicht auf die behutsame Art lernen. Sie hätten letztes Jahr schon mit Ihrem Besen ausweichen können. Aber dazu hat meine Kollegin in ihrer Eigenschaft als Saalvorsteherin ja schon die nötigen Worte Verloren", fügte sie noch hinzu. Natürlich wußte Julius, was sie meinte.
Gloria unterhielt sich mit Belisama und Laurentine über eine in der letzten Arithmantikstunde drangekommene Aufgabe, als Julius kurz nach dem Läuten der Schulglocke vor dem Arithmantikraum eintraf, wo gerade Professeur Laplace angelaufen kam.
"Ist echt faszinierend, dieses Abkürzungssystem von euch Pflegehelfern", sagte Gloria zu ihm, als er noch vor der Lehrerin bei der Tür anlangte.
"Wenn man noch Pausenaufsicht hat schon praktisch", erwiderte Julius.
"Dafür ist dieses Wegesystem auch gedacht, die anfallenden Termine einhalten zu können", bemerkte Professeur Laplace und bahnte sich mit einer leichten Handbewegung eine Gasse zur Tür.
Nach der Doppelstunde winkte Mildrid Latierre Julius zu sich. Laurentine und Céline sahen sie sehr mißtrauisch an, wofür sie nur ein verächtliches Grinsen übrig hatte. Gloria Porter, die noch neben Belisama stand, sah etwas verdrossen zu Millie hinüber, während Julius zu ihr ging.
"Die großen Schwestern sehen dir zu, Mildrid. Also was möchtest du?"
"Seit wann ist die dürre Dornier deine große Schwester? Dann doch eher Mademoiselle Bin-ja-doch-eine-Hexe", entgegnete Millie und zog Julius sacht an sich, aber nur so weit, daß keine unschickliche Absicht daraus zu deuten war. "Was ist da im Schloß gelaufen, Julius? Martine hat mir sowas geschrieben, daß ich wohl bald von Maman Post kriegen würde, und Callie und Pennie haben schon Post von Tante Barbara, wollen es mir aber nicht stecken, solange Maman mir nichts geschrieben hat."
"Ja, und was soll das mit einem Schloß zu tun haben?" Fragte Julius.
"Stell dich nicht blöd, Julius! Unser Schloß natürlich. Was ist da gelaufen?"
"Demie, ein paar Quidditchspiele, die Geburtstagsfeiern von deinen Cousinen und den Montferre-Zwillingen. Ach ja, meine Mutter mußte für einen Tag ins Château Florissant, wo sie von Madame Eauvive behandelt wurde."
"Ach ja, und warum es genau am Mittag von Callies und Pennies Geburtstagsfeier so heftig gekracht hat und was Tante Trice und du damit zu schaffen habt war nicht so wichtig?" Fragte Millie.
"Ja, war schon ein lauter Knall. Aber was das mit der Diskussion zwischen deiner Tante und mir wegen der Behandlung meiner Mutter zu tun hat weiß ich auch nicht", sagte Julius ganz lässig. Innerlich mußte er seine Selbstbeherrschungsformel immer wieder zitieren, um Millie nicht durch ein verlegenes Gesicht oder eine andere Regung zu zeigen, daß sie gerade ins Schwarze zu treffen ansetzte. Tatsächlich wunderte er sich heute noch darüber, daß der laute Knall, mit dem Orion Lesauvages verhextes Liebeslexikon vernichtet wurde, das alle in diese überheftige Lust auf Sex versetzen sollte, durch einen geschlossenen Klangkerker hindurchgedrungen war. Vielleicht sollte er Béatrice Latierre diesbezüglich noch einmal anschreiben.
"Nun gut, morgen werde ich es wissen, was Maman mir zu schreiben hat. Martine schrieb sowas, daß wohl auch die Montferres einen Brief bekommen würden. Na, könnte das doch was mit der Sache im Schloß zu tun haben?"
"Das kann ich nicht sagen, solange ich nicht weiß, was deine Maman dir schreiben will", konterte Julius.
"Gut, dann fragen wir mal so rum, Julius: Kannst du dir vorstellen, was Martine so heftig scharf auf dich gemacht hat?"
"Du meinst an mir geschlechtlich interessiert?" Fragte Julius, um Zeit für eine gute Antwort zu erhaschen.
"Ey, Gegenfragen kommen nicht gut, Julius. Ich denke also, du hast es gemerkt. Na ja, so heiß wie die sich aufgeführt hat kein Wunder, seit Goldschweif kennst du dich ja mit rolligen Katzen aus."
"Miau!" Machte Julius. Unvermittelt trat ihm Millie auf den rechten großen Zeh und zischte ihm zu:
"Was das immer war, wenn Martine jetzt was von dir will, weil da irgendwas im Schloß gelaufen ist, was das angeleiert hat, und die will dich echt haben und Claire kann dich nicht davon abhalten, meiner Schwester in den Schoß zu fallen, zieht die zu euch um, wenn ich der nicht alle Haare vom Kopf fluchen und ihre ganz private Stube unaufschließbar zusperre", fauchte Mildrid.
"Mädel, du tickst wohl nicht ganz richtig", entrüstete sich Julius. "Abgesehen davon, daß Martine Meilen weit von hier weg ist ist sie auch fünf Jahre älter als ich und hat es daher nicht nötig, hinter mir herzulaufen. Wenn du und Claire, die das auch mal geglaubt hat, im Château Tournesol so gesehen habt, daß Martine sich an mich ranmachen wollte, dann bestimmt nicht, um mit meinem eingebauten Zauberstab kleine Nichten und Neffen für dich zu zaubern. Ende der Durchsage!"
"Haha, es geht doch, daß du mal ganz normal redest", triumphierte Millie unvermittelt. Ihre eben noch so heftig gezeigte Eifersucht auf ihre ältere Schwester schien wie weggeblasen zu sein. Dann meinte sie noch: "Sag jetzt nicht, daß du es nicht gerne hättest, wenn martine dich zu sich nehmen würde, Julius!" Er errötete, weil er durch Millies Getue nicht länger seine Selbstbeherrschungsformel denken konnte. Sie lächelte eiskalt und streichelte ihm sacht über die linke Wange. "Mann, Julius, denkst du, ich wäre völlig blöd. Die ganze Zeit im Schloß waren alle, auch der Muggel, den Madame Brickston geheiratet hat, so in totaler Frühlingsstimmung. Ich habe das doch auch gemerkt, daß ich immer wuschiger wurde. Das hat mich ja so geärgert, weil Martine dich dann immer in ihrer Nähe hatte, und dann noch Tante Trice und zum Schluß noch Maman. Denkst du, ich hätte das Armband hier", wobei sie ihren Pflegehelferschlüssel vorzeigte, "wegen Unfähigkeit oder gar Irrsinn gekriegt? Jetzt schreibt Martine mir was komisches, daß Maman was schreiben will, aber nicht, was. Dann kriege ich von den Kleinen ähnliches zu hören und beim Quidditchtraining auch noch von den Montferres, das noch was genau geklärt werden müsse, aber sie wohl morgen was genaues erfahren würden, wenn wirklich was wichtiges los sei."
"Ach, und da hast du dir Gedanken gemacht, was mit deiner Maman und vielleicht auch deiner Tante passiert sein soll ... Ui, klingt eher nach was, was die drei nicht nacheinander loswerden wollen, sondern daß alle, die es angeht zeitgleich informiert werden, sofern es klar ist. Also ist allen das gleiche passiert", sagte Julius, in dessen Gehirn es gerade laut Klick gemacht hatte. Millie sah ihn an, und er vermeinte, es auch in ihrem Gehirn klicken zu hören. Dann sah sie ihn sehr durchdringend an.
"Wenn das stimmt, und Martine passiert das gleiche, und zwar weil sie dich doch irgendwie für ein paar Minuten bei sich hatte, dann sagst du das aber deiner Freundin Claire, nicht ich."
"Ich glaube nicht, daß Martine dich angeschrieben hätte, wenn ihr was ähnliches passiert", grinste Julius nun amüsiert. Er hatte begriffen, was mit den drei Frauen wohl gerade ablief und konnte sich auch gut denken, daß es was mit Orions Fluch zu tun hatte. Millie mochte den Fluch vielleicht nicht kennen, aber da sie, wie sie gerade geäußert hatte, ähnlich heftig Lust auf körperliche Zweisamkeit bekommen hatte wie Martine, Claire, er und vielleicht auch Joe Brickston, konnte die eins und eins zusammenzählen. Er hörte noch Goldschweifs leise Worte, daß sie ihm Weibchen aussuchen wollte, die starke und kluge Jungen von ihm krigen würden, wohl nicht zu letzt, wenn sie selbst stark und klug waren. Und Mildrid Ursuline Latierre war wirklich nicht dumm. Das war nur, wer ihr das unterstellte.
"Morgen wissen wir es wohl", sagte Millie. "Bis dahin habe ich in der Bib auch nachgeschlagen, was da im Schloß gelaufen sein kann."
"Fragen wir doch mal so rum: Fühlst du dich immer noch wuschig, weil du denkst, Martine könnte was von mir wollen?"
"Was würdest du machen, wenn ich ja sagen würde?"
"Schwester Florence fragen, ob es Mittel gegen übermäßige Hormonausschüttung gibt", erwiederte Julius. Warum hatte er auch diese Frage gestellt?
"Das ich dich nicht hier und gleich kastriere", knurrte Millie leise. Dann mußte sie wieder lächeln. "Sagen wir es so, falls es dich wirklich interessiert, ob du bei mir landen kannst, wirst du es herausfinden, wenn du dazu bereit bist. Bis heute nachmittag, Julius." Sie blies einen Kuß in die Luft und eilte davon, um mit dem Pflegehelferarmband in die Nähe des Speisesaals zu schlüpfen. Gloria, die noch im Gang stand kam zu Julius herüber.
"Hallo, ich wollte nicht zu nahe stehen, um der nicht den Eindruck zu vermitteln, ich wolle dich bewachen. Ich habe Céline und Laurentine dazu beknien können, dich ruhig hier zu lassen. Ging's vielleicht um den Lesauvage-Fluch?"
"Den was?" Fragte Julius perplex, weil Gloria ohne Umschweife darauf kam.
"Oma Jane hat mir erzählt, Tournesol sei dafür berüchtigt, junge Leute zu ungezügelten Sachen zu verführen, weil irgendwo im Schloß ein Artefakt Orion des Wilden verborgen sein soll, das ein Vorläufer von was sei, von dem Oma nicht genau ausplaudern wollte, was es war, nur das damit bestimmte Charaktereigenschaften eines Zauberers verankert und auf arglose Opfer übertragen werden könnten. Hat sie recht gehabt?"
"Ja, hat sie", sagte Julius. "Aber der Käse ist jetzt gegessen. Catherine hat auch sowas angedeutet, daß es mehr war als ein bezaubertes Ding."
"Wohl sowas wie bei der Kammer des Schreckens in Hogwarts, dem Ginny Weasley zum Opfer gefallen ist", flüsterte Gloria.
Lautlos tauchte hinter Gloria der muskulöse Orion Lesauvage in einem Bild auf, sah ihr über die Schulter und verzog auf einmal das Gesicht, als er Julius ansah.
"Du hast es wirklich angestellt, mein Erbe ... Ahhhuuuuaaaa!" Offenbar mußte ihn etwas heftig schmerzen, weil er seinen Satz nicht beenden konnte und wie unter einem Stromstoß zusammenzuckte. Gloria fuhr herum, sah ihn an und wandte sich dann Julius zu.
"Soso, dann hast du das also kaputt gemacht. Könnte mir vorstellen, daß Millie wissen wollte, ob irgendwer von ihrer Sippe was mit dir angefangen hat, bevor du rausgekriegt hast, oder dir jemand gezeigt hat, wie das Was-auch-immer zu zerstören war. Aber wir kommen zu spät zum Mittagessen", sagte sie noch und zog Julius ohne weiteres mit sich aus dem Gang heraus. Erst in den allgemeinen Korridoren ließ sie ihn los und verfiel in einen etwas schnelleren, wenn auch noch gesitteten Laufschritt. Julius wußte, daß das Rennen durch die Korridore nicht gestattet war. Deshalb benutzte er das Wandschlüpfsystem, um erst zu einer der Jungentoiletten und danach mit frisch gewaschenen Händen vor dem Speisesaal anzulangen.
Am Nachmittag verlor Millie kein weiteres Wort über das, weshalb sie Julius am Mittag aufgehalten hatte. Sie arbeitete mit ihm zusammen an jenem Trank, den Julius mit ihrer Schwester Martine zusammen gebraut hatte, als er am ersten Mai wegen einer heftigen Auseinandersetzung mit dem damaligen Saalsprecher Edmond Danton zum Nachsitzen bei Schwester Florence abgestellt worden war.
"Achtung, der blaue Dampf kommt in fünf Sekunden", sagte Julius an, wann eine wichtige Phase des Brauvorgangs abgeschlossen war. Mildrid nickte und hielt den mit einem Gummiring versehenen Glassturz bereit, den sie über den kessel stülpen wollte, sobald ein bläulich-weißer Dunst aus dem blubbernden Gebräu aufwallte. Als das passierte sperrte sie die blauen Schwaden ein und wartete, bis ein kleiner Druckanzeigekolben bis zum Anschlag aus einem Glaszylinder herausglitt, bevor sie das Ventil aufdrehte, durch das der Dampf in einen Schlauch abgeleitet wurde, der in eine Destilliervorrichtung führte. Dort wurde der Dampf kondensiert und als bläuliche Flüssigkeit in kleineren Gläsern aufgefangen.
"War schon interessant, wie dieser Trank entwickelt wurde. War das nicht Golpallot, der diesen Trank erfunden hat?" Fragte Millie. Julius nickte. "Das ist genau der, der die Antidotregeln aufgestellt hat. Aber die kriegen wohl nur die UTZler wirklich aufgeladen. Ich habe die mir nur mal durchgelesen, als ich mit Mademoiselle Grandchapeau vier Tage Unterricht hatte", sagte Julius.
"Damit du mithalten konntest oder um die vornehme Mademoiselle, die ja jetzt auch eine Madame ist, zu beeindrucken?" Fragte Millie leicht gehässig.
"Um was interessantes aus der ganzen Sache mitzunehmen", erwiderte Julius ruhig. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Millie ausgerechnet auf Belle eifersüchtig sein würde.
"Deshalb meint er ja auch, unsere Saalvorsteherin beeindrucken zu können", erwiderte Bernadette Lavalette, die ebenfalls in Julius' Arbeitsgruppe war.
"Ich hab's dir oder deinem Freund wohl schon mal gesagt, daß ich dir nichts wegnehmen will, was du sicher hast", sagte Julius. Mildrid ergriff sachte Julius Arm und flüsterte:
"Lass dich von der bloß nicht noch bequatschen, ihren Königinnenthron in Ruhe zu lassen!"
"Eh, das habe ich gehört, Latierre Leichtfuß", knurrte Bernadette. "Wenn Claires Tanzpartner meint, er sei besser als ich, soll er doch sehen, wie weit er damit kommt!"
"Eh, hier wird nicht gezankt", schnarrte Professeur Fixus die beiden Mädchen aus ihrem Saal an. Dann betrachtete sie das Gebräu und den Destillationsvorgang.
"Ja, eindeutig korrekt, die Herrschaften! Schwester Florence wird sich freuen, diese wichtige Basis zu bekommen. Und was Sie betrifft, Mademoiselle Latierre und Mademoiselle Lavalette, so bin ich gerne bereit, mich von fleißigen Schülerinnen und Schülern beeindrucken zu lassen, weil ich weiß, daß sie danach keine Gefahr für ihre Umwelt oder sich selbst sein werden, wenn sie wirklich das alles lernen, was sie bei mir lernen und anwenden können. Nur zu Ihrer Information, falls jemand hier glaubt, einen Titel zu bekommen, weil es ihm oder ihr gelungen ist, mich zu beeindrucken."
"Öhm, Professeur Fixus, es ging mir nur darum, daß Julius offenbar in diesen Vier Tagen nach diesem Halloween-Tag mehr aus höheren Klassenstufen gelernt hat und nun davon ausgeht, alles unter Kontrolle zu haben", sagte Bernadette leicht ungehalten.
"Wer erzählt denn sowas?" Fragte Julius verdutzt. Millie mußte grinsen, wobei sie Professeur Fixus nicht ansah.
"Wie Sie vielleicht wissen, habe ich durchsetzen können, daß Monsieur Andrews nicht nur in den Fächern mit direkter Zauberkraftanwendung höheren Anforderungen unterworfen wird, sondern auch in meinem Unterricht höhere Lernziele erreichen möge. Insofern empfinde ich seine Leistungen als dem Rahmen der an ihn gestellten Anforderungen entsprechend und keineswegs eindruckschindend. Sollte es Ihnen vorschweben, mich durch übermäßige Strebsamkeit nachsichtiger zu stimmen, sollten Sie es eigentlich besser wissen, Mademoiselle Lavalette. Aber ich gehe davon aus, daß Sie weiterhin mit ihm und Mademoiselle Latierre eine vernünftige Arbeitsgruppe abgeben werden. Ich sammel nachher die von Ihnen aufgefangenen Essenzen ein", sagte sie noch und ging zu einem anderen Arbeitstisch hinüber, um die dortige Gruppe zu kontrollieren.
Nach der Zaubertrank-AG beeilte sich Julius, aus dem großen Labor herauszukommen. Millie folgte ihm in gebührendem Abstand. Als er dann durch die Wand schlüpfen wollte, lief sie rasch zu ihm hinüber und meinte:
"Die Fixus hätte sie bestimmt nicht so harsch abgebürstet, wenn Bernadette nicht in Wirklichkeit heftig wütend wäre. Die war drei Jahre die Königin des Jahrgangs und fühlte sich in dieser Rolle sauwohl. Wenn Waltraud oder du ihr das jetzt streitig machen fällt ihr schönes Kartenhaus zusammen. Ich weiß echt nicht, wie Hercules Moulin bei der landen konnte. Das sagte ich dir nur, weil ich nicht will, daß dieses überhebliche Biest dich dummquatschen kann."
"Waltraud kann gerne die Jahrgangskönigin werden, Millie. Für den Job bin ich eh falsch gebaut."
"Ist auch gut so", sagte millie. "An dir ist wohl schon genug rumgezaubert worden."
"Da hast du echt recht", erwiderte Julius. Dann verabschiedete er sich von Mildrid und schlüpfte durch die Wand.
Nach dem allgemeinen Schließen der Säle trat Hercules Moulin an Julius heran.
"Ich wollte dich was fragen, Julius", setzte er an. Julius witterte Ärger und straffte seinen Körper. "Könnte es sein, daß du dich auf Bernies blödes Streberspiel eingelassen hast und die jetzt unbedingt fertigmachen willst?"
"Erstens will ich mich hier nicht als Streber hinstellen, Hercules", sagte Julius, wobei er seinen Klassenkameraden sehr genau ansah. "Zweitens ist mir das völlig egal, ob Bernadette, Belisama, Gloria oder Waltraud als Jahrgangsbeste das Jahr beenden, weil ich es nicht darauf anlege. Was diese Extrasachen angeht, die mir die Lehrer hier aufgeladen haben, so kann ich das nicht einfach hinwerfen. Professeur Faucon, Bellart, Fixus und Trifolio würden mich dann sofort hier rauswerfen, und darauf lege ich es auch nicht an."
"Vor lauter Zeug kriegt Bernie gar nicht mehr mit, was mit mir los ist oder wie die Leute in ihrer Umgebung, von Millie Latierre bis zu Apollo Arbrenoir sie verachten. ich habe echt keine Lust mehr, mir von der andauernd anzuhören, daß sie achso wichtige Sachen in der Bibliothek nachlesen muß oder meint, als Jahrgangsbeste später locker ins Ministerium reinzurutschen. Ich wollte nur wissen, ob du ihr irgendwas erzählt hast, du wolltest sie fertigmachen oder sowas."
"Die Frau hat mir nix getan, warum ich die fertigmachen wollen könnte, Hercules", Gab Julius genervt zurück. "Ich kann mir vorstellen, daß du jetzt meinst, bei Bernies ganzer Lernerei hinten runterzufallen. Claire ddenkt das ja von mir auch. Nur mit dem Unterschied, daß Bernadette meint, sie will das machen, während ich weiß, daß ich das, was die mir zum Abarbeiten hinknallen, machen muß, verdammt noch mal!"
Claire kam herüber, offenbar, weil sie mitbekam, wie Hercules sich mit Julius unterhielt und die beiden Jungen nicht gerade fröhlich aussahen.
"Habt ihr's von diesen Zusatzaufgaben, die Julius andauernd kriegt oder von deiner superlerneifrigen Freundin, Hercules?"
"Beides", knurrte Hercules. "Offenbar tickt Bernie jetzt total aus, besser, bei ihr sind wohl mehrere Zahnräder rausgesprungen, und jetzt rattert sie schneller als gesund ist durch die Gegend. Das nervt mich langsam an. Aber wenn Julius sagt, er will sie nicht fertigmachen, glaube ich ihm das mal. Wird dann wohl an Bernadette liegen. Die Roten steigern sich ja gerne in was rein."
"Das die dahingehören soll kapiere ich auch nicht", sagte Claire. Dann winkte sie Julius. Dieser verabschiedete sich von Hercules und zog sich mit Claire in eine stille Ecke zurück.
"Ich denke, wir beiden sollten bald machen, was wir ausgemacht haben, als du diesen Trank der Bindung geschluckt hast", sagte sie zu ihm. "Hast du dir überlegt, wann und wo wir das können, ohne gestört zu werden und was du mir vielleicht erzählen kannst?"
"Ich habe mich für den Samstag entschieden, wenn die Violetten gegen die Gelben gespielt haben."
"Gut, im Ostpark?"
"Können wir machen", sagte Julius leise. Claire nickte. Dann kehrte sie zu Laurentine und Céline zurück, während Hercules mit Waltraud sprach, die ihm kurz zugehört hatte und dann im Mädchentrakt verschwand.
Abends lauschte Julius am offenen Fenster. Goldschweif war nicht zu ihm gekommen. Offenbar hatte sie andre Dinge im Kopf. Er lauschte in die kühle Nacht hinein. Da konnte er fernes Maunzen hören, mehrere Stimmen. Doch bei einer verstand er:
"Hallo, wo ist einer, komm zu mir. Komm zu mir. Ich will Liebe machen. Komm zu mir!"
"na, wo ist deine kleine Mademoiselle?" Fragte Hercules, der seine Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen hatte, weil die hereindringende Nachtluft ihm zu kalt war.
"Sie will neue Knieselkinder haben. Sie ruft draußen die brünftigen Kater zu sich, um einen von denen ranzulassen."
"Ja, und wenn der total alle ist dem noch eine zu ballern, um ihn wieder loszuwerden", grummelte Robert, der durch die Nachtkühle am Einschlafen gehindert wurde. "Mach die Klappe wieder zu, Julius, wenn dein Schnurrmädel jetzt Ringelpietz mit Drauflassen spielt."
"'tschuldigung zusammen! Ich mach den Laden dicht", sagte Julius und schloß das Fenster. Goldi würde ihn in dieser Nacht wohl nicht mehr brauchen oder auf ihn aufpassen wollen. Der Ruf der Natur, das Diktat der DNA verlangte nun nach ihrer Aufmerksamkeit und voller Einsatzfreude. Ja, bei denen lief das einfach. Nicht immer paarungsbereit und wenn ja, dann wurde nicht lange gefackelt, höchstens um zu kucken, den richtigen Kerl mit der richtigen Braut zusammenzubringen.
Am nächsten Morgen beim Frühstück sah Julius, wie die Latierre-Zwillinge mit ihrer Tante Patricia tuschelten. Er sah auch hinüber zu den Montferres, die wohl auch irgendwie nicht ganz beim Frühstück zu sein schienen. Millie fing einmal seinen Blick auf und nickte ihm zu. Wahrscheinlich würde er es brühwarm von ihr erzählt bekommen, wenn wirklich das passiert war, von dem Julius nur ahnte, das es passieren könnte. Immerhin hatte Babette ihn ja mal gefragt, ob er mal gehört hatte, ob ihre Eltern sich geliebt hätten. Mochte es sein, daß ihr die anderen Kinder im Schloß sowas erzählt hatten oder ob sie das daran festmachte, daß ihr Vater nicht mehr so mißmutig und verbittert war, seitdem sie die erste Nacht im Sonnenblumenschloß der Latierres verbracht hatten. Er dachte dabei unwillkürlich an jene eine Stunde mit Béatrice. Ja, Fluch oder nicht, er hatte es tatsächlich genossen, auch wenn es nicht sein Körper war, den er für eine Stunde besessen hatte. Sie hatten ja noch gescherzt, wie er das Kind von ihnen beiden Nennen sollte. Mochte es sein, daß was für Béatrice und ihn ein reiner Jux gewesen war, bei anderen Besuchern des Schlosses Ernst wurde?
"Heh, im Miroir steht was über den englischen Zaubereiminister drin", sagte Robert Deloire und hielt Julius die Zeitung hin. Er sah ein Foto von Rufus Scrimgeour und las kurz, daß der seit nun etwas mehr als zwei Monaten im Amt befindliche Zaubereiminister Großbritanniens eine internationale Zusammenkunft forderte, bei der alle Karteien bekannter Schwarzmagier zu einer gemeinsamen Kartei zusammengefügt werden sollten, um die gesuchten Verbrecher der Zaubererwelt international besser jagen und festnehmen zu können.
"Ach, da kommt der aber früh drauf", bemerkte Julius gehässig. "Bei den Muggeln gibt es sowas schon längst."
"Bei den Zauberern auch, Julius. Was Scrimgeour wohl meint ist das Archiv über die Taten und Folgen bekannter Schwarzmagier. Die Namen und Bilder kriegen ja doch alle Strafverfolgungsabteilungen", sagte Robert. "Nur in manchen Ländern sind die Ministerien nicht sonderlich scharf drauf, geheime Akten an andere Ministerien weiterzugeben. Er sagt das mit der Kartei wohl nur, damit die, die das noch nicht wissen, denken, es ginge nur um Bilder und Namen."
"Wollte schon sagen, wo die Zaubererwelt doch eher darauf gefaßt sein muß, daß gesuchte Verbrecher innerhalb von Sekunden ins Ausland flüchten können", erwiderte Julius, als die Briefe und Pakete zugestellt wurden.
Tatsächlich segelte ein Pulk Eulen über dem roten Tisch herunter und verteilte sich so, daß die Latierre-Zwillinge, die Montferres und Millie für jede einen Brief hingelegt bekamen. Dann landete noch eine Eule genau vor Julius Teller und schuhute.
"Oh, die kommt von Catherine", sagte er halblaut. Robert nickte, weil er gerade zwei Eulen gleichzeitig vor sich landen sah, die ein Paket ablieferten.
"Na, schreibt Könign Blanches Tochter, daß sie es leid ist, sich wegen dir mit ihrer Mutter anzulegen?" Fragte Hercules leicht ironisch. Julius erwiderte:
"Das sage ich dir erst, wenn ich weiß, ob ich ddir das sagen kann." Er legte den Brief in seinen Brustbeutel, der Diebstahlsicher war. Denn daß er den Brief überhaupt bekommen hatte, verriet ihm, daß auch er von der Sache betroffen war, die Millie so irritiert und dann merkwürdig amüsiert hatte.
Erst als Madame Maxime alle hinausschickte, um sich für den Unterricht fertigzumachen, nutzte Julius sein Pflegehelferarmband, um in die Nähe des Quidditchfeldes zu gelangen. Dort nahm er den Brief heraus und las ihn im Licht der gerade aufgehenden Sonne:
Hallo, Julius,
ich wende mich an dich, weil ich finde, daß du als mein Schutzbefohlener genauso gleiche Rechte wie meine Familienangehörigen hast, davon zu erfahren, daß unser Ausflug in das traute Heim der Latierres doch nicht ganz so folgenlos geblieben ist.Seit einigen Wochen habe ich mich nicht sonderlich wohl gefühlt, etwas schwindelig und zeitweilig irgendwie unausgeglichen. Als ich dann vor einer Woche von Hippolyte hörte, sie empfinde dieselben Anzeichen, habe ich Madame Matine gebeten, mich zu untersuchen. Sie stellte fest, das ich bei Schreiben dieses Briefes in der sechsten Woche schwanger bin. Um Joes Verwandtschaft nicht außen vor zu lassen, daß er zum zweiten Mal Vater wird habe ich mich dann muggeltechnisch untersuchen lassen und eine dieser chemischen Testvorrichtungen benutzt, deren Verfärbung die Untersuchung deiner Ersthelferlehrerin bestätigt hat - natürlich. Hippolyte erzählte mir, als ich mit dieser frohen Kunde kontaktfeuerte, daß ihre Schwester Béatrice sowohl bei ihr, ihrer Schwester Barbara und ihrer Schwägerin Josianne eine Schwangerschaft feststellte, deren Verlauf bis auf wenige Tage zeitgleich mit meiner abläuft. Soviel ich hörte soll auch Madame Montferre in guter Hoffnung sein. Sie hat sogar behauptet, Zwillinge zu tragen. Unsere Männer sind teils freudig überrascht, teils irritiert. Joe meint dazu, daß die Latierres uns wohl irgendwelche Aphrodisiaka und Empfängniserleichterungssachen gegeben haben. Aber dann wäre Camille wohl auch schwanger. Doch bisher hat sie sich nicht bei uns gemeldet, um mich zu fragen. Könnte sein, daß sie das nachdem ich diesen Brief hier fertig habe noch tun wird. Auf meine Frage, ob Martine eventuell auch Mutter würde, bekam ich von Hippolyte die Antwort, daß sie wohl der herrlichen Versuchung widerstehen konnte. Die arme Béatrice wird dann wohl im Mai eine Menge zu tun bekommen, und Joe daran zu erinnern, wie Babys versorgt werden müssen, wird wohl noch ein Stück Arbeit für sich sein. Aber das hat bei Babette funktioniert und wird auch bei unserem zweiten Kind funktionieren. Die ist übrigens hellauf begeistert davon, daß sie ein Geschwisterchen bekommt. Offenbar fühlte sie sich durch den Ausflug etwas außenseitermäßig, weil sie die einzige war, die weder Bruder noch Schwester hatte. Ich denke aber, wenn das Kind erst einmal da ist, wird ihre große Freude bald in Ernüchterung umschlagen, weil ich mich dann nicht mehr so stark um sie kümmern kann.
Ich hoffe, du freust dich für uns mit. An meiner Beziehung zu Martha und dir wird sich nichts ändern. Wir haben noch genug Platz, und zum Elternsprechtag werde ich auch mitkommen, wenn Madame Matine mich läßt.
Wahrscheinlich werden dich die Latierre-Mädchen und die Montferres bald damit bestürmen, wie sie es finden, was in ihren Familien los ist. Denen kannst du das meinetwegen auch erzählen. maman weiß es schon. Ich habe es ihr gestern abend noch per Express-Eule mitgeteilt.
Ich hörte davon, daß es zwischen dir und Claire wohl gerade nicht sonderlich harmonisch verläuft. Camille sagte mir sowas, daß sie meint, du würdest ihr wichtige Sachen vorenthalten oder sowas. Ich weiß natürlich, was das für Dinge sind und kann Claire zum Teil verstehen, wenn sie sich Sorgen macht, weil sie nicht weiß, wie sie mit dir umgehen kann, solange sie nicht weiß, was dich alles umtreibt. Ich bin ja selbst ein Mädchen vom Dorf und weiß, daß die Veranlagung, jedem guten Bekannten jederzeit beistehen zu wollen vererbt wird. Aber vielleicht findest du einen Weg, dich mit Claire auszusprechen, ohne gegen die Geheimhaltungsbefehle zu verstoßen oder Béatrices und deine Handlung ins Lächerliche zu ziehen. Ich denke auch, daß Béatrice nichts dagegen hätte, wenn du Claire ... beichtest, was du anstellen mußtest, damit wir nicht alle diesem Fluch unterworfen blieben. Aber du kennst Claire nun etwas besser als ich, die sie ja nur als kleines Mädchen kennengelernt hat.
Weiterhin viel Erfolg in Beauxbatons!
In Liebe und Anerkennung
Catherine Brickston
"Wie sagt deine Mutter, Catherine? Quod erat expectandum", grinste Julius in sich hinein. Also auch Catherine. Aber Claires Mutter hatte sich bisher nicht dazu geäußert, in diesem Club der guten Hoffnung Mitglied zu sein. Er stellte sich Joe vor, der nun, wo seine Gelassenheit und Freude im Sonnenblumenschloß in einem an die vier Kilo schweren Schreihals resultieren würde, noch paranoider werden mochte. Babette würde wohl arge Probleme kriegen, weil ein Geschwisterchen nicht einfach abgegeben werden konnte wie ein Haustier, das nicht mehr gemocht wurde oder ein Spielzeug, mit dem sie nicht mehr spielen wollte. Er hatte sich ja selbst die Frage gestellt, wie er mit sowas umgehen würde, wenn seine Mutter noch ein Kind bekommen würde, das dann einen ganz anderen Vater haben würde als er. Etwas trübselig dachte er daran, daß sie dann doch seinen Vater hätten mitnehmen können. Aber nein, das war genau durchgesprochen worden, daß sein durch den Infanticorpore-Fluch und Hallittis Vernichtung zum völlig neugeborenen Baby zurückverwandelter Vater bei einer Familie aufwachsen sollte, die ihn vorher nicht gekannt hatte. Immerhin war seine Mutter nicht dem Fluch Orions verfallen, weil sie zum fraglichen zeitpunkt körperlich zwanzig Kilometer entfernt gewesen war. Das brachte ihn wieder zum Schmunzeln.
Er kehrte wieder in den Palast zurück, um zu der ersten Stunde, Zauberkunst bei Professeur Bellart, nicht zu spät zu kommen.
Zwar fragten ihn die Jungs aus seiner Klasse, was Catherine gewollt hatte, als sie auf dem Weg zum Verwandlungsklassenraum waren. Dummerweise liefen sie dabei Professeur Faucon über den Weg, die eine Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste gegeben hatte.
"Was Monsieur Andrews mit seiner Fürsorgerin austauscht geht sie nur etwas an, wenn Sie unmittelbar davon betroffen sind", sagte sie. "Aber da ich weiß, daß ich die Gerüchte nicht mehr aufhalten kann, sage ich es Ihnen gerne, daß Madame Brickston im nächsten Frühling Nachwuchs erwarten wird. So, und jetzt lassen Sie bitte Monsieur Andrews damit in Ruhe und folgen mir zum Unterricht!" Julius vermeinte, die sonst sehr gestrenge Lehrerin erfreut lächeln zu sehen. Ja, offenbar war Catherines Nachricht eine höchst willkommene. Denn sollte es Voldemort nicht darauf anlegen, auch in Frankreich sein Unwesen zu treiben, wäre es ihm endgültig mißlungen, die Familie Faucon und ihre Nachkommen restlos auszulöschen. Julius teilte dieses Gefühl der Genugtuung, das er bei Professeur Faucon wähnte.
Am Nachmittag im Zaubertierkurs pflegten Julius, Gloria und Mildrid ein Weißschwingenmuli, das ein Kollege von Professeur Armadillus aus den Pyrenäen mitgebracht hatte, um die erfolgreiche Zucht besonders widerstandsfähiger Reit- und Zugtiere kleinerer Größen zu präsentieren. Anders als bei nichtmagischen Kreuzungen zwischen Eselhengsten und Pferdestuten konnten die aus Zwergabraxarieten und Poitou-Rieseneseln eigene Nachkommen haben, sofern sie untereinander verpaart wurden.
"Wie lange werden diese Tiere schon gezüchtet?" Fragte Julius. Monsieur Romarin, der Eigentümer dieses grauweißen Maultiers mit Flügeln sagte, daß die Zuchtlinie seit 1862 bestehe und durch die erhaltene Fruchtbarkeit der Nachkommen nicht ständig Zwergabraxarieten eingekreuzt werden müßten.
"Auf denen könnten sie Tage lang im Hochgebirge herumreiten oder über dem Ozean kreuzen. Aber sie dürfen nur in Frankreich gezüchtet und nicht exportiert werden. Soviel ich weiß, ist ihre Frau Tante ja in der Zucht der Latierre-Kühe sehr erfolgreich, Mademoiselle Latierre", sagte Monsieur Romarin Mildrid zugewandt. Diese nickte.
So besprachen sie die Pflege und Verwendung dieser magischen Tiere. Die mitgebrachte Stute gab derweil merkwürdige Geräusche von sich, die weder Wiehern noch I-A-Laute waren.
Nach der Kursstunde fragte Millie, ob das stimmte, daß Catherine auch ein Kind bekommen würde. Er bejahte es und meinte dann:
"Glückwunsch, jetzt bist du bald keine kleine Schwester mehr."
"Was denn dann bitte, Julius?""Ein Sandwichkind."
"Sandwiches sind doch eure belegten Brote, die unseren Baguettes schlecht nachempfunden sind", meinte Millie und zwinkerte Julius und Gloria zu, die schweigend dabeistand.
"Kommt darauf an, wie die belegt sind", erwiderte Gloria nun amüsiert. Julius meinte:
"Eben, beim Sandwich sind die Brothälften immer gleich. Aber was dazwischenliegt, das bringt's." Unvermittelt schloß ihn Mildrid in die Arme und schmatzte ihm einen Kuß auf die Wange. Mehr nahm sie sich wohl wegen Gloria nicht heraus, dachte Julius.
"Schön hast du das gesagt", hauchte sie ihm zu. "Jetzt fühl ich mich gleich besser."
"Die ist ja vielleicht lustig", meinte Gloria in sehr gedämpfter Lautstärke, als Julius sie kurz nach dem Abendessen in der Bibliothek traf. Er antwortete gleichermaßen leise:
"Das war die letztes Jahr schon. Andererseits kann ich mir vorstellen, daß sie sich jetzt irgendwie merkwürdig fühlt, daß so viele in ihrer Verwandtschaft, die eigene Mutter eingeschlossen, noch mal Kinder kriegen. Deshalb hat die gestern auch diese Schau gemacht." Gloria bat Julius dann, mit ihr in den kleinen Leseraum zu gehen, der ein permanenter, beidseitiger Klangkerker war, um dort ohne die anderen zu stören normallaut zu sprechen. Der Raum war im Moment nicht besetzt. Gloria atmete auf und schloß hinter Julius die Tür von innen. Sie setzten sich an den Tisch einander gegenüber. Julius fühlte sich an den Tag zurückversetzt, wo Deborah Flaubert und Seraphine Lagrange Martine und ihm von Constance Dorniers merkwürdigem Zustand erzählten, der sich dann als unerwünschte Schwangerschaft entpuppt hatte. Diese Erinnerung versetzte ihn in eine Stimmung, als erführe er hier und jetzt wieder was besonders heikles, nur diesmal ihn persönlich betreffend.
"Ich habe mich mal schlau gelesen und Oma Jane gezielte Fragen gestellt", setzte Gloria an und machte dabei ein ernstes Gesicht. "Von diesem Fluch Orions steht etwas in einem Buch, daß ein Besucher des Château Tournesol geschrieben hat, der vor zweihundert Jahren dessen Opfer geworden war. Allerdings kommt man an das Buch nur dran, wenn man den Verfasser und Titel kennt. Oma Jane hat mir den Titel und den Verfasser verraten. Es wundert mich, daß es Millie, Claire und dich nicht voll erwischt hat. An und für sich hätten deine Gastgeber damit rechnen müssen, daß dieser Fluch erwacht, wenn eine schwangere Frau und mehrere zeugungsfähige, aber bislang unberührte Menschen im Wirkungsbereich zusammenkommen."
"Wahrscheinlich gingen sie davon aus, daß dieser Fluch mehrere Tage braucht, um voll einzuwirken oder sowas. Ich denke nämlich nicht, daß Madame Latierre es darauf angelegt hat, das von vor zweihundert Jahren wieder passieren zu lassen", sagte Julius. Gloria blickte ihn verstehend an. Dann meinte sie:
"Also hat Béatrice Latierre, die ja zu diesem Zeitpunkt wohl auch eine Mademoiselle war, dir die alte Geschichte erzählt. Und dann habt ihr was angestellt, um diesen Fluch zu zerstreuen."
"Wir haben rausbekommen, wie dieser Gegenstand zu finden ist und ihn zerstört und damit den materiellen Fokus des Fluches eliminiert", sagte Julius kühl.
"Oma Jane meint, den Fluch hätte nur brechen können, wer es darauf anlegt, sich ihm auszuliefern, aber so, daß er sich an sich selbst so heftig reibt, daß ein materieller Fokus welcher Art auch immer dorthin wandern muß, wo die Störung des Zaubers, womöglich eine Verkehrung, stattfindet." Julius wollte gerade seine Selbstbeherrschungsformel denken, doch für einen winzigen Moment blickte er wie ein ertappter Missetäter drein, der nicht damit gerechnet hatte, aufzufliegen. Gloria nickte bestätigend und meinte: "Ich denke nicht, daß Claire das unbedingt wissen will, was dir und dieser Mademoiselle eingefallen ist, wie immer ... natürlich, damit ging's."
"Womit ging was?" Versuchte Julius, sich aus der Klemme zu befreien. Doch Gloria hatte die ganze Kiste durchschaut und mit dem nächsten Wort bestätigte sie ihm das.
"Vielsaft-Trank, Julius. Sage mir jetzt bloß nicht, du hättest noch nie davon gehört, wo du schon in Hogwarts Zaubertrankbücher verschlungen hast wie Lakritzzauberstäbe."
"Kein Kommentar", sagte Julius, wobei er Gloria sehr ernst ansah. "Aber das mit dem Fluch behältst du bitte für dich. Das was in den Staaten passiert ist hat mich schon berühmter gemacht als ich wollte."
"Kein Problem, weil es ja nicht meine Angelegenheit ist", sagte Gloria. "Könnte dir halt nur passieren, daß Claire und Millie auf die Idee kommen, nachzuforschen. Sollte eine der beiden das rauskriegen, was da gelaufen ist", flüsterte sie. Julius erwiderte:
"Nur wenn Sie Titel und Verfasser dieses Nachschlagewerkes kennen."
"Und jemanden, der ihnen erklärt, wie solche Flüche ausgehebelt werden können", setzte Gloria den Schlußpunkt. Dann meinte sie noch: "Ich hoffe nur, das fällt nicht irgendwann auf die Beziehung zwischen dir und Claire zurück."
"Millie könnte genau das hoffen", erwiderte Julius leicht gehässig.
"Wenn die dann nicht auf ihre Tante eifersüchtig wird", konterte Gloria ebenso gehässig grinsend.
"Yo, Glo, ich danke dir, daß du dein Wissen nicht weitererzählst."
"Wie gesagt, es betrifft mich ja nicht", sagte Gloria. Dann verließen sie den kleinen Leseraum und unterhielten sich über Kräuterkunde, wo Julius Gloria immer schon was vorausgehabt hatte.
Am Samstag setzten sich die Quidditchmannschaften der nicht an diesem Spiel teilnehmenden Mannschaften zusammen in eine der oberen Reihen. Als der Siebtklässler Ferdinand Brassu aus dem Violetten Saal die Zuschauer begrüßt hatte, rief er die neuen und alten Spieler der beiden Mannschaften auf.
"Als neuer Jäger im Aufgebot des violetten Saales wird Isidor Clavier die Ehre seines Saales verteidigen. Kapitän Collis hat ihn bereits im letzten Schuljahr im Training gehabt und wird ihn heute erstmalig in einem Turnierspiel auftreten lassen."
"Der hat den Zehner, Julius", sagte Hercules Moulin, der rechts von Julius saß. Aber auch Golbasto Collis hatte sich den Ganymed 10 zugelegt. Offenbar wollte er sich in diesem Jahr nicht andauernd ausmanövrieren lassen.
"Oha, dann gehen die Gelben hoffnungslos baden", vermutete Julius. Millie, die links neben ihm saß, flankiert von den Montferre-Schwestern, meinte dazu nur:
"Nur weil ein Zehner schneller ist als ein Neuner heißt das nicht, daß der unbesiegbar ist. Aber du hast recht, daß die Gelben wohl heute heftig badengehen werden."
"Das hat letztes Jahr auch so ausgesehen", sagte Sabine Montferre. "Und dann haben die Gelben mit einem schnellen Schnatzfang das Spiel gewonnen."
"Trotzdem gehen die heute unter, Sabine", sagte Millie kategorisch.
Das Spiel begann, und sofort zementierten die Violetten eine Feldüberlegenheit, die Julius, der schon einige Profi-Spiele gesehen hatte, staunen ließ. Er dachte daran, daß die Mannschaft des grünen Saales in der dritten Runde antreten würde, was wohl nach Weihnachten der Fall war.
"Hercules, kuck dir das genau an, wie die sich abschirmen lassen!" Wies er seinen Sitznachbarn und Mannschaftskameraden darauf hin, wie die Treiber der Violetten den Vorstoß der Jäger absicherten, so daß die Jäger der Gelben fast nicht kontern konnten. Collis schwirrte derweil auf seinem Ganymed 10 über dem Feld herum. Sein Gegenspieler Maurice Dujardin schien sich davon jedoch nicht beeindrucken zu lassen. Gemütlich zog er seine Bahn über dem Feld, als genieße er einen Rundflug und müsse sich nicht irgendwann durch das einige Meter unter ihm tobende Getümmel stürzen, um einen kleinen goldenen Ball mit vier silbernen Flügeln einzufangen.
"Sieht so aus, als lege es Dujardin nicht darauf an, gegen Collis' Besen anzutreten", sagte Hercules nach einigen Minuten, in denen die Violetten, zu denen auch Claires Cousin Argon Odin gehörte, sieben Tore erzielten und damit siebzig zu null Punkte in diesem Spiel bekamen. Die Gelben versuchten es immer wieder, gegen die schnell manövrierenden Jäger anzuspielen. Einmal gelang es den Treibern in Zitronengelb, die Blockade ihrer Gegner aufzulösen, worauf eine schnelle Staffette zum Torraum der Violetten ging. Isidor Clavier startete durch und jagte pfeilschnell zum eigenen Tor zurück, um den Überraschungsangriff abzufangen. Tatsächlich bekam er den Quaffel gerade noch zu fassen, bevor dieser durch einen der drei Torringe geschossen wurde. Viele der zu den Gelben haltenden Zuschauer buhten, als der neue Jäger der Violetten zum Gegenangriff überging und die rote Lederkugel keine drei Sekunden später im Tor der Gelben unterbrachte.
"Da müssen die sich dran gewöhnen", meinte Mildrid spöttisch. "Den Ganymed 10 haben wohl dieses Jahr einige. Bist also keine Ausnahme, Julius."
"Jau, das schnelle Auskontern des gelben Vorstoßes war schon genial. Achtzig zu null in nur sechs Minuten."
"Julius, die Gelben spielen auf schnatzfang", vermutete Hercules. "Die lassen sich einfach zuballern, weil sie hoffen, bevor sie fünfzehn Tore zurückliegen den schnuckeligen Schwirrer zu packen zu kriegen."
"Was aber zu leicht nach hinten losgehen kann", erwiderte Julius, als die Violetten wieder ein Tor schossen, und damit neunzig zu null führten.
"Hüter Midi von der Mannschaft des gelben Saales hat wohl keine gute Tagesform erwischt", kommentierte Brassu, der wohl langsam nicht mehr die Kraft hatte, jedes Tor der Violetten zu bejubeln. Doch unvermittelt wurde es spannend. "Collis geht in den Sturzflug über. Gleich ist das Leiden der Gelben ... Ooouuuuu!"
Golbasto Collis hatte wohl wirklich den Schnatz gesehen und war wie eine Rakete losgeschossen, genau auf den rechten Torring seiner Mannschaft zu. Doch in genau diesem Moment hieben die beiden Treiber der Gelben beide Klatscher so wuchtig, daß sie passgenau in die Flugbahn des kleinen Suchers der Violetten hineinsausten. Collis verriss den Sturzflug und prallte mit der rechten Schulter gegen einen der Klatscher. Der andere erwischte ihn eine Sekunde später am linken Bein. Der Ganymed 10 ruckelte kurz, dann setzte sein Notlandezauber ein, der ihn und seinen heftig benommenen Reiter sicher zu Boden brachte. Schiedsrichter Dedalus wollte gerade eine Auszeit pfeifen, als Dujardin mit einer eleganten Wedelbewegung um zwei der violetten Jäger herumschwenkte und den Schnatz aus der Luft pflückte wie eine Frucht von einem unsichtbaren Baum. Dedalus sah das und pfiff lange. Das Spiel war nach nur siebeneinhalb Minuten zu Ende.
"Öhm, die Gelben gewinnen durch eine ziemlich dreiste Falle das erste Spiel der Saison mit einhundertfünfzig zu neunzig Punkten", seufzte Brassu, der kreideweiß war. Julius erkannte, daß die eigene Schnelligkeit auch gegen einen selbst ausgenutzt werden konnte.
"Das zeigt doch, daß der Ganymed 10 für Quidditch total überzogen ist. Das muß jetzt auch Céline einsehen", meinte Hercules.
"Die haben die ganze Zeit nur darauf gelauert, daß Collis den Schnatz anfliegt. Deshalb haben die gelben alle gesucht. Irgendwie müssen die sich abgestimmt haben, den gegnerischen Treibern die Klatscher abzujagen, sobald sie den Schnatz sehen. Das war wohl eine Sekunde vor Collis Absturz", sagte Julius. Dann sah er, wie Schwester Florence zusammen mit Josephine Marat und Felicité Deckers aufs Spielfeld eilte.
"Das war unfair! Das war unfair!" Brüllten die Anhänger der Violetten. Madame Maxime räusperte sich laut. Doch es wollte keiner hören. Dann klatschte sie in ihre Hände, daß es wie Gewehrschüsse krachte. Jetzt erst wurde es ruhig.
"Mesdemoiselles et Messieurs, die Aufgabe der Treiber ist es, die Spieler der gegnerischen Mannschaft an ihren Spielzügen zu hindern und die eigene Mannschaft zu schützen. Also war das Abfangen von Monsieur Collis, so bedauerlich es für ihn ausfiel, eine legitime und regelkonforme Taktik. Damit ist das Spiel an sich nicht zu beanstanden, und das Ergebnis gültig."
"Die haben sich eingebildet, mit zwei Zehnern im Spiel könnten die sich jedes Ergebnis erspielen", murmelte Julius.
"Ich fürchte, wir haben die Gelben total unterschätzt", sagte Hercules. "Die haben doch gelernt, Hinterhalte zu legen."
"Was macht ihr jetzt, wo das Spiel so schnell vorbeiging?" Fragte Millie.
"Denen gratulieren, die gewonnen haben", befand Julius und stand auf. Hercules sah ihm verdutzt nach, erhob sich aber dann auch von seinem Platz. Auch die Roten standen auf, um der siegreichen Mannschaft zu gratulieren.
Nachdem sie den Mitgliedern der gelben Mannschaft ihre Glückwünsche ausgesprochen hatten, kehrten sie in den Palast zurück. Die Violetten pöbelten zwar immer noch die Spieler der Gelben an. Aber Madame Maxime hatte ein Machtwort gesprochen, und das Ergebnis blieb bestehen.
"Also, da müssen wir uns drauf einstellen, daß die Gelben nicht mehr auf Tore spielen", sagte Virginie, nachdem sie ihre Mannschaftskollegen im grünen Saal um sich geschart hatte. "Die haben alle nach dem Schnatz gesucht, als sie merkten, daß sie die Jäger der Violetten nicht abwehren konnten. Agnes, da müssen wir also drauf hinarbeiten, daß du denen bei unserem Spiel gegen die nicht in einen Klatscherangriff reinfliegst."
"Warhscheinlich werden die anderen Mannschaften jetzt diese Taktik übernehmen", vermutete Agnes Collier.
"Die Roten und Violetten bestimmt nicht, die wollen Punkte haben", sagte Giscard Moreau. "Die spielen auf Punkte. Hundertfünfzig sind denen doch viel zu wenig."
"Stimmt", erkannte Julius. "Mit nur hundertfünfzig Punkten kriegen die den Pokal auch nicht."
"Wie dem auch sei, wir haben heute sehen können, daß Schnelligkeit alleine nicht hilft", sagte Virginie.
"Der hätte den Notbremsezauber eine halbe Sekunde früher auslösen müssen", sagte Julius. "Für einen Sucher hat Golbasto Collis seltsam langsam reagiert."
"Wenn alle gegen dich alleine spielen bringt's die auch nicht", sagte Monique Lachaise.
"Nur gut, daß ich nicht suchen muß", dachte Julius bei sich.
Als Virginie die kurze Mannschaftsbesprechung beendet hatte, winkte Claire Julius zu und verließ den grünen Saal durch die sich auflösende und dann wieder verfestigende Steinwand. Julius begriff, daß es jetzt an der Zeit war, das klärende Gespräch mit ihr zu führen. Nachdem, was er am Donnerstag noch mit Gloria besprochen hatte, war er von dem Gedanken abgekommen, Claire zu erzählen, was Béatrice und er getan hatten, um Orions Fluch zu brechen. So blieb ihm nichts, was er ihr von den Dingen erzählen sollte, die er bisher geheimhielt. Im Ostpark von Beauxbatons, bei einem der dort aufgestellten Pavillons, traf er mit Claire zusammen. Nachdem sich beide umgesehen hatten, ob sie jemand verfolgte oder beobachtete schlüpften sie in den kleinen, runden Pavillon hinein und setzten sich einander gegenüber an den kleinen Tisch, der in Wirklichkeit ein Stück aus einem dicken Baumstamm war, das siebzig Zentimeter dick und glatt poliert war.
"So, Juju! Ich finde, jetzt sollten wir bereden, wie das mit uns weitergehen kann. Hast du dir was überlegt, ob du mir mehr von dem erzählen möchtest, was dir so passiert ist?" Fragte Claire. Julius straffte sich, atmete tief durch und erwiderte:
"Claire, ich habe mir überlegt, was passiert, wenn ich dir irgendwas von dem erzähle, was mir so passiert ist und komme immer wieder darauf, daß du bestimmt nicht willst, daß ich deshalb Schwierigkeiten kriege oder du in Gefahr gerätst, weil jemand meint, dich als gefährliche Mitwisserin zu jagen. Das einzige, was ich dir über die Sachen sagen kann, die mir passiert sind ist, daß ich hoffe, daß ich nun Ruhe habe und jetzt in Frieden weiterleben kann, wenn du willst, mit dir zusammen."
"Ja, Julius Andrews, irgendwer hat dir erzählt, dieses oder jenes nicht weiterzuerzählen, dir vielleicht sogar einen magischen Eid abgenommen. Habe ich mir auch schon alles gedacht. Aber wie meinst du, soll das mit uns weitergehen, wenn ich nicht weiß, was gerade in dir vorgeht, ob du dir Sorgen um etwas machst, über das du mir nichts erzählen darfst? Ich kriege doch mit, daß du irgendwie in irgendwelche Sachen aus dem Ministerium reingezogen worden sein mußt. Deshalb lernst du ja wohl auch dieses Occlumentie-Zeug bei Professeur Faucon, oder behauptest du immer noch, professeur Faucon brächte dir fortgeschrittene Flüche bei?"
Julius atmete wieder durch. Claires dunkelbraune Augen hielten seinen Blick so fest, als wollten sie in seinen Kopf hineinblicken. Er überlegte schon, die Occlumentie-Technik anzuwenden. Dann sagte er:
"Ja, Claire, das stimmt. Sie bringt mir diese Kunst bei, um meinen Geist vor fremden Zugriffen zu schützen. Aber eben das soll ja nicht durch die ganze Schule rumgehen."
"Ja, und warum hast du mir das nicht erzählt, als ihr aus Amerika wiedergekommen seid? Denkst du ich hätte es nicht kapiert, daß du lernen willst, dich gegen böse Hexen und Zauberer abzusichern?" Erwiderte Claire leicht entrüstet. "Außerdem, Juju, können die dir erzählen was sie wollen, daß es mich nichts anginge, was dir so passiert ist oder worauf du dich so eingelassen hast. Wenn du wirklich willst, daß wir beide noch zusammenbleiben, möglicherweise sogar heiraten, dann geht es mich verdammt noch mal auch was an, was dich was angeht. Immerhin erzähle ich dir doch auch alles, was mich umtreibt, und das ist mehr als ich meinen Eltern erzählt habe."
"Ja, doch bei dem handelt es sich nicht um Sachen, die mit Leuten wie Voldemort oder diesen Hexen in Weiß zu tun haben", versetzte Julius leicht genervt. Hatte er sich echt eingebildet, Claire würde es schlucken, daß er ihr immer noch nichts erzählen wollte. Immerhin hatte er ihr jetzt bestätigt, daß er Occlumentie lernte, was er an und für sich auch keinem erzählen sollte und wofür er wohl noch Ärger mit Professeur Faucon kriegen würde.
"Aha, diese Bande um Grandchapeau und wohl auch deinen früheren Schuldirektor in Hogwarts nutzt dich also aus, weil du als Ruster-Simonowsky-Zauberer so früh die heftigsten Sachen machen kannst und kein erwachsener Zauberer, der dich nicht kennt nicht darauf kommt, daß du schon so stark bist. Doch das ist jetzt wohl in der halben Zaubererwelt rum. Also können die dich nicht mehr als Spion oder geheimen Einsatzagenten oder wie das immer heißen soll benutzen, Julius. Also ist es jetzt wohl vorbei, und du kannst denen, denen du vertraust erzählen, was dir passiert ist. Das du es mir nicht erzählst heißt doch, du vertraust mir nicht."
Julius streckte seinen Körper bis zum Anschlag und sah Claire genau an. Dann feuerte er sehr energisch ab: "meine Mutter weiß von dem allem auch nur das, was ihr anderen alle von mir mitbekommen habt, und die zweifelt nicht dran, daß ich ihr vertraue. Kann aber sein, daß sie ja weiß, daß es Sachen gibt, die man geheimhalten oder zumindest so absichern muß, daß nicht jeder was davon mitkriegt. Also vertraue ich dir nicht weniger als meiner Mutter oder Catherine."
"Nur mit dem Unterschied, daß Catherine wohl weiß, was du so anstellst, weil sie dir ja wohl schon vor diesem Schuljahr dieses Gedankenwegsperrzeug beigebracht hat. Sonst hättest du ja nicht gemeint, mit mir nicht mehr so schön kuscheln zu können. Ach ja, wahrscheinlich hört Professeur Faucon das später, wenn sie mit dir weiterübt und du da noch nicht so gut sein könntest, ihr das vorzuenthalten. Also sage ich das mal so, daß sie das auf jeden Fall wissen kann: Ich möchte keinen Freund haben, um den ich andauernd Angst haben muß, weil er mit Sachen zu tun hat, die gefährlich oder verboten sind. Das einzige, was mir diese Angst nehmen kann ist, wenn ich weiß, was du machst und vor allem warum. Wenn du mir das nicht sagen willst, wird da immer was sein, was mir Angst macht. Meine Mutter hat meinen Vater auch dazu beknien können, ihr zu erzählen, woran er arbeitet. Die tratscht das auch nicht jedem weiter."
"Claire, es geht nicht nur darum, es keinem weiterzusagen, sondern einem nicht schlimmes Zeug aufzuladen. Ich weiß, daß das dir Angst machen kann. Mir wäre es lieb, wenn du nicht wüßtest, daß ich Sachen erlebt habe, die dir Angst machen würden."
"Ja, aber jetzt, wo ich weiß, daß dir schlimme oder abgedrehte Sachen passiert sind möchtest du mich die ganze Zeit in dieser blöden Unwissenheit halten? Erzähl doch nicht sowas!"
"Claire, ich habe gesagt, daß ich dir leider nicht verraten kann, was mir verschiedene Leute zu verschweigen befohlen haben.
"Dann vertraust du mir also nicht wirklich", sagte Claire verbittert. Irgendwie lief die von ihr erhoffte Aussprache nicht so, wie sie das wollte, fand Julius. Doch er hatte seine Entscheidung getroffen und hielt sich nun daran. Das sollte Claire doch auch wichtig sein. Er sagte:
"Sicher vertraue ich dir. Aber ich fürchte, du traust mir nicht zu, trotzdem immer noch derselbe zu sein wie vor den Sommerferien, auch wenn sich mein Körper leicht verändert hat. Ich möchte schon, daß wir weiterhin so friedlich zusammensind. Aber ich werde mir nicht mehr länger anhören, daß ich dir gefälligst alles zu erzählen hätte. Ich frage dich auch nicht danach, was du gerne für dich behältst, weil ich das so sehe, daß du mir das entweder gar nicht erzählst oder dann, wenn du meinst, daß ich das wissen soll. Viviane Eauvive meinte mal zu mir, daß es auch mit uns weitergehen kann, weil wir beide damit zu leben lernen, daß wir auch Sachen haben, die wir uns nicht gleich erzählen. Vielleicht kann ich irgendwann mal damit herausrücken, was ich bisher nicht erzählen darf. Aber bitte halte mich nicht immer an, ich müsse dir was erzählen, weil du sonst meinst, ich würde dir nicht vertrauen." Julius wunderte sich, daß er so viel auf einmal gesagt hatte.
Claire sah sein betrübtes Gesicht und schien zu überlegen, was sie machen sollte. Einerseits wollte sie doch nur wissen, was ihren Freund Julius so heftiges passiert war, um ihm dann zu helfen, wenn er damit nicht fertig werden würde. In den vorletzten Sommerferien hatte er sich doch auch ihrer Mutter anvertraut und ihr von seiner starken Angst vor Insekten erzählt. Da hatten sie doch was gegen machen können. Diesen Sommer war das mit dieser Abgrundstochter passiert. Auch davon hatte er nicht nur ihr was erzählt. Aber was im letzten Schuljahr gelaufen war und was im Sonnenblumenschloß passiert war, würde sie gerne wissen, um richtig damit umzugehen. Aber sie wußte, daß Professeur Faucon es aus seinem Gedächtnis herauslesen konnte, wenn er ihr alles erzählte. So verstand sie zumindest, warum er sich jetzt dagegen sperrte, ihr was zu erzählen. Hier konnte sie also im Moment nicht mehr erreichen als bisher. Das ärgerte sie zwar, aber daran konnte sie jetzt auch nichts machen. Aber etwas anderes mußte sie hier und jetzt noch klären.
"Ich kann also nicht von dir verlangen, daß du mir jetzt alles erzählst, was dir so passiert ist. Das muß ich wohl im Moment so hinnehmen, bis dieser Sonderunterricht bei Professeur Faucon dich gut genug gemacht hat. Aber was diese vielen Sonderaufgaben angeht, will ich jetzt zwei Dinge von dir wissen, die du mir sagen kannst, da bin ich sicher. Willst du nach diesem Jahr schon die ZAG-Prüfungen machen?"
"Öhm, nein, habe ich nicht vor, auch wenn ..."
"Schsch! Klären wir später", erwiderte Claire mit unerwarteter Strenge, ähnlich ihrer Mutter, die Julius auch schon mal als sehr durchsetzungsstarke Hexe erlebt hatte. "Dann will ich noch wissen, warum du Millie immer noch so viel Hoffnung machst, daß sie mit dir zusammenkommen könnte? Liegt das daran, daß wir diesen Sommer in ihrem Familienschloß waren?"
"Millie weiß doch, daß ich mit dir zusammenbin", erwiderte Julius. "Ich mache ihr doch keine Hoffnungen", widersprach er dann noch.
"Machst du doch, wenn du dich mit ihr vor dem Arithmantikunterricht oder danach triffst. Céline meinte, die hätte jetzt wieder Ansprüche angemeldet, ohne es laut sagen zu müssen."
"Claire, pass mal auf, bitte! Letztes Schuljahr, wo wir beide noch nicht wußten, wie das mit uns läuft, da hat Millie ausgetestet, ob das wirklich ernst ist. Warum sie jetzt wieder meint, irgendwas sei anders, weiß ich nicht. Aber ich habe ihr keine falschen Hoffnungen gemacht."
"Am besten hältst du dich von der fern, wenn dir wirklich was an mir liegt", preschte Claire unvermittelt vor. Julius stutzte. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein, ihm vorzuschreiben, mit wem er reden sollte und mit wem nicht.
"Öhm, Claire, bevor du jetzt damit anfängst, mir vorzuschreiben, mit wem ich mich abgeben soll oder nicht, stelle ich mal ganz klar, daß ich hier mit jedem und jeder gleichgut klarkommen möchte. Du bist meine Freundin, das ist Richtig. Aber ich würde nicht anfangen, dir einzureden, mit wem du weiterhin reden sollst oder nicht. Wenn da jemand wäre, der meint, ich sei nicht der Richtige für dich, würde ich eher zusehen, dem das Gegenteil zu beweisen. Außerdem ist Millie in der Pflegehelfertruppe, im Zaubertierwesenkurs und neben Arithmantik auch bei Magizoologie und Zaubertränken dabei. Glaubst du nicht, daß ich da sehr blöd auffallen würde, wenn ich ihr andauernd aus dem Weg gehe. Aber das zeigt mir jetzt, daß du mein Vertrauen verlangst, aber mir selbst nicht traust." Warum wurde er darüber wütend, daß Claire ihm vorschreiben wollte, Millie nicht mehr näher an sich heranzulassen. Fing Claire jetzt auch an, ihm vorzubeten, was er zu tun und zu lassen hatte? Komischerweise hörte er in diesem Moment Millies Stimme in seiner Erinnerung: "... Die Schlange der Leute, die dir meinen was vorschreiben zu müssen, ist mir viel zu lang, um mich da anzustellen."
"Weil ich weiß, daß du doch irgendwie auf sie eingehen könntest, Julius. Die Tatsache, daß du von Martine geträumt hast, gefällt mir nicht sonderlich, auch wenn es richtig war, es mir zu erzählen und dir meinen Traum aus dieser Nacht zu erzählen, als wir wohl alle in diesen blöden Zauber hineingeraten sind. Außerdem werde ich den verdammten Gedanken nicht los, daß du mit meiner angeheirateten Tante mehr angestellt hast, als dich nur mit ihr über diesen Fluch zu unterhalten. Irgendwie habt ihr den aufgehoben, was mir sagt, daß ihr was angestellt habt, um den Aufenthaltsort dieses Buches zu finden, aus dem er kam. Wahrscheinlich mußtest du es Professeur Faucon versprechen, das auch keinem zu erzählen. Aber mir sagt das, daß dich die Latierres irgendwie auch anmachen. Deshalb wäre es sehr nett von dir, wenn du mit Millie nur die notwendigsten Worte wechselst und dich sonst von ihr fernhältst."
"Klar und auch von den Montferres, Belisama, patrice, ach ja, und natürlich auch von Gloria", versetzte Julius sehr gehässig. Hier war ein Punkt erreicht, der ihm nicht gefiel. Er hatte von seinen Eltern gelernt, daß in einer guten Partnerschaft, bestenfalls einer Ehe, ein ständiges Aufeinandereingehen wichtig war und der eine sich mal dem anderen unterwarf, aber auch umgekehrt. Aber das erschien ihm jetzt als größter Ausdruck von ihn nervender Eifersucht Claires.
"Belisama würde es nicht wagen, mich derartig zu verladen. Die Montferres haben noch ihre Partner sicher, oder meinen die jetzt auch, dich haben zu wollen. Da müßten sie dich ja verdoppeln, oder träumst du davon, beide gleichzeitig zu haben? Was Gloria angeht, so weiß ich mittlerweile, daß sie andere Sachen an dir schätzt und du an ihr, auch wenn sie wirklich nicht schlecht aussieht. Patrice Duisenberg ist zwar von den Blauen eine der verlässlicheren Mädels, aber die meintest du doch jetzt echt nicht im Ernst."
"Ach, ich wollte einfach wissen, warum Millie mir so gefährlich werden könnte, daß Ihre Majestät beschließen, ich solle sie nur noch aus zwei Schritt entfernung sehen", stieß Julius trotzig aus. Claire verzog das Gesicht und wurde wutrot.
"Eh, was soll das denn jetzt? Ich wollte lediglich, daß niemand in unsere Beziehung reinfuhrwerkt, und du benimmst dich wie meine Schwester Denise, wenn sie nicht kapieren will, was richtig für sie ist."
"Danke!" Spie Julius verächtlich aus. "Wenn ich nicht so spuren will, wie du das meinst, bin ich für dich wie Denise, ein achtjähriges,kleines Mädchen. Hast du dir schon mal überlegt, daß du für Jeanne genauso rüberkommen könntest oder für Virginie? Wenn du mich so siehst, Claire, dann frage ich mich jetzt ernst, was bei uns noch zu retten ist. Jedenfalls nicht so, daß du mir vorschreibst, was ich zu tun und zu lassen habe."
"Mann, ich habe das so nicht gemeint", erwiderte Claire. Doch sie wirkte sehr verunsichert, als wisse sie nicht, was sie machen sollte. die Finger der Linken Hand zupften nervös an den untersten Strähnen ihres nachtschwarzen, leicht gewellten Haares. Dann atmete sie durch und sagte sehr entschlossen: "Julius, wenn du dir absolut sicher bist, daß wir beide zusammengehören, dann beweise es mir. Ich weiß, daß du mir nichts von deinen Geheimnissen erzählen darfst und Angst vor Bestrafung hast oder davor, daß mir was passiert oder irgendwas mir nicht gefällt - ist jetzt auch egal." Sie atmete wieder tief durch. Jetzt würde sie ihn auffordern, ihr zu beweisen, daß er sich ihr verbunden fühlte, indem er etwas tat, was verbindlich war. Tat er es, so dachte Claire, würde sie ihm ebenfalls zeigen, daß sie mit ihm weiter zusammensein wollte. Tat er es nicht, dann hatten sie beide sich die ganze Zeit was vorgemacht. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter ihren Vater endgültig dazu gebracht hatte, sich zu ihr zu bekennen, durch eine einfache Handlung. Ruhig und völlig frei von Ärger in der Stimme sagte sie: "Julius, zieh dich aus und lass dich von mir ansehen!"
Julius sah sie verdutzt an. Natürlich kannte er die in diesem Land gültigen Sittlichkeitsregeln. Sie besagten, daß sich nicht miteinander Verwandte unterschiedlichen Geschlechtes, die älter als fünf Jahre waren, nicht unbekleidet sehen sollten, da dies, so die alte Regelung, ein Vorrecht von Geschwistern, miteinander verlobter, verheirateter oder Eltern und Kinder war. Damit sollte ein Wildwuchs geschlechtlicher Tätigkeiten verhindert werden. Denn sah ein Zauberer über fünf eine Hexe über fünf unbekleidet und / oder umgekehrt, so galt dies als unausgesprochener Heiratsantrag, auch wenn auch nur beide noch minderjährig waren. Die Familien würden dann sicherstellen, daß die beiden dann auch ihr restliches Leben miteinander verbrachten.
"Claire, meinst du echt, daß das hier die richtige Zeit und Stimmung ist?" Fragte er nach zwei Sekunden Schweigen.
"Ich will mit dir hier keine Liebe machen, Julius. Ich will dich nur ansehen und dir meinen Körper ohne Klamotten zeigen, wenn du wirklich weißt, daß wir beide zueinander passen, zueinander, nicht zusammen, um das klarzustellen. Das käme dann später dran. Ich will es jetzt einfach wissen, ob du wirklich weißt, daß wir beide zusammenbleiben sollen."
Julius sah in seinem Geiste Bilder vorbeirasen, wie er vor der völlig nackten Hallitti stand, ebenfalls völlig unbekleidet. Dann lag er mit sich, nein, Béatrice Latierre zusammen und dachte, wie herrlich es nach dem unangenehmen Zusammenfinden wurde, von Fluch und Fleisch verstärkt. Dann sah er noch Bilder aus Marie Laveaus Visionen. Unvermittelt tauchte die Erscheinung einer dunkelhaarigen, aber nicht genau zu erkennenden Frauengestalt auf, die an jeder entblößten Brust einen Säugling liegen hatte. Das sollte das Ziel eines Weges sein, der nicht gut für ihn war, kam ihm wieder der Gedanke. Er versuchte, ihn zu verdrängen, dabei tauchte Martine Latierre vor ihm auf, neben ihr seine im Traum entstandene Tochter Aurore, dann Claire, und er auf dem Walpurgisnachtbesenflug, wie sie ihn küßte, dabei aber zu Mildrid Latierre wurde und dann zu Sandra Montferre, die ihn umarmt hielt, als sie testen wollte, ob Goldi sie auch anfauchen würde wie damals Claire. Er fühlte, wie diese Bilder der Innigkeit und allernächster Nähe mit einer Frau sein Geschlecht anregten. Deshalb verdrängte er diese Bilder sofort wieder. Er atmete dreimal tief durch und sagte:
"Claire, es muß auch was anderes geben, das uns zeigt, daß wir zusammengehören. Ich wollte doch nur, daß du nicht meinst, nur Ruhe zu finden, wenn du mich anleitest, was richtig und falsch ist. Da müssen wir doch nicht gleich eure alten Anstands- und Zugehörigkeitsregeln strapazieren." Er war froh, daß die Reaktion auf seine Erinnerungen durch den Beauxbatons-Umhang nicht zu sehen war.
"Das ist das einfachste von der Welt, Julius", sagte sie ruhig und dachte daran, daß wenn er auf ihre Forderung einging, sie einen alten Verbindlichkeitszauber anwenden würde, den ihre Oma Aurélie ihr und Jeanne erklärt hatte. Funktionierte dieser, so wußte sie auch von sich aus, daß ihre Zuneigung zu Julius stark genug war, mit ihm das ganze Leben durchzustehen, auch wenn er noch so viele Geheimnisse hatte. Aber die würde sie dann nach und nach ergründen. Doch Julius schien sich nicht sicher zu sein, Claire zu zeigen, wie er ganz ohne Kleidung aussah. Sie überlegte, ob sie gegen bestehende Schulregeln verstieß und befand, daß dann ja auch ihre Oma und ihre Mutter von der Schule heruntergeflogen wären und auch eine Professeur Faucon sie nicht dafür bestrafen durfte, wenn sie Julius zu diesem Schritt brachte. Aber Julius sah sie nur leicht betreten an und sagte mit Bedauern in der Stimme:
"Claire, falls du dachtest, dann hätten wir alles geklärt, tut es mir leid. Ich kann das nicht. Das ist hier nicht die richtige Stimmung, noch der richtige Anlass dafür. Ich weiß, wenn ich dir den Gefallen tue, dann wärest du beruhigt. Aber weißt du wirklich, was in zwei Jahren ist oder in drei, wenn wir hier abgehen?"
"Nein, ich weiß das nicht, und du auch nicht. Aber wenn du wirklich mit mir zusammenbleiben willst, weil du mich liebst und ich die richtige für dich bin, dann möchte ich das jetzt von dir sehen. Jetzt sofort", erwiderte Claire entschlossen. Ihr gefiel es nicht, daß Julius sowas einfaches nicht machen wollte. Schämte er sich etwa? Sie würde sich problemlos vor ihn hinstellen und es zulassen, wie er sie ansah. Doch er schien in sich zu versinken. Sie wußte nicht, wie in seinem Kopf die Bilder aus der Walpurgisnacht mit Bildern von den Montferres und Latierres einander jagten. Dann, etwa nach zehn endlos langen Sekunden, schüttelte er den Kopf und sagte:
"Tut mir leid, Claire, ich möchte mich jetzt nicht so festlegen. Ich hoffe, wir kriegen das auch so auf die Reihe."
"Ich fürchte, dafür ist es jetzt zu spät", erwiderte Claire und kniff die Augen zusammen, immer wieder. Dann sagte sie:
"Falls du oder ich vor Walpurgis noch nicht wen anderen gefunden haben werde, darf ich dich dann noch einmal einladen?" Fragte sie. Julius fühlte unvermittelt eine bleischwere Endgültigkeit, die auf dieser Frage getragen über ihn kam. Er setzte schon an, etwas zu erwidern, doch Claire wiederholte ihre Frage mit unverkennbarer Entschlossenheit. Er nickte ehr automatisch als bestimmt, dann sagte sie noch: "Ich hoffe, wir beide werden weiterhin gute Klassenkameraden bleiben, ohne uns zu streiten, ansonsten, viel Glück, Julius!" Sie sah ihn noch einmal mit ihren dunkelbraunen, nun sehr feuchten Augen an. Dieser Blick bohrte sich tief in sein Herz und er hörte ihre letzte Frage, ob sie ihn zur Walpurgisnacht einladen dürfe, wenn sie beide bis dahin keinen anderen Partner gefunden hätten. Da kam dieses eine Bild, sie und er auf dem fliegenden Besen über dem großen Feuer, ihr Haar in seinem Gesicht, seine Arme um ihren warmen Körper geklammert, und die Erkenntnis, sie nicht loslassen zu wollen. Nein, er wollte sie nicht verlieren, nicht wegen sowas wie irgendwelcher Geheimnisse! Er zog seinen Zauberstab, deutete auf sich und murmelte: "Nudato!" Unvermittelt rutschte ihm sämtliche Kleidung vom Körper. Claire stockte in der Bewegung, starrte nun ungläubig auf ihn und brach in Tränen aus. dann, so nach einer halben Minute, in der Julius vor ihr stand, nur noch die Uhr, den Brustbeutel und den Pflegehelferschlüssel am rechten Arm, wischte sie ihre Tränen aus den Augen und sah ihn genau an, von oben bis unten, von seinem hellblonden Haarschopf, über das Gesicht mit den blauen Augen hinunter über den durch Schwermacher und Quidditch trainierten Körper, bis sie sagte:
"Ganz unbekleidet, Juju." Julius legte die Uhr und den Brustbeutel auch noch ab. Das Armband ging nicht ab. Claire nickte und setzte ihre gründliche Betrachtung fort. Dann griff sie nach ihrem Zauberstab und ließ ebenfalls alle Kleidung vom Körper fallen. Braun wie Kaffee mit etwas Mildch schimmerte nun jeder Zentimeter ihrer Haut frei vor Julius Augen. Er betrachtete sie so eingehend wie sie ihn und erkannte, daß der leichte Flaum der einsetzenden Schambehaarung so dunkel wie ihr langes, nun den nackten Rücken herabwallendes Haupthaar war. Julius versuchte, seine Selbstbeherrschungsformel zu denken, um nicht auf Claires nackten Körper zu reagieren. Doch ganz gelang ihm das nicht. Doch er durfte sie nicht als Sexpartnerin sehen, noch nicht und nicht ausdrücklich, sondern als das Mädchen, die junge Frau, die er doch liebte, wie er erst in der allerletzten Sekunde erkannt hatte. Und offenbar liebte sie ihn auch nicht nur körperlich, denn ihr Lächeln war nicht lüstern wie das Hallittis, als sie ihn haben wollte, sondern warm und zufrieden. Dann zupfte sie sich mit einer schnellen Handbewegung ein Haar von ihrem Kopf, den kurzen Schmerz durch ein Zwinkern zeigend. Dann sagte sie ruhig und jetzt ohne Spur von Bedauern oder Trübsal:
"Gib mir bitte deine Linke Hand, Juju!" Julius reagierte wie ein Automat. Ehe er sich dessen bewußt war, hatte ihm die völlig nackte Hexe ihr ausgezupftes Haar um den kleinen Finger gewickelt und knotete es fest. Dann zupfte sie Julius ein Haar von seinem Kopf, das nur ein Achtel so lang war wie das von ihr. Aber sie konnte es problemlos mit einem festen Knoten um ihren linken Ringfinger binden. Dann sagte sie ruhig: "Wir müssen uns die freien Hände reichen und die Zauberstäbe zusammenlegen, Juju. Oma Aurélie sagt, das täte nicht weh, wäre eher was angenehmes, aber dann wissen wir beide, ob wir wirklich zusammenbleiben wollen. Also, bitte!" Julius erkannte, daß er hier und jetzt nicht nur durch den direkten Anblick Claires, sondern auch durch einen Zauber eine Vorabverlobung vollziehen würde. Er fragte sie, ob sie das denn dürften. Sie antwortete ruhig: "Oma Aurélie hat's mit vierzehn gemacht, Maman auch, und unsere Gründungsmutter Viviane hat ihn auch mit vierzehn gemacht, bei selber Gelegenheit zu selben Bedingungen. Da können uns weder die Schulregeln noch die Zaubereigesetze was anhaben, und Professeur Faucon wird dir das auch bestätigen, die das ja dann auch mitbekommen wird." Merkwürdigerweise fühlte er sich nicht ertappt, als sie erwähnte, daß Professeur Faucon diese Szene aus seinem Gedächtnis legilimentieren würde. Er führte aus, was seine Freundin von ihm erbat. Als sie sich mit ihren Freien Händen ergriffen und ihre beiden Zauberstäbe der Länge nach aufeinandergelegt hatten, sprach Claire sehr erhaben: "Corpores Nostros Amori nostro per vitam totam dediceantur!" Unvermittelt vibrierten die beiden Zauberstäbe, und eine Strömung wie eine Mischung aus Elektrizität und warmen Wassers floss durch die einander ergriffenen Hände in die Arme, hindurch, in jeden der beiden Körper, schien sie warm und wohlig auszudehnen, floss wieder aus ihnen heraus und hüllte sie in eine Wolke aus behaglicher Wärme und unendlicher Geborgenheit, wurde dichter, bis Julius meinte, er und Claire trieben im Fruchtwasser eines großen, unsichtbaren Mutterschoßes, in dem sie beide ihren Herzschlag und ihren ruhigen Atem hören konnten. Dann, wohl nach einer Minute, ließ dieses merkwürdige, ganz und gar angenehme Gefühl langsam nach. Erst als mit leisem Knistern die beiden aufeinanderliegenden Zauberstäbe auseinandergedrückt wurden und sich die beiden Partner undurchdrungen von irgendeinem Zauber gegenüberstanden, ließen sie einander los. Julius blickte auf seine linke Hand. Claires daran festgebundene Stück Haar lag fest und sacht pulsierend um seinem kleinen Finger.
"An und für sich muß der Partner den Zauberspruch nachsprechen. Aber offenbar hast du den wortlos nachgesprochen, als du ihn gehört hast", sagte Claire. Das das so schön wird hat Oma Aurélie mir nicht ..."
Ein leises Schwirren kam von draußen, dann eilige Schritte. Claire und Julius standen erschrocken voreinander und wußten nicht, was sie noch tun konnten. Da trat eine Hexe in blütenweißer Schwesterntracht ein: Madame Rossignol.
"Aha, ahnte ich es doch, daß Mademoiselle Dusoleil es irgendwann darauf ankommen lassen wird", sagte sie, nicht empört oder unheilvoll, sondern erheitert.
"Öhm, wir haben nichts angestellt, außer ...", setzte Julius an, die Situation zu erklären.
"Den Corpores-Dedicata-Zauber gewirkt und euch dabei unverhüllt angesehen", sagte die Heilerin. Dann blickte sie auf Claire, betrachtete ihre privatesten Blößen und meinte: "Nichts, wofür ich euch beide jetzt bestrafen lassen muß. V. I. positiv, außerdem hätte dein Schlüssel mir verraten, wenn es zwischen euch zu mehr als zum nett Angucken gekommen wäre, Julius, auch wenn schwache Ansätze angezeigt wurden. Aber ihr solltet euch jetzt besser wieder anziehen."
"Was heißt denn V. I.?" Fragte Claire leicht verlegen.
"Ungebrauchtes Mädel", erwiderte Julius. Die Heilerin räusperte sich, mußte aber vergnügt grinsen. Dann sagte sie:
"Die Abkürzung steht für Virgo intacta, also unberührte Jungfrau, Lümmel."
"Aha, erwiderte Claire und zwinkerte Julius zu. Dann holten sie ihre abgestreiften Sachen und bekleideten sich ohne Zauberkraft, weil Julius diesen Schnellumkleidezauber besser nicht ausprobieren wollte, um nicht aus Versehen Schwester Florences Tracht anzuhaben. Als beide dann ordentlich bekleidet waren, sagte die Heilerin:
"ich habe es damals mitbekommen, wie deine Oma Aurélie diesen Zauber mit Tiberius durchgeführt hat. Die beiden hatten sich vorher darum gehabt, daß Tiberius auch anderen Mädchen ... ähm, nachgeguckt hat."
"Ich weiß, Ihnen zum Beispiel", sagte Claire, die die Geschichten ihrer Großmutter mütterlicherseits wohl gut kannte. Schwester Florence blickte sie leicht tadelnd an, mußte aber nicken. Julius wunderte sich über die Dreistigkeit seiner nun noch festeren Freundin. Denn in diesem Moment, wo der von ihr aufgerufene und von ihm wohl in Gedanken nachgesprochene Zauber zu wirken angefangen hatte, war ihm klar geworden, daß es nicht darauf ankam, welche nervigen Eigenschaften sie hatte, sondern welche warmen und aufmunternden, ihn sicher haltenden Eigenschaften sie hatte. In diesem Moment, wo sie sich fast von ihm abgewandt hatte, weil sie ihn verloren glaubte, wußte er auch, daß er dieser jungen Hexe alles anvertrauen konnte, was ihn umtrieb. Doch war das jetzt durch diesen Zauber gekommen oder ihm vorher schon klar geworden? Da wollte er lieber noch abwarten.
"Ich bringe euch beide zu Professeur Faucon, damit sie erfährt, daß ihr beiden euch gerade einander verbunden habt. Das ist unerläßlich, damit klargestellt ist, daß ihr beiden nicht aus Jux und Neugier Nackt voreinander gestanden habt", sagte die Heilerin sehr bestimmend. Julius sah es ein. Immerhin hatte er Claires Haar noch am Ringfinger. Leicht nervös fingerte er daran herum, konnte es aber nicht lockern.
"Das kriegst du so nicht mehr ab, bis die Körper, die einander geweiht wurden, sich in Liebe vereinigen. Und das macht ihr hier bestimmt nicht", sagte Madame Rossignol.
"Das hält deshalb, weil wir beide wirklich füreinander dasein wollen, Julius", sagte Claire. "Sonst wäre der Zauber gar nicht erst losgegangen. Also wußtest du, daß du mich doch liebst, auch wenn du dieses Wort nicht gebrauchen wolltest."
"Weil in der Welt seiner Eltern zu häufig "Ich liebe dich" gesagt wird, insbesondere bei flüchtigen Affären, die nicht über einen profanen Beischlaf hinausgehen", erwiderte die Heilerin, und nahm den vor dem Pavillon hingelegten Besen auf.
"Wir gehen zum Palast zurück. Ich erlaube dir, mit deiner Verlobten durch die Wand zu schlüpfen, einmal zu Professeur Faucon und dann zum grünen Saal. Die Ausnahmeregelung stammt noch aus der Gründerzeit, wenn klargestellt wurde, daß sich ein Zauberer und eine Hexe ihre wahre Liebe zueinander bestätigt haben." Julius sah die Heilerin etwas perplex an. Sie lächelte und fügte hinzu: "Ja, Julius, gewöhne dich an das Wort. Es beschreibt die Essenz des Lebens, die größte Kraft, die in der Welt besteht, die am höchsten in der Hierarchie der magie steht. Sie kann nicht magisch erzeugt oder erzwungen werden, sondern zeugt und erhält durch ihre eigene Magie, wenn sie wahrhaftig ist."
"Auf jeden Fall ist es sehr schön, daß wir beide es nun wissen, daß wir uns nicht miteinander vertan haben", sagte Claire. Julius nickte nur, aber schwieg. Er hoffte, daß zumindest die abgekühlte Stimmung zwischen ihr und ihm nun unwiederbringlich vorbei war und er sich auf andere ihn fordernde Sachen konzentrieren konnte.
Beim Palast schlüpfte Madame Rossignol als erste durch die Wand.
"jetzt darf ich das auch mal erleben", freute sich Claire, als Julius sie sacht bei der Hand nahm und dann das für ihn rosa leuchtende Wandstück mit dem weißen Stein des Armbands berührte. Mit einem Schwupp wechselten sie in den Korridor, wo Professeur Faucons Sprechzimmer lag. Gerade ging die Tür auf, und Louis Vignier verließ mit bleichem Gesicht das Sprechzimmer. Als er die Heilerin sah, die ihn kurz musterte, machte er, daß er fortkam. Professeur Faucon tauchte im Türrahmen auf und blickte die drei unangemeldeten Besucher an. Als die Heilerin auf die beiden deutete, verzog Professeur Faucon errst das Gesicht und setzte gerade an, einen lauten Tadel loszulassen, als die Heilerin ruhig sagte:
"Es ist nicht das was Sie befürchten, Blanche, die beiden haben nur erprobt, ob sie sich seelisch-partnerschaftlich einander zugehörig fühlen und haben den Corpores-Dedicata-Zauber gewirkt, der, wie ich belegen kann, mit maximaler Kraft wirksam wurde. Aber näheres bitte bei Ihnen im Sprechzimmer!"
Professeur Faucon blickte verwundert auf Julius, dann auf Claire, um dann entschlossen dreinzuschauen, die beiden Teenager mit ihren saphirblauen Augen musternd. Sie winkte sie herein und schloß die Tür. Dann schuf sie einen Klangkerker und bat die Besucher, Platz zu nehmen. Als sie den Bericht von Madame Rossignol gehört hatte sah sie Claire an und fragte sie:
"Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie die Initiative ergriffen, Mademoiselle Dusoleil?" Claire antwortete folgsam mit Ja. "Welchen wichtigen Grund können Sie dafür angeben, warum Sie diese drastische Maßnahme ergriffen haben?" Forschte die Lehrerin weiter.
"Weil ich Angst hatte, Julius Andrews vertraue mir nicht und wolle nichts mehr mit mir zu tun haben, Professeur. Zum Glück hat das ja nicht gestimmt", sagte Claire nicht eingeschüchtert, sondern selbstbewußt.
"Monsieur Andrews, bereuen Sie, sich vor Mademoiselle Dusoleil entkleidet zu haben? Immerhin haben Sie ihr damit zugesichert, sie bei Eintritt Ihrer Volljährigkeit zu ehelichen."
"Ich weiß nicht, wie ich das jetzt beschreiben soll, Professeur. Vorher hatte ich nur Stress, weil Claire und ich uns wegen einiger Dinge, von denen Sie wissen, daß ich sie nicht weitererzählen darf, fast zerstritten haben. Ich wußte auch nicht, ob das jetzt schon so gut sei, sich festzulegen. Aber nachdem dieser Zauber von uns beiden aufgerufen wurde weiß ich, daß ich das richtige getan habe, und da ich die Familie Dusoleil nun doch ein wenig kenne, habe ich auch keine Angst, ihnen das mitzuteilen", sagte Julius ebenfalss selbstbewußt. Er dachte, daß Claire ein doch sehr schönes junges Mädchen war und wenn er sich ihre Schwester Jeanne, ihre Mutter Camille und ihre Großmutter Aurélie ins Gedächtnis rief, würde Claire wohl auch in fünfzig Jahren noch sehr ansehnlich aussehen. Ob er das von sich sagen konnte, nachdem er seinen erschreckend gealterten Vater gesehen hatte?
"Nun, da mir unsere Schulheilerin mitteilte, daß außer der Probe durch den Corpores-Dedicata-Zauber nichts zwischen ihnen vorging, solange sie einander unbekleidet gegenüberstanden, haben Sie beide sich nicht gegen bestehende Schulregeln vergangen. Oder war jemand Zeuge dieses Ereignisses?" Julius und Claire schüttelten die Köpfe. Denn der Pavillon im Ostpark lag an einem Seitenweg, und sie hätten hören müssen, wenn jemand gekommen wäre.
"Nun, dann bleiben mir nur zwei Dinge, die erledigt werden müssen. Mademoiselle Dusoleil, bitte nutzen Sie meinen Kamin für eine Direkteulenpost an Ihre Familie, in der Sie mitteilen, was sie gerade durchgeführt haben und zu welchem Ergebnis sie gekommen sind. Wir erwarten hier die Antwort. Außerdem, Mademoiselle Dusoleil möchte ich nun, da Sie so kühn vorangeprescht sind, das Angebot machen, die Monsieur Andrews zugedachte Sonderunterweisung anzubieten. Mag sein, daß Monsieur Andrews es Ihnen gegenüber im Vertrauen erwähnt hat oder nicht. Monsieur Andrews, bitte kommen sie in ungefähr fünf Minuten wieder zu mir!"
Julius nickte und verließ das Sprechzimmer. Madame Rossignol winkte ihm, ihr zu folgen, und so wandschlüpfte er zum Sprechzimmer der Heilerin.
"Wie geht es Golbasto Collis?" Fragte er.
"Den konnte ich gut behandeln, obwohl ein Schlüsselbeinbruch, ein angebrochenes Schulterblatt, zwei Oberarmknochenbrüche und ein Bruch im linken Bein nicht gerade schöne Erinnerungen an ein Auftaktspiel sind", sagte sie. "Aber ich wollte Mit dir über das reden, was dieser Zauber noch bewirkt außer zu zeigen, daß zwei Liebende sich gefunden haben. - Jetzt kuck mich nicht wieder so merkwürdig an, als würde ich ein unanständiges Wort benutzen. Würdest du bei mir nicht erleben", sagte die Heilerin und ließ Julius ihr gegen Über Platz nehmen. Julius hörte ihr zu. So erfuhr er, daß der Zauber, wenn er denn wirksam wurde, ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl bewirkte und die innere Ruhe verstärkte. Dann fragte Julius:
"Was passiert, wenn ich doch mit einer anderen körperlich zusammenkommen will?"
"Abgesehen davon, daß du keine rechte Lust darauf hast bewirkt der Zauber eine temporäre Impotenz, sofern du mit deiner Auserwählten noch nicht den Liebesakt vollzogen hast, will sagen, so oder so hebst du dich für sie auf. Sie hingegen empfindet auch keine Lust auf körperliche Nähe mit anderen jungen Männern und kann auch nicht penetriert werden, solange du nicht mit ihr geschlafen hast."
"Das hat Claire mir gar nicht erzählt", grummelte Julius und mußte dann grinsen. Claire hatte alles auf die eine Karte gesetzt, daß Julius sie doch liebte, auch wenn er das so nie gesagt hatte. Nun hatte sie ihm Mädchen wie Mildrid oder Belisama madig gemacht, und die konnten nichts dagegen tun, es sei denn, sie brachten Claire um. Doch soweit würde nicht einmal Mildrid gehen.
"Ich fühlte mich so wie in warmem Wasser liegen. Hat das was damit zu tun, daß Claire den Zauber laut ausgerufen hat?"
"Nein, diese vollkommene Geborgenheit und Belebung tritt immer auf, wenn der Zauber wirksam wird", sagte die Heilerin.
Noch einige Minuten sprachen sie über die Herkunft des Zaubers, wobei Julius erfuhr, daß er bereits vor zweitausend Jahren gewirkt werden konnte. Viviane Eauvive saß in dem Bild Serena Delourdes und hörte andächtig zu. Dann kehrte Julius zurück in Professeur Faucons Sprechzimmer. Dort hockte Madame Dusoleils Kopf im Kamin und strahlte ihn an.
"Hat Claire also doch ihrer Mutter nachgeschlagen", begrüßte sie ihn. "Und wie fühlt man sich, wenn feststeht, wer die Richtige fürs Leben ist?"
"Merkwürdig, als wenn man in eine andere Welt wechselt", sagte Julius.
"Ich freue mich für Claire und dich. Jeanne hat ja gemeint, es auch ohne den Zauber hinzukriegen. Ob sie damit glücklicher ist, wird sich noch zeigen. Auf jeden Fall gestatten Florymont und ich, daß du mit Claire zusammen bist. Sonst hätten wir bestimmt nicht zugelassen, daß ihr beiden euch annähert."
"Öhm, entschuldigen Sie die Frage, Madame Dusoleil, aber hat sich bei Ihnen auch etwas angekündigt?"
"Du meinst, ob ich auch schwanger geworden bin? Wäre zwar nicht so schlimm wenn, aber froh bin ich doch, nicht mit der halben Latierresippe anzuschwellen. Aber ich denke, Denise wird nicht die Jüngste bleiben. Danke der Nachfrage!"
"maman, ich bin glücklich, daß du und Papa mir dafür nicht böse seid", sagte Claire.
"Wir freuen uns, daß du den richtigen jetzt schon gefunden hast, Cherie. Schreib mir bald wieder!"
"Mach ich, Maman", sagte Claire. Dann verschwand Madame Dusoleils Kopf aus dem Kamin. Es ploppte, und Catherines Kopf erschien im Kamin.
"Hallo, Professeur Faucon. Ah, Julius. Ich habe es gerade erfahren, von Martha, die es von der gemalten Viviane hat. Wie geht es dir, Julius?"
"Hmm, irgendwie anders und doch nicht. vor zehn Minuten habe ich ein nacktes, braunes Mädchen gesehen, dann wurde mir so merkwürdig wohlig, aber nicht unter der Gürtellinie, sondern durch den ganzen Körper, und jetzt sagen sie, ich sei mit der jungen Dame verlobt."
"Wenn das nackte Mädchen dich auch nackt gesehen hat nichts schlimmes, nur Amor verificatus durans, das ist was sehr schönes, wenn man es findet und erkennt."
"Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Kind", sagte Claire Dusoleil. Catherine nickte dankend und lächelte.
"Das dauert noch ein paar Monate, bis ich es habe. Deine Mutter hat es ja offenbar ausgelassen", erwiderte Catherine.
"Madame Brickston, ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich hätte von Ihnen auch gerne eine schriftliche Bestätigung, daß Sie die Erwählung Mademoiselle Dusoleils nicht anfechten möchten", sagte Professeur Faucon etwas ungehalten. Catherine nickte. Dann hörte Julius wie aus einem Brunnenschacht die Stimme seiner Mutter:
"Julius, hörst du mich?"
"Ja, Mum, ich höre dich!" Rief er zurück.
"Hoffentlich habt ihr beide euch richtig entschieden", kam es zurück. "Catherine hat mich beruhigt, daß dieser Zauber nur dann funktioniert, wenn sich beide, die ihn aufrufen wirklich lieben. Ich hoffe nur, daß ihr euch nicht doch noch verkracht."
"Das hängt davon ab, was uns hier noch alles bevorsteht", sagte Julius amüsiert. Claire rief zurück:
"Ich mußte Ihren Sohn erst darauf stoßen, daß wir beide doch mehr als Freunde sind, Madame Andrews. Aber jetzt ist er froh, daß er erkennt, daß wir beide zusammenbleiben wollen."
"Dann noch viel Glück und vergesst über die aufgeweckte Liebe nicht die Schularbeiten!" Sagte Catherine noch und verabschiedete sich.
"Dem werde ich mich mal unverändert anschließen", sagte Professeur Faucon noch. "Mademoiselle Dusoleil, da ich die Genehmigung Ihrer Eltern habe, kommen Sie dann bitte jeden Sonntag Morgen zwischen neun und zehn zu mir, und bitten Sie ihre Schulkameradinnen um Diskretion, sofern Sie ihnen nicht von sich aus verschweigen möchten, was Sie bei mir lernen!"
"Jetzt kapiere ich ja, warum Julius mir das nicht erzählen wollte. Gehört ja schon viel zu, in seine Erinnerungen reingucken zu lassen."
"Was ist eigentlich mit Madame Maxime?" Fragte Julius.
"Die werde ich gleich informieren und die schriftlichen Bestätigungen Ihrer Eltern vorlegen, Monsieur Andrews. Und jetzt darf ich Sie bitten, mein Sprechzimmer zu verlassen, in einer Minute habe ich einen Termin mit Monsieur Moreau."
Auf dem Gang verabschiedeten sich Claire und Julius von Madame Rossignol, die danach in den Krankenflügel zurückschlüpfte.
"Einmal darf ich dich noch mitnehmen, Claire", sagte Julius und nahm Claire bei der Hand.
"Bevor wir das allgemein rumgehen lassen, Juju, eine Frage: Wenn mir Professeur Faucon auch das beibringt, was sie dir beibringt, erzählst du mir dann etwas von dem, was dir so passiert ist?"
"Zumindest das, was man mir nicht ausdrücklich verboten hat", sagte Julius. Claire knuddelte ihn und hielt sich gut fest, als sie durch die Wand schlüpften.
Das Claire und Julius den Bestätigungszauber gewirkt hatten ging schneller als ein Lauffeuer in Beauxbatons herum. Einige beglückwünschten die beiden, wie Gloria, Belisama und Céline, andere wirkten eher vergrätzt, wie Mildrid Latierre, sowie einige andere Mädchen aus dem roten und gelben Saal, die wohl heimliche Verehrerinnen von Julius Andrews gewesen waren und Jungen aus den oberen Klassen der Säle grün und rot, die angefangen hatten, auf Claire zu hoffen, sowie Hercules Moulin, der Julius am Abend noch mißmutig alles Glück das er brauchen konnte wünschte, und als er von Robert gefragt wurde, was ihn so angriffslustig mache sagte, daß es mit Bernadette wohl vorbei sei.
Dann kam noch Goldschweif, die auch nicht sonderlich glücklich über diese Wendung war, aber Julius auch nicht mehr davon abbringen wollte. Außerdem fühlte sie sich so, daß sie wohl Junge bekommen würde.
In der Nacht träumte Julius, daß er neu geboren würde. Ihm fehlte für einige Sekunden die Luft zum Atmen, und er hörte die Schmerzensschreie der Frau, die ihn zur Welt brachte, es war nicht seine eigene Mutter, sondern Madame Dusoleil. Dann war er endlich angekommen und schrie laut. Trotzdem konnte er Madame Matine sagen hören:
"Ein schönes Mädchen hast du uns da gebracht, Camille. Wie soll sie denn heißen?"
"Claire, nach meiner Großmutter", keuchte Madame Dusoleil nach der überstandenen Anstrengung. Julius fühlte, wie er ihr in die Arme gelegt wurde. Dann wachte er auf.
"Das habe ich mir gedacht, das das passiert", hörte er Viviane Eauvive über seinem Bett wispern. Aurora Dawns Bild-Ich wisperte zurück:
"Wie kommt denn sowas hin?"
"Weil die beiden tatsächlich die Kinder einer Mutter sind, Aurora, meine Kinder", erwiderte Viviane. Doch Julius hörte nicht mehr darauf, weil er wieder in tiefen Schlaf versank. Jetzt träumte er von jener merkwürdigen Stadt, die er schon ein paarmal im Traum besucht hatte. Diesmal traf er jene geheimnisvolle Frau wieder, die er bei seiner ersten Reise dorthin angetroffen hatte. Sie führte ihn zu einem kilometerhohen Turm, wo sie ihm die Worte: "Iagginahillash gahanihaolah ivannadarxam Khalakatanom." zurief. Doch er verstand den Sinn dieser Worte nicht. Dann rief sie noch "Jaxallahiri!" Auch das verstand er nicht.
Am nächsten Morgen erzählte ihm Claire, wie sie in einem kahlen Raum mit grellen Lichtern wohl gerade neu geboren gelegen hatte und seine Mutter hatte sprechen hören können. Julius erzählte ihr von seinem Traum, wo er ihre Geburt miterlebt hatte und was er von Vivianes Bild dazu gehört hatte.
"Offenbar hat der Zauber uns einen Teil unserer ganz frühen Erlebnisse im Traum sehen lassen, Juju", erwiderte Claire beeindruckt. "Da bin ich ja gespannt, was uns noch alles im Traum verbindet."
Julius hoffte, daß es nicht all zu viel sein würde. Denn einen bestimmten Traum sollte Claire besser nicht nachträumen.
In den folgenden Tagen nahm Claire Julius bei Seite und flüsterte ihm zu:
"Das mit deinen Zusatzaufgaben, kriegst du die wirklich gut hin oder möchtest du, daß wir regeln, wann du was machen kannst und wann nicht?"
"Ich weiß nicht, was die mir noch alles aufhalsen, Claire", sagte Julius. "Aber vielleicht sollte ich wirklich mal prüfen, was ich wann hinkriegen kann." So setzten sie sich an einen Tisch und gingen die Hausaufgaben der laufenden Woche durch. Julius mußte erkennen, daß Claire ein gutes Organisationstalent besaß und er trotz der früher eingeteilten Zeiten einiges zu eng beieinander gelegt hatte. Als sie dann einen gescheiten Aufgabenplan erarbeitet hatten sagte sie noch:
"Ich habe Sandrine gesagt, daß sie das bei Schwester Florence anzeigen soll, wenn du dich doch irgendwie überarbeitest, Cherie. Aber von den Zauberübungen könntest du mir vielleicht einige beibringen, die Verschwindesachen zum Beispiel."
"Dann müßtest du in den Verwandlungskurs für Fortgeschrittene", sagte Julius.
"Vielleicht im nächsten Halbjahr", sagte sie dazu. Dann fragte sie nach Goldschweif.
"Sie meint zwar, sie hätte mir wohl ein für mich nachkommenstechnisch besseres Weibchen ausgesucht, aber da sie im Moment gerade von Braunpfote Junge im Bauch hat ist sie wohl erst davon runter, mich anderweitig unterbringen zu wollen."
"Tja, sie hat sich ja gut angestrengt, uns beide zu vergraulen", sagte Claire. Dann grinste sie noch: "Aber du hast durch sie viel Übung im Kraulen und Streicheln. Was die Jungen angeht, daran arbeiten wir beide dann, wenn wir das auch dürfen. Es sei denn, du möchtest haben, daß ich im ZAG-Jahr wie Constance herumlaufe und mich ärgere, daß etwas in mir mich um ein Jahr zurückwirft. Dann gehst du aber mit in die vorige Klasse, Süßer!"
"Aber nur, wenn die mich nicht gleich rauswerfen", sagte Julius.
Der Oktober war bereits in seiner Mitte angekommen. Claire und Julius hatten ihre alte, wohltuende Zweisamkeit wiedergefunden, liefen aber nicht immer wie zwei verliebte Turteltauben in der Schule oder den Parks herum. Jetzt, wo alle Welt es wußte, daß sie wohl doch vom Schicksal zusammengeführt worden waren, brauchten sie sich auch keinen großen Stress mehr zu machen. Millie versuchte zwar zwischendurch, Julius zu betören, doch dieser Zauber mit Claires Haarsträhne wirkte wirklich so, daß er nicht mehr von ihr beeindruckt werden konnte.
"Da hätte die dir gleich einen blöden Keuschheitsgürtel umlegen können", knurrte sie einmal. Dann meinte sie: "Wenn ich den gekont hätte, hätte ich das mit dir gemacht. Vielleicht hätte der auch zwischen uns beiden funktioniert."
"Kein Kommentar", sagte Julius dazu nur.
Das Quidditchspiel gegen die Blauen ging für die Grünen mit dreihundert zu zwanzig Punkten aus. Neben Agnes Schnatzfang trugen besonders Julius' Flugkünste und Hercules' Klatscherspiel zum Sieg bei.
Am darauf folgenden Sonntag streifte er alleine durch den Palast, da Claire nun auch Occlumentie erlernte. Er hatte schon immer daran gedacht, Claire wenigstens die Sache mit Béatrice erklären zu müssen. Doch im Moment wollte er es sich nicht mit ihr verderben, wo er jetzt endlich wieder frei über die Schularbeiten denken konnte.
"Wohin des Wegs, mein Sohn?" Fragte ihn Viviane Eauvives Bild-Ich aus einem Gemälde mit zwei Zauberern vor einer Waldlandschaft heraus.
"Ich streife nur durch den Palast. Draußen regnet es ja", sagte er.
"Hat Blanche deine Auserwählte wieder in ihrer Unterweisungsstunde?" Fragte Viviane.
"Ja, hat sie. Heute ist auch keine Pflegehelferübung für mich", antwortete er noch.
"Magistra Eauvive, gut daß Ihr gerade hier seid", sagte einer der gemalten Zauberer mit röchelnder Stimme. "Ich fürchte, der Wahnsinn Gregorians bricht nun offen aus. Er redet andauernd davon, daß die Zeichen nun stehen und irgendwas von Wende und altes Erbe erwacht und so."
"Oha, hat er nicht schon genug apokalyptischen Unsinn gefaselt?" Fragte Viviane besorgt. Julius wurde hellhörig. Gregorian? Wer war das. Diese Frage stellte er laut.
"Das Selbstbild eines alten Zauberers, Domingo Gregorian, der hier vor siebenhundert Jahren als Wahrsagenlehrer gearbeitet hat", sagte Viviane.
"Er heißt sich auch Prophet des alten Erbes", röchelte der erste Zauberer. "behauptet immer, eines Tages würde die Welt erschüttert und dann untergehen. Fanatischer Unsinn, wenn Ihr mich fragt. Öchm-öchm" Er hustete einen grünlichen Schleimklumpen aus und spie ihn in den Wald.
"Gregorian hatte andauernd irgendwenche Visionen", gab der zweite Zauberer, ein gurkennasiger Bursche mit schwarzem Spitzbart näselnd von sich. "Visionen, in denen er geseh'n hab'n winn, daß iregnd'n Dämon aus der anten Zeit die Welt wieder heimsucht, und irgendwenche Zeichen ... Pruuust ... irgendwenche Zeichen erscheinen sonnen, daß er bald wiederkommen wird."
"Ach neh, daß Voldemort wieder aufgetaucht ist ist doch nichts neues mehr", erwiderte Julius.
"Gregorian meinte nicht diesen bösen Magier, Julius. Es ging da um etwas, das lange Zeit schläft und nicht von selbst in Erscheinung treten kann. Aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll."
"Hmm, ein Dämon, kein Zauberer. Dann ist es ein Priester aus dem Mittelalter. Die haben doch überall Dämonen gesehen, ob echte oder eingebildete", spöttelte Julius. Viviane wiegte den Kopf.
"Nein, Domingo Gregorian könnte zwar ein Inquisitor gewesen sein, alleine dem Namen nach, aber er war ein halber Zauberer, ein Vouche oder Squib, wie sie in England heißen. Allerdings werden ihm seherische Fähigkeiten nachgesagt und er war ein begnadeter Maler. Deshalb hängt sein Selbstbild auch noch im Palast, während die zwei Dutzend anderen Werke von ihm über dem ganzen Erdball verteilt sind", erläuterte Viviane.
"Nun, dieses Bind konnte nicht aus dem Panast rausgebracht werden, wein es an der Wand fest angebacken ist", meldete sich Gurkennase wieder zu Wort.
"Ach, ein Fresko", vermutete Julius.
"Das ist schon ein richtiges Gemälde, wie wir, öchm-öchm", berichtigte der röchelnde Zauberer. In Julius' Gehirn begannen die Denkprozessoren anzuspringen. Ein Dämon aus alter Zeit, zeichen, die erscheinen sollten und altes Erbe ließen mehrere Splitter aus einer von ihm selbst erlebten und von Marie Laveau gedeuteten Vision aufsteigen. Sie hatte ihm etwas von einem "Funken eines alten Feuers" erzählt und das eine seiner Wurzeln schwinden und ihn wanken machen würde. Das war tatsächlich eingetreten, wenn man das so auslegte, daß sein Vater nicht mehr da war und er lange nicht richtig ins Lot gekommen war. Aber die eine Prophezeiung mußte ja nichts mit dem was ein früherer Zauberer in sein Selbstbild eingearbeitet hatte zu tun haben. Es konnten auch Verulkungen der Offenbarungsgeschichte aus der Bibel sein, in der die große Schlange auf die Erde gespien wurde, welche der Teufel ist und so weiter. Sogesehen war der Teufel ja ein alter Dämon, und wenn die christlichen und jüdischen Prediger recht hatten, trat er meistens nicht selbst in Erscheinung.
"Kann ich mir den mal ansehen?" Fragte Julius.
"sein Bildnis hängt im siebten Stockwerk", sagte Viviane. "Aber er kriegt von seiner Umgebung so gut wie gar nichts mit und wandelt nicht so wie wir durch die Bilder. Aber falls du Zeit hast, leite ich dich hin.
"Was winn er denn da?" Näselte der gurkenasige Zauberer. "Winn er sich das sinnnose Geschrei eines umnachteten anhören?"
"Früher hielt man die Wahnsinnigen für Stimmen der Götter und Geister", erwiderte Julius gehässig. Dann ging Viviane voran, aus dem Bild hinaus, tauchte in einem anderen Gemälde wieder auf, so daß Julius ihr durch den Gang folgen und auf gleicher Höhe mit ihr bleiben konnte, durch ein Treppenhaus hinauf zum siebten Stock. Hier, so wußte Julius, konnte man auch zum gelben Saal gelangen, wenn man die richtige Kombination von Gängen benutzte.
Schon aus der Ferne konnte er die lauten Rufe hören: "Iaxathan schläft nicht ewig! Wiederkehren wird er, zu blicken in alle Seelen durch sein schwarzes Fenster des Hasses, zu schwärzen die Seelen der reinen und zu rufen die Seelen der Unreinen zu seinem ienste! Zu seinem Dienste!"
"Hui, klingt echt wie ein Endzeitprediger", dachte Julius und empfand unvermittelt ein Frösteln, als würde er von einem Geist verfolgt, der knapp hinter ihm herschwebte. "Und der Däääämon erwacht! Der Tag wird zur Nacht! Iaxathan der urschreckliche, größter Fürst der Schatten! Er kommt wieder! Er kommt wieder! Denn wahrlich, die Zeichen seiner Vorhut stehen gemeißelt in der Erden, flammend in den Feuern der Welt, aufsteigend aus dem Schoße des Weltmeeres! Wehender Sturm und Donnergewölk am Himmel künden das Ende des trügerischen Schlafes."
"Da wohnt er?" Fragte Julius Viviane, als sie in einem Bild auftauchte, das wohl zehn Meter von dem verzweifelten Rufer entfernt sein mochte.
"Wenn du das Gemälde mit einem kleinen, zerzausten Mann mit bunter Kapuzentracht siehst, Julius, dann hast du ihn vor dir. Ich bleibe besser hier, weil er bei seinen Rufen immer so wild um sich schlägt und tritt."
"Also diesen Iaxatahn kenne ich nicht. Kann man aber Satan raushören, also den Teufel."
"Auch genannt "Der leibhaftige" und noch so manches mehr", sagte Viviane und deutete auf das Bild mit dem schreienden Prediger. Julius nickte und ging den Gang weiter, während der Endzeitprophet Gregorian weiter seine düsteren Weissagungen ausrief.
"Städte die in Trümmern lagen ... als die größte Schlacht geschlagen! In Trümmern es schläft die dunkelste Drohung für die Welt! Nur ihr Erbe das Licht erhellt!"
"Das Bild schicke ich nach Hogwarts zu Professor Trelawney, damit die noch was von dem lernen kann", scherzte Julius bei sich, als er vor einem zwei mal drei Meter großen, leicht zerschlissenen Gemälde ankam. Es zeigte einen mit brennenden Fackeln ausgeleuchteten Kellerraum, eher ein Verlies, in dem ein quirliger Mann in einem bunten Flickenumhang mit spitzer Kapuze herumsprang. Er sah bleich aus und ließ seine grauen Augen wie wild herumrollen, während er seine Endzeitvisionen herausschrie.
"Und Iaxathan, der urschreckliche, größter der Schattenfürsten, erwacht aus dem Schlaf der Äonen, weil geweckt von den zeichen aus alter Zeit, die begraben unter dem Staub des Vergessens! Aus jenem wird er sich erheben! Die Welt wird unter ihm erbeben!"
"Guten Tag, wann soll dieser Iaxathan kommen?" Fragte Julius vorwitzig. Der herumtanzende und um sich schlagende und tretende Endzeitprediger verharrte mitten im Sprung, wandte sich um und sah Julius an. Seine Augen wurden groß, und er breitete die Arme und Beine aus.
"Das verborgene Zeichen! Ich muß weichen! Nein! Nicht soll werden was ich sehe! Lasse mich hier wo ich stehe!" Rief Gregorian flehendlich. Julius sah ihn verdutzt an und fragte dann:
"Was erzählt Ihr da?" Gregorian fiel auf die nackten Knie. Seine nackten Füße in dunkelbraunen Sandalen bogen sich zitternd zur Seite. Dann streckte er seine Hand soweit aus, das sie aus der leicht angegilbten Leinwand hervorzubrechen schien und stieß aus:
"Mein Werk! Mein Werk ist getan! Nein, wenn ich weiche hebt es bald an!"
"Wohin gehen?" Fragte Julius in der vagen Hoffnung, mehr von diesem wild herumschreienden Propheten zu erfahren. Er sah ihn an. Auf einmal wirkte er nicht mehr irrsinnig, sondern abgeklärt, als habe er gerade erkannt, daß er machen könne was er wolle, wo eh alles so kam wie es kommen sollte. Dann sagte er:
"Das Tor erscheint. Die alte Stätte des Wissens erhebt sich aus dem Staub des Vergessens. Wenn aus dem verborgenen das richtige Wort erklingt, es seinem Rufer Wissen bringt. Es stehen die ersten Zeichen, und ich muß weichen."
Julius hörte ein dumpfes Grollen aus dem Bild und sah, wie die gemalte Szenerie erzitterte wie unter einem Erdbeben der Stärke neun auf der Richterskala. Gregorian sprang auf, stieß sich vom Boden ab und stieg einen ganzen Meter nach oben. Eigentlich hätte er nun nichts von den Schwingungen abbekommen können. Doch die Bilder der Zaubererwelt hatten ihre eigene Physik, wußte Julius aus eigenster erfahrung. Irgendwie erinnerte ihn diese Szene an die Halle der schlafenden Zeit, die nach Slytherins Selbstvernichtung, die die Hölle hatte losbrechen lassen, unter einem solchen Beben verging. Julius sprang zurück, weil er davon ausging, daß das Bild gleich zerstört würde, in sich und in der richtigen Welt. Da hörte er noch einen letzten Aufschrei Gregorians:
"Khalaaaaaaaaaaa!" Von hunderten von Echos gefolt, versiegte der laute Schrei, während Gregorians Konturen im immer wilderen Zittern der Szene verschwammen und dann mit einem lauten Fauchen in einem Wirbel aus bunten Blitzen auseinanderstoben, wobei die gemalte Kellerraumansicht in diesem bunten Feuersturm verging. Julius kniff die Augen zu. Er hatte schon davon gehört, daß zu schnelle Lichterscheinungen hintereinander das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen sollten. Er wollte diese Behauptung nicht am eigenen Leib ausprobieren. Er hörte nur das laute Knistern und Zischen, bis etwas wie heranbrausendes Windgeheul und dann ein Geräusch wie zusammenschlagende Steine zu hören waren. Dann war es still, totenstill. Vorsichtig öffnete Julius die Augen und blickte auf das Wandstück. Da hing ein Bild, drei Meter breit, zwei Meter hoch. Doch es war nicht mehr das von Fackeln erleuchtete Verlies, sondern ein gewaltiges, achtsäuliges Tor mit sieben geschlossenen Torflügeln aus einem bläulichen Material unter einem dunstigen Lichtbogen. Von Gregorians Bild war nichts mehr übrig außer dem alten Eichenholzrahmen und die Leinwand. Das Motiv war gänzlich verwandelt. Julius trat näher an das Bild heran. Er sah die mächtigen Torflügel, die das pompöse Portal verschlossen. Sie schimmerten in diesem blauen Glanz, den Julius zuerst reinem Stahl zuordnete. Doch das Material schien aus sich selbst heraus zu leuchten. Hoffentlich war es kein Radium, dachte er, der davon gehört hatte, daß Radium im Dunkeln ein ähnliches Licht aussandte. Doch so oder so war es nur ein Bild, nicht mehr als ein großes Gemälde eines völlig unbeweglichen ...
Ein spitzkegelförmiger Helm aus dem gleichen blauen Material wie die Torflügel tauchte hinter einer der acht oberen Säulenspitzen auf. Unter dem Helm saß ein Kopf, der Kopf eines Mannes, der eine Metallmaske vor dem Gesicht trug. Der unter dem Kopf nun erkennbare Hals wurde von einem Oberkörper in einem golden schimmernden Plattenpanzer gefolgt, der wie die in Gold eingelegten Schuppen eines riesigen Tannenzapfens aussah. Dann hoben sich hinter der Säule zwei ebenfalls goldschuppige Arme mit geschmeidigen Handschuhen mit goldenen Handrückenplättchen hervor. In der rechten Hand präsentierte der so aufgetauchte Bewohner des Torbildes ein Langschwert mit wellenartig geschmiedetem Schwertblatt aus jenem blauen Stoff, aus dem die Torflügel waren. Schließlich stand die Gestalt ganz auf dem Tor, goldene Stiefel reichten von seinen Fußspitzen bis zu den Knien. Die Oberschenkel schützte ein goldener Beinharnisch aus dem goldenen Material wie der Panzer. Dann erschien noch ein solcher derartig gepanzerter Schwertträger, dann noch einer, bis zum Schluß ein von Kopf bis Fuß in goldener Schuppenrüstung gepanzerter Mann erschien, der neben dem Schwert auch ein silbernes Horn mit sich führte. Das war wohl der Chef der Truppe. Julius betrachtete diese Mannschaft einige Sekunden lang, die nur dastand, als wäre sie immer schon in dieser Haltung gemalt worden.
"Hallo, wer seid ihr?" fragte er. Doch die Mannschaft auf dem Stadttor gab ihm keine Antwort. "Magistra Eauvive, das Bild hat sich verändert!" Rief er. "Könnt ihr hineingelangen?"
Einige Sekunden vergingen, bis Viviane Eauvive im Vordergrund des Gemäldes auftauchte. Unvermittelt streckten die aufmarschierten Wachen ihre Schwerter aus. Einige holten hinter den Torsäulen merkwürdige Dinger hervor, die für Julius mit dem Okular nach vorne deutende Fernrohre aus vergoldetem Material aussahen. Er erkannte unter den Geräten etwas wie einen Abzugshebel.
"Aschwahong!" Brüllte einer der Wachenund zog leise klickend den Abzug durch. Laut fauchend schlug ein weißgelber Lichtstrahl genau neben Viviane in den Boden ein und brachte diesen zum dampfen.
"Viviane, mach daß du da weggkommst!" Rief Julius, als ein zweiter weißgelber Lichtstrahl in Vivianes Nähe einschlug. Die gemalte Gründungsmutter wollte gerade den Zauberstab heben, als weitere weißgelbe Strahlenstöße in ihrer Nähe einschlugen.
Dann war Viviane Eauvive aus dem Bild verschwunden.
"Das hätte ich mir nie träumen lassen, sowas zu erleben", hörte Julius sie aus dem vorhergehenden Bild keuchen.
"Schwertkämpfer in Rüstung mit Dingern wie Laserstrahler", erwiderte Julius und sah, wie die Wachen ihre Energiestrahlwaffen wieder fortsteckten und in der starren Pose verharrten, in der sie eben noch gestanden hatten.
"Was immer Laserstrahler sind, diese Geräte sind mordsgefährlich!" Rief Viviane Eauvive. Julius eilte zu ihr und sah, wie die Magistra ihr wasserblaues Kleid mit einem Reparo-Zauber flickte. Offenbar hatte einer der Strahlen das Kleid angesengt.
"Erzähl mir hier einer, daß das Bild von Außerirdischen abstammt", grummelte Julius. Das mußte er unbedingt weitermelden. So schickte er Viviane los, Madame Maxime und die anderen Lehrer zu benachrichtigen. Julius selbst suchte sich einen Abschnitt der Mauer, der zum Wandschlüpfsystem gehörte und wechselte zum Korridor wo Professeur Faucons Büro lag. Claire war bestimmt noch bei ihr. Sollte er die Unterrichtsstunde jetzt unterbrechen? Er wartete. Solange die merkwürdigen Kämpfer aus dem neuen Bild nicht im Palast herumliefen und mit ihren Strahlenwaffen herumfeuerten war nichts verloren. Er wartete eine Viertelstunde, bis die Tür aufging und Professeur Faucon heraustrat. Claire, leicht erschöpft, folgte ihr.
"Was hörte ich von einem Bild, das vorher noch nicht da war?" Herrschte Professeur Faucon Julius an. Claire sah ihn ebenfalls sehr erwartungsvoll an.
"ich weiß nicht was das ist, Professeur. Aber es entstand da, wo vorher das Bild eines gewissen Gregorian gehangen hat. Jetzt hängt da ein ziemlich großes Tor mit einer Wache in Rüstungen, die Schwerter haben und mit Dingern wie umgedrehte Fernrohre weißgelbe Lichtstrahlen wie Laserblitze verschießen, die da, wo sie auftreffen den Boden aufheizen."
"Häh, Julius?" Erwiderte Claire. Professeur Faucon machte "Schschsch" und gebot Julius, weiter zu sprechen. Als er ihr alles erzählt hatte winkte sie die beiden zu sich hinein und schloß die Tür.
"Irgendwo in den ganz alten Chroniken stand mal was von einem Bild, daß Domingo Gregorian gemalt hat. Da hieß es, daß er in dem Bild seines Kellergewölbes noch ein anderes Bild eingearbeitet hat, das jedoch nur zu einer Zeit sichtbar wird, die der Maler selbst kannte oder wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sein sollten. Das klingt nicht gut, daß dieses Bild offenbar wirklich erschienen ist, vor allem, wenn Gregorian immer nur von der Wiederkehr eines dämonischen Herrschers geredet hat, von dem nur sehr wenige wissen, wer oder was damit gemeint war. Aber was dieses Portal bedeuten soll? Ist es nur ein Gleichnis, so wie das Tor zu einer neuen Zeit, oder repräsentiert es ein dem Maler von irgendwoher bekanntes Original?"
"Die Wächter darauf sind irgendwie merkwürdig", sagte Julius. Claire fragte, ob sie sich das Bild einmal ansehen könne. professeur Faucon nickte und folgte Julius durch die Korridore zu der Stelle, wo das Bild hing. Doch darauf war nur noch das gewaltige Portal zu sehen, keine Wachen.
"Sieht irgendwie wichtig aus", sagte Claire und deutete auf die Säulen des tores und dann den unteren Rahmen des Bildes. Julius trat näher heran und entdeckte eine Inschrift in einer krakelig wirkenden Handschrift, die vom Meister selbst eingeritzt worden zu sein schien.
"Gemalt mit meinen Händen,
was meine Augen sahen.
Wird mein Bild sich wenden,
das Werk will sein getan", las er halblaut. Professeur Faucon stubste ihn an.
"Hat nicht jemand wie ich Ihnen einmal erzählt, daß man offenkundige Beschwörungsformeln nicht zu laut vorlesen soll, sofern sie in einem offenbar magischen Artefakt eingearbeitet sind?" Zischte sie. "Für diese Unvorsicht muß ich Ihnen leider zehn Strafpunkte geben, Monsieur Andrews. Aber offenbar hat sich der Text dieser Inschrift bereits erfüllt."
"Er hat also ein magisches bild von sich und diesem Tor und den Wächtern mit ihren Waffen gemalt. Offenbar sollte dieses Tor zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt auftauchen", kombinierte Julius. Professeur Faucon sah ihn an und berichtigte:
"Zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen bestimmten Betrachter zu einem bestimmten Zweck."
"Julius, meinst du, weil du dir das angesehen hast hätte sich das Bild verändert?" Fragte Claire. Ihr Verlobter nickte ihr zu.
"Haben Sie irgendwas getan oder gesagt, was diese Veränderung bewirkt haben könnte?" Fragte Professeur Faucon ihren Schüler.
"Gregorian hat was von einem Iaxatahn gerufen, und ich wollte wissen, wen er damit meint und wann er denn kommen soll", erwiderte Julius.
"Offenbar war das die Frage, die die Veränderung hervorgerufen hat und ...", vermutete die Lehrerin. Da tauchte der Wächter ganz in Gold wieder auf und stellte sich über dem Tor auf. Er blickte sich kurz um, ließ dann die hinter der goldenen Gesichtsmaske glimmenden Augen auf Julius ruhen. Unvermittelt nahm er eine starre Haltung ein und blieb so.
"Höchst interessant", sagte die Lehrerin. "Dieses Motiv ist also auf Sie ausgerichtet, Monsieur Andrews. Das bringt mich auf eine Vermutung. Können Sie sich vorstellen, Monsieur, was durch ein solches Tor zu erreichen ist?"
"Könnte ein großes Stadttor sein", äußerte sich Julius dazu.
"Ja, das vermute ich auch", bestätigte die Lehrerin, jetzt sichtlich ernst. Dann sagte sie noch: "Viviane gelangte nicht durch dieses Tor. Die Wachen griffen sie an. Also erfüllt dieses Tor keinen reinen dekorativen Zweck. Wir müssen also abwarten, ob dieses Tor sich öffnen wird, wenn ein bestimmter Zeitpunkt erreicht ist."
"Oder wenn man das richtige Losungswort sagt", vermutete Claire. Julius zuckte zusammen. Genau das war es. Gregorian hatte vor seinem Verschwinden gerufen,
"Das Tor erscheint. Die alte Stätte des Wissens erhebt sich aus dem Staub des Vergessens. Wenn aus dem verborgenen das richtige Wort erklingt, es seinem Rufer Wissen bringt. Es stehen die ersten Zeichen, und ich muß weichen."
"Was hast du, Julius?" Fragte Claire besorgt.
"Das ist es. Gregorian hat was von einem aus dem Staub des Vergessens aufsteigendem Wort erzählt, das Wissen bringen soll. Wenn wir das haben und aussprechen, könnte sich das Tor öffnen."
"Und dann. Dann ist da immer noch ein Bild, das nur einen Hintergrund hat", sagte Claire. Doch dann runzelte sie ihre Stirn und wiegte den Kopf. "Sollten wir nicht Professeur Bellart und Professeur Pallas herbitten? Vielleicht kennen die beiden dieses Bild aus der Geschichte der Zauberei."
"Ja, ich werde dies erledigen, sagte die Lehrerin. "Sie beide kehren umgehend in den grünen Saal zurück. Mag sein, daß wir hier etwas haben, daß zu jenen geheimen Angelegenheiten von Beauxbatons gehört und nicht für Jeden enthüllt werden darf", sprach Professeur Faucon sehr gebieterisch. Julius verstand. Doch er wußte zu diesem Zeitpunkt schon, daß dieses Geheimnis unmittelbar mit ihm zu tun hatte, besser mit etwas, das ein anderes, nicht preiszugebendes Geheimnis betraf, das mit fünf Stunden Todesgefahr für ihn verbunden war. Er war sich sogar sicher, daß er das richtige Losungswort kannte.
Folgsam kehrten Claire und er in den grünen Saal zurück. Auf Professeur Faucons Geheiß erwähnten sie das Bild nicht. Claire zog Julius nur einmal in eine Ecke und fragte ihn, ob sie auch den Mentiloquismus erlernen könne, weil Professeur Faucon ihr erzählt habe, wer den gelernt habe könne die Occlumentie noch besser erlernen.
"Ich habe ja zuerst Melo gelernt, wegen der Suche nach meinem Vater, wo Mrs. Porter und ich uns unsichtbar machen mußten", flüsterte er ihr zu. Sie nickte.
"Hier geht das angeblich nicht, sagt Professeur Faucon."
"Nein, hier geht das nicht. Aber deine Maman kann das, weiß ich."
"Dann soll die mir das in den Weihnachtsferien beibringen", sagte Claire wild entschlossen.
"Möchte, Cherie, möchte es dir beibringen. Autsch!" Claire hatte ihm auf ihre bekannte Art in den Arm gekniffen.
"Wir haben uns doch darauf geeinigt, daß keiner dem anderen was vorschreiben soll, Juju. Du wolltest das nicht, daß ich dir was vorschreibe. Ich möchte das auch nicht."
"Stimmt, hast ja recht, Claire. Jetzt habe ich dir noch deinen Unterricht verdorben, wo du unterhalb der siebten die einzige Hexe bist, die das lernen darf."
"Andauernd meine größten Untaten und geheimen Wünsche zu sehen ist auch nicht immer so aufbauend. Da war das schon angenehm, unterbrochen zu werden", sagte Claire und kuschelte sich an Julius. Dieser rieb seine Wange an ihre, wobei er auf der Hut vor Giscard oder Virginie war. Claire meinte vorsichtig:
"Hups, das kratzt ein bißchen."
"Oh, dann muß ich mich noch mal nachrasieren. Bei diesen Stoppeln kriege ich die nicht immer auf Anhieb richtig weg", sagte er und küßte ihr auf die Wange. Sie tätschelte ihm die Schulter und meinte, sie würde hier warten.
Julius eilte in den Schlafsaal, in dem im Moment keiner war. Über seinem Bett hing Auroras Bild. Sie sah ihn und winkte ihm. Dann sagte sie:
"Viviane war hier. Professeur Faucon bittet dich nach dem Mittagessen zu sich. Für Claire hat sie dann was zu tun, sagt sie."
"Lass mich raten: Es geht um ein gewisses Bild." Sagte Julius. Aurora nickte.
Julius rasierte sich gründlich und kehrte in den grünen Saal zurück, wo er die Kuschelstunde mit Claire fortsetzte. Beide empfanden nun, da sie sich über ihre Gefühle Klarheit verschafft hatten, daß sie sich nun auch wieder körperlich näherkommen konnten, solange sie in den Anstandsgrenzen blieben. Zwar könnte es ihnen passieren, daß die Saalsprecher ihnen Strafpunkte aufhalsten, aber das angenehme Gefühl war es wert.
Nach dem Mittagessen schickte Professeur Faucon Claire daran, über die Occlumentie und ihre Grundzüge was aufzuschreiben, wozu sie in der Bibliothek nachschlagen, aber keines der Bücher darüber mitnehmen durfte. So war sie für mindestens eine Stunde beschäftigt.
"Ich weiß, daß du erkannt hast, worum es hier geht, Julius, und ich fühle mich nicht sonderlich wohl bei der Sache. Aber ich muß es wohl tun. Kennst du das richtige Losungswort?" Statt einer Antwort gestattete Julius der Lehrerin, ihn zu legilimentieren. Sie nickte. "Habe ich befürchtet, daß sowas passieren kann. Ich hatte diese Befürchtung schon, als ich deine seltsamen Träume von einer exotischen Stadt zuerst aufgespürt habe. Also stimmen die Berichte doch, die die Mysteriumsabteilung sorgsam unter Verschluß hält."
"Welche Berichte bitte?"
"Daß die Kettenhaube Darxandrias auch innerhalb der Frist, die man sie ohne geistigen Schaden zu nehmen aufsetzen kann Fragmente ihrer meisterin im Unterbewußtsein des Trägers verstreut. Bei einigen äußern sie sich in unzusammenhängenden Bildern. Bei anderen in fremden Wortfetzen. Da sie immer nur im Traum auftauchen werden sie für harmlos gehalten, zumal sie weder ängstigen noch anderweitig den Geist beeinträchtigen. Ich wollte dir das nicht sofort sagen, weil ich nicht wußte, ob das aus deinen Träumen nicht auch von Hallitti herrühren konnte. Aber jetzt weiß ich, daß es sehr konturierte Fragmente sind, die eindeutig mit einer alten Stadt zu tun haben, die Darxandria gekannt hat und die wohl sehr wichtig war. Die Wörter, die dir die Fremde, höchst wahrscheinlich Darxandria selbst, zugerufen hat, dürften ebenso wichtig sein. Vielleicht verraten sie den Namen der Stadt oder mehrere Passwörter. Das eine, dieses Jaxallahiri, hast du erst von ihr gehört, als du Claires Geburt im Traum nachvollzogen hast. Das wäre ein sehr merkwürdiger Zufall, wenn es einer wäre."
"Eine Chance von eins zu einer Million oder sowas", legte Julius nach.
"Einer Milliarde, Julius. Daß du dieses Passwort klar in dein Gedächtnis übernommen hast und dieses Tor erschienen ist hängt unmittelbar zusammen."
"Wollen Sie sagen, daß ich Seelen- oder Gedankensplitter Darxandrias mit mir herumtrage. Hoffentlich bleiben die dann nur in meinen Träumen."
"Ich fürchte, diese Bilder und Wörter sind eine Aufgabe, die dir gestellt wurde. Mag sein, daß diese Kettenhaube mehr darstellt als einen Schutz vor Geisteszaubern mit der Nebenwirkung, daß sie wahnsinnig macht, wenn sie zu lange getragen wird oder Gedächtnissplitter in ihrem Träger hinterläßt."
"Darxandrias Seele könnte in dieser Haube stecken", vermutete Julius. Professeur Faucon zuckte zusammen, mußte dann aber nicken.
"Diese Vermutung behältst du bitte erstmal für dich! Ich stelle jedoch fest, daß nun, wo das Tor erschienen ist gehandelt werden muß. Ein wenig habe ich mich doch mit der Computerwelt der Muggel beschäftigt, wie du wohl damals mitbekommen hast. Daher weiß ich, daß wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, ein dafür zuständiges Programm oder Unterprogramm in Aktion tritt. In der Magie gibt es zauber, die andere Zauber zu festgelegten Zeitpunkten ausführen oder wenn bestimmte Gegenstände in bestimmter Weise platziert werden oder bestimmte Personen oder Personengruppen einen festgelegten Ort betreten. Genau dies mutmaße ich im Fall des Bildes und deiner Träume."
"Deshalb sieht mich dieser Wächter so an, weil er meinetwegen aufgetaucht ist?" Fragte Julius aufgeregt.
"Genau das. Deshalb habe ich deine Verlobte anderweitig beschäftigt, damit du mit dem dir verliehenen Intrakulum direkt vor dieses Tor treten kannst und das Passwort benutzt."
"Moment, wenn dieser Endzeitprediger bisher recht hatte, folgt auf das ganze irgendwann die Rückkehr dieses Iaxathan, den er so fürchtet. Wer sagt mir, daß dieser Dämon oder Schattenfürst nicht mit Darxandria zusammengearbeitet hat?""
"Ich habe diesen Namen bisher nur in der Übersetzung "Erbfeind" gehört. Aber nach den Quellen, wenn sie auch noch so fragmentarisch sind, hat Darxandria mit diesem Iaxathan genauso zusammengearbeitet wie ich oder meine Kollegin Tourrecandide mit Voldemort zusammenarbeite", erwiderte die Lehrerin. "Darxandriaa war die letzte Kaiserin des alten Reiches, das überwiegend unter dem ägyptisch-griechischen Namen Atlantis bekannt wurde. Insofern könnte sich der ägyptische Todesgott Seth und der jüdisch-christliche Satanas von diesem Erbfeind herleiten, den in wohl nicht zufällig so vielen Religionen dieser Welt viele Menschen fürchten."
"Ach, dann kommt mit dem das jüngste Gericht?" Fragte Julius leicht verstört. Professeur Faucon wiegte den Kopf und sagte:
"Gregorian mag von Atlantis gewußt haben. Aber Visionen können auch trügen. Deshalb erachte ich die Wahrsagerei genau wie meine Kollegin McGonagall als einen sehr unzuverlässigen, teilweise auch unbelegbaren Zweig der Magie. Dennoch bin ich mir nun sicher, daß deine Aufgabe darin besteht, den Schlüssel, den Darxandria dir mitgegeben hat, für dieses Tor zu benutzen. Deine Zeit läuft ab jetzt."
"Moment, wenn da auch irgendwelche Monster drin sind?" Fragte Julius, der dem französischen Zaubereiminister heute noch dankte, daß er ihm eine magisch behandelte Drachenhautrüstung mitgegeben hatte, als er Slytherins Galerie des Grauens von innen her besuchte. Außerdem hatte er damals Goldschweif als Gefahrenwarner mitgehabt.
"Gut, Goldschweif kannst du mitnehmen. ich stelle dir eine Dringlichkeitsgenehmigung für Professeur Armadillus aus, daß du sie zum Training für Gefahrensituationen ausleihen darfst. Aber bedenke, daß sie im Moment tragend ist und daher vielleicht überempfindlich oder verstört reagieren kann!" Julius überlegte. Dann wollte er lieber so gehen, bevor Goldschweif sich und ihn falsch alarmierte oder zu sehr aufgeregt wurde. professeur Faucon nickte, drehte eine Sanduhr um und holte das Intrakulum von ihm heraus.
"Woher weiß ich, daß es noch geht?" Fragte er, weil er auf dem eingebrannten Bild anders aussah als in Wirklichkeit.
"Weil es schon von dir benutzt wurde und daher nur noch mittelbar dein Abbild benötigt. Hier, bitte!"
Julius wußte, daß die Lehrerin ihn niemals etwas gefährliches machen ließ, wenn sie sich nicht sicher war, daß sie oder er die Lage kontrollieren konnte. So trat er an das Bild mit dem Weizenfeld heran, drückte die runde Scheibe, auf der sein Bild und auf der anderen Seite eine von innen nach außen führende Spirale mit Zauberrunen eingeprägt war, gegen die Leinwand und tippte es mit dem Zauberstab an:
"Per Intraculum transcedo!" Rief er und hoffte, daß das nicht seine letzten Worte gewesen waren.
Aus der ihm zugewandten Seite mit der Spirale glühte es auf, und die Spirale wuchs zu einem weiten Wirbel aus Licht, der ihn einfing, davonriß und innerhalb von vier Sekunden durch einen Tunnel aus Licht und Farben schleuderte, bis er mit einem Ruck über dem vor kurzem abgeerntet daliegenden Weizenfeld herunterplumpste. Er fühlte sich etwas schwindelig. Als er sich umsah stand Professeur Faucon hinter der eine ganze Himmelsrichtung vom Boden bis zur Decke ausfüllenden Abgrenzung zwischen der Bilderwelt und der wirklichen Welt. Er sah sie an. Sie verzog das Gesicht. Dann sagte sie wie durch eine dünne Holzwand klingend:
"Du hast deinen Körper, mit dem du in die Sommerferien gefahren bist. Interessanter Effekt. Aber nun, viel Glück und sei bitte äußerst Vorsichtig!"
"Ja, werde ich sein", sagte Julius. Er ging zu einem Punkt auf dem Weizenfeld, von dem aus er durch einen Tunnel wie aus von innen beleuchtetem bunten Glas in ein anderes Bild hinüberwechselte. Dort erwartete ihn Viviane Eauvive.
"Aha, hat Hallittis Fluch dich bei der Reise zu uns verlassen? Wie dem auch sei. Es wäre nicht gut, wenn dich von den Schülern jemand zu sehen bekommt. Daher bringe ich dich zu diesem Bild. Wenn du diese Rüpel von Wächtern wirklich besänftigen kannst, dann werde ich dich begleiten, um dir notfalls zu helfen. Mein Kniesel wird für uns der Gefahrenspürer sein." Die auf ihrer rechten Schulter hockende Goldschweif I. maunzte zustimmend. Julius ließ es sich gefallen, daß Viviane ihn wie einmal Aurora Dawns Bild-Ich verkleinerte und unter ihrem Kleid, das immer noch leicht angesengt roch, durch die Bilder trug bis hin zum Vorplatz des Tores. Hier rückvergrößerte sie Julius und trat einige Schritte zurück, beinahe durch den Ausgang. Julius blickte an dem Tor hinauf, das nun, wo er in seiner Daseinswelt stand, an die zwölf Meter vor ihm aufragte. Dann tauchte oben eine Wache mit blauem Helm auf. Sie sah Julius und warf sich in Positur.
"Heh, Wächter! Jaxallahhiri!" Rief Julius ihm zu. Der Wächter riß sein Schwert hoch und winkte ihm mit der flachen Klinge zu. Dann rief er "Asgarda Khalakatanoi!" Sofort tauchten zwei weitere Wächter auf, dann noch der in kompletter Goldrüstung. sie grüßten Julius mit der flachen Schwertklinge. Dann sahen sie Viviane an. Ihr Kniesel knurrte verhalten.
"Sie meint, für mich wäre es hier gefährlich", sagte sie leise, als mit lautem Rasseln und Krachen gewaltige Torriegel aufsprangen, und einer der sieben Torflügel leise knarrend nach außen schwang.
"Asa aschwahong!" Rief der Goldene mit der Schwertspitze auf Viviane deutend, während zwei seiner Kollegen ihre Energiestrahlwaffen hervorholten.
"Amniosphaera?" Fragte Julius. Viviane wollte gerade den Zauberstab ergreifen, als sich mit einem Fauchen wie ein Feuer speiender Drache ein sonnenheller, fingerdicker Strahl direkt vor Viviane in den Boden bohrte. Julius fühlte eine leichte Erschütterung. Magie und Laserwaffen? Wie im Krieg der Sterne oder den Flash-Gordon-Comics. Viviane zog sich zurück. Vielleicht wußten diese Lasermänner nicht, daß gemalte intelligente Wesen nicht getötet werden durften. Offenbar durfte nur der der das Passwort kannte durch das Tor. Julius zögerte eine Sekunde. Dann gab er sich einen Ruck und durchschritt das wohl vier Meter große Tor, hinter dem er noch einen weiteren offenen Torflügel erkennen konnte. Es war also eine Schleuse mit doppeltem Tor. Dann überkam ihn das, was die Franzosen Déjà Vu nannten, um nicht zu sagen, die Mutter aller Déjà Vus. Denn unmittelbar hatte er das Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein.
Ein dämmerungsblauer Himmel wölbte sich über ihm, und zahllose weiße Bauwerke wie aus kristallinem Zucker errichtete Termitenbauten hießen ihn willkommen. Er schritt auf einem mit einer aufgerauhten, goldenen Substanz gedecktem Boden, der seine Schritte dämpfte dahin. Und wie er diese Stadt schon einige Male gesehen hatte war auch diese Version davon menschenleer. Nur die Torwachen waren zu sehen, von denen der ganz in Gold gekleidete Hauptmann zu ihm hinstakste. Selbst seine Metallstiefel verursachten auf dem Boden nur ein leises Geräusch. Julius blickte zu den kilometerhohen Türmen auf. Wie konnte jemand das hier so genau gemalt haben? Oder war das Tor in Wirklichkeit ein weiteres Weltentor, in eine andere Parallelwelt? Julius wußte es nicht zu sagen. Erst als der Hauptmann der Torwachen neben ihm anhielt und ihm mit einem leichten Stubser andeutete, er möge weitergehen, erkannte er, daß er wohl gerade in eine Falle getappt war. Denn kaum waren sie einen Schritt weitergegangen, schwang der innere Torflügel zu. Und um Julius Beklemmung noch zu steigern verschwand das ganze gigantische Tor wie ausgelöscht hinter ihm. Er sah jetzt nur noch die weitläufige, absolut fremdartige Stadt um sich herum. Er wollte schon umkehren, doch der Wächter ergriff ihn mit sanfter aber unwiderstehlicher Gewalt, sagte: "Orshargadi, Usargorou Darxandriahan."
"Entschuldigung, ich kann deine Sprache nicht", versuchte Julius, sich wie im Traum herauszureden. Doch der eiserne Griff des Wächters war für ihn nun Realität, in welcher Wirklichkeit er nun auch immer war. In der Gewißheit, daß jeder Widerstand sinn- und zwecklos war, ließ sich Julius führen. Er rechnete jeden Moment damit, die Frau aus seinen Träumen, wohl Darxandria selbst, anzutreffen. Doch wenn die auch nur ihre alte und wohl vergessene Sprache benutzte ...
Schweigend führte ihn der Wächter voran. Julius blickte auf seine Uhr. Er erinnerte sich an manche Geschichten von Dimensionsreisen, daß da die Zeit schneller, langsamer oder gar rückwärts laufen konnte. Doch seine Uhr lief weiterhin nach mitteleuropäischer Zeit. Dann trafen sie auf einem Platz ein, an dessen anderem Ende ein Julius ebenfalls vertrauter, himmelhoher Turm wie aus übereinandergestapelten, zusammengerollten Schlangen aufragte. Hierher war er immer gelotst worden. Würde er heute erfahren, was in diesem Turm verborgen war? Doch wem würde es nützen, wenn er es niemandem würde weitersagen können. Der Wächter blieb stehen und machte eine tiefe Verbeugung vor dem Turm, als sei er sein Herr und Meister oder das größte Heiligtum dieser Stadt, ja dieser ganzen Welt. Dann umschlang er Julius mit seinen Armen. Dieser griff nach seinem Zauberstab und rief "Stupor!" Doch mit lautem Pioing prallte der rote Schockzauber als Querschläger davon und zersprühte mit lautem Knall am untersten Ringsegment des gigantischen Hochbaus. Mehr passierte nicht. Die Rüstung des Wächters war also zauberresistent. Dann trat der Wächter mit seinem rechten Fuß vor und wechselte in einen Tunnel hinüber, den Julius als einen Zwischenportraittunnel erkannte. Kaum waren sie am gegenüberliegenden Ende herausgepurzelt, gab der Wächter ihn frei, verbeugte sich kurz und verschwand wieder durch einen farbigen Ring, der sich über ihm in Nichts auflöste. Die Falle war endgültig zu. Julius war in einem anderen Bild gestrandet, ohne jede Hoffnung, auf diesem Weg wieder zurückzukehren.
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