Die Bedrohung durch Lord Vengor hält die Zaubererwelt weiterhin in Atem. Allerdings gerät sie durch das Auftauchen einer neuen, schwer zu überschauenden Kreatur einstweilen in den Hintergrund. Nal, die Tochter der Waldfrau Salanna und des Riesens Utgardir, sinnt auf Rache für ihre Mutter, deren Geist während der Geburt aus ihrer sterbenden Mutter in sie überfloss und mit ihr neu aufwuchs. Als ihr Vater Utgardir sie mehr als einJahrhundert nach ihrer Geburt einer neuen Gefährtin zuwendet fühlt sie es körperlich, wo er sich aufhält und zieht los, ihn zu töten. Als sie ihn im Land der letzten Riesen antrifft ist er der Gurg, also der durch Entmachtungskampf bestimmte Häuptling aller noch lebenden Riesen. Sie fordert ihn zum Zweikampf und tötet ihn. Dieser Kampf wird von den Beobachtern der Zaubereiministerien Russlands, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens beobachtet. Doch Nal, die die erste Gurgha der Riesen ist, erfährt mit Hilfe ihrer Gabe, Wirbeltiere zu beeinflussen und zu überwachen von dieser Gruppe und nimmt die männlichen Mitglieder gefangen. Danach zieht sie los, um die letzten beiden Riesen zu unterwerfen, die nicht im Land der letzten Riesen verblieben sind. Dabei gerät sie in mehrere Auseinandersetzungen mit Miniserialzauberern. In Frankreich kommt es am 17. Januar zur Begegnung mit einer Einsatzgruppe, der auch Julius Latierre angehört. Dieser vermag, sich ihrer magischen Beeinflussung zu entziehen. Da hetzt sie einen Schwarm Greifvögel auf ihn.
Ornelle Ventvit versuchte immer wieder, über die silberne Schallverpflanzungsdose mit ihrem Außeneinsatzkollegen Guillaume Montrich zu reden. Seitdem der über diese knapp achthundert Kilometer weit ausdehnbare Verbindung gemeldet hatte, dass sie eine größere Anzahl Wald- und Greifvögel zu sehen bekommen hatten und dann noch, dass die grüne Gurgha in Sicht gekommen sei, war keine weitere Meldung erfolgt. Sie rief immer wieder in die Dose hinein. Doch es hallte nicht nach, dass die Nachricht auch direkt mitgehört wurde. Also hatte Montrich das Gegenstück verschlossen, und die Nachrichten aus dem Zaubereiministerium wurden nur eingelagert. "Guillaume, ich fordere Sie auf, unverzüglich Meldung zu machen! Wie ist die Lage?!" rief Ornelle in ihre Silberdose mit den Runen für Laut, Wort, Übermittlung, Ferne und Erhaltung. Nach dem zehnten Versuch klappte sie verärgert den Deckel zu. Wenn eine Antwort kam würde die Silberdose leise summen. Eigentlich müsste die von Montrich nun brummen wie ein ganzes Hornissennest, dachte Ornelle Ventvit. Konnte dieser in vielen Kämpfen gegen umtriebige Sabberhexen und aufgebrachte Zentauren geschulte Kerl, der gerade einmal fünf Jahre jünger als sie selbst war, nicht mal eben mitteilen, was die von ihm gesichtete Riesenfrau tat? Sie musste wieder an Charles Weasleys Bericht denken. Erprobte Drachenjäger und Drachentreiber hatten in Sichtweite dieser grünen Gestalt, die eine Hybridin zwischen Waldfrau und Riese war, ihren freien Willen eingebüßt und waren aufeinandergehetzt worden. Aber die hatten damals auch keine Ohrenschützer getragen und den Aura-Calma-Zauber zum Schutz vor Gefühlsbeeinflussungszaubern verwendet. Doch warum schwieg sich Montrich aus?
"Ornelle, das mit den vielen Vögeln könnte eine weitere Fähigkeit dieser Halbriesin sein", wandte sich Pygmalion Delacour an seine Vorgesetzte. "Was ist, wenn sie niedere Tiere zu ihren gehorsamen Dienern machen kann?"
"Dann müssen die sieben nicht nur gegen eine kraftstrotzende, unverwüstliche Riesenfrau, sondern auch gegen sie aufgehetzte Waldvögel kämpfen", seufzte Ornelle.
"Und Raubvögel", fügte Pygmalion hinzu. "Wissen sie, wie gefährlich ein wütender Falke oder Habicht sein kann? Ich habe das einmal miterlebt, wie mein Bruder versucht hat, einen Jungen Falken aus dem Nest zu stehlen, weil er meinte, nur mit wild geschlüpften Falken treffliche Jagdfalken heranzuziehen und dabei von den Alttieren so heftig attackiert wurde, dass er nur noch schnell disapparieren konnte."
"Ja, und wenn diese Tiere durch einen großflächigen Unterwerfungszauber sogar dazu gezwungen werden, für dieses Ungeheuer zu stterben werden sie kämpfen, bis sie sterben."
"Ja, und die anderen Vögel könnten versuchen, den Einsatztrupplern die Ohrenschützer wegzureißen. Tragen die eigentlich drachenhautpanzer?"
"Hätte ich ihnen gerne mitgegeben, aber die wurden von der Légion de la Lune beansprucht, weil die vermuten, dass die kriminellen Lykanthropen versuchen, sich ungebissene Kriminelle zu Diensten zu machen und die dann womöglich mit Mondsteinsilberkugeln ausgerüstet werden", knurrte Ornelle.
"Oha", war Pygmalions kurze und doch so viel sagende Antwort darauf.
"Gut, dann müssen wir verstärkung schicken, die mit Echodomus-Artefakten ausgestattet sind", beschloss Ornelle Ventvit. Sie zog eine Liste der einsatzbereit gemeldeten Mitarbeiter zu Rate und stellte eine Truppe aus fünf Hexen zusammen, die mit bezauberten Halsketten ausrücken sollten, die um ihre Köpfe eine rötliche Echodomus-Spähre erschufen, die jeden von außen kommenden Schall hundertprozentig reflektierte, so dass der Träger nicht hören konnte, womit er oder sie gerade bedrängt wurde.
"Wird Monsieur Colbert nicht freuen, soviel Gold und Arbeitsstunden zu riskieren", sagte Pygmalion.
"Ich habe mit unserem Vermögensverwalter und Haushaltswächter schon so viele Wortgefechte ausgetragen, dass es mir auf das eine auch nicht mehr ankommt", grummelte Ornelle. Dann erteilte sie den Einsatzbefehl. Sie hoffte, dass die Verstärkung nicht schon zu spät kam.
Unter ihm krächzten, schrien und schnarrten mehr als hundert umherjagende Waldvögel. Doch die größte Gefahr kam im Sturzflug von oben. Mehr als zehn stattliche Greifvögel, darunter mindestens fünf kapitale Adler, stießen auf ihn nieder. Julius Latierre, der eigentlich nur beobachten wollte, wie seine dienstälteren Kollegen vom Zaubereiministerium gegen die in Frankreich aufgetauchte grüne Riesenfrau vorgehen wollten, war zum Hauptangriffsziel geworden. Von seinen Kollegen konnte er keine Hilfe erwarten. Die standen alle samt und sonders unter einem unheimlichen Einfluss jener sechs Meter großen Frau mit tannengrüner Haut, die als Tochter einer Waldfrau und eines reinrassigen Riesens die Herrin aller noch lebendenRiesen geworden war. Weil Julius Latierre sich ihrem unheimlichen Einfluss Dank der altaxarroischen Geistesschutzzauber entzogen hatte sollte er nun von den demselben Einfluss unterworfenen Greifvögeln angegriffen und vielleicht getötet werden. Julius blickte noch einmal nach oben. Zwischen ihm und den gefiederten Jägern lagen wohl gerade noch fünfzig Meter. In Zeit hieß das gerade noch zwei oder drei Sekunden Schonfrist. Von unten stiegen die aufgehetzten Waldvögel nach oben. Eine schnelle Landung war damit unmöglich, zumal die grüne Gurgha ihn genau beobachtete und wohl einen ihrer Feuerzauber gegen ihn schleudern würde, wenn er in dessen Reichweite geriet.
Julius riss seinen Flugbesen herum. Er wollte im 20-Grad-Winkel ausbrechen. Gelang es ihm, unter der ihn jagenden Formation wegzuziehen, konnte er schnell nach oben. Im beinahen Senkrechtaufstieg war der ihm zur Verfügung gestellte Ganymed 12 den Greifvögeln überlegen. Sein Ausbruchsversuch wurde mit einem vielstimmigen Schrei untermalt. Julius sah noch einen pfeilschnell auf ihn zujagenden Wanderfalken in knapp zwei Metern Entfernung. Er hörte das Rauschen des Flugwindes in den Schwungfedern des kleineren Beutegreifers. Dann war er aus der unmittelbaren Angriffszone heraus. Sofort riss er den Besen in einen steilen Winkel und dachte das wortlose Kommando "Blitzstart!". Als habe im glattgezogenen Reisigschweif eine Rakete gezündet stieß Julius nach oben. Nur die hohe Massenträgheitsaufhebung des Besens bewahrte Julius davor, vom nach oben jagenden Besen abgeworfen zu werden. In einer Sekunde gewann er über sechzig Meter Höhe. Er hörte es vernehmlich in den Ohren knacken, weil der Luftdruck so schnell abfiel.
Die Greifvögel schrien und schlugen wild mit ihren Flügeln, um ihm nachzusetzen. Doch im Steigflug hatten sie keine Chance. Doch wieder einmal musste Julius erkennen, wie intelligent die grüne Gurgha war. Statt ihren Vögeln auf tiertelepathischem Wege zu befehlen, ihm weiterzufolgen, beorderte sie sie ohne hörbares Wort so, dass sie nun über ihr kreisten und sich mit den Waldvögeln zu einer fliegenden, lärmigen Leibwache vereinten, die die Tochter eines Riesens und einer Sabberhexe in alle Richtungen abschirmte. Die Adler, Bussarde, Falken und Habichte sicherten dabei nach oben ab, während die in der Überzahl befindlichen Eichelhäher, Elstern, Eulen, Krähen und Raben sie gegen Feinde in geringer Höhe oder am Boden absicherten.
Julius brach seinen rasanten Aufstieg ab und schwenkte in eine Kreisbahn ein. Er musste jetzt schnell handeln, bevor die Riesin ihre sicher große Wut an den mit ihm mitgereisten Zauberern ausließ. Wie das laufen konnte hatte Charlie Weasley ihm und seiner Vorgesetzten ja erzählt. Am Ende konnte sie die ihr unterworfenen Zauberer aufeinanderhetzen, dass sie sich sogar mit dem Todesfluch angriffen. Julius fragte sich, warum der sonst so wirksame Aura-Calma-Zauber derartig schnell und gründlich aufgehoben werden konnte. Nur weil er einen anderen seinen Geist schützenden, in ihm konzentrierten Zauber benutzt hatte, war er noch Herr seines Willens geblieben. Was nützte ihm das aber, wenn die grüne Gurgha da unten gegen alle Lähm- und Betäubungszauber, ja sogar gegen Avada Kedavra immun war? Vielleicht konnte er den altaxarroischen Tötungswunschabwehrzauber benutzen, um die haushohe Halbriesin zu besänftigen. Doch dazu musste er auf Rufweite an sie heran und sie auch genau anzielen. Das Gewimmel von Flügeln, Schnäbeln und Vogelkörpern machte das jedoch beinahe unmöglich. Doch er wollte es versuchen.
Nal blickte mit einer Mischung aus Wut und Erstaunen nach oben. Sechs der sieben auf sie zufliegenden Zauberstabschwinger und Flugstangenreiter hatte sie mit ihrer Macht, fühlende Wesen zu unterwerfen niedergekämpft. Die hatten zwar versucht, sich mit einem unsichtbaren Schutzmantel gegen sie zu verschließen. Doch ihre aus den Leben der hier wachsenden Bäume kommende Kraft hatte diese Schutzmäntel wieder in reine Luft aufgelöst. Den einen, der gerade ihren starken Helfern entwischt war, hatte sie soo nicht niedergekämpft. Irgendwie hatte er in sich selbst was starkes aufwachen lassen. Sie konnte nicht mal fühlen, was er fühlte und deshalb auch nicht dagegen ankämpfen. Einen Moment drohte die von ihrem verhassten und von ihr selbst getöteten Vater vererbte Veranlagung, unvermittelt in unbändige Wut zu verfallen, ihren Verstand zu überlagern. Sie wollte die gerade vor ihr knienden Zauberer mit eigenen Fäusten erschlagen, sie niedertrampeln, bis keiner mehr übrig war. Doch dann kam sie auf eine bessere Idee. Sie verzog ihr Gesicht zu einem überlegenen Grinsen.
"Der da will mich umbringen, mich euch wegnehmen. fangt ihn! Wehrt er sich, bringt ihn um!" sang sie leise genug, dass nur die in einem Halbkreis vor ihr knienden Zauberer es hören konnten. Wer weiter als zwanzig Meter fort war konnte es wegen der lärmenden Raben- und Greifvögel nicht verstehen. Die in ihrem Bann gefangenen Zauberer standen auf, ergriffen ihre Besen. Ihre Bewegungen wurden von Sekunde zu Sekunde fließender. Sie saßen auf und stießen sich vom Boden ab.
Julius Latierre erkannte die ihm drohende Gefahr sofort. Dieses grüne Biest hatte es drauf, musste er unwillig anerkennen. Sie setzte seine Kollegen gegen ihn ein. Die waren sechs und jeder und jede für sich versierte Zauberkämpfer und wohl auch Besenflieger. Den Todeswehrzauber konnte er aber nur gegen jeweils einen zur Zeit anbringen. Da erreichten die ersten auch schon seine augenblickliche Flughöhe und nahmen Kurs auf ihn.
Julius war heilfroh, Madame Faucons Goldblütenhonigphiole eingesteckt zu haben. Außerdem, so fühlte er in seinem rechten Arm, reagierte sein Orichalkarmband ebenfalls wie ein Fluchrückpreller. So wurde der gegen ihn gezielte Schocker zu einer roten, knisternden Funkenwolke. Doch als gleich drei willenlos gemachte Kollegen mit Schockzaubern gegen ihn vorgingen blieb ihm nur ein halsbrecherischer Flugbahnwechsel. Er dankte im Geiste Aurora Dawn, dass sie ihm ihr überaus praktisches Flugmanöver beigebracht hatte. Er war heilfroh, dass dieses offenbar noch nicht zum standard in der Flugausbildung im Zaubereiministerium gemacht worden war. Nur so konnte er den drei roten Schockblitzen gerade so entgehen. Diese trafen laut fauchend die Spitzen dreier Tannen, die daraufhin funkenstiebend abbrachen und sich in ihre einzelnen Nadeln auflösten. Er dachte schnell wieder das Lied des inneren Friedens, um einem möglichen Imperius-Fluch zu widerstehen, wenn die grüne Hybridin nicht auf ihren großflächigen Beeinflussungszauber alleine setzte.
Wusch! Wieder fauchte eine Dreierkombination von Zauberflüchen knapp unter ihm durch, weil er in unregelmäßigen Abständen die Richtung wechselte. Seine Kollegen waren wohl willenlos, konnten jedoch in diesem Bann noch mit üblicher Geschwindigkeit denken und Handeln. Als Julius versuchte, im schnellen Aufstieg aus der Angriffszone zu entwischen jagte einer sogar einen blaugoldenen Feuerball hinter ihm her. Dieser fauchte an die fünfzig Meter weit und zerplatzte knapp zehn Meter über einem Baum zu einer orangeroten Flammenwolke. Da hörte er die Halbriesin wütend aufschreien: "Kein Feuer, ihr Fliegenhirne!" Julius sah sie wütend gestikulieren. Dann begriff er. Sie wollte nicht riskieren, dass der Wald in Brand geriet. Der Wald war ihr wichtig, ja womöglich überlebenswichtig. Natürlich! Sie war doch zum Teil eine Sabberhexe, nur wegen ihres Riesenvaters so groß gewachsen wie ein mittelgroßer Riese. Das war die Chance für Julius.
Er brach seinen Steigflug ab, doppelachserte so, dass ihm Brussacs Schockzauber nicht einmal auf einen Meter nahekam und tauchte zwischen die teilweise ausladenden Baumwipfel. Das war bei der hohen Fluggeschwindigkeit zwar nicht weniger gefährlich. Doch wenn er es schaffte, die auf ihn gehetzten Kollegen zu Einzelverfolgern zu machen, gelang ihm vielleicht, jeden nacheinander mit dem Todeswehrzauber zu treffen.
Als er in gerade neun Metern Höhe dahinflog hörte er jedoch nicht nur das Fauchen von Zauberflüchen, sondern das wilde Flügelschlagen und den Lärm der bezauberten Waldvögel. Ja, und dann sah er auch vor sich mehrere gefiederte Waldbewohner, die nicht wie der Großteil aller Vögel zum Überwintern in den Süden geflogen waren. Sie flogen erst hektisch auseinander, um dann immer gezielter zu größeren Schwärmen zusammenzufinden, kleine und große Vögel. Die grüne Gurgha mobilisierte weitere Hilfstruppen aus der Tierwelt.
Julius konnte nicht so schnell nach vorne und nach hinten absichern wie er wollte. Er musste ihm entgegenrasenden Baumstämmen und Zweigen ausweichen, immer darauf gefasst, dass einer seiner Kollegen ihn von hinten verfluchte. Im Moment verzichteten die Verfolger auf den tödlichen Fluch, wohl auch um keinen weiteren Baum zu fällen. Bäume waren die Quelle der Lebenskraft für die grünen Waldfrauen.
Raaab-raab! Julius konnte einem wild auf ihn losstürzenden Raben gerade noch unter dem langen Schnabel wegtauchen. Doch vor ihm flog eine Gruppe Elstern und füllte die zwischen zwei Bäumen, durch die er gerade stoßen wollte. Ihm blieb nur der schnelle Aufstieg. Nicht über die höchsten Bäume hinwegsteigen, dachte Julius. Flog er unter freiem Himmel war er trotz der Doppelachse und der Goldblütenphiole erledigt.
Er hörte einen dumpfen Aufshlag und einen kurzen Aufschrei hinter sich. Ein schneller Blick zurück verriet ihm, dass einer seiner Kollegen voll in das Geäst einer Fichte hineingeflogen war. Einen winzigen Moment lang dachte er daran, ob der Kollege diesen Aufprall vielleicht mit dem Leben bezahlt hatte. Doch sein eigener Überlebenswille verdrängte diesen Anflug von Mitgefühl sofort wieder. Denn da vor ihm standen drei Bäume so eng zusammen, dass er in zwei Sekunden auch in einen davon hineinkrachen würde. Er doppelachserte so, dass er gerade so nach links wegzog. Vor ihm tauchte der kleine Körper einer wild mit den Flügeln schlagenden Meise auf. Er konnte gerade noch den Kopf abwenden, um den Vogel nicht voll ins Gesicht zu bekommen. Doch die Zahl der ihn nun umkreisenden Waldvögel wurde immer größer. Dann fühlte er, wie etwas ihn wie eine unsichtbare Klammer umschloss und festzuhalten versuchte. Er fühlte sofort, wie seine Phiole wild erzitterte. Aus seinem Armband floss ihm ein Wärmeschauer durch den Arm und erfüllte seinen ganzen Körper. Die Umklammerung verschwand. Julius zog schnell nach rechts weg. Da fauchte ein schocker durch den Wald und traf den Stamm einer gerade laublos dastehenden jungen Eiche. Diese erzitterte. Julius fand keine Zeit, sich anzusehen, ob der Baum mehr Schaden genommen hatte. Denn vor ihm standen wieder drei Nadelbäume eng beieinander. Er hörte das wilde Flattern aufgescheuchter Vögel. Der Lärm von den vielen Rabenvögeln schwoll ebenfalls an. Das war der reinste Nervenkrieg, dachte Julius.
"Imperio!" hörte er das Auslösewort für den meistens unabwehrbaren Unterwerfungsfluch. Julius hoffte, dass der Zauber des Liedes des inneren Friedens noch hielt. Ja, er fühlte nur einen kurzen Druck auf den Kopf. Dann war diese Gefahr auch schon vorbei.
Mit einer äußerst riskanten Wedelbewegung schlängelte sich Julius im stil eines Slalomskifahrers zwischen den biegsamen Ästen zweier Tannen hindurch, bevor er über den beindicken Ast einer Buche hinwegsprang.
"Lande und ergib dich!" brüllte ihm Fontclair zu, der offenbar bis jetzt gut mitgehalten hatte. Julius wich gerade so eben noch vier Vögeln aus, die jedoch sofort nachsetzten. Weil er zwischen den Bäumen herumflog konnte er nicht so schnell fliegen wie der Besen konnte. So konnte er die Vögel nicht abschütteln. Immer enger schloss sich um ihn ein Ring aus flinken Waldvögeln. Er erkannte auch Eulen, die nun anfingen, ihn einzukreisen. Ein Blick nach oben zeigte ihm, dass die unterworfenen Greifvögel in Lauerstellung über den Bäumen dahinflogen, bereit, sofort zuzustoßen. Dann hörte er wieder den Gesang der grünen Gurgha. Ja, trotz ihrer Größe besaß sie die glockenhelle Stimme einer langjährigen Altsängerin, erkannte Julius, bevor er fühlte, wie die Töne an seinem Verstand zu nagen begannen. Er fühlte, dass das Lied des inneren Friedens nicht mehr lange vorhalten würde, wenn er es nicht erneuerte. Doch im wilden Slalomflug konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Wenn ihm nicht gleich was einfiel hatte sie ihn.
"Als er "Komm zu mir! Sei bei mir!" hörte, fühlte er eine steigende Hingezogenheit zur Quelle dieser Stimme. Ja, diese Stimme war schön. Er musste zu ihr ... Da bäumte sich sein Geist auf. Nein, das war seine Feindin. Sie wollte ihn bezirzen und dann umbringen. Er musste weg hier!
Fast wäre er im Kampf gegen die magische Stimme der Halbriesin, die sogar seine Phiole überwinden konnte, in das Astwerk einer Fichte gerast. gerade so konnte er den Frontalzusammenstoß vermeiden. Doch die Enden der Zweige fegten schmerzhaft über seine Linke Seite. Er fühlte die vielen Nadeln, die in seine Kleidung stachen. Das rüttelte ihn wortwörtlich noch einmal auf. Er bremste voll ab. Die erste Regung, umzudrehen und zu der unheimlichen Sängerin hinzufliegen konnte er nur mit dem Gedanken an die Gefahr unterdrücken. Doch weiterfliegen brachte nichts mehr. Er landete. Dann fiel ihm ein, dass er noch einiges zaubern konnte, ohne seine Kollegen verletzen zu müssen. Er landete wuchtig zwischen drei Bäumen und sprang vom Besen. Er huschte mit den Händen auf den Ohren hinter einen Eichenstamm, der dreimal so breit war wie er. Dann ließ er sich einfach auf sein Hinterteil fallen. Er hielt sich noch die Ohren zu und dämpfte so die Wirkung des bezaubernden Gesanges. Dann stellte er sich ein ruhig schlagendes Herz vor, das mit seinem dumpfen Pochen jeden anderen Höreindruck überlagerte. In Takt dieses ruhigen Herzschlages dachte er die Worte für den Schleier des guten, einen Verhüllungszauber, der ihn vor der Wahrnehmung ihm feindlicher Wesen verbarg, ohne ihn optisch unsichtbar zu machen. Nur wenn er sich nicht von der Stelle bewegte gelang und dauerte dieser Zauber an, wusste Julius. Die Lehrstunde bei Ashtarggayan in der Halle der Altmeister half ihm, all dies zu bedenken und die Macht des reinen Geisteszaubers zu beschwören. Er hörte nur am Rande die über ihn fliegenden Besen und Waldvögel. Einige von ihnen kamen zwar in seine Nähe. Doch er hatte es geschafft, sie aus seinem Bewussttsein auszublenden. Mit geschlossenen Augen vollendete er den Zauber, den in seinen Geist hineinbeschworenen Herzschlag von Ashtarggayans Mutter als Taktgeber nutzend. Jetzt fühlte er sich gerade selbst so wie ein wohlbeschütztes Kind im Mutterleib. Die von ihm aufgebaute Zauberkraft durchdrang nun alle Körperzellen, wurde zu einer unsichtbaren Schutzaura. Julius fühlte, wie es ihn warm und friedvoll umschloss. Auch die Phiole in seiner verschließbaren Innentasche schien sich zu erwärmen. Sie konnte Schutzzauber verstärken, wie sie Flüche abschwächen konnte. Da fiel Julius ein, dass er die perfekte Ausrede hatte, wenn er diesen nervenaufreibenden Einsatz überleben und darüber berichten konnte. Denn sicher würden sie ihn fragen, wieso er als einziger nicht von dieser grünen Überfrau beeinflusst worden war. Vielleicht, so dachte er, während er sich so ruhig wie möglich verhielt, hatte ihm die Phiole auch wirklich geholfen, nicht sofort von der Zauberstimme der grünen Gurgha eingelullt und versklavt zu werden. Immerhin hatte sie Snapes Stimmenzauber damals ebenfalls abgewehrt, als er heimlich nach Hogwarts gereist war, um seine vier Schulfreunde herauszuholen. Er dachte nun sein Selbstbeherrschungsmantra, um nicht vom Lärm der nun immer näher kommenden Rabenvögel aus der Konzentration gebracht zu werden. Nur wenn er sich nicht zu einer Bewegung verleiten ließ hielt der Zauber vor. Er hoffte nur, dass die grüne Gurgha nicht auch dieses unsichtbare Kraftfeld auslöschen konnte, wie sie den Aura-Calma-Zauber offenbar mal eben zerstreuen konnte. Nein, er durfte nichts beunruhigendes denken. "Was mich stört verschwinde! Mein Geist herrscht über meinen Körper! Mein Geist herrscht über meine Gedanken!" dachte er immer konzentrierter. Das die vielen Vögel nun in einem riesigen Schwarm um ihm herumflogen bekam er nur mit, weil er seine Augen halb offen hielt.
Die Vögel flogen zwischen den Bäumen umher, krächzten, ratschten und heulten. Weit über ihm stießen die beeinflussten Greifvögel ihre Revierrufe aus. Doch kein Tier sah ihn und flog ihn an. Auch die noch flugfähigen Zauberer und Hexen aus seiner Einsatztruppe sahen ihn nicht. Sie flogen über ihn weg, wobei sie ebenfalls wie Slalomskiläufer zwischen den Bäumen hindurchwedelten. Sie entfernten sich jedoch immer weiter. Julius dachte das Lied des inneren Friedens. Es konnte zeitgleich mit dem Schleier des Guten verwendet werden. Dass dies nötig war erkannte er, als er hörte, wie die grüne Gurgha immer näher kam. Dass sie näherkam hörte er an der Lautstärke ihrer Stimme. Doch das für Riesen typische stampfen blieb völlig aus. Auch vermochte dieses grüne Überweib wohl zwischen den Bäumen hindurchzuschlüpfen, ohne Zweige abzubrechen. Denn auch das hörte er nicht. Er öffnete die Augen, als er sicher war, mit dem ständig im Geiste gesungenen Lied des Inneren Friedens ihrem Stimmenzauber widerstehen zu können.
Nal wollte schon losstürmen, den Frechling, der ihr irgendwie widerstehen konnte, mit eigenen Händen zu packen bekommen und dann mal eben alle seine Knochen brechen. Doch dann dachte sie daran, dass sie diesen Zauberer unbedingt lebend haben musste. Solange der sie nicht direkt angriff wollte sie wissen, wieso der so stark war. Am Ende gab es von dem noch mehrere hundert, die dann auf sie Jagd machen würden, wenn sie nicht rausbekam, wieso sie überhaupt gefunden worden war und wieso der mit dem ährenfarbenem Haar so gut gegen ihre Macht widerstand. Sie benutzte die Sinne der ihr unterworfenen Vögel, um weitere niedere Wirbeltiere zu übernehmen. Es war wie ein sich ausbreitender Feuerring, der nicht aus hellen Flammen, sondern unsichtbaren Geistesströmen bestand. Jetzt hatte sie genug Beobachter und Helfer zur Verfügung, um mehr als dreitausend ihrer Schritte Umkreis abzusichern. Sie sah die von ihr beherrschten Zauberstabschwinger auf ihren Flugstangen mit den vielen Zweigen am Hinterende. Sie sang ihnen zu, den anderen zu fangen und dabei keinen Baum zu verletzen. Sie sang so laut sie konnte, ohne dass ihre Stimme ins Grölen verfiel und fühlte, dass der Flüchtling ihr nun nicht mehr entrinnen würde. Dieser kämpfte zwar noch gegen sie an. Doch dabei würde er wohl unaufmerksam sein und mit einem Baum zusammenstoßen. Sie sog mit jedem Atemzug weitere Kraft aus den schlafenden Bäumen heraus, um ihre Stimme möglichst weit wirken zu lassen. Ja, der Bursche landete. Er würde gleich unter ihren Willen geraten. Dann brauchte sie ihn nur noch von den anderen ergreifen und zu ihr hinbringen zu lassen. Da passierte es.
Für Nal war es wie ein immer lauter werdendes Summen, als wenn mehrere Bienen- oder Wespennester zugleich in Aufruhr gerieten. Dieses Summen hielt einen ihrer Atemzüge lang vor. Dann erstarb es. Da erkannte sie, dass der von ihr gejagte verschwunden war. Durch die Augen der Vögel konnte sie ihn nicht mehr sehen. Egal, welchen Vogel sie als ihre Sichterweiterung nutzte, sie entdeckte ihn nicht. Weggeflogen war er nicht. Das hätte sie ja sehen müssen. Das Verschwinden mit lautem Knall hatte er auch nicht gemacht. Aber er war einfach weg. Die fliegenden Zauberer und Hexen suchten. Die Vögel suchten. Doch sie fanden ihn nicht mehr. Sollte sie die großen Tiere in dem Wald auch noch dazu bringen, nach ihm zu suchen? Nein, das würde nur Zeit kosten. So sang sie laut und klar, dass die anderen zu ihr zurückkehren sollten. Dann meldeten zwei ihrer Adler, dass fünf neue Stangenflieger auf sie zuflogen. Die hatten so merkwürdige Köpfe, wie rote Leuchtkugeln. Sie erkannte, dass die Zauberstabschwinger noch eine Truppe geschickt hatten, um sie zu fangen oder zu töten. Sofort befahl sie ihrem gefiederten Geschwader, die neuen Feinde anzugreifen. Auch befahl sie den behexten Zauberern, ihre eigenen Kollegen mit Flüchen anzugreifen.
Zwei silberne Dosen standen vor Ornelle Ventvit auf dem Schreibtisch. Eine war verschlossen und mit dem Aufkleber "Einsatztruppenleiter Montrich" gekennzeichnet. Die zweite Dose war offen und mit "Hilfseinsatzleiterin Amélie Rieuvive" markiert. Aus dieser Dose erklang leicht blechern und verwaschen klingend die Stimme einer Hexe, die vom Alter her mit Ornelle in derselben Jahrgangsstufe gewesen sein musste.
"Ornelle, wir sind im Anflug. Echodomus-Sphären halten. Sehen eine große Menge überwinternder Vögel im Aufbau eines dichten Schwarmes. Warnstufe eins! Vögel nähern sich uns mit hoher Geschwindigkeit. Dichte Formation. Abwehraktionen stehen unmittelbar bevor. Moment: Echodomus-Sphären vibrieren, leichte Farbverschiebung zu Braun. Mögliche magische Manipulation. Warnstufe drei!! Vorausgeschickte Kollegen in direktem Angriffsanflug auf uns! Breche laufende Meldungen ab, um nötige Abwehr auszuführen! Ende!""
"Amélie, keinen töten. Kollegen höchstwahrscheinlich unter magischer Fremdbestimmung!" rief Ornelle noch in die offene Dose hinein. Doch ihre Stimme hallte nicht hohl nach, sondern als habe sie in ein vor den Mund gedrücktes Kissen hineingerufen. Also hatte Amélie die vor ihrem Mund befestigte Dose unters Kinn sinken und den Deckel zuklappen lassen, womit das von ihr mitgenommene Gegenstück gerade nur auf Wortspeicherung eingestimmt war.
"Ich hoffe, Amélies Truppe kann sich der geistigen Unterwerfung durch die Halbriesin entziehen", sagte Ornelle zu Pygmalion, der gerade an einem weiteren Brief an das russische Zaubereiministerium schrieb.
"Laut den Aufzeichnungen über die stimmlich ausgeführten Zauber Sardonias müsste ein Schallschutz völlig ausreichen, um die Wirkung zu negieren", sagte der Vater von Fleur und Gabrielle.
"Ja, aber offenbar haben die Vögel, die diese Hybridin unterworfen hat die Ohrenschützer beschädigt und/oder entwendet. Aber warum dann die Aura-Calma-Absicherung so schlagartig unwirksam wurde ist mir ein Rätsel", erwiderte Ornelle mit unüberhörbarer Besorgnis. Hier untätig und hilflos herumzusitzen widerte sie an. Wäre sie nicht die Büroleiterin, sie hätte den zweiten Einsatztrupp höchstpersönlich angeführt.
"Womöglich versucht die Halbriesin jetzt auch, den Echodomus-Zauber zu brechen", argwöhnte Pygmalion Delacour. "Von einer Farbverschiebung habe ich bei diesem Zauber bisher nichts gehört. Und ich bin mir schon ganz sicher, dass ich in Beauxbatons alles über diesen Zauber gelernt habe."
"Das ist wie mit der Magie von Zwergen, Meermenschen und Hauselfen. Sie äußert sich nicht nach den Regeln der von uns ausführbaren Zauberei", seufzte Ornelle. "Wir können nur hoffen, dass der Echodomus-Zauber, weil er ein physikalischer Abwehrzauber ist, nicht so einfach gebrochen werden kann wie Aura Calma."
"Wollen wir es hoffen. Sonst haben wir heute gleich zwölf gute Leute verloren", grummelte Pygmalion. Ornelle funkelte ihn dafür warnend an und zischte: "Äußern Sie derlei nicht noch einmal, bis wir endgültige Gewissheit haben, Pygmalion!"
Julius Latierre hockte an den Baum gelehnt, wo er seinen Selbstverbergezauber ausgeführt hatte. Der wirkte nun. Doch wenn er sich auch nur einen Meter in eine beliebige Richtung bewegte würde der Schutz unverzüglich wieder verschwinden. Doch hier zu hocken und zu hoffen, dass sie ihn nicht mehr suchen würden brachte nichts mehr. Denn gerade bekam er mit, wie die mit ihm hergeflogenen Kollegen gegen fünf nachgeschickte Kollegen zu kämpfen begannen. Wollte Julius nicht tatenlos zusehen, wie Kollegen von ihm unter dem Einfluss dieses grünen Ungetüms einander umbrachten musste er wieder in Aktion treten. Er sah jedoch die vielen in den Bäumen hockenden Vögel, die so taten, als verhielten sie sich ihrer Natur gemäß. Julius war sich aber sicher, dass das alles Spione waren, die aufpassten, dass die grüne Gurgha nicht überrascht wurde. Immerhin hatte er sich offenbar vor ihr und den von ihr kontrollierten Tieren verbergen können. Jetzt aber musste er los, um schlimmeres zu verhindern. Doch was konnte er tun, um eine wilde Zauberschlacht zu beenden, ohne dabei selbst auf der Strecke zu bleiben? Da fiel ihm ein, wie er Diosans Plan vereitelt hatte, die von diesem entführten Mädchen nacheinander zu vergewaltigen. So konnte es vielleicht gehen. Allerdings musste er sich vor den ganzen Greif- und Rabenvögeln abschirmen, um nicht von denen im Flug zerhackt und gefressen zu werden. Er verwünschte im Geiste, dass er keinen Drachenhautpanzer trug wie im Château Dixarbres. Dann kam ihm die Idee, wie er gegen die ihn bestürmenden Vögel bestehen konnte.
Um genug Zeit zu haben, seine Aktion einzuleiten konzentrierte er sich auf den Hochsitz von Jacqueline Dubois, der knapp vier Kilometer entfernt stand. Dort wollte er hin. Mit geschlossenen Augen stellte er sich vor, dort zu stehen. Darauf konzentrierte er sich so stark, dass er fast den Eindruck hatte, schon dort zu sein. Dann sprang er hoch und drehte sich dabei mit hocherhobenem Zauberstab. Es ploppte vernehmlich. In dem Moment lärmten die in den Bäumen hockenden Raben, Häher und Elstern los. Doch ihr Aufruhr kam zu spät. Sie hatten den Feind nur für eine Viertelsekunde gesehen, bevor dieser im Nichts verschwand.
Julius apparierte punktgenau neben der knapp zehn Meter hohen Leiter, die zu Jacquelines Hochsitz führte. Die Überwacherin der grünen Waldfrauen sah ihn und hob ein kleines Bild vor ihren Mund. "Anwärter Latierre soeben bei mir appariert. Erwarte dessen Bericht", hörte Julius sie sagen. Aber für einen ausführlichen Bericht hatte er keine Zeit. Denn hier flogen ihm auch schon zu viele Vögel rum. Er wusste nicht, welcher von denen zu Nals gefiederten Kundschaftern gehörte. Dann fiel ihm ein, dass Jacqueline dort oben sicher nicht mehr ruhig sitzen konnte, wenn Nals Vögel sie als Feindin erkannt hätten.
"ich habe knapp eine Minute. Die Kollegen sind durch Fremdbezauberung willenlos und werden gerade aufeinandergehetzt. Jeder Verzug kann Verletzte oder Tote herbeiführen", sagte Julius. Doch Jacqueline Dubois schüttelte den Kopf. "Sie sind offenbar entkommen. Unsere gemeinsame Vorgesetzte verlangt sicher zu wissen, wieso", sagte Jacqueline Dubois. Julius nickte und turnte die Leiter hoch. "Haben Sie eine Flotte-Schreibe-Feder dabei?" fragte er.
"Bereits einsatzbereit", kam die von ihm erhoffte Antwort. So begann er, noch ehe er die zweite Hälfte der Leiter erklomm, mit einem Bericht im Telegrammstil, wobei er seine Immunität gegen Nals Zauber damit begründete, dass er eine erweiterte Form der Occlumentie erlernt habe, als jene wenigen Zauberer und Hexen, die sich als Erben Ashtarias bezeichneten, ihm ihre Geheimnisse verraten und beigebracht hatten. Mit dieser Begründung hatte er schon oft die für das restliche Ministerium unerklärlichen Zauber begründet, die er ausgeführt hatte.
"Aura Calma durch großflächige Aufhebung neutralisiert. Dabei grüne Aura um Kollegen erschienen. Gehörschutz durch beeinflusste Waldvögel entrissen und zerstört. Dadurch Gehörgänge für stimmliche Beeinflussungszauber frei", sagte er, als er die letzte Sprosse erklommen hatte. Er schilderte dann noch in drei kurzen Sätzen, dass er nur entwischt war, weil er in Deckung eines Baumes disapparieren konnte. Eigentlich, so seine Schlussbemerkung, habe er geplant, den Abzug der Halbriesin zu beobachten. "Durch eintreffende Hilfstruppe alarmierte Opfer der Beeinflussung zwangen mich zur Planänderung", beendete er seinen Kurzbericht.
"Was haben Sie jetzt vor?" fragte Jacqueline.
"Werde mich im Schutz von Amniosphaera-Zauber auf dem Besen zurück zum Kampfplatz begeben und Zauberer durch Körperumwandlungszauber handlungsunfähig machen."
"Ach, die Sache mit den Mädchen, die zu Handtüchern wurden", erwiderte Jacqueline. "Aber bedenken Sie gütigst, dass ältere und täglich mit Magie hantierende Hexen und Zauberer eine höhere PTR als junge Muggelmädchen besitzen!" Julius knirschte mit den Zähnen. Das hatte er leider nicht mehr bedacht. Doch was half es? Er musste es ausprobieren. Sonst würde er sich andauernd Vorwürfe machen müssen, nichts unternommen zu haben, solange er dazu in der Lage war. So saß er auf seinem Besen auf, ohne den Hochsitz wieder hinunterzuklettern. Die Schwebefunktion des Besens erlaubte es, ohne abzustürzen vom Hochsitz aufzusteigen. Dann vollführte Julius einen Zauber, der ihn innerhalb nur einer Sekunde in eine rosarote, durchsichtige Leuchtsphäre einhüllte. Diese bot großen Schutz vor körperlichen und magischen Angriffen. Nur der Todesfluch konnte diese Schutzsphäre durchschlagen beziehungsweise ihren Träger unvermittelt töten.
Julius flog los. Jacqueline komplettierte seinen Bericht mit der Bemerkung: "Anwärter Latierre im Schutz von Amniosphaera-Zauber auf dem Weg zu grüner Halbriesin. Werde mich selbst in wirksame Schutzbezauberung einhüllen um möglichen Vogelattacken zu widerstehen."
Julius hatte damit gerechnet. Deshalb sah er dem sich ihm entgegenwerfenden Vogelschwarm mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Die Schutzblase filterte sogar jeden Lärm aus. So war ihm, als höre er die ihn angreifenden Greif- und Rabenvögel wie durch eine dicke Wand. Als zwei kapitale Adler im Sturzflug auf ihn niederstießen hoffte er, dass die Tiere sich keine Verletzungen zuzogen. Als sie dann wie von einem straffgespanntem Gummituch abprallten und wütend schrien atmete er auf. Die majestätischen Vögel hatten sich keine Brüche oder Wunden eingehandelt. Auch die mit ihren langen Schnäbeln und ihren Krallen auf die rosarote Schutzblase losgehenden Krähen, Raben, Elstern und Eichelhäher prallten ab wie Gummibälle von einer Betonwand. Julius fühlte nicht einmal, dass sie aufprallten, auch wenn er die Energiequelle dieses Zaubers war. Er dachte noch einmal das Lied des inneren Friedens, um auch den letzten Rest von Nals Stimmenzauber von seinem Geist fernzuhalten.
Als er die sich gerade in einer wilden Luftschlacht befindenden Kollegen sah und die ersten Schockzauber gegen die Schutzblase krachten merkte er schon, dass dieser Zauber Kraft kosten konnte, wenn er entsprechend belastet wurde. Zumindest griffen sich die Kollegen noch nicht mit dem Todesfluch an. Julius hoffte, dass es dazu auch nicht kommen würde.
Als er voll in die Kampfzone eindrang konnte er vor lauter ihn bestürmenden Vögeln nicht genau zielen. Vielleicht ging es mit einem ultrahohen Pfeifton, die gefiederten Gegner abzuschrecken. So wirkte er in die Schutzblase einen nur nach außen wirksamen Vibrationszauber ein, den er sich jede Sekunde viermal schneller ablaufen ließ. Als er seinen Schutzzauber als wild flirrendes Gebilde um sich herum sah fühlte er einen gewissen Druck auf den Ohren. Doch die Hauptwucht der erregten Luft war außerhalb der Blase. Ja, und es wirkte. Die Vögel wurden orientierungslos. Sie flatterten unbeholfen, sackten durch oder schlingerten davon. Andere Vögel nahmen Reißaus oder zogen sich so weit zurück, dass Julius freie Sicht auf seine Kollegen hatte, die von der ultrahoch schwingenden Zauberblase nur mittelbar beeinträchtigt wurden. Julius zielte mit dem Zauberstab auf den ältesten Zauberer, Guillaume Montrich. Er sprach die Formel für eine Mensch-zu-Ding-Verwandlung laut aus, um sicher zu sein, dass sie auch wirkte. Dabei stellte er sich als Ziel des Zaubers einen kleinen stoffball vor, so wie Lady Medea es mit Aurora Dawn angestellt hatte, als er in Slytherins grauenhafter Bildergalerie unterwegs gewesen war. Zuerst fürchtete er, dass der Verwandlungszauber wegen der passiven Transfigurationsresistenz nicht wirkte. Denn Montrich erzitterte erst. Doch dann nahm sein Körper eine immer rundere Form an. Die Gliedmaßen zogen sich in den aufquellenden Leib zurück, der am Ende wie ein die Luft verlierender Ballon zusammenschrumpfte, allerdings dabei die runde Form behielt. Julius fühlte den Widerstand, den ihm Montrichs Körper und eigene Magie entgegengesetzt hatte. Doch seine von geburt an hohe Zauberbegabung und der laut ausgesprochene Zauberspruch hatten diesen Widerstand überwunden. Vielleicht lag es auch daran, dass Montrich gerade nicht Herr seines eigenen Willens war.
Julius wendete nun den Wiederholzauber mit der Verwandlungskomponente an, um die weiteren gegen fünf Hexen fechtenden Kollegen zu bezaubern. Beinahe geriet er dabei fast in einen Mondlichthammerzauber einer schwarzgelockten, gut gerundeten Hexe. Julius konnte gerade noch so wegziehen, dass der silbern leuchtende Fächer aus Zauberkraft seine Schutzblase nur am rechten Scheitelpunkt streifte. Doch das reichte schon, um ihm klarzumachen, wie kraftvoll die Hexe diesen Zauber ausführte. Er sah dabei auch die bräunlich flackernden Kopfumhüllungszauber und vermutete, dass es ein unter starkem Gegendruck stehender Echodomus-Zauber war.
Gerade wurde der Kollege Lyonaise zu einem blauen stoffball, der zu Boden fiel. Zumindest bekamen die Vögel nicht den Auftrag, die Verwandelten zu zerfetzen, was Julius zuerst befürchtet hatte. Doch womöglich war es noch der wirksame Ultraschalleffekt, den er in den Amniosphaera-Zauber eingewirkt hatte, der die Vögel abhielt. Wissen konnte er es jedoch nicht. Als er die fliegenden Hexen ansah, ob sie gegen ihn kämpfen würden oder nicht leuchtete ein grünliches Flackern von der grünen Gurgha her auf. Es war wie eine Spirale aus sich verästelnden Blitzen, die zwischen die Bäume und auf die fliegenden Hexen und den Zauberer zuckten. Gleichzeitig erkannte er, wie bei den Hexen die wirksame Echodomus-Bezauberung mit einem grünen Flackern erlosch. Doch das war nicht das, was ihm einen gehörigen Schrecken einjagte. Im gleichen Augenblick, als der Echodomus-Zauber der fünf Hexen verpuffte, färbte sich Julius' rosarote Schutzsphäre erst blaßgrün und dann blattgrün um, wurde völlig undurchsichtig und zerstob dann mit einem lauten Geräusch, das wie zerreißendes Papier klang. Julius fühlte den Zerfall der Blase so, als sauge ihm jemand in einer Sekunde Wärme und Kraft aus dem Leib. Er dachte einen Moment an Dementoren, die mit ihrer Eiseskälte und Dunkelheit nicht nur Licht und Körper, sondern auch die Seelen ihrer Opfer schwächten. Er zitterte. Vor seinen Augen explodierten rote Ringe zu einem Meer aus durcheinanderfliegenden Sternen. Wäre die Bergebezauberung des Besens nicht gewesen, die einen Reiter wie angeschnallt auf dem Besen festhielt, so wäre er wohl wegen plötzlicher Kraftlosigkeit vom fliegenden Besen abgerutscht. Als seine Schutzblase ausgelöscht wurde erloschen auch die wild umherzuckenden grünen Blitze.
"Habt ihr sechs euch so gedacht, mir mit Rückwerfezaubern widerstehen zu können!" dröhnte die Stimme der Halbriesin. Julius hörte den Triumph heraus. Wegen der so plötzlich über ihn hereingebrochenen Erschöpfung war er im Moment nicht fähig, irgendwas zu sagen oder zu tun. Sein Besen verlangsamte von selbst. Die fünf Hexen, die erkannten, dass ihr bisheriger Schutz gegen Schallangriffe und über die Stimme wirkende Magie zerstört war stießen schnell in die Tiefe. Die bisher so gut auf Abstand gehaltenen Vögel formierten sich wieder und rückten lärmend und flatternd von allen Seiten heran. Julius hörte den Revierschrei eines Adlers genau über ihm und fürchtete einen neuerlichen Angriff. Das jagte ihm genug Adrenalin in die Blutbahn, dass seine Erschöpfung wie weggeblasen verflog. Er riss den Kopf in den Nacken und sah drei Adler, die ihn gerade als Ziel auffassten. Dann hörte er fünfmal das Zauberwort "Accio!"
"Nichts da. Ihr gehört jetzt mir!" rief die grüne Gurgha. Ihre großen Bernsteinaugen funkelten wild. Sie öffnete den Mund, um ihren magischen Gesang ertönen zu lassen, als die ersten Hexen mit blauen stoffbällen in der Hand auf dem Boden landeten. Julius vermutete, dass er nur noch zwei Sekunden hatte, bis ihm drei Adler auf den Kopf fallen würden. Er löste den Bergezauber des Besens und schwang sich herunter. Er sah noch, wie die schwarzgelockte Hexe einen auf sie zufliegenden stoffball auffing und sich keinen Wimpernschlag danach in eine Disapparition hineindrehte. Dann wirbelte er selbst im freien Fall herum und rief sich dabei noch einmal Jacquelines Hochsitz ins Bewusstsein. Er fühlte die ihn plötzlich packende Enge und Dunkelheit des Übergangs zwischen zwei entfernten standorten. Dann entstand die helle, weite Welt um ihn herum auch schon wieder. Er fiel gerade aus zehn Metern höhe ohne Besen herunter. Er wollte gerade den Fallbremsezauber auf sich anwenden, als sich direkt unter ihm ein bläuliches Netz aus reinen Lichtsträngen zeigte. Er fiel direkt hinein und wurde von einer blauen Leuchtblase umschlossen, die ihn wie eine Kugel aus luftdurchlässiger Watte weich auf den Boden aufkommen ließ. Erst als er seine Füße ausstreckte, um sich aufzurichten, klaffte die blaue Leuchtsphäre auf und wurde zu einem Wirbel aus Licht, der in den Hochsitz Jacquelines eindrang und verschwand. Jetzt konnte Julius sogar einen mehr als baumhohen, den Hochsitz als Zentralachse markierenden Dom aus silbernen Sternen und flirrenden Lichtfäden erkennen.
"Schon wieder zurück?!" rief Jacqueline lachend. Dann sah sie, dass auch die fünf Hexen des Hilfstrupps an diesem Ort erschienen waren. Sie sahen Julius mit einer Mischung aus Staunen und Tadel an. Doch dann reckten sie die blauen stoffbälle nach oben. "Der Bursche hat wohl Professeur Énas' Übereifer in Verwandlungen mit der Frühstücksmilch in Beauxbatons eingeflößt bekommen", sagte die Hexe mit den schwarzen Locken. "Der hat einfach die wildgewordenen Kollegen verwandelt. Dann hat dieses Riesenweib eine Art kaskadierenden Aufhebungszauber wie grünes Elmsfeuer entfaltet, der seine und unsere physikalischen Schutzzauber mal eben ausgelöscht hat."
"Dieses grüne Ungetüm hat übermächtige Kräfte. Aura- oder Sphärenzauber kommen da wohl nicht gegen an", sagte Julius.
"Oh, dann sollten wir uns mal eben weit genug zurückziehen, bevor dieses Monstrum uns hier auch noch angreift", sagte die Schwarzgelockte.
"Du hast es aber auch noch drauf, Tante Amélie", sagte Jacqueline Dubois anerkennend. "Mal eben notzulanden und mit einem verwandelten Kollegen in der Hand zu disapparieren ..." Der Lärm näherkommender Vögel schnitt ihr das Wort ab. "Also, wenn dieses Ungetüm jeden Sphärenzauber brechen kann hält mein Sternennetz die auch nicht lange auf. Gut, dass ich es auf Apparierdurchlass ausgerichtet habe."
"Sieht sehr imposant aus, der Zauber", sagte Julius. Jacqueline deutete erst in die Richtung, aus der viele Dutzend Vögel anflogen und dann sehr schnell hinter sich. Das war eindeutig.
"Zurück ins Ministerium. Wir müssen neu planen", sagte die Hexe, die von Jacqueline als Tante Amélie angesprochen worden war. Dann fiel ihr wohl ein, dass sie unter ihrem Kinn noch eine kaffeebechergroße Silberdose hängen hatte. Diese klappte sie auf und sprach hinein: "Grüne Hybridin vermag physikalische Schutzzauber zu neutralisieren. Kollegen durch Transfiguration kampfunfähig und in Gewahrsam genommen. Erbitten Rückkehrerlaubnis ins Zaubereiministerium!"
"Erlaubnis erteilt! Erwarte ausführliche Berichte aller Beteiligten!" klang blechern die Stimme Ornelle Ventvits. Dann hörten sie alle den Gesang. Er klang noch weit fort. Doch er begann schon zu wirken. Die Hexen erstarrten einen Moment. Julius brüllte gegen die betörenden Töne an und rief ihnen zu, schnell ins Ministerium zurückzukehren. Die schwarzgelockte Hilfstruppenleiterin nickte und holte aus einer Seitentasche ein fingerdickes, knapp zwanzig Meter langes Seil hervor. Sie warf Julius ein Ende davon zu. Die anderen griffen mit je einer Hand nach einem freien stück, bis alle daranhingen. "Rückzug!" rief Amélie Rieuvive. Dieses Wort löste den im Seil enthaltenen Portschlüsselzauber aus.
Als Nal durch die Augen hoch fliegender Greifvögel sah, wie sechs Hexen und der ihr so hartnäckig widerstehende Zauberer in einer blauen Lichtspirale verschwanden brüllte sie so laut auf, dass die Wipfel der Bäume wie unter einer heftigen sturmböe erzitterten. Das silberne Lichtgebilde, das bis dahin über dem Hochsitz gestanden hatte löste sich vollständig auf. Die grüne Gurgha stampfte einmal kräftig auf und rammte dabei ihren rechten Fuß so tief in den Boden, dass er bis zum Schienbein versank. Mit einem lauten Schnauben zog Nal ihr Bein wieder frei. Sie schickte ihren gefiderten Helfern die Botschaft zu, sie nun wieder wie einen lebenden Schild zu umfliegen. Sie hatte die Zauberstabschwinger in die Flucht geschlagen. Eigentlich sollte sie darüber höchst erfreut sein. Doch sie war keine rein gefühlsmäßig lebende reinrassige Riesin. In ihr lebte und atmete der Geist Salannas, einer mehr als dreihundert Jahre alt gewordenen Waldfrau. Diese wusste aus eigener Erfahrung, dass ein scheinbarer Sieg nur der Auftakt zu einer gefährlichen Auseinandersetzung sein konnte. Sie musste schleunigst von hier fort, ihrem Weg folgen, ohne klären zu können, woher die Zauberstabschwinger gewusst hatten, dass sie hier zu finden war.
Sie lief los, schneller und schneller. Die um sie herumwachsenden Bäume luden sie förmlich mit Kraft, Gewandtheit und Ausdauer auf. Sie wendete ihre besondere Kraft an, ihr eigenes Körpergewicht so sehr zu verringern, dass sie keine Spuren in den Waldboden drückte. Außerdem konnte sie so mit weit ausgreifenden Sprüngen mehr als zehn ihrer Körperlängen in der Zeit zwischen zwei Herzschlägen überwinden. Wo ihr Bäume zu eng im Weg standen schlängelte sie sich in einer geschmeidigen Seitwärtsbewegung zwischen diesen hindurch. Bäume zu töten lag ihr fern, weil sie nur von diesen ihre überragende Ausdauer bekommen konnte. Ihr Ziel war die nördliche Küste, von der sie aus Salannas Erinnerungen wusste. Sie wollte über das Meer auf das größte jener Eilande, die als Britische Inseln bekannt waren.
"Wir können also festhalten", setzte Ornelle Ventvit für gleich drei mitschreibende Flotte-Schreibe-Federn und ihre Zuhörer an, "dass wir es mit einer eindeutigen Hybridform zwischen Riesen und kleiner, grüner Waldfrau zu tun haben. Diese vereint nicht nur die magischen Eigenschaften ihrer Eltern, sondern übertrifft diese auch. Sie vermag über ihre Stimme beeinflussende Magie zu wirken, kann Feuerelementarzauber ohne Nutzung von Zauberstäben ausführen und weist die für Riesen typische Resistenz gegen Flüche und Körperbezauberungen auf, wobei sie auch dem tödlichen Fluch Avada Kedavra zu widerstehen vermag. Hinzu kommen für denkende und fühlende Wesen, die nicht in der Lage sind, Ohren und Geist gegen ihre Beeinflussung zu sichern, dass sie jede Form nach außen wirkender Körperumhüllungsmagie zerstreuen kann. Außerdem kann sie wohl auf eine uns nicht genau ermittelbare Anzahl von wilden Tieren Einfluss nehmen, um diese zu ihren Gehilfen zu machen. Nur die dem Anwärter Julius Latierre vermittelte Fertigkeit, den eigenen Geist gegen feindliche Gedanken abzuschirmen und somit seine Eigenständigkeit zu erhalten bewahrte ihn davor, wie die Kollegen des ersten Einsatztrupps zu unterliegen. Allerdings mussten sich beide Truppen nach der erfolgten Aufhebung ihrer Schutzbezauberungen zurückziehen. Was die Halbriesin, die sich selbst Nal nennt, für Ziele verfolgt konnte nicht ermittelt werden. Dass sie wohl nur deshalb überhaupt von uns aufgespürt werden konnte, weil sie die Präsenz von mehreren Waldfrauen auf einmal zeigte, weist darauf hin, dass sie womöglich gegen andere Arten der Lebewesenaufspürung abgeschirmt ist. Nach den mir vorgelegten Berichten aller am Einsatz beteiligten Beamten muss ich die Empfehlung aussprechen, dieses Wesen mit Hilfe noch zu entwickelnder Fernbeobachtungsartefakte aufzuspüren und zu beobachten. Ich muss beim jetzigen Stand der Dinge von einer hochgradigen Gefährdung für Menschen durch die Hybridin ausgehen. Daher lege ich dem Ausschuss zur Beseitigung gefährlicher Geschöpfe diesen Bericht, sowie die schriftlich niedergelegten Einsatzberichte der beteiligten Kollegen zur Entscheidung vor, ob dieses Wesen auf Sicht zu töten sein soll oder nicht. Auf welche Art eine Tötung durchgeführt werden kann wird dann Gegenstand weiterführender Ermittlungen sein. Ende des abschließenden Berichtes.""
Als die Schreibe-Federn wieder fortgepackt waren und zwei Memo-Flieger mit Kopien der Berichte abgeschickt waren wandte sich Ornelle Ventvit noch einmal an Amélies Hexentruppe und Julius Latierre.
"Wir werden wohl von Ihnen mehrere Aufspürartefakte für grüne Waldfrauen benötigen, Jacqueline. Öhm, und Sie, Monsieur Latierre, sollten sich mit jener kleinen Gruppe in Verbindung setzen, die sich selbst als Kinder Ashtarias bezeichnen, um von Ihnen die Erlaubnis zu erbitten, andere Kollegen jenen Geistesschutzzauber erlernen zu lassen, mit dem sie sich der magischen Beeinflussung entziehen konnten. Betrachten Sie das als eine dienstliche Anweisung."
"Ich versuche es, Mademoiselle Ventvit. Allerdings unterliegen die mir vorgestellten Kinder Ashtarias nicht der Befehlshoheit des Zaubereiministeriums von Frankreich, sondern betrachten sich als überregional, ja international aufgestellte Organisation, die ihre Unabhängigkeit von Zaubereiministerien pflegt und verteidigt. Doch ich werde die mir erteilte Anweisung ausführen und einfach fragen", sagte Julius.
"Tun Sie das!" erwiderte Ornelle Ventvit.
"Monsieur Latierre, wollen Sie dieses Märchen von diesen mythischen Kindern Ashtarias wirklich derartig ausreizen?" fragte Amélie Rieuvive mit unüberhörbarer Verstimmung. "Sie brauchen uns doch nur den Titel oder die Titel des Buches oder der Bücher zu nennen, aus denen Sie dieses Wissen bezogen. Ich persönlich glaube nicht an eine über Jahrtausende bestehende Erblinie einer mächtigen Erzmagierin, die ihrerseits von sich behauptet haben soll, ihre Ahnenlinie auf die Bewohner dieses mythischen Reiches Atlantis zurückführen zu können."
"Da Sie mir an Dienstjahren und Rängen übergeordnet sind kann und will ich Ihnen nicht zureden, doch an die Existenz dieser Gruppe zu glauben, Madame Rieuvive", sagte Julius unerwartet gelassen. "Ich kann mich nur auf das berufen, was ich selbst erlebt habe und was der Zaubereiminister von Frankreich, sowie das britische Zaubereiministerium unter der höchsten Geheimhaltungsstufe eingeordnet haben. Nur soviel, dass ich meine Unterweisungen nicht durch mündlichen Unterricht erhielt, sondern in einem mir nicht näher erläuterten Verfahren direkt in mein Gedächtnis eingepflanzt bekam", sagte Julius. Diese Begründung und dass er, sobald er versuchte, wem anderem was von seinem Wissen abzugeben alle bisher gesammelten Erinnerungen seines Lebens verlieren würde, hatte er bereits mit dem Minister und der gesamten Gruppe des stillen Dienstes festgelegt.
"Und da Sie uns nicht verraten dürfen, von wem Sie diese Unterweisungen erhielten, ohne ihr komplettes Gedächtnis zu verlieren, sollten wir es dabei bewenden lassen, dass Sie bei den Ihnen bekannten Personen anfragen, wem sie von ihrem Wissen abgeben. begründen Sie die Anfrage damit, dass auch ihre Anverwandten und Freunde durch diese Nal bedroht sind!" erweiterte Mademoiselle Ventvit ihre Anweisung. Julius nickte. Mit dieser Nachdrücklichkeit hatte er ja rechnen müssen.
"Scheinbar ist unsere Vorgesetzte gänzlich davon überzeugt, dass Ihre Behauptungen zutreffen, Monsieur Latierre", schnaubte Madame Rieuvive. "Aber auch wenn ich zwei Stufen unter Mademoiselle Ventvit eingeordnet bin erlaube ich mir, Sie ernsthaft darauf hinzuweisen, dass Sie alle bisherigen Errungenschaften aufs Spiel setzen, sollte ich oder ein mir unterstellter Kollege bei einem Einsatz gegen Nal oder sonst wen zu Schaden kommen, nur weil ein gerade mal zwanzig Jahre alter Ruster-Simonowsky-Zauberer sich für was besonderes hält und nicht bereit ist, von dem ihm vermittelten Wissen abzugeben."
"Vorsicht, Amélie, derartige Drohungen könnten zum vorzeitigen Verlust von Monsieur Latierres Arbeitsfähigkeit führen. Das wiederum könnte mich dazu bewegen, ein internes Disziplinarverfahren wegen mutwilliger Gefährdung eines Kollegens Ihrerseits zu erwirken", erwiderte Ornelle Ventvit. "Monsieur Latierre hat meine Bitte erhalten und wird sie an die ihm bekannten stellen übermitteln. Wie diese sich entscheiden müssen wir dann wohl oder übel akzeptieren. Bis dahin sollten wir mit den uns allen bekannten und zugänglichen Mitteln ermitteln, welche Ziele Nal nach der Beseitigung Utgardirs hegt und ob wir sie mit Überzeugung oder magischer Gewalt zur Abkehr davon bewegen können, sofern diese Ziele die Gefährdung weiterer Menschen beinhalten. Ich habe nämlich die starke Vermutung, dass Nal nicht von sich aus die gewaltsame Konfrontation mit uns gesucht hat. Hätte sie dies, so wäre sie gleich einem reinrassigen Riesen oder Drachen über arglose Menschen hergefallen oder hätte uns offen die Feindschaft erklärt. Monsieur Latierre erwähnte, dass sie nicht rein emotionell, sondern sehr taktisch vorgegangen ist, als sie die von ihr unterworfenen Vogelschwärme nicht zum Generalangriff, sondern zur gezielten Beseitigung ihre Zauber störender Hilfsgegenstände eingesetzt hat und als sie die von ihr unterworfenen Zauberer zum Angriff auf Monsieur Latierre hetzte. Hätte sie ihn töten wollen, so hätte sie sicher jene Magie eingesetzt, mit der sie gegen die Drachenhüter vorging, die versucht hatten, sie aufzuhalten."
"Gut, von gleich mehr als zehn großen Greifvögeln angegriffen zu werden würde ich schon als versuchte Tötung ansehen", grummelte Julius. Die Leiterin des Büros für handlungsfähige Zauberwesen größer als Zwerge, Kobolde und Hauselfen musste dazu nicken.
"Monsieur Latierre, bevor Sie meine Anweisung bezüglich der Kinder Ashtarias umsetzen möchte ich Sie gerne als meinen Boten an Monsieur Dusoleil in Millemerveilles beauftragen, ihn um die Herstellung mehrerer aus sicherer Entfernung bedienbarer Überwachungsartefakte zu bitten. Ich werde mir diesen Auftrag gleich noch von Monsieur Vendredi bestätigen lassen", sagte Ornelle.
"Was ist mit den Kollegen?" fragte Jacqueline Dubois.
"Sind alle in der Delourdesklinik untergebracht. Trotz der üblichen Aufhebung den Körper oder den Geist betreffender Zauber nach erfolgter gegenständlicher Fremdverwandlung und deren Umkehr drängt es sie danach, zu Nal zurückzukehren. Offenbar hat diese sie derartig nachhaltig beeinflusst, dass sie sie als begehrenswertes Geschöpf sehen, ja regelrecht von ihr abhängig sind."
"Die Sabberhexenadiktion", grummelte Jacqueline Dubois. Julius und die anderen mussten ihr da wohl zustimmen. Nal hatte die von ihr beeinflussten mit eigenen Körperflüssigkeiten wie Speichel, Tränen oder Blut völlig von sich abhängig gemacht.
"Nun, die Heiler in der Delourdesklinik sind in der Aufhebung dieser Abhängigkeit erfahren und haben bereits die entsprechende Therapie begonnen. Monsieur Vendredi und ich erwarten heute Nachmittag noch einen persönlichen Bericht von Madame Eauvive. - Gut, zu viel Zeit vertan, Mesdames et Monsieur! Monsieur Latierre, begleiten Sie mich zu Monsieur Vendredi zur Entgegennahme des offiziellen Beschaffungsauftrages für unbeseelte, aus sicherer Entfernung bedienbare Überwachungsartefakte!" Julius bestätigte den Erhalt dieser Anweisung und folgte seiner direkten Vorgesetzten in das Büro des hauptamtlichen Leiters der Abteilung zur Führung und Aufsicht aller magischen Geschöpfe.
In Monsieur Vendredis Büro selbst trafen sie auch Barbara Latierre, für die die zweite Kopie von Ornelles Zusammenfassung und die Berichte gewesen war. Diese fragte, nachdem Julius den offiziellen Auftrag erhalten hatte, Monsieur Dusoleil um die Herstellung von Überwachungsartefakten zu bitten, ob es schon einen ersten Bericht über ihre in Behandlung befindlichen Mitarbeiter gäbe. Ornelle verwies sie darauf, am Nachmittag noch mit der Leiterin der Delourdesklinik zu sprechen. "Ich erbitte, dieser Unterredung beiwohnen zu dürfen", wandte sich Barbara Latierre an ihren Vorgesetzten, Monsieur Vendredi. Dieser erlaubte es.
Julius bekam die Erlaubnis, die Mittagspause in Millemerveilles zu verbringen und erst wiederzukommen, wenn er von Monsieur Dusoleil eine genaue Aufstellung erhalten hatte, was er bis wann liefern könne. Er verbarg seine Freude über dieses Entgegenkommen, bis er durch das Flohnetz in das Apfelhaus übergewechselt war, wo Millie gerade die kleine Aurore auf ihren Kinderstuhl setzte, damit diese ihr Mittagessen zu sich nehmen konnte. Doch weil Julius so unverhofft früh nach Hause gekommen war vergaß Aurore erst das Mittagessen. Erst einmal musste sie ihren Vater begrüßen, wobei sie ihn mit gut eingespeicheltem Essen besudelte.
"Hallo, Rorie. Bin nur zur Mittagspause hier. Muss gleich zu Onkel Flory und mit dem was ganz wichtiges besprechen", säuselte Julius, während Aurore ihre kurzen Arme fest um seinen Brustkorb schlang und keine Anstalten machte, ihn wieder loszulassen.
"Habt ihr sie echt gefunden. Temmie meinte sowas, dass du zu ihr hingeschickt worden bist", mentiloquierte Millie. Julius schickte schnell zurück: "Die ist verdammt heftig drauf, Mamille. Ohne das Lied des inneren Friedens wäre ich jetzt wohl von der vernascht worden oder würde meine eigenen Kollegen plattmachen."
"Héméras Tante weiß wohl schon, warum sie ausgerechnet dich in solche Abenteuer reinjagt", gedankenschnaubte Millie. Dann fragte sie mit körperlicher Stimme: "Ach, braucht deine nette Vorgesetzte mal wieder besondere Spielsachen, die die ministeriumseigenen Bastler nicht bauen können?"
"Ich habe den Auftrag, das nur mit Onkel Flory zu bereden, Mamille", sagte Julius. "Aber im Grunde hast du leider recht. Mehr darf ich aber echt nicht rauslassen."
"Ihr und eure Geheimnistuerei", tat Millie verdrossen. Denn Julius hatte ja sonst kein Problem, die ihm auferlegten Stillschweigeanordnungen zu umgehen, zumal sie ihm schon oft hatte helfen können, aus brenzligen Sachen herauszukommen. Am Ende mochte es wieder passieren, dass sie und auch Temmie ihm helfen mussten, nicht doch noch von Nal unterworfen zu werden.
Als die Latierres vom Apfelhaus ausgiebig zu Mittag gegessen hatten und Aurore von Julius zu den Dumas' zum Spielen gebracht worden war traf er sich mit Camille und Florymont Dusoleil. Camille mentiloquierte er, dass er beauftragt worden sei, die Kinder Ashtarias zu bitten, dass auch andere Ministeriumszauberer und -hexen die besonderen Zauber lernten. Das brachte Jeannes, Denises und Chloés Mutter zum grinsen. Sie gedankenantwortete: "Heißt das, dass ich dir jetzt erlauben oder verbieten soll, dass du vielen interessierten Leuten diese alten Zauber beibringst? Da könntest du gleich Ammayamiria, diesen wiederverjüngten Knurrwolf oder die gläubige Katholikin aus Mexiko fragen, ob sie dir das erlauben, dass du anderen Leuten das beibringst, was die Altmeister von Khalakatan dir beigebracht haben."
"Ich brauche sowas wie eine eindeutige bestätigung, die nicht auf den Urheber schließen lässt", mentiloquierte Julius. Zwischen ihm und Camille war das so leicht, als wenn sie es mit körperlicher Stimme aussprachen.
"Klär das mit Florymont, wenn du unbedingt schon wegen ihm hergekommen bist", schickte Camille in Julius' Bewustsein zurück. Er bestätigte das auf die gleiche Weise und wandte sich dann an den Hausherren.
"Ich habe da schon mal mit deiner Mutter drüber gesprochen, sogenannte Überwachungsdrohnen zu bauen. Ich habe was läuten hören, dass die Russen auf dem Gebiet schon Sachen ausprobieren. Aber bewegliche und jederzeit umsteuerbare Geräte, die aus großer bis unbegrenzter Entfernung bedient werden sind nicht so leicht herzustellen. Deshalb bewundere ich die Muggel, dass die ihre Funkfernsteuersachen und Erkundungsautomaten so gut beherrschen, dass die sogar bis zu den äußersten Planeten hinfliegen und von da berichten können."
"Grundsätzlich ist sowas drin", fragte Julius.
"Na ja, wenn ich es hinkriege, eine Art telekybermentische steuerung zu bauen kann ich jedem Ding magicomechanische Augen, Ohren und Nasen anschrauben und damit beobachten. Da du mir ja von deinem zweithöchsten Vorgesetzten eine klare Auftragsbestätigung mitgebracht hast werde ich mich damit vorrangig beschäftigen."
"Ja, aber denke dabei auch daran, dass deine anderen Kunden nicht wieder lamentieren, du hättest keine Zeit mehr für sie, Chérie!" warf Camille ein. Ihr Mann grinste und sagte:
"Ja, dein Vater kriegt heute noch Besuch von mir, damit ich den Atemgiftabsauger für sein Labor wieder einrenke."
"Das wäre sehr nett, Flory", erwiderte Camille. Julius fragte, wann er mit einer klaren Ansage ins Ministerium zurückreisen könne, was die Überwachungsgeräte anginge. Daraufhin wurde er eingeladen, Florymont in seine Werkstatt zu begleiten. "Öhm, Florymont, dann gib dem Jungen bitte noch diese silberne Hand mit, die du gebaut hast, ja!"
"Häh, wozu soll er die denn mitnehmen, ma Chere?" fragte Florymont.
"Um eine Antwort der Kinder Ashtarias formulieren zu können, wie sie über gewisse Begehrlichkeiten seiner Kollegen befinden", sagte Camille. Florymont verstand und nickte.
"So, wegen der Anonymisierung. Das kann ich doch schon mit der Flotte-Schreibe-Feder machen", sagte Julius.
"Ach, haben die von der strafverfolgung das natürlich nicht rundgehen lassen, dass sie nun einen Zauber entwickelt haben, der ein von einer Schreibe-Feder geschriebenes Schriftstück über die Verbindung mit dem Speichel ihres Benutzers auf diesen selbst zurückführen kann? Neh, da habe ich schon was besseres und vielseitig einsetzbares gebaut, weil Camille oder die anderen Ashtaria-Kinder vielleicht mal was ans Ministerium schreiben wollen könnten und dabei nach Möglichkeit nicht identifiziert werden möchten."
"Und das ist die silberne Hand", sagte Julius. Florymont und Camille nickten. Dann wurde sie vom Lärm der sich mal wieder käbbelnden Kinder Chloé und Philemon abgelenkt.
Julius unterhielt sich mit Florymont in dessen umfangreicher Zauberkunstwerkstatt über die unbemannten Aufklärungsflugzeuge der Muggel, über Satellitenüberwachung und sogenante Webcams, die die von ihnen aufgenommenen Bilder direkt ins Internet übertrugen. "Die werte Ornelle Ventvit weiß schon, warum sie dich zu mir geschickt hat und nicht einen von ihren anderen Laufburschen", sagte Florymont anerkennend. "Ich hörte sowas, dass ein britischer Ministerialzauberer mit einem ähnlichen Artefakt herumexperimentiert haben soll. Leider konnte oder wollte mir mein Brieffreund aus Brighton nichts weiteres darüber schreiben. Und was die Russen angeht, so hörte ich über Camille, dass die tierähnlich konstruierte Kundschaftermaschinen bauen wollten. Ein gewisser Anatol Borodin habe aber den Deckel über diese Versuche gelegt, damit nichts nach außen dringe."
"Hoffentlich nichtsowas wie Roboterfliegen oder dergleichen. Die Muggel experimentieren auch mit sowas, von Nanobots oder Naniten ganz abgesehen, die aber bisher nur Zukunftsdichtung sind", erwiderte Julius. Sich vorzustellen, dass insektengroße Erkundungsmaschinen herumflogen gefiel ihm absolut nicht. Überhaupt gab es in der Zaubererwelt schon zu viele Fernüberwachungsmethoden. Dann fiel ihm ein, dass er Anatol Borodin kannte. Aber er durfte Florymont nicht erzählen, dass er ihn sogar schon persönlich getroffen hatte.
Am Ende führte Florymont ihm die silberne Hand vor. Dabei handelte es sich zum einen um das erwähnte Artefakt aus Silber und diversen anderen gut bezauberbaren Materialien. Zum anderen gab es dazu noch einen Handschuh aus blauer Seeschlangenhaut. "Wer nicht will, dass er als Schreiber identifiziert wird muss den Handschuh so bezaubern, dass ihm das Bild und die Stimme einer beliebigen Person, wirklich oder nur in der Vorstellungskraft bestehend, eingeprägt ist. Wenn dann ein Brief mit der silbernen Hand geschrieben wurde kann jemand der Scriptorvista oder Scriptum audietur benutzt nur Bild und Stimme der in den Handschuh eingeprägten Person hervorrufen, aber nicht die echte."
"Willst du das dem Ministerium vorstellen?" stellte Julius eine eigentlich überflüssige Frage.
"Dann hätte ich das kleine Silberding nicht bauen müssen oder gar dürfen. Denn im Grunde betreibe ich sowas wie Beeinträchtigung von Strafermittlungen, wenn ich gegen jede Ermittlungsmaßnahme gleich was entgegenwirkendes baue. Damit würde ich mich selbst strafbar machen", wisperte Florymont. Er war sich sicher, dass die von ihm angebrachten Schutzzauber gegen Fernbeobachtung und -belauschung absolut sicher waren. Dann fragte er zurück: "Öhm, soweit ich weiß hat der Vater von Aurora Dawn dieses Mitsehauge gebaut, mit dem lebende Vögel bestückt werden können. Warum schickt dich deine Chefin dann zu mir und nicht auf deine Geburtsinsel?"
"Weil unsere derzeitige Opponentin - ich will sie noch nicht als Feindin oder Angriffsziel bezeichnen - lebende Tiere und sogar Menschen und reinrassige Riesen ihrem Willen unterwerfen kann. Deshalb bin ich ja bei dir."
"Oha, so wie die Abgrundstöchter?" fragte Florymont. Julius konnte das nicht abstreiten. "Natürlich. Aber bedenke dabei bitte, dass magisch miteinander verbundene Objekte eben eine magische Verbindung besitzen, die ermittelt oder unterbrochen werden kann. Das weißt du ja auch von denPflegehelferarmbändern."
"Schreib das bitte mit in deine Bestätigung, ob und wenn ja wann und was du liefern kannst!" erwiderte Julius darauf. Florymont nickte. "Öhm, wie lange brauchst du die silberne Hand?" fragte Florymont.
"Um es glaubwürdig rüberkommen zu lassen, dass ich mehrere Leute gefragt habe sollten schon zwei Tage vergehen. Ist mir nicht so ganz angenehm, weil in der Zeit viel passieren kann. Aber im Moment hoffe ich, dass unsere Opponentin keine Lust hat, sich mit allen Ministerialzauberern Europas anzulegen und sich irgendwo versteckt oder zumindest gegen das Aufspüren absichert und nicht in menschliche Ansiedlungen reinstampft."
"Dann komm besser übermorgen noch mal zu mir und benutze die silberne Hand erst dann!" schlug Florymont vor. Julius nickte.
Da er Temmie um Rat fragen wollte ging er einige Minuten lang spazieren, wobei er in Gedanken mit der geflügelten Vertrauten sprach. "Du weißt, wie verärgert Ianshira war, als sie mitbekam, wem du alles von ihrem Wissen verraten hast und dass du den Kreis der Wissenden klein halten musst. Es ist völlig unwichtig, ob du nur zwei oder zwanzig Kollegen beibringst, was du gelernt hast. Es würden immer zweihundert oder zweitausend andere aufschreien, die das auch lernen wollen. Und sobald du dein Wissen weitergibst erlaubst du denen, die es erhalten, ihre eigenen Ziele damit zu verfolgen, mit allen Folgen, die diese Ziele mit sich bringen", gedankensprach Temmie. Julius verstand. Wissen war eben Macht. Wer Wissen weitergab lieferte nicht nur sich aus, sondern womöglich auch andere. Auch wenn er durch den Schutzbann der Altmeister der einzige war, der deren Lehren weitergeben konnte, so konnte er die anderen nicht daran hindern, ihr eigenes Ding damit anzustellen. Ja, es war dann sogar möglich, dass der bereits aufgetauchte Feind Vengor Gehilfen bekam, die das Lied des inneren Friedens erlernt hatten. Sicher, der Schleier des Guten verbarg nur die, die keine Angriffsabsicht gegen unschuldige Mitgeschöpfe hegten. Doch mit dem Lied des inneren Friedens ließ sich auch viel Unheil anrichten. Julius bestätigte, dass ihm das bewusst war. So entschied er sich, Ornelle mitzuteilen, dass die Kinder Ashtarias ihm verboten hatten, anderen davon zu erzählen oder es ihnen beizubringen. Er sei ja auch nur eingeweiht worden, weil die Abgrundstöchter ihn als ihr lohnendes Ziel ausgewählt hatten.
Gegen drei Uhr Nachmittags kehrte Julius ins Ministerium zurück. Florymont hatte einen dreiseitigen Bericht geschrieben, in dem er darlegte, dass er spätestens bis zum 22. Januar zwei oder drei vogelähnliche Automata bauen konnte, die mit Bild- und Schallverpflanzungszaubern erkunden und berichten konnten, was sie sahen und über einprägbare Kommandos ferngelenkt werden konnten.
"Er schreibt hier auch, das bei diesen Gerätschaften die Gefahr besteht, dass magiesensitive Lebewesen ihre Anwesenheit erspüren können und er es nicht wie bei jenen Antisonden zum Schutz muggelstämmiger Hexen und Zauberer nicht abschirmen könne", sagte Monsieur Vendredi, als er das Schreiben gelesen hatte. Julius nickte. "Aber wenn wir dadurch einen gegen geistige Beeinflussungszauber immunen Fernkundschafter bekommen müssen wir es riskieren", legte er fest und schickte an Florymont eine offizielle Auftragsbestätigung, dass er die erwähnten Geräte bauen und liefern sollte.
"Der Minister hat mich übrigens ersucht, Sie von dem Auftrag zu entbinden, die Kinder Ashtarias um eine Preisgabe ihrer besonderen Zauberkenntnisse zu bitten, Monsieur Latierre. Er begründet es damit, dass allein die Anfrage unter Befehlsdruck jene Gedächtnistilgung auslösen könnte, die ihnen auferlegt ist, sollten Sie gegen den Willen dieser ominösen Gruppierung deren Geheimnisse weitergeben. Ich musste ihm da leider zustimmen, da ich erfuhr, dass jene Gruppierung zum Teil mit der Bruderschaft des blauen Morgensterns im Orient in Verbindung steht. Und zu welchen drastischen Mitteln gerade diese Gruppierung zu greifen im stande ist mussten Sie ja erfahren, als Madame Aurélie Odin, sowie ihre Enkeltochter Claire Dusoleil dem Fluch der Blutrache zum Opfer fielen. Wenn Sie und die Kinder Ashtarias mir garantieren können, dass Sie das von ihnen erworbene Wissen nicht gegen uns oder unbescholtene Mitmenschen anwenden, kann und muss ich mit der Tatsache leben, dass Sie einer von sehr wenigen sind, die dieses Wissen besitzen und anwenden können. Hiermit widerrufe ich also Mademoiselle Ventvits Anweisung. Sie hat bereits ein entsprechendes Schreiben mit meiner und Minister Grandchapeaus Unterschrift erhalten." Mademoiselle Ventvit, die bisher nur als schweigende Zuhörerin dabeigesessen hatte, nickte bestätigend. Damit war Julius die Gewissensbelastung los, eine fingierte Absage formulieren zu müssen, um den Kreis der Wissenden des alten Reiches überschaubar klein und nur aus sein Vertrauen genießenden Leuten bestehend zu erhalten. Für eine andere Frage hatte er während der langen Mittagspause in Millemerveilles eine mögliche Antwort gefunden.
"Könnte es sein, dass Nal deshalb in Nordfrankreich aufgetaucht ist, weil sie von dort aus auf die britischen Inseln will? Vielleicht hat sie erfahren, dass Grawp dorthin gebracht wurde."
"Wieso sollte sie Grawp suchen?" fragte Ornelle Ventvit.
"Hmm, um ihn auch zu unterwerfen, wie die anderen Riesen", wagte Julius eine Vermutung. Ornelle wiegte den Kopf und straffte sich dann.
"Hmm, aber warum hat sie dann nicht zuerst versucht, Meglamora zu treffen?" wollte sie wissen.
"Wahrscheinlich weil sie nicht weiß, dass Meglamora zu uns gekommen ist", erwiderte Monsieur Vendredi. Julius nickte. "Wenn sie mitbekommen hat, dass Riesen nach England gegangen sind könnte sie in der Tat nach diesen Riesen suchen, um sie sich zu unterwerfen, um die absolute Herrin aller lebenden Riesen zu werden. ... Aber halt! Wenn sie unsere Ostlandgruppe genauso behext hat wie die Einsatzgruppe heute morgen ..." Julius erbleichte. Natürlich hatte sie die drei von der Ostlandgruppe nicht gleich getötet, sondern verhört. Dann wusste die natürlich alles, wo Grawp war und wo Meglamora war. Wieso kam er jetzt erst dahinter?
"Dann will sie erst Grawp suchen, weil der nicht auf dem Festland wohnt um dann mit ihm zurückzukommen und Meglamora zu unterwerfen", spann Julius den Gedankenfaden weiter, den ihm Monsieur Vendredi zugeworfen hatte.
"In Ordnung, Monsieur Latierre, dann werde ich Ihnen noch für heute eine Dienstreiseanweisung erteilen, um mit den britischen Kollegen darüber zu verhandeln, wie Nal in Großbritannien und Irland aufgespürt und behandelt werden kann. Haben Sie einen gepackten Rucksack zur Verfügung?"
"Nicht direkt. Müsste dafür in mein Haus zurück und packen", erwiderte Julius.
"Gut, tun Sie das und stellen sich in einer Stunde hier bei mir wieder ein, um den schriftlichen Dienstreiseauftrag für die britischen Kollegen zu empfangen!" befahl Monsieur Vendredi. Julius bestätigte den Erhalt dieser Anordnung.
"Heute noch?" fragte Millie, als Julius keine zehn Minuten später wieder im Apfelhaus war.
"Gefahr im Verzug, Mamille. Konnte gerade noch mit Mademoiselle Ventvit klären, dass ich den mir für den Besuch bei den Meerleuten überlassenen Duotectus-Anzug mitnehmen kann, weil der keine immateriellen Auren erzeugt, die dieses Weibsbild ausknipsen kann."
"Und einen Besen, hoffe ich doch mal", sagte Millie. Julius grinste. Eigentlich brauchte er keinen Flugbesen, wo er den Freiflugzauber konnte. Doch natürlich wusste davon bisher nur, wen er persönlich nach Khalakatan hineingebracht hatte. Er deutete auf seinen Weltenbummler-Rucksack, den er von Aurora Dawn geschenkt bekommen hatte. Darin steckte nun auch der neueste Ganymedbesen, natürlich nur geliehen. "Der Ausrüstungswart hat mir gesagt, dass ich alles bitte vom Einsatz zurückbringen möchte. Und sollte was auch immer davon unterwegs explodieren oder sonstwie kaputtgehen würde er mich für den Rest des Jahres als Sortierungsgehilfen zwangsverpflichten."
"Dann pass bitte auf, dass du nicht explodierst oder auf welche weise auch immer in Nals grünem Paradekörper landest. Sonst kriegst du Ärger mit mir", erwiderte Millie darauf. Julius nickte. Damit hatte er gerechnet.
Als er mit einem Rucksack gepackt für vier Tage bei Monsieur Vendredi antrat bekam er einen dicken Umschlag, der so versiegelt war, dass nur Mr. Diggory ihn öffnen konnte, ohne die darin verborgenen Schriftstücke zu staub zerfallen zu lassen. Damit ausgestattet wechselte Julius per Flohpulver zur Landesgrenze. Von dort aus wechselte er zur Grenzstation der britischen Inseln. Dort musste er warten, bis er eine per Blitzeule zugestellte Erlaubnis bekam, Amos Diggory direkt in seinem Büro aufzusuchen. Der Erlaubnis war eine Dosis des speziellen Flohpulvers beigefügt, mit dem jemand durch die Barrieren innerhalb des ministeriumseigenen Netzwerkes reisen konnte. Das kannte Julius auch schon zu genüge.
Um 17:20 Uhr Greenwichzeit purzelte er aus einem smaragdgrünen Flammenwirbel heraus in den Kamin im Büro von Amos Diggory.
"Sie mal wieder!" begrüßte der Leiter der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe den Besucher. Dieser nickte und übergab ihm nach der höflichen Begrüßung den dicken Umschlag.
"Na ja, nachdem Mr. Weasley und sein Kollege alle Wichtel der britischen Inseln aufs Dach gescheucht haben habe ich damit gerechnet, dass wir mit dieser grünen Gurgha noch einmal Ärger bekommen werden", seufzte Diggory. "Als hätten wir nicht schon genug mit diesen Lykanthropen um die Ohren."
"Huch, sind die schon wieder aktiv geworden?" fragte Julius.
"Der Sohn eines Mitglieds vom Londoner Stadtrat ist von einem angeblich tollwütigen Hund gebissen worden, am hellichten Tag auf einem gut bewachten Spielplatz. Die bewaffneten Wächter haben auf das "Tier" geschossen. Doch die Kugeln sind alle abgeprallt. Ehe sie dem Geschöpf nachsetzen konnten ist es verschwunden. Ms. Highdale hat sofort interveniert und eine Heilerin von st. Mungo zu dem Jungen geschickt. Das ganze dauerte leider mehr als zwanzig Minuten. Diagnose: Positiv auf Lykanthropie."
"Dann haben die sich wieder von dem Schlag gegen ihre Festung erholt", seufzte Julius. Er verstand, warum die britischen Zauberwesenexperten keine grüne Gurgha brauchten, um nicht unter Arbeitsmangel zu leiden.
"Jedenfalls müssen wir diese grüne Riesin vorrangig behandeln. Um die Werwölfe muss sich das KRL dann eben eigenständig kümmern. Ich kann Ms. Highdale in der Hinsicht vollkommen vertrauen."
"Eine andere Frage, die meine Vorgesetzten und ich uns gestellt haben: Ist es möglich, dass Mr. Oakshade das ihm ausgehändigte Mitsehauge noch bei sich hat und dass es geortet werden kann?"
"Die Frage habe ich schon an Mr. Dawn weitergegeben. Er hat ein Gerät zur Auffindung verlorengegangener Mitsehaugen gebaut. Allerdings weigert sich das russische Zaubereiministerium, ihm die Einreise zu genehmigen, um es dort zu verwenden, wo die letzten Riesen gewohnt haben."
"Mit welcher Begründung?" fragte Julius überflüssigerweise.
"Mit der Begründung, dass sie die Riesen als innere Angelegenheit sehen und die Ostlandgruppe deshalb genehmigt haben, weil ein paar Riesen nach England und zu Ihnen nach Frankreich gelangt sind, aber ansonsten diese Wesen als nur ihrem Zuständigkeitsbereich untergeordnet sehen. Öhm, vielleicht wissen Sie es nicht. Aber vielleicht haben Sie auch davon gehört, ob der Kontakt mit dem russischen Kollegen Borodin weiterbesteht oder nicht."
"Mein Kollege Monsieur Delacour versucht, ihn zu erreichen. Angeblich sei er auf einem Sondereinsatz, heißt es. Mehr wissen auch wir nicht", erwiderte Julius.
"Gut, ich berufe für 19:00 Uhr eine Sondersitzung des Zauberwesenbüros ein. In dem Schreiben steht, dass auch Muggelansiedlungen bedroht sein könnten. Deshalb werde ich den Kollegen Abrahams noch dazubitten. Sie möchte ich auch dabei haben, da Sie mit dieser sogenannten Gurgha bereits Berührung hatten."
"Natürlich, Sir", sagte Julius. So stand es ja auch in seinem Auftrag. Hoffentlich kamen die britischen Kollegen nicht auch auf die Idee, seine besonderen Kenntnisse erwerben zu wollen.
Zur festgelegten Zeit kamen zwanzig Hexen und Zauberer in einem großen Konferenzsaal auf der Etage für die Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe zusammen. Neben Beamten aus dieser Abteilung waren auch der Leiter des unfallumkehrkommandos, Wilson McGregor, sowie der Leiter des Büros zur friedlichen Koexistenz von Menschen mit und ohne Magie, Tim Abrahams anwesend. Da Julius nicht wusste, wo er diese Nacht schlafen würde stand sein Rucksack unter seinem hochlehnigen stuhl.
Mr. Amos Diggory fasste die Berichte seiner eigenen Leute, sowie das Anschreiben aus Frankreich zusammen und bat dann Julius Latierre um seine Aussage. Als er alles, was er mit der grünen Riesenfrau erlebt hatte soweit berichtet hatte, wie er es mit der ihm aufgeladenen Geheimhaltung Altaxarrois vereinbaren konnte, fragte ihn Aleister McFusty, ein Enkel von Angus McFusty von den Hebriden:
"Haben Sie und Ihre Kollegen nichtmagische Waffen an dieser grünen Riesenfrau versucht?"
"Nein, Sir, die führten wir nicht mit."
"Ich frage deshalb, weil ich den Bericht von Mick O'sullivan, einem Drachenhüter, vorgelegt bekam, wie er und seine Kollegen diese Riesin bekämpft haben. Die haben auch keine gewöhnlichen Schusswaffen ausprobiert. Dann hätten wir da zumindest noch eine Option."
"Über die wir erst befinden, wenn eine Lage eintritt, die uns dazu zwingt", schränkte Amos Diggory ein. Dann fragte er Julius noch einmal nach den sichtbaren Erscheinungen, als die grüne Gurgha die Schutzbezauberungen aufgehoben hatte und auch nach seiner persönlichen Empfindung, als seine eigene Schutzblase zerfloss. "Gut, dieser Zauber ist nicht von ungefähr als Hexenzauber beschrieben worden, wobei entweder unberührte Hexen oder mehrfache Mütter ihn am besten ausführen können sollen", meinte Annie Cocktoe dazu, die sich mit zauberfähigen Wesen auskannte. Julius sah die brünette Hexe an, die vom Aussehen her so alt wie seine Mutter sein mochte und antwortete:
"Das mag daran liegen, dass ich diesen Zauber von einer Hexe erlernt habe, Professeur Faucon, damals noch Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste."
"Das ändert auch nichts daran, dass dieses grüne Ungeheuer offenbar einen großräumig wirksamen Aufhebungszauber ausführen kann, der alle künstlichen Sphären und nichtstofflichen Körperumhüllungen auslöscht", erwiderte Amos Diggory. "In allen Fällen entstand grünes Licht, Mr. Latierre?" Julius bestätigte das. Dann sollte er beschreiben, wie dieses Grün ausgesehen hatte. Darauf sagte Mrs. Cocktoe:
"Blattgrün wie leuchtendes Chlorophyll. Das könnte darauf hindeuten, dass sie diese Zauberkraft aus den sie umgebenden Pflanzen bezieht. Sie erwähnten auch, dass zwei Bäume umfielen, als die grüne Riesenfrau von zwei tödlichen Flüchen getroffen wurde. Das spricht auch dafür, dass sie mit lebenden Pflanzen interagiert und die ihr geltende Vernichtungskraft auf je einen lebenden Baum umgeleitet hat, ohne dies willentlich zu tun."
"Wie eine Sabberhexe, die nur in Wäldern leben kann?" fragte Tim Abrahams mit einem gewissen Widerwillen im Gesicht. Annie Cocktoe bejahte es. "Nur, dass Sabberhexen durch den Todesfluch sterben können. Es gibt ja genug belegte Vorkommnisse, wo diese Tatsache bestätigt wurde."
"Zu wenige", knurrte Tim Abrahams. Mr. Diggory blickte ihn leicht verdutzt an. Julius erinnerte sich, dass Tim mal berichtet hatte, mit einer Sabberhexe zu tun gehabt zu haben. Deshalb konnte er sich seinen Teil denken, ließ es sich aber nicht anmerken.
"Unabhängig davon ist es doch schon sehr erstaunlich, dass eine Hybridform zwischen einer selbst für uns kleinwüchsigen Zauberwesenart wie einer Sabberhexe und einer uns um mehr als fünf Meter überragenden Zauberwesenart wie einen Riesen entstehen und aufwachsen konnte. Darauf sagte ihr Kollege McFusty:
"Sagen Sie nicht, dass das nicht geht. Einer von den schwarzen Hebriden hat ein japanisches Bonsaidrachenweibchen begattet. Die hat fünf Eier gelegt, aus denen gesunde Feuerlinge geschlüpft sind. Dem Grundsatzspruch: "Jeder Kuh ihr Kalb" folgend wurden die fünf Drachen in Japan großgefüttert. Aber zu wissen, dass in denen was von unserem Prachtburschen Taranis drinsteckt hat meiner Familie auch schon gereicht, um stolz zu sein."
"Gut, Eine Chihuahua-Hündin kann von einem Bernhardiner-Rüden geschwängert werden. Habe ich auch schon erlebt", erwiderte Tim Abrahams darauf. "Aber die Hündin wäre bei der Paarung fast verendet. Klären wir lieber, was wir machen, wenn dieses Riesenweib-chen bei uns auf den Inseln erscheinen sollte! Wenn die in die Nähe von Muggeln kommt könnte ich mir manchen übereifrigen General vorstellen, der sie von seinen Leuten einfangen lässt, um sie in ein Flugzeug zu verladen und weit fort in die Antarktis oder die Sahara zu fliegen, wo sie dann eine Atombombe über ihr abwerfen.""
"Antarktis fällt aus, weil noch der Antarktisvertrag gilt", warf Julius ein. Tim grinste und bemerkte dazu, dass er das auch wisse, es aber als Beispiel dafür anbringen musste, wie heftig die Streitkräfte der Muggel auf eine echte Riesin reagieren würden. Dabei fiel Julius was ein:
"Das Szenario, dass Sie befürchten wäre ja schon längst eingetreten. Denn apparieren kann dieses grüne Superweib nicht, wenn sie nicht auch noch Hauselfenanteile im Blut hat. Geflogen ist sie auch nicht, weil sie das sonst sofort bei unserem Einsatz demonstriert hätte. Also marschierte die den ganzen Weg von Russland bis zu uns. Dabei hätte sie dann ja eigentlich immer in die Nähe von menschlichen Ansiedlungen geraten müssen. Ist sie aber nicht. Entweder kann sie es riechen, wenn sie auf eine von magielosen Menschen bewohnte Siedlung zusteuert und/oder kann größere Menschenansammlungen auf einem Haufen fühlen oder vielleicht wie verschiedene Meeresfische elektrische Felder wahrnehmen, die ihr verraten, dass sie in die Nähe von stromverbrauchern kommt. Jedenfalls hat sie es bisher geschafft, nicht von unbeteiligten Menschen gesehen zu werden."
"Und wenn sie gesehen wurde hat sie die Zeugen wohl gleich beseitigt", musste McFusty dazu einwerfen. Julius nickte schwerfällig. Doch dann sagte er: "Ja, aber heutzutage kann man Menschen nicht mehr so ohne weiteres aus der Muggelwelt verschwinden lassen, ohne dass sie vermisst werden. Nur wer die Freunde und Verwandten gedächtnisbezaubert kann das Verschwinden von Menschen vertuschen."
"Moment, Gedächtnisbezauberung", griff Tim ein Schlagwort auf. "Wenn sie wirklich gestandene Zauberer auf einen Schlag ihrem Willen unterwerfen kann, dann kann sie das auch mit Muggeln. Denen kann sie, wenn sie sie nicht als Abendessen einverleibt eintrichtern, sie nicht gesehen zu haben oder es keinem zu erzählen, sie gesehen zu haben." Dem stimmten alle durch Nicken zu. "Aber ansonsten pflichte ich dem jungen Besucher aus Frankreich bei, dass es irgendwann doch aufgefallen wäre, wenn sie in eine Stadt reingelaufen wäre."
"Außerdem wissen wir nicht, ob sie wirklich zu uns will", warf Mrs. Cocktoe ein. Doch dem widersprach McFusty. "Wenn sie unseren Kollegen Oakshade nicht gleich getötet, sondern erst verhört hat, dann weiß sie, dass Grawp bei uns lebt, wenngleich Oakshade nicht wusste, wo er jetzt lebt, nachdem Professor McGonagall und die Zentauren ihm Waldverbot erteilt haben."
"Sie wissen es aber", vermutete Julius. McFusty und Diggory nickten. So fragte Julius noch, ob Hagrid es wusste. Darauf bekam er von McFusty nur ein verächtliches Grinsen zur Antwort. "Nichts für ungut, ich weiß, die Frage war überflüssig. Aber gemäß meinem Auftrag muss ich Sachverhalte eindeutig ermitteln und darf mich nicht auf reine Vermutungen verlassen", sagte Julius. "Also weiß er es natürlich." McFusty nickte.
"Kommen wir zu einem anderen Punkt, Monsieur Latierre", setzte Diggory an. "Inwieweit ist Ihre Dienststelle am Wiederfinden Ihres Kollegen Rocher interessiert und wie möchte sie dessen Aufenthaltsort ermitteln?"
"Punkt eins: Meine Dienststelle ist höchlichst am derzeitigen Aufenthaltsort und der körperlich-seelischen Verfassung von Monsieur Georges Rocher interessiert. Punkt zwei: die Anfrage an das russische Zaubereiministerium zur Erlaubnis der Einreise einer Suchtruppe aus Frankreich wurde bislang nicht beantwortet, weil der zuständige Beamte dafür eine klare Anweisung seines Vorgesetzten abwarten muss."
"Oh, Sie dürfen noch warten", spottete McFusty. "Ich habe heute morgen, wo Sie mit dieser grünen Monsterfrau geflirtet haben eine klare Absage erhalten. Die Riesen seien, sofern nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne, dass sie das Zuständigkeitsgebiet des russischen Zaubereiministeriums verlassen haben, immer noch Angelegenheit der russischen Tierwesenbehörde. Daher bestehe kein Bedarf nach einem auswärtigen Suchtrupp. Amos, Sie haben diesen Schrieb ja auch gelesen." Amos Diggory nickte.
"Denen ist das peinlich, dass sie keine Kontrolle mehr über die Riesen haben", schnaubte Tim Abrahams.
"Ja, das wird wohl sein. Und wenn wir Ihnen unsere Hilfe anbieten?" fragte Mrs. Cocktoe. Julius musste sich arg anstrengen, nicht loszulachen. Die anderen hatten keine Probleme, ihre Erheiterung zu zeigen. Tim erwähnte den Vorfall mit dem gesunkenen Atom-U-Boot im Jahre 2000. "Wenn die vom Zaubereiministerium genauso stur und stolz sind müssen erst hundert Drachen den Kreml in Moskau eingeäschert haben, bevor die auf die Idee kommen, ausländische Drachenjäger um Hilfe zu bitten." Julius nickte verhalten.
"Mit anderen Worten: Wenn die unseren und Ihren Kollegen finden dürfen sie befinden, ob wir berechtigt sind, davon Kenntnis zu erhalten", sagte Aleister McFusty. "Dann bleibt uns nur, diese selbsternannte Gurgha zu finden und ihr beizubringen, dass sie wieder dahin zurückgehen soll, wo sie hergekommen ist."
"Gut gebrüllt, Löwe", warf Tim Abrahams ein. "Wo ist sie denn hergekommen?" "Ja, und wie können wir sie dazu bringen, dort wieder hinzugehen?" schlug Annie Cocktoe in dieselbe Kerbe.
"Das klären wir, wenn wir sie festgenommen haben", schnarrte McFusty. Julius zog es vor, keinen Kommentar dazu abzugeben. Erst als Amos Diggory ihn ansah und sagte, dass er Ornelle Ventvit gegenüber die Hypothese geäußert habe, die drei Ostland-Agenten seien womöglich als Fortpflanzungspartner für die noch lebenden Riesinnen einbehalten worden sagte er:
"Wie Sie sagten ist das nur eine Hypothese, die darauf beruht, dass diese Nadja Tupulewa als einzige lebend gefunden wurde und es bisher keine sterblichen Überreste von den drei anderen gibt."
"Wenn Riesen keine großen Wildtiere fangen können fressen sie auch Menschen, wie skandinavische Trolle oder zentralasiatische Yetis", belehrte Aleister McFusty den jungen Besucher aus Frankreich. Doch das wusste dieser auch schon. Doch ihn ritt gerade das Frechheitsteufelchen. So fragte er: "Öhm, mit Haut und Haaren kann ich mir vorstellen. Aber auch mit Kleidung, stiefeln und Zauberstäben?"
"Wollen Sie mich jetzt veralbern?" schnarrte McFusty. Tim Abrahams grinste und sprang für Julius ein: "Sie hörten doch, dass er alles eindeutig hinterfragen muss und sich nicht auf reine Vermutungen alleine verlassen darf, Kollege McFusty. Außerdem interessiert mich die Antwort auch. In den Märchen der Gebrüder Grimm gibt es Wölfe, die kleine Mädchen mitsamt ihrer Kopfbedeckung verschlingen konnten. Geht das bei real lebenden Riesen auch?"
"Nein, man hat dort, wo Riesen sich Menschen zu fressen gefangen haben Kleiderreste gefunden", knurrte McFusty, und um aus dem neuerlichen Hintertreffen wieder herauszukommen legte er nach: "Also müssten die Russen zumindest die linke Schuhsohle des Kollegen Oakshade finden, um seinen Tod für möglich zu halten."
"Planen wir besser, wie wir die grüne Gurgha hier kontaktieren, sollte sie wirklich den Weg zu uns finden", sprach Diggory ein Machtwort. "Monsieur Latierre, am besten begeben Sie sich morgen mittag nach Hogwarts. Sehen Sie bitte zu, dass sie den laufenden Unterricht nicht stören. Professor McGonagall hat mich wegen der Lykanthropen schon harsch zurechtgewiesen, dass die Präsenz von missmutig dreinschauenden Ministerialbeamten ihren jüngeren Schülern Angst mache."
"Ich hoffe, diese Halbriesin lässt mir genug Zeit, mit Hagrid zu klären, ob sein Bruder in Gefahr ist oder nicht", sagte Julius.
Es war für Julius Latierre immer wieder was besonderes, die Schule zu betreten, in der er seine ersten Zaubereilehrstunden erhalten hatte. Ebenso verband ihn mit der amtierenden Schulleiterin, Professor Minerva McGonagall, etwas besonderes. Sie waren weit entfernt miteinander verwandt, und sie hatte sich damals persönlich darum bemüht, dass Julius in Hogwarts eingeschult wurde. Für Julius war das alles so gegenwärtig, als sei es erst gestern passiert. Doch derartige Gefühlsanwandlungen musste er jetzt hintanstellen.
Durch die Fenster des runden Turmzimmers war das ganze Gelände von Hogwarts und auch das nicht all zu weit gelegene Zaubererdorf Hogsmeade zu sehen, in dem der Bahnhof lag, an dem die Schüler jeden ersten September mit dem Hogwarts-Express ankamen. Julius sah auch den verbotenen Wald wie einen braunen und grünen Teppich ausgebreitet daliegen. Er hatte ihn nie betreten, aber von Abenteuern verschiedener Schüler gehört und wusste, dass der Riese Grawp mehrere Jahre dort untergebracht gewesen war. Wegen dem war er jetzt überhaupt hier.
"Ich habe Ihren Bericht über das Zusammentreffen mit jener grünen Hybridin studiert, Mr. Latierre", brach Professor McGonagall das einminütige Schweigen, dass der gegenseitigen Begrüßung gefolgt war. "Hegt Ihr Dienstherr wahrhaftig die Befürchtung, dieses Wesen könnte auf der Suche nach verstreut lebenden Riesen sein?"
"Ja, das tut sie", sagte Julius ruhig. "Anders ist es auch nicht zu erklären, warum sie nach Eroberung des letzten Rückzugsgebietes aller Riesen nicht dort geblieben ist, um ihre Regentschaft auszuüben. Meine Kollegen und meine Vorgesetzte teilen die Vermutung, dass nur eine Aufspürvorrichtung für grüne Waldfrauen sie überhaupt enthüllt hat."
"Natürlich haben wir solche Aufspürvorrichtungen auch. Nach den Übergriffen solcher Waldfrauen war es unumgänglich, die Schülerinnen und Schüler von Hogwarts damit besser vor weiteren Annäherungsversuchen zu bewahren", schnarrte Professor McGonagall. "Aber kommen wir noch einmal auf die Beweggründe, weshalb diese selbsternannte Gurgha nach versprengt lebenden Riesen sucht. Hat Mademoiselle Ventvit diesbezüglich irgendwelche Vorstellungen, oder meine ehemalige Kollegin Maxime?"
"Mit Mademoiselle Maxime habe ich seit dem Auftauchen der Hybridin noch nicht gesprochen oder sie angeschrieben", setzte Julius an. "Ich gehe jedoch davon aus, dass meine Vorgesetzte dies nach meiner Abreise erledigt hat. Hmm, es steht zu vermuten, wohl gemerkt zu vermuten, dass die Hybridin ihre Macht nur dann für vollkommen ansieht, wenn sie wirklich alle Riesen in ihre Gewalt bekommen hat. Wenn sie wirklich die Mitglieder der internationalen Beobachtergruppe gefangengenommen und verhört hat, so weiß sie, dass zwei Riesen die Schlacht von Hogwarts überlebt haben, Grawp und Meglamora. Wenn sie, wie wir nur durch einen Bericht der verbliebenen Beobachterin Nadja Tupulewa wissen, die sonst gegen viele Bezauberungen immunen Riesen unterwerfen kann, so könnte ihr Auftauchen in Frankreich nur bedeuten, dass sie eine Möglichkeit sucht, über den Kanal zu setzen oder zu schwimmen, um Grawp zu unterwerfen. Hat sie ihn sicher, so steht zu befürchten, dass sie nach Frankreich zurückkehrt und nach Meglamora sucht. Monsieur Rocher weiß, dass diese in den Pyrenäen untergebracht wurde, weit genug weg von menschlichen Ansiedlungen."
"Warum hat sie dann nicht zuerst Meglamora aufgesucht?" wollte die Schulleiterin wissen. Auf die Frage konnte Julius eine sichere Antwort geben:
"Wenn ihr Motiv wirklich darin besteht, alle lebenden Riesen unter ihre Kontrolle zu bekommen, so wäre es ziemlich auffällig, wenn zwei Riesinnen versuchen, über den Kanal zu kommen und dann drei Riesen wieder zurück aufs Festland kommen sollen. Sie selbst kann vielleicht allen vormachen, sie gebe es nicht oder sei wer oder was anderes. Aber Grawp und Meglamora würden auffallen. Ist ja auch so gewesen, als Meglamora zu uns kan. Also will sie, vorausgesetzt, unsere Vermutung trifft zu, erst Grawp aufsuchen. Wie sie zu ihm findet und wie sie wieder mit ihm oder ohne ihn über den Kanal nach Frankreich zurückkehrt weiß ich nicht."
"Immer vorausgesetzt, sie will ihn mitnehmen, Monsieur Latierre", grummelte die Schulleiterin. Julius bestätigte das. "Nun, sie könnte, wenn Ihre Vermutung zutreffen sollte, auch damit zufrieden sein, Grawp gefügig zu machen oder einfach auf die Idee kommen, ihn zu töten, weil er weit außerhalb ihres erkämpften Revieres lebt."
"Das ist auch möglich. Dabei würde sie keine Rücksicht auf alle nehmen, die dabei zusehen würden", seufzte Julius.
"Oakshade wusste nur, dass Grawp nach meiner unerbittlichen Intervention im Zaubereiministerium von den Ländereien von Hogwarts fortgebracht wurde. Er wusste nur, dass Professor Hagrid über den Aufenthaltsort informiert ist. Das ist der Grund, warum Sie nun hier bei mir im Büro sitzen, Monsieur." Julius nickte. Dann fragte er, ob Professor Hagrid bereits über diese Gefahr informiert worden sei.
"Da er heute den ganzen Schultag lang unterrichtet konnte ich ihn nicht zu dieser der Schülerschaft unbedingt zu verhüllenden Zusammenkunft hinzubitten. Ich teilte ihm und den übrigen Kollegen lediglich mit, dass die Gefahr bestehe, dass Grawp von Angehörigen seiner Rasse gejagt werden könne und er sich deshalb für ein Gespräch mit Ihnen bereitzufinden habe, um näheres zu erfahren." Julius nickte.
"Wie erwähnt erwarte ich von Ihnen, sowie den Beamten des britischen Zaubereiministeriums, dass die Schülerinnen und Schüler von Hogwarts nicht gefährdet werden. Viele, die das dunkle Jahr miterlebt haben sind immer noch sehr traumatisiert und verbinden mit unserer Schule beängstigende Vorkommnisse. Daher legen Madam Pomfrey und ich sehr großen Wert darauf, den Schulbetrieb möglichst störungs- und Gefahrenfrei zu gewährleisten. Die Angelegenheit mit diesen vier Rachegeistern war diesem Ziel leider nicht so dienlich." Julius wollte schon ansetzen, die Schuld an diesem Vorkommnis weit von sich zu weisen. Doch das besorgte die Lehrerin selbst. "Gut, ich hätte die betreffenden Schüler ja auch früh genug an einen anderen, sicheren Ort verbringen lassen können, um den Angriff dieser Schreckgespenster von uns abzuwenden. Doch damals wollte ich nicht davon ausgehen, dass die erwähnte Gefahr so schnell und so drastisch eintreten könnte."
"Na ja, es ging ja noch einmal gut für Hogwarts, Dank Professor Barley und Mr. Priestley."
"Und Ihnen, junger Mann", ergänzte die Lehrerin, die natürlich wusste, das Julius nur dann mit eigenen Leistungen wucherte, wenn er dazu aufgefordert wurde."Apropos Professor Barley. Wie Professor Hagrid kann sie dieser Unterredung nicht beiwohnen, da sie gegenwärtig unterrichtet und am Nachmittag die ZAG-Klasse der Slytherins zu unterrichten hat. Sie bat mich jedoch sehr darum, Sie zu bitten, sich für eine Unterredung in Hogsmeade zur Verfügung zu halten, wenn die Nachmittagsstunden beendet sind. Vielleicht kann ich Professor Hagrid dazu bringen, dieser Unterredung beizuwohnen. Wo sind Sie derzeitig untergebracht?""
"Ich habe ein Zimmer in den drei Besen bezogen. Die britischen Kollegen haben mir dringend von einer Logie im Eberkopf abgeraten, da der Betreiber dieser Herberge eine sehr freizügige Auffassung von Instand- und Reinhaltung pflegen solle."
"Ja, diese Feststellung stimmt bedauerlicherweise, obwohl der Betreiber nach der Schlacht von Hogwarts viele Touristen beherbergt, die den Ort besuchen wollen, von dem aus die Hilfstruppen für Hogwarts aufbrachen und wohin die nicht in den Kampf gegangenen Schülerinnen und Schüler evakuiert wurden. Dann kann ich Professor Hagrid also mitteilen, dass Sie sich um 16:00 Uhr im Hinterzimmer der drei Besen bereithalten?"
"Wenn da nicht gerade gepokert wird kein Problem", erwiderte Julius mit einem jungenhaften Lächeln.
"Das wäre noch das harmloseste, was in diesem Raum veranstaltet werden kann", fauchte Professor McGonagall. Dann kam sie auf ein anderes Thema.
"Was wissen und was dürfen Sie mir über die Aktivitäten eines selbsternannten Erben von Tom Riddle mitteilen?"
Julius überprüfte im Geist, was von den im französischen Zaubereiministerium erörterten Sachen oberste Geheimhaltungsstufe war, vor allem das, was die Mitglieder des stillen Dienstes besprochen hatten. Dann erwähnte er, was er über die Morde dieses Lord Vengor gehört hatte und dass er auch in den Trümmern des Welthandelszentrums in New York etwas gesucht habe, von dem der Rest der Welt nicht wisse, was es sei.
"Ich muss zu meinem größten Bedauern einräumen, dass die Ansichten Riddles immer noch auf geneigte Ohren und hingebungsvolle Geister treffen. Ich durfte vor zwei Monaten mit dem mittlerweile in einer Besendrechslerwerkstatt in Wales untergekommenen Mr. Draco Malfoy sprechen. Er selbst hat sich offenbar gänzlich von allen Anschauungen distanziert, die er vor fünf Jahren noch guthieß. Doch er erwähnte, dass ehemalige Mitschüler von ihm und Freunde seines Vaters das Scheitern der Todesser nur darauf zurückführen, dass Riddle sich zu sehr auf Hogwarts und Harry Potter festgelegt habe, anstatt das Ziel einer reinblütigen Zauberergesellschaft mit aller ihm gebotenen Macht durchzusetzen. Natürlich traue sich niemand, ihm nachzueifern, zumindest nicht erkennbar. Es könte nur sein, dass jener sogenante Lord Vengor einer von vielen noch unbekannten oder nicht zu läuternden Todessern ist, der die Auffassung hegt, die Fehler seines großen Vorbildes zu vermeiden."
Julius hätte beinahe gesagt, dass Vengor sich längst nicht mehr dafür interessiere, Tom Riddle alias Voldemort als Reinblütigkeitsmessias zu beerben. Doch das gehörte eindeutig in die Schublade, in der auch seine eigenen persönlichen Geheimnisse verschlossen waren.
"In Beauxbatons legen sie viel Wert darauf, die Gräueltaten Riddles im Unterricht zu erwähnen und zu prüfen, ob es Leute gibt, die für diese Taten Sympathie oder Antipathie empfinden", sagte Julius. Professor McGonagall bestätigte, dass Hogwarts ebenfalls darauf bedacht sei, keine möglichen Nachfolger heranzuzüchten. Julius durfte dann mit ihr noch das große Denkmal für die Teilnehmer an der Schlacht von Hogwarts besuchen. Dabei fragte er noch, ob es stimme, dass Olivias Klassenkamerad Adrian Moonriver wirklich schon nach der sechsten Klasse die UTZs abgelegt hatte. Die Schulleiterin fragte ihn, warum ihn das interessiere, und so erwähnte Julius, das Olivia über ihre ältere Schwester Pina bei ihm angefragt hatte, warum er nicht auch nach der sechsten Klasse die Abschlussprüfung gemacht hatte. Professor McGonagall verzog leicht das Gesicht. Dann sagte sie: "Dieser wissens- und befähigungsmäßig seinem Körper weit vorausgeeilte, aber seelisch wohl die Launen der Jugend voll auskostende junge zauberer hat eine Übereinkunft mit seiner Pflegemutter und den Schulräten erstritten, dernach er bereits mit Vollendung der sechsten Klasse die UTZ-Prüfungen ablegen möge, da ihm für das kommende Jahr mehr Anfeindungen seitens seiner Hauskameraden drohen würden wegen des unerlaubten Fernbleibens vom Unterricht und des dito verübten Verlassens des Schulgeländes ohne Hinterlassung einer ansatzweise rechtfertigenden Nachricht. Deshalb haben wir ihn die Prüfungen ablegen lassen und dann ehrenvoll aus Hogwarts verabschiedet." Julius nickte. Also stimmte, was Olivia Watermelon ihm geschrieben hatte.
Er las noch einmal die Namen der in der Schlacht von Hogwarts gefallenen Hexen und Zauberer und bewunderte das Bild einer Vierergruppe. Sie bestand aus einer Hexe und einem Zauberer, die einen Kreis mit einem stämmigen Zentauren mit geschultertem Bogen und einem Hauselfen bildeten. "Amicitia Amorque columnae libertatis sunt.", las er die in den Marmor eingemeißelte Widmung unterhalb dieser Abbildung. "Freundschaft und Liebe sind die Säulen der Freiheit", übersetzte er. Seine frühere Verwandlungslehrerin nickte anerkennend. Er fragte, ob dies Hogwarts' neuer Wahlspruch sei. "Dies nicht, weil wir trotz aller Ereignisse und Neuerungen der letzten Jahrhunderte doch das Fundament der Tradition erhalten möchten. Doch als Leitspruch für alle jenen, die diese Gedenkstätte besuchen ist dieser Spruch bedeutsam", erwiderte Professor McGonagall. Julius nickte ihr zustimmend zu. Danach begab er sich per Flohpulver in den Gastraum der drei Besen, wo er zu Mittag aß.
Um die Zeit bis vier Uhr herumzukriegen besuchte Julius die Läden in Hogsmeade, schickte seiner Frau vom Postamt aus eine Eule mit einer bunten Ansichtskarte "Hogsmeade von oben" und erstand im Besenknecht eine singende, selbstwärmende Kuscheldecke für Säuglinge und Kleinkinder. Dabei lief er Prudence Whitesand über dem Weg, die nun sichtbar an neuem Nachwuchs trug.
"Mike ist jetzt bei Tim Abrahams untergekommen, wo er die Muggelnachrichten überwacht. Der hat auch schon eine Silberscheibe von deiner Mutter bekommen. Jedenfalls bekommt er jetzt sechzig Prozent mehr als vorher", sagte Prudence.
"Wisst ihr schon, was es wird?" fragte Julius.
"Ich weiß es, Madam Newport weiß es, aber Mike will es nicht wissen", sagte sie leise. Julius nahm diese Antwort so hin, dass sie es nicht mal soeben erzählen wollte.
"Grüß deine Frau bitte von mir und sage ihr, ich hätte mich auch nicht abschrecken lassen, noch mal Mutter zu werden."
"Mache ich", sagte Julius.
Um vier Uhr nachmittags sicherte Madam Rosmerta, die Wirtin der drei Besen, dass niemand im Hinterzimmer der berühmten Schenke war. Gemäß Hausordnung durften dort nur volljährige Hexen und Zauberer hinein. Als erst die rothaarige Verteidigungslehrerin Megan Barley und dann der drei meter große und bald fünf erwachsene Männer breite Zaubertierlehrer Rubeus Hagrid eintrafen hatte Julius gerade eine Partie Kopfschach mit einem gemalten Zauberer mit schwarzem Vollbart begonnen.
"Professor McGonagall hat gesagt, dass wer hinter meinem Bruder her ist", begann Hagrid mit dröhnender Stimme. Julius nickte heftig und deutete um sich herum.
"Das Zimmer ist ein Dauerklangkerker, Monsieur Latierre", sagte Professor Barley mit einem schelmischen Lächeln. "Soll ja schließlich keiner mitbekommen, was hier so alles stattfindet", fügte sie noch hinzu. Julius nickte. Dann berichtete er den beiden Hogwarts-Lehrern, was er erlebt und mit seinen Kollegen in Paris und London besprochen hatte. Hagrid fragte mit gewissem Unbehagen, ob diese Riesenfrau Grawp umbringen wolle. Julius überlegte, ob er eine Antwort auf diese Frage verweigern konnte. Doch dann fasste er sich ein Herz und sagte:
"Das kann durchaus sein, dass sie das will. Vielleicht will sie ihn auch als Geliebten für sich haben oder ihn dazu treiben, gegen andere Menschen zu kämpfen, damit die ihn umbringen. Wir wissen nur, dass sie in Frankreich war,obwohl die letzten Riesen im Uralgebirge wohnen. Da meine Kollegen sie da nicht mehr gefunden haben, nachdem wir uns zurückziehen mussten könnte sie versuchen, irgendwie übers Meer zu kommen, schwimmen, oder mit einem gekaperten Boot oder Schiff oder sowas. Mr. Abrahams und Madame Grandchapeau haben ihre Kollegen angewiesen, besonders auf Sachen zu achten, die in Hafenstädten oder Fischerdörfern passieren."
"Wenn sie nur weiß, dass Hagrid weiß, wo er seinen Halbbruder untergebracht hat könnte sie herkommen", seufzte Megan Barley. Die ausführliche Erwähnung aller ausgeführten Zauber ohne Zauberstab hatten der Expertin für bösartige Magie sichtlich zu denken gegeben.
"Ich sag der nicht wo Grawp ist. Die soll den nicht umbringen", gröhlte Hagrid wildentschlossen. Julius verdrängte den Reflex, sich die schmerzenden Ohren zuzuhalten.
"Rubeus, die hat gestandene Vollriesen unterworfen, die noch mehr gegen Bezauberungen immun sind. Die kann über ihre Stimme in die Köpfe ihrer Opfer eindringen", zischte Megan Barley.
"Dann haue ich der eben voll auf den Mund, damit die nicht singt", dröhnte Hagrid. "Ich sag der nicht wo Grawpy ist. Die soll den nicht umbringen."
"Dann müssen wir sie vielleicht töten", sagte Professor Barley. Julius hatte diesen Gedanken auch schon gedacht. Doch diese Möglichkeit gefiel ihm nicht. Auch wenn er gegen diese Halbriesin ziemlich alt ausgesehen hatte missfiel es ihm, denkende Lebewesen nur deshalb umzubringen, weil sie anders oder stärker als er waren. Wer denken konnte konnte auch verhandeln, so hoffte er. So sagte er:
"Vielleicht haben wir aber eine Chance, klarzustellen, dass kein Riese der Welt mehr für andere Menschen gefährlich wird und Grawp deshalb vor keinem mehr Angst haben muss, der ihn deshalb umbringen will, weil er ein Riese ist."
"Haben Ihnen ddiese ominösen Kinder Ashtarias diese Grundhaltung beigebracht, in jedem nur das gute sehen zu wollen?" fragte Megan Barley sichtlich ungehalten klingend.
"Nichts für ungut, Professor Barley, aber alleine dass ich für die Verwandten meiner Eltern ein Mutant oder Monster gewesen wäre, wenn ich nicht nach Hogwarts gekommen wäre und nur Vernunft mein Leben geschützt hat sagt mir das, dass wir erst einmal zusehen sollen, mit einem denk- und handlungsfähigen Wesen zu reden, anstatt es gleich umzubringen, sofern wir das können."
"Hagrid sollte Urlaub nehmen und im Hochland weit über der Baumgrenze wohnen", sagte Megan Barley. Doch Hagrid schüttelte so heftig den Kopf, dass das wilde, schwarze struwelhar weit hin und her flog.
"Ich geh nicht mehr in Deckung, Megan. Hogwarts ist meine Heimat. Die Umbridge konnte mich nicht da wegjagen, die Todesser nicht und auch kein Zaubereiministerium. Wenn die kommt fange ich sie ein und fessel die. Dann können die vom Ministerium die zu den anderen Riesen zurückbringen."
"So, Sie würden sie also nicht töten?" fragte Megan Barley.
"Nicht wenn ich die niederschlagen und fesseln kann", sagte Hagrid. "Aber wenn die meinem Bruder was will bring ich die um."
"Sie hätte sicher kein Problem damit, über Ihre Leiche zu Ihrem Bruder zu gelangen", stellte Professor Barley fest.
"Die muss die dann erst mal hinkriegen", knurrte Hagrid. Julius, der fürchtete, dass ihm die Gesprächsführung endgültig aus den Händen gleiten würde räusperte sich und sagte:
"Wenn Sie es schaffen, sie davon abzubringen, andere Menschen zu gefährden, Professor Hagrid, denke ich schon, dass das britische und das französische Zaubereiministerium jedem Vorschlag zuhören, den Sie machen. Vielleicht geht es auch, sie in ihre Heimat zurückzuschicken, nicht da, wo die letzten Riesen wohnen."
"Julius, wenn sie an ihren Geburtsort zurückgebracht wird könnten die von ihr unterworfenen Riesen irgendwann aus dem Bann erwachen. Die Wut darüber, derartig überwältigt worden zu sein, könnte sie zu einem ungehemmten Rachefeldzug gegen alles und jeden antreiben, der mit ihr zu tun bekommen hat."
"Hmm, vielleicht drängt sie deshalb auch darauf, möglichst schnell wieder nach Hause zu kommen", griff Julius diesen Gedanken auf. "Vielleicht weiß sie, wielange die anderen Riesen ihr unterworfen bleiben. Um sicherzustellen, dass die ihr nicht wieder entwischen könnte sie es sehr eilig haben, wieder zurückzukehren. Das wiederum ließe Spielraum für eine Hinhaltetaktik, um sie verhandlungsbereit zu stimmen.""
"Nichts für ungut, Monsieur Latierre, aber Sie schrammen gerade haarscharf an einer Neubewertung Ihrer Auffassungs- und Vorausschauungsgabe entlang", erwiderte Megan Barley. "Wenn wir wie auch immer versuchen, sie an einem Ort zu halten, und sie muss wirklich schnell wieder zu den anderen zurück, um ihren magischen Zwang aufrechtzuerhalten, dann wird sie sofort mit brutaler Gewalt und Terror zuschlagen, auch wenn sie sehr intelligent ist. Es ist auch vorstellbar, dass sie ihre Möglichkeiten nutzt, um Terror auf andere Menschen auszuüben. Sie erwähnten von ihr unterjochte Vogelschwärme. Denen konnten Sie sich am Ende nur durch die Flucht entziehen. Wir wissen nicht, welche Tierarten sie sonst noch beeinflussen kann. Aber selbst zu wilden Angriffen aufgehetzte Vögel reichen schon aus, um eine Stadt wie London in Angst und Schrecken zu versetzen. Mein Vater erzählte mir mal von einem Film, der ein solches Szenario schildert."
"Stimmt, "Die Vögel" von Hitchcock", grummelte Julius. Selbst gesehen hatte er den Film nicht. Er hatte aber davon gehört, dass es darin um gegen die Menschen aufbegehrende Vogelschwärme ging. Ja, sowas könnte die grüne Gurgha wirklich machen. Er war froh, dass noch Winter war und sie nicht miterleben mussten, ob dieses grüne Ungetüm auch Insekten gegen Menschen aufhetzen konnte. Der Gedanke allein brachte ihn schon an den Rand der Panik.
"Also besser keine Hinhaltetaktik. Dann sollten wir vielleicht herauskriegen, was sie wirklich mit Grawp vorhat", sagte Julius nach zehn Sekunden betroffenen Schweigens.
"Die hat mit dem nichts vorzuhaben. Entweder geht die wieder nach Hause oder wird gefangengenommen oder totgeflucht", sagte Hagrid.
"Ach ja, das sagt einer, der vor zwei Tagen groß vor der Tierwesenbehörde behauptet hat, dass Acromantulas verkannte Geschöpfe seien und man doch ganz friedlich mit denen leben könne", stichelte Megan Barley.
"Stimmt doch auch. Mit Mosak und ihren Kindern komme ich gut klar. Ich kann die doch auch im Unterricht drannehmen."
"Ja, aber nur für Abschlussklässler, die zum Unterricht Flugbesen mitbringen dürfen, hat Professor McGonagall klar festgelegt."
"Wenn man die immer gut füttert tun die keinem Menschen was", sagte Hagrid.
"Ja, aber die grüne Riesin, die mehr Intelligenz hat als Ihre großen Krabbeltiere, soll sterben, weil die vielleicht nur mit ihrem kleinen Bruder sprechen will, Rubeus", feixte Professor Barley.
"Der Vorschlag, dass Sie, um die Schüler in Hogwarts nicht zu gefährden besser in eine baumarme Gegend umziehen und unbefristeten Urlaub nehmen ist nicht so schlecht. Wenn diese grüne Lady herkommt können wir ihr sagen, wo sie sind und absichern, dass Ihnen nichts passiert", erwiderte Julius. Hagrid schüttelte wieder den Kopf.
"Ich bleib in Hogwarts!" gröhlte er unumstößlich.
"Sturheit ist eben doch proportional zur Schädelgröße", seufzte Professor Barley.
"Ey, bei allem Respekt, Megan. Aber ich lass mich nicht für'n sturen Erumpent anreden", blaffte Hagrid. Julius witterte einen aufkommenden streit zwischen den zwei Kollegen und sagte sofort:
"Sie dürfen in Hogwarts bleiben, wenn Professor McGonagall das erlaubt. Weder Professor Barley noch ich können Ihnen etwas anderes vorschreiben, weil ich eben nur Gast aus Frankreich bin und keine Weisungsbefugnis aus London erhalten habe."
"Das wäre ja auch noch schöner", blaffte Hagrid. Doch Megan Barley grinste mädchenhaft.
"Gesetzt den Fall, Sie seien Professor Hagrid oder mir gegenüber Weisungsbefugt, wie würde Ihre Anweisung lauten, Monsieur Latierre?"
"Dass das Leben der in Hogwarts lebenden und lernenden Schüler unter allen Umständen zu schützen ist. Um zu verhindern, dass die Gurgha Geiseln unter den Schülern nimmt, um Sie, Professor Hagrid, zu zwingen, sie zu Grawp zu führen, wäre es für die ganzen Schüler schon besser, sie zögen für einige Wochen in eine waldlose Gegend. Wo keine Bäume sind fehlt ihr eine Kraftquelle."
"Genau das ist es nämlich, Rubeus. Um Hogwarts herum stehen noch zu viele Bäume, aus denen sie nach belieben Lebenskraft und Ausdauer saugen kann. Geht das vielleicht in Ihren übergroßen Schädel hinein? griff Professor Barley Julius' bemerkung auf. "
"Ich will das von Professor McGonagall selbst hören, dass ich nicht in Hogwarts bleiben soll, bis dieses grüne Weib gefunden und weggeschafft wurde", brummte Hagrid.
Jemand klopfte laut an die Tür. Da das Hinterzimmer ein Dauerklangkerker war musste schon jemand die Tür öffnen, um dem draußen stehenden zu sagen, ob er reinkommen oder draußenbleiben sollte. Julius machte die Tür auf. Davor stand eine junge Hexe im taubenblauen Umhang mit einer strohblonden Mähne, die auf Nackenhöhe von einer dünnen Silberspange zusammengehalten wurde. Ihre wasserblauen Augen blickten aufgeregt und dann erfreut zu Julius hinauf.
"Jul..., ähm, Monsieur Latierre, mein Vorgesetzter, Mr. Tim Abrahams, erbittet ihr unverzügliches Erscheinen in seinem Büro. Näheres möchte er Ihnen selbst mitteilen", machte die junge Hexe Meldung. Julius nickte ihr zu und antwortete:
"In Ordnung, Ms. Watermelon. Meine hiesige Unterredung ist bereits beendet, so dass ich der von Ihnen zugestellten Bitte unverzüglich Folge leisten kann." Er wandte sich noch einmal an die beiden Hogwarts-Lehrer. "Es könnte sein, dass der Grund für meine Einbestellung ins Ministerium mit dem Fall zu tun hat, den wir besprochen haben. Bitte klären Sie es mit der Schulleiterin ab, wie sie in der Sache entscheiden möchte!" Dann wandte er sich wieder seiner Schulfreundin aus Hogwarts-Tagen zu und begleitete sie wortlos in den gut gefüllten und stark verräucherten Schankraum der drei Besen. Eine Minute später verschwand er nach Ausruf des Ziels "Zaubereiministerium!" in einem smaragdgrünen Flammenwirbel.
"Sie können dann Feierabend machen, Ms. Watermelon", begrüßte Tim Abrahams seine Mitarbeiterin, als diese Julius Latierre in sein Büro geleitet hatte. Pina sah ihren Vorgesetzten etwas verdrossen an, nickte dann aber und verabschiedete sich von ihm und Julius.
Madame Grandchapeau hat mir heute diesen Packen Papier und ein Begleitschreiben zugeschickt. Der Brief ist in korrektem Amtsenglisch, die Computerausdrucke sind leider französisch. Ich tue mich mit der Sprache immer noch schwer."
"Dann hätten Sie die Sachen Ms. Watermelon zu lesen geben können. Oder durften Sie dies nicht?" erwiderte Julius, als Tim ihm den geöffneten Umschlag hinhielt.
"Laut Begleitschreiben beträfe es nur Sie als derzeitigen Abgesandten des französischen Zaubereiministeriums sowie mich und die mir zugänglichen Kontakte zu den Streitkräften und Ordnungsbehörden Großbritanniens. Ich vertraue Ms. Watermelon sehr und hätte ihr die zugeschickten Dokumente sicher zu lesen und zu übersetzen vorgelegt. Doch Madame Grandchapeaus Anschreiben zitierte einen Artikel im Konföderationsabkommen, dass sie das Recht habe, die zu informierenden Personen einzugrenzen und vorzubestimmen. Ms. Watermelon stand leider nicht auf der Liste, da sie nicht für mich mit Polizei und Militär kommuniziert."
"Wie auch immer", grummelte Julius, der verstand, warum Pina sich derartig ausgegrenzt fühlen musste. Er zog das Pergamentstück und mehrere lose Computerausdrucke aus dem Umschlag. Er las, dass er ausdrücklich über den mit den Dokumenten verbundenen Vorfall zu unterrichten sei.
Es ging dabei um einen riesigen Schwarm Seevögel, der sich über dem Hafen von Cherbourgh in Nordfrankreich konzentriert hatte, sowie um das unvermittelte Verschwinden eines Hochseefischereibootes, das von einem Moment auf den anderen nicht mehr mit Radargeräten erfasst werden konnte, als habe jemand ein Radarstrahlen-Abschirmfeld darum herum errichtet. Die Ausdrucke gaben Messprotokolle, technische Daten über das Schiff und Lebensläufe der fünfköpfigen Besatzung wieder. Außerdem hatte das französische Zaubereiministerium eine Vorher-nachher-Abfassung erstellt, also was vor einer für unbedingt auszuführenden Erinnerungs- und Aufzeichnungskorrektur bekannt und dokumentiert war und wie die Daten nach dem Eingriff der Damen Grandchapeau abgespeichert und archiviert worden waren.
"Madame Grandchapeau und ihre Tochter Belle haben das selbst erledigt, weil sie die einzigen in Frankreich sind, die sowohl Gedächtniszauber ausführen können als auch über die nötigen Computerkenntnisse verfügen, um Daten umzufrisieren", bemerkte Julius, nachdem er Tim die Dokumente so weit er konnte wortwörtlich ins Englische übersetzt hatte. "Mit dem Vogelschwarm hat es angefangen. Einer der Zeugen erwähnt hier auch Eindrücke, als sei der Film "Die Vögel" von Alfred Hitchcock wirklichkeit geworden. Interessanterweise hatten Professor Barley und ich es von dem Film gerade vor einer halben Stunde noch. "Öhm, Madame Grandchapeau legt dringend nahe, dass die Kontakte bei den staatlichen und privaten Seeüberwachungsorganisationen darauf hinwirken sollen, die Sichtung übergroßer Vogelschwärme oder des gesuchten Schiffes namens "Janine Jolie" zu ignorieren. In Cherbourgh denken sie, das Schiff sei auf die angekündigte zweiwöchige Fangfahrt in den Atlantik aufgebrochen. Madame Grandchapeau hat ja auch geschrieben, dass sie heilfroh ist, dass ihre Behörde über Mitarbeiter verfügt, die sich mit moderner Datenerfassungstechnik der magielosen Welt zurechtfände.
"Ja, wir haben auch mehrere Leute in Sonderschulungen geschickt, die mit Hilfe von Gedächtnisverstärkungstränken die betreffenden Bücher und Arbeitstechniken auswendiggelernt haben. Die Wichtigkeit des Internets drängt uns das ja förmlich auf, genau dort aufzupassen, wo unsere Geheimhaltung am ehesten ausgehebelt werden kann. Ich werde das entsprechend veranlassen, dass weder die Navy, noch die Seenotrettungsorganisationen, noch Zoll oder Wetterüberwachungsbehörden zu sehr an einem über das Meer ziehenden Schwarm von Seevögeln interessiert sind. Zur Begründung brauche ich aber noch einmal Ihre verbindliche Aussage, dass diese grüne Halbriesin wildlebende Vögel in Massen beeinflussen und gegen deren natürliche Verhaltensweisen zum Angriff auf ihre Gegner aufhetzen kann." Julius erwähnte noch einmal für eine Flotte-Schreibe-Feder, was er erlebt hatte. Da er sich denken konnte, warum Tim das von ihm wissen wollte ergänzte er: "Die Vögel werden, einmal gegen einen Feind Nals zum Angriff getrieben, keinen Unterschied zwischen einem Gegner am Boden, auf einem fliegenden Besen oder in einer magielosen Flugmaschine machen. Gerade Flugzeuge und Hubschrauber könnten durch gezielt herbeigeführte Kollisionen zum Absturz gebracht werden. Vogelschlag, wie es in der Luftfahrt heißt, wenn ein Vogel in die Antriebsvorrichtungen von Flugzeugen oder Hubschraubern hineingerät, hat schon zu solchen Abstürzen geführt."
"Genau die Einschätzung habe ich befürchtet", grummelte Tim, als er die Niederschrift gelesen hatte. "So gebe ich das jetzt an meine Leute bei der Navy, der Zollbehörde und den anderen für das Meer zuständigen Behörden und Organisationen weiter. Allerdings sollten wir schon herausbekommen, welchen Weg die selbsternannte Gurgha nimmt."
"Sie ist nicht selbsternannt, Mr. Abrahams. Soweit wir von unseren russischen Kollegen gnädigerweise mitbekommen haben hat sie sich diesen Rang im üblichen Entmachtungszweikampf erstritten. Sie ist halt die erste, die diesen Rang erobert hat, vergleichbar mit Maggy Thatcher in unserem gemeinsamen Geburtsland."
"Ja toll, die mit Galtieri Schiffeversenken im Südatlantik spielen musste", knurrte Tim.
"Wollen wir hoffen, dass die grüne Gurgha das nicht auch gerne spielt und Flugzeugeabschießen noch mit in ihre Freizeitbeschäftigung einbaut."
"Wie erwähnt, wir sollten schon klären, wo sie hin will", erwiderte Tim, obwohl er ja schon sicher war, welches Ziel die neue Gegnerin hatte. Julius sagte:
"Können wir Satelliten oder Drohnen zur Überwachung nehmen, beziehungsweise deren Beobachtungsergebnisse für uns abzweigen?"
"Das ist gerade mein Dilemma. Einerseits will ich die Navy davon abbringen, sich für einen gewaltigen Vogelschwarm zu interessieren. Andererseits haben nur die und die Luftwaffe oder die Geheimdienste Zugriff auf diese Ausspähgeräte. Hmm, aber die brauchen wir nicht. Ich habe die Unterlagen zu etwas, dass ein durch überzogene Auslegung seines Auftrages im Dienst verstorbener Kollege gebaut und eingesetzt hat. Ich konnte den Prototypen bergen und bin mit der Bedienungsweise vertraut. Ich übernehme das in eigener Person, diesen Vogelschwarm zu finden."
"Da wir ja alle davon ausgehen, dass Nal zu Grawp will sollten wir vor allem die nächstgelegenen Küstenregionen überwachen, wo er jetzt untergebracht ist. Ähm, Ihr Kollege Diggory und Professor Hagrid hielten es nicht für nötig, mir zu sagen, wo Grawp ist. Ich hoffe, Sie erhalten die entsprechende Information von Mr. Diggory. Ob Sie sie mir mitteilen oder nicht will und muss ich Ihnen überlassen."
"Dann werde ich gleich noch einmal mit dem Kollegen Diggory sprechen. Er wollte mir da nämlich auch nichts zu sagen, obwohl ich darauf gedrängt habe, Grawps neuen Wohnort vor arglosen Muggeln abzusichern. Er meinte, dass Grawps Aufenthaltsort s9 seiner Abteilung sei und nur die unmittelbar damit befassten Beamten und Professor Hagrid darüber informiert werden dürften."
"Ich mag solche Psychokeulen nicht, weil ich sowas selbst nicht erleben will, Mr. Abrahams, aber da Sie wie ich Familienvater sind könnten Sie Ihrem ranggleichen Kollegen vielleicht nahelegen, dass auch andere Väter ihre Söhne und Töchter verlieren könnten, wenn diese ganz aus versehen da hingeraten, wo Grawp wohnt und der ohne Hagrid die gleichen Berserkeranwandlungen hat wie die meisten anderen Riesen."
"In der Tat, das ist eine ziemlich üble Begründung, aber leider auch eine unbedingt ernstzunehmende. Ich habe mich bisher nicht getraut, jemandem damit zu kommen. Aber ich fürchte, ich werde dem guten Amos damit zuwinken müssen."
"Auch wenn er Ihnen danach keine Weihnachtskarte mehr schickt?" fragte Julius.
"Damit kann, will und muss ich dann eben leben", grinste Tim Abrahams.
"Am besten fahren wir zweigleisig, wie es bei den Muggeln heißt. Sie begeben sich noch einmal nach Hogwarts und klären mit Hagrid, ob er Ihnen sagt, wo Grawp jetzt wohnt."
"Der hat gesagt, er macht nur das, was Professor McGonagall ihm sagt", erwiderte Julius.
"Ja, und die würde nur auf ministerielle Vorschläge und keine Anweisungen hin handeln, sofern ihr die Vorschläge einleuchten", grummelte Tim Abrahams. "Gut, ich erledige erst das mit dem Kollegen Diggory. Öhm, ich muss das fragen - legen Sie wert darauf, dass Sie mich auf diese heftige Begründung für mein Informationsbedürfnis gebracht haben?"
"Nein, da lege ich keinen Wert drauf, zumal Sie sich damit ja selbst abwerten würden, wenn Sie auf Anregungen jüngerer Besucher aus dem Ausland angewiesen wären. Ich werde ja schon komisch von den alten Patriarchen im Ministerium angeguckt, wenn ich erwähne, dass ich mich wegen meiner Freizeitgestaltung mit meiner Frau berate. Nur die, die in meinem Alter sind sehen das ein, dass Sachen, die auch den Ehepartner betreffen mit diesem abgestimmt werden sollen."
"Gut, dann kann ich Sie erst einmal nur darum bitten, Im Warteraum für Besucher auf das Ergebnis meiner Unterredung zu warten." Julius nickte und ließ sich erzählen, wo dieser Warteraum lag.
Als er in einem großen Saal mit Teppichboden, wandhohen Vorhängen vor den Fenstern und vielen goldgerahmten Zaubererbildern mit Porträts von früheren Zaubereiministern und -ministerinnen an einem von zwanzig weißgedeckten Tischen saß und zur Überbrückung der Wartezeit noch einmal über Riesen und Sabberhexen nachlas, was er so darüber lesen konnte, fühlte er einen Schauer von Unbehagen aber auch Freude. So ähnlich hatte es sich damals angefühlt, als Millie meinte, Aurore noch in den Osterferien zur Welt bringen zu müssen. Er mentiloquierte unverzüglich, ob es Millie gut ginge.
"Uns geht's noch gut. Nur gerade meinte ich, dass Chrysope schon heute kommen wollte. War ziemlich heftig. Aber ist jetzt schon wieder vorbei. Bin nur ziemlich erschöpft. Tante Trice ist bei mir. Wenn es wirklich losgehen sollte geht Rorie zu Oma Line ins Château", schickte seine Frau ihm über die große Entfernung zwischen Millemerveilles und London in seinen Geist. Durch das gemeinsame Trinken von Temmies Milch aus dem Pokal der Verbindung hatten die beiden eine weitere körperlich-seelische Verbindung errichtet. Er hätte Millie auch vom Mond oder gar Mars aus anmentiloquieren können, glaubte er. Das wäre dann interessant geworden, ob Gedanken langsamer oder schneller als das Licht durch den Raum geschickt werden konnten.
"Ich wäre zu gerne bei dir, wenn es wirklich losgeht, Mamille", gedankenbeteuerte Julius.
"Weiß ich und weiß auch unsere zweite Tochter. Außerdem sind sie und ich noch nicht im üblichen Zeitfenster. Ich glaube auchnicht, dass die von ihrer kleinen Behausung schon genug hat. Aber hat schon ziemlich heftig unten geziept", schickte Millie zurück. Julius, wo er schon mal auf dieser von anderen nicht mitzuverfolgenden Ebene mit seiner Frau sprach, erwähnte, was er miterlebt und gehört hatte."Wie erwähnt, Monju, lass dich bloß nicht von dieser grünen Riesenfrau einverleiben, bevor Chrysopes Enkel geboren sind."
"Das ist aber ein ziemlich langer Zeitraum, wo ich aufpassen muss", schickte Julius zurück. Millie gedankenantwortete darauf nur: "Zumindest weißt du jetzt, dass du wieder nach Hause kommen sollst."
"Darauf freue ich mich auch schon", erwiderte Julius.
Die Tür zum Warteraum ging auf, und eine rothaarige Hexe im dunkelgrünen Kleid betrat den Raum. Es war Galatea Barley, Tims Ehefrau und Professor Barleys jüngere Schwester.
"Ach, hat mein Gatte dich auch in den Wartesaal abkommandiert?" fragte Galatea mit mädchenhaftem Grinsen. Julius nickte. Seit der Hochzeit seiner Mutter mit Lucky duzten die Barleys und Latierres sich, wenn es nicht gerade um dienstliches ging.
"Er hängt gerade mit Amos Diggory zusammen. Der gute Amos sieht sehr angepiekst aus, als habe ihm jemand heute den Tag gründlich verdorben."
"Oha, dann hoffe ich mal, dass ich nicht der Grund für seine schlechte Laune bin", erwiderte Julius scheinheilig. Galatea hörte es ihm aber an, dass er es wohl nicht so ehrlich meinte und grinste breit. Dann sagte sie:
"Weshalb du auch immer mal wieder zu uns über den Kanal geschickt worden bist, Julius, solange mein Mann nicht deshalb die Geburt unseres dritten Kindes versäumen muss will ich es nicht wissen."
"Öhm, das dritte. Wann?" fragte Julius auf einmal sehr interessiert.
"Wenn meine Schwester und Hebamme das richtig ausgerechnet hat zwischen dem zwanzigsten Juli und dritten August in diesem Jahr", erwiderte Galatea und strich sich sanft über den noch nicht ausgeprägten Bauch. Julius freute sich ehrlich. Galatea wollte dann wissen, ob es bei dem vorherberechneten Termin für sein zweites Kind bliebe. Er erwähnte, dass sein zweites Kind entweder Ende Januar oder Anfang Februar ankommen würde, möglicherweise am zweiten Februar.
"Oh, ein Hexenfeiertag zur Begrüßung der wachsenden Sonnenstunden", begann Galatea eine Unterhaltung über für die Zaubererwelt wichtige Feiertage. Außerdem zeigten sich die beiden Zaubererweltfotos ihrer bereits geborenen Kinder. Julius sah auch die kleine Arianrhod, die Galateas Mutter von einer irgendwo in der Welt lebenden Großnichte in Pflege genommen hatte. Dabei fiel ihm auf, wie aufgeweckt, ja kundig das kleine Mädchen bereits auf die im Bild zu sehenden Bücher guckte.
"Ari blättert in allem, was zwischen zwei Buchdeckeln zusammengebunden ist", lachte Galatea. "Wenn die mit drei Jahren schon lesen und schreiben lernt würde mich das nicht wundern."
"Solange sie mit fünf Jahren nicht schon Mutter wird", erwiderte Julius derb. Galatea lachte darüber nur.
Als Tim dann mit einem sichtlich verärgert dreinschauenden Amos Diggory in den Warteraum eintrat verstummte die gemütliche Plauderei über die eigenen Familien. Amos sah Julius an und hielt ihm einen Packen Pergamentblätter entgegen:
"Mein werter Kollege", setzte er harsch klingend an, "hat doch allen Ernstes zu erwähnen gewagt, dass ich Schuld am Tod unschuldiger Muggelkinder sein würde, wenn ich auf die Einhaltung der Geheimhaltungsstufe beharren würde, unter der der festgelegte Aufenthaltsort des nach Großbritannien eingeführten Riesens Grawp eingestuft wurde. Leider kann ich diese Begründung nicht gänzlich in den Wind schlagen. Daher ergeht meinerseits der Auftrag an Sie, in Hogwarts mit Hagrid zu erörtern, wie Grawps Wohnort zum einen vor der zu erwartenden Heimsuchung durch die erwähnte grüne Dame zu schützen sei, als auch Muggelabwehrmaßnahmen zu ergreifen, um Grawps Wohnort entsprechend abzusichern. Ich weise Sie aber wie meinen Kollegen darauf hin, dass ich diese Art von Argumentation nicht unbeantwortet hinnehme. Da Sie nichts für die Unverfrorenheit meines Kollegen können, jedoch indirekt von dessen Handlungsweise profitieren, lege ich Ihnen sehr eindringlich nahe, mich oder sonst jemanden, von dem Sie wissen, dass er oder sie auch nach Jahren noch über den Verlust eines geliebten und wichtigen Menschen trauert, nie mit der Androhung konfrontieren, ihm oder ihr die Schuld daran zuzuweisen, wenn andernorts Menschen über den Verlust ihnen wichtiger und geliebter Menschen trauern müssen. Ich hoffe, dass Sie darauf mehr Rücksicht nehmen als mein Kollege."
"Nichts für ungut, Mr. Diggory", setzte Julius an und deutete auf Mrs. Abrahams. "Aber wenn Ihnen die Einstufung von Fällen oder Ortschaften wichtig ist sollten wir derlei nicht vor Unbeteiligten besprechen." Galatea nickte heftig.
"Das war auch das einzige, was ich Ihnen persönlich zu sagen hatte, Monsieur Latierre. Den Rest entnehmen Sie diesen Schreiben. Ich erbitte schnellstmögliche Ausführung des daraus hervorgehenden Auftrages!"
"Aye aye, Sir", erwiderte Julius. Diggory knirschte mit den Zähnen und grummelte: "Jetzt kommen Sie mir bloß nicht auch auf diese Muggelmilitärtour!" Dann wandte er sich ohne weiteren Gruß ab, ignorierte sogar, dass Galatea ihm noch einen schönen Abend wünschte und verließ den Wartesaal.
"Huh, hast du dem guten Amos auf die Nase genagelt, dass er am Tod vieler unschuldiger Kinder schuld sein könnte, wenn er dir nicht erzählt, was du wissen möchtest?" fragte Galatea schadenfroh.
"Jawoll, mit einem zwei Tonnen schweren Holzhammer auf die Nase und an die stirn", erwiderte Tim. "Aber gegen einen Panzer bringt's eben nur eine Panzerfaust", ergänzte er. Dann deutete er auf die an Julius ausgehändigten Papiere. "Da steht alles drin, was Sie und ich wissen müssen, Monsieur Latierre. Außerdem ist da auch schon ein Marschbefehl, eine Auftragserweiterungsbestätigung mit dafür vorgesehenen Ortsangaben. Wenn Sie diesen Auftrag ausgeführt haben reichen Sie bitte Ihren schriftlichen Bericht sowohl bei dem Kollegen Diggory als auch bei mir ein. Ich denke, dass auch meine französische Kollegin Grandchapeau Ihren Bericht zu lesen wünscht. Aber das darf sie dann gerne mit Ihrer direkten Vorgesetzten aushandeln." Julius nickte und überflog die Pergamente. Dann verabschiedete er sich von Galatea und wünschte ihrer Familie noch eine schöne und ruhige Zeit, bis der dritte kleine Abrahams ankam. Tim grinste darüber.
Nal verabscheute es zwar, in diesem für sie zu engen, nach totem Fisch stinkenden Laderaum zu hocken. Das erinnerte sie zu sehr an ihre letzten Eindrücke in Salannas Leib und daran, dass sie selbst früher Salanna gewesen war. Doch im Moment ging es nicht anders. Die fünf Kleinlinge da oben waren ihr ohne Widerstand verfallen. Ihre Stimme hatte ausgereicht, sie für sie empfänglich zu machen. Mit ihrer Tränenflüssigkeit hatte sie die fünf endgültig in ihren Bann geschlagen. Über der "Janine Jolie", die mit äußerster Kraft voraus durch ein aufgewühltes Meer stampfte, zogen tausende von Möwen und andere Seevögel ihre Bahn. Wer diesen von ihr gelenkten Schwarm sah hätte gestaunt, eine gewaltige Glocke aus acht Schichten zu sehen, die sich ruhig aber eng formiert über dem Schiff hielt. Die von ihr beeinflusten Tiere gaben keinen Laut von sich, bis zwei als Kundschafter vorausgeeilte Möwen laut schrien. Nal stimmte sich auf die Sinne dieser beiden Kundschafter ein. Da hörte sie das ferne Wummern eines Flugapparates, wie sie ihn auf ihrer Wanderung zu Utgardir schon einige Male am Himmel gesehen hatte. Es war jenes Ding, das mit sich wild drehenden Flügeln über dem Rücken durch die Luft flog. Wenn die Kleinlinge, die in dieser lauten, nach verbranntem Petroleumzeug stinkenden Vorrichtung fliegen konnten sahen, wo sie gerade war würden die das wohl irgendwem erzählen. Das durfte sie nicht zulassen. So befahl sie unhörbar, dass hundert Vögel aus der sie überspannenden lebenden Glocke ausbrachen und das Fluggerät zum Absturz brachten.
Nal verfolgte mit, wie die von ihr losgeschickten Möwen, Kormorane und Seeschwalben den durch die Luft knatternden Flugapparat anflogen. Sie konnte durch die Augen einer Möwe sehen, dass drei Männer in diesem lauten Fluggerät steckten. Wer das war und was sie wollten war für Nal erst einmal unwichtig. Wichtig war, dass dieser lärmige Apparat vom Himmel heruntermusste.
Ihre gefiderte Streitmacht griff an. Der Luftwirbel, der die Maschine umgab störte die wendigen Vögel nur einen Moment lang. Sie steuerten von Nals Befehlen vorangepeitscht in diesen Wirbel hinein, umschwirrten die Maschine oder flogen frontal auf sie zu. Als Nal dann erkannte, dass der Schwachpunkt der lärmigen Vorrichtung die sich wild drehenden Flügel auf dem Rücken waren befahl sie zwanzig Möwen, sich in die wie ein flirrender Schemen aussehenden Flügel zu stürzen. Wenn es gelang, sie anzuhalten stürzte dieses Gerät ab.
Mit einem langen Aufschrei stießn die zwanzig zum Tode verurteilten Möwen nieder und gerieten mit voller Wucht in den rasenden Wirbel der Luftschraube. Nal fühlte den Schock des plötzlichen Todes zwar, nahm ihn aber als zu erwarten hin. Sie sah, wie die Leiber der zwanzig Möwen in blutige Fetzen gerissen wurden. Doch noch was sah sie. Die wirbelnden Flügel brachen ab und schwirrten in einzelnen Teilen von der eigenen Fliehkraft geschleudert in alle Richtungen davon. Übrig blieben nur kleine nun noch schneller wirbelnde Stummel auf einer senkrechten Stange. Gleichzeitig krachen zwei Möwen mit Wucht gegen die durchsichtige Abschirmung, hinter der die drei Männer saßen. Auch sie starben unverzüglich, weil die Abschirmung hart wie Stahl war. Doch das Ziel des Angriffs war erreicht. Ihrer wilden Drehflügel beraubt stürzte die Flugmaschine ab. Nal befahl den noch lebenden Möwen und Kormoranen, die Maschine solange zu umkreisen, bis sie sicher war, ob die darin sitzenden Männer mit ihr versanken oder noch aus ihr herausklettern konnten. Als Nal sah, wie die Apparatur auf dem Meer aufschlug und für mehr als zwanzig Atemzüge über Wasser blieb, ging sie davon aus, dass die drei Männer wohl in ihrem Flugapparat ausharren würden. Doch dann wurde eine große Seitentür weggesprengt, und die drei sprangen mit orangefarbenen Kissen vor den Körpern heraus. Einer zog an einem dünnen strick etwas großes hinter sich her. Kaum waren die drei im Wasser blähte sich das große Etwas zu einer kreisförmigen Vorrichtung auf, die wie eine große Wanne aussah. Die drei zogen sich über den Rand dieser Wanne hinüber und landeten im relativ trockenen inneren, während ihr Fluggerät langsam aber unaufhaltsam im Meer versank.
Nal atmete tief ein und aus. Die von ihr an Bord gebrachten drei jungen Bäume, die in großen, mit Erde gefüllten Kisten eingepflanzt waren, halfen ihr, auch auf hoher See neue Kraft zu schöpfen, wenn auch bei weitem nicht so viel wie in einem ganzen Wald lebender Bäume und sträucher. Zumindest verringerte das um sie und unter ihr fließende Meerwasser nichts von ihren Kräften, wie Salanna und ihre reinrassigen Waldfrauenverwandten es immer zu erleiden hatten.
"Holt die drei zu uns auf diesen Kahn!" dröhnte Nals Stimme nach oben. Sie gab dann noch die genaue Richtung an. Die "Janine Jolie" änderte ihren Kurs und lief auf die aus ihrem Flugapparat herausgekletterten Männer zu.
Als der lange Zeitanzeiger auf der großen mechanischen Uhr im Laderaum einmal ganz im Kreis gewandert war hatten sie die drei Männer erreicht. Doch als die von Nal beeinflussten Fischer sie an Bord holen wollten fingen die drei in ihrer aufblasbaren Schwimmwanne an, mit lauten Knallschussapparaten zu schießen. Einer feuerte gerade auch etwas nach oben, das eine Spur aus Feuer in den Himmel brannte. Nal wurde wütend, weil zwei der von ihr gebannten Männer von den Knallschüssen getötet wurden. Deshalb zwengte sie sich durch die fast zu enge Ladeluke an Deck und ballte ihre Fäuste. Doch dann besann sie sich. Die Männer zu töten war doch völlig unnötig. Sollten die dann eben das machen, was die zwei von denen umgebrachten zu tun hatten. Nal keuchte, um ihre Wut niederzuringen. Diese verdammte Wut, das Erbe ihres verdammten und von ihr erwürgten Vaters. Jetzt hatte sie aber genug Ruhe und vor allem Konzentration, die nun wild auf sie schießenden Männer zu besingen. Die Kugeln prallten laut pfeifend von ihrer tannengrünen Haut ab. Einer meinte, so schlau zu sein und ihre Augen oder ihren Mund als Ziel nehmen zu müssen und schickte ihr eines dieser Feuerspurmachergeschosse entgegen. Doch sie fing es mit einer blitzartigen Handbewegung aus der Luft und zerdrückte es, ungeachtet, dass das heiße Ding ihr einige Schmerzen bereitete. Doch als sie die kleine Glutkugel restlos zerdrückt hatte war auf ihrer Haut gerade mal ein Rußfleck zu sehen. Sie sang nun das betörende Lied ihrer Ahnen. Ihr übergroßer Körper verstärkte die Kraft ihrer Stimme noch. Die drei Männer erstarrten erst, versuchten dann, sich die Ohren zuzuhalten. Doch die Kraft von Nals Stimme war schon zu tief in ihre Köpfe gedrungen. Auch mit zugehaltenen Ohren konnten sie ihre laute, dabei rein klingende Stimme nicht überhören. Als sie die Hände von den Ohren nahmen und sie wie im Traum ansahen wusste Nal, dass sie drei weitere Kleinlingsmänner in ihre Gewalt bekommen hatte.
Als sie den Anführer dieser drei Flugapparateflieger ausfragte, wer er war und warum sie hier waren, erkannte sie, dass die magielosen Kleinlinge dieser Zeit verflixte Sachen gebaut hatten, um Schiffe zu überwachen. Der Kerl sagte was von Satelliten, künstlichen Monden, die eigentlich Ausspähgeräte waren, die über jene unsichtbaren Wellen elektrischer Kraft an Leute auf dem Boden berichteten, was ihre künstlichen Augen auf der Erde sahen. Nal wusste, dass man nach den dreien suchen würde. Auch wenn ihr Schiff durch ihre zwanzig ihrer Längen große Kugelschale aus Zauberkraft gegen die unsichtbaren Suchstrahlen namens Radar abgeschirmt war konnten diese künstlichen Monde mit ihren Weitsehaugen sie und ihren Geleitschutz beobachten. Sie musste sich also auf weitere Angriffe von oben oder von unten gefasst machen. Dann dachte sie mit einer unverkennbaren Erheiterung daran, dass die Zauberstabschwinger zwar dadurch auch von ihrem Weg erfuhren, ja sich sogar schon ausrechneten, dass sie zu Grawp wollte, aber gleichzeitig auch die Magielosen mit ihren vielen neuen Maschinen zu fürchten hatten, weil die doch noch darauf kommen mochten, dass es echte Riesen, Hexen und Zauberer gab. Doch ihr Ziel, Grawp zu unterwerfen und dann noch Orlogaths Tochter Meglamora an sich zu binden, gab sie nicht auf.
Professor McGonagall war zusammen mit Julius zu Hagrid in die Hütte gegangen und sprach nun mit ihm darüber, ob sie Grawp aus seiner neuen Behausung im schottischen Hochland herausholen und anderswohin bringen sollte. Julius schlug vor, dass versucht werden sollte, Grawp einen Portschlüssel in die Hand zu drücken. Doch Hagrid schüttelte den Kopf:
"Das können Sie vergessen. Grawp hasst Magie. Der wird sich keinen Portschlüssel in die Hand drücken oder um den Körper legen lassen."
"Wenn Sie mit dem jungen Gentleman hier zu ihm hingehen und ihm erklären, dass er nur so weiterleben kann ...", schnarrte Professor McGonagall.
"Vergessen Sie's, Professor McGonagall. Ich hab's doch damals mit Madame Maxime probiert. Die wollte mir das doch erst ausreden, ihn mitzunehmen. Dann haben wir versucht, ihm einen Portschlüssel zu geben. Doch der hat den einfach gegen einen Felsen geworfen, bevor der ausgelöst hat. Der will nichts mit Magie drin anfassen, schon gar nicht, wenn es ihn mal eben woanders hinbringt, wo er nicht auf seinen eigenen Quadratfüßen hinstampft. Kein Riese will mit Portschlüsseln reisen, Madam und Mr. Latierre!"
"Die von Ihnen erwähnte Dame, Olympe Maxime, hat es aber hinbekommen, ihre Tante mit einem Portschlüssel zu transportieren", erwiderte Julius.
"Ja, aber nur, weil sie der vorgemacht hat, das Ding, was der Portschlüssel war, hätte ihr geholfen, keine Schmerzen mehr zu haben, weil die doch da gerade ihr Baby gekriegt hat", entgegnete Hagrid. "Noch mal macht die das sicher nicht."
"Sie hat es später auch gemacht, wo festgelegt wurde, wo Meglamora wohnen kann", beharrte Julius darauf, dass Riesen sehr wohl mit Portschlüsseln verreisten, wenn sie mussten. Professor McGonagall fauchte:
"Wenn Sie Ihren Bruder nur gerettet haben, damit er von einer grünen Halbriesin mit uns allen überlegenen Kräften totgeschlagen wird brauchen wir es nicht zu versuchen. Aber ich gehe doch davon aus, dass Ihnen die ganze Mühe und die Ihnen entgegengebrachte Verärgerung aller Anderen doch genug Gründe liefern, das Leben dieses Riesens zu schützen. Aber was mich und Hogwarts angeht, so kann ich nicht anders befinden als dass Sie bis zur Klärung der Angelegenheit Urlaub im Hochland machen und Hogwarts dabei nicht näher als zehn Meilen kommen dürfen. Wenn Ihnen die Schülerinnen und Schüler dieser Schule am Herzen liegen - und ich weiß, dass dem so ist - befolgen Sie diese meine Bitte unverzüglich!"
"Natürlich, Professor McGonagall, Madam", brummte Hagrid in einer Mischung aus Unterwürfigkeit und Widerwillen. "Ich gehe aber allein zu Grawp. Der ist immer sehr wütend, wenn wer zu ihm hin will, den er nicht kennt. Der will dann nicht hören."
"Das ist offenbar eine Ausprägung seiner Abkunft", fauchte Professor McGonagall.
"Ich will erst was zusammenpacken", sagte Hagrid. Außerdem muss ich die Sache mit der stellvertretung klären. Wollen Sie wieder Wilhelmina Rauhe-Pritsche für mich einspringen lassen?"
"Das ist leider nicht möglich, weil Wilhelmina vor zwei Monaten im Auftrag der IMAZOV nach Australien umgezogen ist, um die dort lebenden Wollawangas weiterzuerforschen, ob diese demnächst von Tierwesen zu Zauberwesen umgestuft werden sollen. Außerdem interessiert sie sich für die vor sechzehn Jahren entstandene Zauberwesenform Wollmilchmensch. Deshalb werde ich jemanden aus der Tierwesenbehörde des Zaubereiministeriums herbestellen und ...""
"Neh, Professor McGonagall!" begehrte Hagrid nun auf. "Die wollten alle Acromantulas umbringen lassen, als die das letzte Mal den verbotenen Wald inspiziert haben. Neh, wenn ich einem von denen meinen Job überlasse bringen die Mosak und ihre Kinder um. Neh, das können Sie nich' von mir erwarten, Professor McGonagall."
"So, kann ich das nicht", knurrte die Schulleiterin. "Und was darf und kann ich dann von Ihnen erwarten? Immerhin muss der Unterricht weitergeführt werden."
"Geben Sie mir zwei Tage Zeit, dass ich wen finde, der genug Ahnung von den Tieren hier hat und auch die Spinnen in Frieden lässt, Madam! Dann geh ich gerne zu Grawp hin und erzähl dem, was los ist", brummelte hagrid.
"In zwei Tagen ist ihr Bruder womöglich schon tot oder gegen Sie und alle anderen, die nicht für diese grüne Riesenfrau sind aufgehetzt. Da ich die Schulleiterin bin obliegt es vordringlich mir, die stellen für den Fachunterricht zu besetzen. Gut, ich kann Professor Craft bitten, den Unterricht Pflege magischer Geschöpfe in Vertretung zu übernehmen und den Verwandlungsunterricht für die nötige Zeit selbst erteilen. Aber Sie klären dann unverzüglich, wie Grawp geschützt oder ob er zu seiner Sicherheit an einen anderen und besser absicherbaren Ort gebracht wird, bestenfalls mit einem Portschlüssel!"
"Grace hasst die Acromantulas. Die würde sie am liebsten auch umbringen", schnarrte Hagrid. Julius wollte gerade ansetzen, Hagrid zu fragen, ob ihm ein paar menschenfressende Riesenspinnen wichtiger waren als sein leiblicher Bruder. Doch Professor McGonagall nahm ihm die Worte aus dem Mund:
"Nun, ob Mosak und ihre Brut es Ihnen danken werden, wenn Sie um ihrer Existenz wegen lieber den Tod oder die Versklavung Ihres leiblichen Bruders hinnehmen weiß ich nicht. Dafür kenne ich mich zu wenig mit diesen menschenfressenden Tierwesen aus", schnarrte sie.
"Okay, ich geh'", schnaubte Hagrid. "Aber Grace Craft soll bloß aus dem Wald wegbleiben. Mosak weiß, dass die sie nicht mag und könnte meinen, ihre ungelegten Eier mit ihrem Fleisch auszureifen."
"Das regel ich mit Professor Craft, Rubeus", sagte die Schulleiterin unerwartet sanft klingend. Hagrid nickte schwerfällig. Dann bat er um Ruhe, um seine Sachen packen zu können.
"Schicken Sie mir eine Eule, wenn Sie wissen, was mit Grawp passieren soll!" bat Julius. Hagrid knurrte nur was unverständliches.
Den restlichen Abend verbrachte Julius in den drei Besen, wo er auch auf Miriam Swann und die Eheleute Fielding traf. Ohne diesen zu erzählen, weshalb er in England war wurde es doch ein für ihn angenehmer Abend.
"Aurora kommt im März noch einmal hierher, Mr. Latierre. Sie will der englischen Heilerzunft was über neue Anwendungen von Sonnenkraut berichten", sagte Miriam Swann. Dass Julius mit Aurora Dawn gut bekannt war wusste ja wirklich bald jeder, der mit ihr zu tun hatte.
"Meinen Dienstplan kann ich leider nicht selbst machen, sonst würde ich gerne auch wieder herkommen", sagte Julius darauf.
Julius wollte gerade in sein Zimmer hinaufsteigen, als eine sichtlich verärgerte Professor McGonagall in den Schankraum eintrat und auf Julius zusteuerte. "Er lehnt meine Entscheidung ab, Monsieur Latierre. Da er neben Mr. Diggory und dessen stellvertreter der einzige ist, der weiß, wo besagte Zielperson zu finden ist bitte ich Sie, Die folgenden Tage bei uns in Hogwarts zuzubringen, um für den Fall, dass wir mal wieder ungebetenen Besuch erhalten sofort Ihren Basisauftrag ausführen können." Die neugierig lauschenden Gäste im Schankraum rückten näher. Doch die altgediente Lehrerin und respektable Schulleiterin von Hogwarts schaffte es, sie mit einem einzigen strengen Blick zurückzutreiben und von weiteren Fragen abzubringen. Julius bestätigte, dass er zur Erfüllung seines Auftrages ihren Vorschlag annehmen würde. Er verabschiedete sich dann von Miriam Swann, Roy und Dina Fielding und wünschte ihnen eine gute Nacht. Ob er eine solche haben würde wagte er im Moment nicht zu hoffen.
"Wie, der Helikopter meldet sich nicht mehr und Sie haben keinerlei Radaraufzeichnung über seinen Verbleib? Das wollen Sie mir nicht wirklich einzureden versuchen, wo Ihre Luft- und Seeüberwachungsanlage erst vor einem Monat gewartet und optimiert wurde", blaffte Winston Howard in das Mikrofon der Satellitenfunkanlage. Auf dem dazu gehörenden Bildschirm war das Gesicht von Commander Myron Richley zu sehen, der den Zerstörer HMS Brighton befehligte.
"Sir, wir übermitteln gleich die Aufzeichnungen unserer Radar- und Sprechfunkanlagen zur weiteren Analyse. Ich kann nur von diesen Daten ausgehend behaupten, dass die Maschine weder vom befohlenen Kurs abkam noch mit anderen Luftfahrzeugen Berührung hatte oder wegen technischer Ausfälle abstürzte. Sie verschwand einfach von den Ortungsschirmen."
"Und Sie laufen jetzt mit AK voraus auf die letzte Position zu?" fragte der Admiral. Der Commander bestätigte. "Wann ist ihre geschätzte Ankunftszeit bei dieser Position?" fragte Admiral Howard nach.
"Geschätzte Ankunftszeit ist zweiundzwanzighundertfünfzehn, Sir."
"Zu lange. Ich beordere sofort Aufklärungsmaschinen vom Träger Nelson dort hin."
"Sir, und wenn die Maschinen auch verschwinden?" wagte der Commander, dem Admiral zu widersprechen.
"Das liegt außerhalb Ihrer Zuständigkeit, Commander. Sie bleiben auf Kurs und Geschwindigkeit!"
"Aye, Sir", bestätigte Commander Richley. Der Admiral nahm den obligatorischen Abschiedsgruß entgegen und trennte die kostspielige Videofunkverbindung. Er wollte gerade eine zweite Verbindung zum Kommandostand des Flugzeugträgers HMS Nelson errichten lassen, als es vernehmlich hinter seinem breiten Arbeitssessel ploppte. Der Vier-Sterne-Admiral schnellte unverzüglich herum. Er konnte gerade noch einen fremden Mann in einem langen, marineblauen Umhang sehen, der einen dünnen Holzstab auf ihn richttete, da war ihm, als bliese ihm ein kräftiger Wind alle Gedanken und Gefühle aus dem Kopf heraus.
Als Howard wieder zu sich kam erinnerte er sich daran, dass die Brighton den Absturz ihres Hubschraubers wegen Kurzschlusses in der Turbine gemeldet hatte und nun auf dem Weg war, die verunglückte Besatzung abzubergen.
"War wohl gerade zwei Sekunden vor zwölf, als ich auf dem Schiff ankam und die Besatzung mit dem Rauschnebel erwischte", sagte ein untersetzter Mann mit schütterem schwarzen Haar, der die Uniform eines Lieutenant der Royal Navy trug. Tim Abrahams nickte und bot dem Mitarbeiter, der innerhalb seiner Abteilung als Lieutenant Y geführt wurde, ein kleines Glas Butterbier an.
"Dann sind jetzt alle Unterlagen und Erinnerungen auf dem Stand, dass der Hubschrauber der Brighton wegen eines Versagens der Treibstoffzufuhr notgewassert und versunken ist?" fragte Tim Abrahams.
"Aye Sir", erwiderte Lieutenant Y, der bei der Navy als Lieutenant Commander Waldon Ashby bekannt war und dort im Flottenhauptquartier arbeitete.
"Und was war es wirklich, Mr. Abrahams?" fragte der Kundschafter bei der Navy nach und ergänzte: "Falls ich das wissen darf, Sir."
"Gut, da Sie bis s9 freigegeben sind erzähle ich es Ihnen, zumal Sie vielleicht noch einige Male Feuerwehr spielen müssen, Brandon", setzte Tim an und erzählte dem Mitarbeiter von der grünen Gurgha und ihren Fähigkeiten.
"Oha, wenn die anderen hohen Tiere von den Streitkräften das auch nur erahnen wollen die dieses Frauenzimmer selbst erledigen, am Ende noch mit Atombomben", seufzte der Lieutenant.
"Ja, und genau deshalb brauchen wir Sie und die Kollegen bei der Airforce, Army und der Polizei", stellte Tim Abrahams klar.
"Öhm, dann gehe ich richtig in der Annahme, dass ich alles überwachen soll, was mit einem verschwundenen Fischereischiff und möglichen Vogelschwärmen zu tun hat?" fragte Ashby. Abrahams nickte heftig. Der Lieutenant, der als muggelstämmiger Zauberer vor zwölf Jahren von Hogwarts abgegangen war und sich im Dunklen Jahr des Unnennbaren Dank der Fluchthilfeorganisation von Tim Abrahams nach Belgien hatte retten können, bestätigte den neuen Auftrag und verließ das Zaubereiministerium, um auf weitere Meldungen zu warten, die mit dem Wirken einer seefahrenden grünen Riesenfrau zu tun haben mochten. Sie konnten nicht wissen, dass die grüne Gurgha gerade in diesen Minuten mit dem von ihr gekaperten Schiff in einer Bucht an der westschottischen Küste landete.
"Verwünscht und zu den jammernden Seelen!" hörte Julius eine verärgerte Stimme von unten rufen. Julius grinste. Er kannte diese Stimme immer noch sehr gut. Mit Hilfe seines Blutes und silberner Zaubertinte hatte er einen auf Peeves' Namen und sichtbarer Erscheinung festgelegten Bann ausgesprochen, der den Astronomieturm sowie die Gästezimmer von Hogwarts vor diesem Unruhestifter abschottete. Nicht mal mit seiner eigenen Apparierbegabung konnte Peeves in diesen für ihn gesperrten Bereich eindringen. Aber er musste das wohl immer wieder versuchen. Julius dankte sowohl Professeur Delamontagne in Beauxbatons, als auch dem Fortbildungskurs im Ministerium zur Abwehr unerwünschter Geistererscheinungen für diesen wirksamen Schutzzauber. So konnte er hier oben ungestört und unerkannt wachen.
Wie hatte Tim Abrahams' letzter Eulenbrief erwähnt? "Sie ist wohl schon gelandet. Bitte auf der Hut bleiben!" Julius zweifelte keinen Moment daran, dass die grüne Gurgha wirklich auf dem Weg nach Hogwarts war.
"Wenn Sie die Nacht durchwachen könnten Sie das Eintreffen dieser Hybridin am Tage verschlafen oder im entscheidenden Augenblick körperlich und geistig geschwächt sein", klang eine leicht maunzende Stimme von Julius' rechter Seite her. Er beugte sich sanft nach rechts und sah eine Katze mit getigertem Fell und quadratischen Zeichnungen um die Augen. Er hatte nicht mitbekommen, dass diese besondere Katze auf den Astronomieturm geklettert war. Leise sagte er:
"Ich habe an Hagrids Hütte einen auf sie abgestimmten Alertus-Zauber aufgebaut und habe genug Wachhalte-Trank für insgesamt achtundvierzig Stunden dabei, Professor McGonagall. Aber ich will sichergehen, dass sie nicht den Schutz der Nacht ausnutzt, um hier einzudringen und ihre besondere Aura ausbreitet, ohne früh genug entdeckt zu werden."
"Gegen großflächige Geistes- und Körperbezauberungsflüche ist Hogwarts mehrfach geschützt", maunzte die Katze, die eigentlich Professor McGonagall war.
"Wir haben auch geglaubt, dass der Aura-Calma-Zauber gegen jede Betörungsmagie schützt", wusste Julius die passende Antwort. Dann blickte er wieder durch sein Superonmiglas, dass er von zu Hause mitgenommen hatte. Da lag der verbotene Wald, in dem viele magische Tiere ihre Heimat gefunden hatten. Da war der schwarze See mit dem Riesenkraken und der Unterwassersiedlung von Meerleuten. Er sah die das Mondlicht spiegelnden Gewächshäuser und die Gemüsebeete. Er betrachtete einmal mehr die imposante wie unberechenbare Weide, deren Zweige sich sacht bewegten und mal in der einen, mal der anderen stellung verharrten. Er sah den Ravenclaw- und den Gryffindor-Turm.
"Ich hoffe, Ihr Anstand hält Sie davon ab, mit Ihrem Fernglas in die Fenster der Schlafsäle hineinzublicken", fauchte Professor McGonagall.
"Aus dem Spanneralter bin ich raus, zumal ich durch meine Ehefrau mehr als Genug Befriedigung derartiger Bedürfnisse erfahre", flüsterte Julius mit einem verwegenen Grinsen im Gesicht.
"Sie dürfen froh sein, dass Sie nicht mehr unter meiner Aufsicht stehen, junger Mann", fauchte die verwandelte Schulleiterin. "Diese unflätige Andeutung hätte Ihrem Haus einiges an Punkten gekostet und mich sehr laut über eine angemessene strafarbeit nachdenken lassen", fügte sie noch hinzu. Julius nahm diese Bemerkung als zu erwarten und im Moment nicht wichtig hin. Er hatte sein Fernglas mittlerweile auf Hagrids Hütte gerichtet. Die Hütte selbst stand friedlich da. Allerdings gefielen ihm nicht die sechs großen, schwarzen Halbkugeln auf je acht Beinen, die um die Hütte aufgestellt waren. Wieso wollte Hagrid es nicht lernen, dass Acromantulas für Menschen gefährlich waren? Aber sie hockten auf dem Boden wie zu Stein erstarrt. Das war ihre Lauerstellung, wenn sie entweder ein Netz aufgespannt hatten oder im dichten Dschungel ihres Ursprungslandes auf vorbeilaufende Beutetiere warteten. Wenn es darauf ankam würde er aber mit diesen Spinnen sehr schnell fertig, dachte er mit innerer Beruhigung. Als Professor McGonagall sich so platzierte, dass sie sehen konnte, was Julius sah knurrte sie wütend wie eine natürlich entstandene Katze. Dann schnarrte sie: "Ich habe ihm eindringlich befohlen, diese Kreaturen nicht aus dem Wald herauszuholen und dann gleich sechs auf einmal und die Matriarchin dazu." Julius fiel jetzt auch auf, dass eine der Spinnen eine enorme Größe besaß.
"Ich weiß nicht, wie er es anstellt. Aber diese Biester kuschen wie Schoßhunde."
"Waren diese Kreaturen auch in der letzten Nacht schon dort postiert?" wollte Professor McGonagall wissen. Julius verneinte es ehrlich.
"Dann sollte ich gleich morgen früh mit Hagrid sprechen, dass er diese eigenwillige Leibwache dort belässt, wo er sie angesiedelt hat", schnarrte sie. Julius wollte gerade etwas dazu erwidern, als die Luft zu flimmern begann. Es war, als würde sie elektrisch aufgeladen. Zu hören war jedoch nichts. Julius vollführte sofort einen 360-Grad-Schwenk mit dem Fernglas. Denn dieses Flimmern musste ja von irgendwo ausgehen. Auch Professor McGonagall, die gerade die Sinne der von ihr eingeübten Tiergestalt besaß, erkannte, dass etwas unerwartetes eingetreten war.
"Etwas wechselwirkt wohl mit den Schutzbannen um Hogwarts", knurte sie. "Um dies zu ergründen muss ich jedoch in mein Büro", fügte sie hinzu. "Bleiben Sie bitte hier oben und melden Sie an Ihre hiesigen Kollegen, wenn etwas oder jemand unerwünschtes das Gelände zu betreten trachtet!" fauchte sie noch und flitzte dann mit steil aufgerichtetem Schwanz die Turmtreppen hinunter.
Julius fühlte ein sachtes Kribbeln an seinem rechten Handgelenk. Dort trug er das Armband aus der Villa Binoche. Offenbar reagierte es auch auf jene merkwürdige Kraft, die die Luft zum Flimmern brachte. Dann sah er mehrere fliegende Eulen und zwei Thestrale, die zielgenau auf das Schloss zusteuerten. Er blickte durch sein Fernglas auf die peitschende Weide, die unvermittelt mit ihren langen, biegsamen Ästen um sich zu schlagen begann und dann wie ausgeschaltet alle ihre Äste nach unten klappte und erstarrte. Das war nie im Leben eine natürliche Reaktion dieses rammdösigen Baumes, dachte Julius. Dann sah er weit über sich eine Dreierformation Thestrale, die unverkennbar auf den Astronomieturm niederstießen. Hätte er zu den vielen Menschen gehört, die diese Tiere nicht sehen konnten, hätten sie ihn völlig überrumpelt. So aber erkannte er gerade noch rechtzeitig die ihm drohende Gefahr. Er dachte die fünf Wörter, die ihm der altaxarroische Altmeister Garoshan beigebracht hatte. Bereits beim zweiten fühlte er sich schwerelos. Gerade als die geflügelten Pferdewesen nur noch zehn Meter über ihm waren und ihre bezahnten Mäuler zum Zubeißen aufsperrten sprang Julius über die Turmbrüstung. Doch er stürzte nicht ab, sondern stieg wie ein mit Helium gefüllter Ballon nach oben. Die Thestrale stießn laut krachend auf die Brüstung und die Turmplattform und stießen ein markerschütterndes Gebrüll aus.
"Okay, grünes Mädchen, du bist wohl in der Nähe", dachte Julius. Er prüfte schnell, ob noch weitere Thestrale auf ihn zuflogen. Doch die meisten der Pferdewesen kreisten über Hagrids Hütte. Die darum versammelten Spinnen waren aus ihrer starre erwacht und trippelten auf ihren langen, haarigen Beinen in engen Kreisen um die Hütte herum. Dann stießen die ersten Thestrale nieder.
Julius beschleunigte seinen Flug als er mitbekam, dass fünf Uhus hinter ihm her waren. Sie kamen vom Wald her angeflogen. Das Flimmern in der Luft wurde noch einmal stärker und wie aus weiter Ferne hörte er eine eindringliche Frauenstimme "Schlafet tief! Schlafet tief!" singen. Ja, das war die grüne Gurgha. Und jetzt konnte er die Riesenfrau auch sehen. Sie stand vor dem verschlossenen Tor zum Vorhof von Schloss Hogwarts und machte dirigierende Armbewegungen. Julius dachte an das Lied des inneren Friedens, um jeden Einfluss auf seinen Geist auszusperren. Sein Armband zitterte jedoch nur sanft um zu zeigen, dass etwas magisches darauf einwirkte, nicht so heftig wie bei seiner ersten Begegnung mit der grünen Gurgha. Sollte er sie aufzuhalten versuchen? Dann sah er, wie mindestens vierzig Thestrale sich zu drei konzentrischen Ringen über der gerade silbergrau widerscheinenden Gigantin gruppierten. Auch erkannte er viele Eulen, die die Riesenfrau wie ein lebender Schutzschild umschwirrten. So kam er nicht an sie heran, wenn er nicht wieder die rosarote Schutzblase erzeugte.
Ein wildes Brüllen und Zischen lenkte seine Aufmerksamkeit auf die noch mehrere Dutzend Meter von ihm entfernte Hütte Hagrids. Als er hinsah bot sich ihm ein gruseliger Anblick. Die sechs Riesenspinnen kämpften mit den auf sie niederstoßenden Thestralen. Die geflügelten Pferdewesen versuchten mit ihren schlanken Hufen und ihren raubtierhaften Zähnen in die Beine und Panzer der Spinnen zu dringen. Doch die Häute der Spinnen waren stahlhart und widerstanden diesen Angriffen. Andersherum hatten die Thestrale den giftigen Beißwerkzeugen der Riesenspinnen nichts entgegenzusetzen. Julius erschauerte trotz aller bereits miterlebter Schrecken, wie Thestrale ihre Flügel verloren oder ihnen Beine oder Köpfe abgetrennt wurden. Dabei kam ihm jedoch der Gedanke, dass die Acromantulas offenbar nicht der unheimlichen Macht Nals unterworfen waren. Vielleicht lag es auch nur daran, dass die Acromantulas noch im Schutzbereich des Schlosses herumliefen, während die Thestrale aus dem verbotenen Wald kamen, wo wegen der ganzen Tiere weniger Abwehrzauber wirkten. Dann hörte Julius ein wütendes Bellen und eine laute Stimme "Fang! lass das!!" rufen. Das Flimmern in der Luft war inzwischen noch stärker geworden, und die tiefe, säuselnde Stimme Nals klang lauter. Wenn sie noch lauter sang würden in Hogwarts alle aufwachen, die das Gebrüll und Gebell noch nicht aus dem Schlaf gerissen hatte. Vorausgesetzt, Nals Schlafbezauberung durchdrang die Schutzbanne nicht.
Julius landete auf einem der Bäume bei der Hütte, bereit, sofort wieder loszufliegen, wenn er unmittelbar angegriffen wurde. Doch zunächst galt es den Fall Hausfrieden zu vermelden. Unter dieser Bezeichnung wurde ein möglicher Angriff der Riesenfrau auf Hogwarts geführt. Er griff nach einer jener praktischen, berunten Silberdosen, über die mit darauf allein abgestimmten Gegenstücken eine magische Telefonverbindung hergestellt werden konnte. Seine Silberdose war mit einer verbunden, die bei Mr. Diggory stand.
"Achtung, hier Julius Latierre! Fall Hausfrieden eingetreten! Fall Hausfrieden eingetreten!" rief er in die offene Dose. Doch seine Stimme versickerte darin wie in ein vor den Mund gedrücktes Kissen hineingerufen. Für Julius hieß das, dass Diggorys silbernes Gegenstück zu seiner stimmverpflanzungsdose verschlossen war und Diggory ihn wohl nicht hörte. Er wiederholte seine Warnmeldung noch zweimal mit demselben Ergebnis wie beim ersten Mal. Er wollte die Warnung noch ein viertes Mal durchrufen, als sein Armband etwas heftiger erzitterte. Sofort blickte er sich um und sah gerade noch den Schwarm von Eulen, der ihn wie ein sich zusammenziehendes Netz einzuschnüren begann. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis die gefiderten Jäger der Nacht ihre messerscharfen Krallen und Schnäbel in sein Fleisch gruben. Er sah keine Richtung, in der er flüchten konnte. Noch mal den Selbstbildvervielfältigungszauber anwenden? Nein, das würde zu viel Kraft kosten. Er riss den Zauberstab hoch und rief die Auslöseworte für den Amniosphaera-Zauber auf. Dieser trat unmittelbar in Kraft. Eine Sekunde später prallten die Eulen von der rosaroten Leuchtblase ab, die Julius und den Baum wie eine schillernde Energieglocke umschloss.
"Das nützt dir doch nichts, Bürschlein!" dröhnte nun Nals verärgerte Stimme über das Gelände. Julius wusste, dass sie leider recht hatte. Sie hatte diesen Zauber schon einmal brechen können. Doch vielleicht wurde sie durch die Schutzzauber von Hogwarts geschwächt. Er wollte sich aber nicht darauf verlassen und griff in seine linke Umhangaußentasche. Da er mit einem neuen Angriff von Vögeln gerechnet hatte hatte er eine kleine Phiole mit Durodermislösung eingesteckt. Er zog den Korken mit der Wachsversiegelung mit den Zähnen aus der Phiole und stürzte den Inhalt sofort hinunter, als sei er ein kurz vor dem Verschmachten stehender in der Wüste. Er fühlte bereits, wie die grüne Gurgha jenes magische Elmsfeuer erzeugte, mit dem sie die rosarote Leuchtblase zerplatzen lassen konnte. Gerade als er fühlte, wie seine Haut sich zusammenzog und verhärtete, ohne ihn in seiner Beweglichkeit einzuschränken, zerriss die rosarote Schutzblase und zerstob in Millionen rosaroter Funken. Wieder war es Julius, als habe ihm jemand einen Teil seiner Lebenskraft aus dem Leib gesogen. Rote Ringe und einzelne Sterne zerplatzten vor seinen Augen, die durch den Trank nun so hart wie der beste Stahl geworden waren. Keuchend hockte er auf seinem Ast auf dem Baum und sah verschwommen, wie die sich von der ersten Attacke erholenden Eulen zum zweiten Mal anflogen. Dann fühlte er, wie kräftige Krallen und Schnäbel gegen seinen Kopf und seine Arme stießen, wie sie versuchten, sich in seinem Umhang zu verhaken. Doch dieser war reißfest bezaubert, gerade um gegen Angriffe von Tieren zu bestehen. Laut fauchend stießen die Eulenvögel nach. Doch Julius hielt es aus. Selbst wenn sie ihm an den Haaren zogen merkte er nichts davon, weil seine Kopfhaut nicht mitgezogen wurde. Sie konnten ihm nicht mal die Haare ausreißen, weil diese bombenfest verwurzelt waren.
Als Julius sich von dem Schock des erfolgreich gekonterten Amniosphaera-Zaubers erholt hatte flogen die Eulen bereits zum sechsten Mal gegen ihn an. Einige versuchten, seinen Zauberstab zu fassen zu kriegen. Doch Julius drückte diesen fest an sich. Dann fielen die Eulen auf einmal dem Boden entgegen, als hätte jemand sie alle auf einen Schlag betäubt. Doch kurz vor dem Aufprall fingen sie sich wieder und flogen leicht schwankend in alle Richtungen davon.
Julius vertat nicht viel Zeit mit Nachdenken, warum die Nachtvögel ihre Angriffsversuche abgebrochen hatten. Ihn interessierte die grüne Gurgha, die gerade über die Mauern zum Hof kletterte und dabei aus sich selbst heraus blattgrün leuchtete. Er sah, wie die Riesenfrau offenbar Mühe hatte, die Mauerkrone zu übersteigen. Doch mit einer Entschlossenheit, wie sie zum Sturm ansetzenden Kriegern eigen ist, schaffte sie es, die Mauer zu überwinden und mit einem geschmeidigen Sprung auf dem Hof zu landen. Wieder einmal vermisste Julius das für schwere Körper übliche Erdbeben. Es war, als wäre eine federleichte Ballerina nach einer gekonnten Pirouette auf weichem Teppichboden aufgekommen. Das grüne Leuchten erlosch in dem Moment, als sich die Riesenfrau von der Mauer entfernte und mit weit ausgreifenden Schritten, die in grazile Sprünge übergingen der Hütte des Wildhüters näherte.
"Fang! Ist gut jetzt. Lass das!" brüllte Hagrid. Julius sah, wie die Spinnen gerade die letzten flugfähigen Thestrale in die Flucht schlugen. Einige der unheimlichen Flugwesen lagen verstümmelt auf dem Boden herum. Die Riesenspinnen zögerten keinen Moment, die von ihnen getöteten Zaubertiere zu fressen. Drei Spinnen, darunter die elefantengroße Anführerin, blieben wachsam.
"Fang, lass das!" rief Hagrid wieder. Dann sah Julius, wie der halbriesische Lehrer und Wildhüter aus seiner Hütte herauskam. Sein bereits über zehn Jahre alter Saurüde jacherte ihm hinterher und sprang ihn an. Julius sah, dass Hagrids Nachtgewand mehrere Löcher aufwies. Dann sah er die Gurgha, die ähnlich wie die Astronauten der Apollo-Mondmissionen voranspringend auf die Hütte zujagte. Er verstand, dass die grüne Gurgha ihr Körpergewicht dermaßen erleichtern konnte, dass sie derartig weite Sätze machen und lautlos laufen konnte.
Hagrids Saurüde sprang seinen Herrn und Futtergeber noch einmal an. Hagrid rief ihm noch einmal zu, das zu lassen. Da klemmte der Hund seine Rute zwischen die Hinterbeine und preschte laut jaulend zwischen den Spinnen hindurch davon. Hagrid sah die Opfer der Schlacht um seine Hütte an. Dann erkannte er die eigentliche Gegnerin.
"Du bist also echt gekommen!" brüllte er und riss einen zusammengeklappten Regenschirm hoch, dessen Spitze unvermittelt zu leuchten begann wie ein mit dem Lichtzauber Lumos entzündeter Zauberstab. Julius dachte wieder die fünf Worte des freien Fluges. Er stieß sich ab und jagte zehn Meter über dem Boden auf Hagrids Hütte zu. Doch die grüne Gurgha war vor ihm dort.
Julius sah, wie die Riesenfrau von den drei noch wachenden Spinnen angegriffen wurde. Würde sie die Tiere unter ihren Einfluss bekommen? Der erste Anprall brachte die Tochter eines Riesens und einer Waldfrau fast zu Fall. Doch dann stemmte sie sich gegen die drei Gegner, die versuchten, ihr mit ihren Scheren in die Beine zu beißen. Julius war gespannt, wie der Kampf nun ebenbürtiger Gegner ausgehen würde. Am Ende töteten die Spinnen die grüne Riesenfrau noch. Doch gleich die erste Attacke der Acromantulas auf Nals Beine war ein Fehlschlag. Die Beißscheren einer der beiden kleineren Spinnen glitten laut schabend von den nackten Beinen der Riesenfrau ab wie eine Klinge von einem Stahlblock. Dann versetzte die Riesin der ihr nächsten Spinne einen derartigen Tritt, dass diese aus der Balance geriet und sich überschlagend drei Meter über den Boden kullerte. Am Ende blieb sie mit wild umherschlagenden Beinen liegen. Spinnen waren keine Käfer, die außer Gefecht waren, wenn sie auf dem Rücken landeten. Doch für zwei Sekunden hatte die Gurgha nur noch zwei Gegner. Sie führte die Hände zusammen und erzeugte einen gleißenden Lichtbogen, der mit lautem Donnerschlag zum grellen Blitz wurde. Die zweite der kleineren Spinnen geriet voll in die Bahn des Blitzes und glühte hellrot auf. Julius sah, wie die Acromantula in sich zusammenbrach und mit hilflos zitternden, weit von sich gestreckten Beinen liegenblieb. Als die Gurgha noch einmal einen Lichtbogen erzeugen wollte prallte die elefantengroße Riesenspinne gegen sie, die Professor McGonagall als Matriarchin der hier lebenden Kolonie bezeichnet hatte. Dieser Anprall war auch für die grüne Gurgha zu heftig. Sie geriet ins taumeln und kippte nach hinten über. Doch nun konnte Julius sich davon überzeugen, welche unglaubliche Schnelligkeit und Gewandtheit diesem übergroßen Wesen innewohnte. Denn anstatt wie ein umkippendes Brett steif und starr hinzuschlagen rollte sich die Riesenfrau im Fall zusammen. Als die größte der Acromantulas über ihr war um sie niederzudrücken wurde sie mit einer blitzartigen und kraftvollen Aufwärtsbewegung von Nals Beinen über diese hinwegkatapultiert. Julius kam nicht umhin, ihr innerlich zu dieser Leistung zu gratulieren. Aber woher konnte dieses übergroße Frauenzimmer so gut kämpfen?
Die Acromantula krachte fünf Meter hinter Nal zu Boden und knickte ein. Nal stieß sich mit Armen und Beinen ab und gelangte in eine aufrechte Haltung. Sie rammte ihre Füße auf den Boden und stand nun wieder haushoch da. Die Acromantula machte eine halbe Drehung und federte durch, um ihre Gegnerin anzuspringen. Diese wartete kaltblütig ab, bis die elefantengroße Risenspinne sich abstieß und schnellte ihrerseits vom Boden hoch. Die Spinne flog unter ihr durch und landete zehn Meter weiter. Dann griff Hagrid ein.
Aus seinem Regenschirm schlug ein heller Blitz auf Nal über, die gerade wieder auf die Füße kam. Doch der Angriff verpuffte wirkungslos. Die Riesenfrau drehte sich um, um zu sehen, was ihr da zusetzen sollte und lachte, als Hagrid noch einmal den elektrischen Blitz zauberte. Julius hatte ihm ja erzählt, dass der Todesfluch unwirksam war. Doch wie war es mit Feuerbällen?
Julius landete auf der Hütte. Er zielte auf die grüne Gurgha, um ihr den Mondlichthammer überzubraten. Die war gerade durch Hagrid und die beiden noch kampffähigen Riesenspinnen abgelenkt. Denn die vorhin auf den Rücken geworfene Spinne hatte sich wieder auf ihre Beine gestemmt und stürmte auf die Gegnerin los. Diese führte die Hände zusammen, worauf wieder ein Lichtbogen erstrahlte, der kurz vor dem Zusammenstoßen der Handflächen zu einem grellen Blitz wurde, der laut krachend auf die nun wieder vorstürmende Spinne überschlug. Auch dieses achtbeinige Ungetüm glühte hellrot auf und fiel in sich zusammen. Die Beine zuckten und zitterten noch eine Sekunde. Dann lag die Acromantula still.
Hagrid versuchte, es mit gleicher Münze zurückzuzahlen, was die Riesenfrau der Spinne zugefügt hatte. Doch sie lachte nur darüber und nahm die nächste Spinne aufs Korn. Doch dann erkannte sie, dass die gerade noch gierig fressenden drei Spinnen in den Kampf eingriffen. Drei zugleich stürmten auf sie zu. Julius war sich sicher, dass Nal sich der Übermacht bewusst war. Sie lachte jedoch und warf sich nach vorne. Julius begriff diese Handlung nicht. Wollte sie sich etwa ergeben? Doch dann offenbarte Nal ihre wahre Absicht.
Unvermittelt entstand um Nal jenes blattgrüne Leuchten, das sie eben beim Übersteigen der Ummauerung von Hogwarts ausgesandt hatte. Die Spinnen stoppten ihren Sturmlauf irritiert. Dann verformte sich Nal scheinbar. Ihr Körper wurde in die Länge gezogen und nahm mehr und mehr die Gestalt einer riesigen Schlange an. Als das leuchtende Ungeheuer gut und gerne fünfzehn Meter lang war erkannte Julius einen glimmenden Federbusch auf dem Kopf der leuchtenden Schlange. Instinktiv schloss er die Augen. Doch dann erkannte er, dass Nal nur eine besondere Illusion hervorrief und sich nicht wirklich in einen Basilisken verwandelte. Er hoffte zumindest, dass sie sowas nicht konnte. Vorsichtig öffnete er seine Augen halb und sah gerade, wie die auf Nal zurennenden Spinnen mit lautem Zischen und Angstlauten davonjagten, dem verbotenen Wald zu. Immer noch glomm das grüne Licht. Hagrid erstarrte. Doch dann riss er den Regenschirm hoch, der in diesem magischen Licht Bräunlich-rot widerschien. "Avada Kedavra!" brüllte er inbrünstig. Laut sirrend jagte ein greller, grüner Lichtblitz auf die grün leuchtende Riesenschlange zu und traf sie am Kopf. Das grüne Leuchten erlosch und damit die Umrisse eines Basilisken. Nal lag auf dem Bauch und rührte sich nicht. Julius lauschte in die plötzliche stille hinein und vernahm das Knarzen eines weit entfernten Baumes. Dann hörte er diesen umfallen.
Hagrid glaubte, die Gegnerin erledigt zu haben. Doch diese stemmte sich unvermittelt in die Höhe und baute sich triumphierend vor ihm auf. "So doch nicht, Fridwulfas Sohn!" lachte Nal. "Ich will dich nicht töten. Ich will nur deinen Bruder heimbringen", säuselte sie nun und begann mit einem einlullenden Gesang. Hagrid jedoch brüllte vor Wut auf und rannte auf seine Gegnerin zu. Julius dachte noch einmal das Lied des inneren Friedens, um sich vor der auch ihn treffenden Wirkung dieser Bezauberung abzuschirmen. Hagrid brüllte gegen die Magie tragende Stimme an und versuchte noch einmal den Todesfluch. Doch wie vorhin prallte der ansonsten tödliche Fluch auf Nals Bauch, ohne sie zu beeindrucken. Nur irgendwo keine hundert Meter weiter weg knickte ein weiterer Baum um, als habe der Todeszauber ihn getroffen. Hagrid taumelte unter der Macht der auf ihn einsingenden Stimme. Selbst die Schutzbanne um das Schloss konten ihn wohl nicht gegen den direkten Angriff dieses Wesens schützen, dachte Julius.
Er zielte mit dem Zauberstab auf Nals weit geöffneten Mund. Wenn er sie knebelte konnte sie nicht mehr singen. Doch die grüne Gurgha fühlte wohl den ihr geltenden Angriff. Als Julius gerade das Zauberwort "Oropturo!" dachte, um einen einen Tag vorhaltenden Knebel zu erzeugen wandte sich die grüne Gurgha ab. Mit einem lauten Plopp verpuffte der Zauber in der Luft. Die grüne Gurgha unterbrach ihren Gesang. Hagrid blieb stehen. Er wankte wie von heftigen Treffern erschüttert. Sie blickte sich mit ihren bei Tag bernsteingelben Augen um. Julius fühlte etwas über sich hinwegstreichen und sah für einen Lidschlag ein goldenes Licht um seinen Körper aufleuchten. Doch das bewahrte ihn nicht vor Entdeckung. Die Riesenfrau riss die Hände auf Brusthöhe und zielte auf Hagrids Hütte. Julius war klar, was sie vorhatte. Er wollte nicht warten, bis sie einen neuen Blitz entfesselte. Deshalb rief er das Zauberwort "Katashari!" ein silberweißer Lichtstrahl trat aus einem zauberstab und traf die grüne Halbriesin an der linken Brust. Ein silberner Funkenwirbel entstand um Nal, der eine Sekunde vorhielt. Die grüne Gurgha senkte ihre Arme, als sie im Widerschein dieser Funkenentladung sah, wer sie da bezaubern wollte. Dann lachte sie. Sie zielte mit einer Hand auf Julius. Ein Feuerstrahl schoss heraus. Julius konnte gerade noch zur Seite springen. Der Flammenstoß traf das Hüttendach und setzte es in Brand. Julius rollte sich so schnell er konnte auf die andere Seite und dachte die fünf Flugworte. Dann ließ er sich in die Tiefe fallen.
"Extingeo!" riefen fünf stimmen gleichzeitig. Und eine stimme, die eines alten Mannes rief "Aguamenti Frigidissimum!"
"Ihr da bleibt weg von mir!" rief die Gurgha. "Ich will nur Grawp. Und der da wird mich zu ihm bringen!" rief sie, während fünf eisblaue Feuerlöschzauber und ein armdicker, eiskalter Wasserstrahl das entfachte Feuer erstickten. Dann ergoss sich eine wahre Salve von Zauberflüchen über die grüne Gurgha. Julius sah nun auch die Lehrer McGonagall, Craft, Barley, Flitwick und Slughorn.
"Lasst das sein! Haltet ein!" sang die Gurgha nun wieder mit ihrer machtvollen Zauberstimme. Je ein Mondlichthammer von Slughorn und Barley traf die Gurgha. Ein über ihr entfesselter Tornado fauchte und versuchte, sie vom Boden hochzureißen. Da umfloss die grüne Riesenfrau erneut jenes blattgrüne Licht. Knackend und knisternd durchzuckten grüne Blitze den gierigen Rüssel der heraufbeschworenen Windhose. Diese verschwand so rasch wie sie entstanden war. Dann stürmte Nal im Schein ihrer grünen Aura auf Hagrid zu, der immer noch wie schwer angeschlagen auf der Stelle schwankte. Die Lehrer vonHogwarts waren indes erstarrt, die Zauberstäbe auf den Punkt zielend, an dem Nal eine Sekunde zuvor noch gestanden hatte. Julius war dem gesungenen Befehl wohl nicht unterworfen, weil in ihm noch das Lied des inneren Friedens wirkte. Er wollte auf die grüne Gurgha zufliegen und sie unmittelbar in ein Ohr oder ein Auge treffen, als er von einer großen Last getroffen zu boden geworfen und niedergedrückt wurde. Durch den Kampf hatte er nicht mehr daran gedacht, dass Nal noch etliche Thestrale und Eulen unter ihrer Kontrolle hatte. Das rächte sich nun. Er fühlte das Gewicht zweier Thestrale, die sich anschickten, sich ganz auf ihn zu stellen, um ihn mit ihren Hufen zu zertrampeln. Gerade so bekam er den Zauberstab noch in eine brauchbare Abwehrstellung und zischte "Katashari!" Wieder strahlte silberweißes Licht auf und traf eines der skelettgleichen Pferdewesen voll ins aufgerissene Maul. Es zuckte zurück und ließ von Julius ab. So konnte er auch dem zweiten Thestral den Todeswehrzauber auferlegen. Als er wieder frei atmen und sich vollständig bewegen konnte sah er, dass Nal ihn nicht beachtet hatte. Sie war gerade bei Hagrid und hatte ihn wie ein kleines Kind vom Boden gehoben. Wie ein sich überschwenglich freuender Hund schleckte sie das bärtige Gesicht des Halbriesens ab. Dazwischen wisperte sie Worte, die Julius nicht verstand. Er musste es auch nicht verstehen. Denn ihm war klar, dass sie Hagrid gerade mit ihrem Speichel und ihrer magischen Stimme gefügig, ja ihr total unterworfen machte.
"Ist gut jetzt!" rief Julius in einem Anflug von Mut der Verzweiflung. Doch Nal bedachte ihn nur mit einem verächtlichen Blick. "Auch wenn du dich gegen meine zwei Helfer wehren konntest hast du es nicht geschafft, mich aufzuhalten. Das ist jetzt das zweiteMal, dass du mir in den Weg geraten bist, kleiner Schlaukopf. Halte dich aus meinen Angelegenheiten heraus, wenn ich dich nicht bei lebendigem Leib in meinen großen Magen hineinschlingen soll, Bürschlein!"
"An mir würdest du glatt ersticken", knurrte Julius halblaut. Doch dann sah er die vielen Thestrale, die sich über Nal formierten und sie wie eine fliegende Leibwache umkreisten. Auch stießen viele Eulen aus großer Höhe nieder und fügten sich in die fliegende Schutztruppe ein. Julius sah noch, wie Nal den von ihr unterworfenen Hagrid über ihre linke Schulter hängte wie einen Säugling im Tragetuch und dann mit weiten Sätzen Richtung Hofmauer davoneilte. Julius wollte hinterher, sie überholen. Doch da flogen gleich sieben Thestrale in enger Formation auf ihn zu. Ihm blieb nur der schnelle Rückzug in Hagrids Hütte, bevor die sieben Zaubertiere mit ganzer Wucht auf ihn prallten. Dort wartete er ab, bis die Thestrale hinter ihrer neuen Herrin herflogen. Aus Richtung des verbotenen Waldes stürmten derweil die Acromantulas. Julius vermutete, dass die Spinnen sich von der Basiliskenillusion erholt hatten und nun Jagd auf Nal machten, die mit ihrem Opfer gerade auf die Mauer stieg, wobei das grüne Leuchten nun auch Hagrid umfloss. "Gib Hagrid her!" schnarrte eine weit hallende, Unheil und Tod verheißende Stimme.
"Ihr Krabbeltiere schon wieder!" brüllte Nal zurück. "Hagrid gehört jetzt mir, und ihr macht euch wieder in euren Wald zurück!" Doch die Spinnen dachten nicht daran, sich so einfach wegscheuchen zu lassen. Sie rannten auf die Mauer zu. Da griffen die um Nal gruppierten Thestrale an. Diesmal stürzten sie sich aber nicht gezielt auf die Spinnen, sondern flogen aus verschiedenen Richtungen auf ihre Beine zu. Als die Acromantulas versuchten, die Gegner zu beißen wurden sie an jedem ihrer Beine gepackt und in die Luft gerissen, auch die größte der Spinnen, die Anführerin.
Julius erkannte mit Entsetzen und Anerkennung zugleich, dass Nal nach der ersten Niederlage gelernt hatte. Wenn sie die Spinnen nicht mit einer Basiliskenaura verjagen konnte - woher sie die auch immer konnte -, dann musste sie die gefährlichen, ihr offenbar nicht verfallenden Tiere eben vom Boden losreißen und davontragen lassen. Julius wog schnell ab, ob er deshalb an die Gurgha heran konnte. Doch diese wurde noch von zu vielen Thestralen und Eulen umflogen.
Die Spinnen wehrten sich zwar, doch die Thestrale zerrten sie weiter nach oben. Julius ahnte, was die Thestrale zu tun hatten. Als diese dann mehr als zweihundert Meter über dem Boden flogen ließen sie die entführten Riesenspinnen los. Diese versuchten noch einmal, ihre Gegner mit ihren Beißscheren zu erwischen. Doch die Thestrale waren sofort nach Abwerfen ihrer Last in verschiedene Richtungen davongestoben. Hilflos fielen und fieln die monströsen Spinnen zu boden. Julius sah schnell, ob sie dabei einen der noch wie erstarrt dastehenden Lehrer erschlagen mochten. Doch diesen drohte keine unmittelbare Gefahr. Als die Riesenspinnen dann mit dumpfen Schlägen auf den Boden prallten zuckten ihre Beine noch einmal. Doch dann blieben sie reglos auf ihren Rücken liegen. Julius sah eine weißliche, wässerige Flüssigkeit unter den Spinnenkörpern hervorsickern. Selbst für diese sonst so widerstandsfähigen Tiere war ein Sturz aus dieser Höhe tödlich gewesen. Kamen noch die von magisch entfesselten Blitzen zerkochten Riesenspinnen, die noch schwach glühend auf dem Hof lagen. Julius war nun klar, dass jeder direkte Angriffsversuch auf die Gurgha den Tod bringen würde. Doch er wollte das nicht so einfach hinnehmen, dass dieses grüne Frauenzimmer machen konnte was es wollte. Nachher kam die noch auf die Idee, die Herrscherin aller magischen und nichtmagischen Wesen werden zu wollen. Er zog noch einmal die Silberdose hervor und klappte sie auf. "Fall Hausfrieden eingetreten! Hagrid von Nal entführt, mehrere Thestrale und sechs Acromantulas bei Kampf getötet. Keine menschlichen Verletzten oder Toten!" rief er. Doch wie zuvor hätte er auch gleich in ein dickes Federkissen hineinrufen können, erkannte er und schlug laut scheppernd den Dosendeckel zu. Dieses Geräusch löste die Erstarrtheit der fünf Hogwartslehrer. Diese senkten ihre Zauberstäbe und sahen einander verdrossen an.
"Sucellus soll dieses Biest holen", schnarrte Megan Barley. "Ich dachte eigentlich, der Ring der guten stimmen schützt mich gegen Sabberhexengesang." Sie zeigte einen silbernen Ring an ihrer Rechten Hand, dessen Zierde ein eiförmiger Smaragd war.
"Sie hat die Macht von mindestens fünf oder sechs Sabberhexen aufgeboten, Megan. Offenbar ist ihre diesbezügliche Macht proportional zum von ihrer lebenden Substanz eingenommenen Raum, der ja das vielfache einer üblichen Waldfrau beträgt", vermutete der kleinwüchsige Zauberkunstlehrer Filius Flitwick.
"Aber wieso kann der Bursche da das wegstecken und auch noch ohne Besen fliegen", dröhnte Slughorns Stimme über den Platz.
"Das gehört zu jenen Geheimnissen, die Minister Shacklebolt uns zu hüten gebeten hat, Horace. Also posaunen Sie das gütigst nicht so laut hinaus", herrschte Professor McGonagall den schwergewichtigen Zaubertranklehrer mit dem Walrossschnautzbart an.
"Minerva, ich muss doch wohl fragen dürfen, woher dieser junge Bursche das alles kann. Immerhin konnte Riddle auch ohne Besen fliegen, um das mal zu erwähnen. Und der bis zu seinem Ende undurchschaubare Severus Snape hat das von Riddle gelernt."
"Ja, aber ich war hier in Hogwarts und Beauxbatons in der Schule und nicht in der Todesserakademie von Tom Riddle alias Lord Voldemort", erwiderte Julius halblaut, als er nahe genug an die aufmarschierten Lehrer herangekommen war. Zumindest schraken sie nicht zusammen, als der Name Voldemort fiel, dachte Julius. Als sie alle dann sahen, was weiter geschah, ereilte sie jedoch ein gehöriger Schreck.
Nal war bereits wieder auf der Mauer um den Hof. Hagrid, der schlaff über ihrer Schulter hing bedeutete für die grüne Gurgha keine Last. Nur die in der Mauer wirkenden Abwehrzauber schienen ihr zuzusetzen. Für zwei Sekunden erbebte sie. Doch dann erstrahlte ihr ganzer Körper in jenem blattgrünen Leuchten, das Julius auch in Frankreich schon von ihr hatte ausgehen sehen müssen. dann tunkte sie ihren Unterarm in einen auf dem Rücken baumelnden Sack, in den der Länge nach drei und der Breite nach zwei erwachsene Menschenmänner hineingepasst hätten. Als sie ihren Arm wieder freizog entrollte sie ein großes, reißfestes Netz, wie es Fischer benutzten. Das allein war nicht das erschreckende. Erst als die Gurgha das Netz mit geübtem Schwung auswarf und es sich auf ganzer Breite entfaltete erfolgte die erschreckende Erkenntnis. Nal stieg selbst in das Netz hinein. Als sie in der Mitte stand schnappten zehn der von ihr unterworfenen Thestrale den Rand des reißfesten Knüpfwerks und schlugen mit den Flügeln. Nal stieß einen antreibenden Laut aus. Die Pferdewesen rissen das große Netz nach obenund hoben ab. Ihre Artgenossen, die nicht mit zugepackt hatten bildeten weiterhin einen fliegenden Schild. Erst schwankend, dann immer sicherer erhob sich das Gespann mit der im Netz hockenden Gurgha in den Himmel und entfernte sich dabei mit zunehmender Geschwindigkeit von Hogwarts. Dieser Anblick ließ allen Beobachtern das Blut aus dem Gesicht weichen. Für einen ewig erscheinenden Zeitraum standen sie bewegungslos da und starrten der von zehn Thestralen scheinbar mühelos davongetragenen Riesenfrau nach. Wer ihre Gesichter im Mondlicht sah mochte an eine Gruppe Vampire denken. Immer schneller glitten die Thestrale mit ihrer neuen Herrin auf und davon.
"Ihnen ist klar, was das bedeutet, Ladies and Gentlemen?" fragte Minerva McGonagall mit hörbar belegter Stimme. Julius nickte zuerst. Dann folgten auch die übrigen Lehrer von Hogwarts.
"Thestrale erreichen ohne Trag- oder Zuglast eine Reisegeschwindigkeit von zweihundert Stundenkilometern, die sie fünf Stunden durchhalten können. Im Sprintflug erreichen sie dreihundertfünfzig", seufzte Julius. "Wenn die auch nur halb so schnell fliegen können sind die in einer Nacht locker in Europa."
"Ich argwöhne etwas anderes", raunte McGonagall. Megan Barley nickte ihr zu. "Sie wird, nachdem sie Hagrid mit ihrem Speichelgift gefügig gemacht hat, von ihm das Ziel erfahren, an dem sein Halbbruder untergebracht ist und dieses direkt ansteuern. Warum kommt keine Verstärkung aus dem Ministerium?" Julius versuchte es noch mal mit der Dose. Doch immer noch saugte sie seine Worte nur ein, ohne sie mit hörbarem Nachhall weiterzubefördern. Er gab sie an Professor McGonagall weiter. "Mr. Diggory, hier spricht Professor McGonagall von Hogwarts. Ich erbitte dringend Ihre Aufmerksamkeit!" hörte Julius die Schulleiterin flüstern. Doch in Wirklichkeit rief sie wohl mit aller Lautstärke in die silberne Dose. Zweimal versuchte sie es wohl. Dann nahm sie die Dose vom Mund und fauchte "Das wird ein Nachspiel haben. Solte Hagrid diese Entführung nicht überleben oder dauerhaften Schaden an Körper und Geist hinnehmen, wird Mr. Diggory sich für diese unverzeihliche Missachtung getroffener Absprachen verantworten müssen."
"Minerva,ich melde mich freiwillig, dieser Hybridin zu folgen", sagte Megan Barley.
"Wo Sie ihrer Kraft genauso verfielen wie Ihre Kollegen und ich?" erwiderte Professor McGonagall.
"Wenn sie von Hagrid erfahrenhat, was sie wissen will könnte sie ihn wortwörtlich fallen lassen, Minerva. Wollen Sie das?"
"Wagen Sie es nicht, mich derartig zu bedrängen, solange Sie mir unterstellt sind!" fauchte Professor McGonagall, die wieder kreidebleich geworden war. "Da ich nicht verstehen kann und will, warum diese Verbindungsdose nicht ihren Dienst versieht kann ich Sie nur an Ihre Pflicht erinnern, die Sie nicht nur als Fachlehrerin innehaben, sondern auch als Hauslehrerin von Gryffindor. Ich werde über die üblichen Verständigungswege mit dem Ministerium unterhandeln, dass eine Einsatztruppe die Verfolgung aufnimmt."
"Jede Sekunde fliegt dieses grüne Wunderweib weiter von uns weg. Die könnte außerhalb unserer Sichtweite den Kurs ändern und damit jede Verfolgung unmöglich machen", sagte Julius.
"Genau", erwiderte Megan Barley. Ihre Kollegin Craft fragte, warum ausgerechnet sie hinter der Gurgha herfliegen sollte und nicht eine oder einer der anderen Kollegen.
"Weil ich durch Mentiloquismus Verbindung mit meiner Familie halten kann und diese ebenfalls über gute Verbindungen in diverse Behörden und Privatorganisationen der Zaubererwelt verfügt. Es ist für mich also leichter, von unterwegs Hilfe anzufordern und an einen bestimmten Ort zu rufen."
"Natürlich", grummelte Grace Craft. Minerva McGonagall verzog einen Moment das Gesicht. Dann sagte sie: "Verfolgung gewährt, aber unter Protest!" Megan Barley nickte nur und vollführte dann wie aus dem Handgelenk einen Apportationszauber. Julius tat es ihr unaufgefordert und ungebeten nach. Er sah danach auf die silberne Dose, die Professor McGonagall noch in der Hand hielt. Die Schulleiterin verstand und gab sie an ihn zurück. "Bleiben Sie ja außerhalb der Rufweite dieser Kreatur", schnarrte sie an ihre Kollegin und den ehemaligen Schüler. Diese bestätigten das und saßen auf ihren Besen auf.
"Können Sie nach dem Treffen mit den vier Geisterschwestern den Dislocimaginus-Zauber, Monsieur Latierre?" fragte Megan Barley, als sie beide mit hoher Geschwindigkeit über den schwarzen See hinwegflogen, der wie ein riesiger schwarzer Spiegel unter ihnen ausgebreitet lag.
"Ich habe ihn aus einem Buch über fortgeschrittenen Illusionszauber", erwiderte Julius. "Aber der hält nur solange vor, wie wir genug Ausdauer haben und nicht offensiv zaubern müssen."
"Hattest du oder deine Kollegen damit denn Erfolg, mit offensiven Zaubern?" wollte Professor Barley wissen, die, weil sie nun schon mehr als einen halben Kilometer von der Grenze zu Hogwarts entfernt waren, zur persönlichen Anrede überging.
"Kein stück. Selbst der Todesfluch geht nicht. Aber vielleicht wäre das jetzt möglich, wo sie nicht in unmittelbarer Nähe von Bäumen ist", vermutete Julius. Dass er noch einige Zauber ausprobieren konnte erwähnte er nicht. Die bei Tageslicht rothaarige Hexe da neben ihm auf dem neuesten Feuerblitz wusste das eh schon über das Netzwerk der schweigsamen Schwestern, dass Julius einiges konnte, was nicht in den Büchern der Zaubererweltbibliotheken nachzulesen war.
"Achtung, ich habe sieben Uhus auf neun Uhr, die in zehn Sekunden unseren Kurs kreuzen", meldete Julius. Dann sah auch Megan Barley die majestätischen Eulenvögel, die in einer geordneten Formation auf sie zusteuerten. "Gut, dann müssen wir den Eigenbildumlenkungszauber wohl schon machen", sagte sie. Julius dachte eher an den Selbstbildvervielfältigungszauber. Doch der konnte seine Begleiterin genauso verwirren wie die anfliegenden Eulen. So hielt er den Zauberstab sicher und murmelte "Imago meum in angulo alieno transmigrato!" Dabei stellte er sich vor, sich selbst um einige Meter nach rechts und nach unten zu sinken. Damit stellte er in Gedanken die Abweichung ein, die sein Abbild von seinem wirklichen Körper einnehmen sollte. Für zwei Sekunden schien es so, als löse sich ein durchsichtiger Geistkörper aus Julius' richtigem Körper heraus und wandere an den vorgedachten Punkt. Dann bekam der zweite Körper dieselbe klare und undurchsichtige Erscheinungsform wie das Original, das im selben Moment scheinbar verschwand. Auch Megan Barleys sichtbare Erscheinung nahm scheinbar eine Kursabweichung vor. Rein körperlich bllieben beide auf demselben Kurs und derselben Flughöhe. Doch für alle auf Sicht vertrauenden Wesen sah es so aus, dass sie mindestens zehn Meter weiter rechts und zwanzig Meter weiter unten flogen.
Die siebenUhus hatten nicht mitbekommen, dass gezaubert wurde. Sie jagten laut schuhuhend auf die nun für alle Augen sichtbaren Besenflieger los und flogen durch diese hindurch wie durch Nebelschwaden. Obwohl die Eulen für gewöhnlich gute Instinkte und auch eine gewisse Auffassungsgabe besaßen begriffen sie unter demEinfluss ihrer neuen Herrin nicht, dass sie gerade ausgetrickst worden waren. Sie jagten immer wieder auf die Scheinbilder zu und durchflogen sie. Offenbar war in ihre Gehirne dieser eine Befehl eingepflanzt: "Alle Verfolger angreifen und zurücktreiben!" Weitere Eulen kamen vom verbotenen Wald her. Doch mit den beiden Flugbesen zogen Julius Latierre und Megan Barley ihnen nun spielerisch davon. Sie mussten nur auf Vögel achten, die plötzlich aus Bäumen hervorschossen und dabei aus Versehen mit ihnen zusammenstoßen konnten.
"Da vore ist sie", wisperte Megan Barley Julius zu. Tatsächlich konnten sie weit genug voraus sehen, wo die grüne Gurgha im leicht schwankenden Netz saß. Hagrid steckte nun bis zum Bauch in jenem Sack, aus dem sie das Netz herausgefischt hatte. "Auf Fernglasabstand bleiben!" raunte Megan Barley. Julius bestätigte es. Sein Superomniglas hing sicher um seinen Hals. Mit der Nachtsichteinstellung konnte er wie bei Tageslicht sehen. Doch der sichere Abstand reichte nicht aus,um sie unangefochten zu verfolgen. Das mussten die beiden Besenflieger erkennen, als aus dem Geleitzug der Thestrale gleich fünf Einzelwesen ausscherten und auf die gerade sichtbaren Erscheinungen der beiden zurasten.
Die Thestrale durchflogen die scheinbaren Verfolger und stießen ein wütendes Gebrüll aus, dass Julius von diesen Tieren bisher nicht kannte. Offenbar gaben sie damit ihren Artgenossen ein Zeichen. Denn diese verzögerten sichtbar ihren Flug. Julius bremste im gleichen Maße ab, auch wenn er wusste, dass die nichtmagischen Vögel dadurch wieder näher an ihn herankommen konnten. Dann befahl die Gurgha ihren Tragetieren wohl die Landung. Denn unvermittelt sackte das große Netz durch.
"Sie will uns jetzt angreifen", erkannte Julius. Megan erwiderte: "Zumindest ihre Thestrale. Am Boden haben wir keine Chance, wenn wir nicht die Thestrale von Hogwarts töten wollen. Also nach oben. Die Tiere kommen gerade einmal viertausend Meter hoch. Unsere Besen schaffen für zehn Minuten fünftausend Meter." Julius verstand und begann den Kopfblasenzauber. Da flogen auch schon die ersten Thestrale auf die sichtbaren Erscheinungsformen zu.
Im Rosselini-Raketenaufstieg stießen die Besen in den Himmel hinein. Julius musste daran denken, dass es früher bei Besentests oft zu Überhöhungsanfällen der Besen gekommen war und diese ohne zu bremsen immer schneller und immer höher gestiegen waren wie wahrhaftige Raketen, bis ihnen viele Tausend Meter über Grund die Ausdauer versagte oder das Material der magischen Beanspruchung nicht mehr standhielt. Doch das war mal vor hundertfünfzig Jahren, beruhigte sich Julius. Die modernen Flugbezauberungen konnten immer noch durch die Besenreiter unterbrochen und umgelenkt werden.
Die Besen stiegen und stiegen, jedoch nicht zu schnell, sondern gerade schnell genug, um die ihnen nachjagenden Thestrale auf Abstand zu halten. Diese flogen nicht wie Raketen, sondern schraubten sich mit wilden Flügelschlägen nach oben. Das kostete Zeit und auch Energie. Als die beiden Besen über viertausend Meter gestiegen waren fühlte Julius das sanfte Zittern im Besenstiel. Selbst für einen hochgezüchteten Besen wie den Ganymed 12 gab es Grenzen. Schwerkraft und Luftdruck wirkten sich in größeren Höhen anders aus als in Bodennähe. Anders als der Bronco Parsec, der als Interkontinentalreisebesen ausgelegt war, war der Ganymed nicht für große Kletterpartien gebaut. Doch Julius beobachtete nur die Thestrale, die gerade den Anschluss verloren, weil ihre Grenzhöhe erreicht war.
"Gut, auf dieser Höhe bleibenund über den Landepunkt der grünen Riesenfrau hinweg. Wir müssen uns eine andere Taktik ausdenken", mentiloquierte Megan Barley an Julius' Adresse. Denn durch die Kopfblasen und die dünne Höhenluft war kein gesprochenes Wort zu verstehen. Julius fühlte sich auch kalt und schwindelig. Zwar atmete er durch die Kopfblase den nötigen Sauerstoff ein. Doch sein Restkörper musste sich der Kälte und dem fehlenden Druck angleichen.
"Mit Verfolgung ist es wohl nichts. Werde ich in meinen Bericht schreiben. Die lässt zu viele Rückraumsicherer zurück", gedankensprach er zu Megan Barley.
"Bedauerlich, dass wir keine Gespenster als Verfolger einsetzen können. Aber die kommen gerade so schnell voran, wie sie als lebende Menschen laufen konnten. Außerdem können starke Luft- oder Wasserströmungen sie ebenfalls bremsen oder in eine unerwünschte Richtung drängen", gedankenseufzte Julius. Megan Barley nickte. "Nur Dibbukim können von Wind und Wasser unabhängig reisen, solange sie sich von der Ausstrahlung lebender und denkender Wesen ernähren können", ergänzte Megan Barley. Julius nickte. Dann hatte Megan die Idee:
"Wir zerstören das Fischernetz, in dem sie reist, beziehungsweise lassen es verschwinden. Dann muss sie weiter zu Fuß gehen." Julius schwieg. Einerseits klang die Idee gut. Andererseits war die Ausführung schwierig. Um das Netz verschwinden zu lassen müssten sie nahe genug an das Netz herankommen. Doch mit den vielen Vögeln und Thestralen in der Nähe war das fast schon wie Harakiri, dachte Julius. Dann erkannte er, dass die Gurgha sie bereits abgehängt hatte. Denn die Thestrale, die sie in diese Höhe getrieben hatten stobennun in alle Richtungen davon, vor allem wieder nach unten.
"Hast du sie noch im Fernglas?" fragte Megan Barley. Julius suchte und suchte. Doch in dieser Entfernung konnte selbst das Superomniglas die Gesuchte nicht mehr einfangen. Er grummelte, weil ihm das hätte früher auffallen müssen, dass die Landung nur vorgetäuscht war. "Jetzt wird sie natürlich nicht auf geradem Weg weiterfliegen", vermutete Julius.
"Oder sie hat bereits Hagrid ausgehorcht, wo sein Bruder untergebracht wurde", vermutete Megan Barley. Julius hoffte, dass das nicht gleichbedeutend mit Hagrids Tod war. So drängte er darauf, in Bodennähe zurückzukehren und das überflogene Gebiet abzusuchen.
Nach einer Viertelstunde Suchflug wussten sie, dass Hagrid hier nicht zurückgelassen worden war.
"Wir sollen zurück nach Hogwarts", sagte Megan Barley. "Meine Mutter hat gerade einen Kontaktfeueranruf von Professor McGonagall erhalten. Sie weiß, wo Grawp ist. Sie will uns das aber persönlich mitteilen und nicht durch das halbe Flohnetz herumposaunen. Es gibt noch zu viele Zaubererweltbürger, die auf Riesen nicht gut zu sprechen sind und deshalb gleich zur Jagd auf Grawp blasen mögen."
"Hmm, vor das Tor mit den geflügelten Ebern kann man apparieren?" fragte Julius.
"Ja, aber gerade fünf Schritte davon entfernt", erwiderte Megan Barley. Sie übernahm die Zielausrichtung für die zeitlose Reise. Fünf Sekunden später verschwanden beide mit lautem Knall in leerer Luft.
Professor McGonagall erwartete die beiden erfolglosen Verfolger in ihrem Turmzimmer. Sie wirkte sichtlich verärgert. Julius argwöhnte erst, dass dies wegen ihm sei. Doch die Schulleiterin deutete auf die von Julius mitgeführte Silberdose. "Mr. und Mrs. Diggory sind nicht in ihrem Hause und auch nicht im Ministerium auffindbar gewesen. Der Minister erwähnte ein Ferienhäuschen in der Nähe von York. Doch dorthin bestehe keine Zweiwegespiegel-, Schallverpflanzer-, oder Porträtverbindung. Er erinnerte sich, dass Mr. und Mrs. Diggory am vergangenen Tag ihr Hochzeitsjubiläum feierten und Mr. Diggory was von einer Überraschung für seine Frau angedeutet habe. Nun, wie dem auch sei. Albus hier", wobei sie auf Dumbledores Porträt deutete, wies mich auf ein Geheimversteck unter Hagrids Hütte hin, dass durch ein Passwort gesichert war. Dort bewahrt Hagrid alle Unterlagen und Aufzeichnungen auf, die mit seiner Arbeit als Wildhüter zu tun haben. Ich suchte das Versteck, wandte das Passwort an und erlangte Zugang. Ganz oben auf lag eine Notiz." Sie zog einen kleinen Pergamentzettel aus ihrem smaragdgrünen Umhang hervor und entfaltete diesen. Sie las vor: "Grawp wurde von mir zusammen mit allen Thestralen von Hogwarts ins Glen McCormack hinübergebracht. Das ist nur fünfzig Kilometer nordwestlich von hier, wo ich auch schnell hinkommen und ihn besuchen und ihm immer mal wieder was bringen kann. Ich hoffe, der Geist der alten Yuna McCormack, deren Knochen da begraben sind, erlaubt es ihm, da friedlich zu leben."
"Yuna McCormack, die Hochlanddruidin?" staunte Megan Barley. "Wie ist denn der auf diese Idee gekommen? In dem Tal wirkt eine starke Magie, die den dort gepflanzten Wald und die Berghänge schützt. Außerdem war das zur Zeit von Anthelia vom Bitterwald ein beliebter Versammlungsort ihrer Anhängerinnen. Da sollen Kräfte in den Bäumen wirken, die vor allem Hexen bestärken können. Wie kam der ausgerechnet auf dieses Tal?"
"Mir ist dieses Tal bis heute nicht bekannt gewesen, Megan. Aber ich vermute, dass Hagrid in seiner Leidenschaft für besondere Plätze und Lebewesen darüber unterrichtet war."
"Oha, wenn Grawp da wirklich steckt könnte dieses grüne Frauenzimmer noch leichteres Spiel mit ihm haben als so schon. Glückwunsch, Hagrid!" Knurrte Professor Barley.
"Kann man da hineinapparieren?" fragte Julius.
"Hineinzuapparieren gelingt nicht, weil die dort wirkende Magie einen ähnlichen Abwehrwall bildet wie die Antiapparitionszauber hier in Hogwarts."
"Sie kennen sich höchst erstaunlich gut aus, Megan", grummelte Professor McGonagall.
"Es gehört zu meinen Obliegenheiten, solche Orte zu kennen, wo Verehrer und Verehrerinnen der dunklen Künste gerne zusammenkamen. Abgesehen davon erfuhr ich, dass die derzeit lebende Sycoorax Montague einmal ihre weiblichen Verwandten in dieses Tal mitnehmen wollte, um "Anthelias Geist" auszutreiben, sollte dieser sich dort etabliert haben. Gut, wie wir alle mitbekommen haben hat Anthelias Geist sich dort nie aufgehalten."
"Dann wollen wir hoffen, dass die Erbin Sardonias und Anthelias nichts von Grawps Versteck mitbekommt. Die könnte sonst sehr verärgert reagieren", erwiderte Julius. Er konnte sich gut vorstellen, dass die mit Naaneavargia verschmolzene Wiederverkörperung Anthelias dieses Tal als immer noch ihr zustehend betrachten mochte.
"Sie wissen, wo das Tal liegt?" fragte Professor McGonagall Megan Barley.
"Ja, mir ist der Weg bekannt", bestätigte Professor Barley nach zwei Bedenksekunden.
Gut, dann nehmen Sie Monsieur Latierre bitte dorthin mit und versuchen Sie, Grawp dies hier in die Hand zu drücken!" erwiderte Professor McGonagall. Daraufhin öffnete sich ein Schrank wie von selbst. Die Schulleiterin von Hogwarts zeigte auf ein rot-blau-gelb-kariertes Tischtuch. "Ich habe dieses Tischtuch zu einem wörtlich auslösbaren Portschlüssel gemacht", begann sie zu erläutern. Hier habe ich das Auslösewort. Dieses bitte nur dann laut und deutlich ausrufen, wenn Grawp das Tuch in der Hand hält!" Sie übergab Megan Barley einen Zettel. Diese las und nickte. Dann reichte sie den Zettel weiter. Julius las, dass das Auslösewort "Riesensprung" lautete, passend und daher einfach zu merken und sonst auch nicht in allgemeinen Gesprächen häufig vorkommend. Er gab Megan den Zettel wieder zurück. "Sie wissen, was ein wörtlich auslösbarer Portschlüssel ist, Monsieur Latierre?" fragte die Schulleiterin ihn. Er hätte fast geantwortet, sowas schon einmal benutzt zu haben. Doch er erwiderte, dass er im Unterricht davon gehört habe, Portschlüssel, die für eine schnelle Flucht oder bei Absicherung, dass auch alle, die mitreisen sollten Kontakt hatten ausgelöst werden konnte und nicht durch Berührung und/oder zu einem festgelegten Zeitpunkt. Minerva McGonagall nickte bestätigend. "Gut, dann übergeben Sie Grawp dieses Tuch und rufen das Schlüsselwort! Falls Sie beide nicht mitgenommen werden wollen meiden Sie dabei den körperlichen Kontakt zu diesem Tuch! Ich möchte Sie nur noch darauf hinweisen, dass der Portschlüssel durch seine Bezauberung durch keine Form von Fernlenkzauber bewegt werden kann und nach seiner Funktion als Portschlüssel zu staub zerfällt. Viel Glück Ihnen beiden!"
"Gut, dann müssen wir runter und los", sagte Megan Barley, die das Tischtuch von der Schulleiterin übernommen hatte. "Monsieur Latierre muss mit mir auf demselben Besen sitzen, weil Yuna McCormacks Barriere jeden männlichen Menschen abweist, der nicht innerhalb der Lebenskraftaura einer Hexe reist. So geht nur der direkte Soziusflug."
"Gut, dann fliegen Sie los! Ich öffne Ihnen den Sonderausgang für eilige Schulleiter", erwiderte Professor McGonagall und deutete mit dem Zauberstab auf das in Nordrichtung gelegene der kleinen Spitzbogenfenster, die in festen Abständen Ausblick aus dem Turmzimmer gestatteten. ""Porta per fenestram permissa!" rief sie.
Nach ausruf dieses Zauber- oder Passwortes wuchs das Fenster innerhalb von zwei Sekunden auf die vierfache Größe. Alles was um das Fenster herum lag wurde dabei scheinbar zusammengeschoben, jedoch ohne Falten und Knicke zu bekommen. Die Bilder in unmittelbarer Nachbarschaft des sich ausdehnenden Fensters wurden einfach schmaler und verschwanden scheinbar. Die darauf abgebildeten Vorgänger McGonagalls stießen Unmutsäußerungen aus, die immer weiter und dumpfer klangen, als wenn die Gemalten in einen viele Meter tiefen Brunnenschacht hineingeraten wären. Am Ende befand sich dort, wo vorher das Fenster war, eine gläserne Tür, breit genug, um zwei erwachsene Menschen nebeneinander hindurchgehen zu lassen. Nun klappte die Tür nach innen auf. Die drei im Turmzimmer anwesenden wichen aus. Kalte Winternachtluft strömte in das Schulleiterzimmer.
Gut, dann los!" trieb Megan Barley Julius an und saß auf ihrem Besen auf. Julius schwang sich hinter ihr auf den Besen. Er legte seine Arme um ihre Taille und griff nach dem Besenstielstück vor ihr wie bei einem Walpurgisnachtflug. "Und Los!" Rief sie und stieß sich ab. Er hielt sich sicher fest, als der Feuerblitz mit einer irwitzigen Beschleunigung durch die offene Tür hinausfegte und mehrere stockwerke über dem Boden über die Ländereien von Hogwarts dahinbrauste. Julius riskierte einen Blick zurück und sah, wie die gezauberte Tür hinter ihnen zuschwang und dabei wieder zusammenschrumpfte. Dann konzentrierte er sich auf den Soziusflug.
"Klammere dich richtig an mir fest. Ich muss mit meiner Ausstrahlung deine Ausstrahlung überlagern!" rief Megan Barley, als sie gerade über die Grenze der Ländereien von Hogwarts hinwegschossen. Julius fragte sich, wie sie das anstellen konnte, ohne ihn wie ein ungeborenes Kind im eigenen Körper zu tragen. Doch er befolgte die Anweisung und klammerte sich an Megan Barley so fest, wie er es bisher nur bei Claire, Millie oder Jane Porter gewagt hatte. Da fühlte er, wie von Megan Barleys Körper eine pulsierende Wärme durch ihn hindurchging und meinte, in eine vorgewärmte, dicke Daunendecke eingewickelt zu werden, die sacht pulsierte. Der Herzanhänger auf Julius' Brustkorb ruckelte etwas taktversetzt und jagte fast heiße Schauer in ihn hinein. "Oh, der Anhänger mag das nicht", hörte er Megan Barley sagen und meinte, sie nicht von vorne sondern von allen Seiten sprechen zu hören.
"Was haben Sie denn angestellt?" fragte Julius.
"Ich habe deine Lebensausstrahlung in meiner eingeschlossen. Wie das geht ist ein Hexengeheimnis, das nur von der Mutter an die Tochter verraten werden darf. Solange du mit mehr als deinem halben Körper mit meinem Körper in Kontakt bist hält dieser Zauber vor. Hmm, aber ich fürchte, ich muss ihn zwischendurch immer wieder auffrischen, weil dein rotes Zuneigungsherz mich abzuweisen trachtet. Warum weiß ich nicht.""
"Weil du über Chrysie noch inniger mit mir verstöpselt bist, Monju. Aber sage der Ablegerin von Ceridwen Barley das nicht", hörte er Millies Gedankenstimme. So sagte er, dass er das selbst noch herausfinden würde, wenn sie diesen Wahnsinnsritt überstanden. Megan lachte und meinte, dass dieser Ausdruck aber missverstanden werden könnte. Das musste Julius auch einsehen.
"Vom Ministerium hat Professor McGonagall nichts erwähnt", fiel Julius etwas ein. Megan Barley erwiderte darauf: "Die hatten ihre Chance. Die hätten die Verbindung aufrechterhalten müssen. Ob es was gebracht hätte weiß ich nicht. Aber jetzt sollen eben wir zwei das erledigen. Gut, dass ich weiß, wo Yuna McCormacks letzte Ruhestatt liegt."
"Sie war eine Druidin? Wann war denn das genau?" wollte Julius wissen. Daraufhin erfuhr er, dass Yuna McCormack vor zweitausendeinhundert Jahren gelebt hatte und ihre Schutzbefohlenen vor dem Zugriff der Römer unter Julius Cäsar bewahrt hatte. Ähnlich den Anhängerinnen Anthelias hielt sie aber nicht viel von Zauberern und hatte deshalb ein Tal im Hochland so bezaubert, dass nur ungeborene Jungen dort hineingetragen werden konnten. Dass auch erwachsene Männer dort hineingelangten sei erst nach Erfindung brauchbarer Flugbesen möglich geworden, aber dann auch nur durch die Methode, die Megan Barley gerade bei sich und Julius anwendete.
"Ja, aber Hagrid und Grawp sind da reingekommen", entgegnete Julius.
"Weil Grawp ein ganzer und Hagrid ein halber Riese ist", erwiderte Professor Barley. "Deren Blut hat die im Tal wirkende Abwehr zurückgedrängt, die wie ein unsichtbares Zelt über dem Tal aufgespannt ist. Oh, ich muss den Zauber wiederholen, er klingt schon wieder ab", grummelte Megan Barley noch. Julius fühlte auch die zurückkehrende Winterkälte. Nur sein Herzanhänger schickte fast schmerzhaft heiße ströme durch seinen Körper. Doch er hüpfte dabei nicht mehr so stark wie zu Beginn des Zaubers. Megan Barley konzentrierte sich wohl darauf, ihren Zauber zu wiederholen. Als Julius sich wieder wie in eine vorgewärmte Daunendecke eingewickelt fühlte ruckelte sein Herzanhänger heftiger.
"Sage der da vor dir, die soll den englischen Superflitzer voll ausreizen. Mir wird von ihrem Zauber speiübel. Und wenn Chrysie deshalb vor der Zeit raus will kriegt sie mächtigen Ärger", hörte er Millies Gedankenstimme. Er hätte ihr ja sagen können, ihren Anhänger abzulegen. Doch das ging bis zur Geburt Chrysopes nicht, wusste er ja aus leidvoller Erfahrung. Aber er gab es weiter, dass seine Frau ihn anmentiloquiert hatte und ihn bat, nicht zu lange mit diesem Zauber herumzuwerkeln.
"Schick ihr zu, bei der Geschwindigkeit sind wir in zehn Minuten da!" entgegnete Megan ganz ruhig. "Aber jetzt sollten wir erst wieder sprechen, wenn wir im Tal gelandet sind. Ich muss mich auf den Flug und auf die Aufrechterhaltung meines Zaubers konzentrieren. Er darf nicht im ungünstigen Moment abklingen. Und ich weiß nicht, wie weit die Barriere außerhalb des Tales auf männliche Annäherung reagiert."
"Vielleicht wirkt sie gar nicht mehr, weil ein Riese im Tal wohnt", vermutete Julius.
"Eher das Gegenteil, Julius. Sie wird durch unerwünschte Lebenskraft, die in das Tal vorgedrungen ist noch stärker reagieren als sonst. Aber jetzt bitte Ruhe bis wir gelandet sind!"
Der Flug verlief nun ohne weiteres Wort. Immer wieder musste Megan Barley den Zauber auffrischen, der Julius irgendwie in ihrer eigenen Lebenskraftaura verschwinden ließ. Da Julius sich nicht auf die Aurfrechterhaltung dieses Zaubers konzentrieren musste mentiloquierte er weiter mit millie, die ihrer Aussage nach im bequemen Umstandssessel saß, den Julius ihr einmal geschenkt hatte. "Ich hoffe, ihr kriegt diesen Grawp ganz schnell aus dem Tal raus."
"Ich weiß nicht mal, wohin er dann gerät, wenn wir ihm den Portschlüssel andrehen können", erwiderte Julius. Dann fiel ihm was anderes ein. "Hoffentlich kommt dieses grüne Frauenzimmer dann nicht auf die Idee, das ganze Land zu erpressen, damit das Ministerium ihn wieder rausrückt."
"Ruf bloß den großen Drachen nicht, Monju. Am Ende kommt die auf die Idee, jedes Land zu erpressen, sie und die anderen Riesenimmer brav zu füttern."
"Das klingt wirklich nach einem Drachen. So haben in den Muggelgeschichten Drachen früher immer Opfer verlangt, um die Städte in ihrem Revier nicht niederzubrennen."
"Das ist doch euer größtes Problem, dass ihr keinen Nebeldunst davon habt, was diese halbe Sabberhexe will."
"Stimmt", gestand Julius ein. Dann blickte er voraus und erstarrte einen Sekundenbruchteil. Der Grund dafür waren winzige Punkte, die noch weit voraus am Himmel vor und unter ihnen wanderten und keine Wolken waren. Als er dann erkannte, dass die Punkte in vier Gruppen eingeordnet waren wusste er, dass sie eigentlich schon zu spät kamen.
"Ich hoffe, ich irre mich. Aber ich fürchte, wir werden schon erwartet", wisperte er Megan ins rechte Ohr.
"ich sehe die kleinen Punkte auch. Gleich wissen wir, ob es Vögel oder Thestrale sind, je nachdem, wie weit sie noch weg sind. Aber halt dich bitte weiter fest und lass mich den Flug steuern. Mit dem Feuerblitz stechen wir alles natürlich fliegende aus."
"Auchmit Sozius?" fragte Julius.
"Das ist die zweite Generation von Feuerblitzen, die passen sich an und haben auch im Einzelflug schon die fast doppelte Gewandtheit und Beschleunigung von der ersten."
"Gut, ich vertraue Ihnen", sagte Julius noch.
Jetzt konnten sie erkennen, dass vor ihnen tatsächlich mehrere Thestrale patrouillierten. Sie kreisten wie Adler über einem schmalen und tiefen Einschnitt in den um sie herum aufragenden Bergen. Als die geflügelten Pferdewesen den heranflitzenden Feuerblitz bemerkten fächerten die Gruppen aus. Einige der Tiere stießen mit großer Beschleunigung vor, um den unerwünschten Eindringling frontal anzugreifen. Die anderen sollten den Besen wohl einkreisen. Megan Barley lud noch einmal den mit Julius gewirkten Zauber auf und stieß dann in einem beinahe 80-Grad-Winkel nach unten. Fast glaubte Julius, sie würden gleich mit der Besenspitze voran in den Boden einschlagen. Doch knapp fünf Meter über Grund riss Megan den Besen wieder in eine waagerecht zum Boden verlaufende Fluglage zurück. Julius spürte im Moment nur die ihn wie eine warme Decke umschließende Zauberkraft und den irgendwie dagegen ankämpfenden Herzanhänger. Die heftigen Bewegungsänderungen hatten ihn nicht körperlich beeinträchtigt. Dann beschleunigte der Besen noch einmal ungemein. Julius staunte, dass der moderne Feuerblitz auch eine dem Ganymed ebenbürtige Katapultbeschleunigung besaß. Oder war es gar eine Notfallgeschwindigkeitsstufe, wie sie nur bei höchster Gefahr von den meisten Besen abverlangt werden konte?
Fünf der frontal anfliegenden Thestrale stürzten in die Tiefe. Doch ihr stoß verfehlte die zwei Besenreiter um mehr als zwanzig Meter. Die anderen Thestrale behielten für einige Sekunden ihre bisherige Flughöhe bei. Dann gingen auch sie zum Sturzflug über.
Julius sah vor sich gleich zehn Thestrale niederstoßen. Doch bevor sie auf der Höhe des dahinjagenden Feuerblitzes ankamen prallten sie von einem unsichtbaren Hindernis ab und flogen mehr als zehn Meter nach oben zurück. Julius ahnte, dass das die Barriere war. Dann fühlte er, wie Megans unsichtbarer Schutzmantel um ihn wild erbebte. Das dauerte nur eine Sekunde. Dann umschloss ihn ihr geheimnisvoller Umhüllungszauber wieder sanft pulsierend und körperwarm wie davor. Allerdings ebbten auch die leichten Schläge seines Herzanhängers ab. Es war, als trüge er nur noch ein warmes, weiches stück stoff unter seiner Kleidung auf dem Brustkorb. Er versuchte, Millie anzumentiloquieren. Doch er fühlte nur einen sanften Druck auf seinen Kopf. Da wusste er, dass sie gerade in eine gegen Mentiloquismus abgeschottete Zone eingedrungen waren.
Julius sah weitere Thestrale gegen die unsichtbare Barriere prallen. Doch dann erkannte er, dass die Mehrzahl der ihnen auflauernden Zaubertiere mühelos hindurchflogen. Als er erkannte, warum das so war vergaß er seine Hoffnung, Grawp unbehelligt den Portschlüssel aushändigen zu können.
"Die stuten kommen durch", sagte er halblaut. Doch Megan Barley antwortete nicht. Sie hielt auf eine Konstruktion zu, die wie eine Wand aus langen Baumstämmen aussah, die durch geteertes Flechtwerk miteinander verbunden waren. Jetzt erkannte er auch, dass es eine gigantische Blockhütte war, so hoch und breit wie ein vierstöckiges Haus. Auf halber Höhe hingen meterbreite Lederlappen, die wohl Sichtluken verschlossen hielten. Das musste Grawps neues Zuhause sein.
Megan Barley landete den Besen vor der Riesenhütte. Sie blickte sich um und sah, dass die durch die Absperrung gelangten Thestralstuten schon unterwegs zu ihnen waren. Blitzartig zog sie ihren Zauberstab aus dem Umhang hervor und streckte ihn mit derselben Armbewegung senkrecht nach oben. Dann stieß sie drei helle Laute aus, die wie Schreie eines Greifvogels klangen. Was Julius dann sah gab ihm das Gefühl eines Déjà Vus. Auf einmal fühlte er sich um fünf Jahre und fünf Monate in der Zeit zurück und mehr als siebentausend Kilometer westwärts versetzt.
Aus Megans Zauberstab brach eine tiefschwarze Kugel, die sich mit großer Geschwindigkeit aufblähte und zum Kopf eines Vogels auswuchs, dessen Hals, Flügel und Körper innerhalb von zwei Sekunden folgten. Gänzlich dem Zauberstab entschlüpft wuchs der schattengleiche Vogel auf die Größe eines orientalischen Felsenvogels an. Er wirkte dabei wie eine Verschmelzung zwischen Greifvogel und Gewitterwolke. Als das aus purer Zauberkraft bestehende Kunstgeschöpf seine gigantische Endgröße erreicht hatte stieß es einen geisterhaft sphärischen Schrei aus und jagte dann auf die anfliegenden Thestrale zu.
"Ich hoffe, du verstehst, dass das keiner deiner Kollegen und auch keiner, mit dem oder der du nicht sehr gut vertraut bist wissen darf", wisperte Megan Barley, als der von ihr beschworene Riesenvogel sich den Thestralen Näherte.
"Das ist derselbe, den die Wiederkehrerin damals in der Wüste beschworen hat, um gegen Hallitti zu kämpfen", seufzte Julius.
"Absolut. Das ist unser Familienavatar. Jeder von uns hat mitgeholfen, bei jedem diesen Vogel in Bereitschaft zu zaubern, der nur bei unmittelbarer Lebensgefahr und Überzahl an fliegenden Gegnern gerufen werden darf. Da du deine Geheimnisse hütest siehst du sicher ein, dass auch ich genug Geheimnisse hüte, die nicht für offizielle Augen oder Ohren bestimmt sind", erwiderte Megan Barley.
"Wird er die Thestrale töten? Ich meine, die handeln doch nicht aus eigenem Antrieb", forschte Julius.
"Nur wenn sie nicht vor ihm flüchten und uns weiter anzugreifen versuchen", erwiderte Megan Barley ungerührt.
Tatsächlich versuchten fünf Thestralstuten, den heraufbeschworenen Vogel anzugreifen. Doch nachdem dieser mit seinen Flügeln zwei von denen wie Blätter im Herbststurm weggefegt und eine blitzschnell in seinem Schnabel hatte verschwinden lassen wie ein im Flug gefangenes Insekt versuchten die übrigen, an ihm vorbeizukommen, um die gelandeten Soziusflieger zu bestürmen. Doch dagegen hatte der Riesenvogel was. Besser, es wiedersprach seinem Auftrag, seine Beschwörerin und ihren Begleiter gegen Angriffe zu schützen. So schnell wie ein Flugbesen manövrierte der Riesenvogel und ging in eine enge Kreisbahn über der Hütte. "Los, in die Hütte. Da wird er keinen Thestral mehr reinlassen!" rief Megan Barley und zog Julius hinter sich her.
Eine portalgroße Tür öffnete sich knarzend, und der sehr verunstaltet ausehende Riese Grawp zwengte sich aus dem Haus. Er brüllte laut auf und schwang seine Fäuste, die jede für sich doppelt so groß wie Julius' Kopf waren. Damit stand fest, dass der Weg in die Hütte gerade nicht zur Debatte stand, erkannten Megan und Julius ohne weitere Absprache.
"Vielleicht ist das die Gelegenheit, ihm den Schlüssel anzuhängen. Werfen Sie ihm den über einen Arm und rufen Sie das Wort!" wisperte Julius. Doch auch ohne Megans Antwort abwarten zu müssen erkannte er, dass das alles andere als leicht war. Denn Grawp wirbelte mit seinen baumstammdicken Armen wie Mühlenflügel im Sturm. Als er dann sah, dass da zwei fremde Leute vor ihm standen wollte er gezielt zuschlagen. Nur die Flucht zurück auf den Besen rettete die beiden davor, unter einem wuchtigen Faustschlag in den Boden gerammt zu werden. "Weg hier. Ihr nicht hier sein sollt!!!" brüllte Grawp. Julius meinte, seine Ohren müssten ihm gleich vom Kopf brechen. Nur weil sie jetzt schon wieder mehr als fünf Meter über dem Boden flogen konnten sie ihm ausweichen. Julius spielte einen Moment mit dem Gedanken, den Freiflugzauber zu benutzen, um den Riesen von oben und hinten die Decke überzuwerfen. Doch so wild wie Grawp seinen ganzen Körper bewegte würde das Tuch davonfliegen, bevor das Auslösewort zu Ende gesprochen war. Doch ihm kam eine andere Idee. Er wollte mit dem Zauberstab auf Grawps zum brüllen weit geöffneten Mund zielen und den Todeswehrzauber dort hineinjagen. Vielleicht wirkte der, wenn er nicht durch die dicke Riesenhaut dringen musste. Er wollte gerade Megan seine Idee zuflüstern, damit sie für einige Sekunden landete und er den eigenen Zauberstab herausholen konnte, da griffen die Thestrale wieder an.
Megan Barley schaffte es gerade so, zwischen den nach unten schnellenden Fängen ihres gigantischen Avatars hindurchzuschlüpfen. Julius konnte sich im Moment nur festklammern. Im Zickzackkurs und in wellenförmigen Sprüngen konnten sie die Thestrale auf Abstand halten. Die übrigen wurden von Schnabel, Flügel und Fängen des schattengleichen Riesenvogels abgewehrt. Drei Thestrale verloren dabei ihr Leben oder verschwanden im gewaltigen Leib des unheimlichen Avatars. Grawp versuchte nun seinerseits, den Riesenvogel anzugreifen. Er riss Steine vom Boden und schleuderte sie nach oben.
"Wäre auch eine Idee, ihn wegtragen zu lassen", sagte Julius zu Megan.
"Nur dass dieser Vogel bei Berührung eine lebensgefährliche Eiseskälte überträgt, ähnlich einem Nachtschatten", erwiderte Megan Barley. "Selbst die Haut eines Riesens könnte dieser Kälte wohl nur eine halbe Minute widerstehen."
"Dann lassen wir das besser bleiben", schnaubte Julius. Denn Grawp zu töten war weder sein Wunsch noch sein Auftrag. Aber sich von ihm töten lassen wollte er dann auch nicht.
"Versuche, Grawp anzusprechen und ihn zu bitten, sich zu beruhigen. Ich halte uns von den Thestralen fern, die mein Avatar nicht zurückschlagen kann."
"Die flüchten gerade. Es ist, als wären sie zurückgepfiffen worden", sagte Julius, der wie Megan sah, dass die gerade eben noch angreifenden Thestrale urplötzlich umkehrten und davonflogen, nicht in heilloser Panik, sondern in einem schnellen, geordneten Rückzug. Da der Riesenvogel nur den Auftrag hatte, seine Beschwörerin und ihren Begleiter zu beschützen verfolgte er die geflügelten Pferdewesen nicht.
"Die wurden zurückgerufen, Julius. Dreimal darfst du raten, von wem!"
"Ich brauche nur einmal zu raten", grummelte Julius. Dann fragte er: "Wird Ihr Schattenvogel uns auch gegen sie verteidigen?"
"Gegen jeden, der nicht Grawp ist und uns angreift", sagte Megan. "So habe ich es bei der Hervorrufung festgelegt."
"Wenn wir Grawp jetzt das Tuch umlegen könnten wir ihn noch wegschaffen", sagte Julius.
"Wir haben gerade noch eine Minute. Mein Avatar meldet, dass diese Riesenfrau in ihrem fliegenden Netz bereits auf dem Weg hierher ist." Julius spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, den Zeitpaktzauber zu wirken, um den Fluss der Zeit um sich herum anzuhalten. Doch dieser Zauber forderte seinen Preis, und er wusste nicht, wie lange er brauchen würde, um Grawp das Tuch umzulegen. Außerdem wusste er nicht, ob er dann noch frei fliegen konnte oder nur die reine Körperkraft zur Verfügung hatte. Je länger er sich außerhalb der fließenden Zeit aufhielt, desto mehr Lebenszeit ging ihm nach Rückkehr in den Zeitstrom verloren. Also blieb nur der direkte Angriff. Dann stieß der Vogel über ihnen einen lauten Kampfschrei aus und jagte schnell wie ein Kampfflugzeug in Richtung Talzugang.
"Hat sie Hagrid dabei?" fragte Julius. Megan Barley horchte in sich hinein. "Ja, hat sie. Wenn wir Grawp wegschaffen wird sie ihre Wut an ihm auslassen."
"Patt", stieß Julius aus.
"Ich habe Schach nie etwas wirklich ansprechendes abgewonnen", schnarrte Megan Barley. "Gut, treiben wir Grawp in die Hütte und schließen ihn dort ein!" sagte sie. "Vielleicht gelingt uns ja, dieses Riesenweib wegzuschicken."
"Mit oder ohne Hagrid?" fragte Julius.
"Du hast eine Art, Fragen zu stellen, die ich im Moment nicht beantworten will", knurrte Megan Barley. "Ah, mein Avatar ist an ihr dran und .... Aaaaauuuurrg!" Wie vom Blitz getroffen fiel die Lehrerin für Verteidigung gegen dunkle Künste zu Boden. Julius vergaß in dem Moment Grawp, die immer noch über ihm fliegenden Thestrale und die heranfliegende Gurgha. Er zauberte "Vitalis Revelio!" Um Megans Körper glomm sehr schwach ein Muster aus grünem Licht. Eigentlich hätte sie im Wachzustand eine blaugrüne, die Körperkonturen abbildende Aura ausstrahlen müssen, die dort, wo die wichtigsten Organe saßen, ein wenig Heller erschien, so dass die Organfunktionen beobachtet werden konnten. Doch im Moment sah Julius nur ein etwas heller glimmendes Licht über dem Herzen, das sehr langsam und beinahe nicht mehr unterscheidbar schwach glomm. Dort wo das Gehirn saß zuckten vereinzelte schwache Lichtentladungen auf. Megan Barley war von einem auf den anderen Moment in totale Bewusstlosigkeit, vielleicht in ein Koma gefallen. Julius wusste, dass Avatare von der Ausdauer ihrer Erschaffer zehrten. Wurden die Avatare zerstört ging dem Beschwörer eine Menge Ausdauer verloren. Wie viel genau wusste er in diesem Fall nicht. Da kam Grawp.
"Ihr nicht hier sein dürft!" brüllte er. "Nur Hagger hier sein darf."
"Hagrid gefangen von ganz großer grüner Frau. Will dich totmachen oder einsperren", erwiderte Julius. Grawp stand nun keinen seiner Schritte mehr von ihm entfernt. Das war eigentlich die geniale Chance, ihm das Portschlüsseltuch zuzuwerfen.
"Du mit der da wieder wegfliegen!" dröhnte Grawp. Dann hörte er das Flügelrauschen vieler fliegender Tiere. Da er als Riese schon viele seiner Artgenossen hatte sterben sehen müssen konnte er sie auch sehen. Er brüllte los, weil er dachte, jemand wollte ihn mit diesen Tieren einfangen. Julius sah ihn losrennen, auf seine Hütte zu. Julius dachte, dass das vielleicht seine Chance war, in Sicherheit zu kommen. Aber Megan wollte er nicht hilflos hier liegen lassen. Dann hörte er den Gesang, lieblich und raumfüllend. Sofort überkam ihn der Wunsch, diesem Lied zuzuhören, zu der Sängerin hinzulaufen und sich ihr hinzugeben. Da zitterte sein neues Verständigungsarmband wild und schaffte es für einen Sekundenbruchteil, seine Entrücktheit zu vertreiben. Jetzt erkannte er, was ihm da passierte. Er riss die Hände hoch und hielt sich die Ohren zu. Dann strengte er sich an, mit Hilfe seines eigenen Herzschlages das Lied des inneren Friedens zu denken. Er keuchte, weil er fühlte, dass es diesmal besonders schwer war. Doch er schaffte es, dieses magische Lied, das er nur in seinem Geist erklingen lassen musste, über den magischen Gesang der herankommenden Gurgha klingen zu lassen. Endlich fühlte er sich wieder frei von jedem Drang, einfach loszulaufen und sich der grünen Gurgha hinzugeben. Dann kam ihm eine weitere Idee. Er holte seinen Zauberstab hervor, ließ sich neben Megan Barley fallenund umklammerte ihren schlaff am Boden liegenden linken Arm. Dann dachte er schnell und taktsicher die Formel für den Schleier des Guten. Wenn er schon nicht verhindern konnte, dass Grawp in den Bann dieser grünen Furie geriet, dann wollte er wenigstens verhindern, dass Megan Barley getötet wurde. Er ließ jene magische Formel, die wie ein Lied zu klingen hatte, in seinem Kopf erklingen. Er fühlte, wie sein Körper darauf reagierte, wie aus ihm heraus jene Kraft strömte, die bewirkte, dass seine Feinde ihn nicht zur Kenntnis nahmen, auch wenn sie ihn hören, sehen oder riechen konnten. Er durfte sich jetzt nur nicht mehr von der Stelle rühren. Er hoffte, dass auch Megan Barley in diesen Schutz eingeschlossen wurde. Weil sie gerade bewusstlos und körperlich geschwächt war konnte dieser Zauber sie hoffentlich auch durchdringen, ohne auf Widerstand zu treffen. Er dachte dieses Lied noch einmal und noch einmal, bis er keine weitere Reaktion fühlte. Dann sah er die grüne Gurgha mit ihrem fliegenden Netz landen. Um sie herum flogen weitere Thestrale.
"Komm her zu mir und sei bei mir!!" sang sie laut und klar wie eine langjährige Opernsängerin. Nein, ihre Stimme übertraf sogar noch alle Opernsängerinnen, die er bisher hatte hören können beziehungsweise müssen. Denn die Oper war nicht seine Form von Musik, auch wenn die Italiener schon melodiöse stücke gemacht hatten.
"Du weggehen. Du böse!" brüllte Grawp von weiter weg. Julius sah, wie ein Stein geflogen kam und dachte einen Moment, dass der Stein beim Runterfallen Megan oder ihn treffen würde. Doch das Wurfgeschoss prallte gegen Nals linkes Bein, als diese gerade landete. "Komm zu mir! Sei bei mir!" säuselte sie. Kaum dass sie mit ihren Füßen den Boden berührte war es Julius, als ströme ein mit vielen prickelnden Funken geladener Wind ihn an. Noch nie vorher hatte er die unmittelbare Gegenwart eines Zauberwesens so körperlich verspürt wie jetzt. Nicht einmal die Abgrundstöchter hatten auf ihn so gewirkt. Das lag sicher an der besonderen Magie dieses Ortes. Auch fühlte er, wie sein innerer Widerstand zu wanken begann. Er fühlte sich wieder mehr diesem Lied hingezogen, dass Nal sang. Er kämpfte mit dem Lied des inneren Friedens dagegen an und dachte nur noch an die Melodie und die Worte dieses reinen Geisteszaubers. So nahm er es fast wie im Traum wahr, wie Grawp mit stampfenden Schritten wieder zurückkehrte. Er sah die Gurgha in einem hellen Licht erstrahlen, das aus ihr selbst leuchtete. Das war fast so wie die leuchtende Erscheinung von Pentaia, dachte Julius. Am Ende war Nal noch ähnlich mächtig wie dieses mit seiner Hilfe entstandene Geistwesen.
"Komm zu mir! Sei bei mir! Bleib bei mir!" sang Nal erneut. Grawp folgte wie ein gehorsamer Hund jedem ihrer Worte. Als er keinen seiner Schritte mehr von Nal entfernt war taumelte er. Auf einen Wink von ihr fiel er vor ihr auf die Knie. Dabei erzeugte er ein kurzes, dumpfes Beben im Boden. Julius war drauf und dran, hier und jetzt dazwischenzugehen. Doch gerade rechtzeitig sah er einen Pulk von Thestralen und Nachtvögeln, die wie ein großer Teppich über Nal und Grawp flogen. Wenn er sich jetzt von seinem Platz entfernte hörte sein Schutzzauber auf. So tief wie die Tiere waren hatte er dann gerade noch eine Sekunde Zeit, etwas zu tun. Außerdem war es schon zu spät. Nal schnellte ihre lange, rosarote Zunge aus dem Mund heraus und schleckte Grawp erst Lippen und Nase ab, bevor sie ihre Zunge behutsam wie für einen innigen Kuss in Grawps Mund schob. Der Kuss des Todes, oder der Kuss der ewigen Sklaverei, dachte Julius dabei. Er wusste, dass Sabberhexen sich auf diese Weise Menschenjungen gefügig machen konnten. Nal konnte das auch. Als Nal Grawp endgültig in ihren Bann gezogen hatte löste sie ihr Gesicht von seinem und trat vier schritte zurück. Julius hörte, wie sie mit dem Gebannten Riesen sprach. Er kannte die Sprache nicht. Doch Grawp schien zu verstehen. Er erhob sich wie ein dem Bett entsteigender Schlafwandler und ging mit schwankenden Bewegungen auf einen Ring aus gerade landenden Thestralen zu. Julius dachte an Zombies, die sich ähnlich torkelnd bewegten. Wenn die grüne Riesenfrau das mit Hagrid auch gemacht hatte würde der nicht mehr von ihr weggehen wollen. Als hätte Julius mit diesem Gedanken einen Auslöser gedrückt hörte er Hagrid aus dem Sack heraus rufen: "Nein, Grawp. Du musst dich wehren. Die will dich deinen Feinden zurückbringen, Ogulrak und Honarrg!"
"Bist du ruhig, Halbling!" Schnarrte Nal und griff hinter sich. "Aber sei es. Du bleibst eh hier. Bist eh schon zu alt für die Zucht." Mit diesen Worten stülpte sie den Sack um. Hagrid fiel kopfüber heraus und krachte auf den angefrorenen Boden. Dann kletterte sie in ihr Netz zurück und stieß einen kurzen Ruf aus. Die außen wartenden Thestrale packten wieder zu und hoben die Gurgha mit ihrem Netz wieder an. Gleichzeitig hob auch ein Netz mit Grawp darin ab. An diesem zogen an die dreißig Thestrale zugleich. Weitere vierzig bis fünfzig umschwirrten die Gurgha und schirmten sie gegen jeden möglichen Angriffsversuch ab.
"Bin ich jetzt ein Feigling oder ein guter Spion oder ein armseliger Nichtskönner?" fragte sich Julius in Gedanken, als er nur zusah, wie die Gurgha mit ihrer Riesenbeute immer schneller davonflog. Er wartete noch einige Minuten, obwohl es so kalt war, dass er froh war, die gleichwarm bezauberte Winterkleidung unter seinem Umhang zu tragen. Aber an Gesicht und Händen fühlte er den grimmigen Biss des Nachtfrostes, der vor allem hier oben im Hochland besonders arg dreinschlug. Dabei fand er zumindest eine Antwort auf seine Frage. "Tote Helden nütztn nur dann was, wenn sie durch ihren Tod den Feind vernichteten oder die tödliche Bedrohung beseitigten. Welche Chance hätte er im direkten Kampf gegen zwanzig oder dreißig Thestrale auf einmal gehabt? Die Gurgha hätte ihn sicher getötet und vor allem Megan Barley, die ihr den gewaltigen Avatar entgegengeschickt hatte. Schlimmer als der Tod erschien ihm aber die Möglichkeit, von der grünen Halbriesin versklavt und als Zuchthengst missbraucht zu werden. Hagrid war zu alt für die Zucht. Das war überdeutlich. Hagrid! Wegen ihm und Megan hatte er zugelassen, dass Grawp entführt wurde. Vielleicht, so musste Julius sich innerlich eingestehen, war es ihm auch egal, dass Grawp fortgeschafft wurde. Er kannte einige, die lautstark applaudieren würden, wenn sie wussten, dass jener Riese, der bei Dumbledores Beerdigung dabei gewesen war, endlich aus der menschlichen Zivilisation herausgeschafft wurde. Doch rechtfertigte das die ganzen Toten und Versklavten, die Nals Weg bisher gepflastert hatten und noch pflastern würden, bis sie meinte, alles erreicht zu haben, was sie erreichen wollte. Trotz dieser unsagbaren Hilflosigkeit Nal gegenüber verspürte er nicht den Wunsch, sie töten zu wollen. Bei einer der Abgrundstöchter hätte er bedenkenlos gesagt, dass diese kein Recht auf Leben hätte. Doch Nal war für ihn was anderes, keine dauerhafte Feindin. Sie hätte Hagrid schon auf dem Flug hierher aus diesem Sack fallen lassen können. Es hätte Jahre gedauert, bis ihn jemand gefunden hätte. Sie hatte ihn aber hergebracht, damit er zusah, wie Grawp ihr wortwörtlich ins Netz ging.
Hagrid hatte den Sturz wohl gut weggesteckt. Er erhob sich gerade. Julius war versucht, sich auch zu erheben und auf ihn zuzulaufen, um ihn zu fragen, wie es ihm gehe. Doch Dann kam ihm die Idee, auszuprobieren, ob Hagrid ihn und Megan sehen würde. Falls ja, dann war alles in Ordnung. Falls nein, musste er sich vor Hagrid in Acht nehmen. So verharrte er auf der Stelle. Hagrid ging mit schweren Schritten auf die Hütte zu. Dabei kam er keinen halben Meter an Julius vorbei. Dieser dachte schon, gleich von dem Halbriesen berührt zu werden. Doch der ging weiter auf die Hütte zu. Dann tat er was, womit Julius nicht wirklich gerechnet hatte. Er zog seinen merkwürdigen Regenschirm hervor und zielte damit auf die Hütte. "Incendio!!" bellte er in die Nacht. Unvermittelt stand die Hütte lichterloh in Flammen. Dann wandte sich Hagrid um. Im Licht des entfachten Feuers musste er Julius und Megan sehen. Doch Hagrid ging an ihnen vorbei, ohne ihnen ausweichen zu müssen und steuerte auf den östlichen Taleingang zu. Julius unterdrückte erneut den Wunsch, sich bemerkbar zu machen. Denn wenn Hagrid sie im Licht des Feuers nicht gesehen hatte, wirkte Julius' Schleier des guten auf ihn, was hieß, dass Hagrid im Moment ein Feind war. Hoffentlich ging Hagrid aus dem Tal hinaus, bevor Julius gezwungen war, seine sichere Wartestellung aufzugeben. Auf einen Kampf mit ihm wollte und durfte er sich nicht einlassen. Denn wie er aus eigener, leidvoller Erfahrung wusste waren Halbriesen gegen einzelne Zauberflüche immun. Da würde dann nur noch der Todesfluch helfen. Das konnte er Professor McGonagall, Harry Potter und allen, denen Hagrid lieb und teuer war nicht antun. Abgesehen davon würde er dann die Gewalt über alle Zauber verlieren, die ihm Ianshira und Ashtargggayan beigebracht hatten.
Das Feuer wärmte Julius und Megan gut genug, dass sie fünf Minuten länger ausharren konnten. Dann stand er auf und trat einen Schritt nach vorne. Damit beendete er den Schutzzauber. Sofort gröhlte jemand triumphierend los. Aus der Dunkelheit stürzte ein Koloss von Mann mit drohend erhobenem Regenschirm. Julius hatte mit einer derartigen Situation gerechnet und feuerte zur Ablenkung einen roten Knallfrosch auf Hagrid ab. Dieser ließ einen strahl roter Funken aus dem Regenschirm entfahren, der den Knallfrosch in der Luft zum zerbersten brachte. "Sie wusste, dass ihr noch da sein musstet!" brüllte Hagrid. "Deshalb habe ich die Hütte angezündet. Die braucht Grawp nicht mehr."
"Achso, und die Warnung an Grawp galt uns, damit wir uns aus dem Versteck wagten", erwiderte Julius.
"Genau!" donnerte Hagrid, der nur noch sechs Schritte von Julius entfernt war. Kam es jetzt doch zum ungewollten Kampf?
"Kämpfen Sie gegen ihren Befehl an, mich umzubringen. Sie wollen das nicht wirklich!" rief Julius Hagrid zu.
"Ich habe ihr erzählt, dass du nach ihr suchst. Sie hätte dich gerne selbst eingesammelt und in den Sack gesteckt, in den sie mich reingestopft hat. Aber wenn ich dich hier finden sollte, dann soll ich dich töten, hat sie gesagt."
"Hat sie. Aber sie wollen keinen ehemaligen Schüler umbringen, Hagrid. Sie sind im Moment nicht Sie selbst."
"Ich bin klarer als vorher. Nal macht das richtige. Sie muss alle Riesen in ein einziges Reich zurückholen, wo so viele gestorben sind. Sie holt mich, wenn sie Meglamora und Olympe Maxime eingesammelt hat. Sie hat ein großes Schiff organisiert, mit dem wir dann zurückfahren."
"Sie ist keine Heilsbringerin, Hagrid. Sie will nur Macht ausüben", sagte Julius. Doch er redete gegen eine eiskalte Wand, wo hinter ihm gerade eine Riesenhütte brannte.
"Sie hat gesagt, wenn du dich ergibst und freiwillig mit mir mitgehst nimmt sie dich auch gerne mit, weil du stark bist und Sachen kannst, die sie noch nicht kennt."
"Ja, und so bleibt das auch, Hagrid", sagte Julius. Dann riss er den Zauberstab hoch. "Expelliarmus!" rief er. Hagrid war nicht schnell genug oder kannte keine Gegenaktion gegen diesen Zauber. Ein scharlachroter Lichtblitz fegte den bereitgehaltenen Regenschirm aus Hagrids gewaltiger Hand.
"Ich bring dich um, Schlammblut!" brüllte Hagrid wütend und stürzte die letzten langen Schritte auf Julius zu. Dieser versuchte, ein Loch in den Boden zu sprengen. Doch außer einer kurzen Lichtentladung passierte nichts. Nur noch zwei Schritte trennten den Halbriesen von dem jungen Ministeriumszauberer. Da wischte etwas perlweißes, kleinwüchsiges aus einem der Bäume hervor und traf Hagrid voll ins Gesicht. Der Halbriese riss die Hände vor den Mund und röchelte laut. Dann taumelte er. Dann bekam er einen Gesichtsausdruck, als wolle er in weite Fernen blicken. Dann sprach er mit einer wesentlich weniger wütenden Stimme. "Ich werde nicht zusehen, wie ein Halbblut eine meiner Schwestern tötet. lade sie auf deinen Besen und trage sie bis zum Ausgang des Tales, Schutzbefohlener alten Blutes!"
Julius schaltete blitzschnell. So eine Situation kannte er schon. Hagrids Körper war von einem fremden und mächtigen Geist übernommen worden, nicht dem Nals, sondern dem einer anderen Hexe, womöglich "Yuna McCormack?"
"Ja, die bin ich. Und jetzt entferne dich mit deiner Schutzherrin aus einem ehrwürdigen Geschlecht von hier. Noch länger kann und will ich dich hier nicht erblicken", sagte Hagrid unter dem Einfluss des fremden Geistes. Julius nickte und ging zu Megan Barley. "Sie ist ohnmächtig und kann mir nicht helfen, aus dem Tal zu kommen", sagte er.
"Dieses Tal ist mein Reich, mein Schatz, mein Vermächtnis. Wenn ich will, dass du dieses Tal verlässt, dann wirst du es verlassen", erwiderte die in Hagrid eingenistete Yuna McCormack. Julius nickte ergeben.
Behutsam lud er sich Megan Barley auf den Besen. "Hinter ihr sollst du sitzen", sagte der Besessene mit nun wieder verärgert klingender Stimme. Julius gehorchte und wechselte den Platz. Von hinten zu steuern hatte er gelernt. Woher wusste der Geist dieser alten Hexe das? Egal! Er startete vorsichtig, was bei diesem hochempfindlichen Besen vorsichtig war und flog über die Baumreihen hinweg. Dabei fühlte er, wie Megan Barleys Körper erzitterte, als führe er über Kopfsteinpflaster. Nach einer Flugminute erreichten sie den Talausgang. Unterwegs merkte Julius, dass er das Tischtuch vergessen hatte. Er wollte noch einmal wenden. Doch hinter ihm zuckten plötzlich grüne Flammenspeere in den Himmel und versperrten ihm den Rückweg. Er versuchte, höher zu fliegen, um durch die Barriere zu dringen. Doch genausogut hätte er gegen die Decke eines Gummizeltes fliegen können. Beim dritten Versuch, die Barriere zu durchfliegen jagte etwas wie ein heftiger stromstoß durch ihn hindurch. Da begriff er, dass er nicht über die aufgeschossenen Flammensäulen hinwegfliegen durfte.
Als sie am Talausgang ankamen wachte Megan Barley auf. "Ui, das war heftig genug, um es nicht zu wiederholen", seufzte sie. Julius fragte sie, woran sie sich noch erinnern konnte. "Bis zu der Vernichtung meines Avatars weiß ich noch alles, Julius." Dann lauschte sie und sagte dann: "Yunas Geist ist echt wütend, nicht nur darüber, dass eine übermächtige Mischung aus Waldfrau und Riesin ihr Tal für ihre Machtdemonstration herangezogen hat, sondern dass fast eine Hexe deshalb hätte sterben müssen. Ich soll dich rausbringen und nach Hogwarts zurückfliegen. Sie möchte dich nie wieder hier sehen, falls du nicht zur strafe in einem der noch unbesetzten Bäume weiterwohnen willst."
"Hat sie dir das mitgeteilt?" fragte Juulius.
"Ja, durch die Kraft aus ihren Bäumen, die mich wiederbelebt hat, Julius. Hagrid können wir dort wieder einsammeln, wo das Tischtuch ihn hinbringen wird."
"Öhm, warum reagiert sie jetzt erst und nicht schon, wo Grawp hier hinverlegt wurde?" fragte Julius.
"Das ist auch ein Grund, warum sie wütend ist, dass sie die Verlegung von Grawp nicht verhindern konnte. Erst als Nal hier ankam und ihre Bäume angezapft hat kam sie wieder frei, nachdem Anthelia sie damals in einem ihrer Bäume gebannt hatte."
"Oha, dann hat die echt allen Grund, sauer zu sein", stellte Julius fest. Er dachte daran, dass sie mit Anthelia sicher noch ein riesiges Huhn zu rupfen hatte, wenn sie wusste, dass diese den Tod ihres ersten Körpers überwunden hatte.
"Wie dem auch sei, Julius, wir haben hier nichts mehr zu suchen. Mit wir meint sie auch mich. Sie hat mir das mit dir nur durchgehen lassen, weil ich aus einer alten Familie stamme und noch keine eigenen Kinder zur Welt gebracht habe."
"Aber wenn du das nächste mal hierherkommst gibt es Krach?" fragte Julius.
"Den gleichen, den du kriegen würdest", erwiderte Megan. Dann konzentrierte sie sich darauf, jenen Umhüllungszauber zu wirken, mit dem sie Julius durch die Barriere getragen hatte.
Als sie wieder aus dem Tal heraus waren beschleunigte Megan Barley mit aller Kraft, die der Besen aufbieten konnte. So rasten sie innerhalb von nur acht Minuten über fünfzig Kilometer hinweg zurück nach Hogwarts.
"Wo kommt hagrid nun an, wenn er den Portschlüssel benutzt?" fragte Julius Professor McGonagall.
"St. Helena im Südatlantik", erwiderte Professor McGonagall.
"Öhm, wo Napoléon die letzten Jahre seines Lebens absitzen musste?" fragte Julius. Professor McGonagall nickte.
"Dann bin ich hier auf jeden Fall fertig", sagte Julius dann noch. "Sie will Meglamora auch "einsammeln", hat Hagrid gesagt. Dann sollte ich ganz schnell wieder nach Paris zurück."
"Ja, aber vorher erwarten sowohl ich als Schulleiterin von Hogwarts, sowie der Vorsteher des Büros für die friedliche Koexistenz von Menschen mit und ohne Magie, der Leiter der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe und obendrauf der britische Zaubereiminister Ihren Erlebnisbericht. Dazu haben Sie bis morgen Nachmittag zeit."
"O Bürockratia, wie groß ist dein Reich?" seufzte Julius.
"Ich kann und diesem gesonderten Fall will ich auch nichts dran ändern, Monsieur Latierre", schnarrte die Schulleiterin von Hogwarts. .
"Und Sie konnten wirklich nichts gegen sie ausrichten?" fragte Olympe Maxime Julius Latierre, als dieser eine halbe Stunde nach seiner Rückkehr aus Großbritannien schon bei ihr und Meglamora erschien.
"Professor Barley hat mit einigen Abwehr- und Trugbildzaubern hantiert. Doch die haben nur dazu geführt, dass sie dabei ohnmächtig wurde. Es dauerte, bis sie wieder aufgewacht ist. Hagrid ist von dieser grünen Halbriesin unterworfen worden. Er hätte mich fast getötet", erwähnte Julius. Dann berichtete er das, was er in schriftlicher Form schon für die englischen Kollegen angefertigt hatte. Dabei kam jedoch kein übergroßer schwarzer Vogel vor. Das hatte er Megan Barley ja versprochen.
"Dann sollten wir Meglamora besser in eine baumlose Umgebung versetzen und uns zurückziehen, bis Ihre Kollegen ein probates Abwehrmittel gegen diese Hybridin entwickelt und erprobt haben."
"Und das ist das Problem. Wir müssten eigentlich jetzt sofort weg. Ich weiß nicht, wie schnell Thestrale fliegen können, die einen ausgewachsenen Riesen in einem Netz tragen. Vielleicht kehrt sie erst mit Grawp zurück in ihr Königreich der Riesen, bevor sie wieder herkommt."
"Oder sie steht schon kurz vor der Tür, wolten Sie sagen", zischte Mademoiselle Maxime. Julius nickte energisch.
"Gut, dann kläre ich das mit meiner Tante, dass wir sie am besten in die algerische Wüste verlegen, wo das dortige Zaubereiministerium ein Reservat für Zaubertiere eingerichtet hat."
"Aber die wollen eine Menge Gold dafür haben, Riesen unterzubringen. Das hatten wir doch schon mal", erwiderte Julius.
"Ich kenne den Reservatsleiter doch aus meiner Zeit in Beauxbatons. Monsieur Fomalhaut wird Meglamora vor denen aus dem Ministerium lange genug verstecken können, bis wir eine bessere Bleibe gefunden haben." Julius nickte. "Gut, da Sie eher mit Ihrer Tante sprechen können als ich versuchen Sie es bitte, ihr das zu erklären, bevor wir ungebetenen Besuch in Grün kriegen", raunte Julius. Dann fiel ihm noch ein, dass Meglamora diese grüne Gurgah all zu gerne einmal sehen wollte. "Erzählen Sie ihr bitte, dass die grüne Gurgha alle Riesen umbringt, die vor ihrer Machtübernahme das Rückzugsgebiet verlassen haben. Wenn sie ihre Guiguis nicht verlieren möchte sollte sie sich besser anderswo hinbringen lassen. Öhm, ginge nicht auch diese Höhle, in der sie Ragnar geboren hat?"
"Die hätte ich schon längst wieder ausgesucht. Leider haben die Erbauer dieser Höhlenstadt davon erfahren, dass dort eine Riesin einige Monate lang gewohnt hat. Das fanden die Zwerge gar nicht erheiternd. Sie haben die Höhle nun so eng und niedrig gebaut, dass nur noch Ihresgleichen dort hineinkönnen. Außerdem wollen Sie prüfen, ob das Zaubereiministerium Nutzungsgebühren für die Höhle zahlen soll. Aber wie Sie wissen gibt es im Moment keinen Zwerg, der mit dem Ministerium über sowas verhandeln möchte." Julius nickte. "Gut, ich kläre das mit meiner Tante. Bleiben Sie bitte auf Posten und überwachen den Himmel oder die Zugänge zu diesem Talabschnitt!" Julius bestätigte es.
Zehn Minuten lang musste er warten, bis Olympe Maxime aus der Hütte zurückkehrte, die ihre Tante bewohnte. "Sie will nicht wieder weg. Sie ist froh, dass sie hier in Ruhe ihre beiden Guiguis bekommen kann. Solte wirklich jemand versuchen, sie hier zu töten, wird sie kämpfen, hat sie gesagt."
"Ja, und ihr einen Portschlüssel in die Hand drücken ist nicht so leicht", erwiderte Julius.
"Sie reisen bitte sofort nach Millemerveilles und fragen dort bei Monsieur Dusoleil an, ob er seine magicomechanischenÜberwachungsgeräte fertig hat!"
"In Ordnung!" willigte Julius ein.
Als Julius nach mehreren Zwischenstops vor dem Haus Jardin du Soleil apparierte sah er gerade einen sehr verärgerten Florymont Dusoleil in der Tür zu seiner Werkstatt stehen. Auf dem Besen flog gerade der Untersekretär des Zaubereiministeriums fort. Als Florymont den angeheirateten Verwandten sah knirschte er kurz mit den Zähnen. Doch dann winkte er Julius.
"Ah, wieder aus deiner alten Heimat zurück? Hast du denen etwa vorgeschlagen, Explosivkörper auf magisch fernlenkbare Artefakte zu setzen? Ach, ich sehe, du bist gerade erst zurückgekommen." Julius trug noch seinen Winterreiseumhang, den er wegen des stops in den Pyrenäen noch nicht gegen die standardbekleidung getauscht hatte.
"Es ging mir nur um die Überwachungsdrohnen, Florymont. Hast du sie denn soweit fertig, dass Mademoiselle Maxime sie einsetzen kann?"
"Schon seit gestern, Julius. Aber komm besser mit in die Werkstatt. Hier wohnt zwar keine Linda Knowles. Aber für sowas wichtiges möchte ich doch einen Dauerklangkerker um mich herumhaben."
Florymont erzählte Julius dann, dass er magische Flugdrachen gebaut hatte, die ähnlich wie Flugbesen fliegen konnten und mit Hilfe von Bildverpflanzungsaufnahmegeräten wie beim Polyteleoptron um Millemerveilles die aufgenommenen Bilder an eine mehrere Dutzend Kilometer entfernte Überwachungsstation schicken konnten.
"Ja, und heute morgen erfuhr ich, dass die Schnatzmanufaktur in Orléans ebenfalls fernlenkbare Exemplare von Schnatzen erprobt, allerdings mit der schönen kleinen Ausstattung, dass diese bei Bezeichnung eines Zielgebäudes oder eines Zielwesens hinfliegen, dagegenkrachen und mit der Wucht von Erumpentflüssigkeit explodieren. Ich wurde von dem Untersekretär unseres ansonsten sehr friedfertigen Zaubereiministers gefragt, ob meine Detektionsdrachen auch mit Sprengladungen versehen werden könnten, die bei Bestimmung eines gefährlichen Zieles punktgenau darüber abgeworfen werden können. Da habe ich ihm gesagt, dass ich außer bei der Schlangenmenschenbelagerung keinen Anlass sah und sehe, meine Kenntnisse zur gezielten Tötung von anderen Wesen einzusetzen. Der wackere Monsieur Gautier hat mir dann doch allen Ernstes ein Sonderhonorar von einer Million Galleonen angeboten, wenn ich meine Überwachungsflieger entsprechend umbaue. Widrigenfalls würde diese Summe an die Schnatzmanufaktur gehen."
"Killerdrohnen? Uiuiui, könnten die Muggel auch demnächst haben wollen, wenn das mit diesem so genannten Krieg gegen den Terrorismus so weitergeht. Aber ich möchte zunächst die Überwachungsversion haben. Ich muss das noch mit meiner direkten Vorgesetzten klären, wie viele wir anschaffen können. Aber dass die wegen dieser einen grünen Gurgha gleich derartig aufrüsten wollen ist gruselig", sagte Julius.
"Grauenhaft trifft es eher. Am Besten forsche ich für die Herrschaften gleich nach der Substantia non Grata, diesem ominösen Supersprengstoff, den irgendwelche Alchemisten mal entdeckt haben und damit ihre Heimatstadt vom Erdboden weggeblasen haben."
"Besser nicht, Florymont", entgegnete Julius. Dann bat er um einen Überwachungsdrachen und die entsprechende Fernsteuerung dazu.
"Du kannst sieben auf einmal damit überwachen. Jeder kann eine Kreisfläche von dreißig Kilometer Durchmesser auskundschaften und verfügt über einen Tarnzauber", erklärte Florymont.
"Ich probiere mal aus, ob ich das Segelflugding richtig steuern kann", sagte Julius und bedankte sich bei Florymont Dusoleil.
Kaum war er wieder in den Pyrenäen angekommen sah er bereits einen risigen Schwarm Vögel in der Ferne. Zwischen diesen tauchten auch vereinzelte Thestrale auf.
"Die wird sich freuen, dass ich schon wieder hier bin", grummelte Julius. Mademoiselle Maxime hatte bereits die Einsatztruppen gegen gefährliche Zauberwesen Alarmiert.
"Diesmal wird sie unsere Leute nicht verhexen können", sagte Olympe Maxime. "Die Leute tragen jetzt besondere Ohrenschützer aus Seeschlangenleder. Die sind so bezaubert, dass nur die, auf deren Körper sie abgestimmt sind, sie auf- und absetzen können. Wir haben gelernt." Damit überreichte sie Julius ebenfalls eine kleine Schachtel, auf der sein Name stand. Er griff hinein, als er seinen Namen ausgesprochen hatte. Er zog zwei Ohrenschützer aus blauer Seeschlangenhaut mit Schallschluckfüllung hervor und stülpte sie sich über. "Achtung, Sprechprobe!" hörte er nun als einziges durch die nach außen schalldichten Aufsätze. "Achtung, Sprechprobe!" Julius antwortete "Sprechprobe. Hallo Ornelle."
"Ah, Sie sind auch da, Julius. Gut, wir haben mehrere Gruppen Thestrale gesichtet, die auf die Wohnstatt Meglamoras zusteuern. Allerdings können wir die grüne Gurgha selbst nicht sichten. Und Grawp ist auch nirgendwo zu erkennen", entgegnete Ornelle Ventvits Stimme.
"Das will nichts heißen, weil sie sicher wieder ihre unortbarkeitsmagie benutzt. Aber ich habe einen von Monsieur Dusoleils Überwachungsdrachen. Den schicke ich jetzt los."
"Gut, tun sie das! Vor allem bringen Sie Mademoiselle Maxime, Meglamora und Ragnar endlich aus der bisherigenUnterbringung fort!"
"Meglamora verweigert die Nutzung von Portschlüsseln", erwiderte Julius.
"Dann eben auf einem Flugteppich. Wir haben einen aus der Behörde für die Prüfung magischer Importe entleihen können. Der dürfte gerade auf dem Weg zu Ihnen sein."
"In Ordnung", erwiderte Julius. Sah es wirklich danach aus, dass Nal heute doch noch ihre erste Niederlage kassierte? Was würde sie dann tun?
Julius setzte die dünne Silbermaske auf, durch deren Augengläser er sehen konnte, was das von Florymont gebaute Gerät konnte. Dann startete er den Überwachungsdrachen und spielte die Manövrierfähigkeit des Fernlenkdrachens aus, um ihn schnellstmöglich in Richtung der gesichteten Vogelschwärme zu bringen. Durch die Tarnbezauberung war der Drachen für alle auf Sicht jagenden Tiere unsichtbar. Da er ihn mehr als fünfhundert Meter über Grund steuerte, was er am rechten Rand des rechten Augenglases sehen konnte, würde Nals Illusionsaufhebungskraft ihn auch nicht so einfach entdecken. Ja, und dann entdeckte er Nals Netz und noch ein Dutzend Thestrale, die ein leeres Fischernetz transportierten.
"Achtung, Nal im Anflug aus Nordnordost", meldete er.
"Gut, Truppe Nordost rückt aus zum Abfangen", erwiderte Ornelle.
Keine Minute später entspann sich eine kurze und heftige Luftschlacht zwischen zehn Besenfliegern und den als Geleitschutz mitfliegenden Vögeln. Die Thestrale hielten sich seltsamerweise aus dem Kampf heraus, beziehungsweise sorgten nur dafür, dass ihre Gebieterin nicht offen angeflogen werden konnte. Doch dann passierte was, womit in diesem Moment keiner gerechnet hatte. Die auf den Besen fliegenden Hexen und Zauberer gingen übergangslos zum Angriff aufeinander los. Obwohl sie alle die Ohrenschützer trugen hatte Nal es geschafft, sie zu beeinflussen. Auch die Rückrufe Ornelles an ihre Truppe konnte diesen Kampf nicht beenden. Zum Glück fand dabei niemand den Tod. Doch am Ende waren zehn Hexen und Zauberer außer Gefecht.
"Wie kann die das machen?" fragte sich Julius, dem die grüne Dame immer unheimlicher wurde. Dann erkannte er, dass sie nun kurz vor der Unterbringung Meglamoras war.
"Erlaubnis zum Einsatz der Sprengschnatze erteilt", seufzte Ornelle über die in den Ohrenschützern verwobenen Fernsprechzauber.
"Moment, die landet hier. Sollen Meglamora und ihr Sohn auch sterben?" fragte er in das Netzwerk zurück.
"Nicht, wenn ihr die langsam mal da wegschafft!" fauchte Ornelle.
"Sprengschnatze treffen auf Widerstand. Erlaubnis, sie auszulösen?" fragte ein anderer Kollege.
"Nein, wir habennur zwanzig bekommen", stieß Monsieur Vendredi dazwischen. "Die sollen nur in unmittelbarer Nähe, bestenfalls bei Körperkontakt mit der Hybridin detonieren."
"Sie kommt runter!" rief Mademoiselle Maxime. Julius dachte sofort das Lied des inneren Friedens. Wenn die Ohrenschützer alleine nichts taugten musste er eben wieder auf seine besonderen Kenntnisse vertrauen.
Die Landung der grünen Gurgha war schon ein Spektakel. Um sie herum flogen an die zwanzig Thestrale. Ihr Netz wurde von zwölf dieser Wesen in den Mäulern gehalten. Als Nal aufsetzte konnte Julius sehen, dass vier Thestrale noch einen großen Kübel in der Mitte trugen, aus dem ein junger Baum herauslugte. Julius knurrte, dass dieses Weib doch an vieles gedacht hatte. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von Mademoiselle Maxime beansprucht. Die Halbriesin zog ihren Zauberstab und zielte auf Julius. Dieser hatte mit dieser Wendung gerechnet, seitdem gemeldet worden war, dass die Einsatztruppe sich gegenseitig beharkt hatte. Er warf sich zur Seite und versuchte den Entwaffnungszauber. Dabei wäre ihm fast selbst der Zauberstab aus der Hand geprellt worden. Julius musste schnell alle möglichen Schildzauber aufbieten. Mademoiselle Maxime mit Flüchen anzugreifen war sinnlos. Dann kam ihm die Idee, nicht sie persönlich, sondern den Boden unter ihr anzugreifen. Er zielte kurz und ließ ein einen meter großes Loch im Boden erscheinen. Mademoiselle Maxime gerit mit einem Fuß hinein und kippte seitlich über. Sie konnte sich gerade noch am Rand des Loches festhalten. Da ließ Julius dieses schon wieder zuwachsen. Er ließ einen Erdwall vor der ehemaligen Schulleiterin von Beauxbatons hochwachsen. Dann warf er sich in eine Disapparition.
Als er keine fünfzig Meter vom Landepunkt der grünen Gurgha auftauchte war er bereits entdeckt worden. Dutzende von Vögeln gingen sofort zum Angriff auf ihn über. Das brachte ihn schnell in Bedrängnis. Denn die Vögel zielten nicht auf sein Gesicht, sondern griffen seine zauberstabhand an. Wenn er seinen Zauberstab verlor war es aus und vorbei, wusste er. So blieb ihm nur, mit Karateschlägen und -tritten die vielen Angreifer zurückzuprellen. Fast hätte eine Kamikazekrähe Nals ihm dabei den Zauberstab aus der Hand gerissen. Er focht einen Kampf auf verlorenem Posten. Doch er wollte sich diesmal nicht vorwerfen lassen, nichts getan zu haben. Endlich schaffte er es einen um ihn kreisenden Luftwirbel zu erzeugen, der die ihn anfliegenden Vögel mehr und mehr zurückwarf. Dagegen konnte Nal offenbar nichts ausrichten. Das hätte er mal vor einem Tag wissen sollen, dachte Julius. Doch als Nal sah, dass er gerade wieder freistand lief sie auf ihn zu, diesmal, um es endlich abzuklären, ob er ihr gewachsen war oder nicht.
Meglamora kam mit die Erde erschütternden Schritten angelaufen. Julius konnte gerade so noch aus der Bahn springen, als die schwangere Riesin der grünen Gurgha in den Weg trat. Julius konnte im Moment nicht hören, was Meglamora Nal zurief. Dann sah er, wie Mademoiselle Maximes Tante weit ausholte und der grünen Gurgha voll auf die Nase hieb. Offenbar konnte Nal diese Riesin nicht so einfach betören wie andere. Nal nahm die Schläge hin, als sei sie nur ein aufgepumpter Gummiball. Sie versuchte immer wieder zu singen, um Meglamora umzustimmen. Doch jedesmal bekam sie dafür sofort einen Schlag auf den Mund. Julius riskierte es, seine Ohrenschützer abzusetzen. Damit war er zwar erst einmal raus aus dem Fernsprechnetz. Doch er wollte hören, was die beiden sich zuriefen.
Außer, dass es für ungeschützte Ohren schmerzhaft laut war bekam Julius nichts von der wilden Wortschlacht mit, die paralllel zur wüsten Keilerei ablief. Dann langte es Nal offenbar. Sie setzte kurz an und landete einen kräftigen Kinnhaken mit der Rechten. Meglamora taumelte, hielt sich aber noch auf den Beinen. Offenbar stimmte es, dass schwangere Riesinnen ungleich stärker und ausdauernder waren als ihre männlichen Artgenossen. Dann verpasste Nal ihrer unbezähmbaren Gegnerin noch einen Haken an die Schläfe. Das war auch für Meglamora zu viel. Sie kippte der Länge nach um, wie ein gefällter Baum. Es bebte, als sie aufschlug. Dann sah Nal Julius, der gerade wieder das Lied des inneren Friedens dachte.
"Bist du auch schon wieder hier?" fragte Nal. "Hat Hagrid dich nicht umstimmen können? Diesmal werden wir das klären, wo dein Platz ist. Ich wollte dich eigentlich nicht töten, weil du so stark bist für einen rosahäutigen Bodenläufer. Aber wenn du nicht aufhörst, mir dauernd im Weg herumzulaufen muss ich eben klären, ob du zur Abschreckung deiner Leute von mir an den nächsten Felsen geworfen, von meinen Helfertieren zerfleischt oder von mir persönlich einverleibt wirst. Aber du hast noch die Wahl. Wirf deinen Zauberstab weg und steige in den Sack auf meinem Rücken. Dann werde ich gut auf dich aufpassen, wenn wir wieder in meinem neuen Reich sind."
"Gut auf mich aufpassen? Die anderen würden mich als viel zu klein und zu schwach umbringen, wenn du es nicht tust. Und diesmal nimmst du auch keine von hier mit. Meglamora und ihre Nichte genießen den Schutz des Zaubereiministeriums."
"Welchen Schutz?" lachte Nal. "Die können nicht einmal sich selbst beschützen."
"Lass Meglamora doch hier. Sie ist nicht wichtig genug, dass du wegen ihr Krieg mit uns allen führst."
"Ich will nicht gegen euch kämpfen. Ihr wollt gegen mich kämpfen. Da muss ich mich eben wehren."
"Und die Leute, denen du das Schiff genommen hast und alle Menschen, die auf deinem Weg sterben mussten, weil sie dir im Weg waren?" fragte Julius.
"Sie mussten sterben, weil sie mir eben im Weg herumliefen", versetzte Nal darauf. "Aber du musst nicht sterben. Du kannst bei mir bleiben und mir helfen, eine noch stärkere Rasse zu erschaffen als dein Volk, das meiner Mutter und das meines widerwärtigen Vaters."
"Du hast ihn getötet. War das dann nicht genug?" fragte Julius. Da apparierte ein Zauberer mit Ohrenschützern neben Julius. "Mann, Latierre, Sie sollen weg da, hat Mademoiselle Ventvit gerade durchgerufen. Sind Sie denn des Wahnsinns, keine Ohrenschützer aufzuhaben?" polterte er. Da griff Nal ihn an. Doch der Andere disapparierte so plötzlich, wie er gekommen war.
"Du glaubst doch nicht, dass ich dich noch einnmal entwischen lasse. Du verschwindest nicht so einfach", knurrte Nal. Julius setzte bereits an, zu disapparieren, als sie ihn mit ihrer rechten Hand um den Oberkörper zu fassen bekam und nach oben riss.
"Nun gut, wenn die dir alle zusehen sollen sie es sehen, was mit denen passiert, die mir im Weg herumlaufen.
Mit ihrer freien Hand begann sie, Julius die Kleidung vom Leib zu reißen. Julius horchte, ob sein Herzanhänger noch pulsierte. Doch der lag wieder still und weich an seiner Brust. Wenn sie ihm den fortzureißen versuchte würde nicht nur er, sondern auch Chrysope sterben. Diese Erkenntnis flößte ihm zusätzliche Entschlossenheit ein. Nal hielt ihn vor ihren offenen Mund. Er hatte nur diesen einen Versuch. Er schaffte es, trotz des Griffes der risenhaften Finger um seinen Oberkörper, den Zauberstab anzuheben und auszurichten. Dann dachte er sich Nal, wie sie vor ihm zurückwich und rief "Catashari!" Nal drückte instinktiv zu. Julius fürchtete schon, gnoch im letzten Moment zerdrückt zu werden wie eine Fliege an der Wand. Doch als der silberweiße Lichtstrahl genau in Nals offenen Mund hineinschlug lockerte sich der Griff. Nal keuchte, während das Licht ihren Rachen ausfüllte und ihr sogar zu den Ohren und Nasenlöchern wieder herauskam. Sie ruckte unter dem in sie hineingejagten Zauber. Dann wimmerte sie laut und ließ Julius aus mehr als vier Metern Höhe fallen. Dieser schaffte es noch, mit dem Cadelento-Zauber unverletzt zu landen. Dann sah er, wie Nal erbebte. Sie wippte mit dem Unterleib vor und zurück, als wolle sie einen heißen Tanz tanzen. Dann stöhnte sie laut auf, aber nicht vor Schmerzen, sondern aus einer sehr großen Wolllust heraus, wie Julius zu hören vermeinte. Er setzte sich schnell die Ohrenschützer wieder auf. Da lief ihr Gesicht dunkelbraun an, und sie stieß einen so lauten Schrei aus, dass Julius ihn sogar durch seine Bauchdecke vibrieren fühlte. Dann sackte sie auf die Knie. "Diese Wirkung kannte ich noch nicht", hörte Julius eine Gedankenstimme, die von Temmie. "Ich auch nicht", erwiderte er auf unhörbarem Weg.
"Julius, was haben sie der grünen Dame verabreicht, dass sie derartig enthemmt war?" hörte er Ornelles Stimme. Er sprach zurück: "Eine Kombination aus Mondlichthammer und Devoluptus-Zauber. Wusste nicht, dass der bei Risen oder Sabberhexen ins Gegenteil umschlät."
"Sie kniet am Boden und scheint ihre größten Wallungen ausgelebt zu haben. Versuchen Sie sie noch einmal von hier fortzutreiben. Ansonsten drohen Sie ihr mit ihrer Vernichtung und disapparieren dann."
"Sie wollen sie wirklich töten?" fragte Julius. "Das dürfen Sie nicht. Sie hat die Riesen gezähmt. Außerdem könnte sie uns helfen gegen Vengor und die Titanen der Vorzeit, die noch irgendwo auf der Welt ruhen."
"Die was? Die Titanen der Vorzeit sind ein Mythos, Julius. Es sei denn, Sie bezeichnen diese Hybridin als Titanin."
"Rufen Sie Ihren Anwärter zurück, Ornelle. Wir werden dieses Unicum nun erlegen", hörte Julius die Stimme von Monsieur Vendredi, seinem zweitobersten Chef.
"Ich versuche sie noch einmal im frriedlichen umzustimmen, Monsieur Vendredi. Wenn mir das nicht gelingt und sie wieder Handgreiflich wird führen Sie ihr einen Ihrer fragwürdigen Sprengschnatze vor, ohne sie gleich zu töten. Denn ich habe den Kindern Ashtarias einen Eid geleistet, dass durch meine Kraft niemand sterben darf. Wenn Sie sie nun töten, wo sie gerade so heftig erregt und entkräftet wurde hätte ich mitgeholfen, ein denkendes Wesen zu töten. Abgesehen davon, dass ich dann mit allem was ich kann nicht mehr für Sie oder sonst wen im Ministerium arbeiten kann bekämen Sie Ärger mit den Kindern Ashtarias. Und den wollen Sie nicht wirklich, kann ich Ihnen garantieren."
"Sie wagen es, mir zu sagen, was ich zu tun habe?" entrüstete sich Vendredi.
"Wenn das die letzte Tat in meinem Leben ist ja, Monsieur Vendredi."
Es folgten zwanzig Sekunden Schweigen, während Nal immer noch vor Julius kniete. Dann kam die Antwort in Form eines kleinen, silbergrauen Balles mit vier Flügeln, der einmal um Nal herumzirkelte. Als sie versuchte, ihn zu fassen zu bekommen schwirrte er blitzartig nach oben und explodierte in einem einen Meter großen Feuerball. "Sagen Sie ihr, wir hätten noch tausend stück davon. Es würde reichen, wenn zehn davon sie träfen", sagte Vendredi.
"Ja, das tue ich", erwiderte Julius, der wusste, dass er jetzt besser wieder gutes Wetter bei seinem Vorgesetzten machen sollte.
"Dass sie ohne Meglamora und ohne Grawp in ihr Land zurückkehren soll. Die von ihr unterjochten Menschen muss sie umgehend freisprechen. Geschieht das alles nicht werden wir sie aus sicherer Entfernung töten. Das sagen Sie ihr gütigst!" Julius bestätigte es und setzte die Ohrenschützer wieder ab. Dann sah er Nal an, die ihn mit einer steigenden Gier in den Augen anblickte. Er zog sich auf gute dreißig Menschenschritte Abstand zurück.
"Du hast mich derart heftig auflodern lassen, wie es noch kein Rosahäutiger in all den Jahrhunderten vermocht hat, den ich zu mir auf mein Lager holte. Ich will das noch mal, und zwar da, wo ich es besonders gut empfinden kann. Außerdem will ich mindestens einen Sohn und eine Tochter von dir haben. Solche Kraft und Entschlossenheit muss würdig weitergegeben werden."
"Nein, davor habe ich zu große Angst, Nal", setzte Julius an. "Mir vorzustellen, von einer großen Frau derartig rangenommen zu werden macht mir Angst, und dann kann ich es nicht so gut wie gerade eben, wo ich entschlossen war, mich nicht von dir fressen zu lassen."
"Ich kann dir helfen, keine Angst mehr zu haben. Glaube mir, ich bin darin sehr gut geübt."
"Abgesehen davon, dieser kleine Sprengball hat noch mehr als tausend Geschwister. Die wollten dir nur zeigen, wie heftig sie explodieren können."
"Ja, hat mir gut in den Ohren weh getan. Wer immer das war soll das lassen oder sterben", schnaubte Nal.
"Du wirst ihn nicht zu sehen bekommen. Die werden dir so viele dieser Sprengflugbälle entgegenschicken, bis du tot umgefallen bist. Ich darf dir nur einmal anbieten, dass du in dein neues Reich zurückkehren kannst. Lebe da mit denen, die so groß wie du sind! Aber lasse alle Menschen wieder frei, die du dir unterworfen hast. Sie gehören nicht zu dir."
"Jetzt schon, und sie wollen es auch so", sagte Nal.
"Gut, dann werden sie dich wohl töten. Du hast einen Tag Zeit, in dein Land zurückzufliegen. Dann musst du die von dir unterworfenen Helfertiere aus Hogwarts wieder freilassen. Aber vorher sprich Hagrid und alle anderen frei, bitte! Sie wissen jetzt, dass sie dich töten können und werden es tun, wenn sie weiterhin Angst vor dir haben müssen."
"Diese Fliegebälle sind schneller als ich", knurrte Nal. Dann überlegte sie. "Du begleitest mich in meine Heimat und bleibst bei mir. Was ich will das will ich."
"Ja, aber du kannst nicht alles kriegen, Nal. Du bist einzigartig. In dir sind zwei Wesen vereint, die eigentlich nicht zusammenfinden konnten. Lebe in Frieden mit allen anderen denkenden Wesen!"
"Ich werde mich nicht so einfach ..." Da schwirrte der nächste Sprengschnatz an. Nal riss sich blitzschnell die Arme vor Gesicht und Ohren. Der Ball schlug gegen ihre linke Brust. Dann hüpfte er fünf Meter nach oben und explodierte. Diesmal war der Feuerball größer. Julius hörte einen lauten Knall und dann ein gleichmäßiges Pfeifen in den Ohren. Er testete, wie stark sein Gehör gelitten hatte. Er hörte sich und seine Umgebung wie durch Watte, und dieses Pfeifen in den Ohren nervte ihn. Doch er konnte was gegen ein Knalltrauma tun. Er hielt sich den Zauberstab an jedes Ohr und Murmelte "Restaurato Equilibrium! Regenero Tympanum!" Es knackte laut und zwickte ihm für einen Moment in jedem Ohr. Doch dann verflog das nervige Pfeifen, und die gewohnten Höreindrücke kehrten auch zurück.
"Die meinen es so ernst, dass sie mich auch töten würden. Also geh und gib alle von dir gefangenen Menschen frei, bitte!"
"Gut, damit sie dich nicht töten, kleiner Zauberkrieger", säuselte Nal. "Aber nur deshalb, weil ich denke, dass du eines Tages zu mir kommst, wenn die dir zugesprochene Gefährtin deiner überdrüssig ist."
"Ja, wenn, dann", sagte Julius und ging davon aus, dass dieser glorreiche Tag niemals eintreten würde. Zumindest hoffte er das. Denn außer Nal gab es ja auch andere, die zu gerne Millies Platz einnehmen würden, wenn sie ihn freimachte.
"Gut, ich gehe jetzt ohne diese angeschwängerte Tochter eines alten Gurgs mitzunehmen. Die anderen, die noch leben schicke ich mit dem Schiff zurück. Aber Freisprechen kann ich sie nicht. Wer einmal von mir geküsst wurde, verlangt danach, bei mir zu bleiben, wenn ich es ihnen nicht klar befehle, zu den Ihren zurückzugehen. Doch sie werden sich immer nach mir sehnen. Wenn sie dann zu mir kommen wollen ist das eure Sorge, nicht meine."
"Haben wir gehört", sagte Julius. Nal grinste und wandte sich dann um.
Als Julius wieder im Büro seiner Vorgesetzten war empfing diese ihn sehr kühl. "Lange kann und will ich meine Hand nicht über sie halten, Monsieur Latierre. Erfolg rechtfertigt leider nicht alles. Der einzige Grund, warum Monsieur Vendredi sie nicht bis auf weiteres ins Archiv für Knuddelmuffzüchter schickt oder die ministeriumseigenen Abraxanerpferde betreuen lässt ist der, dass er von Minister Grandchapeau darüber informiert wurde, dass Sie mit diesen Titanen der Vorzeit wohl recht haben. Er erwähnte in dem Zusammenhang einen geheimnisvollen Fund in Norwegen, um den Sie und Madame Brickston sich gekümmert hätten. Er merkte auch an, dass jemand, der solchen Titanen körperlich gewachsen sei als Verbündeter bessere Dienste für uns tun könne, als als übergroßer Leichnam. Das war der einzige Grund, der Monsieur Vendredi von disziplinarischen Maßnahmen abgehalten hat. Dies nur als Rechtsbelehrung und verbale Verwarnung. Sie solten es sich abgewöhnen, einem Vorgesetzten Anweisungen erteilen zu wollen, auch wenn Sie finden, dass Sie im Recht sind. Ich fürchte, daran werden wir zwei noch bei Ihnen arbeiten müssen."
"Danke, Mademoiselle Ventvit für die notwendige Rückmeldung und Ihren Zuspruch", sagte Julius darauf. Er ärgerte sich, dass er sich auf dieses Spiel eingelassenhatte, sich mit Leuten, die von einigen Sachen weniger Ahnung hatten als er, auf dieser Ebene "Sie führen Ihre Befehle aus" abfinden musste. Im Grunde hatte er mit seiner direkten Vorgesetzten Glück, dass sie so umgänglich war und hinterfragte, warum jemand wie er sich nicht immer haargenau nach den Vorschriften richtete. Sicher, er hatte noch viel zu lernen im Leben. Aber das hieß nicht, dass andere nicht auch mit und von ihm lernen konnten. Doch das wollte er in dieser frostigen Stimmung nicht auch noch herauslassen. Dann fiel ihm noch etwas ein, was er hier und jetzt anbringen musste.
"Nal hat mir ein Angebot gemacht, mit ihr neue Nachkommen in die Welt zu setzen. Das habe ich natürlich abgelehnt", sagte er so gefühlsfrei er konnte. "Dabei hat sie erwähnt, dass sie schon seit Jahrhunderten Erfahrung darin habe, Männer zu betören."
"Ja, und?" fragte Ornelle nach. Julius holte tief Luft, um den Knüller, wie er ihn sah, auszusprechen.
"Wir haben uns doch immer gefragt, wieso Nal so geübt im Bezaubern und manipulieren von Lebewesen ist", holte er aus. Ornelle Ventvit nickte behutsam. "Wenn stimmt, was Nal gesagt hat, also dass sie schon seit Jahrhunderten Erfahrung hat, dann ist sie womöglich eine Wiedergeburt einer anderen Waldfrau, mutmaßlich ihrer eigenen Mutter." Jetzt war es heraus. Ornelle erstarrte und schwieg einige Sekunden lang.
"Sagen Sie das bitte noch einmal", schnarrte die Leiterin des Büros für denkfähige Zauberwesen größer als Hauselfen, Kobolde und Zwerge. Julius wiederholte: "Wenn Nal wirklich mehr als ein Jahrhundert lang Erfahrungen im Bezaubern von Lebewesen hat, könnte sie bei ihrer Geburt die bei ihrer Geburt aus dem sterbenden Körper entschlüpfte Seele ihrer Mutter in sich aufgenommen haben."
"Das ist es. Julius, das kommt in den Abschlussbericht. Ich werde dazu meine Kenntnis von einem Ritual der Waldfrauen einbringen, die darin besteht, dass Waldfrauen bei der Geburt der letzten Tochter seelisch mit dieser verschmelzen und somit ein zweites oder drittes Leben beginnen können. Bisher war das nur eine Erzählung einer Waldfrau, die behauptet hat, sie sei älter als der hundertjährige Krieg zwischen Ihren und meinen Vorfahren. Ich habe dem nicht wirklich glauben können, weil mir die Beweise fehlten. Aber wenn Nal eine solche Aussage machte und durch ihre Taten zeigte, dass sie sehr erfahren ist, dann dürfte sie das lebende Beispiel für die Richtigkeit dieser Waldfrauenfähigkeit sein."
"Moment, das heißt, eine Waldfrau kann, wenn sie weiß, dass sie während oder nach der Geburt einer Tochter sterben wird, in deren Körper überwechseln und neu aufwachsen?" fragte Julius. Ornelle nickte. "Könnte hinkommen, wo Nals Mutter sicher damit gerechnet hat, dass die Tochter eines Riesens größer zur Welt kommen würde als jede übliche Waldfrauentochter", seufzte er.
"Gut, schreiben Sie die Aussage Nals in Ihren Bericht hinein. Ich werde ihn um meine Kenntnisse ergänzen. Falls stimmt, was Nal Ihnen erzählt hat, dann könnte sie statt nur etwas mehr als einhundert Jahren schon zwischen zweihundert oder gar fünfhundert Jahre alt sein." Julius nickte bestätigend.
"Nun, Sie hatten einen anstrengenden Tag nach einer turbulenten Reise. Insofern ist es für Sie sicher von Vorteil, wenn Sie jetzt ihren Feierabend beginnen, Monsieur Latierre", sagte Ornelle mit nun wieder etwas freundlicherem Ton. Julius bedankte sich. Er wollte gerade gehen, da fiel ihm ein Zettel auf dem Schreibtisch auf. "Ach, das ist von Madame Léto. Es hat wohl einige Schwierigkeiten mit Familienangehörigen gegeben. Da diese jedoch nicht bei uns in Frankreich stattfanden wollte sie darüber keine genauen Erklärungen abgeben", sagte Ornelle.
"Ist wieder was mit Diosan?" fragte Julius.
"Das könnte sein, wissen wir aber eben nicht", erwiderte Ornelle. "Und jetzt zurück zu Weib und Kind, junger Mann."
"Apropos, wenn die Geburt auf einen Werktag fällt, besteht die Möglichkeit, dass ich dafür freinehmen kann, oder habe ich mir das heute verdorben?"
"Das klären wir besser später, wenn Sie uns Ihre Berichte von gestern und heute vorgelegt haben", sagte Ornelle Ventvit. Julius unterdrückte einen Seufzer. Das half ja doch nichts.
"So können wir festhalten, dass Meglamora wahrhaftig Zwillinge austrägt?" fragte Ornelle Ventvit Julius Latierre. Dieser bestätigte es und verwies auf ein Vitalumina-Foto von Meglamoras Unterleib. Trotz der starken Rückprellung des durchdringenden Blitzlichtes konnten sie zwei nebeneinander gelagerte Wesen erkennen, die einmal so groß wie Mademoiselle Maxime und Hagrid werden konnten. "Dann kommen wir zum Abschlussbericht über den Fall grüne Gurgha", sagte Ornelle. "Unsere Fernlenkdrachen haben sich bewährt. Sie dürfen hochoffiziell Monsieur Dusoleil für diese schnelle und vortreffliche Arbeit danken. Dass hinter jedem Drachen zwei Sprengschnatze hergeflogen sind sollten Sie ihm gegenüber besser nicht andeuten!" Julius nickte heftig. "Jedenfalls ist Nal wirklich wieder in ihr eigentliches Wohnrevier zurückgekehrt. Dank der Flugdrachen wissenwir nun auch, wo es liegt. Die drei Männer der Ostlandgruppe sind von den Thestralen zurückgetragen worden. Sie befinden sich noch in der Entwöhnung von der Sabberhexenadiktion. Laut Aussage von Georges Roches hat er unter Nals Einfluss mit einer ebenso von dieser unterworfenen geschlechtlichen Verkehr vollzogen. Er ist noch nicht ganz frei von den Nachwirkungen der Beeinflussung. Vielleicht werden wir sein Gedächtnis korrigierenlassen müssen, um ihm ein Leben voller Schuldgefühle und Rachephantasien zu ersparen. Wie die Kolegen aus Deutschland und Großbritannien damit verfahren dürfen Sie demnächst schriftlich erfragen."
"Und die anderen beeinflussten?" fragte Julius.
"Sind alle wieder auf der Janine Jolie. Die Vergissmichs haben ihre Gedächtnisse grundlegend umgeformt, dass sie von einer Irrfahrt auf stürmischer See und dabei erlebten Angstträumen ausgehen. Wenn sie nicht glauben, dass Nal existiert, werden sie sich auch nicht mehr zu ihr hingezogen fühlen. Mr. Abrahams erwähnte einen verlorengegangen Hubschrauber. Doch der wurde bereits kurz nach der Verlustmeldung als durch Maschinenschaden verunfallt verzeichnet. Mr. Diggory wird sich im Februar einer Befragung stellen müssen, warum er es zugelassen hat, dass seine Frau jene Silberdose gegen eine Geminius-Kopie austauschen konnte, über die Sie mit ihm Verbindung halten sollten." Julius fragte, ob er dieser Anhörung als Zeuge beizuwohnen habe.
"Könnte Ihnen wahrhaftig blühen. Also nicht zu lange den Urlaub mit dem zweiten Kind planen!"
"Und was ist mit Hagrid?" fragte Julius.
"Ja, da sieht es etwas schwieriger aus. Die Gurgha hat ihn sehr intensiv mit ihrem Speichel vergiftet, um den Wohnort von Grawp zu erfahren und Hagrid als getreuen Helfer zu kultivieren. Sein Blut hat auf diese Behandlung sehr heftig reagiert. Er ist regelrecht abhängig von ihren sogenannten Küssen geworden und kann im Moment nur in einer gepoolsterten Zelle des st.-Mungo-Krankenhauses verwahrt werden. Die Heiler haben so einen Fall von Waldfrauensekretadiktion noch nicht zu behandeln gehabt. Da Hagrid ein Mensch-Riese-Hybrid ist schlagen die trankgestützten Heilverfahren bei ihm nicht so an wie bei reinrassigen Menschen. Womöglich sind auch hier Gedächtniskorrekturzauber angezeigt, habe ich von Madame Eauvive, die auf meine Bitte bei Professor Swampwater angefragt hat, weil ich mir dachte, dass Sie das sehr interessiert."
"Das ist sehr bedauerlich", sagte Julius.
"Ja, aber nicht hoffnungslos", wandte Ornelle ein. "Sie gehen von einem halben Jahr aus. Dann könnte Hagrid wieder seine Verpflichtungen in Hogwarts erfüllen. Bis dahin unterrichtet Professor Rauhe-Pritsche die Klassen in Pflege magischer Geschöpfe. Sie wurde von Professor McGonagall extra aus Australienzurückgerufen."
"Ich hoffe, dass Hagrid wieder nach Hogwarts kann. Es ist ihm schon genug schlimmes widerfahren, wohl auch das mit den Riesenspinnen."
"Was die Kollegin Latierre und ich nicht begreifen wollen, wie jemand für diese ausdrücklichen Ungeheuer derartige Sympathien entwickeln kann", schnarrte Ornelle Ventvit. Dann bat sie Julius, den Abschlussbericht noch einmal durchzulesen und um mögliche oder nötige Punkte zu ergänzen. Als er dies getan hatte und seinen Namen in die Felder für Außeneinsatzbeamter und "Zeuge des Vorgangs" geleistet hatte, wanderte die Akte grüne Gurgha mit ihrem korrekten Zeitstempel in das Archiv. Mochten sich spätere Generationen von Ministerialbeamten daran schlau lesen, dachte Julius. Seine Zukunftspläne griffen kürzer. Er hoffte, dass er in wenigen Tagen einem neuen Menschen begegnen durfte, einem Menschen, dessen Leben er ermöglicht hatte und dessen Leben er so lange er konnte und durfte begleiten würde. Auch wenn da zu Hause schon ein kleines Mädchen wohnte, dass bereits wild durch die Gegend wuselte und ständig irgendwas anstellte würde Chrysope das erste Kind von Millie und ihm sein, dass unter ihrem gemeinsamen Dach zur Welt kommen würde. Darauf freute sich Julius. Das bestärkte ihn, weiterzuleben, trotz aller Gefahren, die sein Beruf und die ganze Zaubererwelt bereithielten.
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