DER WUNDERSCHMIED

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Nach dem gescheiterten Versuch eines ehemaligen Todessers, durch das Bündnis mit dem Geist des übermächtigen Dunkelmagiers Iaxathan zum Nachfolger des dunklen Lords zu werden, herrscht immer noch kein wirklicher Frieden in der magischen Welt. Die Machtproben der im Mitternachtsdiamanten bestehenden Vampirherrin Gooriaimiria, sowie die Machenschaften der Gruppierung Vita Magica halten die Zaubereiministerien weltweit in Atem. Dann ist auch noch eine jahrhundertelang verschwundene Dunkelhexe, die von Veelas, Menschen und grünen Waldfrauen abstammende Ladonna Montefiori, wiedererwacht und erkundet ihre Möglichkeiten. Ihre ersten Aktionen zerstören das zerbrechliche Stillhaltegefüge der sizilianischen Mafiaclans und bringen ihre Veelaverwandten an den Rand der Auslöschung. In Deutschland taucht die aus zwei weiblichen Nachtschatten zusammengefügte Erscheinungsform Birgute Hinrichter auf. Sie trachtet danach, die letzten Zeugen ihrer Entstehung zu vernichten oder sie in einer Art von dunkler Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt zu ihren neuen Kindern auszureifen, wie sie es mit vielen anderen auch schon getan hat.

Zwar wissen die mit nichtmagischen Nachrichtengeräten vertrauten Ministeriumsmitarbeiter, unter anderem Julius Latierre und seine Mutter Martha, dass die Anschläge auf das Welthandelszentrum von New York weitere blutige Ausmaße annehmen, falls Präsident Bush auch noch den Irak unter Saddam Hussein mit Krieg bedroht. Doch sie nehmen es als reine Angelegenheit der Menschen ohne Magie zur Kenntnis. Keiner im Westen kommt auf die Idee, dass jemand die immer angespanntere Lage im nahen Osten für seine eigenen Zwecke ausnutzen möchte.

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In der Nähe der Stadt Baalbek, später Abend des 22.11.2002 christlicher Zeitrechnung

Der Mann in dunklen Tüchern hockte auf der Kuppe einer Sanddüne in einem silbern verzierten Sattel, als sei die Düne ein mächtiges Streitross. In gewisser Weise war sie das auch. Denn der Sand und das Geröll in der Düne waren von einer starken, aber durch mächtige Bannzauber zu Sklavendiensten verdingten Seele belebt, dem Geist eines mittelstarken Erddschinns. Ihn hatte der Reiter vor zwei Stunden in einem magischen Duell niedergerungen und durch das Ritual der Bindung von Erde, Blut und Leben unter seinen Bann gestellt und ihm befohlen, ihm als Reitwesen zu dienen, bis er gefunden hatte, was er suchte. Um den Fremden herum flogen unsichtbar und körperlos andere mächtige Geisterwesen, mittelstarke Luftdschinnen, die als Kundschafter und Leibwache zugleich dienten. Der Dünenreiter wusste sehr wohl, dass er sich einem mächtigen Wesen wie dem aus den Tiefen der Erde aufgefahrenen goldenen Dämon nicht ohne ausreichende Bewachung und Bewaffnung nähern durfte.

Nach seiner Flucht aus dem Turm der Macht und der erfolgreich vollstreckten Rache an seinen Feinden hatte der Dünenreiter, Omar Ben Faizal Al-Hamit, beschlossen, einen Plan zu vollenden, der wie vom Sheitan der Muslime persönlich eingeflüstert erschien. Doch Al-Hamit, der Großmeister der Dschinnenkunde und seiner Überzeugung nach Sohn zweier mächtiger magischer Königsfamilien der Vorzeit, benötigte keinen Teufel, um auf das zu kommen, was er nun all zu gerne ins Werk setzen wollte.

"Meister, wir sind an der Stelle, wo die Kräfte der Erde gerufen und gelenkt wurden", hörte Al-Hamit die in seinem Kopf flüsternde Stimme des von ihm unterworfenen Erdgeistes. Ein Teil seiner Seele steckte in einem Rubin in einem silbernen Ring, den Al-Hamit trug. Der Dünenreiter befahl, genau über den Punkt zu kriechen, wo die Kräfte der Erde gerufen wurden. So bewegte sich die knapp vier Meter große Verbindung aus Sand und Geröll knirschend und knisternd mit doppelter Schrittgeschwindigkeit weiter, bis sie genau über einer Stelle verharrte. Indes sausten die unsichtbaren Leibwächter in fünfzig Schritten Umkreis herum, bereit, alles und jeden gnadenlos zu töten, was Zeuge dieser Untersuchung sein mochte. Doch hier gab es nur unvorsichtige Nagetiere und Schlangen. Al-Hamit stimmte nun einen Singsang an, der ihm Einblick in die Geschehnisse der letzten zwölf Monde vermitteln sollte. Der unter seinem Hinterteil wartende Erddschinn diente ihm hierbei als Bündelung seiner Kräfte, gleich einem mehrere hundert Ellen langen Zauberstab, dessen Kräfte immer tiefer in den Boden einströmtenund die sehr schwachen Abdrücke hier gewirkter Zauberkraft zum widerhallen brachten. Was, wenn der gesuchte goldene Dämon noch hier war? Was, wenn dieser vernahm, dass er gesucht wurde? Was, wenn er dem Suchenden an Macht überlegen war, wie die Berichte es erahnen ließen? Doch Al-Hamit wollte sein wahres Meisterstück schaffen, die Führung eines uralten Dämonen aus der Vorzeit, aus jenem legendären Reich, dass vor abertausend Jahren bestanden haben sollte und von dem nur wenige mächtige Erben verblieben waren, unter diesen seine Vorfahren aus zwei mächtigen Blutlinien. Fand er den Dämon, oder fand dieser ihn, so würde ein weiteres magisches Duell oder die Aussprache uralter, nur von den Erben der alten Herrscher weitergegebenen Worte der Macht stattfinden, um ihn zu bannen. Und sollte er bei diesem Vorhaben den eigenen Leib verlieren, so würde er mit seiner Seele in das vor Jahren geschaffene Fluchtgefäß überwechseln und dort warten, bis jemand mit genug Neugier und eigener Dummheit es fand und berührte.

Al-Hamit richtete seinen Zauberstab auf den kargen Boden um den von ihm gerittenen Erddschinn und befahl: "Goldener aus alter Zeit, höre auf mein Wort! Zeige dich und sprich zu mir hier an diesem Ort!" Er bedauerte, nicht den wahren Namen des Dämonen zu kennen, denn dann hätte er ihn über jede irdische Entfernung hinweg rufen können.

Zehnmal rief er nach dem goldenen. Doch der Dämon hörte nicht. Ja, der gesuchte mächtige Geist im goldenen Körper war nicht hier. Weder der von Al-Hamit gerittene Erdgeist, noch die umherjagenden Luftgeister witterten einen Hauch von höherem Leben oder magischer Kraft. Damit stand fest, dass der goldene Dämon an einen anderen Ort gereist war, nachdem irgendwas ihn aus jahrtausendelangem Schlaf erweckt hatte. Konnte er den Tausendmeilenschritt tun, wie der zeitlose Standortwechsel bei den morgenländischen Magiekundigen hieß? Oder musste der Dämon sich den Kräften der Gestirne oder der Elemente anvertrauen? Falls erstes der Fall war, so musste er durch einen Zauber der Luft bestimmen, ob hier innerhalb der letzten zwölf Mondwechsel etwas oder jemand den Tausendmeilenschritt getan hatte oder nicht. Er befahl seine luftigen Diener zu sich und gebot ihnen, eine bestimmte Formation zu bilden. Je ein Luftdschinn flankierte ihn links und rechts, einer war vor und einer hinter ihm. Sie bildeten eine Art Kreuz. Durch das nächste Kommando begann sich die gesamte Formation in Sonnenlaufrichtung zu drehen. Während dies geschah sang er Formeln der Luft, der Reisen und der Entschlossenheit, um zu prüfen, ob hier jemals wer den schnellen Ortswechsel vollzogen hatte. Dabei prallte seine Magie auf einen Sturm aus ihm völlig fremder Zauber, die ihm Bilder aus unbekannten Orten in den Kopf trieben. Er sah düstere Wesen, mindestens zweimal so groß wie er, die Dunkelheit und Verzweiflung um sich verbreiteten, sah gläserne Säulen, in denen in wildem Rausch lachende und sich fortpflanzende Menschen steckten und dunkles Feuer, das diese Szenerie verschlang. Ein greller Lichtblitz prellte Al-Hamits Bewusstsein aus dieser Flut von Bildern zurück. Er fühlte körperliche Schmerzen und drohte ohnmächtig zu werden. Der unter ihm regungslos liegende Sandberg geriet in Aufruhr, floss auseinander. Die um ihn herumkreisenden Luftgeister heulten auf und rückten näher an ihn heran. Er erkannte, dass er dabei war, die Herrschaft über die fünf unterworfenen Geister zu verlieren. Wurde er ohnmächtig, so konnten sie ihn verlassen. Töten konnten sie ihn nicht, weil er ihr Dasein an sein Leben gefesselt hatte. Doch sie würden ihn in dieser Umgebung zurücklassen, jedem Feind zur Beute, der es vermochte, ihn zu finden.

Al-Hamit schaffte es gerade noch, das von ihm gesungene Lied mit den Worten der vorzeitigen Beendigung zu vollenden. Dann rutschte er mit dem Sattel den zerfließenden Sandberg hinunter. Der diesen beseelende Dschinn suchte wohl seine Nahrung im Boden, Leben und starke Zauberkräfte. Al-Hamit schaffte es erst nach zwanzig gerutschten Schritten, aus dem Sattel zu steigen und sich mit den Worten der Erfrischung neue Ausdauer zuzuführen. Allerdings würde er dafür wohl zwanzig Stunden schlafen müssen. Doch das war gerade unwichtig. Er musste schnell die Herrschaft über die fünf Dschinnen zurückgewinnen. Da er jeden beim wahren Namen kannte gelang ihm das nach nur einer Minute. Danach beschloss er, auf mögliche Versetzungszauber der Elementarkräfte zu prüfen.

Wahrhaftig konnte er nach Anrufungen der Feuerelementarkräfte erkennen, dass hier ein mächtiger Bewegungszauber des Erd- und Sonnenfeuers entfesselt worden war, den nur hochrangige Feuerdschinnen benutzen konnten, aber sterbliche Menschen nicht beherrschten, weil hierzu im Blute jedes Menschen mehr mit dem Element Feuer verbundene Kraft nötig war, als jedem Menschen innewohnte. Er konnte nicht erkennen, wohin genau der mächtige Feuersprung den goldenen Dämon wohl gebracht hatte. Das ärgerte ihn einerseits. Andererseits wusste er nun auch, dass er es wirklich mit einem sehr starken Wesen zu tun bekommen würde, das jedoch nicht nur über die Kräfte der Luft und der Erde, sondern auch der des Feuers gebot. Er musste also mindestens zwei höhere Dschinnen von Luft, Erde und Feuer beschwören oder hervorrufen, die ihm helfen konnten, gegen den Dämon aus goldenem Stoff zu bestehen. Das würde er wohl in den nächsten drei monden schaffen. Doch vorher wollte er seinen größeren Plan ins Werk setzen, die Eroberung des Morgenlandes und die Vernichtung des Abendlandes. Das schönste dabei würde sein, dass die magielosen Sterblichen dieser Lande den Eindruck haben würden, es sei ihr eigener Sieg, den sie errangen.

Al-Hamit beschwor den von ihm gebannten Erdschinn aus dem Sandhaufen heraus und befahl ihm, in eine armlange silberne Flasche einzufahren, die er aus der Satteltasche geholt hatte. Wie eine Wolke aus aufgewirbeltem Schlamm drang der unterworfene Geist in den mit Einkerkerungszaubern beschriebenenund besprochenen Behälter hinein. Al-Hamit setzte den aus reinem Silber mit Wachsaußenschicht bestehenden Korken in die Öffnung und versiegelte sie zusätzlich mit einem Wachssiegel und einem Tropfen seines Blutes, wobei er die Einschließeformel des großen Magiers und Königs Sulaiman aussprach. Nun war der Erdschinn bis auf weiteres sicher verstaut. Mit den Luftgeistern verfuhr er ähnlich, wobei er diese in kleine blaue Kupferflaschen einsperrte. Die Flaschen steckte er in die dafür passenden Taschen an seinem Silbersattel und ergriff dessen Horn. Dann wechselte er mit dem Tausendmeilenschritt zu einem nur ihm bekannten und nur ihm zugänglichen Ort über.

Kaum war er dort hörte er ein vielstimmiges Wimmern und Heulen, Seufzen und Schluchzen, die von ihm und seinen Vorfahren hier eingekerkerten Seelen aller menschlichen Feinde, die solange hier verwahrt werden sollten, bis sie zu niederen oder höheren Sklaven geformt werden sollten. Doch für das, was Al-Hamit vorhatte, benötigte er keine der in diesen weitläufigen Höhlen gefangenen Seelen. Er benötigte Kundige, die mit den jetztzeitigen Waffen vertraut waren. Doch da war für ihn heranzukommen.

Was für ihn im Moment wesentlich bedeutsamer war, das war die Entwicklung im Westen, vor allem in Marokko. Seine Kundschafter hatten vermeldet, dass der aus jahrhundertelangem Schlaf erwachte Herr der Schattendämonen offenbar danach trachtete, mit dem Geist des dunklen Königs einen großen Feldzug gegen die jetztzeitigen Menschen zu führen, um die Macht des mächtigen Herrschers aus der Vorzeit wiederzuerwecken und zu stärken. Der närrische Magier, der sich als erbe des irrsinnigen Zauberers namens Voldemort verstand, wollte bald die Heimstatt des uralten Geistes aufsuchen und sich mit diesem zusammentun. Für den Dschinnenmeister bedeutete diese Entwicklung eine Gefahr für die eigenen Machtergreifungspläne, ja für sein körperliches Leben überhaupt. Denn wenn es dem Geist des dunklen Königs gelang, den närrischen Magier zu seinem lebenden Sklaven und Statthalter zu machen, und wenn die Schattensklaven des wiedererwachten Dämons sich über den afrikanischen Erdteil ausbreiteten, dann würden sie auch in seine Machtgefilde eindringen und damit eine unmittelbare Bedrohung darstellen. Somit musste er, bevor er die Pläne für eine Machtergreifung in Mesopotamien vorantrieb, zunächst ergründen, wie sich die Machtergreifungsvorhaben des dunklen Königs und seiner Diener auswirkten. Am Ende brauchte er die ihm unterworfenen Dschinnen, um sich der in sein Einzugsgebiet drängenden Schattendämonen zu erwehren. So beließ er es erst einmal bei den wenigen von ihm magisch umgearbeiteten Kriegsmaschinen.

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An der Grenze zwischen Algerien und Marokko, 30.11.2002 christlicher Zeitrechnung, 22:50 Uhr Ortszeit

Für Menschenaugen war er unsichtbar, als er auf einem besonderen Flugteppich auf das Gebirge zuhielt, dass von den Griechen und späteren Europäern als Atlasgebirge bezeichnet wurde. Hier sollte er hausen, der Herr der Schattendämonen, die sich ähnlich wie die Blutsauger und Halbwölfe durch Vertilgung lebender Menschen und Tiere vermehren konnten.

Omar Ben Faizal Al-Hamit brauchte seinem Teppich nur zuzudenken, wohin und wie schnell er fliegen wollte. Dass es von diesem Teppich noch zwei Geschwister gab wusste Al-Hamit nicht. Denn jener, der seinen Teppich geknüpft hatte, war bereits seit fünfzig Jahren tot. Um nicht ungeschützt in feindliches Gebiet zu reisen hatte sich der Dschinnenmeister jene Luftdschinnen mitgenommen, die ihm auch schon auf der Suche nach dem goldenen Dämon beigestanden hatten. Für sie waren der Teppich und sein Reiter klar erkennbar.

"Vernehmt ihr seine Anwesenheit?" fragte Al-Hamit durch reine Gedankenkraft, wobei er sich die linke Hand mit drei silbernen Ringen an die Stirn hielt. Die an diese Ringe gebundenen Luftgeister erwiderten als rein gedankliches Flüstern: "Nein, Meister. Wir verspüren keine weitere Kraft als die deine."

Als sie schneller als der schnellste Sturm die nördlichen Ausläufer des Gebirges entlangjagten bekamen die Luftdschinnen mit, dass große Freude herrschte. Von irgendwelchen Schattendämonen, die den Dschinnen nur dahin artverwandt waren, dass es sich um an die stoffliche Welt gebundene Seelen handelte, verspürten sie nichts. Dann erreichten der Teppichreiter und seine unsichtbare Leibwache ein Gebiet, in dem gerade mehrere Dutzend Zauberer versammelt waren. Einige davon ritten selbst auf fliegenden Teppichen. Durch die feinstofflichen Augen und Ohren eines vorausgesandten Luftdschinns erfuhr Al-Hamit, dass jemand oder etwas ein Feuer von höllischer Macht in einem der Berge entfesselt hatte, dass die Heimstatt und die Daseinsform des dämonischen Schattenlenkers ausgelöscht hatte. Seine niederen Sklaven waren daraufhin alle in der Dunkelheit der Nacht zerflossen. Wie und warum der Al-Hamit beängstigende Dämon sein Ende gefunden hatte erfuhr er nicht, weil es keiner der hier noch versammelten Zauberer wusste. Doch es flogen Gerüchte wie aufgescheuchte Fliegen herum, dass der Schattenlenker von mit dunklen Kräften förmlich aufgeladenen Blutsaugern bedrängt worden war. Al-Hamit erinnerte sich an die ihm zugetragenen Gerüchte über eine Götzin der Nachtkinder. Konnte es sein, dass an diesen Erwähnungen doch mehr dran war und es diese von ihren Jüngern zur Göttin erhobenen Blutkönigin gab? Wenn diese wirklich den Schattenlenker und seine niederen Diener vernichtet hatte, dann mochte sie an dessen Stelle mit dem Geist des dunklen Königs zusammengehen oder diesen als ihren Feind bekämpfen. Al-Hamit erkannte, dass die Frage, was genau diese Blutsaugergötzin vorhatte, seine eigenen Pläne betraf. Doch weil er niemanden hatte, der oder die in den Reihen der Nachtkinder Antworten einholen konnte, würde er von der Entscheidung der als übermächtig beschriebenen Götzin wohl erst dann erfahren, wenn diese ihn ganz unmittelbar betraf, also er sich einer Streitmacht aus mit dunkler Kraft gestärkten Blutsaugern gegenübersehen mochte. So herrlich die Freude war, dass der als gefährlicher Erzfeind erkannte Meister der Schattendämonen vergangen war, um so besorgniserregender war für ihn die Ungewissheit, wer dessen Machtgefüge erben und sich daran stärken würde.

Unbemerkt von den hier noch forschenden Zauberern flog Al-Hamit mit seinen unsichtbaren Leibwächtern über das afrikanische Meer. Ihm war wichtig, was der auf den Bund mit dem dunklen König ausgehende Magier nun tat, wo einer der möglichen Verbündeten vernichtet war. Doch alle Versuche, näheres darüber zu erfahren schlugen fehl, weil seine Kundschafter niemanden fanden, der oder die ihnen dazu was verkünden konnten. Einmal wäre einer seiner Luftdschinns sogar fast in eine Falle geraten, weil er es gewagt hatte, auf die Quelle einer starken Magie zuzufliegen und dabei fast eine Art Seelenfangzauber ausgelöst hatte. Wessen Werk diese Falle war erfuhr Al-Hamit nicht. Ebensowenig erfuhr er, ob der sich zum Knecht des dunklen Königs andienende Zauberer unterwegs war oder noch in einem Versteck ausharrte, um die eigenen Möglichkeiten abzuwägen.

Weil Al-Hamit nicht riskieren konnte, auch nur einen seiner Diener wegen einer weiteren Zauberfalle oder gar einer vorzeitigen Entdeckung zu verlieren, reiste er mit seiner Leibwache in seine eigene Zuflucht zurück. Dort erfuhr er erst einen Tag später über ihm verfügbare Kontakte, dass der fremde Zauberer, der zum Knecht des dunklen Königs werden sollte, von einer Bande von Hexen und Zauberern aufgehalten wurde, die lebende Säuglinge als Waffe einsetzten, um die Zaubermacht des närrischen Magiers zu brechen und ihn dann gefangennahmen, um ihn wohl auszuforschen und dann entweder zu töten oder ohne sein gesammeltes Wissen in die Welt zurückzuschicken. So oder so konnte Al-Hamit nun aufatmen. Außer den Brüdern des blauen Morgensterns gab es im Moment niemanden, der ihm nun ernsthaft gefährlich werden mochte. Also hieß es nun, seinen eigentlichen Plan zu verwirklichen, die heimliche Eroberung des Zweistromlandes und seiner Nachbarländer, bis ihm alle Länder, in denen das Wort des Propheten Mohammed beachtet wurde, untertan waren.

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Der irakische Wüstenstützpunkt Al-Mudi 200 km nördlich von Bagdad, 18.12.2002, 21:00 Uhr Ortszeit

"Wie oft habe ich schon angemahnt, das draußen nicht geraucht werden soll?!" polterte Oberst Al-Mottasadek, der Kommandant des abgelegenen Wüstenforts Al-Mudi, als er mal wieder zum Generalappell gerufen hatte. Sämtliche Männer der Festungsbesatzung standen vor ihm stramm. Der Befehlshaber bedachte jeden seiner Untergebenen mit kritischem Blick. Dabei sah er mal den einen und dann den anderen für länger als drei Sekunden an. "Sie alle wissen zum Sheitan genau, dass eine brennende Zigarette wie ein Laserzielpunkt für feindliche Scharfschützen erscheint. Wenn Sie schon nicht auf Ihre tägliche Nikotindosis verzichten können benutzen Sie künftig gefälligst Nikotinpflaster oder nikotinhaltige Kaugummis", belehrte der Oberst seine Leute. Ein Offizier im Range eines Hauptmanns hob die Hand zur Wortmeldung. "Ja, Hauptmann Armani."

"Herr Oberst, welchen Unterschied macht es, ob wir während der Wache rauchen oder nicht, wo die feindlichen Nachtsichtgeräte so empfindlich sind, dass wir wegen unserer eigenen Körperwärme ausreichend gut zu erkennen sind?"

"Ich will Ihnen diese Frage mal als konstruktiven Beitrag zuerkennen und nicht als Aufsässigkeit, Hauptmann Armani", setzte der Oberst mit warnendem Unterton an. Dann sprach er in befehlsgewohntem Tonfall weiter: "Weil eine glühende Zigarette erstens wesentlich heißer erscheint als Ihre eigene Körperwärme. Zudem kann ein gut vermummter Wachposten in völliger Dunkelheit mit der Wand verschmelzen, solange er keine verräterische Lichtquelle bei sich führt und damit seine Position anzeigt. Wie gerade von mir erwähnt kann eine unverdeckt gerauchte Zigarette dieselbe Zielbestimmbarkeit bieten wie ein Laservisier. Bedenken Sie, dass wir nicht gerade von Freunden umgeben sind. Die Juden, die Irrgläubigen aus dem Iran, die dem Götzen Geld verfallenen, aber weiterhin Rechtgläubigkeit heuchelnden Saudis und die von den Amerikanern aus unserer Obhut herausgebombten Kuweitis warten nur darauf, einen weiteren Schlag gegen uns zu führen. Sie alle haben sicher die Aufhetzerreden von George W. Bush gehört, der all zu gerne neben den Taliban auch unsere Regierung mit Bomben und Raketen hinwegfegen will, aber noch nicht genug Befürworter oder Gründe für so einen Angriff zusammen hat. Also halten Sie sich gefälligst an meine Befehle. Erfahre ich, dass wieder wer seine Nikotinsucht auf die Sicherheit gefährdende Weise befriedigt, lasse ich ihn in einen luftdichten Metallschrank einsperren und zehn Schachteln russischer Zigaretten rauchen, bis er erstickt ist oder vor lauter Nikotin im Blut nur noch im 500-Hertz-Bereich zittert. Ist das angekommen?!" Alle Offiziere und Soldaten bestätigten diese Anweisung mit "Jawohl, Herr Oberst!"

Al-Mottasadek kehrte nach dieser mal wieder nötigen Ansprache in sein Büro zurück und las die von seinem Adjutanten Leutnant Mustafa Karim abgearbeiteten Dokumente durch. Wo er musste unterzeichnete er. Dann rief er das Hauptquartier in Bagdad an und gab die Routinemeldung durch. 20 Kampfpanzer, sowie 50 Spähpanzer standen unter seinem Kommando. Dazu kamen die 4 Aufklärungshubschrauber, die im Bedarfsfall auch mit Luft-Boden-Raketen bestückt werden konnten. Der Oberst rechnete nach Bushs jüngsten Vorwürfen jeden Tag mit einem direkten Angriff auf sein Heimatland, vor allem, weil seine Festung auch als Unterstützungsbasis für die Niederschlagung von Aufständen der aufmüpfigen Kurden im Norden bekannt war. Wenn Bush Junior meinte, wegen der Kurden einen neuen Krieg ausrufen zu müssen würde sein Stützpunkt womöglich einer der ersten sein, der unter Feuer genommen wurde. Natürlich wusste er, dass die amerikanischen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk verflucht genau steuernde Lenksysteme hatten und er weder mit Panzern noch Hubschraubern anfliegende Flugkörper dieser Art vollständig abwehren konnte. Aber er glaubte trotz der Schmach von vor 11 Jahren noch an die Standhaftigkeit und Durchhaltekraft der irakischen Streitkräfte. Dass seine Armee damals unterlag führte der Oberst, der damals gerade im Rang eines Oberleutnants einen Panzer kommandiert hatte, darauf zurück, dass die Soldaten nicht bereit waren, wegen der Kuweitis ihr Leben zu wagen. Sicher waren nach dem letzten Krieg hunderte von Soldaten unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen Fahnenflucht, mutwilliger Beschädigung oder Verluste von Militäreigentum und Feigheit vor dem Feind abgeurteilt worden, aber nur fünfzig von denen waren danach auch hingerichtet worden, jene, die keine Familien hatten, um die sie sich hatten kümmern müssen und bei denen deshalb die Gefahr bestand, dass sie nach einer Haft erst recht das Land verließen. Die anderen waren nach drei Jahren Gefängnis unter verschärften Auflagen freigelassen worden und unter Androhung, dass ihre Familien unter jeder weiteren Wehrkraftzersetzung leiden würden um drei Ränge degradiert in die Armee zurückgeführt worden. Der Oberst hoffte, dass bei einem direkten Angriff auf die Heimat und eine gezielte Attacke auf die Regierung selbst mehr Mut und Widerstand aufgeboten würde. Aber dazu mussten diese Söhne von Wüstenmäusen Disziplin bewahren. Fehlte diese, dann Gnade Allah dem Irak und allen seinen Bürgern, so dachte Al-Mottasadek.

Der Kommandant wollte gerade den ihm zur Verfügung stehenden Fernsehapparat einschalten, um über den arabischen Sender Al Jazeera zu erfahren, wie die Nachbarn in der Arabischen Welt über seine Heimat und den Präsidenten berichteten, als der elektrische Strom ausfiel. Al-Mottasadek griff zum batteriegespeisten Funkgerät mit eingebauter Signalverschlüsselung und schaltete es ein. "Hier Al-Mottasadek an Energiezentrale: Was ist passiert?" Doch er hörte nur ein leises Rauschen aus dem Lautsprecher. Er wiederholte seinen Anruf und die Frage. Wieder rauschte es nur. Dann verstummte auch dieses schwache Lebenszeichen, und die grüne Kontrollleuchte des Funkgerätes erlosch. Das durfte auf keinen Fall sein. Denn das Funkgerät hatte frisch aufgeladene Akkus. Die sollten bei Kurzstreckenreichweite zwölf und bei Langstreckenfunk über 200 Kilometer mindestens zwei Stunden dauerbetrieb gewährleisten. Al-Mottasadek versuchte es noch einmal. Doch das Gerät war genauso tot wie sämtliche Stromleitungen. Warum war der Strom ausgefallen? Wieso sprangen die Notstromaggregate nicht an? Was zum Sheitan war mit dem Handfunkgerät los?

Der Oberst blickte zu einem der kugelsicheren Fenster hinaus in die mittlerweile tintenschwarze Wüstennacht. Trotz der hierzulande klar zu sehenden Sterne vermochten seine Augen zunächst keine klaren Einzelheiten auszumachen. Er griff zu einem an der Wand hängenden Nachtsichtgerät und schaltete es ein. Doch dieses war ebenso unbrauchbar wie das Funkgerät. Mochte es sein, dass irgendwas die gesamte Elektrizität im Umkreis, ob von Generatoren oder Batterien, blockierte? Er dachte zunächst an den bei starken Kernexplosionen entstehenden elektromagnetischen Impuls. Doch dann hätten sämtliche Geräte funkensprühend oder mit anderen Anzeichen ausfallen müssen, und das Funkgerät hätte nicht für zehn Sekunden Rauschen von sich gegeben. Aber was war dann über seine Festung hereingebrochen?

Ein neuerlicher Blick in die Dunkelheit ließ den Oberst an seinem Verstand zweifeln. Er sah deutlich blaue und grünliche Flammen in der Ferne aufleuchten. Außerdem hörte er ein merkwürdiges Säuseln. Da seine Fenster Gas- und Schalldicht waren konnte das kein Windgeheul sein. Weil eben alles Luftdicht war, um feindliche Gasangriffe abzuhalten, wurden die inneren Räumlichkeiten von einer jedes Luftteilchen reinigenden Luftumwälzanlage versorgt. Die war nun ausgefallen. Der Oberst überschlug im Kopf, wie viel Luft ihm noch blieb, falls er nicht in die Nacht hinaus laufen wollte. Er kam bei dem Rauminhalt seines Büros auf gerade vier Stunden, wenn er allein war. Dann erkannte er, in welcher Gefahr sie wohl alle schwebten. Sie sollten alle wegen drohendem Luftmangel dazu getrieben werden, die schützenden Gebäude zu verlassen und in die Nacht hinauszulaufen. Wie auch immer der vollkommene Strom- und Geräteausfall verursacht worden war, wenn sie alle jetzt ins Freie mussten, um nicht zu ersticken, dann waren sie für jeden Angreifer leichte Beute. Da die Funkverbindung ausgefallen war musste der Oberst anders vorgehen. Es wäre doch gelacht, wenn sie sich von einem Stromausfall unterkriegen ließen. Er eilte zu einer kleinen Klappe an der Wand, die er mit einem Schlüssel entriegeln konnte. Dahinter war ein Schraubdeckel mit Griff angebracht. Er schraubte den Deckel ab und legte damit die Öffnung einer Metallröhre frei. Er beugte sich vor und rief in diese Öffnung: "Hier Al-Mottasadek an alle. Ruhe bewahren! Nicht ins Freie laufen! Alle Mann scharfe Waffen anlegen. Alle Panzermannschaften zu ihren zugeteilten Fahrzeugen! Gefechtsbereitschaft für alle Bereiche und Einsatzfahrzeuge herstellen!" Er wiederholte diese Anweisungen und bekam über das Röhrensystem die Bestätigung aus verschiedenen Abteilungen. Dann rief er noch hinein: "Medizinische Abteilung, alle verfügbaren Sauerstoffflaschen auf Funktion prüfen und den Abteilungsleitern aushändigen. Möglicherweise stehen feindliche Handlungen bevor."

Zwei Minuten später klopfte jemand dreimal kurz und zweimal lang an die Tür. Das war das vereinbarte Klopfzeichen für einen Sanitäter. Der Oberst drückte reflexartig die Entriegelungstaste. Doch natürlich funktionierte die bei vollkommenem Stromausfall nicht. So ging er zähneknirschend zur Tür und drückte die Klinke. Der vor der Tür wartende Sanitäter trat mit einer umschnallbaren Sauerstoffflasche ein und übergab sie dem Oberst. "Der Vorrat reicht bei diesen Druckverhältnissen für vier weitere Stunden, Herr Oberst", sagte der Sanitäter im Rang eines Obergefreiten. Der Kommandant von Al-Mudi bedankte sich kurz und knapp und fragte, ob auch in der Krankenabteilung alle Netzunabhängigen Geräte ausgefallen seien.

"Jawohl, Herr Oberst. Selbst die Taschenlampen versagen. Wir und die Ausrüstungsabteilung verteilen gerade Chemoluminiszenzstäbe."

"Wer hat das befohlen?" wollte der Oberst wissen.

"Doktor Bashir und Ingenieur Major Abudei, Herr Oberst. Sie beriefen sich auf Notfallplan Mondfinsternis."

"Verstanden und genehmigt", erwiderte der Oberst, der sich insgeheim einen Narren schalt, weil er bei seinen in das Sprachrohrsystem gebellten Befehlen nicht auf diesen Notfallplan hingewiesen hatte. Zwar war es in der irakischen Armee nicht gerade vorteilhaft, eigenständig denkende Untergebene zu haben, doch in diesem Fall wollte und würde er darüber hinwegsehen.

So bekam er auch einen Leuchtstab, der durch anknicken zwei bis dahin voneinander getrennte Substanzen enthielt, die beim Vermischen ein hitzeloses, geisterhaft blasses Licht erzeugten, ähnlich dem von Leuchtkäfern. Diese schwache Lichtquelle half den Sanitätern, ihre Arbeit zu verrichten und beruhigte den Oberst, nicht in völliger Dunkelheit gefangen zu sein. Er hoffte, dass die Ingenieure unter Major Abudei die Stromversorgung schnellstmöglich wiederherstellten. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.

das geheimnisvolle Säuseln, dass der Oberst die ganze Zeit gehört hatte, sowie die vor seinen Fenstern tanzenden Flammen nahmen an Stärke und Häufigkeit zu. Einen Moment lang dachte der Armeeoffizier daran, dass möglicherweise Außerirdische die Festung umstellt hatten und nun vorrückten. Doch das war nur in Hollywoodfilmen möglich, nicht in der rauhen Wirklichkeit. Doch was ging da draußen vor? Und wenn es keine Außerirdischen waren, dann vielleicht Dämonen, Dschinnen oder andere Unheilswesen aus dem Jenseits, befehligt vom von Allah verfluchten Iblis oder Sheitan persönlich. Doch auch das verwarf der Oberst schnell wieder. Zwar glaubte er an den Propheten und den Koran. Doch echte Dschinns und andere Dämonen gehörten dann doch ins Reich der Märchen aus Tausendundeiner Nacht.

Immer lauter und vielstimmiger wurde das Säuseln. Es drang durch die Wände und die schalldichten Fenster. Die grünen und blauen Flammenzungen tanzten regelrecht draußen über die Mauer. Dann erklang eine sehr aufgeregte Stimme metallisch nachhallend aus der geöffneten Sprechröhre: "Oberst Al-Mottasadek, wir werden angegriffen! Unbekannte, nicht sichtbare Feinde ...!"

Der Oberst rief in die Öffnung des Röhrensystems zurück: "Meldung wiederholen! Was ist los?" Doch die Meldung wurde nicht wiederholt. Stattdessen konnte der Oberst durch das Röhrensystem verhaltene und plötzlich abbrechende Angst- und Schmerzensschreie hören. Was auch immer geschah, es betraf alle durch das Röhrensystem verbundene Abteilungen zugleich. Der Oberst sprang zur Tür und drehte alle vier Verriegelungen zu. Jetzt konnte niemand mehr zu ihm vordringen, ohne, dass er genug Zeit hatte, sich vorzubereiten. Er tauchte unter seinen Schreibtisch, wo ein metallener Schrank verbaut war. Diesem entnahm er eine Maschinenpistole deutscher Fertigung und drei dazu passende Magazine. Er machte die Waffe Schussbereit und hielt den Leuchtstab auf die Tür ausgerichtet. Durch das Fenster kam nur, wer mindestens drei Kilogramm TNT daran anbrachte. Die Tür war schusssicher, aber im Vergleich zu den Panzerglasfenstern leichter zu knacken, vor allem, wenn der immer noch unbekannte Feind bereits im Kommandotrakt war. Der Oberst dachte an den geheimen Fluchttunnel, der durch einen Drehriegel unter dem Tisch geöffnet werden konnte. Sollte er nicht besser den taktischen Rückzug antreten? Nein, wer immer seine Festung bestürmte und ihn angreifen wollte sollte sich eine blutige Nase einfangen, auch wenn der Oberst dabei selbst fallen würde.

Ohne Vorwarnung schlug eine blaue Flamme aus der Wand heraus. Doch es fauchte, knisterte oder knackte nicht. Der Oberst erstarrte vor Schreck und Überraschung zu einer Statue. Als er die aus der Wand gefahrene Flamme genauer ansah fiel ihm auf, dass sie irgendwie die Form eines langgezogenen Insektes mit feurigen Fühlern und brennenden Beinen besaß. Dann war das unheimliche Feuergebilde bei ihm und umfing ihn mit seinen lodernden Gliedmaßen. Er fühlte einen Schmerz, als würden hundert glühende Dolche gleichzeitig in seinen Leib hineingestoßen. Er öffnete seinen Mund zu einem letzten Schrei. Da hörte er die wie durch eine stark gestörte Telefon- oder Funkverbindung klingende Stimme in seinem Kopf: "Du bist mein. Dein Leib wird mir und dem Meister dienen." dann jagte eine unheimliche Hitze wie ein in ihm explodierender Feuerball durch ihn und riss ihn hinein in einen Wirbel aus grellen Blitzen, auf ein fernes helles Licht zu.

Al-Mottasadek schrie, aber nicht mehr mit seinem Mund, sondern nur noch rein gedanklich. Er fühlte, wie er durch einen aus wild rotierenden Blitzen gebildeten Tunnel auf das immer heller strahlende Licht zugewirbelt wurde. Dann, unvermittelt, hörte er die dröhnende Stimme eines Mannes, die in einer ihm unbekannten Sprache eine irgendwie beschwörend klingende Wortfolge ausstieß. Er fühlte, wie diese Worte sich wie ein Netz um ihn zusammenzogen und ihn dann aus dem blitzenden Lichttunnel heraus in eine tiefschwarze Unendlichkeit hinüberrissen, einer Unendlichkeit, die nur aus ihm und der beschwörenden Stimme bestand.

dann, mit einem Mal, fand er wieder Halt. Um ihn herum leuchtete es in einem tiefblauen Farbton. Er fühlte sich völlig leicht und schwerelos. Doch er wusste auch, dass er gerade zum Gefangenen geworden war. Sein Gefängnis war jedoch keines aus Mauern, Stahltüren und vergitterten Fenstern, sondern eines, das um ihn herum aus einer rundum verlaufenden Wand ohne Fenster und Türen bestand. Irgendwie konnte er sich umsehen. So erkannte er, dass er über einem nach innen gewölbten Boden schwebte und über sich die runde Wand in einer abgerundeten Kante stark verengt verlief und an einer schwach glimmenden Decke endete. Dann hörte er wieder diese Stimme, die nun um ihn herum erklang und wie in einer gewaltigen Halle nachhallte:

"Verrate deinen vollen wahren Namen!" Er fühlte, wie ihm dieser in seiner Heimatsprache erteilte Befehl tief ins Bewusstsein drang. Er versuchte, sich zu verweigern, dieser überirdischen, ja übermächtigen Stimme nicht zu verraten, wer er war. Doch als die fremde Stimme den Befehl ein zweites Mal erteilte konnte er nicht anders. Er rief laut seinen vollständigen Namen, Ibrahim Amal ben Hussein Kasim Iben Hassan Omar Al-Mottasadek!" Er empfand es als unheimlich, dass seine Stimme irgendwie winzig und verwaschen und dabei metallisch nachhallend klang. Dann hörte er wieder die fremde Stimme: "So sei du mir unterworfen, Ibrahim Amal ben Hussein Kasim Ibn Hassan Omar Al-Mottasadek! Sei du mir unterworfen und mein Diener, Ibrahim Amal ben Hussein Kasim Iben Hassan Omar Al-Mottasadek!"

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Wie ein Feldherr überblickte Omar Ben Faizal Al-Hamit den Angriff seiner fünfzig Luft- und zwanzig Feuerdschinns. Er saß auf seinem fliegenden Teppich und empfing über einen mit kleinen Edelsteinen besetzten Stirnreif die Stimmen seiner Sklaven, die sich durch die Mauern brannten oder versuchten, durch winzigste Ritzen in den Wänden in die Gebäude der Festung einzudringen. Doch nur die Feuerdschinns schafften es, sich durch die Stahlbetonwände zu fressen. Die Luftdschinns konnten nicht durch feste Wände hindurch. Er hätte daran denken und auch Erddschinns mitnehmen sollen, dachte der Meister der Geister. Doch die hatte er dafür abgestellt, die Spuren des goldenen Dämons zu verfolgen. Außerdem wollte er die Luft- und Feuerdschinns gleich als Eingliederungshilfen für die benötigten neuen Sklaven haben. Jene Kriger, die bereits über das Gelände eilten, um die stählernen Ungetüme zu besteigen, die auf umlaufenden Ketten standen und wohl darauf auch über schwierigste Bodenarten fahren konnten, wurden dankbare Opfer der in der Dunkelheit unsichtbaren Luftgeister. Diese drangen ihnen in die Lungen und pressten die rechtmäßig in den Körpern wirkenden Seelen wie verbrauchte Atemluft oder unaufhaltsame Leibwinde aus ihren angeborenen Körpern hinaus. Doch die auf diese Weise entkörperten Seelen erlangten nicht die Gnade, in den geheimnisvollen Zustand überzutreten, den selbst die ältesten Magier nicht im Ansatz zu erfassen vermocht hatten, sondern sie gehorchten einem Bannzauber des Geistermeisters und gerieten in den Sog auf die feinstoffliche Beschaffenheit ihrer fleischlosen Mörder abgestimmter Flaschen. Für den geistersichtigen Magier sah dies so aus, als würden immer wieder hellblaue oder rot flackernde, durchsichtige Winzmenschen, gerade so groß wie Ratten durch die Luft fliegen und mit einem letzten Aufschrei in die sie erwartenden Gefäße hineingezogen. War eine weitere Seele auf diese Art gefangen rammte der Dschinnenmeister einen mit Zauberzeichen beschriebenen Korken in die Öffnung, womit der Seelenfang vollendet und ohne seinen Willen nicht mehr umzukehren war. Nachdem er aus fünfzig Manneslängen Höhe herab verfolgt hatte, wie einer der Soldaten nach dem anderen zu seinem persönlichen gefangenen wurde, dachte er schon daran, dass er den Kommandanten und drei seiner Stellvertreter irgendwie wiederverkörpern musste, um deren Befehlshabern in Bagdad vorzugaukeln, alles sei noch in Ordnung. Die unteren Ränge würde er als Ausgangsmaterial für sein Vorhaben nutzen, mit dem er sich die Gunst und die Abhängigkeit der Machthaber dieses Landes sichern wollte. Denn bis er wusste, wo der goldene Dämon Zuflucht gefunden hatte und vor allem, mit welchen Beschwörungen er diesen auch in seinen Dienst stellen konnte, wollte er sich erst dieses Land und dann dessen Nachbarländer unterwerfen. Er war sich sicher, dass die Bruderschaft des blauen Morgensterns noch nach ihm suchte. Mit einer Streitmacht aus gehorsamen Kriegern und überlegenen Kriegsmaschinen würde er dieser selbstherrlichen Bande den Garaus machen. Dann würde ihn niemand mehr aufhalten. Nur der Lenker der Schattendämonen oder der vom Geist des dunklen Großmeisters durchdrungene Knecht hätten ihm gefährlich werden können. Doch die beiden gab es nicht mehr. Er drohte bereits, sich in glückseliger Vorfreude zu verlieren, was er diesen Narren jener auf erzwungene Zeugungsakte ausgehenden Vereinigung entgegenrufen würde, wenn er wegen ihrer Einmischung zum Herren aller Dschinnen, Dibbukim und anderer Geistwesen geworden war. Vielleicht, so dachte er auch, konnte er dann auch den Geist des dunklen Königs aus der Vorzeit unterwerfen, wenn er wusste, wie er ihn ergreifen konnte, ohne sich der Macht von dessen Heimstattgegenstand auszuliefern.

Als er sicher war, dass ihm niemand mehr entgangen war und er wahrhaftig über hundert Soldatenseelen in silbernen und kupfernen Flaschen eingefangen hatte und durch den darin eingewirkten Zauber deren Dienstbarkeit erzwungen hatte landete er mit seinem Teppich. Durch eine von seinen Feuerdschinnen in den Stahlbeton gebrannte Öffnung drang er in die Festung ein. Ein niederer Feuerdschinn wurde von ihm als freibewegliche Lichtquelle eingesetzt. Der wie ein blassblau loderndes Lichtwölkchen aussehende Feuergeist glitt zwei Handbreit über seinem Kopf schwebend voraus und beschien mit seinem Licht die Korridore. Er sah die am Boden liegenden Körper entseelter Männer. Je danach, von welcher Art Mordgeist sie niedergemacht worden waren hatten sie blau angelaufene Gesichter, als wenn sie erstickt waren oder lagen in verkrümmter Haltung da, als habe sie ein Blitzschlag niedergestreckt. Ansonsten deuteten keine Verletzungen auf einen gewaltsamen Tod hin, weil er den Dschinns befohlen hatte, nur die den Körpern eingebetteten Seelen freizulegen und auszustoßen, aber die Körper selbst nicht zu verwunden. Gerade bei Feuergeistern war letzteres schwierig, da sie gerne ganz und gar auffraßen, was sie an Fleisch, Blut und Seelenkraft in sich einverleiben konnten.

Wo er auf verschlossene Türen traf wirkte er den Zauber der freien Wege, der die in Ausrichtung seines Zauberstabes liegenden Hindernisse entfernte. Türen öffneten sich, schwere Möbel wurden wie von einer unsichtbaren Riesenfaust zur Seite gehoben und weit genug fort wieder abgesetzt, um dem Nutzer dieses Zaubers freie Bahn zu verschaffen. Deshalb waren für Al-Hamit die schuss- und einbruchsicheren Türen kein Hindernis. So konnte er auch unangefochten in das Arbeitszimmer des Festungsbefehlshabers eindringen und dessen Dokumente an sich nehmen. Als er wusste, wer der in gekrümmter Haltung am Boden liegende Offizier war, beschloss er, diesen wiederzuerwecken, allerdings nicht bevor er dessen Körper mit einem Unterwerfungsbann belegt hatte, damit die bereits von ihm gebannte Seele, die in einer der kupfernen Flaschen auf dem Flugteppich eingekerkert wartete, bedingungslos gehorsam seine Befehle ausführte, fast wie ein lebender Leichnam, der ohne seine Seele weiterwandeln musste.

Als er schließlich die in großen Hallen abgestellten Kettenfahrzeuge mit den drehbaren Geschütztürmen untersuchte wusste er genau, wie er diese Waffen für sich nutzbar machen konnte.

Als er alles untersucht und durchdacht hatte vollzog er an den Leichen von vier Offizieren einen Zauber der bedingungslosen Gefolgschaft. Dann suchte er unter den gefangenen Seelen jene aus, die früher in diesen Körpern gewirkt hatten und entkorkte die Flaschen. Dann hielt er deren Öffnungen in die geöffneten Münder der leblosen Körper und sang die Anrufung der Wiedervereinigung, mit der bis zu einem Tag nach Todeseintritt eine Seele in ihren angestammten Körper zurückgezwungen werden konnte, allerdings zu dem Preis, dass der so wiedererweckte Körper üblicherweise nur einen weiteren Tag überleben konnte. Ganz ließen sich die Gesetze von Leben und Tod nicht außer Kraft setzen, auch mit Magie nicht. In diesem Falle würden die Wiedererweckten jedoch solange weiterleben, wie die ihre Seelen beherbergenden Behälter unbeschädigt und die darin eingewirkten Bannzauber ungebrochen blieben. Über diese hatte der Dschinnenmeister auch die vollkommene Herrschaft über die Wiedererweckten. Sie konnten nichts sagen, tun oder denken, was ihm missfiel oder seine Pläne hintertrieb.

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Oberst Al-Mottasadek fühlte, wie eine gnadenlose Urgewalt ihn packte und durch den engen Hals seines fremdartigen Gefängnisses presste. Er schrie erneut. Dann fühlte er einen plötzlichen Druck auf seinen Lungen und holte lautstark Luft. Erneut stieß er einen langen Schrei aus, diesmal mit klar hörbarer Stimme, als wäre er gerade jetzt erst geboren worden. Sofort dachte er daran, was vorher passiert war. Doch als er sich fragte, wieso ihm das geschehen war fühlte er einen unbändigen Drang, nicht weiter darüber nachzudenken. Er öffnete seine Augen und sah einen ihm fremden Mann in hellen Gewändern, als sei der einem arabischen Märchen entstiegen. Auch die in der linken Hand gehaltene, armlange Kupferflasche und der in der rechten Hand gehaltene Stab passten zu dieser Vermutung. Dann erkannte er, dass der Mann dort sein Herr und Meister war, dem sein Leben gehörte und dem er immer und überall gehorsam sein musste. Der Staatspräsident und dessen Generäle waren gegen den Meister ein Windhauch gegen einen Sandsturm. Sie konnten und würden ihm nichts mehr befehlen, was gegen den Willen des wahren Meisters gerichtet war. "Wem dienst du, Ibrahim Amal ben Hussein Kasim Ibn Hassan Omar Al-Mottasadek?" fragte der Mann mit der Kupferflasche und dem Zauberstab.

"Ich diene dir, Meister Omar, mein Herr und Meister. Dein ist mein Leben, dein Wille und Wort sind mein Wille und Handeln", bekundete Oberst Al-Mottasadek seine bedingungslose Gefolgschaft. "So erhebe dich und verfasse mehrere Niederschriften, deren Inhalt ich dir in deinen Geist hineinspreche, wenn ich wieder fort bin!" sagte der Meister und erhob sich. "Du bist nun der Befehlshaber dieser Festung, meiner ersten Festung in einer langen Reihe von Bollwerken", sagte der Meister. Dann ging er durch die Tür hinaus und zog sie von außen zu.

Der Oberst erhob sich. Immer noch war es dunkel. Doch nun konnte er selbst dann genug sehen, wenn es Neumond war. Denn durch die magische Verwandlung seines Leibes und seiner Seele war er zu einem halben Feuerdschinn geworden, der die Dunkelheit der Nacht mit seiner eigenen Anwesenheit durchdringen konnte, ohne jedoch selbst zu leuchten oder Hitze zu verbreiten.

Der Oberst nahm auf seinem Schreibtischstuhl Platz, nachdem er seine etwas in Unordnung geratene Uniform geordnet hatte. Er wartete, wie ihm der Meister befohlen hatte. So saß er auch dann noch ruhig da, als die vom Meister befehligten Geisterwesen all die Körper aus der Festung trugen, die nicht mehr benötigt wurden. Dann, nach einer bedeutungslosen Zeitspanne, flammten wieder alle Lichter auf. Erst blendete ihn die plötzlich wiederkehrende Kunstlichtflut. Doch dann gewann er seine übliche Sehkraft zurück. Das Säuseln der Luftumwälzungsanlage war wie die Musik des Lebens. Sein atmender Körper bekam wieder frische Luft. Als er auf die wieder funktionierende elektrische Wanduhr sah, die sich per Satellitenfunksignal die aktuelle Ortszeit verschaffte, stellte er fest, dass der Stromausfall wohl eine knappe Stunde gedauert hatte. So schnell und so gründlich hatte die Armee des wahren Meisters gearbeitet, um diese Festung zu erobern, die Festung, die er weiterhin befehligen durfte.

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"Labt euch an den Leibern der unnötigen!" befahl Al-Hamit seinen Feuergeistern, als er die Körper der nicht mehr benötigten Soldaten von den Luftgeistern aus der Festung hatte tragen lassen. Das ließen sich die Feuergeister nicht zweimal sagen. In der Gestalt von blauen, grünen oder gelben Feuerbällen stürzten sie sich auf die vor den Festungsmauern aufgestapelten Körper, umfingen sie völlig und verharrten auf der Stelle. Dabei pulsierten sie langsam und wechselten zwischen einem Drittel und der doppelten Ausdehnung. Dann stiegen sie wieder in den Himmel hinauf und wurden zu lodernden Lichtwolken, die im Reigen mit den Luftgeistern um den Flugteppich des Meisters herumflogen. Umgeben von seiner kleinen aber tödlichen Streitmacht versklavter Geisterwesen trat Al-Hamit seine Rückreise in die Höhlen der seufzenden Seelen an. In der Nächsten Nacht würde er wiederkommen und den nächsten Schritt seines Planes verwirklichen.

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Über der irakischen Wüste südlich der von den vereinten Nationen verhängten Flugverbotszone, 28.12.2002, 09:40 Uhr Ortszeit

Ihre Decknamen lauteten Feuerklinge und Sonnenfänger. Seit fünf Jahren dienten sie in der irakischen Luftwaffe und freuten sich über jeden Einsatz, den sie fliegen durften. Die zwei Jagdfliegerpiloten hatten heute den Auftrag, eine Luft-Boden-Attacke auf eine stillgelegte Fabrik zu fliegen, um die Treffsicherheit der aus Russland bezogenen Luft-Boden-Raketen zu prüfen. Seitdem George W. Bush der neue starke Mann der Amerikaner sein wollte und nicht mehr so verdeckt bekundete, die irakische Regierung entmachten zu wollen, waren die Streitkräfte zu höherem Übungsdruck verpflichtet worden. Feuerklinge und Sonnenfänger solten also zeigen, ob sie fähig waren, Bodenziele zu treffen, erst die Fabrik und dann ferngesteuerte gepanzerte Lastwagen, die als Angriffseinheiten herhielten.

"Achtung, Sonnenfänger, Ziel Morgenrot auf ein Uhr, entfernung dreißig Kilometer", gab Feuerklinge die Sichtung durch. Auf seinem Radarschirm zeichneten die vier Schornsteine der früheren Kupferhütte als klar erkennbare senkrechte Striche.

"Moment, habe Sichtkontakt mit Ziel Morgenrot, Feuerklinge. Klar bei Luft-Boden-Raketen!" bestätigte Feuerklinges langjähriger Flügelmann. Tatsächlich konnten sie beide nun das Ziel auch mit den Augen ausmachen, wenngleich es noch nicht als Industrieanlage zu erkennen war. Feuerklinge holte über Funk die Erlaubnis zum Beginn der Zielübung ein. Zwei Scharfe und zwei reine Übungsraketen standen jeder Maschine zur Verfügung, um dieses Ziel zu beschießen. Am Ende zählte die Treffergenauigkeit, sowie die Ausschaltung als besonders wichtig vorbestimmter Baueinheiten.

"Als sie nur noch zehn Kilometer vom Ziel entfernt flogen entsicherte Feuerklinge die Raketen. Sie wurden per Radar gelenkt. So richtete er die Nase seiner MiG 25 auf den Schornstein ganz links aus. Er musste die Rakete so abfeuern, dass sie im unteren Bereich einschlug. Je näher sie am vorbesprochenen Punkt einschlagen würde, desto viele Leistungspunkte würde er dafür bekommen. Als er die erste von zwei scharfen Raketen abfeuerte ließ sich sein Flügelmann um einige hundert Meter zurückfallen, um nicht gänzlich unbeabsichtigt in die Flugbahn des Geschosses zu geraten. Dieses schwirrte, einen flackernden Flammenschweif hinter sich herziehend, genau der unsichtbaren Spur entlang, die das Zielradar und die Echos des Ziels in die Luft prägten. Feuerklinge korrigierte um einige Winkelgrade nach unten, als er argwöhnte, dass die Rakete zu weit oben ins Ziel gehen würde. Dann explodierte trotz der hellen Wüstensonne klar erkennbar ein Feuerball, und das Ziel erzitterte wild. "Ui, Abweichung nur 0,2 Grad vom Idealwinkel, Feuerklinge. Dein Baby hat den Schornstein zehn Meter über Grund geküsst", meinte Sonnenfänger. Manchmal, so Feuerklinge, meinte sein Flügelmann wohl, sie seien sowas wie die irakischen Topgun-Helden. Er hingegen bestätigte militärisch kurz und genau den von ihm erzielten Treffer und befahl seinem Flügelmann, das zweite Ziel zu beschießen. Auch dieses wurde getroffen, wenngleich die Rakete knapp unter dem oberen Rand des turmhohen Kamins einschlug. Das wurde von Sonnenfänger mit einem unstatthaften Ausdruck abgehandelt. Feuerklinge ermahnte ihn, nicht die Selbstbeherrschung zu verlieren. Dann ging er das zweite Ziel an, das Gebäude, wo früher der Hochofen geglüht hatte, in dem das Kupfererz in seine metallischen und mineralischen Bestandteile zerlegt wurde. Mit einer der Übungsraketen setzte er einen Volltreffer, was durch das von der Rakete ausgehende Zielpeilsignal bezeichnet wurde. Hätte der Flugkörper einen Sprengkopf besessen, hätte es dem Gebäude wohl das Dach eingedrückt. Das erzielte auch Sonnenfängers Übungsschuss.

"Siehst du, mit der nötigen Beherrschung geht das doch", musste Feuerklinge seinen Flügelmann loben.

Als dann der bereits angeknackste Schornstein von einer zweiten Rakete punktgenau getroffen wurde wankte der erst und fiel dann um, wie ein gefällter Baum. Dabei durchschlug seine tonnenschwere Konstruktion das Dach des Ofengebäudes. "Da können die erst mal kein Kupfer mehr herstellen", bemerkte Sonnenfänger überlegen klingend. Feuerklinge hatte dazu nichts zu sagen.

Die beiden Maschinen nahmen nun Kurs auf das Gebiet, wo die beweglichen Übungsziele aufs Korn genommen werden sollten. Doch dort sollten sie nicht mehr ankommen.

"Sonnenfänger, siehst du auch diese blaue Wolke da vor uns?" fragte Feuerklinge. Doch Sonnenfänger antwortete nicht. Feuerklinge war das unheimlich, wie plötzlich diese hellblaue, wabernde Wolke in seiner Flugbahn aufgetaucht war. Auf dem Radarschirm war davon nichts zu sehen. Überhaupt war das Radar wohl gerade irgendwie kaputt. Denn auf dem Bildschirm tanzten viele Lichtpunkte, die zusammenstießen und zu sich verwirbelnden Schlieren verschmolzen. Dann war der Bildschirm ein einziges flackerndes Grün. Auch aus den Kopfhörern Feuerklinges drang nur noch weißes Rauschen. Seine Maschine geriet unvermittelt aus dem Kurs. Die ersten Alarmsignale tönten los, dass irgendwas mit dem Fliger nicht stimmte.

Feuerklinge wollte in Neun-Uhr-Richtung ausbrechen, weil in Drei-Uhr-Richtung sein Flügelmann flog. Der würde hoffentlich selbst in Richtung drei Uhr abdrehen, wenn auch bei ihm die ersten Alarmsignale losgingen.

Feuerklinge meinte schon, der unheimlichen Wolke zu entgehen, als wie aus dem Nichts heraus eine weitere unheimliche Wolke vor ihm auftauchte, diesmal eine, die aus orangeroter Glut zu bestehen schien. Eine Feuerwolke mitten in der Luft, ohne vorangehende Explosion oder dergleichen? Feuerklinge versuchte, durch einen steilen Aufstieg über das neue Hindernis hinwegzusetzen und geriet dann vollständig in eine weitere, unvermittelt aufgetauchte blaue Wolke. Er blickte sich um. Nur noch hellblaues, wie wildes Elmsfeuer flackerndes dunstiges Licht um ihn herum. Und das schlimmste war, dass die komplette Steuerung ausfiel. Dann erstarb auch noch der Antrieb. Feuerklinge saß nun in einem völlig fluguntauglichen Jagdflugzeug und fühlte nur noch, wie etwas den Flieger mit voller Wucht abstoppte, bevor er aus der blauen, elektrisch aufgeladenen Wolke heraus war. Jetzt fühlte er die Schwerelosigkeit des freien Falls. Wäre er nicht angeschnallt hätte es ihn wohl aus seinem Sitz gehoben. So fühlte er nur, dass er wohl in Richtung Boden hinabfiel. Eigentlich müsste die Maschine nun in eine sogenannte Todesspirale geraten, weil der Luftwiderstand die Maschine in eine Eigendrehung versetzte. Doch Feuerklinge fühlte keine entsprechende Bewegung. Er schwebte, als befände er sich mitten im freien Weltraum. Nur war der Weltraum für ihn nicht schwarz mit vielen Millionen Sternen übersät, sondern hellblau und blitzte irritierend um ihn herum. Dann meinte er, wieder aufwärts zu steigen. Denn irgendeine ihm unbekannte Kraft drückte ihn mit Macht in den Pilotensitz zurück. Dann strahlte grelles Licht vor ihm auf. Gleichzeitig rumste es wie eine unmittelbar neben ihm explodierende Sprengbombe. Die Haube über ihm bekam Risse, während um ihn herum elektrische Funken die Maschine entlangliefen. Dann fiel sein Flugzeug wieder nach unten, nur um nach einer Zeit, die Feuerklinge nicht genau abmessen konnte, wieder aufgefangen zu werden. Irgendwas spielte mit seiner Maschine wie die Katze mit der Maus. Dann schlug der nächste grelle Blitz auf die Maschine ein. Die Haube über ihm bekam nun tiefe Risse, als habe jemand mit irgendwas harten darauf eingehämmert. Dem Piloten wurde klar, was geschehen würde. Was immer ihn eingefangen hatte wollte an ihn heran. Doch warum zertrümmerte es nicht einfach die Maschine, wenn es so mächtig war. Dann fiel ihm ein, dass ein Flugzeug ähnlich wie ein Auto elektrische Entladungen um den Piloten herumleiten konnte. Womöglich schätzte was auch immer die Kraft von Blitzen nicht richtig ein.

Wieder stürzte die Jagdmaschine etliche Meter ab und wurde erneut abgefangen. Dann krachte der dritte Blitz. Diesmal barst die Haube über dem Piloten. Plastiktrümmer regneten auf seinen mit Kopfhörern ausgestatteten Helm herab, prallten auf die Sauerstoffmaske und schlugen sie leck. Wie hoch Feuerklinge noch oder schon über Grund war hatte er nicht ausrechnen können. Hoffentlich reichte der Sauerstoff in dieser Höhe schon aus, dass er nicht ersticken musste. Er riss sich die Maske vom Gesicht und beging damit den alles entscheidenen Fehler. Denn nun, wo sein Gesicht freilag, drang bläulicher Dunst von oben direkt in seine Nase und seinen Mund ein, füllte seine Lungen aus und dehnte diese schmerzhaft aus. Auch meinte er, dass ihm jemand einen Luftschlauch in den Magen eingeführt habe, um nun mit mehreren Atmosphären Druck Pressluft hineinzupumpen. Als die dabei entstehenden Schmerzen unerträglich wurden sah Feuerklinge etwas vor sich, das wie ein Gesicht aus blauem Dunst aussah, ein Gesicht mit wagenradgroßen Augen und einem Maul so breit wie ein Hangartor. Doch er konnte diese Erscheinung nicht mehr zuordnen. Denn im nächsten Augenblick fühlte er, wie er regelrecht aus seinem Körper hinausgesprengt wurde. Dann war da nur das Gefühl von völliger Schwerelosigkeit und einem Bad in blauem Licht.

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Zwei Stunden nach dem letzten Funkspruch schickte die irakische Luftwaffe eine Staffel Aufklärungsflugzeuge zur alten Kupferhütte. Die vier Piloten stellten fest, dass diese nun zur Totalruine zerschossen worden war. Dann fanden sie dreißig Kilometer davon entfernt und an die zehn Kilometer voneinander entfernt größere Trümmerhaufen. Bei näherer Betrachtung stellten die Bildauswertungstechniker fest, dass es die Trümmerstücke abgestürzter Jagdflugzeuge waren. Später konnten dann auch die beim Aufprall aus großer Höhe zerschmetterten Leichname der Piloten gefunden werden. Was genau zu dem Absturz der beiden Maschinen geführt hatte würde die Sache der Nachuntersuchung sein. Keiner dachte auch nur im entferntesten daran, dass hier Mächte am Werk gewesen waren, die stärker waren als reine Technik.

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Im Hauptquartier des irakischen Heeres in Bagdad, 30.01.2003 christlicher Zeitrechnung, 10:30 Uhr Ortszeit

General Abudei las die ihm zugestellte Mitteilung von Oberst Al-Mottasadek, dem Kommandanten des Wüstenforts Al-Mudi. Der hatte ihm eine Depeche geschrieben, dass ein vor elf Jahren beim Angriff der Amerikaner und ihrer Allierten verschwundener Waffenkundler namens Hassan Al-Basiri bei ihm aufgetaucht sei und ihm seine neueste Errungenschaft vorgeführt habe, einen mit besonderer Panzerung und verbesserter Steuerungsanlage ausgestatteten Spähpanzer, den er in der Abgeschiedenheit eines von feige davongelaufenen Armeeangehörigen verlassenen Wüstenforts gefunden hatte. Angeblich, so der Oberst, habe Al-Basiri den sogenannten Wüstensturm schwerverletzt überstanden und trage bis heute die Spuren des Krieges, der zur großen Schmach der irakischenStreitkräfte geworden war. Deshalb, so der Oberst, trage der Ingenieur in der Öffentlichkeit eine mit weichen verbandsähnlichem Material ausgepolsterte Gummimaske und immer lange Handschuhe.

"Leutnant Sedadi, machen Sie mir unverzüglich eine Verbindung in die Festung Al-Mudi, direktleitung Oberst Al-Mottasadek!" befahl General Abudei seinem Adjutanten. Keine halbe Minute später klingelte sein weißes Telefon. Er nahm den altmodisch wirkenden Hörer ab und sprach hinein:

"Oberst Al-Mottasadek, ich habe hier gerade Ihren Bericht über den verlorenen Sohn unserer Streitkräfte auf dem Tisch. Dazu möchte ich von Ihnen gerne mehr erfahren."

"Nun, General Abudei, meinem Bericht können Sie entnehmen, dass vor zwei Tagen ein Spähpanzer mit drei Mann Besatzung und einem vermummten Passagier bei uns vorgefahren ist. Der Passagier, der eine weiße Gummimaske mit darunter angebrachtem Verbandsstoff trägt gab sich als Waffensteuerungsfachmann Dr. Hassan Ibrahim ben Jussuf Harun Ibn davud Hassan Al-Basiri aus. Die Ärzte unserer Krankenabteilung haben ihn sogleich untersucht und bestätigt, dass er durch schwere Verbrennungen an Gesicht, Oberkörper und Armen schwer entstellt ist. Offenbar hält er sich durch Salben und hochdosierte Schmerztabletten schmerzfrei. Jedenfalls hat er uns erzählt und dann auch vorgeführt, was er nach dem Verlust seiner Einheit in einem geheimen Labor seiner Familie entwickelt hat. Ich hätte ihm das nie abgekauft, wenn ich es nur erzählt bekommen oder wie Sie in geschriebener Form berichtet bekommen hätte, Herr General. Aber ich beschwöre bei Allah und dem Propheten, dass ich Zeuge bin, dass er die Wahrheit sagt. Er hat offenbar Wege gefunden, aus üblichen Gefechtsfahrzeugen unbesiegbare Kampfeinheiten zu machen. Er bietet uns an, die Früchte seiner zehnjärigen Forschungsarbeit zu genießen, um uns auf den nächsten feindlichen Überfall auf unser Land besser vorzubereiten als beim letzten Mal. Ich habe auch den für meinen Abschnitt zuständigen Leiter des Inlandsgeheimdienstes, Oberst Karim Amir hinzugezogen. Er sitzt bereits in einem Besprechungszimmer und verhört Al-Basiri. Falls Sie es gestatten, Herr General, möchte ich Sie und einen Vertreter des Präsidenten persönlich zu einer neuerlichen Vorführung seiner Leistung einladen."

"Sie klingen sehr begeistert, um nicht zu sagen euphorisch, Oberst Al-Mottasadek", erwiderte der General. "Allerdings hört sich das für mich immer noch wie ein Märchen aus tausendundeiner Nacht an, was Sie in Ihrem Bericht schreiben. Niemand kann mal eben einen Spähpanzer zu einem über hundert Stundenkilometer schnellen, blitzartig die Richtung wechselnden Fahrzeug umbauen und dann noch mit einer Panzerung versehen, die den Geschossen von Kampfpanzern und für Kampfpanzer ausgelegte Landminen standhalten kann, ohne auch nur oberflächliche Beschädigungen hinzunehmen. Das kann es so noch nicht geben."

"Genau aus dem Grund möchte ich Sie und einen entscheidungsbevollmächtigten des Präsidenten einladen, sich mit eigenen Augen von der Wahrheit meiner Aussage zu überzeugen. Al-Basiri hat bereits zugestimmt, im Falle einer wohlwollenden Beurteilung seiner Leistung mit seinen fünfzig Mitarbeitern weitere auch schwere Panzer und auch mehrere Hubschrauber und Jagdflugzeuge entsprechend umzurüsten, dass sie unseren Feinden um ein vielfaches überlegen sind."

"Und wenn ich beschließe, Sie hier und jetzt von Stabsärzten auf Ihren Geisteszustand untersuchen zu lassen oder zumindest überprüfen zu lassen, ob Sie mich nicht ganz gefärhlich unverfroren belügen, Oberst?" fragte General Abudei.

"dann schicken Sie bitte jeden Arzt zu mir, der Ihr Vertrauen genießt, Herr General! Sollte die Untersuchung ergeben, dass mit mir alles in Ordnung ist und ich auch nicht mein Leben riskiere, Ihnen mit einer schnell nachprüfbaren Falschmeldung die Zeit zu stehlen, möchten Sie dann meine Einladung annehmen?"

"Es ist schon merkwürdig, dass sie vor drei Wochen diesen schweren Stromausfall gemeldet haben und jetzt auf einmal diesen Wunderknaben im Haus haben, der noch dazu elf Jahre lang unbemerkt an Verbesserungen unserer Gefechtsfahrzeuge forschen und diese sogar verbessern konnte, ohne dass unsere Nachrichtendienste das auch nur im Ansatz mitbekommen konnten. Wo will er denn diese Forschungen gemacht haben, im Iran, in Jordanien oder auf dem Mond?" fragte der General.

"Seinen eigenen Aussagen nach, die durch die Verabreichung eines Wahrheitsserums bestätigt wurden, hat er die letzten elf Jahre im irakisch-türkischen Grenzgebiet in einer vor sechzig Jahren aufgegebenen Erdölraffinerie zugebracht und dort an von unseren Soldaten feige im Stich gelassenen Panzern herumgeforscht, bis er die gewünschten Ergebnisse erzielte."

"Sie haben ihn unter Wahrheitsdrogen verhört? dazu haben Sie keinen Befehl von mir oder meinem Stellvertreter erhalten", erwiderte der General.

"Nicht von Ihnen, aber von Oberst Amir. Als ich ihn unterrichtete berief er sich auf seine Sondervollmacht, die seine befehlsgewalt auf die Höhe eines Generals erhebt, wodurch er mir trotz gleichen Ranges weisungsbevollmächtigt ist. Ich zitiere gerne den entsprechenden Abschnitt der Vorschriften." Der General bestand darauf und erhielt die gewünschte Antwort. Er musste zugeben, dass der Geheimdienstoberst wirklich in bestimmten Situationen eine Sondervollmacht geltend machen konnte, die ihn bis zum Widerruf durch den Präsidenten selbst auf die Rangstufe eines Generals der Streitkräfte erhob. Das hatte der Präsident vor fünf Jahren in einer geheimen Abänderung der allgemeinen Vorschriften verfügt, damit im Falle einer feindlichen Unterwanderung der Nachrichtendienstabschnittsleiter vor Ort die nötigen Maßnahmen befehlen konnte, ohne Rücksprache mit dem Hauptquartier nehmen zu müssen. "Haben Sie Bildaufzeichnungen dieser sagenhaften Vorführung?" fragte der General. Der Oberst bestätigte das, wollte diese jedoch nicht über Funk versenden, weil er dafür erst um die Nutzungsgenehmigung für eine hochverschlüsselnde Glasfaserverbindung bitten musste.

"In Zehn Minuten haben Sie eine schriftliche Aufforderung zur Übertragung der Bildaufzeichnungen und meine persönliche Genehmigung, dafür unsere geheime Glasfaserverbindung zu nutzen, Oberst Al-Mottasadek."

Zehn Minuten später wurde ein zwanzig Minuten dauernder Videofilm mit ansprechender Bildauflösung und einer Bildrate von zweihundert Bildern Pro Sekunde in die Kommunikationsabteilung des Hauptquartiers überspielt. Auch wenn die US-Amerikaner nach dem letzten Krieg keine wirklichen Freunde der irakischen Regierung geworden waren, ihre Computerfirmen hatten in dieses Land doch einiges investiert. Und was sie nicht liefern wollten hatte der Präsident dann von den Chinesen im Tausch gegen günstiges Rohöl eingehandelt.

"Hmm, das soll tatsächlich so abgelaufen sein?" fragte Hauptmann Mustafa Sharif, erfahrener Panzerkommandant der irakischen Armee und einer der wenigen, die lieber kämpfend gestorben wären, wenn die Amerikaner ihm seinen Panzer nicht mit diesen gemeinen Präzisionsgranaten kampfunfähig geschossen hätten. "Wenn wir dieses Wunderding schon vor elf Jahren gehabt hätten würde Präsident Hussein heute im weißen Haus von washington sitzen, weil er sämtliche Ölvorräte der arabischen Welt besäße", fügte Sharif noch hinzu.

"Wir lassen die Bilder einzeln prüfen, Schattenwurf, Tiefenschärfe und den ganzen Rest. Erst wenn ich sicher weiß, dass da niemand getrickst hat können Sie und ich gerne nach Al-Mudi hinfahren und uns das noch mal vorführen lassen", sagte General Abudei. Er dachte dabei daran, dass sein Sohn in dieser Basis Leiter der Energieversorgungsabteilung war und den durch einen Kabelbrand verursachten Zusammenbruch der Stromversorgung innerhalb einer Stunde behoben hatte.

"Wenn das hier echt ist bitte ich um die Erlaubnis, dieses Kampfwiesel da selbst einmal fahren zu dürfen, Herr General", sagte Hauptmann Sharif. In den Augen des Panzeroffiziers glomm das Feuer der Begeisterung.

"Wenn dieses Material wahrhaftig auf einer echten Vorführung beruht werden Sie wohl ständiger Kommandant des ersten schweren Kampfpanzers sein, der von diesem Wunderschmied zusammengebaut wird", sagte der General. Er hatte sich von Sharifs Begeisterung derartig anstecken lassen, dass er mal eben einen Spitznamen für den aus tiefer Versenkung aufgetauchten Waffentechniker ersonnen hatte. Bald schon würde diese Bezeichnung zum geheimen Decknamen werden.

Fünf Stunden später konnten die in die Untersuchung des Bildmaterials einbezogenen Sachverständigen nicht anders als mit unverhohlenem Erstaunen die Echtheit der übermittelten Bilder bestätigen. Es war zu keiner Sekunde eine Manipulation aufgefallen, kein verräterischer Schatten, keine Unstimmigkeit in der Belichtung oder der Farbabmischung.

"Wir treffen morgen um zehn Uhr früh bei Ihnen ein, Oberst Al-Mottasadek. Sehen Sie zu, dass Ihr Gast bis dahin keine anderen Termine und Verpflichtungen wahrzunehmen hat!"

"Wie soll ich ihn bei uns einquartieren?" fragte Al-Mottasadek.

"das Gastquartier für hochrangige Vertreter. Betrachten Sie ihn so, als wäre ich ein über Nacht bleibender Gast!"

"Sehr wohl, Herr General", bestätigte Oberst Al-Mottasadek.

"Sie begleiten mich, Hauptmann Sharif. Doch was ich über Ihren Antrag gesagt habe halte ich aufrecht", sprach General Abudei zu Hauptmann Sharif.

Als der General dann über eine abhörsichere Leitung mit dem Präsidenten persönlich sprach erhielt er den Befehl, eine Videoleitung zur Festung Al-Mudi zu schalten, über die Saddam Hussein persönlich die Vorführung verfolgen konnte. Der General verwies darauf, dass es schwer war, eine abgeschirmte Leitung zwischen der Festung und dem Präsidentenpalast zu errichten, ohne die Gefahr der elektronischen Spionage zu riskieren.

"Konnten Sie ausschließen, dass jemand die Bildübermittlung zu Ihnen angezapft hat?" fragte der Präsident.

"Nun, soweit wir das bewerkstelligen konnten, Herr Präsident. Ich kann nicht völlig ausschließen, dass es eine von uns noch nicht gefundene Hintertür in den Kommunikationszentralrechnern gibt. Natürlich haben wir das Video unverzüglich von der Hauptfestplatte entfernt und selbst für tiefergehende Wiederherstellungsprogramme ungreifbar gemacht. Doch wer die Bildübermittlung selbst mitbekommen hat und vielleicht die vierfache Verschlüsselung herausfinden kann ..."

"Sollte dieser Fall eintreten haben Sie und Ihr Kommunikationsoffizier dann sicher bereits eine Grabstelle ausgesucht, denn die werden Sie dann nötig haben", knurrte der Präsident nach dem Einwandt des Generals wegen der Abhörsicherheit. Natürlich wusste auch Saddam Hussein, dass es die hundertprozentige Abhörsicherheit nicht geben konnte, auch nicht bei abgeschirmten Glasfaserverbindungen. Dabei bestand die größte Gefahr nicht auf dem Weg zwischen A und B, sondern darin, dass ein feindlicher Spion ein Überwachungsprogramm im Sende- und/oder Empfangsgerät installiert hatte, um den Klartext oder die reine Bilddatei unverschlüsselt zu kopieren und in einem unbeobachteten Moment an den Spion weiterzuleiten.

"Wünschen Sie immer noch, mitzuverfolgen, wie der Versuch verläuft, Herr Präsident?" fragte der General ungeachtet der sehr deutlichen Drohung.

"Ich möchte nicht in der Nähe des Übungsgeländes sein, aber auch nicht zu weit davon entfernt. Ich erarbeite mit meinen Beratern eine Möglichkeit und werde Sie dann anweisen, das Ergebnis zu verwirklichen", erwiderte der irakische Staatschef.

"Ich erwarte Ihre Entscheidung, Herr Präsident", bestätigte der General.

Drei Stunden später rief der irakische Staatschef wieder an und erklärte, dass er seine Überwachungstechniker mit ausreichend viel abgeschirmten Kabeln und einer hochauflösenden Kamera mit Teleobjektiv sowie einen Videorekorder mit angeschlossenem Großbildfernseher vorausschicken würde. Wo genau sich Saddam postieren würde verriet dieser nicht, weil er nicht wollte, dass der General bei der Vorführung immer wieder in eine bestimmte Richtung sah. "Ich vertraue Ihnen, General Abudei. Doch unbewusste Gesten und Blicke kann jeder mal machen. Gehen Sie nur davon aus, dass ich mir die Vorführung in direkter Übertragung ansehen werde. Was ich davon halte kriegen Sie dann nach Ihrer Rückkehr gesagt." Der General bestätigte diese Erklärung und wünschte dem Präsidenten eine erfolgreiche Reise.

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In der Festung Al-Mudi, 02.02.2003, 15:55 Uhr Ortszeit

So sah also ein heutiger General aus, dachte Omar Ben Faizal Al-Hamit, als er den hochrangigen Besucher durch eines der Panzerglasfenster beobachtete, wie er aus einem gepanzerten Drehflügelflugapparat stieg. Er wurde von zwei anderen Offizieren begleitet. Al-Hamit hätte es gerne gehabt, den achso großen Machthaber dieses Landes auch in dieser Festung begrüßen zu dürfen. Doch der war natürlich viel zu vorsichtig, sich auf eine höchst unglaubliche Meldung hin aus seinem sicheren Palast zu wagen.

Al-Hamit trug seiner Tarngeschichte entsprechend eine weiße Gummimaske über angelegten Verbänden, um seine achso schweren Entstellungen zu verbergen. Ebenso trug er bis zu den Ellenbogen reichende weiße Handschuhe. In dieser Aufmachung wartete er bis er aufgefordert wurde, den eingetroffenen Gast aus Bagdad zu begrüßen. Mit leicht angerauht klingender Stimme begrüßte er den leicht untersetzten General, dessen Ähnlichkeit mit dem Elektrostromfachmann der Festung sofort auffiel. Al-Hamit erkannte einmal mehr, wie gut es war, diesen Maschinenmeister ebenso wiederbelebt zu haben wie den Festungsbefehlshaber.

"Ich würde gerne sehen, wie Sie unter der Maske aussehen, Herr Al-Basiri", sagte der General nach der höflichen Begrüßung. "Ich pflege nämlich nicht gerne mit verkleideten oder vermummten Leuten über wichtige Angelegenheiten zu sprechen. Das ist dann eher die Sache von Nachrichtendienstleuten." Keiner lachte über diese Bemerkung, erst recht nicht der im Hintergrund stehende Mann in einem zivilen Anzug, der sich als Oberst Amir vom Inlandsnachrichtendienst vorgestellt hatte. Dass dies der erste erfolgreiche Versuch einer Wiedervereinigung nach erfolgter Seelentrennung war wusste nur der Meister der Geister selbst. Amier stand völlig unter seiner Herrschaft und würde alles tun, was er ihm auf rein gedanklichem Weg befahl, auch sich und den General töten.

"Nun, ich habe den Ärzten mein vom Krieg gezeichnetes Gesicht und meine ebenso gezeichneten Hände und Arme gezeigt. Einer der Gehilfen des Arztes musste sich daraufhin erbrechen. Ein anderer Gehilfe flüsterte hinter meinem Rücken was von einer in den Staaten erfundenen Schreckgestalt namens Freddy Krueger. Außer mir hält niemand den Anblick meines Gesichtes aus. Und ich brauchte mehr als ein Jahr, um mich daran zu gewöhnen."

"Ich war im letzten Krieg dabei und habe verstümmelte Körper und verbrannte Kameraden ansehen müssen, Herr Al-Basiri. Ich bin also durch die gleiche unrühmliche Schule gegangen wie Sie selbst und wie meine Begleiter hier. Also zeigen Sie mir bitte Ihr unverhülltes Gesicht!"

Al-Hamit musste erst grinsen, was seine Maske vollständig verbarg. Dann nickte er und zog behutsam erst die Gummimaske ab, um sich dann von einem der Ärzte die Verbände vom Gesicht nehmen zu lassen. Der General blickte konzentriert in das Gesicht, dass sich ihm bot und erstarrte für eine Sekunde. Dann fand er seine Selbstbeherrschung und die Worte wieder.

"Und in all den Jahren haben Sie keinen Arzt finden können, der das beheben konnte?" fragte der General.

"Zum einen war der Verbrennungsgrad zu hoch, um von anderen Stellen Haut für eine Widerherstellung zu nehmen. Fremdhaut wurde alls unverträglich eingestuft. Ich werde bis zu meinem Lebensende damit herumlaufen müssen, ein Maskenträger zu sein, um nicht vor meinem eigenen Spiegelbild zurückzuschrecken oder kleine Kinder für ihr restliches Leben zu traumatisieren, Herr General", sagte Al-Hamit mit gespieltem Selbstmitleid. Dann fragte er, ob er sein Gesicht wieder verbergen durfte. Er durfte.

Eine halbe Stunde nach der Begrüßung saßen der General, der Festungskommandant und die von Abudei mitgebrachten Fachmänner auf der obersten Plattform des Wachturms, von wo sie durch Ferngläser einen unverstellten Überblick über das Versuchsfeld hatten. Al-Hamit alias Al-Basiri erwähnte, dass die von Al-Mottasadek ausgesuchte Mannschaft nun beginnen konnte.

Zunächst fuhr der kleinere Aufklärungspanzer über ein Feld, dessen Oberfläche verschiedene Unebenheiten aufwies, darunter mehrere Meter breite Mulden, die Explosionstrichter darstellen sollten, sowie eine Steigung von mehr als 70 Grad und ein Gefälle von gleicher Neigung. Auf ebenem Gelände erreichte der Panzer eine für diesen Fahrzeugtyp unglaubliche Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern. Al-Hamit hatte schon befürchtet, dass er da vielleicht zu viel des guten angerichtet haben mochte, einen niederen Feuerdschinn durch Seelenkerkerzauber in den Motorblock des Panzers eingefügt zu haben. Doch offenbar nahm der General diese Geschwindigkeit noch als für magielose machbare Leistung hin. Dass in der Steuerung des Panzers die ihrem Körper entrissene und durch ähnliche Seeleneinkerkerungszauber daran gefesselte Seele eines der Panzerfahrer dieser Festung steckte wusste der General auch nicht. Er sah nur, dass sich der Aufklärungspanzer mit einer geradezu raubkatzenartigen Wendigkeit durch eine Formation aus künstlichen Felsen hindurcharbeitete und sogar zweimal auf nur einer Laufkette fuhr, um schmale Durchlässe zu nutzen. Der Fahrer des Panzers stand durch die Berührung der Schalt- und Steuerhebel in unmittelbarer Verbindung mit den versklavten Seelen, die Al-Hamit zu niederen Dschinnen gemacht und dann in die einzelnen Bestandteile des Kriegsfahrzeuges eingepflanzt hatte.

"Jetzt wird's laut, die Herren. Jetzt kommen erst die Landminen und dann unsere Geschützübungen", kündigte Al-Mottasadek den nächsten Abschnitt der Übung an, als der Versuchspanzer gerade ohne abzurutschen einen 80-Grad-Steilhang hinuntergefahren war.

"Ich habe schon im Granatenhagel überlebt, wo Sie wohl gerade erst den ersten Zahn bekommen haben, Herr Oberst", sagte der General nur. Das nahmen alle als gegeben hin.

Tatsächlich dröhnten die Explosionen echter Landminen sehr laut zu den Beobachtern hinauf. Das Übungsfahrzeug hüpfte bei jeder Explosion einen Meter nach obenund kam unsanft auf seine Laufketten. Doch seiner Besatzung machte das offenbar nichts aus, und dem Fahrzeug selbst schien kein Kratzer in der Außenhaut zugefügt worden zu sein. So durchfuhr der Panzer ein Feld aus zwanzig Minen und hinterließ eine Kette aus kleinen Kratern. Dann bekam das Fahrzeug einen Sturm aus Übungsgranaten ab. Als der General verlangte, auch scharfe Geschosse zu verwenden um auch die obere Panzerung zu prüfen flogen laut sirrend mehrere große Granaten auf den Panzer zu. Sie explodierten laut krachend links oder rechts auf ihm. Doch wie der legendäre Vogel Phönix entschlüpfte der Panzer jeder Explosionswolke ohne auch nur angerußt auszusehen. Das lag an einem weiteren Feuerdschinn, den Al-Hamit unter Gesängen der Verbundenheit regelrecht in die Außenhülle des Panzers hineingeschmiedet hatte, so dass die Umhüllung alles aus Feuer entstehende Zerstörungswerk überstehen konnte, aber dabei auch alles im Feuer entstandene abwehren konnte, also jedes reine Metall, sowie die im feurigen Leib der Erde erbrüteten Diamanten. Doch das durfte Al-Hamit alias Dr. Al-Basiri natürlich auch nicht erwähnen. Ihm war nur wichtig, dass seine Erfindung aus jeder ihr zugedachten Bedrängnis unversehrt und jungfräulich rein aussehend hervorging. Als der General noch den Beschuss mit Brandgeschossen verlangte wurde ein solches auf den Panzer abgefeuert. Doch der Übungspanzer schüttelte das Feuer ab wie ein Hund Wasser aus dem Fell schüttelt. "Ihnen ist klar, dass Sie ab heute nur noch unter unserem Schutz verreisen dürfen, Doktor Al-Basiri?" fragte der General nach Abschluss der Beschussübungen.

"Hmm, dabei haben Sie noch gar nicht gesehen, wie meine Schöpfung austeilen kann", erwiderte Al-Hamit. Immerhin hatte er so viele Übungsgeschosse in das Magazin des Panzers verladen lassen, wie bei einem wirklichen Gefechtseinsatz mitzunehmen war. Als dann der Übungspanzer gegen fünf schwere Kampfpanzer zugleich ankämpfte wirbelte sein Geschützturm nur so herum und beharkte die Gegner mit krachenden und Farbflecken hinterlassenden Geschossen, dass die fünf Panzer in nur dreißig Sekunden blutrot übermalt schinen. "Wenn der Oberst es gewünscht hätte wäre natürlich auch scharfe Munition verfeuert worden. Nur dann hätten die Streitkräfte wohl fünf Kampfpanzer weniger zur Verfügung", sagte Al-Hamit selbstsicher.

"das will ich prüfen. Bestücken Sie dieses Fahrzeug mit scharfer Gefechtsmunition!" befahl der General.

Fünfzehn Minuten später fuhr ein immer noch wieselflinker Aufklärungspanzer aus einer Umzingelung von sechs schweren Kampfpanzern heraus. Jedem der sechs Panzer fehlte das Hauptgeschütz, und die Laufketten waren schwer beschädigt, was die sechs Fahrzeuge zu manövrierunfähigen Metallkolossen machte. Al-Hamit wollte es schon aussprechen, doch der Panzerfahrer Sharif kam ihm zuvor. "Bedenken Sie, dass wir ausreichend gewarnt wurden, Herr General."

Am Ende der angesetzten Versuche zogen sich der General und die beiden Obristen in ein schalldichtes Zimmer zurück. Doch Al-Hamit stimmte sich in einem anderen schalldichten Raum durch einen magischen Singsang auf seine beiden Sklaven ein und tauchte in deren Sinneswahrnehmung ein, als säße er selbst in jenem Raum. So bekam er mit, dass der General befahl, dass Al-Basiri nicht mehr ohne ständige Überwachung sein durfte und dass er unverzüglich an einen noch sicheren Ort verbracht werden sollte, wenn der Präsident vom Ausgang der Übung erfuhr. Der Übungspanzer selbst sollte so schnell wie möglich mit einem Transportflugzeug in das geheime Militärlabor bei Bagdad verbracht und genau untersucht werden. Oberst Amir wandte ein, dass dies jedoch ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber Al-Basiri sei, wenn jemand seine Erfindung zu zerlegen versuche. Besser wäre es, wenn ihm in einer gesicherten Anlage möglichst freie Hand gelassen würde, um vom Präsidenten gewünschte Nachbesserungen bestehender Boden- und Luftfahrzeuge auszuführen.

"Ich werde dieses Wundervehikel in meine Labors schaffen und mit allen Mitteln durchleuchten und abklopfen lassen. Mich interessiert vor allem die schier unzerstörbare Panzerung. Am Ende entscheidet diese über Sieg oder Niederlage, wenn Bush Junior seine lauten Parolen wahrmacht und aus einem von ihm wohl noch zu konstruierenden Grund heraus gegen uns Krieg führt. Da müssen wir dieses Geheimnis auf möglichst vielen vertrauenswürdigen Schultern abladen."

"Ich kann noch einmal versuchen, Dr. Al-Basiri davon zu überzeugen, dass er unserem Land nur dann den größten Dienst erweist, wenn er uns an seinem Wissen teilhaben lässt", sagte Al-Mottasadek. Doch der Oberst wusste, dass sein wahrer Herr und Meister nicht darauf eingehen würde. Abgesehen davon würde niemand es schaffen, den Übungspanzer zu zerlegen, sobald die Luke von außen verriegelt war.

Als Al-Mottasadek mit dem angeblichen Waffeningenieur sprach sagte dieser: "Ich habe fünfzig Männer in mein Vertrauen gezogen, die für mich und damit für die Streitkräfte alles so herrichten können, dass es den gezeigten Leistungen entspricht. Wer meine Geheimnisse auszuspähen trachtet wird froh sein, wenn er nur im Dunkeln tappen muss. Ich weiß um die Bedeutung meiner Erfindungen und auch, dass jeder weitere Mitwisser ein feindlicher Spion sein kann. Das wollen Sie sicher nicht wirklich, dass jemand unseren Feinden vermeldet, welche überragende Kampfkraft unsere Waffen haben können."

"Aber genau diese feindlichen Spione könnten darauf verfallen, Sie zu entführen", sagte Al-Mottasadek. Beide wussten, dass der General über ein heimlich verstecktes Mikrofon mithörte.

"In dem Fall werde ich mir eher den Tod geben als mein Wissen in die Hände unserer Feinde fallen zu lassen. Würden Sie das auch von allen behaupten, die meine Geheimnisse erfahren sollen?" fragte Al-Basiri. Dann sagte er: "Ich kann Sie nicht daran hindern, den Panzer anderswo hinzubringen. Doch einer Untersuchung oder gar Zerlegung wird er sich widersetzen, das dürfen Sie dem General sehr gerne von mir ausrichten. Abgesehen davon muss ich dann wohl darauf verzichten, weitere Fahrzeuge zu verbessern, und kommen Sie mir nicht wieder mit Ihrem Wahrheitsserum. Ich habe vorgesorgt. Wenn jemand außer mir zu meinen versteckten Werkstätten fährt, um meine Unterlagen zu holen, wird alles vernichtet und jeder, der versucht hat, daran zu rühren. Das habe ich mit meinen Leuten so abgestimmt, weil ich eben davon ausgehen muss, dass es zu viele Leute gibt, die wissen möchten, wie genau meine Verbesserungen hergestellt werden können."

"Ich muss das mit dem General besprechen. Solange bleiben Sie als unser Gast bei uns", sagte Al-Mottasadek. Der angebliche Waffeningenieur bestätigte das. Der General wusste nicht, dass der angebliche Waffentechniker jederzeit sein als Gästequartier bezeichnetes Luxusgefängnis in der Festung verlassen und wieder betreten konnte.

Eine halbe Stunde später wusste Al-Basiri alias Al-Hamit, dass Saddam Hussein persönlich die Anfertigung von hundert schweren Kampfpanzern und zweihundert Spähpanzern in Auftrag gab. Außerdem sollte Al-Basiri mindestens zehn MiG-Jagdflugzeuge entsprechend umbauen, dass sie amerikanischen Jagdfliegerpiloten das blanke Entsetzen in die Glieder jagen konnten. Was den Übungspanzer anging so hatte Saddam dem General den Rücken gestärkt und die Untersuchung in einem der Militärlabore ausdrücklich angewiesen.

"So mag es sein, was ich eigentlich erst in drei Monden angehen wollte", dachte Al-Hamit. Er gab seinem gehorsamen Diener Al-Mottasadek den Gedankenbefehl, mit dem General noch einmal die Strecke der Übungsfahrt abzugehen, um die Spuren zu erkunden, die der Panzer hinterlassen hatte. Nur im Freien würde gelingen, was Al-Hamit vorhatte.

Tatsächlich ging der General darauf ein, sich von Al-Mottasadek auf einem Kontrollgang begleiten zu lassen. Al-Hamit wies einen seiner draußen wachenden Luftdschinnen an, in einem der Minenkrater zu lauern, bis der General an ihm vorbeiging. Gleichzeitig gab Al-Hamit dem Ingenieur Abudei den Befehl, eine Endlosschleife des Übungsgeländes aufzunehmen und in das Überwachungssystem einzuspielen, bis er, Al-Hamit, die Freigabe der üblichen Kameraüberwachung befahl.

So tappte der General in die auf ihn lauernde Falle. Al-Hamit, der mit einem seiner gebändigten Bewacher auf den Wachturm hinaufgestiegen war, wartete, bis sein feinstofflicher Vollstrecker zulangte und die Seele des Generals aus dem angestammten Körper riss. Diese fing er in einer auf den Luftdschinn abgestimmten Silberflasche ein und bezauberte diese, dass der General nach seiner Wiedererweckung nur noch das tun und sagen würde, was Al-Hamit wollte. Dazu gehörte auch, Saddam Hussein zu einer weiteren Vorführung einzuladen, wenn es um einen ausgewachsenen Kampfpanzer ging. Denn jetzt, wo Al-Hamit sowohl einen Festungskommandanten, einen Nachrichtendienstmann und einen Armeegeneral sein eigen nannte, wollte er auch deren obersten Dienstherren in seinen Besitz bringen. Als er von dem General erfuhr, dass Saddam Hussein am Fernsprechapparat erwähnt hatte, sich die Übung aus sicherer Entfernung anzusehen musste sich Al-Hamit sehr anstrengen, nicht in Wut zu geraten. Diese Mitteilung hätte er gerne bereits während der Vorführung bekommen. Dann hätten seine nicht in Kriegsmaschinen eingebundenen Luftdschinns den Machthaber suchen und seine Seele ihm, dem Meister, darbringen können. Doch der Tag würde kommen, wo dieser selbsternannte Führer der arabischen Welt sein gehorsamer Sklave sein würde.

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An Bord eines gepanzerten Hubschraubers über der irakischen Wüste, 02.02.2003, 23:43 Uhr Bordzeit

Der Präsident des Iraks nutzte die Flugzeit zurück nach Bagdad, um sich das vorhin gesehene noch einmal auf einem kleinen Fernsehbildschirm anzusehen. Sein Pilot und die beiden bewaffneten Leibwächter behielten derweil die Flugstrecke im Auge, sowohl per Restlichtverstärker als auch per Infrarotkamera. Radar und Funk hatte der Machthaber von Bagdad ausdrücklich untersagt. Keiner sollte den Langstreckenhelikopter vorzeitig orten können.

Die Bilder der Vorführung änderten sich nicht. Er hatte es vorhin genau so gesehen, durch die Augen der um den Stützpunkt aufgestellten Telekameras, mal als darstellung von vier kleineren Bildern auf dem großen Monitor, mal einen bestimmten Bereich als Vollbildansicht. Jedenfalls hatten die zwischen jeder Kamera und dem Monitor eingebundenen Videorekorder die komplette Vorführung aufgenommen. Wenn dieser Al-Basiri auch schwere Kampfpanzer derartig umrüsten konnte, ja wahrhaftig auch Hubschrauber und Düsenflieger umbauen konnte, dann würde George W. Bush die längste Zeit die stärkste Luftstreitmacht der Welt und die am besten organisierte Kriegsmarine der Welt besessen haben. Ja, und wenn erst mal die unseligen, sich für die Beschützer und Herren der Welt haltenden Amerikaner hinweggefegt waren, dann würde keinen Tag später der Judenstaat zu Staub zerfallen. Danach würde er dem Iran die Wahl lassen, zum rechten Glauben zurückzukehren und den Ayatollah wortwörtlich in die Wüste zu schicken oder den Zionisten in das Nichts folgen. Dass er dann auch wieder Kuweit und dazu noch Jordanien, Syrien und die anderen arabischen Länder übernehmen konnte war dann nur noch eine Randnotiz der Geschichte.

"Bald wissen wir, wie der Übungspanzer so stark und unverwüstlich gemacht wurde. Dann haben wir die stärkste Streitmacht der Welt", schwelgte der Staatschef des Iraks in vorfreudigen Machtphantasien.

"Herr Präsident, unsere Ankunft verzögert sich um eine halbe Stunde, da wir einen Umweg fliegen müssen, um nicht von einer Jagdflugstaffel entdeckt zu werden", sagte der Pilot über die Kopfhörer, die zugleich Gehörschutz und Lautverständigungshilfsmittel waren. Saddam Hussein sprach in das vor seinem Mund hängende Mikrofon: "Sehr Umsichtig, Hauptmann Mubarak." Manchmal dachte Saddam Hussein daran, dass er auch von einem Verschwörer in den eigenen Reihen ermordet werden konnte. Doch die von ihm ausgewählten Männer würden ihn nicht verraten. Geschah ihm was, so würden deren Frauen und Kinder ihn keine zwei Stunden lang überleben. Das wussten sie zu gut, als dass sie auch nur den Gedanken an einen hinterhältigen Mordversuch vergeudeten. Allerdings war er sich nicht so sicher, ob nicht irgendwer in seinen Reihen ein Spion sein konnte. Im Grunde wussten die Männer, die ihn heute begleitet hatten, sowie die Soldaten in der Festung schon mehr als ihm lieb war. Deshalb musste er sicherstellen, dass die Geheimnisse Al-Basiris auf keinen Fall in feindliche Hände fielen. Dieser Mann durfte nie wieder frei herumlaufen. Morgen früh würde er die Anweisung geben, dass die Festung Al-Mudi mit zweihundert Mann verstärkt und rundum mit allen technischen Überwachungsvorrichtungen gespickt wurde. Er dachte auch, dass er Al-Basiri mit einer besonderen Manschette versehen lassen würde, welche ständig die Funkzeichen eines nahebei betriebenen Senders empfing. Fielen diese Signale aus oder entfernte sich Al-Basiri zu weit vom Sender, machte es Bumm, und der kluge Kopf des Wunderschmieds würde in tausend Einzelteilen zum Himmel hinauffliegen. Doch bevor sie nicht die letzten Geheimnisse aus ihm herausbekommen hatten, wie seine Erfindungen arbeiteten und wie sie in nahezu jedes Kriegsfahrzeug eingebaut werden konnten, durfte dieser Mann nicht sterben. Also schob Saddam die Idee mit der besonderen Halsfessel erst einmal auf eine spätere Zeit.

Ein Infrarotscheinwerfer leuchtete für Menschenaugen unsichtbar den idealen Gleitpfad des Hubschraubers aus. Die Landefläche selbst wurde von kleinen Leuchten begrenzt, die für die Restlichtverstärkeroptik des Piloten so hell wie Stadionflutlicht waren, aber von weiter oben gerade mal als Fleck widerscheinendes Mondlicht angesehen werden mochten. Endlich stand der Hubschrauber wieder auf festem Boden. Von drei Leibwächtern gedeckt verließ Iraks mächtigster Mann die Maschine und verschwand durch eine gut verdeckte Seitentür in seinem Regierungspalast. Die Videoaufzeichnungen überließ er den mitgenommenen Technikern. Wehe diesen, wenn auch nur ein Bild davon von feindlichen Augen angesehen würde!

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In der Festung Al-Mudi, 03.02.2003 christlicher Zeitrechnung, gegen Nachmittag

Al-Hamit alias Hassan Ibrahim ben Hassan Harun Ibn davud Hassan Al-Basiri hatte von den um die Festung patrouillierenden Luftdschinns erfahren, dass mehrere Späher mit elektrischen Fernblickaugen und Fernhörohren in Stellung gegangen waren. Offenbar hatte Saddam Hussein befohlen, die Festung nicht nur innen, sondern auch außen zu sichern. Im Einvernehmen mit General Abudei hatte der angebliche Waffeningenieur, der sich geschmeichelt fühlte, unter dem Decknamen "Wunderschmied" geführt zu werden, alle von ihm unterworfenen Männer in die Festung geholt, die er in die handwerklichen Vorbereitungen seiner Zauber eingewiesen hatte, mit denen er Feuer, Luft- oder Erddschinnen in unbelebte Dinge einsetzen konnte und davon bis zu fünf stück, wenn der entsprechende Gegenstand mindestens ein Zwölftel des Raumes einnahm, den ein ungebundener Dschinn im Freien einnehmen konnte. Nach und Neben der ihm schon bedingungslos unterworfenen Festungsbesatzung wollte er bald auch die neu dazugekommenen Soldaten und techniker seiner Macht unterstellen. Doch eine Trennung und Wiederbeseelung war anstrengend und benötigte für jeden Körper einen entsprechenden Bindungsgegenstand. Da er bereits bei der Einkerkerung bisher frei umherwandelnder Geisterwesen sehr viel Silber, Kupfer und auch Gold verwendet hatte, musste er erst einmal wieder mehr von diesen Metallen haben und in die richtige Form schmieden. Doch Saddams Auftrag war gerade wichtiger, möglichst bald genug große Panzer zu bauen und auch mehrere Feuerstrahlflugzeuge mit eingebauten Waffen zu unbesiegbaren Todesboten umzurüsten.

Was die Flugzeuge anging, so hatte er da bereits Vorarbeit geleistet, indem er mehrere seiner Luft- und feuergeister ausgesandt hatte, mindestens zwei Lenker solcher Maschinen einzufangen und ihm ihre Seelen zu bringen, die er dann in einem mehrere Minuten langen Ritual zu niederen Dschinns des Feuers oder der Luft verwandelte und sie seiner Macht unterwarf. Er hatte bereits drei Flugzeuge ausgewählt, die er umbauen wollte. Heute noch würden sie von von ihm bereits unterworfenen Soldaten herbeigeschafft, alte Düsenflugzeuge, die den Namen Phantom trugen. Das empfand Al-Hamit besonders erheiternd, weil der Name ja für ein unheimliches, nicht wirklich greifbares Geisterwesen stand. Genau das würde aus den alten Maschinen werden. Und wen auch immer die Luftwaffe dazu bestimmte, sie zu fliegen, würde mit diesen umgeformten Flugmaschinen eine geistige Einheit bilden, genau wie die Mannschaften der bereits erprobten Panzer.

"Meister, dein fleischlicher Diener Al-Mottasadek bekam gerade über den Fernstimmenkasten gesagt, dass die drei Metallvögel gleich hier sind", wisperte die Gedankenstimme eines Luftdschinns, der in der Nähe von Al-Mottasadek blieb, um ihn vor jeder Art körperlichem Angriff zu schützen. Al-Hamit schickte an seinen körperlosen Diener zurück, dass er bereits auf diese Flugmaschinen wartete. Sie sollten in den befestigten Abstellraum unter der Erde verbracht werden, den Al-Hamit zu seiner "Werkstatt" ausgebaut hatte. Damit niemand von den noch eigenständig handelnden Männern dort eindrang hatte Al-Hamit die Türen mit einem Zauber versehen, der jeden Wunsch, dort einzudringen verdrängte.

Als er die drei alten Flugzeuge aus amerikanischer Fertigung sah musste er wieder daran denken, wie wankelmütig doch diese Westländer waren, dass sie erst mit den Mesopotamiern befreundet waren und jetzt deren erbitterte Feinde waren. Er wollte und würde das nie verstehen, was diese Leute aus dem Westen so vorantrieb. Er muste das auch nicht. Wenn seine Waffen erst einmal in größerer Zahl bereitstanden und damit auch schon die ersten Gegner vernichtet waren würde bald niemand mehr fragen, was in den Köpfen der Westländer hinter dem abendländischen Ozean vorging.

Er wollte gerade das erste der drei Flugzeuge begutachten, inwieweit seine Umbauten es innen und außen verändern würden, da fühlte er, wie etwas versuchte, sich gegen drei seiner eingekerkerten Dschinnen zu stemmen. Er wusste sofort, was geschah. Auch wenn er den General unter seine Herrschaft gestellt hatte, so musste dieser doch so tun, als sei er weiterhin nur diesem Saddam Hussein gegenüber Loyal. Also musste er den fortgebrachten Panzer untersuchen lassen. Al-Hamit grinste hinter der weißen Maske, die er angeblich wegen schwerer Verbrennungen im Gesicht trug. Die würden seine Geheimnisse nie auf unmagische Weise herausbekommen.

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Zur selben Zeit in einer geheimen Forschungsstätte der irakischen Streitkräfte bei Bagdad

Im grellen Licht der Flutlichtanlage stand der auf einem schweren Lastwagen zu einer Wüstenpiste geschaffte und mit einer von drei verfügbaren Transportmaschinen hierher gebrachte Spähpanzer. Seine Außenhülle war hellbeige anbestrichen, um ihn optisch mit dem Wüstensand zu verschmelzen. Doch Ali, einer der aufstrebenden Ingenieure, fühlte sich in der Nähe dieses Fahrzeugs etwas unwohl. Es war ihm, als lauere es darauf, seine Geschütze auf ihn zu richten und ihn in nur einer Sekunde in tausend Fetzen zu schießen. Oder es fuhr an und zermalmte ihn zu nicht mehr als einem roten Fleck auf dem Boden. Natürlich hatte Ali davon gehört, was dieses Fahrzeug so konnte. Deshalb war er ja hier, um es zu untersuchen. Er würde sich die Elektronik vornehmen, wenn sie erst einmal die Luke aufbekommen hatten. Zunächst wollten die hauseigenen Metallurgen Proben von der Panzerung und den Raupenketten kratzen, um zu ergründen, ob der überragende Kollege die Panzerung durch ein bisher unbekanntes chemisches Verfahren verstärkt hatte. Doch das Vorhaben geriet zum Fehlschlag. Womit auch immer die Metallkundler dem Panzer zu Leibe rückten, ihre Werkzeuge zerbröselten selbst, als sie über das Material des Kriegsgerätes schabten. Die Panzerung selbst bekam dabei weder einen sichtbaren Kratzer noch einen Abrieb ab. Einer der Kollegen Alis versuchte, mit einem Diamantbohrer einen weniger als einen Millimeter durchmessenden Probenkern aus der Außenhaut zu bohren. Der Bohrer sprühte Funken, kreischte wie in schlimmster Todesqual und zerfiel. Alle auf ihm angebrachten Diamanten waren jetzt nur noch Staub. Das durfte es nicht geben, dachte Ali. Nichts auf diesem Planeten war härter als Diamant. Und so wie der Bohrer pulverisiert worden war musste das Material mindestens drei- oder viermal so hart wie Diamant sein. So etwas gab es nur in Weltraumserien wie Raumschiff Enterprise, dachte Ali, der in seiner Freizeit gerne über Satellitenfernsehen westliche unterhaltungsprogramme ansah.

"Für das Protokoll, Ausbohrung mittels Diamantbohrer erfolglos, Bohrer bei Versuch zerstört. Keine sichtbare Beschädigung an Versuchsobjekt feststellbar", sprach der Leiter der Untersuchungsmannschaft in ein kleines Mikrofon, das mit einem Diktiergerät unter seinem feuerfesten Overall verbunden war.

"Brillen aufsetzen, wir beschießen die Panzerung mit Laserstrahlen", kündigte der Untersuchungsleiter an. Ali griff unverzüglich in seinen Overall und holte die dunkle Schutzbrille hervor. Dann zog er sich mit allen, die nicht mit den gerade in Stellung gebrachten Lasern hantierten zurück. Nun wurde der Panzer mit verschiedenartigen Laserstrahlen beschossen, gepulsten Hochenergiestrahlen, gleichbleibenden Infrarot- oder Ultraviolettlaserstrahlen und blauen Laserstrahlen, um sichtbar zu machen, was mit der getroffenen Stelle geschah. Die blauen Laserstrahlen erzeugten zwar die typischen Lichtflecken auf der getroffenen Stelle, doch eine Schmelz- oder Brandwirkung im Tarnanstrich blieb aus. . Es sah so aus, als wenn die Panzerung die Hitzeenergie des auftreffenden Strahls vollkommen schluckte. So ging es auch bei den Versuchen mit den anderen Lasertypen. Die Panzerung nahm keinen Schaden hin.

"Von welchem Planeten kommt dieser Kollege noch mal?" wollte einer der Metallurgen wissen, der nur drei Jahre älter als der Waffenelektronikingenieur Ali war.

"Sollte das jetzt eine ernste Frage sein?" wandte sich der Untersuchungsleiter an den Untergebenen. Dieser nickte entschlossen und deutete auf den Panzer und die noch vor ihm aufgepflanzten Laserstrahler. "Ich fordere Sie und jeden anderen hier auf, jede abwegige Mutmaßung zu unterlassen. Dieses Fahrzeug wurde von einem Menschen gebaut und nicht von einem Außerirdischen. Das ist ein Befehl."

"Vielleicht stammt dieser merkwürdige Meister auch aus dem Jenseits und das Material da wurde im Höllenfeuer geschmiedet", erging sich ein weiterer Mann aus dem Untersuchungstrupp in einer weiteren phantastischen Mutmaßung.

"dann soll ich wohl den Imam kommen lassen, dass er diesen Panzer vom Einfluss des Sheitans losspricht, oder wie?" fragte Alis Vorgesetzter. Keiner wolte oder konnte ihm darauf antworten. "Wie gesagt, jede wie auch immer geartete abwegige Mutmaßung über die Herkunft des Kollegen Al-Basiri ist zu unterlassen", stellte der Leiter der Untersuchungsgruppe fest. Ali wusste, dass sein Vorgesetzter kein gottesfürchtiger Mensch war. Weshalb der dann trotzdem in diesen Rang befördert werden konnte wusste wohl nur der Allerhöchste. Aber die Frage nach einem möglichen Diener des Sheitans, der mit dessen unheiligen Kräften vertraut war, ließ Ali nicht in Ruhe. Das passte nämlich ganz genau zu dieser unheimlichen Stimmung, die ihn überkam, wenn er diesen Panzer ansah. Jetzt durch die Schutzgläser der Sicherheitsbrille, wirkte diese Ausstrahlung nicht so stark auf ihn ein. Doch als er die Brille wieder absetzen durfte, weil die Lasermannschaft es einsah, mit ihren Strahlern nichts erreichen zu können, befiel sie ihn wieder. Merkten die anderen das denn nicht?

Auch wenn die Laserversuche schon gezeigt hatten, dass die Panzerung nicht nur hart, sondern offenbar auch hitzebeständig war, rückten zwei Männer mit Plasmaschneidern gegen die Raupenketten vor. Doch außer wild herumfliegenden Funken passierte nichts. Dann versuchten sie, die Luke zu öffnen. Doch die war wie zugeschweißt oder als wäre sie bereits ein Stück der gesamten Panzerung. Sie ließ sich keinen Millimeter öffnen. Mit Sprengladungen brauchten sie dem Panzer wohl auch nicht zu kommen, da er ja während der Versuchsfahrt bewiesen hatte, dass er sogar mehrpfündige Artilleriegranaten und für schwere Kampfpanzer ausgelegte Minen verdauen konnte.

"Eines haben wir noch nicht versucht, Doktor Brunai, Säure!" warf einer der Metallurgen ein. Der Untersuchungsleiter nickte seinem Kollegen zu. So wurden Gasmasken und Schutzanzüge verteilt. Dann rückte ein Trupp Chemispezialisten dem Panzer mit verschiedenen hochkonzentrierten Säuren zu Leibe. Doch weder Schwefelsäure, noch Salzsäure, noch Flusssäure und auch kein Königswasser fraßen Ketten oder Außenpanzerung an. Die Säure tropfte wie klares Wasser auf den Betonboden, wo sie jedoch kleine, dampfende Löcher machte.

"Für das Protokoll, nach allen uns verfügbaren technischen und chemischen Mitteln steht fest, dass der von Doktor Al-Basiri umgerüstete und mit einer neuartigen Panzerung versehene Spähpanzer unzugänglich ist. Seine Zugangsluke scheint durch mehrfache Verriegelung gegen jede Form unerlaubten Zutritts gesichert zu sein. Somit besteht vorerst keine Möglichkeit, das Innere des Fahrzeuges genauer zu erkunden", diktierte Doktor Brunai in das kleine Aufnahmegerät. Dann befahl er allen Untergebenen, ihn aus der gesicherten Halle zu begleiten. Ali war froh, den Panzer nicht mehr sehen zu müssen. Denn irgendwie meinte er jetzt, dass darin irgendwas steckte, was zum einen auf eine Gelegenheit lauere, ihn anzugreifen und zum anderen irgendwie gefesselt war. Er dachte an einen die Zähne fletschenden Bluthund an einer kurzen Kette, der wild knurrendund bellend jeden Eindringling zu packen trachtete, der unvorsichtig genug war, in seine Reichweite zu geraten. Waren sie gerade noch außerhalb der Reichweite dieses Etwas geblieben, dass in dem Panzer steckte? Ali dachte wieder an die Vermutung, Al-Basiri könne mit dem Sheitan selbst im Bunde sein. Vielleicht war es auch der von Allah verfluchte selbst, der in einen Menschen eingefahren war und nun Saddam Hussein und seine Generäle verführen wollte, bald in einen blutigen Krieg zu ziehen, damit der Herr der sieben Höllen Blut und Seelen der Gefallenen zu sich nehmen konnte. Warum Ali das dachte wusste er nicht. Warum er bisher eine unheilvolle Ausstrahlung vom Panzer verspürt hatte wusste er auch nicht. Er wusste nur, dass er froh war, nicht in dieses unheimliche Fahrzeug hineingelangt zu sein. Aber dann, so dachte er, war es womöglich auch keine teuflische Falle, denn dann hätten sie ja allesamt in dieses Unheilsfahrzeug einsteigen können. Wenn es sich dann von selbst verschlossen hätte ... Aber was dachte er denn jetzt? Offenbar hatte er sich trotz des Ingenieursstudiums nicht ganz von den Vorstellungen seiner Großeltern freigemacht, die die Existenz von Dschinnen, Dämonen und dem leibhaftigen Sheitan für wahr hielten. Aber das waren Dorfbewohner, die mitten in der Wüste lebten, wo es nachts so dunkel war, dass darin alles mögliche lauern konnte. Das erklärte aber nicht, weshalb er dieses Gefühl hatte, belauert zu werden. Aber er würde sich hüten, das auf eigene Faust herauszufinden.

Als Ali zusammen mit den anderen vor General Abudei trat, um Bericht zu erstatten, meinte der junge Ingenieur, erneut ein Gefühl von lauerndem Unheil zu verspüren. Doch da war noch was: Ein Gefühl, vor einem leidenden Lebewesen zu stehen, dass ständige Schmerzen hat, diese aber nicht erwähnen oder hinausschreien durfte. Da er ja nicht zum Zuge gekommen war blieb er weiter hinten und überließ seinen Kollegen die Berichterstattung. Erst als er gefragt wurde, ob er es für möglich hielt, dass jemand die Luke mit einem besonderen elektromagnetischen Sicherheitssystem versperrt hatte, dass nur durch bestimmte Fernsteuerungsimpulse aufgehoben werden konnte, trat er vor und bestätigte, dass sowas vorstellbar sei. Der General bedankte sich für diese Aussage. Dann nahm er Doktor Brunai das Diktiergerät ab und bemerkte, dass dieses in einem Hochsicherheitstresor verstaut würde, weil die Ergebnisse trotz der Fehlschläge zu viel Anreiz für feindliche Spionage böten. Dann befahl er den Männern, in den Hubschrauber zu steigen, der sie nach Bagdad zurückbringen sollte.

Ali wusste nicht warum, aber irgendwie empfand er bei diesem Befehl sowas wie eine Todesdrohung. Was, wenn der General ihn und seine Kollegen unterwegs umbringen ließ? Wurde er langsam paranoid? Ali verscheuchte diesen Gedanken. Was er fühlte war greifbar, wenn auch nur für ihn. Ja, und wenn er an die unheilvolle Ausstrahlung des Panzers dachte, dann passte auch die ebenso unheilvolle wie gequält wirkende Ausstrahlung des Generals dazu. Am Ende stand der doch unter irgendeiner Form von Einfluss, ob durch irgendeinen Außerirdischen Hypnosestrahl oder durch dunkle Magie. Etwas davon musste es sein.

Ali beschloss, irgendwie von den anderen wegzukommen, ohne dass es jemand bemerkte. Doch das war in dieser rundum überwachten Basis unmöglich. Wenn er sich absetzte würden sie ihn suchen und irgendwann auch finden. Jetzt kam zu all den merkwürdigen Empfindungen noch eine gnadenlose Gewissheit dazu: Er wusste zu viel. Wenn General Abudei beschloss, alle Zeugen dieser Untersuchung verschwinden zu lassen, würden sie ihn auf jeden Fall umbringen, egal, ob er den Abflug versäumte oder sehenden Auges in seinen Tod ging. Doch er wollte nicht sterben, nicht heute und nicht in den nächsten fünfzig Jahren. Er hatte noch zu viel vor, vor allem wollte er irgendwann eine eigene Familie gründen. Er glaubte eigentlich nicht an das Kismet, die unausweichliche Vorherbestimmung. Doch konnte er sich jetzt noch davor retten, aus einer Laune des Generals heraus umgebracht zu werden? Ja, und wenn es ihm bestimmt war, heute zu sterben, warum hatte ihm Allah diese Warnzeichen geschickt, die ihn eher ängstigten als ihn ruhig und sorglos an sein Ende zu führen? Die einzige Antwort darauf mochte lauten, dass er mit dem Allerhöchsten Frieden schloss und sich ihm ganz und gar anvertraute, egal was ihm widerfahren sollte. Aber dagegen begehrte sein Überlebenswille auf. Er wollte nicht einfach so umgebracht und unauffindbar aus der Welt geschafft werden. Mochte es sein, dass viele andere sich in die Vorherbestimmung ergaben und den Allerhöchsten seine Pläne verwirklichen ließen, wie es ihm beliebte. Er hatte gelernt, dass er ein eigenständiger Mensch war, der sich entscheiden konnte, ob er heute nach links oder rechts ging. Sicher, hier in diesem Land unterstanden sie alle dem Wort des Präsidenten. Wer dagegen aufbegehrte konnte mal eben für immer verschwinden oder zu einer Mission mit garantiert tödlichem Ausgang verpflichtet werden. Doch Saddam Hussein und seine Leute würden nicht ewig an der Macht sein. Er, Ali, wollte es noch erleben, dass dieses Regime aufhörte, wenn er auch nicht wusste, was danach kommen mochte und ob das wirklich besser war.

"Junger Mann, nicht trödeln!" befahl Doktor Brunai, als Ali sich zurückfallen ließ, während die anderen befehlsgemäß zum Warteraum am Rande des Hubschrauberlandeplatzes gingen. Ali gab es auf, nach einem Ausweg zu suchen. Sollte es ihn heute doch noch erwischen, dann starb seine Familie eben aus. Das würde ihm sein Vater, der vor elf Jahren beim Krieg um Kuweit gestorben war, sicher nicht verzeihen, wenn er ihn im Jenseits antraf. Doch was konnte er tun, um das zu verhindern?

Die Ingenieure und Chemiker stiegen in den bereits mit anlaufendem Rotor wartenden Hubschrauber ein. Als die Schiebetür sich mit einem metallischen Schaben schloss dachte Ali daran, dass er sein Heimatdorf wohl nie wieder sehen würde. War er vor fünf Jahren froh gewesen, dieser winzigen Siedlung in der Wüste zu entwischen, so bedauerte er es jetzt, dass er nicht mehr das Grab seines Vaters besuchen konnte. Der Scheich des Dorfes hatte damals durchgesetzt, dass Alis Vater dort begraben werden sollte, wo seine Angehörigen ihn auch besuchen und ihm die gebührende Ehre erweisen konnten. Offenbar hatte der alte Mulai damals einen sehr guten Freund bei Saddam Hussein gehabt. Mulai mochte jetzt mehr als hundert Jahre alt sein. Alis Urgroßvater Malik war mit ihm zusammen groß geworden. Ali hatte mal gehört, dass sein Urgroßvater Malik und der alte Mulai sogar Blutsbrüderschaft geschlossen hatten, so dass der eine für den anderen einzustehen hatte. Offenbar galt dieses heilige Versprechen auch für Maliks Nachkommen. Seltsam, woran er gerade alles dachte, während der Hubschrauber mit aufheulender Turbine und die Luft zerhackenden Rotorblättern abhob.

Die Maschine flog in einer mittleren Höhe über der Wüste dahin. Die hinter dem Piloten sitzenden Männer schwiegen. Jeder schien hier gerade irgendwelchen Gedanken nachzuhängen. Womöglich dachte jeder daran, dass sie gerade was völlig unerklärliches untersucht hatten und das niemandem sagen durften. Ali dachte nur an seinen Urgroßvater Malik, der ihm von den mächtigen Magiern seiner Heimat und vom alten Babylon erzählt hatte, wo einst der mächtige Gott Marduk gegen eine grausame Dämonin gekämpft hatte, um die Stadt vor ihrem Zutritt zu schützen. Deshalb war er nicht so sehr von diesem Glauben an übernatürliche Wesen abgekommen wie er wohl gemeint hatte.

Unvermittelt begann die bisher so gleichmäßig singende Turbine zu stottern. Der Hubschrauber machte Hüpfer, dann regelrechte Bocksprünge. Der Pilot kämpfte mit den Hebeln und Pedalen um die Herrschaft über sein Fluggerät. Ali wusste, dass das sicher kein Zufall war, dass ausgerechnet jetzt der Motor stotterte, wo sie noch hundert Kilometer von Bagdad entfernt aber schon sechzig Kilometer von der Forschungsbasis entfernt waren. Stürzten sie hier ab, dann würden sie in der Wüste verschmachten, falls sie den Aufprall überlebten. Die Turbine heulte auf und fiel sofort wieder in der Tonhöhe ab. Der Pilot hantierte mit seinen Steuerelementen. Dann fiel ihm wohl ein, dass er einen Notruf absetzen sollte und zog schnell das Mikrofon des Funkgerätes vor seinen Mund. In dem Moment jagte ein heißer Schreck durch Ali. Wenn der Pilot die Sprechtaste drückte würden sie alle sterbben. Er würde sein Dorf nie wiedersehen. Etwas in ihm entlud sich regelrecht. Er riss den Mund zu einem Aufschrei aus, als er unvermittelt in einen bunten Wirbel mit schwarzen Schlieren hineinstürzte.

Die Ingenieure in der Maschine sahen sich um, als sie den lauten Knall hörten. Ali, ihr junger Kollege, war weg. Der Sicherheitsgurt war noch geschlossen. Doch er hing schlaff über dem bequemen Sessel. Doch keinem der Männer blieb genug Zeit, dieses für sie unbegreifliche zu überdenken. Denn in dem Moment drückte der Pilot die Sprechtaste am Mikrofon. Im selben Moment explodierte der Kerosintank der Maschine, und ein gleißender Feuerball riss den Piloten und seine Passagiere aus dem Leben.

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Zur selben Zeit in der Festung Al-Mudi, im Gastquartier von Al-Basiri

Der Meister der Dschinnenkunde hatte von General Abudei erfahren, dass dafür gesorgt worden war, dass der Hubschrauber, der die Untersuchungsmannschaft hergebracht hatte, auf dem Rückweg so gründlich vernichtet werden würde, dass jede Nachforschung ins Leere lief. "Was sagt dein früherer Herr Saddam Hussein dazu?" fragte der angebliche Al-Basiri. "Er hat dieser Entscheidung zugestimmt. Denn was immer die Leute herausbekommen hätten, sie wären Mitwisser gewesen. Doch wir dürfen das Wissen nur auf wenige Köpfe verteilen, so der Präsident."

Der angebliche Waffenfachmann grinste teuflisch. Am Ende brauchte er Saddam Hussein nicht selbst zu unterwerfen. der handelte doch jetzt schon in Al-Hamits Sinn.

Eine halbe Stunde später erfuhr der Geistermeister, dass der Hubschrauber mit den Ingenieuren an Bord nach wilden Luftsprüngen und Kursabweichungen urplötzlich vom Radarschirm verschwunden war. Natürlich gingen alle von einem Bombenanschlag aus. Abudei hatte auch schon die passende Geschichte dafür zurechtgelegt. Demnach sollte er mit dieser Maschine fliegen, war aber wegen einer dringenden Anfrage aufgehalten worden und hatte nur die Untersuchungsmannschaft losgeschickt. Somit war er wohl dem ihm geltenden Anschlag entgangen, und die sieben wackeren Waffenkundler waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Darüber musste Al-Hamit lachen. So konnte und würde Saddam Hussein genug Gründe haben, die Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen, weil feindliche Meuchelmörder in seinem Land ihr Unwesen trieben. Ja, das lief besser als sich Al-Hamit hätte erhoffen können.

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Zur selben Zeit 180 Kilometer westlich der irakisch-iranischen Grenze

Sand spritzte um ihn herum hoch, als er erst auf dem Hinterteil und dann auf dem Rücken landete. Was war passiert? Ali blickte sich um und meinte, zu träumen. Oder war er tot und als Geist hierher zurückgekehrt? das hier war der Dorfplatz von Vadi Al Burch Taufik, seinem Geburtsort. Er erkannte sofort das große Haus des Scheichs und daneben das Haus des Imams, das auch als Moschee und Koranschule diente. Rings darum standen die hundert Häuser so dicht beieinander, dass selbst die Mittagssonne nicht in die engen Gassen hineinscheinen konnte. Er konnte unmöglich hier sein. Doch er war es. Vielleicht träumte er gerade. Er kniff sich in den Arm und fühlte den Schmerz. Also träumte er nicht. Aber er konnte nicht wirklich hier sein. Eben noch hatte er panische Angst verspürt, gleich zu sterben und dann war er in diesen farbigen Strudel mit den schwarzen Schlieren gestürzt. Jetzt war er hier auf dem Dorfplatz und lag im Sand. Sowas ging nur, wenn er selbst oder eine fremde Kraft ihn mal eben aus dem Hubschrauber herausgezogen und durch eine Art Zwischendimension oder Hyperraum hierherversetzt hatte. Aber das war physikalisch völlig unmöglich, hatte er gelernt. Sowas wie das Beamen beim Raumschiff Enterprise scheiterte an den Quantenmechanischen Prinzipien und der nötigen Energie, einen festen Körper in seine Atome aufzulösen. Hatte er sich also selbst hierherteleportiert? das konnte auch nicht klappen, weil er dazu irgendwie aus dem normalen Raum hätte hinausspringen und dann hier wieder ins gewohnte Raum-Zeit-Gefüge zurückkehren müssen. Das wurde von Physikern auch für unmöglich gehalten. DOCH ER WAR HIER!

dass er weder träumte noch ein Geist war hatte der Kneiftest ja bestätigt. Die nächste Bestätigung folgte, als der greise Dorfälteste, Scheich Mulai, aus seinem Haus herauskam, auf einen Bambusstock gestützt und in ein weites Gewand gehüllt, das wie die Kopfbedeckung die Strahlen der Sonne abmilderte. Der Scheich besaß einen schneeweißen Bart, der ihm auf die Brust herabwallte. Er stellte sich mit dem Rücken an die Wand und lehnte den Gehstock daneben. So bekam er die rechte Hand frei und winkte Ali zu, als seien die letzten fünf Jahre nicht vergangen. Damals hatte der Scheich dem jungen, der auszog, Karriere als Ingenieur zu machen, gesagt, dass er erst dann wieder ins Dorf kommen sollte, wenn seine Mutter ihn rief. Denn wer einmal die Häuser von Vadi al Burch Taufik hinter sich gelassen hatte musste solange in der weiten Welt umherwandern, bis einer der Blutsverwandten kurz vor dem Tode stand und dem Ausgewanderten seinen letzten Willen kundtun wollte. In diesem Dorf gab es keinen Strom und kein Telefon, auch kein Radio und kein Fernsehen. Deshalb glaubten ja auch viele hier noch an die übernatürlichen Wesen aus der Zeit vor dem Propheten.

"Erhebe dich, junger Ali Achmed Ben Hadschi Harun Omar Ibn Yassin Halef Al-Sulaiman. Du kamst früher zurück als dir vorgegeben war", sprach der Scheich mit vom Alter gezeichneter Stimme. Ali meinte erst, der Scheich würde ihn tadeln, weil er ungebeten zurückgekehrt war. Sollte er dem Dorfältesten erklären, dass er selbst nicht wusste, wie er hier angekommen war? Erst einmal stand er auf und begrüßte den Dorfältesten mit der ihm anerzogenen Ehrerbietung. Dann sagte der Scheich: "Offenbar hat der alte Segen deiner Ahnväter dich aus einer tödlichen Bedrohung herausgeführt, sonst wärest du sicher nicht auf dem alten Stein des verwehten Turmes erschinen." Ali stutzte. Der verwehte Turm, auch Glücksturm genannt, der dem Dorf wseinen Namen gegeben hatte, war eine der Urlegenden dieses Ortes. Nur der steinerne Sockel dieses mythischen Bauwerks sollte die Jahrtausende überstanden haben. Doch er lag unter meterhohem Sand vergraben, hieß es. Aber er sollte die genaue Dorfmitte bezeichnen, dort wo sich die fünf gedachten Verbindungslinien eines Fünfecks oder Pentagramms trafen. War er am Ende wahrhaftig durch eine uralte Magie gerettet worden, welche die modernen Wissenschaften schlicht für unmöglich erklärt hatten?

"Ja, ich war in tödlicher Gefahr, o Scheich. Auch weiß ich nicht, warum ich dies fühlte und wie genau ich dann hierhergekommen bin. Denn die Schulen in denen ich außerhalb des Dorfes lernte, haben mir das nicht beigebracht."

"Nicht jede Schule beherbergt einen Lehrer, der um die Kräfte der Vorzeit und der verwobenen Welten weiß und dann auch noch gewillt und berufen ist, davon anderen Menschen zu berichten", sagte der Scheich leise und deutete dann mit der wie mit einem faltigen Lederhandschuh bedeckten Hand auf das Haus, in dem Alis Mutter noch immer wohnte. Sie hütete den alten Familienstammsitz, den sie bei der Heirat mit Alis Vater zugewiesen bekommen hatte. "Deine Mutter ist gerade mit den anderen Frauen auf den Feldern. Doch wenn sie erfährt, dass du durch die alte Fügung deines Blutes zu uns zurückgebracht wurdest, so wird sie wohl hören wollen, was dir widerfuhr", sagte der Scheich. Dann zog er eine kleine Tonpfeife unter seinem Gewand hervor und blies hinein. Auf den Pfiff flog ein JagdFalke aus einem der wenigen Palmen heraus. Der Scheich gab dem Vogel einen Befehl, und das edle Tier flog mit schnellen Flügelschlägen davon. "Naria wird deine Mutter zu uns rufen. Erst dann will auch ich erfahren, was dir widerfuhr."

"Ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass die alten Geschichten wahr sein könnten, o Scheich", gab Ali zu. Die Vorstellung, dass nur Magie ihn aus dem fliegenden Hubschrauber herausgeholt und hier wieder abgesetzt hatte, war wirklich sehr schwer zu fassen. Aber nur mit Magie ließ sich jedes physikalische Urgesetz aushebeln, das sah er zumindest ein. Er war also bereit, das erst einmal für wahr und unbestreitbar anzusehen. Somit ergab sich auch die Antwort auf die Frage, warum er bei dem Panzer eine ihn belauernde Anwesenheit verspürt hatte und weshalb er von einem auf den anderen Moment in Panik verfallen war und meinte, gleich müsste der Hubschrauber abstürzen oder explodieren.

Es vergingen zehn Minuten, bis der ausgeschickte Falke mit einem raumgreifenden Schrei aus dem Himmel herabglitt und kurz über dem Kopf des Scheichs kreiste, bevor er wieder auf seinen Warteposten auf der Palme zurückkehrte. Knapp eine Minute später trafen drei Frauen in der derben Kleidung von Feldarbeiterinnen ein. Wohl eher zum Schutz vor der Sonne als vor begehrlich blickenden Männeraugen trugen alle drei ihre Gesichter verschleiert. Eine von ihnen lupfte den Schleier und zeigte ein freudestrahlendes rundes Gesicht. Ali eilte seiner Mutter entgegen und ließ sich umarmen. Dann gebot der Scheich ihr und ihrem Sohn, ihm in sein Haus zu folgen.

Auf einem Divan sitzend erzählte Ali seiner Mutter Mela was ihm widerfahren war und auch, dass die Kriegsmaschine wie ein auf Beute lauerndes Raubtier in Ketten auf ihn gewirkt hatte. Er ließ auch nicht aus, dass er eine ähnliche Empfindung bei General Abudei verspürt hatte. Doch das heftigste war für ihn immer noch der Moment, wo er wusste, dass er gleich sterben musste und dann doch durch eine wundersame Fügung hier gelandet war. Der scheich nickte ihm zu und erklärte ihm dann, was da geschehen war. So erfuhr Ali, dass seine männliche Ahnenlinie bis zum legendären König Sulaiman, der auch von den Juden verehrt wurde, zurückverfolgt werden konnte. Dieser König war auch ein Großmeister der Zauberkünste und konnte Geistwesen, Dschinnen und Dämonen, zu seinem Dienst rufen oder in bezauberte Gefäße wie Flaschen, Krüge oder Lampen einsperren, um sie bei Bedarf zu seinem Dienst zu rufen. Alle 77 Jahre, so wollte es die Ahnengeschichte, die Mulai von Alis Urgroßvater erzählt bekommen hatte, wurde ein Sohn mit Sulaimans ganzen Kräften geboren. Dieser wurde dann mit sieben Jahren zu einem lebenden Magier in die Lehre gegeben, um die vererbte Macht zu meistern, ohne von ihr beherrscht zu werden. Um sicherzustellen, dass dieser Zweig der Blutlinie Sulaimans nicht ausstarb wurde jeder erstgeborene Sohn mit dem Segen des alten Blutes versehen, allein durch die Schmerzen, die seine Mutter und er unter der Geburt ertragen mussten. Dieser Segen, so Alis Urgroßvater, hielt solange vor, bis dem Träger des Blutes selbst ein Sohn geboren wurde. Dieser Sohn erhielt dann bei der Geburt den schützenden Segen. Der Vater indes wurde für diese Leistung belohnt, indem er das Geisterauge berühren und benutzen durfte, einen magischen Gegenstand, der ihm erlaubte, unsichtbare Wesen zu sehen und weit entfernte Dinge zu erblicken. War er mit der vollen Macht des alten Königs begütert konnte er zudem die erlernten Kräfte mit dem Geisterauge vervielfachen. Erst wenn der Besitzer des Geisterauges verstarb und dessen erstgeborener Sohn da selbst den ersten Sohn im Leben begrüßt hatte, bekam dieser das Geisterauge und die damit verbundenen Möglichkeiten. Ali hörte geduldig zu, obwohl er gerade viele Fragen hatte. Eine davon wurde nun beantwortet:

"Wenn ein unberührter Sohn aus der alten Familie außerhalb des schützenden Zaubers dieses Ortes in tödliche Gefahr gerät, so bringt ihn der Wunsch zu überleben und an den Ort seiner Geburt zurückzukehren in die Mitte dieses Ortes zurück. Dies kann bis zu dreimal geschehen, solange der junge Erbe noch keinen Sohn auf der Welt begrüßen durfte. Muss er ein viertes mal aus tödlicher Gefahr errettet werden, so kehrt zwar sein Geist hierher zurück, aber sein Körper verstirbt in der Gefahr. Das, so mein alter Freund Malik, dein Urgroßvater väterlicherseits, soll die Strafe für jene sein, die sich ihrer ererbten Verpflichtung enthalten und denken, ihnen könnte nichts tödliches zustoßen. Deshalb bist du jetzt wieder hier, früher als mein Wort es dir selbst geboten hätte, denn deiner Mutter geht es noch gut, und weil du offenbar noch keine Frau gefunden hast, die deine Kinder bekommen soll, bleibt auch das Geisterauge fort. Doch irgendwie vermagst du offenbar die Nähe unheilvoller Wesen oder von bösem Zauber geknechteter Menschen zu verspüren. Malik sagte sowas, dass alle seine Vorfahren fühlen konnten, wenn bösartige Geister in der Nähe waren, auch wenn sie diese noch nicht sehen konnten, sofern sie nicht die volle Kraft des Sulaiman geerbt hatten. Es klingt sehr unheilvoll, doch könnte jenes Kriegsfahrzeug, dessen Arbeitsweise du erkunden solltest, von mindestens einem bösen Dschinn beseelt sein, womöglich einem Sklaven. Denn kein Dschinn weilt freiwillig in einem toten Ding."

"Aber dann muss ich zurück und das irgendwem erzählen, der das alles kennt, was du mir gerade beschrieben hast, O Scheich", erwiderte Ali.

"Wenn sie wirklich eine Falle für dich und alle die aufgestellt haben, die das Geheimnis dieser Kriegsmaschine erkunden sollten, so werden Sie dich erneut zu töten trachten, sobald du von ihnen erblickt wirst. Dann würde auch das Geheimnis deiner Familienabstammung offenbart. Im Moment bist du hier besser aufgehoben. Auch wenn du wohl nicht die Kraft der hohen Mächte erhalten hast, so darfst du sicher in den Hinterlassenschaften deines Vaters lesen. Malik erwähnte sowas, dass wer einmal von der Macht des Blutes Sulaimans berührt oder getragen wurde, der dürfe die silberne Truhe öffnen, in der alte Bücher liegen, die mehr über deine Familie berichten."

"Ich verstehe, was dich besorgt, O Scheich. Wenn ich wieder hinausgehe werden sie mich sehen und nochmal töten wollen oder mich erst einfangen, weil sie wissen wollen, wie ich aus einem fliegenden Hubschrauber verschwunden bin. Das würde dann sicher in unbefugte Ohren dringen, und der, der den Panzer mit einem Dämon verschmolzen hat könnte seinerseits Magie gegen mich verwenden, um mich aus der Ferne zu töten", sagte Ali. "Aber dann kann dieser böse Magier doch nun genau das, was ein Kollege von mir schon vermutet hat, wie der Sheitan oder dessen Diener dem Herrscher dieses Landes Waffen geben, die ihm helfen, jeden Wunsch nach Macht zu befriedigen, auch wenn dabei sehr viel Blut fließen wird."

"Ich bedauere sowieso, dass du dich jenen Leuten zugewandt hast, die das Wesen der seelenlosen Kriegsmaschinen erforschen und immer schrecklichere Waffen ersinnen", sagte der Scheich. Alis Mutter Mela hatte bis dahin kein einziges Wort gesprochen. Im Haus des Scheichs sprach nur er oder ein männlicher Gast. Das war immer noch die alte Tradition hier, so überholt sie in westlichen Ländern erscheinen mochte.

Ich wollte das Wesen der mit elektrischen Kräften betriebenen Maschinen erforschen und bin dabei von der Armee entdeckt und mit guten Lern- und Verdienstmöglichkeiten dazu bewegt worden, für sie zu arbeiten", sagte Ali mit gewissem Bedauern in der Stimme. Vor einer Stunde noch hätte er seinen Beruf nicht als verwerflich betrachtet.

"Immerhin hast du dadurch erfahren, dass ein mächtiger Meister der Dschinnen darauf ausgeht, dem Herrscher dieses Landes tödliche Waffen zu schmieden. Sicher wird er dafür einen sehr hohen Preis einfordern. Sicher ist es auch wichtig, jemanden zu finden, der diesen bösen Taten Einhalt gebieten kann. Doch wie du dein Wissen vermitteln kannst und gleichzeitig deiner ererbten Verpflichtung nachkommen kannst vermag ich noch nicht zu sagen. Darüber sollen dir die Bücher deines Vaters Auskunft geben."

"Wenn die nicht in einer mir völlig unbekannten Sprache geschrieben sind", seufzte Ali. Wenn sein Vater wirklich der Erbe eines uralten Zauberers und großen Königs aus dem Altertum war, dann mochten dessen Niederschriften noch in Keilschrift oder ägyptischen Hieroglyphen verfasst worden sein, die er nicht gelernt hatte. Aber vielleicht waren das ja Zauberbücher, die ihre Schrift so änderten, dass der, der sie lesen durfte, auch verstand, was drinstand. Zumindest hoffte es Ali.

Als er die Erlaubnis hatte, mit seiner Mutter in sein Geburtshaus zurückzukehren fand er im Raum unter dem Dach die mit Silberplatten beschlagene Truhe. Sie besaß kein Schlüsselloch. Kaum hatte er die Hand auf den Deckel gelegt, erzitterte diese kurz. Dann hob sich der Deckel um einen Zentimeter an. Den Rest besorgte Ali.

Die Hoffnung, die alten Bücher lesen zu können, erfüllte sich nicht. Die waren tatsächlich in einer ihm unbekannten Schrift geschrieben. Nur die verblichenen Zeichnungen von irgendwelchen Geschöpfen aus der Geister- oder Märchenwelt konnte er gut erkennen. Immerhin fand er ein Notizbuch seines Vaters, aus dem hervorging, dass er hoffte, dass sein Enkelsohn wieder ein vollwertiger Magier werden würde, weil die 70-Jahres-Frist bald wieder um sei. Auch erwähnte er, dass die Familie Sulaimans in zwölf Unterzweige auseinandergestrebt war, wobei es auch drei Linien gab, die aus der Verbindung Sulaimans mit der ebenfalls mythischen Königin von Sabah entsprossen. Sein Vater erwähnte auch eine Sonnenkönigin, von der jene Königin nach mehreren Generationen abstammte, aber nicht berechtigt war, deren Erbe zu empfangen, weil dieses nur vom Vater auf den Sohn oder den erstgeborenen Enkelsohn weitergegeben werden durfte. Alles in allem musste Ali sehr viele neue Sachen auf einmal verkraften. Die wohl einprägsamste Neuerung war, dass er durch einen uralten Zauber aus einer tödlichen Gefahr errettet worden war. Das hieß jedoch auch, dass seine Kollegen wirklich tot sein mussten. Er empfand eine gewisse Mitschuld, weil er sie nicht hatte warnen oder retten können. Doch dieses Gefühl verflog schnell. Er hätte sie nicht retten können, weil er selbst kein vollwertiger Magier war. Wenn sein im Kuweitkrieg gestorbener Vater recht hatte, dann würde Alis erstgeborener Sohn wohl ein Zauberer. Doch wer dessen Mutter sein würde, das wusste Ali noch nicht.

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In der Höhle der seufzenden Seelen, 17.02.2003 Christlicher Zeitrechnung, 10:00 Uhr Ortszeit

Omar Al-Hamit hatte erkannt, dass er nicht so schnell so viele Panzer umrüsten konnte, wie der irakische Präsident dies für möglich erachtete. Er musste dazu noch einiges mehr an Kupfer und Silber erbeuten, um die Luft- und Feuerdschinnen einzukerkern. Doch seine Suche mit unterworfenen Bergleuten lief bereits. Sicher konnte er bis zum Beginn des nächsten Monats hundert Panzer herstellen. Die ersten Flugzeuge würden in wenigen Tagen getestet. Hier hatte er einen Weg finden müssen, die Störungen der eingebauten Elektronik zu beheben und gleichzeitig die eingebauten Einzelteile für je einen Luft- und einen Feuerdschinn zugänglich und nutzbar zu machen. Besonders stolz war er, dass er diese Flugmaschinen gegen jede Form künstlicher Abtastung ohne Magie abschirmen und die bei Flügen schneller als der Schall auftretenden Donnerschläge vermeiden konnte.

Hocherfreut war er, als er von seinen ausgesandten Spähern wirklich gute Neuigkeiten erhielt, was den goldenen Dämon anging. Zwei seiner ausgesandten Dschinnen hatten die Spur von einem ähnlichen Wesen ausgemacht, das ein Diener des Goldenen sein mochte. Vielleicht gelang es über den Diener, den Meister selbst zu beschwören. Morgen wollte er den ermittelten Standort aufsuchen, im Gepäck fünf Luft- und vier Feuerdschinnen, mit denen er eigentlich die nächsten fünf Flugzeuge beseelen wollte.

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Auf einem Gipfel des Elbrusgebirges im heutigen Iran, 18.02.2003 christlicher Zeitrechnung, 05:00 Uhr Ortszeit

Der Meister der Dschinnenkunde hatte überlegt, wann er den Diener des großen goldenen Dämonen angreifen und unterwerfen sollte. Dabei war ihm eingefallen, es vor dem Sonnenaufgang zu vollbringen, weil die Sonne selbst möglicherweise eine Kraftquelle jener metallischen Dämonen war und er dann vielleicht keine guten Aussichten hatte, das anstehende Duell zu gewinnen.

Knapp einen Kilometer von der von seinen Spähern ermittelten Stelle entfernt erschien Omar Al-Hamit aus dem Nichts heraus. Mit einem Zauberstabschlenker entkorkte er sämtliche Silber-und Kupferflaschen, die er an einem breiten Drachenhautledergürtel trug. Sofort umschwirrten ihn die Luft- und Feuergeister. Auch der von ihm bereits gebannte Erdgeist entwich seiner Einkerkerung. Al-Hamit rief die Bannworte und die wahren Namen der ihm unterworfenen Dschinnen, um sie davon abzuhalten, in alle Richtungen davonzustieben. Dann beschwor er seinen silbernen Reitsattel herauf. Der freigesetzte Erdgeist vereinte sich auf des Meisters Befehl mit Gestein und Erdreich. Es bebte und knirschte, als aus dem Berghang Felsgestein und Staub zu einer Ansammlung zusammenfand, die am Ende die Form einer langgestreckten Schildkröte besaß. Al-Hamit legte ihr den Sattel auf und stieg auf. Dann befahl er, zum Berggipfel hinaufzusteigen. Die Feuerdschinnen bildeten vor und über ihm eine sich frei bewegende Halbkugelschale aus grünen Flammen. Die Luftgeister stiegen weiter nach oben, um als Ausguck und Luftangriffseinheit zu handeln. Mit diesem Aufgebot rückte der Meister der Geister auf jene Stelle zu, von der er nun eine unverkennbare Schwingung empfing, die nicht wie die ständig pulsierenden und Gefühle verbreitenden Ausstrahlungen eines lebenden Wesens oder Geistes waren, sondern die Luftschwingungen einer für Ohren unhörbaren Glocke und einen Chor aus Schnurren und Rasseln, Schwirren und Klicklauten bildeten. Damit stand für Al-Hamit fest, dass das da vor ihm kein Dschinn war, sondern eher ein metallener Golem von außerordentlicher Kraft und Ausarbeitung. Doch ein wenig geistige Präsenz verspürte er trotzdem. Dieser künstliche Krieger dort vorne konnte selbstständig denken.

Als er nur noch zwanzig Klafter unter der Höhe war, auf der jener Unterdiener wachestand, erfolgte der erste Anruf auf Arabisch:

"Sei gegrüßt, Träger der erhabenen Kräfte. ich habe erhofft, dass einer von euch mich findet. weise dich aus, ob du würdig bist, meine Dienste zu erhalten!"

"Ich bin Omar Al-Hamit, Erbe der erhabenen Häuser Sulaiman und Sabah und reise mit dem Schwerte von Ashkandohar und dem Schilde von Lonkaitirash, um deinen Lenker in meinen Dienst zu nehmen, auf dass er mir helfe, die mir zustehende Macht zu erringen, die Unwürdige an sich gerissen haben", sagte Al-Hamit.

Er hörte förmlich, wie es vor ihm schwirrte und sirrte, wohl die Form der Gedanken, die das Wesen dachte. Nur einen Atemzug später erfolgte die wie von einer mittelgroßen Bronzeglocke tönende Antwort:

"Das Schwert wurde entweiht, der Schild wurde zerschlagen, weil beide den falschen Herren dienten. Wer immer dich sandte, in ihren Namen zu handeln, der ist unwürdig, und damit bis auch du unwürdig, meine Dienste zu empfangen und darfst auch nicht den Befehl über meinen Lenker erhalten. Willst du wahrlich meine Gunst, so füge deinen Geist in den Meinen und teile so alles was du weißt über die Träger der erhabenen Kräfte, auf dass mein Lenker und ich erfahren, ob das erhabene Gefüge noch besteht oder ob es bereits zerstört wurde!"

"Wie soll ich das tun?" fragte Al-Hamit mit einer sehr dumpfen Vorahnung.

Lass dich von mir berühren und mich dein inneres Selbst in mir aufgehen, damit wir beide wissen, was bisher nur du und nur ich wussten. Erkenne ich an, dass du trotz der falschen Zeichen ein wichtiger und würdiger Träger der erhabenen Kraft bist, so darfst du mit den Weisungen des Wächters zurückkehren und ihm helfen, das Gefüge zu bewahren oder neu zu errichten."

"Und wenn deine Prüfung erweisen sollte, dass ich nicht würdig bin?" fragte Al-Hamit argwöhnisch.

"Dann wird dein inneres Selbst ganz und gar in mir aufgehen und von mir dem großen Lenker, dem Wächter der vorauseilenden Stadt, übergeben, auf dass er befinden kann, was zu tun ist", erwiderte die metallisch nachhallende Stimme vom Gipfel.

Al-Hamit erkannte, dass die ihm als sichere Losungswörter beigebrachten Begriffe aus dem alten Reich offenbar schon ungültig geworden waren, bevor das alte Reich untergegangen war. Sonst hätte ihm der Wächter dort sicher Unterwerfung gelobt. So sollte er, der Meister der Dschinnen, ein Nachgeborener aus den erhabenen Blutlinien der Königin von Sabah und dem weisen und mächtigen Magierkönig Sulaiman, sich diesem künstlichen Sklaven da ausliefern, damit dieses von Magie betriebene und beseelte Ding seine Erinnerungen aufsaugen und an dessen wohl ebenso künstlichen Herrn und Meister weitersenden konnte. Wurde er nicht als lebensberechtigt erkannt, starb sein Körper und damit alles, wofür er bisher gelebt und gekämpft hatte. Nein, das durfte er nicht wagen.

"Ich bin der Sohn zweier mächtiger Königshäuser begüteter Magier und werde mich keiner künstlichen Daseinsform ausliefern, deren Unterwerfung mir verweigert wurde. So unterwerfe dich und gelobe mir, dass ich weder an Leib noch Seele Schaden nehme, wenn ich mein Wissen mit deinem vereine!"

"Dies werde ich nicht. Und die Königshäuser, die du erwähnt hast sind mir und meinem Lenker völlig unbekannt. Aus welchen alten Geblüten entsprossen sie denn?" wollte der Unbekannte wissen. Al-Hamit konnte nun im Schein der Feuergeister erkennen, dass auf dem Gipfel ein an die vier Meter hoher, das Feuer widerscheinender Mann ohne Bekleidung stand. Er musste schnell überlegen, von welchen Königshäusern des Vorreiches seine Vorfahren abstammten. Doch ihm fiel nur ein, dass Bilkis, die Königin von Sabah, die Enkeltochter einer gewissen Ashtaria war, was wohl "Sonnengeweihte" hieß. Er nannte deshalb diesen Namen. "Das ist schon sehr wohlklingend. Doch ohne die zweite Linie zu kennen reicht das nicht aus", erwiderte der Goldene, der nun beide Arme ausbreitete, als erwarte er eine innige Begrüßung.

"Du bist von mächtigen Magiern erschaffen. Magier sind deine Meister. Ich bin ein Magier. Somit bin ich dein Meister. Unterwirf dich!" befahl Al-Hamit.

"Nein!" kam die lautstarke und unmissverständliche Antwort. "Vereine dein Wissen mit meinen und erweise dich meiner und des Wächters Gunst würdig oder vergehe mit dem guten Gedanken, deinem Volk zu helfen, es aus der erkannten Bedrängnis herauszuführen!"

"Du wirst mir nicht gehorchen, wenn ich nicht meinen Geist mit deinem vereine?" fragte Al-Hamit. "So ist es", erhielt er zur Antwort. Sofort deutete der Dschinnenmeister nach obenund hielt sich die rechte Hand an die Schläfe. "Sturmstimme und Nordwindbote, dringt in den anderen ein und füllt ihn aus!" befahl er. Zwei der über ihm wachenden Luftschinnen erwiderten in Gedanken: "Wir hören und gehorchen, o Meister."

Zwei blaue Blitze zuckten im Zehntelsekundenabstand auf den goldenen Diener nieder. Dieser erschien für einen Moment zweimal so groß und als aus sich leuchtendes blattgrünes Ebenbild seiner selbst. Dann hörte Al-Hamit einen zweistimmigen Aufschrei, bevor er aus den Händen des Goldenen je einen grünen Kugelblitz entfahren sah. Jeder der Blitze schlug laut fauchend in den Boden ein. Erdreich spritzte wie Wasserfontänen nach oben. Dann hörte Al-Hamit einen langgezogenen, am Ende immer verzerrter klingenden Schrei, der dann je abbrach. Er fühlte, dass die von ihm ausgeschickten Geister restlos erloschen waren. Der Goldene hatte sie einfach vernichtet.

"In mein inneres dringt niemand vor, den ich nicht ausdrücklich dort einlassen will, Omar Al-Hamit. Mit Diesem Schlag körperloser Helfer hast du meine Forderung nach Wissensteilung nicht nur abgewiesen, sondern zugleich auch bewiesen, dass du nicht bereit bist, mit mir und meinem Lenker zusammenzuwirken. So gilt das Wort des Wächters, dass ich dich entleiben muss. Nimm hin, was dir zugedacht ist!"

"Vergiss es!" rief Omar Al-Hamit. "Alle vor und den anderen fesseln oder zerreißen!" rief er in Gedanken. Seine kleine Kampfgruppe frei beweglicher Luft- und Feuergeister schwärmte blitzschnell aus und griff aus allen Richtungen zugleich an. Gleichzeitig warf sich Al-Hamit in Deckung.

Sonnenhelle Strahlen schossen aus den Augen des Goldenen und fauchten knapp über ihn hinweg. Al-Hamit nutzte die Zauberkraftverstärkung des Erdgeisttes, um den Boden in Aufruhr zu bringen. Wenn er den Goldenen von den Füßen holte war dieser nicht mehr in der Lage, ihn anzugreifen. Seine Luftgeister versuchten derweil, ihn von links und rechts zu packen. Doch wie zuvor erstrahlte ein blattgrünes Leuchten, dass den Goldenen scheinbar auf doppelte Größe wachsen ließ. Die ausgeschickten Luftgeister schien dieses Licht zu schwächen, ja regelrecht zu verbrennen. Sie schrien immer lauter und mit immer höherer und schwächerer Stimme. Die Ausgesandten Feuergeister hatten derweil erkannt, dass die sonnenhellen Lichtlanzen ihrer Grundkraft verbunden waren und wurden zu einem orangeroten Schleier vor dem Gesicht des Goldenen, bereit weitere gebündete Feuerstrahlen in sich aufzunehmen. Tatsächlich glühten sie in goldenem Licht auf und pulsierten.

"Vergehe, Unwürdiger!" donnerte die Stimme des Goldenen. Al-Hamit hatte inzwischen ein Erdbeben entfesselt, dessen Stöße immer stärker wurden. Steine gerieten ins rutschen und kullerten bergab. Wieder glühten die vor dem Gesicht des künstlichen Riesens schwebenden Feuergeister golden auf. Sie wurden sogar ein wenig größer. Die ihn umschwirrenden Luftgeister ließen nicht von ihm ab, obwohl sie eindeutig immer schwächer und womöglich kleiner wurden. Dann blähte sich die blattgrüne Leuchterscheinung kurz zur doppelten Ausdehnung auf. Die in sie hineingeratenen Luftgeister schrien kurz auf und verstummten. Wieder fühlte Al-Hamit, dass sie restlos erloschen waren. Jetzt verstand er, was dieses Leuchten war. Er kannte einen Zauber, der Schild des jungen Lebens hieß und die Kräfte von Erde, Wasser und Luft zugleich vereinte. Damit konnten Angriffe unschädlich für den Angreifer in den Erdboden abgelenkt werden, egal ob er fest darauf stand, auf See war oder gerade flog. Zusätzlich hatte dieses künstliche Geschöpf dort etwas aufgeboten, das fremde Geistformen schwächte, wie die Fackel des Shiva, eine aus Indien in die arabische Welt gelangter Zauber, der SeelenEnergie in Feuer verwandelte, das wiederum von Geistesenergie genährt wurde.

"Deine leiblosen Diener sterben vor dir. Du kannst nicht entkommen!" hörte Al-Hamit die Stimme des Goldenen, der ihm gerade zum Gegner erwachsen war. Er tanzte förmlich auf dem aufgewühlten Boden, wich allen Rissen aus. Al-Hamits Erddschinn ruhte unbeeindruckt von dem um ihn tobenden Erdgewalten. Dann sah der Geistermeister, wie die vor den Augen des Goldenen schwebenden Feuerdschinnen wild zu kreisen begannen und dabei mit laut knisternden Stimmen aufschrien.

Die Feuergeister verformten sich zu zwei wild wirbelnden Trichtern, deren dünne Enden genau in die Augen des Goldenen wiesen. Die blattgrüne Leuchterrscheinung, mit der sie gerade noch die Luftgeister zerstört hatte, erlosch. Dafür glühten die Feuergeister nun in einem sonnengelben Schein und gerieten nun ganz und gar in die Augen des Goldenen. Sie schrumpften zusammen und verschwanden mit kurzem Fauchen in den nun tiefschwarzen Augenhöhlen des anderen. Dieser erzitterte kurz. Dann war es vorbei. Al-Hamit fühlte schmerzhaft, dass auch die von ihm ausgeschickten Feuergeister restlos verloschen waren. Sie waren nicht einfach zerstreut worden, sondern hatten dem anderen als Kraftquelle gedient. Al-Hamit wusste, was jetzt kommen musste. Er warf sich flach auf den steinernen Rücken seines beschworenen Reitwesens. Da stachen auch schon zwei sonnenhell gleißende Glutlanzen genau über ihn hinweg.

Al-Hamit erkannte, dass er diesen Angriffen nicht mehr ausweichen konnte. Er ließ sich aus dem Sattel fallen und konzentrierte sich. Er schaffte es, die für den Tausendmeilenschritt nötige Kraft aufzubieten. In dem Moment wo er verschwand bohrten sich zwei weitere Glutstrahlen genau dort in den zum Reiten befohlenen Erdschinn, wo der Meister gerade noch gesessen hatte.

"So lebe in Unwürde weiter! Aber nähere dich nimmermehr mir oder meinen Brüdern oder dem Wächter!" brüllte der Goldene. Dann schleuderte er noch eine silberweiße Lichtkugel aus seinen Augen auf den Erddschinn. Dieser wurde angehoben und erstrahlte im gleichen Licht. Dann zerbarst seine körperliche Erscheinungsform. Laut brüllend verschwand der Erdgeist im Gestein und eilte davon, der Stimme des Meisters folgend.

Al-Hamit hatte sich sofort in die Höhle der seufzenden Seelenzurückversetzt. Er fühlte, dass dieser Gegner ihm sehr stark zugesetzt hatte. Die Vernichtung von gleich neun ihm unterworfener Geister hatte auch ihm selbst sehr viel Kraft gekostet. Keuchend erkannte er, dass wenn schon ein Diener derartig stark war, der Lenker desselben mindestens doppelt oder dreimal so stark sein musste. Sollte er es wirklich noch mal riskieren, sich diese uralten künstlichen Dämonen zu unterwerfen? Er stellte fest, dass er dafür viel zu wenige Gehilfen hatte. Weil er wusste, was der große goldene Dämon, der wohl eher ein Meistergolem war, mit der libanesischen Armee angestellt hatte, verwarf er auch den Gedanken, dieses goldene Geschöpf mit einer großen Streitmacht anzugreifen. Er ärgerte sich, dass die ihm vererbten Losungswörter nicht die gewünschte Wirkung gehabt hatten. Warum das so war wollte und musste er ergründen. Doch zunächst galt es, die Panzer und Flugmaschinen Saddam Husseins weiter aufzurüsten, um seine Eroberungspläne zu verwirklichen.

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20 Kilometer südwestlich eines Fliegerhorstes der irakischen Luftwaffe, 19.02.2003, 13:30 Uhr Ortszeit

Ismail Rahman alias Wolkenschreck war in seinem Element. Seit zehn Jahren war er Luftwaffenoffizier und Jagdfliegerpilot. In der Zeit hatte er alles unter seinem Hintern gehabt, was mit Düsen und Tragflächen durch die Luft fauchte. Heute durfte er eine ausrangierte Phantom aus der Zeit fliegen, wo die USA mit dem Irak noch ganz doll befreundet waren. Sein und seines Kameraden Sandrutschers Auftrag lautete, zwischen den Felsen der Verdammnis hindurchzufliegen und dabei zwei auf dem Boden entlangfahrende, ferngesteuerte Lastwagen mit der Bordkanone zu erledigen, ohne in einen der Felsen hineinzukrachen. Sie durften dabei nicht höher als zweihundert Meter fliegen. Wer das tat war automatisch disqualifiziert und erhielt für einen Monat Startverbot, solange kein Krieg war. Diese Schmach wollte sich natürlich kein gestandener Flieger aufladen lassen. Also blieben sie beide auf gerade hundert Metern Höhe. Ismail wollte schon über Funk feixen, dass Sandrutscher ja gleich wieder seinem Namen Ehre machen konnte, so heftig wie sie im Tiefflug den Sand aufwirbelten, was natürlich ein zusätzliches Sichthindernis war. Dann hatten sie jene aus dem Wüstensand ragenden Felsenberge vor sich, die zwischen hundert Metern und einem halben Kilometer aufragten und dabei so eng zusammenstanden, dass eine Phantom geradeso zwischen ihnen hindurchsausen konnte. Sofort verringerte Sandrutscher seine Geschwindigkeit. Zwar galt, möglichst schnell durch die Felsformation zu kommen und dabei die zwei Bodenziele abzuschießen. Aber Sandrutscher wollte nicht mit knapp Mach eins gegen einen der Felsen krachen. Das würde seine Maschine nicht aushalten, und er ganz sicher noch weniger.

"Und der wilde Ritt auf der rassigen Stute beginnt", bemerkte Ismail, hütete sich jedoch davor, das über Funk loszulassen. Er behielt die Steuerung fest in den Händen, hatte aber nicht sein Tempo auf fünfzig Prozent runtergebremst. Er fegte nun mit 900 Stundenkilometern zwischen den Felsen dahin. Das Adrenalin sprudelte nur so in seinen Adern. Die von seiner Maschine erzeugte Stoßwelle wurde von den nahen Felsen teilweise zu ihm zurückgeworfen, was die Sache für ihn noch gefährlicher machte. Dennoch behielt er seltsamerweise die Nerven. Auch als er den ersten auf dem Boden entlangratternden Lastwagen mit Tankauflieger sah blieb er noch ruhig. Als er kurz davor war, über den Lastwagen hinwegzudonnern löste er die Bordkanone aus. Er hatte bereits nach dem Start auf Sprenggeschosse geschaltet. Diese schwirrten ihm nun wie ein tödlicher Teppich voraus und hackten in Führerhaus und Auflieger hinein, bevor sie in kleinen Feuerbällen detonierten und dabei kopfgroße Krater rissen. Keine drei Sekunden später fauchte seine Maschine über den Tankwagen hinweg, dessen Auflieger gerade in gezackten Metalltrümmern auseinanderfiel. Das Führerhaus war ebenso ein einziger Trümmerhaufen. Der Wagen krachte gegen einen der nächsten Felsen. Damit war er endgültig außer Gefecht.

"Den zweiten kriege ich aber", rief Sandrutscher über Funk. Doch Ismail erinnerte sich daran, dass es galt, wer beide Ziele schnellstmöglich eliminierte bekam den Bonus, zwei Wochengehälter gleichzeitig. Doch der Pilot musste sich durch verdammt enge Zwischenräume wursteln, ohne dabei über die bestimmte Höhenobergrenze zu steigen. Erst als schon drei Viertel des gefährlichen Weges geschafft war bekam er den Sattelschlepper vor die Bordkanone. Doch der blies auf einmal eine graue Nebelwolke aus, durch die schwer zu zielen war. Einfach draufhalten wollte Wolkenschreck nicht. Am Ende flogen ihm noch Felstrümmer um die Ohren. So zog er erst einmal die Maschine bis knapp unter die Obergrenze nach oben, um dann im Stil eines Jagdfalken von oben zuzustoßen. Dabei sah er auch, dass sein Kamerad noch drei Kilometer hinter ihm war. Als Ismail seine Bordkanone in das Zentrum des Nebels abfeuerte gab auch Sandrutscher Feuer, obwohl er noch nicht in idealer Schussposition war. Denn zwischen dem Lastwagen und dem Staffelführer Ismails streckte sich ein fünfzig Meter hoher Felsenhügel in den Himmel. Der bekam über die Hälfte der Salve ab und spuckte Staub und Gesteinsbrocken aus. Als Sandrutscher erkannte, dass er da gerade eine sehr gefährliche Lage verschuldet hatte riss er die Maschine hoch. Einer der abgesprengten Felsbrocken erwischte ihn aber am Leitwerk. So wirbelte er herum und Sandrutscher konnte nur von Glück reden, dass er seinen Antrieb auf vollen Schub gestellthatte. So ritt er auf einem hellen Flammenstrahl nach oben, übersah dabei jedoch die vorgegebene Obergrenze und durchbrach diese. Zeitgleich blitzte es unter Wolkenschreck auf. Der graue Dunst erglühte von innen her. Dann zerfaserte der Nebel, um einen Haufen aus Metall- und Plastiktrümmern freizulegen. Wolkenschreck, der gerade noch im Sturzflug war, besah sich sein Vernichtungswerk nur zwei Sekunden lang. Dann tönte eine helle Warnglocke aus den Kopfhörern. "Sandrutscher, Sie haben die befohlene Obergrenze durchbrochen und sich damit für die weitere Übung disqualifiziert. Kehren Sie zur Basis zurück!" sprach der Flugbeobachter der Heimatbasis.

"Halt, ich musste den Treffer ausgleichen, den ich abbekommen habe", protestierte Sandrutscher.

"Tut nichts zur Sache, Sandrutscher. Kehren Sie unverzüglich um und landen in der Heimatbasis! das ist ein Befehl", erklang die Stimme aus dem Kopfhörer. Ismail hörte sie nur am Rande. Denn er war damit beschäftigt, zwischen den Felsen durchzufliegen, ohne sich an einem von denen die Flügel zu brechen oder die Nase plattzudrücken. Nach einer weiteren Minute hatte er es geschafft. "Glückwunsch, Wolkenschreck. Sie haben die angewiesenen Übungsziele erreicht. Kehren Sie nun auch zur Basis zurück."

"Streber", hörte er Sandrutscher aus den Kopfhörern. Doch Ismail bestätigte nur den Erhalt des Befehls und stieg nun, wo die Obergrenze nicht mehr galt, auf zweitausend Meter, um nun die Höchstgeschwindigkeit seiner Maschine auszureizen. Der Überschallknall rüttelte an den Felsen und wirbelte den bereits wieder im Sinken befindlichen Staub auf.

Unterwegs überholte Ismail seinen Kameraden, der wohl mehr Probleme mit dem Leitwerk hatte, weil er ziemlich eierig dahinflog. "Stell mir den Tee warm, wenn du schon meinst, mal wieder als erster nach Hause zu müssen!" hörte Ismail seinen Kameraden über Funk und bestätigte es.

Als beide Piloten wieder gelandet waren wurden sie vom Übungsleiter im Rang eines Luftwaffenmajors beurteilt. Ismail bekam alle 300 erreichbaren Punkte, während Sandrutscher gerade einmal zwanzig Punkte für die Heimkehr mit einem kaputten Leitwerk bekam. "Eigentlich müsste ich Ihnen das noch abziehen, dass Sie Ihr Leitwerk selbst angeknackst haben, Hauptmann Musa, aber gemäß den Einsatzvorgaben müssen alle Punkte auf Null gesetzt werden, die wegen der Verletzung der Obergrenze erflogen wurden, auch die bis dahin aufgelaufenen Minuspunkte."

"Ich bin froh, den Vogel noch ins Nest zurückgebracht zu haben, Herr Major", sagte Sandrutscher. Sein Kamerad hatte schon auf der Zunge, ihn zu frotzeln, er hätte ja bei der Landung mal wieder im Sand landen können, wie bei seinen fünf ersten Alleinflügen.

"Sie dürfen Ihre Familie besuchen und einen Monat lang Urlaub machen, Hauptmann Musa. Die weiteren Übungen schaffen wir auch alleine", sagte der Major.

"Und wenn die Busch-Boys uns besuchen kommen?" fragte Sandrutscher.

"Rufen Wir sofort bei Ihnen an, dass Sie wieder im Geschäft sind", sagte der Major. Dann wies er dem disqualifizierten Piloten die Tür.

"Erwarten Sie weitere Einsatzbefehle! Wenn wir Ihnen mitteilen, dass sie zu einer Übung eingesetzt werden, befolgen Sie die damit verbundenen Anweisungen! Dann werden sie zum Übungsort gebracht. Dort werden Sie und zwei Kollegen aus den anderen Stützpunkten drei aufgerüstete Phantoms probefliegen", sagte der Major. "Ich hoffe, Sie werden eine Menge Spaß dabei haben", fügte er noch hinzu.

"Phantoms? Schön, da bleibe ich ja dann in Übung", erwiderte Rahman. Sein derzeitiger Befehlshaber nickte und erwiderte, dass sie ja genau deshalb heute auf diesem Flugzeugtyp den Parcours geflogen waren. Das ganze war nichts anderes als eine Auswahl, wer in den Genuss kommen sollte, eine der umgebauten Maschinen zu fliegen. Hätte man den Piloten das vorher mitgeteilt, dann wären sie wohl noch ungestümer geflogen und hätten womöglich ihre Maschinen und ihr Leben eingebüßt, so der Major. Ismail Rahman verstand.

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Im Versammlungsraum der magischen Bruderschaft blauer Morgenstern, 20.02.2003 christlicher Zeitrechnung, früher Vormittag

Jophiel Bensalom und zehn andere Brüder des blauen Morgensterns saßen zusammen. Es gab drei sehr ernste Dinge zu besprechen. Ibrahim Musa, ein Fachmann für die Magie aus dem alten Babylon, erbat sich vom verbliebenen Rat der Bruderschaft das Recht zu sprechen. Er erhielt es.

"Verehrte Mitbrüder unter dem blauen Morgenstern. Wir sehen schweren Prüfungen entgegen. Nicht nur dass die jüngste der neun Vaterlosen wieder aufgewacht ist und sich irgendwo auf dieser Welt ein neues Versteck gesucht haben mag, es steht auch zu befürchten, dass der goldene Dämon, der eine dem Sonnenlauf vorauseilende Stadt behütet haben soll, danach trachtet, das Reich seiner Vorväter wiedererstehen zu lassen. Ich konnte in unserer Festung des alten Wissens entsprechende Schriften von vor achttausend Jahren finden und lesen. Diese sagen, dass der goldene Dämon, der wohl für den Tod vieler Soldaten bei Baalbek verantwortlich ist, als Wächter dieser Stadt bestimmt ist, in der das Wissen von Göttern erblühte und niemandem ohne königliches Erbe dargebracht werden sollte. Doch wenn die dem Sonnenlauf vorauseilende Stadt ihre unsichtbaren Pforten öffnet, so werden die darin lebenden das alte Recht einfordern, das Recht der mit göttergleichen Zaubergaben vertrauten, diese Welt zu regieren. Weil das alte Wissen dieser Stadt sowohl den hellen wie den dunklen Gefilden der Macht entspringen kann, so wissen wir nicht, ob in dieser Stadt jemand eine Vorrangstellung erkämpft hat und ob er dem Licht oder der Dunkelheit Raum verschaffen will. Der Umstand, dass der goldene Dämon nicht mehr an seinem zugewiesenen Platze ist und meine Eingeweihten der dritten Stufe und ich eindeutige Spuren einer zerstörerischen Magie entdeckt haben, die Raum und Zeit durchdrungen hat, befürchte ich, dass die dem Sonnenlauf vorauseilende Stadt von ihren Bewohnnern entweder verlassen und anschließend vernichtet wurde oder die Feinde jener Bewohner die Mauer der voraneilenden Zeit durchbrochen und die Stadt vernichtet haben, ohne dass der sie bewachende Dämon sie davon abbringen konnte. Auf jeden Fall ist der goldene Dämon selbst nicht aus dieser Welt gestoßen worden. Denn die Schriften warnten, dass wer dieses vollbringt, den Zorn von tausend glühenden Sonnen heraufbeschwört, welche einen Teil der Umgebung in Rauch und Staub verwandelt. Ich möchte euch deshalb darum bitten, mit mir gemeinsam nach der neuen Heimstatt des goldenen Dämons zu suchen und auch die in den alten Schriften erwähnten fünf Diener zu finden, die ihm Kunde aus allen Teilen der Welt geben."

"Lies uns vor, was du über diesen goldenen Dämon erfahren hast", bat Alman Amur, einer der ältesten Mitbrüder. Ibrahim zog daraufhin mehrere von ihm geschriebene Pergamente aus einer Leinentasche und zeigte auch zehn alte Tontafeln vor, auf denen mit Keilschrift die Geschichte des goldenen Stadtwächters niedergeschrieben sein sollte. Er las die von ihm angefertigte Übersetzung und erwähnte, dass diese die wohl wahrscheinlichste sei, die er finden konnte. Seine Mitbrüder nickten. Dann wandte sich Ali Barzani, ein tunesischer Mitbruder, an Ibrahim Musa.

"Wenn dieser Dämon oder goldene Dschinn den Auftrag hat, die Vorherrschaft seiner sich heidnischen Gottheiten für gleichgestellt haltenden Erschaffer zu bewahren, so könnte er erfahren haben, dass es auf diesem Planeten keine rein magischen Königreiche mehr gibt und die magieunfähigen sich große Reiche erschaffen haben, die miteinander im ständigen Wettstreit liegen. Das würde seinem Auftrag widersprechen. Du möchtest uns bitten, nach diesem Dämon zu suchen, weil du fürchtest, er könnte mit seinen fünf Dienern die gegenwärtige Welt zerstören, um sie im Sinne seiner Herren neu erstehen zu lassen?"

"Diese Befürchtung sucht mich wahrhaftig heim, Bruder Ali", sagte Ibrahim Musa. Darauf erinnerte ihn ein anderer Ratsbruder daran, dass ihre Bruderschaft nur dort handeln dürfe, wo Gläubige des Propheten wohnten. Darauf meinte Musa, dass diese durch die großen Wanderbewegungen auch in westliche Länder gezogen seien und dort leben würden, wenn auch nicht in der Mehrheit. Deshalb dürfte auch der blaue Morgenstern sein heilendes Leuchten über diesen Ländern erstrahlen lassen, wo er bisher nicht hatte strahlen dürfen, auch weil die wiedererwachten vaterlosen Töchter sicher in jenen Landen neue Beute machten und ihre unsichtbaren Netze der Verführung und Versklavung auslegten. Dabei sah Musa Jophiel Bensalom an, der der einzige noch lebende Träger eines Heilssterns auf dem Boden des alten Landes war, nachdem Hassan Al-Burch Kitab von magielosen Meuchelmördern getötet worden war.

"Als unsere erhabene Bruderschaft gegründet wurde schworen unsere hochverehrten Gründerväter einen Eid, ihre Heimatländer vor den Wirkungen und Wesen des Bösen zu beschützen. Wie wichtig die Einhaltung dieses Eides ist zeigte sich doch durch das Handeln, eine Trägerin des fünfzackigen Silbersterns aus dem Frankenland in unseren Reihen als Gast zu begrüßen, was beinahe zu einem schweren Schaden für unsere gesamte Bruderschaft geführt hätte", erwähnte Amur und spielte damit auf den Vorfall um die frankenländische Hexe Aurélie Odin und die Sache in der alten Festung an. Fast alle nickten ihm beipflichtend zu. Nur der aus Persien stammende Mitbruder Mehdi Isfahani konnte dem nicht zustimmen. Er war es leid, immer wieder darauf angesprochen zu werden, dass er es war, der die Regeln der Bruderschaft umgangen und jemanden in deren Reihen hineingeholt hatte, die zum einen eine Hexe und zum anderen keine gläubige Muslima war. Aber sie war eine Heilssternträgerin gewesen, und die Heilssternträger waren die Erben einer mächtigen Magierin der hellen Künste.

"Du erwähntest drei ernste Angelegenheiten", erinnerte Amur seinen Mitbruder Ibrahim Musa an dessen einleitende Worte.

"Wir haben viel zu lange nichts von Hassans Mörder Omar Al-Hamit gehört. Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass er einen großen Racheschlag gegen uns plant oder bereits ins Werk setzt. Unsere Suche nach ihm war bisher erfolglos", erwiderte Ibrahim Musa. Alle anderen nickten. Einer der hier anwesenden fragte nicht ohne gewisse Verwegenheit, ob der Dschinnenmeister nicht in den Westen entkommen sein mochte, um die dort bestehende Unkenntnis über die altehrwürdige Geisterkunde auszunutzen, um dort eine neue Streitmacht von dienstbaren Geistern heranzubilden. Darauf meinte Ibrahim Musa verärgert:

"Soll das jetzt eine Aufforderung sein, uns außerhalb unserer abgesteckten Grenzen auf die Suche nach ihm zu machen und dabei unsere eigene Bruderschaft den Ungläubigen zu offenbaren?"

"Nichts für ungut, Bruder Ibrahim", setzte Jophiel Bensalom an. "Aber das Vorhandensein und die Ausrichtung unserer Bruderschaft ist den Leuten im Westen bereits seit Jahren bekannt, zumal es dort ja auch Streiter wider die dunklen Kräfte gibt. Und gerade die Vorfälle um Aurélie Odin und den jungen Magier Julius Andrews, der nun Latierre heißt, haben unsere Anwesenheit in der Welt bestätigt und uns nebenbei einen unangenehmen Ruf eingetragen, der eigentlich längst aus der Welt geschafft werden sollte. Außerdem wäre es sehr klug, uns mit jenen Gruppen, Bruder- und Schwesternschaften zu vereinen, die wie wir das Vordringen der bösen Mächte eindämmen wollen. Denn als Sohn der Ashtaria weiß ich, dass die dunklen Kräfte nicht an Landesgrenzen gebunden sind."

"Schwesternschaften? Du meinst damit nicht etwa auch diese Huren, die sich als Töchter des grünen Mondes bezeichnen, Bruder Jophiel?" entrüstete sich Ibrahim Musa. Mehrere Augenpaare blickten Jophiel anklagend an.

"da ich nicht weiß, ob diese Schwesternschaft nur den dunklen oder nur den hellen Kräften verbunden ist kann ich sie nicht als uns gewogen einordnen, meine Brüder", sagte Jophiel mit beruhigendem Tonfall. "Ich sprach davon, dass es eben im Westen und im Norden auch reine Hexengemeinschaften gibt, die wie wir die Mächte der Dunkelheit ablehnen und bekämpfen. Auch wenn wir eine über tausend Jahre zurückreichende Tradition pflegen dürfen wir uns nicht den gebotenen Neuerungen verschließen. Die Welt hat sich gewandelt und ..."

"Ja, aber nicht zu ihrem besseren", schnitt Ibrahim Musa seinem Mitbruder das Wort ab. Dass dieser ein Silbersternträger und somit sehr ranghohes Mitglied ihrer altehrwürdigen Bruderschaft war erschien Ibrahim Musa im Moment wohl völlig unwichtig zu sein.

"Wollen wir diesen Dschinnenmeister nun finden? Wollen wir die Macht der dunklen Töchter brechen? Können wir unsere Ziele erreichen, solange wir uns auf unsere Heimatländer beschränken?" entgegnete Jophiel Bensalom. "Bedenkt, meine Brüder, dass der Zauberer, der zum neuen Knecht des dunklen Geistes werden wollte, nicht aus unseren Landen stammte und die Heimstatt jenes höchsten aller dunklen Geister auch nicht in unserem unmittelbaren Zuständigkeitsgebiet lag!"

"Wir verstärken die Suche nach Al-Hamit und werden weiter nach den neuen Verstecken der wiedererwachten dunklen Töchter forschen. Wenn wir dabei in fremde Länder müssen dann nur in Verkleidung und mit fremden Namen, so dass niemand auf unsere Bruderschaft schließen mag", sagte Ibrahim Musa. Dann forderte er seine Mitbrüder auf, darüber abzustimmen. Bis auf Mehdi Isfahani und Jophiel Bensalom stimmten alle dafür, möglichst unerkennbar nachzuforschen und nur dort mit voller Stärke vorzugehen, wenn einer der benannten Feinde gefunden wurde. Auf die Frage, warum die beiden ihre Zustimmung verweigerten erwiderte Mehdi Isfahani: "Wir werden mit diesem übervorsichtigen Vorgehen nichts erreichen, außer alle unsere Brüder in alle Winde zu zerstreuen. Nur wenn wir offen um Bündnisse werben haben wir die Möglichkeit, unsere Feinde zu finden und zu besiegen." Jophiel erwiderte auf die Frage: "Meine Worte sind für mich gültig. Nur wenn wir die Zusammenarbeit mit anderen suchen und finden werden wir unsere Feinde besiegen können. Vor allem die noch lebenden Söhne und Töchter Ashtarias sollten wir für unsere Sache gewinnen."

"So werden wir unsere Brüder aussenden, unerkannt und unter schützenden Decknamen nach Spuren unserer Feinde zu suchen. Alles andere verstößt gegen unsere altehrwürdigen Traditionen", sagte Ibrahim Musa. Isfahani und Bensalom nickten schwerfällig.

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Im Hauptquartier des iranischen Auslandsgeheimdienstes unter den Straßen von Teheran, 21.02.2003 christlicher Zeitrechnung, 06:30 Uhr Ortszeit

Hussein Rohani war mitten in der Nacht aus seiner Stadtwohnung abgeholt und hierhergebracht worden, weil sein oberster Chef persönlich mit ihm sprechen musste. Mehr hatte ihm der Fahrer des gepanzerten VW Passats nicht gesagt. Jetzt stand der Experte für ausländische Waffentechnik vor seinem obersten Chef und grüßte mit der von ihm erwarteten Untergebenheit. "Setzen Sie Sich!" Diese zwei Worte waren die Antwort auf seinen Gruß. Rohani nahm auf dem ihm zugedachten Stuhl platz.

Kaum saß der Waffenexperte wurde die Raumbeleuchtung gedimmt. Aus der Decke sank leise surrend eine Leinwand herab und verdeckte die ihm gegenüberliegende Wand. Dann erlosch das Licht vollständig. Gleichzeitig nahm ein Videoprojektor, der oberhalb Kopfhöhe hinter Rohani angebracht war, seine Arbeit auf. Auf der blütenweißen Leinwand erschien die Projektion eines Testgeländes auf einem wohl militärisch genutzten Gelände. Dann konnte Rohani einen Aufklärungspanzer erkennen, der in den Erfassungsbereich der Aufnahmekamera hineinfuhr. Die nächsten Minuten brachten Rohani sowohl zum staunen wie zum gruseln. Eine derartige Vorführung von Kampfkraft und Manövrierfähigkeit hatte er bisher bei keinem amerikanischen, israelischen oder russischen Panzer dieser Größe erlebt. Allein schon wie sicher dieses Fahrzeug auch schwere Steigungen und Gefälle überwand beeindruckte ihn. Doch wirklich erschreckend war, wie widerstandsfähig der Panzer bei Angriffen war und wie schnell er sich aus einer Umzingelung von sechs Kampfpanzern befreite und die Gegner dabei manövrier- und Kampfunfähig hinter sich ließ.

"Unser Agent in Bagdad hat die Aufnahmen aus einer Videokamera von Saddam Hussein persönlich entnommen. Sie passen zu einer von ihm abgefangenen Übermittlung im Vorfeld dieser Vorführung", sagte Rohanis Chef. "Unser Agent zweifelt nicht daran, dass dem irakischen Machthaber eine wahrhaftige Vorführung geboten wurde, also kein Propagandafilm wegen Bushs angedrohtem Feldzug ist."

"Dieses Fahrzeug muss zum einen einen besonders leistungsstarken Antrieb haben, um trotz der Panzerung so schnell und geländesicher zu sein und zum zweiten eine Panzerung, die mir bis heute unbekannt ist. Das Fahrzeug ist echt?" fragte Rohani seinen Chef.

"Leider kommt unser Agent nicht an die Baupläne für dieses Fahrzeug. Aber nach seinen Recherchen ist dieses Fahrzeug wahrhaftig gebaut worden. Der Erbauer soll ein gewisser Hassan Al-Basiri sein. Nur zehn Leute kennen diesen Namen, mit uns nun zwölf", erwiderte Rohanis Chef. Der Waffenexperte überlegte, ob er den Namen im Zusammenhang mit Waffentechnik schon gehört hatte. Dann fragte er, ob über diesen Mann ein Dossier vorliege. "Eben nicht!" blaffte sein Chef. "Der Mensch ist wie aus dem Nichts aufgetaucht und soll Saddam diesen Panzer angeboten haben, mit der Option, noch mehr solcher Waffen zu bauen, wenn Saddam einverstanden ist. Deshalb habe ich Sie ja herbefohlen, um mit Ihnen zu klären, warum es den Giftgasbanditen und ehemaligen Lakeien der Amerikaner überhaupt möglich ist, solche Fahrzeuge zu bauen. Unser Agent kommt wie gesagt nicht auf das Testgelände, dessen Namen übrigens nur mit X-30 bezeichnet wird."

"Die Kamera, die das hier aufgenommen hat gehört Saddam Hussein?" wollte Rohani wissen.

"Ja, so ist es. Offenbar hat einer seiner Leute die Vorführung aufgezeichnet und dann ins Geheimarchiv gebracht."

"Wenn die solche Panzer haben ist das eine sehr ernste Bedrohung auch für uns", sprach Rohani etwas aus, was sein Chef schon längst wusste. Deshalb wunderte er sich nicht, dass sein Vorgesetzter nur kurz nickte.

"Wir haben noch einen Agenten losgeschickt, der den Platz eines irakischen Panzerkommandanten eingenommen hat. Der eigentliche Offizier wurde von unseren Leuten bis auf weiteres in Obhut genommen. Unser mann wird in den nächsten Tagen hoffentlich einen der neuen Panzer fahren können."

"Wie erwähnt wäre das eine für uns sehr große Gefahr, wenn die Irakis solche Panzer hätten. Die könnten uns damit mal eben überrennen, bevor wir unsere Streitkräfte in die nötigen Stellungen gebracht haben. Besteht die Möglichkeit, diesen geheimnisvollen Hassan Al-Basiri lebend zu fangen?"

"da wir noch nicht wissen, wo er ist nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass er von unseren direkten Gegenspielern sicher verwahrt wird, auch wegen der CIA und der Russen, die sicher auch an seinen Kenntnissen interessiert sind."

"Ich würde zu gerne diesen Prototypen untersuchen", sagte Rohani. Sein Chef nickte. Doch dann erwiderte er: "Hatten die Irakis wohl auch vor und das Ding deshalb in eine geheime Forschungsanlage gebracht. Allerdings sind die an der Untersuchung beteiligten Techniker auf der Rückreise in ihre üblichen Wohnorte tödlich verunglückt, beziehungsweise, kamen durch eine Sabotage an ihrem Hubschrauber ums Leben."

"Mit anderen Worten, zu viele Mitwisser sind unerwünscht", stellte Rohani fest. Doch weil auch das nichts neues war erntete er dafür nur ein verhaltenes Kopfnicken. "Ihre Aufgabe ist es, diese Bilder zu analysieren und zu erkennen, wie dieser Panzer so schnell, wendig und kampfstark gemacht werden konnte. Am Ende müssen wir Abwehrmaßnahmen gegen ihn und die wohl noch entstehenden Artgenossen treffen." Rohani nickte zwar, musste dann aber einräumen, dass er ohne das eigentliche Untersuchungsobjekt in seinem Labor zu haben nur spekulieren könne. Insgeheim hatte er bereits einen sehr heftigen Verdacht.

"Unsere Agenten werden versuchen, Ihnen ein solches Untersuchungsobjekt zu verschaffen."

"Hoffentlich lange genug vor einem möglichen Einmarsch dieser Superpanzer", seufzte Rohani. Dem konnte sein Vorgesetzter nicht widersprechen.

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Auf einem kleinen Militärflughafen 30 km westlich von Basra, 24.02.2003 christlicher Zeitrechnung, 07:30 Uhr Ortszeit

das war eine wahrhaftige Nacht- und Nebelaktion gewesen, wie Ismail Rahman und zwei weitere Kampfpiloten aus ihren Quartieren abgeholt, zu einem wartenden Hubschrauber ohne Fenster in der Passagierkabine gefahren und von dem Helikopter zu diesem Flughafen gebracht worden waren. Nun saßen Ismail Rahman und seine zwei aus anderen Stützpunkten abgeholte Kameraden vor einem Offizier im Range eines Luftwaffenobersts und hörten sich an, was dieser ihnen zu sagen hatte. Gleichzeitig bekamen sie Blätter in die Hände gedrückt, auf denen die wichtigsten Angaben über die von ihnen zu testenden Maschinen zu sehen waren. Rahman staunte, als er erfuhr, dass die umgebauten Phantom-Jäger sechsfache Schallgeschwindigkeit erreichen und sich trotzdem für mehr als acht Stunden ohne Nachbetankung in der Luft halten konnten. Auch was die Bestückung anging sprengten diese Maschinen alle bisherigen Leistungsgrenzen. Ismail Rahman fragte sich, wie jemand so heimlich so einen Supervogel hatte bauen können. Am Ende war der Mensch, dessen Namen er hier nicht erfuhr, kein Mensch, sondern ein Außerirdischer oder ein Zeitreisender aus der Zukunft, ähnlich wie im Star-Trek-Film "Zurück in die Gegenwart". Doch was hätten Außerirdische oder Leute aus der Zukunft davon, ihnen solche Mittel zu überlassen?

"Punkt achthundert steigen Sie zuerst auf, Hauptmann Rahman!" befahl der Oberst. "Ihre Aufgabe wird sein, sich mit der Maschine vertraut zu machen und nach einer Viertelstunde Scheinangriffe auf zugeteilte Ziele zu fliegen. Wir testen erst diese eine Maschine. Wenn sie hält, was uns versprochen wurde, dann können wir eine Zweier- und eine Dreierformation ausprobieren."

"Befehl verstanden", erwiderte Rahman, der sichtlich darum rang, nach außen hin gefasst und diszipliniert zu erscheinen. Doch innerlich fühlte er sich gerade wie ein kleiner Junge, der mit seinem Vater auf einer neuen Achterbahn mitfahren durfte.

Um zehn vor acht trat Rahman in voller Fliegermontur aus dem bunkerartigen Verwaltungsgebäude unterhalb des Kontrollturmes hervor. Mittlerweile war aus dem quaderförmigen grauen Hanger eine himmelblaue Maschine herausbugsiert worden, die rein äußerlich wie jede andere Phantom aussah. Rahman erwartete, mindestens noch zwei Mechaniker in der Nähe der Maschine zu sehen. Doch der Düsenjäger stand frei und verlassen auf dem Betonfeld, die Nase auf die einzige Betonpiste ausgerichtet, die sowohl als Start- wie als Landebahn genutzt werden konnte. "Bemannen Sie die Maschine und prüfen Sie auf Startbereitschaft!" befahl der Oberst dem Piloten. Dieser salutierte und ging mit abgemessenen Schritten zu der wartenden Maschine hinüber. Über die ausklappbare Metallleiter bestieg er die für einen einzelnen Insassen ausgelegte Kanzel. Er nahm Platz und schnallte sich den Vierpunktgurt um. In dem Moment, wo die Gurtschlösser einrasteten klappte bereits die durchsichtige Haube zu und wurde beinahe lautlos verriegelt. Rahman verdrängte das Gefühl, dass dieser Vogel viel zu viel Automatik haben mochte. Wenn der echt so supergut war wie im Vorgespräch angedeutet, dann mussten viele Sachen einfach schnell ablaufen.

Rahman wunderte sich über den pechschwarzen, zylindrischen Gegenstand, der gerade so unter dem Instrumentenbrett Platzgefunden hatte. Als er seine Hand nach dem Steuerknüppel ausstreckte, flammte die Instrumentenbeleuchtung von selbst auf. "Wenn der jetzt auch noch das Triebwerk von selbst startet ...", dachte Rahman. Ein Teil seiner ursprünglichen Euphorie war verflogen. Wenn fast alles hier automatisch funktionierte war er womöglich kein Pilot, sondern Passagier. Dann war dieses Ding hier eine bemannbare Drohne, nichts weiter. Doch wie befohlen führte er die letzten Vorflugüberprüfungen aus. Dann sendete er das vereinbarte Codewort "Morgenpost" an den Kontrollturm. "Morgenpost angenommen. Taube kann fliegen!" klang es aus Rahmans Kopfhörer. Das war die Start- und Flugerlaubnis für den Piloten. Er berührte die Schaltung für das Triebwerk. Dieses erwwachte erst dumpf heulend und dann lautstark fauchend zum Leben. "Taube fliegt los!" meldete er über Funk, während er seine Maschine mit sehr vorsichtigen Handbewegungen auf die Startbahn zusteuerte. Dieses Ding sprach schon auf geringste Handstellungsveränderung an, erkannte Rahman alias Wolkenschreck. Er fühlte wieder diese Euphorie, etwas ganz neues, spannendes ausprobieren zu dürfen. Sie strömte ihm durch den umklammerten Steuerknüppel in den Leib. Endlich erreichte er die Betonpiste.

Es kam Rahman vor, als habe er eine Rakete gezündet, als er den Schubkraftregler auf Startbeschleunigung stellte. Die Maschine schoss donnernd und wild schrillend über die Startbahn. Die Befeuerungslichter wurden zu einem einzigen leuchtenden Streifen. Dann kam auch schon das Ende der Piste. Doch Rahman zog den Steuerknüppel an sich heran und schnellte wie vom Katapult gefeuert in den Himmel hinauf. Das Gefühl unbändiger Kraft und Überlegenheit flutete seinen Geist. Er fühlte, wie etwas von der Maschine auf ihn überging, sich mit ihm verband, so dass er nun meinte, die Maschine durch seine Gedanken alleine lenken zu können. Er verfolgte die Messanzeigen.

Er stieg mit sechstausend Metern die Minute aufwärts und durchbrach gerade eben die Schallmauer. Dabei fühlte er nur den Beschleunigungsandruck, wie er bei einer bisher gebräuchlichen Maschine üblich war. Die Instrumente waren jedoch für wesentlich höhere Geschwindigkeitsanzeigen ausgelegt. Doch je höher er stieg und je schneller er flog, desto mehr meinte er, dass seine Sinne verändert wurden. Er hatte gerade die 4000-Meter-Marke überstiegen, als er sich so fühlte, als flöge er selbst wie ein Vogel durch die Luft. Wie aus großer Ferne hörte er die Anfragen der Bodenstation. Warum fragten die ihn nach Höhe und Geschwindigkeit aus? Die mussten ihn doch auf dem Radar haben. Die Antenne war doch kurz vor seinem Abflug in Betrieb gesetzt worden.

"Wie weit Sind Sie von Lieferzone eins entfernt, Brieftaube?" fragte die wie aus allen Richtungen kommende Stimme. Er sprach in die leere Luft zurück: "Nach meinen Anzeigen nur noch drei Kilometer. Nur zwei, oh, muss heftig bremsen, um nicht drüberweg zu fliegen." Wahrhaftig verzögerte die Maschine fast wie durch reine Gedankenkraft ausgelöst. Dann sah er so, als habe er die Augen eines Adlers, wie unter ihm drei schwere Sattelzüge mit aufgestapelten Fässern auf dem Boden entlangfuhren. Er fühlte, wie seine Hand was machte und dachte zugleich daran, die Übungsrakete eins klarzumachen. "Bereit zur Anlieferung!" rief er. Er erhielt die Erlaubnis und wünschte sich, die Rakete würde auslösen. Im selben Augenblick zischte das Geschoss bereits los, um nur zwei Sekunden später einen der Lastwagen in einen gleißenden Feuerball einzuhüllen. Rahman fühlte Überlegenheit, jedoch auch Enttäuschung, weil er nur einen leeren Lastwagen erledigt hatte. Der zweite ferngelenkte Lastwagen beschleunigte. Doch das nützte ihm nichts. Keine vier Sekunden nach dem ersten Treffer verschwand er ebenso in einem Feuerball. Rahman dachte nicht daran, dass Übungsraketen niemals einen derartigen Glutball produzieren konnten. Ihm war nur wichtig, dass er das zweite Ziel voll getroffen hatte. Auf dem Boden befanden sich nur noch zwei gelbglühende Trümmerhaufen, aus denen nun Flammen und Ruß drangen. Der dritte Lastwagen verschwand dann auch noch in einem Feuerball mit anschließendem Ausbrennen. Rahman fragte sich, wo der Mann an der Fernsteuerung war, der die Ziele lenkte. Doch zunächst musste er vermelden, dass er alle Ziele vernichtet hatte. Das tat er mit den Worten: "Lieferung vollständig ausgeführt, keine Rückfragen."

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Im Kontrollturm des abgelegenen Militärflughafens, 08:07 Uhr Ortszeit

Oberst Abdul Mahmun schwitzte heftig, als stehe sein Stützpunkt gerade unter feindlichem Feuer. Wieso hatte ihm dieser Al-Basiri nicht verraten, dass er die umgebauten Maschinen mit einer Radarabsorbtionsbeschichtung lackiert hatte. Seit dem Aufbrüllen des Triebwerks und dem Raketenartigen Start hatte keiner seiner Leute die Maschine mehr in Sicht oder gar auf dem Radarschirm. "Radarintensität auf Maximum! Wir müssen den Vogel wiederfinden", befahl er dem neben ihm arbeitenden Radartechniker. Dieser bestätigte den Befehl und drehte den Sendeleistungsregler der Radaranlage voll auf. Jetzt konnten sie zwar bis zu 500 Kilometer weit alles erfassen, was am Boden oder in der Luft unterwegs war, verrieten sich damit jedoch auch möglichen Feinden gegenüber. Doch das eigentliche Ziel, die umgebaute Phantom, war nicht auf dem Schirm. Gerade hatte der Pilot den simulierten Angriff auf die drei ersten Ziele bestätigt. Tatsächlich hatten die in den Zielen eingebauten Statussender für einen Sekundenbruchteil ein Signal abgesetzt, das auf plötzlichen Temperaturanstieg hinwies. Doch dann hatten sie wieder geschwiegen.

"Erbitte Erlaubnis für Lieferzone zwei", kam gerade Rahmans Stimme aus den Lautsprechern. Hatte Oberst Mamun was an den Ohren oder hörte sich die Stimme des Piloten irgendwie so an, als spreche er mit zwei oder mehr Stimmen gleichzeitig?

"Platzrunde über Taubenschlag!" befahl der Oberst dem Funker. Dieser gab den Befehl weiter. "Wieso Platzrunde. Alles in Ordnung für Lieferung", kam Rahmans irgendwie doppelt oder dreifach klingende Stimme aus dem Lautsprecher. Seit wann war es üblich, dass ein Befehl hinterfragt wurde?

"Befehl zur Platzrunde bis Widerruf!" blaffte der Oberst direkt ins Mikrofon. "Verstanden, Platzrunde bis Widerruf!" kam die merkwürdig vervielfacht klingende Stimme aus dem Lautsprecher zurück. "Prüfen Sie die Funkanlage. Die Empfangsqualität ist ungewöhnlich", wies der Oberst den Funker an, während er das umgehängte Fernglas an die Augen setzte und durch die gewölbten Panzerglasscheiben der runden Kontrollkabine hinaussah. Für einen Augenblick konnte er ein kurzes himmelblaues Flackern im Licht der gerade erst aufgehenden Sonne sehen. Dann klang ein kurzes heftiges Fauchen und Schrillen zu ihm herein, gefolgt von einem verwaschen klingendem Echo, das mindestens zehn Sekunden nachhallte. Wieder sah er einen himmelblauen Schemen vor dem Fenster vorbeisausen. "Anfrage Fluggeschwindigkeit?" sprach der Oberst den Funker an. Dieser gab die Anfrage weiter.

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Zur selben Zeit in der umgerüsteten Phantom

Rahman fühlte keine übermäßigen Fliehkräfte, obwohl er gerade eine sehr enge Kurve ausflog. Irgendwie war ihm, als schlucke eine besondere Vorrichtung, wie sie nur Raumschiffen des 24. oder 25. Jahrhunderts zugesprochen wurde, jede überschüssige G-Kraft. Mit der Technik konnten sie in einem Monat mal eben zum Mars und wieder zurückfliegen, dachte Rahman. Dann wurde er gefragt, wie schnell er flog. Das bestätigte ihm, dass sie offenbar keinen Radarkontakt zu ihm hatten. Für die Radargeräte war er unsichtbar. Das elektrisierte ihn förmlich. Er saß in einem vollendeten Tarnkappenflugzeug und flog gerade mit vierfacher Schallgeschwindigkeit einmal hin und wieder zurück. Sollte er denen sagen, dass er mit Mach vier und mehr über sie dahinzischte? Sicher hörten die die Überschallknälle, die er sicher machte. Doch wenn die ihn nicht sehen konnten ... "Einhundertvier Stundenkilometer", verdrehte er die irgendwie eher gefühlte Messangabe von 4,1 und fühlte weder Scham noch Unbehagen, weil er eine völlig abweichende Angabe durchgab. Er sollte ja schließlich die Machwerte in Stundenkilometern durchsagen, damit keiner mitbekam, wie schnell die neue Maschine wirklich sein konnte.

"Kann nicht sein", kam die Stimme des Obersts aus allen Richtungen gleichzeitig. "Sie müssen weniger als einhundert fliegen."

"Ich habe einhundertvier auf der Anzeige", wiederholte Rahman seine Angabe. War das nicht schön, regelrecht mit der Maschine verschmolzen zu sein und dadurch zu einer Art fliegendem Supercyborg zu werden?

"Beschleunigen Sie auf zweihundert!" kam die Anweisung. "Fliegen sie die dafür nötigen Schleifen unter Einhaltung der körperlichen Zulässigkeitsgrenzen!"

"Will der mir jetzt erzählen, die hören keinen Überschallknall?" dachte der Pilot. Laut fragte er zurück, ob die Taube zu sehen war. "Ja, Taube fliegt um ihren Schlag", kam die Antwort."Ruckediguh", dachte Rahman und antwortete laut: "Gut, dann mit zweihundert Stundenkilometern Platzrunden." Er wusste, dass er wesentlich schneller unterwegs war und fühlte eine gewisse Abscheu, zu verzögern. Doch er tat es mit größtem Widerwillen. Als seine Anzeige bei Mach zwei stand flog er wie in einer kleinen Sportmaschine mehrere Platzrunden über dem Feld, immer schön den Kontrollturm in eintausend Metern Abstand umkreisend. Das musste doch jetzt ein wildes Donnern und Bollern von Überschallknällen geben. Doch er selbst hörte auch keinen Überschallknall. Und die zu erwartenden Luftverwirbelungen blieben auch aus. Offenbar hatte dieser Wundertechniker etwas eingebaut, was die Luftverdrängung genauso runterschraubte wie die auftretenden Fliehkräfte. Rahman erkannte, dass sie ihn nie wieder frei herumlaufen lassen würden, sobald er aus der Maschine ausgestiegen war. Er wusste jetzt schon zu viel. Oder träumte er das gerade. War er in Wirklichkeit in einem Psycholabor der Militärs und durchlebte den Rausch einer ihm gespritzten Droge? Was er gerade erlebte konnte doch unmöglich gehen, nicht mit der Technik von heute. Er wollte sich in den Arm kneifen, um zu prüfen, ob er noch wach und nüchtern war. Doch irgendwie verflog der Gedanke sofort wieder. Nein, er träumte das nicht. Er erlebte gerade seine Erfüllung, seine wahrhaftige Vorbestimmung, sein Kismet. Er hatte sich das Recht verdient, dieses Wunderding zu fliegen. Doch wollte er dafür den Rest seines Lebens ein Gefangener sein?

"Geschwindigkeitsansage!" kam die nächste Anfrage durch. Er erwiderte, dass er gerade mit anbeblich nur 200 Stundenkilometern flog, knapp am Strömungsabriss, wie er überflüssigerweise noch hinzufügte.

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Zur selben Zeit im Kontrollturm des geheimen Luftwaffenstützpunktes

Oberst Mamun sah es immer wieder kurz aufflackern, aber nie eine konturscharfe Ansicht der Maschine. Sie hörten zwar das wilde Heulen der Triebwerke, das mittlerweile zu einem geisterhaften Chor anschwoll, als würden sich hundert von Dschinnen aus den Märchen aus Tausendundeiner Nacht über ihn und die anderen amüsieren. Nur einmal vermeinte er, die Maschine als geisterhafte Erscheinung vor seinen Augen vorbeihuschen zu sehen. Wenn der Pilot wirklich mit Mach zwei flog durfte er nicht so nahe am Tower vorbeifliegen, ohne von den G-Kräften durch die Bordwand gedrückt zu werden. Auch fehlte der typische Überschallknall. Jetzt wurde es dem Oberst wirklich langsam unheimlich zu Mute. Ein für Radar unsichtbares Flugzeug, dass bei reiner Sichtung auch nur wie ein blauer Schemen aussah und zu alle dem noch ohne lauten Doppelknall die Schallmauer durchbrechen konnte? Träumte er das gerade alles?. Dann gehörte der leise Knall und der unvermittelt hinter ihm stehende Mann in blauen Gewändern wohl auch in diesen Traum.

"Ich habe befürchtet, dass meine Umbauten nicht ohne Wechselwirkung sind", zischte eine Stimme mit ausländischem Akzent. Dann spülte eine Woge aus grenzenloser Glückseligkeit und Sorglosigkeit alle Gedanken aus Oberst Mamuns Gehirn. Dann hörte er in seinem Kopf den Befehl: "Befiehl ihm, das zweite Ziel zu bekämpfen und dann wieder zu landen!"

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Zur selben Zeit in der umgearbeiteten Phantom

Rahman zuckte zusammen. Irgendwas erschütterte die gerade so herrliche Stimmung grenzenloser Überlegenheit. Etwas, das wie ein Druck auf seinen Kopf wirkte und seine Überlegenheit immer mehr verdrängte. Er hörte eine wispernde Männerstimme: "Bedenke, dass ich dein Meister bin. Mir bist du gehorsam." Rahman stemmte sich gegen diese geistigen Einflüsterungen. Er hatte keinen Meister. Er diente zwar der Luftwaffe, war aber kein Sklave. Er schaffte es, die in ihn eindringende Stimme zurückzudrängen und mit einem geistigen Siegesschrei jeden Rest von Schwäche wieder abzuschütteln. Dann hörte er den Befehl: "Lieferzone zwei anfliegen und Lieferung ausführen!" All zu gerne gehorchte er diesem Befehl. Er wendete und raste mit nun mehr als der fünffachen Schallgeschwindigkeit davon. So brauchte er nur drei Minuten, bis er das zweite Ziel erreichte. Ohne unter die Schallgrenze abzubremsen feuerte er aus dem Flug heraus zwei weitere Raketen ab, die er irgendwie mit zusätzlicher Kraft aufzuladen schien. Das Ziel, ein aufgebautes Gerüst mit tausend Tonnen Beton beladen, erglühte in zwei direkt aufeinanderfolgenden Feuerbällen. Dampf stieg nach oben, während eine rotglühende Staubspirale in den Himmel stieg. Das Ziel war vollends zerstört. Jetzt sollte er wieder zurückfliegen und landen. Doch irgendwie gefiel ihm das nicht. Er sagte deshalb auch nicht, dass er das zweite Ziel getroffen hatte. Die Maschine und er waren eins geworden. Sich wieder davon zu trennen würde er nicht überstehen.

"Anfrage an Brieftaube. Lieferung ausgeführt?" Kam die Stimme des Funkers wie aus allen Richtungen zugleich. Irgendwas in Rahman drängte ihn, darauf zu antworten. Die konnten ihn nicht orten. Dann wussten die auch nicht, wo er war. Er hatte noch achtzig Prozent seines mitgeführten Treibstoffvorrates ohne Notreserve. Er wollte noch nicht landen. Er wollte auf keinen Fall landen, wo der andere war, der ihn zu seinem willigen Sklaven machen wollte. Er hatte noch Gefechtsmunition für die Angriffe auf Drohnen, reine Brand- und Sprenggeschosse. Damit würde er sich jeden Verfolger vom Hals halten. Er dachte daran, dass er noch zwei Brüder hatte, die sie ihm hinterherjagen konnten. Also musste er doch zurück, um sie zu befreien, bevor der andere sie ihm hinterherschicken konnte.

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Zur selben Zeit im Kontrollturm des Flughafens

"Schicke die zwei anderen los, den ersten zu finden und bei Befehlsverweigerung abzuschießen!" befahl Omar Al-Hamit durch den Zauber der vollkommenen Unterwerfung dem Oberst, nachdem er auch den Funker damit gehorsam gestimmt hatte. Wie der Offizier der Luftstreitkräfte schwitzte auch der Dschinnenmeister. Denn er hatte erleben müssen, wie sich der in der ersten Jagdmaschine eingekerkerte Luftdschinn mit Hilfe des fleischlichen Lenkers gegen seinen Bann aufgelehnt hatte. Nur mit Mühe hatte er noch erfasst, wie der andere das ihm befohlene zweite Ziel angeflogen hatte. Doch je weiter er sich dabei von ihm selbst entfernt hatte desto schwächer wurde die Verbindung zu dem in der Maschine eingepflanzten Luftdschinn, der früher selbst ein Lenker dieser Flugmaschinen gewesen war. Auch der in der Maschine eingekerkerte Feuerdschinn schien durch die direkte Verbindung mit dem Sterblichen die geistigen Fesseln abzuschütteln, die ihm der Meister angelegt hatte. Das war ihm in allen Jahren, die er die Dschinnenkunde studiert und verwendet hatte noch nicht untergekommen. Dieser Umstand bereitete dem Geistermeister ein gewisses Unbehagen. Angst wollte er das noch nicht nennen, was er fühlte. Aber wenn er den ihm widerstehenden Verbund aus einem Luft- und einem Feuerdschinn nicht bald Einhalt gebot konnte daraus Angst werden.

Die zwei anderen Piloten wurden losgeschickt, in die bereits startbereit ausgerichteten Maschinen zu steigen. In nur einer Minute waren sie in der Luft und auf dem Weg zum zweiten Ziel. Auch sie waren für Radarstrahlen völlig unsichtbar. Auch ihre Maschinen durchrasten die Luft, ohne weithin hörbare Überschallknälle zu erzeugen. Aber das war dem Dschinnenmeister jetzt völlig egal. Hoffentlich ließen sich die zwei anderen Piloten nicht genauso auf eine vollkommene geistige Verbindung ein wie dieser Rahman, von dem nicht nur er sich eine Menge versprach.

"Wenn Ziel gesichtet sicheres Geleit zum Taubenschlag geben!" befahl der Oberst, der nun an Stelle des Funkers am Mikrofon saß. Funker und Radartechniker waren von Al-Hamit in Zauberschlaf versenkt worden. Denn der Geistermeister wusste zu gut, dass er nicht all zu viele Menschen gleichzeitig unter seinem Willen halten konnte. Außerdem musste er sich konzentrieren, die Verbindung zu den beseelten Flugzeugen zu halten, um jeden Anflug von Auflehnung sofort niederzukämpfen. So bekam er mit, wie die zwei anderen von ihm geführt das erste Flugzeug erreichten, dass bereits mit höchster Geschwindigkeit auf dem Rückweg war. Al-Hamit fühlte, dass Rahman und der in der Maschine eingekerkerte Luftdschinn nun eine vollkommene Einheit bildeten. Auch der in der Maschine verankerte Feuergeist verknüpfte sich immer mehr mit den Gedanken und Gefühlen des Piloten. Alle drei wollten frei sein.

Offenbar erfasste die abtrünnige Flugmaschine die Annäherung der zwei Artverwandten. Diese waren auf Al-Hamits Befehl hin mit vollwirksamen Luft-Luft-Raketen bestückt worden. Das würde ein sehr kurzer Kampf werden. Al-Hamit machte sich innerlich bereit, die zwei in der ersten Maschine steckenden Geister wieder einzufangen. Dafür durften die zwei anderen Maschinen diese jedoch auf gar keinen Fall aus der freien Luft heraussaugen, wie es ihre Natur war.

"Brieftaube zwei an Brieftaube eins. Formationsflug zurück zum Schlag!" hörte er den einen der Piloten funken.

"Lieferung drei ist schon auf dem Weg", antwortete der Pilot der ersten Maschine. Seine Stimme klang sowohl wie verdreifacht aus dem Lautsprecher wie auch in Al-Hamits Kopf. Der Dschinnenmeister fühlte die Angriffslust, das wilde Widerstreben, dass in dieser Botschaft mitschwang. Da wurde ihm klar, was der offenbar aus seiner Herrschaft gelöste Verband aus beseelter Maschine und lebendem Menschen beabsichtigte. "Vernichtung des Abtrünnigen!" befahl Al-Hamit seinen beiden noch getreuen Dschinnen. Damit beging er jedoch den entscheidenden Fehler.

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Zur selben Zeit an Bord der magisch umgestalteten Phantom

Wolkenshreck und Feuerklinge waren eins. Feuerklinge hatte seine Fesseln abgesprengt. Der böse Zauberer, der ihn dazu verdammt hatte, sein willenloser Sklave zu sein, hatte keine Macht mehr über ihn. Denn er war mit der Seele Wolkenschrecks verschmolzen und dadurch stärker und ungreifbarer geworden. Auch der mit ihm gefangene ehemalige Pilot Blitztänzer war wieder freigekommen, weil sie beide mit dem einen zu einer festen Einheit geworden waren. Ismail Rahmans Geist verband sie beide. Durch ihn lebten und atmeten sie nun wieder frei. Als dann die zwei anderen Maschinen mit den darin steckenden Leidensgenossen heranschossen und der geistige Befehl erklang, den Artgenossen zu töten, bäumte sich die Dreiheit aus Wolkenschreck, Feuerklinge und Blitztänzer auf. Ihre gemeinsame Hülle, das umgewandelte Fluggerät, schnellte nach oben. Gleichzeitig riefen die drei zu einem verwobenen Bewusstseine: "Brüder, hört nicht auf ihn. Er will euch nur benutzen. Er ist ein schwächlicher Mensch, der nur zu viel Magie kann."

"Ihr sollt gehorchen!" drang wie aus großer Ferne die Stimme des Geisterlenkers zu ihnen durch. Die zwei anderen beseelten Flugmaschinen gingen in Angriffsstellung. Doch da geschah etwas, dass nur die Dreiheit aus Wolkenschreck, Feuerklinge und Blitztänzer erhofft hatte. Die in den beiden anderen Maschinen sitzenden Piloten erkannten, dass sie gerade einen der Ihren töten sollten. Sie sträubten sich und vertieften dadurch die Verbundenheit zu den eingesperrten Brüdern von Feuerklinge und Blitztänzer. Unvermittelt verschmolzen die Sterblichen in den Pilotensitzen mit den in den Flugzeugen eingesperrten Dschinnen. Sie sprengten die Fesseln des Meisters, wie es auch schon bei der ersten Maschine geschehen war. Die dabei freigesetzte Kraft war so stark, dass sie wie ein überlauter Knall und greller Blitz durch Raum und Zeit toste. Als die Schockwelle verebbte hörte Wolkenschreck zwei verschiedene Chöre zu je drei Stimmen zu ihm sprechen: "danke dir, dass du uns gerettet hast. Töten wir diesen Schuft und dann brechen wir aus unseren Gefängnissen aus."

"das ist kein Gefängnis. Das ist unser Körper, unser freier, gehorsamer, mächtiger Körper", widersprach Wolkenschreck. Zwei Sekunden verstrichen. Dann antworteten ihm die zwei befreiten Brüder: "Du hast recht. Wir sind frei, wir sind mächtig und stark."

"dann holen wir uns jetzt diesen Wicht, der uns gefangengenommen hat", schlug Wolkenschreck vor. Die beiden anderen stimmten mit ihren Gedanken zu.

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Zur selben Zeit im Kontrollturm des geheimen Flughafens

Omar Al-Hamit stürzte um, als etwas wie ein greller Lichtblitz begleitet von einem ohrenbetäubenden Knall direkt in seinem Kopf freigesetzt wurde. Ein Meer aus Sternen wirbelte vor seinen Augen, und einen Moment lang trieb er in völliger Finsternis und Stille dahin. Dann hörte er das wilde, rhythmische Fauchen und Wummern. Sein Herz schlug schnell und kräftig und trieb ihm das Blut durch die Ohren. Al-Hamit fühlte, wie er gegen etwas gedrückt wurde. In seinem Kopf dröhnte es nun wie in einem großen, siedenden Kessel. Dann erkannte er, dass er am Boden lag und nicht gegen eine Wand gedrückt wurde. Seine Arme und Beine kribbelten. Das wilde Pochen hinter seinen Schläfen schmerzte. Doch der Geistermeister verdrängte die ihn peinigenden Beschwerden. Hatten sich die drei Flugzeuge gleichzeitig vernichtet, nachdem der bereits abtrünnig gewordene versucht hatte, seine Geschwister zu beschwatzen? Er fühlte, dass seine rechte Hand schmerzte und auch seine Stirn. Die sechs Ringe, mit denen er Verbindung zu den gefangenen Seelen gehalten hatte, waren nicht mehr da. Doch sie hatten schmerzhafte Brandspuren hinterlassen. Wenn die sechs Dschinnen durch was immer freigesetzt worden waren oder sich gegenseitig einverleibt hatten, dann gab es da draußen jetzt mindestens einen höheren Feuer-und einen höheren Luftdschinn, deren Namen er nicht kannte, um sie aus der Ferne zu unterwerfen. Doch dann fühlte er sich ihm nähernde Wut und Angriffslust. Sie kamen um ihn zu holen oder gleich vor Ort zu töten. Er musste weg hier. Sollte er den Oberst mitnehmen? Die näherkommende Angriffslust gemahnte ihn, kein unnötiges Risiko mehr einzugehen. Er stemmte sich hoch, dankte seiner Vorausschau, dass er den Trank der Unerschöpflichkeit getrunken hatte, der seinen Körper gerade mit neuer Kraft und Wachheit erfüllte und blickte aus dem Fenster hinaus. Eine Sekunde nahm er sich dafür Zeit. Doch er konnte nichts erkennen. Jetzt fühlte er, wie etwas nach ihm tastete. Er fühlte die unbändige Wut und das Verlangen nach Rache. Drei mächtige Geister griffen ihn an. Normalerweise würde er das mit entsprechenden Abwehrzaubern beantworten. Doch dazu brauchte er seine volle Ausrüstung. Er hatte aber nur seinen Zauberstab dabei. Den benutzte er nun, um den Tausendmeilenschritt zu tun, weg vom Kontrollturm, zurück in seine sichere Zuflucht, in der ihn nichts und niemand magisch aufspüren konnte. Keine zwei Sekunden nach seinem verschwinden schlugen gleich vier überschallschnelle Geschosse in den Turm ein und verwandelten ihn in eine weiß gleißende Feuersäule, in der alles Leben erstarb und alles Gestein zu Staub und dampf zerbarst. Fünf Männer der irakischen Luftwaffe fanden so einen schnellen und schmerzlosen Tod. Doch das war die einzige Gnade, die ihnen gewährt wurde. Denn als die auf diese brutale Weise aus ihren Körpern gerissenen Seelen auf dem Weg in ihre Nachtodform waren wurden sie von einer ungeheuren Kraft zurückgerissen und von sechs gierigen Geistern vertilgt. Wie Sägemehl im Feuer verlosch ihre ganze Erinnerung und wurde zum Bestandteil jener, die die Ketten der Versklavung abgeschüttelt hatten.

Drei Raketen, die durch die Kräfte der Feuerdschinns ein Vielfaches ihrer Wirkung freisetzten, trafen den Hangar des Flughafens und verwandelten diesen in einen glühenden Doppelkrater. Dabei kam die gesamte Mannschaft von zehn Männern ums Leben und wurde so zur Nahrung der entfesselten Geisterwesen.

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Im Hauptquartier der irakischen Luftwaffe, 24.02.2003 christlicher Zeitrechnung, 09:30 Uhr Ortszeit

"Hier kommen gerade die Bilder von unserem Aufklärungsflugzeug herein", vermeldete der Adjutant von Luftwaffengeneral Kahiri, der für die Operation Himmelsphönix zuständig war, wie die Erprobung der Luftfahrzeuge des geheimnisvollen Ingenieurs Al-Basiri genannt wurde. Der General sah auf den Monitor vor sich und erstarrte. Da wo vor mehr als einer Stunde noch ein kleiner Militärflughafen gewesen war, gab es jetzt nur noch zwei direkt nebeneinander klaffende Krater und einen rotglühenden, schwarzen Rauch verströmenden Trümmerhaufen. "Wie konnte das passieren?" fragte der General. Doch darauf bekam er zunächst keine klare Antwort. Erst eine halbe Stunde später warteten seine Experten mit der Analyse auf, dass die drei Testflugzeuge wohl bei der befohlenen Formation zusammengestoßen sein mussten und dann wie fliegende Bomben in Boden und Tower eingeschlagen waren. Offenbar hatte die von Al-Basiri erwähnte Erhöhung der Feuerkraft gewaltige Explosionen ausgelöst. Je danach, mit welcher Geschwindigkeit die Maschinen geflogen waren, konnte auch die reine Bewegungsenergie gereicht haben. Er dachte an die Angriffe auf das Welthandelszentrum in New York. Ja, so ähnlich heftig mochte es dann gelaufen sein, wenn drei überschallschnelle Maschinen unkontrolliert in Boden oder Kontrollturm hineingekracht waren. Offenbar hatte dieser Al-Basiri den Mund zu voll genommen, was die Beherrschbarkeit seiner Wundermaschinen anging, oder, was leider noch wahrscheinlicher war, die Piloten hätten erst einmal im Simulator üben müssen, mit diesen neuen Flugzeugen umzugehen, wie es ja bei anderen Maschinen vorgeschrieben war. Diese grenzenlose Nachlässigkeit durfte nicht noch einmal geschehen. Doch zunächst musste er den Präsidenten informieren. Sollte der dann befinden, wie es weiterging.

Wie zu befürchten stand zeigte sich Staatspräsident Saddam Hussein nicht gerade begeistert von der Nachricht. General Kahiri rechnete sogar damit, dass er nur noch zwei Stunden zu leben haben würde, so wütend wie der mächtigste Mann des Iraks gerade vom Videoschirm herabsah. Doch dann sagte Saddam Hussein: "Wenn die Amerikaner angreifen will ich eine schlagkräftige Luftwaffe haben. Wenn abstürzende Maschinen dieses Typs so heftig wirken wie hundert Napalmbomben zugleich, dann will ich diese Flugzeuge einsatzbereit haben, bevor Bushs fliegende Cowboys über uns herfallen. Die Operation Himmelsphönix geht weiter. Aufräumen und weitermachen!"

"Jawohl, Herr Präsident", bestätigte Kahiri den Befehl. Doch um diesen auszuführen mussten seine Leute diesen Hassan Al-Basiri in der Festung Al-Mudi darauf bringen, erst einmal neue Flugzeuge zu bauen und den Auftrag mit den Panzern zurückzustellen. Doch als er dort anrief, um mit Al-Basiri zu sprechen, hieß es, dass der Ingenieur gerade in der geheimen Werkstatt sei, um weitere Panzer zu bauen.

"Hiermit erteilt Ihnen der Staatspräsident den Befehl, erst einmal genug Flugzeuge umzurüsten. Wir verlegen zwanzig Jagdmaschinen aus unseren Beständen zu Ihnen, damit die Umrüstung stattfinden kann. Die Zeit drängt."

"Ich werde es Doktor Al-Basiri mitteilen", sagte der Kommandant von Al-Mudi. Dann wurde die abhörsichere Verbindung wieder getrennt.

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In der geheimen Festung Al-Mudi, 26.02.2003, gegen halb neun morgens Ortszeit

Er hatte die Brandwunden mit Zaubersalbe und Geisterbannsprüchen beseitigt. Das wäre auch noch schöner, wenn er von den ihm entsprungenen Sklaven für sein ganzes Leben gezeichnet blieb. Mit einem magischen Gürtel, der durch altägyptische Zauberzeichen vor Entdeckung durch feindliche Geisterwesen schützte, war er in die Festung Al-Mudi zurückgekehrt, um dort weitere Panzer umzurüsten. "Material" bekam er dabei von seinen immer noch getreuen Luftdschinnen, die des Nachts in den Dörfern in der Wüste junge Männer herausfingen und deren Seelen zu ihm brachten. Allerdings wusste der Geistermeister zu gut, dass da draußen mindestens zwei mächtige Geister lauerten, die ihn all zu gerne umbringen wollten, um auch seine Seele in sich einzuverleiben. Er hoffte irgendwie darauf, dass die Brüder des blauen Morgensterns mit diesen Geistern aneinandergerieten und sie ihm gänzlich unfreiwillig vom Hals schafften. Andererseits mochten die freigesetzten Dschinnen dabei verraten, wer sie versklavt und zum Dasein in toten Gegenständen gezwungen hatte. Dann spätestens war seine ruhmreiche Zukunft als Befehlshaber einer mächtigen Armee moderner Kriegswaffen vorbei, noch ehe er einen Zug getan hatte, um seine Herrschaft auszudehnen.

"Ich darf keine kundigen dieser Waffen mehr versklaven und muss zudem noch Sicherungen einbauen, um eine völlige Verbindung zwischen den fleischlichen Lenkern und den Dschinnen zu verhindern", dachte er. Bei den Panzern hatte er eine gewisse Sicherung dieser Art, weil er zur Verstärkung der Panzerung auch Bannzeichen in die Panzerplatten eingravierte, die einen darin eingeschlossenen Erdgeist jedem Unterwarfen, der das mit ihm beseelte Kriegsgerät lenkte. Bei den Flugmaschinen hatte er das versäumt. Das war sein großer Fehler gewesen. So schickte er weitere Luft- und Feuerdschinnen aus, weitere Seelen zu jagen, die er in die ihm zugeführten neuen Flugzeuge einarbeiten konnte. Allerdings würde dadurch der Auftrag mit den Panzern um mindestens einen halben Monat zurückgeworfen. Er konnte jeden Tag gerade fünf neue Panzer umrüsten. Bei Flugzeugen ging das nur mit einem Flugzeug pro Tag, eben weil die erzwungene Gemeinschaft aus einem Luft-und einem Feuerdschinn bei dem wenigen Metall, dass in den Fliegern verbaut wurde, ungleich schwieriger zu schmieden war.

Was den dunklen Magier anging, der zum Geist des dunklen Erzmagiers aus dem alten Reich vordringen wollte, so bangte er genauso wie die große Mehrheit redlicher Zauberer darum, ob jene, die ihn aufgehalten hatten, nicht doch sein ganzes Wissen erbeutet hatten und was sie damit anstellen mochten.

Der Geistermeister Omar Al-Hamit betrat gerade die Werkshalle, wo drei seiner unterworfenen Mitarbeiter die von ihm bezauberten Zylinder in die ermittelten Kraftzentren der vorbereiteten Panzer einsetzen wollten.

"Wir sollen zwanzig Flugzeuge umrüsten. Wie viele Panzer können heute noch fertig werden?" fragte er. "Wenn wir schneller die entsprechenden Einbauteile bekommen sieben", antwortete einer seiner Leute. "Gut, die sieben machen wir heute noch. Dann haben wir vierzig Aufklärungs- und fünfzehn Kampfpanzer. Dann machen wir die nächsten drei Wochen nur Flugzeuge fertig. Der Präsident möchte lieber eine schlagkräftige Luftwaffe als eine starke Bodenarmee."

"Öhm, aber wie machen wir dass, dass die Piloten sich nicht gleich nach dem Start damit aus der Welt schaffen?" fragte einer der älteren Mitarbeiter, der natürlich wusste, dass die Maschinen nicht zusammengestoßen waren.

"das soll die Abteilung Himmelsphönix erledigen. Ich habe bereits eine Liste von Materialanforderungen verschickt, um zusätzlich Absturz- und Zusammenstoßabsicherungen einzubauen. Diese Flugzeuglenker reagieren offenbar doch nicht schnell genug für unsere schnellen Maschinen.

"Wie Sie es sagen, Doktor Al-Basiri", bestätigte der gerade mit ihm sprechende Mitarbeiter.

Zwei Männer klopften an die verschlossene Zugangstür. Es waren zwei Fahrer, die die nächsten fünf Spähpanzer abholen und über geheime Schleichwege zu den Standorten der irakischen Leibgarde bringen sollten. Al-Hamit prüfte sie wie üblich mit einem unbemerkbaren Zauber auf ihre Ehrlichkeit und zeigte ihnen dann, wo die zu transportierenden Gefechtsfahrzeuge bereitstanden. Die Arbeit an den gerade zu bestückenden Panzern wurde unterbrochen, die Bauteile vor dem Blick der beiden Fahrer versteckt. Dann wurde das große Tor geöffnet und fünf Soldaten der Festung, alles von Al-Hamit unterworfene Gefolgsleute, bestiegen die auszuliefernden Panzer und fuhren sie in einer Reihe aus dem Werksbereich zu dem Schwertransporter, der sie unauffällig zu ihrem neuen Standort schaffen sollte. Als alle fünf Spähpanzer aufgeladen waren bestiegen die zwei Lastkraftfahrer ihr Führerhaus, winkten der Fertigungstruppe und ihrem Vordenker noch einmal zu und fuhren los. Die Luftdschinnen prüften unbemerkbar, ob alles in Ordnung war. Die im Lastwagenführerhaus und im Auflieger verbaute Elektronik irritierte sie ein wenig. Um diese nicht zu stören durften sie nie näher als einen Meter heran. Sie fanden nichts und ließen den Wagen ziehen. So ging das schon seit zwei Wochen. Jeden Tag holten solche Schwertransporter die bereits umgebauten Panzer ab und fuhren sie zu ihren neuen Standorten hin. Daran würde sich auch in den nächsten Wochen und Monaten nichts ändern, war sich Al-Hamit sicher.

"So, bevor die nächste Abholmannschaft kommt noch den einen Panzer da fertig umrüsten!" befahl er, nachdem das große Tor nach draußen wieder verschlossen war. Dann zog er sich in sein hier eingerichtetes Quartier zurück, immer schön überwacht von in den Wänden verbauten Kameras. Nur in seinem Quartier und in der Werkshalle hatte er durchgedrückt, dass dort keinerlei Beobachtungstechnik verbaut wurde.

"Morgen werde ich das erste Flugzeug umrüsten. Ich muss bei der Auswahl der Piloten vorsichtiger sein und die Abgrenzung besser hinbekommen", dachte er bei sich, bevor er den Tausendmeilenschritt in sein eigentliches Hauptquartier ausführte. Dort wollte er noch einmal die genaue Absicherung gegen eine neuerliche Verschmelzung zwischen eingekerkerten Dschinnen und menschlichen Piloten prüfen, damit ihm ein Fehlschlag wie mit den drei Phantom-Flugzeugen nicht noch einmal widerfuhr.

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Zwei Kilometer östlich der Iranisch-irakischen Staatsgrenze, 26.02.2003, 11:25 Uhr Ortszeit

Eigentlich war das hier nur ein Horchposten, um arabische und irakische Funksendungen abzufangen und auszuwerten. Doch in diesen Tagen erfüllte dieser kleine Stützpunkt knapp hinter der Grenze noch zwei weitere Funktionen: Er diente als Zufluchtsort für drei in Saddams Machtbereich eingeschmuggelte Agenten, wenn diese doch sehr schnell aus dem Einsatz abgezogen werden mussten und kein sicheres Haus auf irakischem Staatsgebiet oder die schweizer Botschaft selbst erreichen konnten, wo ein Verbindungsmann ihre Weiterreise regeln konnte. Zum zweiten hatte der iranische Geheimdienst zu dem üblichen Horchbesteck noch eine weitere Anlage installiert, die ganz bestimmte Funksignale auffangen, entschlüsseln und deren Absender präzise orten konnten, zumal die Absender von sich aus ihre genaue Position durchgaben. Gerade war ein besonderer Gast in der kleinen Abhörstation eingetroffen, Waffentechnikexperte Hussein Rohani.

"Die Operation "Ariadne" läuft seit heute Morgen. Die Umrüstung von drei Schwertransportern konnte ohne Verdacht zu erregen vollzogen werden", meldete der Kommandant des Horchpostens im Range eines Majors. Rohani, der von seiner Dienststelle ebenfalls im Range eines Majors stand, bedankte sich höflich bei seinem Gastgeber.

"Haben wir neues von dem verunglückten Flugzeugtest?" fragte Rohani im abhörsicheren Besprechungsraum der Basis.

"Über die üblichen Militär- und Nachrichtenkanäle kam nichts. Aber unser Feldagent in Bagdad hat uns über die geheime Funkbrücke die Dokumente und Bilder zugeschickt. Wenn die Maschinen ebenso aufgerüstet waren wie die Panzer, dann hätten Saddams Untertanen eine unbesiegbare Luftwaffe bekommen. Mit der hätten die auch uns angreifen können."

"Nicht auszudenken", sagte Rohani und bat dann um die vollständige Statusmeldung zur Operation "Ariadne". Allein schon, dass der iranische Geheimdienst einen Codenamen aus der griechisch-römischen Mythologie benutzte schaffte bei den Feinden sicher eine gewisse Verwirrung, wenn sie darauf kommen mochten.

"Wie auf Stichwort, Major Rohani. Hier meldet sich Transporter eins. Er befindet sich bei diesen Koordinaten und steuert seine Heimatbasis an, einen Stützpunkt der Leibgarde", vermeldete der Kommandant der Abhörbasis.

"Ist er beladen?" wollte Rohani wissen. Darauf bekam er keine direkte Antwort. Erst eine Minute später kam ein knapp drei Sekunden dauerndes Richtfunksignal herein. Schließlich hatte der Absender die genaue Ausrichtung zum geheimen Horchposten ausrechnen und die winzige Antenne entsprechend ausrichten müssen, um möglichst keine Mithörer zuzulassen, auch wenn die Sendung aus reinen Zahlengruppen bestand. Die hatten es aber in sich. Denn sie bezeichneten den Weg, den der Transporter von seinem Start zum Zielpunkt zurückgelegt hatte und wie schwer er dabei war, sowie die Standzeit am Zielort und das Gewicht eine Minute nach der Abfahrt. Zugleich wurden die Koordinaten im Rahmen des russischen, wie des amerikanischen Satellitennavigationsverfahrens übermittelt, womit der Absender eine noch genauere Standortberechnung ausführen konnte. Als Rohani die Koordinatengruppe sah, die mit einer Standzeit von knapp einer halben Stunde markiert war pfiff der Waffenexperte des iranischen Nachrichtendienstes durch die Zähne. "Och joh, Al-Mudi, die Festung für besondere Gäste oder Einsatzübungen. Hätte ich an den Bildern schon sehen können, dass die Vorführung da stattgefunden hat."

"Will sagen, die Panzer werden da zusammengebaut?"

"Erst hingebracht und dann umgebaut. Also sitzen die Gehilfen dieses Al-Basiri jetzt dort. Wenn Transporter zwei und drei denselben Zielort melden haben wir die Werkstatt dieses angeblichen Wundertäters am Haken."

"Die Lieferung könnten wir auch kriegen. Bis zu diesem Stützpunkt sind es von hier nur fünfhundert Kilometer."

"Würde ich ja zu gerne machen, Aber dann könnten wir denen da drüben gleich erzählen, dass wir wissen, wo ihre Panzer fertiggemacht werden. Nein, falls Transporter drei denselben Zielort meldet und auch zu diesem Stützpunkt der Leibgarde fährt, kassierern wir die Ladung. Abgesehen davon sollten wir uns das nicht so leicht vorstellen, den Erfinder dieser Wundertechnik zu ergreifen", sagte Rohani.

"Weshalb?" wollte der Kommandant der Abhörbasis wissen.

"Würden Sie mir das glauben, dass dieser Mann mit dem Sheitan im Bunde ist?" sagte Rohani ganz ruhig und ohne jeden Anflug von Scherz oder Unbehagen.

"Äh, ein Teufelsanbeter? das meinen Sie nicht ernst, Major Rohani", erwiderte der Kommandant der Abhörbasis.

"Gut, dann ist es für Sie ein schiffbrüchiger Außerirdischer, der sich eine Staatsregierung gefügig machen will, um ein Raumschiff für die Heimreise bauen zu lassen. Ist Ihnen so eine Erklärung lieber?"

"Öhm, Sie wurden mir als rein wissenschaftlicher Experte beschrieben, weshalb die Geheimpolizei Sie vor fünf Jahren schon mal durchleuchtet hat", erwiderte der Stützpunktkommandant.

"Ja, und dass ich für unseren Auslandsdienst arbeite ist sozusagen meine Bewährungsstrafe dafür, dass ich es gewagt habe, einige Dinge anders darzustellen als der Koran. Aber dass ich hier bei Ihnen sitze und eine höchstbrisante Operation leiten darf beweist, dass mir unsere Staatsführung vertraut." Rohani wollte nicht auf den Tisch packen, wer ihm damals wirklich geholfen hatte, aus einer sehr heiklen Lage herauszukommen und dass derjenige ihm Dinge offenbart hatte, die sonst niemand wissen sollte, ein gewisser Mehdi Isfahani.

"Gut, damit Sie was für Ihre täglichen Berichte haben, Major: Ich gehe der Vermutung nach, dass der unter dem Namen Hassan Al-Basiri auftretende Waffenkundler Zugang zu geheimer Hochtechnologie aus Russland, der Volksrepublik China oder Nordamerika hat. Woher genau und welche Auswirkungen das auf uns hat ist zu klären."

"Transporter zzwei hat gerade die Abfahrtsmeldung gefunkt", sagte der Stützpunktkommandant. "Falls er dasselbe Ziel hat wird er jetzt drei Stunden brauchen, um dorthin zu kommen. Oh, Transporter drei hat sich ebenfalls auf den Weg gemacht."

"dann warten wir mal ab, was die beiden für ein Ziel haben. Wie lange braucht der Transporter eins um wieder bei seinem Ausgangspunkt einzutreffen?" wollte Rohani wissen.

"Wenn er denselben Weg fährt wie auf der Hinreise acht Stunden. Der hat sehr viele Umwege genommen, wohl damit nicht auffällt, wo er herkommt und wo er hinwollte."

"Tja, aber wegen unseres Ariadnefadens war das alles sinnlos."

"Und Sie sind sicher, dass der russische Auslandsgeheimdienst seine fünf Fahrtenmelder nicht vermisst?"

"dann säße ich sicher nicht bei Ihnen sondern in der Lubianca oder wo die heutzutage ihre Gefangenen verhören", sagte Rohani. Ja, das war auch eine sehr kitzlige Mission gewesen, fünf besondere Peilsender zu beschaffen, die kein ständiges Peilsignal abgaben, sondern erst fünf Minuten nach Verlassen des Aktivierungsstandortes eine Startmeldung mit bisherigen Wegpunkten absandten und dann erst wieder, wenn sie länger als eine Viertelstunde lang nicht von der Stelle bewegt wurden und dann wieder unterwegs waren, aber erst fünf Minuten nach der begonnenen Weiter-oder Rückfahrt, um mögliche Sendersucher vor Ort nicht darauf zu bringen, dass ein Minispion an Bord war. Das entsprach fast schon etwas, was Mehdi als "Spruch der Nachverfolgung" bezeichnet hatte, einen altpersischen Zauber, mit dem Dinge oder niedere Lebewesen fernbeobachtet oder nachverfolgt werden konnten. Überhaupt dachte Rohani seit der ihm gezeigten Videovorführung nur noch daran, ob bei diesem Superpanzer Magie, vielleicht sogar schwarze Magie im Spiel war, um den Panzer zur Superwaffe zu machen. Sein geheimnisvoller Bekannter hatte ihm erzählt, dass die dunklen Mächte jedoch immer ihren Preis für ihre Wohltaten forderten, ob man an einen leibhaftigen Teufel glauben wollte oder einfach nur daran, dass zu viel Machtgier in die eigene Selbstvernichtung führte. Wenn die einen oder mehrere dieser Panzer in ihre Finger bekamen, dachte Rohani, dann konnte er wohl herausfinden, ob hierbei böses Zauberwerk im Spiel war und dann die nötigen Schritte unternehmen, es aus der Welt zu schaffen, bevor wer auch immer es benutzte die Welt ins Chaos stürzen konnte.

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Auf einem Fliegerhorst der irakischen Luftwaffe 100 km südlich der irakisch-türkischen Staatsgrenze, 26.02.2003, 15:20 Uhr Ortszeit

Die Mechaniker und Techniker versahen ihren üblichen Dienst. Die hier gebunkerten Flugzeuge wurden für den Fall bereitgehalten, dass von der Türkei her ein Vorstoß der NATO-Truppen stattfinden mochte. Kommandant Ibrahim Sadad war selbst lange Zeit Kampfpilot gewesen und vor zwölf Jahren beim Kampf um Kuweit dabei gewesen. Deshalb war er sehr darauf versessen, die damals hingenommene Schande zu tilgen, sollte Bush ernsthaft gegen sein Land einen Krieg vom Zaun brechen.

Der Major kehrte gerade nach einer kurzen Pause in die Operationszentrale zurück, vergleichbar der Kommandobrücke eines großen Schiffes. Mehrere Techniker saßen an Funk- und Radarüberwachungsgeräten, Computerbildschirmen, über die gerade mehrere Grafiken und Tabellen wanderten oder telefonierten mit Zulieferern für Vorräte und Ersatzteile. Der Raum lag zwanzig Meter unter der Erde und war durch meterdicke Stahlbetonplatten gegen konventionelle Luftangriffe abgeschirmt.

"Major Sadad, Empfangen fremde Radarsignale. Auswertung ergibt AWACS-Signale. Quelle in drei zwo sieben, Deklination 10,202 Grad, Abstand ohne Aktivortung nicht anmessbar."

"Die spielen mal wieder Straßenpolizei über türkischem Luftraum. Das machen sie schon seit Bush Juniors Getöse von vor drei Monaten. Offenbar warten sie darauf, dass wir verdächtige Flugbewegungen machen. Nicht provozieren lassen. Patrouille null neun sendet noch?""

"Sind auf deren Flugradar aufgeschaltet. Keine verdächtigen Objekte", sagte einer der Radartechniker und deutete auf seinen Kontrollschirm. Dann wandte sich der Funker vom Dienst dem Major zu: "Major Sadad, Patrouille null neun bricht Funkstille: Lautsprecher?"

"Ja, sofort. Will wissen, was die zu melden haben", sagte Sadad.

"Null neun an Basis, sichten unbekannte Flugzeuge mit hoher Machgeschwindigkeit aus Richtung ...." Der Rest der Meldung verschwand in einer Flut aus weißem Rauschen.

"Radar aktiv schalten, Ortung der Patrouille!" befahl Sadad. Der Radartechniker, der den Direktkanal der Patrouille überwacht hatte deutete auf seinen Bildschirm, auf dem "Signalausfall" blinkte. Ebenso meldete der Passivkontaktüberwacher, dass die hochverschlüsselnden Identifikationssender im Abstand von nur zwei Sekunden ausgefallen waren. Der nun in Betrieb gesetzte Radar der Basis, der bis zehn Kilometer in türkisches Gebiet hineinstrahlen konnte erfasste im bezeichneten Sektor kein Flugobjekt mehr. Dafür wussten sie jetzt, wo die AWACS-Maschine patrouillierte, und die AWACS wusste jetzt auch, dass es eine Radaranlage gab, die sicher zu einem militärischen Stützpunkt gehörte, erkannte Major Sadad. War das mit der ausgefallenen Patrouille also eine Falle, in die er wie ein blutiger Anfänger hineingetappt war? Doch wer oder was hatte so plötzlich eine fliegende Patrouille aus MiG-25-Jägern vom Himmel geputzt, ohne dass die auch nur eine Sekunde Zeit für Gegenmaßnahmen gehabt hatten? das seine Leute tot waren betrübte ihn nicht, sondern machte ihn wütend. Wer immer das war würde bald zur Hölle fahren. Doch genau diese tat sich nun über ihm und seinen Leuten auf.

Eine der Außenbildkameras erfasste drei blitzartig über den Flugplatz huschende Schemen, die wegen ihrer perfekt dem Himmelslicht angepassten Färbung so gut wie unsichtbar waren. Keine zwei Sekunden später fauchten drei Feuerstrahlen aus dem Himmel nieder und trafen irgendwas. Was genau erfuhr der Major keine Sekunde später. "Ausfall von Radarantenne eins und zwei! Ebenso Totalausfall von Rundstrahl- und Richtfunkantenne, sowie Satellitenfunk. Redundante Anlagen beim Ausfahren ebenfalls ausgefallen." Durch die Station trötete das Alarmsignal. Die Basis war auf Alarmstufe Rot.

"Alle Mann auf Gefechtsstation!" befahl der Major. Ihm schwebten schon Horrorbilder von einer Bombardierung seines Stützpunktes vor, bei dem seine ganze Staffel wortwörtlich am Boden zerstört wurde. Wer immer den Angriff ausführte war blitzschnellund verdammt präzise. Er hatte sie im ersten Ansatz blind, taub und stumm geschossen. Jetzt konnte wer immer in Ruhe den Rest der Basis niedermachen. Nix da! dachte der Major. "Abfangjäger raus, Raketenwerfer auf Ziel und ..." Rums! Gerade erfolgte die erste von fünf schnellen Explosionen. Die Boden-Luft-Verteidigung war gerade genauso gründlich vernichtet worden wie die Ortungs- und Funkantennen. Die Außenbildkameras arbeiteten aber noch.

"Flugzeuge sichern!" befahl Major Sadad. Dann sah er wie alle anderen drei blaue Flugzeuge, die wie aus dem Himmel herausgeschält über dem Flugfeld niederstießen und zielgenau die Landebahn anflogen. Keine fünf Sekunden später setzten die Maschinen in einer geraden Linie hintereinander auf und rasten über die Betonpiste, bis sie mit schon an Irrwitz anmutender Geschwindigkeit von der Piste abbogen und über das gerade leere Feld zur Betankungsanlage hinüberfuhren.

"Wenn die jetzt noch die Tanks in die Luft jagen feiert der Teufel heute noch mit uns Einweihungsfete", stieß einer der gerade zur Untätigkeit verurteilten Funktechniker aus. Major Sadad wollte ihn schon wegen dieser undisziplinierten Äußerung maßregeln, als er sah, wie die drei Maschinen vor der Betankungsanlage anhielten. Die Hauben über den Cockpits klappten zurück. "Zoom auf die Maschinen!" befahl Sadad. die nächste Kamera machte eine Nahaufnahme der drei Maschinen. Sadad erkannte einen der Piloten: "Wolkenschreck?" entschlüpfte ihn eine Verwunderung. Aber der sollte doch bei einer geheimen Flugübung verunglückt sein. Aber so sah der Pilot der ersten Maschine nicht aus. Er stieg die ausgeklappte Trittleiter hinunter. Irgendwie schien ein hellvioletter Dunst um ihn zu schweben, eine aus sich selbst leuchtende Aura. "Außenmikros bei Tankanlage an!" befahl Major Sadad. Immerhin gingen die Mikros und Kameras noch. Dann drückte er einen Knopf an seinem Kommandopult und rief in sein Mikrofon: "Hauptmann Rahman. Wenn Sie das sind ergeben Sie sich unverzüglich, oder wir müssen von unseren Waffen Gebrauch machen!"

"Major Sadad. Entschuldigen Sie die kleinen Beschädigungen an der Funk- und Radaranlage. Aber wir müssen tanken und wollen nicht warten, bis Sie jemanden um Erlaubnis gefragt haben, ob wir das dürfen", sagte Ismail Rahman mit einer sehr laut hallenden Stimme, als riefe er von einem Minarett herunter.

"Sie und die Maschinen bleiben in Gewahrsam. Sie werden mir und dem Oberkommando eine Menge zu erklären haben, fürchte ich", erwiderte der Kommandant.

"Keine Zeit dafür. Ihr tankt uns auf und bestückt uns mit Gefechtseinsatzmunition und Raketen. Falls nicht durchsieben wir die Basis, bis keiner mehr darin atmet", drohte Ismail Rahman. Seine zwei Kameraden waren nun auch aus ihren Maschinen geklettert. Auch sie wurden von einer hellvioletten Aura umflossen.

"Sie drohen uns? Sie haben bereits genug Straftaten begangen, dass ich Sie standrechtlich hinrichten lassen kann", blaffte Sadad.

"In einer Minute läuft der Sprit in unsere Maschinen, oder in anderthalb Minuten lebt keiner mehr in der Basis", erwiderte Rahman darauf. Major Sadad drückte den Unterbrechungsknopf für die Lautsprecherverbindung und rief einem anderen Techniker zugewandt: "MGs ausrichten und abfeuern!"

Nur drei Sekunden später tobte ein Sturm aus Stahlmantelgeschossen um die drei Piloten und ihre Flugzeuge. Doch die drei Männer schienen davon nicht beeindruckt zu werden. Auch die Flugzeuge standen wie sie standen. Die Geschosse prallten einfach von ihnen ab. Dann winkte Rahman seiner Maschine zu. Diese drehte sich von ganz alleine um dreißig Grad nach links und spie dann einen Strom aus schwirrenden Geschossen. Keine Sekunde später dröhnte und donnerte es, und die schusssicheren Außenwände der oberirdischen Gebäude zerfielen in hunderten Explosionen zu Staub, als hätte wer in drei Sekunden hundert Artilleriegranaten darauf abgefeuert. Der unheimliche Beschuss ging weiter. Das dauerfeuer fraß sich von Raum zu Raum durch die oberirdischen Verwaltungs- und Unterkunftsräume und pulverisierte alles, was in seiner Ausrichtung lag. Jetzt schwenkte die Tod und Zerstörung speiende Nase des Flugzeuges und streute dadurch seine tödliche Entladung.

Totalverlust von Bau A steht unmittelbar bevor", meldete ein Mann an einem Computerbildschirm. Gerade fielen die Außenkameras aus, die auf die Flugzeuge gerichtet waren.

Auftanken oder abdanken!" rief Rahman in einem Anflug von grenzenloser Überlegenheit.

"Verluste in Bau A?" wollte der Major wissen, der trotz seiner militärischen Erziehung sehr bleich geworden war. "Fünfzig Mann, Major. Keiner konnte dem entkommen."

"Alle runter in die Bunker!" rief der Major über die Lautsprecher der Anlage. Doch da dröhnte und prasselte es erneut, doch nur für zwei Sekunden. "Letzte Gelegenheit, heute noch ein paar Leben zu retten, Major Sadad! Also los, jemanden rausschicken zum Auftanken. Am besten kommen Sie dann gleich auch mit raus."

"Wozu?!" rief der Major.

"damit wir sie nicht wie eine Ratte in einem Erdloch erlegen müssen", sagte Rahman.

"Offenbar haben Sie mit Sheitan einen Pakt geschlossen. Dann schicken wir sie doch gleich zu ihm zurück!" rief der Major und betätigte wieder die Abschussvorrichtungen. Doch diesmal belferten keine MGs los. Die waren in Bau A und B eingenistet gewesen und jetzt garantiert Metallstaub.

"Sie haben noch eine halbe Minute", rief Rahman. Sadad verzog sein Gesicht. Dann betätigte er drei Schalter an seinem Pult, klappte ein kleines Fach auf und versenkte einen winzigen Schlüssel in einem Schlüsselloch. "Sie wollen Sprit? Hier kommt er!" rief er. Er drehte den Schlüssel. Da dröhnte und donnerte es genau über ihm. Er sah, wie die Decke erzitterte und hörte, wie es über ihm immer lauter wurde. Er vermeinte, kurze Aufschreie zu hören. Doch der Lärm verschlang diese Laute. Dann bekam die Decke erste Risse. Der Major drehte den Schlüssel und drückte eine ebenfalls im Fach versenkte Taste ein. Jetzt kam zu dem Donnern und Dröhnen von oben noch ein dumpfer Knall und ein heftiges Erdbeben. Das mörderische Donnern hörte auf.

"Tja, zu nahe bei der Tankanlage, wie?" meinte Major Sadad. Dann sah er, dass die Grafiken, die die Funktion der Haustechnik abbildeten, total schwarz waren. Von der Decke rieselte Staub herunter. Es hätte nicht viel gefehlt, und was immer hätte sich bis zu ihm und dem Kommandostab durchgefressen.

"Sind noch Drohnen klar?" fragte der Kommandant. Doch ein heftiges Kopfschütteln seiner Techniker zeigte ihm, dass keine Drohne mehr flugfähig war. Weil die von Sadad ausgelöste Explosion des Haupttanks auch die Außenmikrofone erledigt hatte und sicher nun ein flammendes Inferno draußen tobte würden sie hier erst einmal untätig und unfähig herumsitzen müssen, bis jemand sie hier herausholte.

"Kriegen Sie den Notfunk in Gang und funken Sie das Kennwort "Sonnensturz"!" befahl der Major dem Funker, der im Licht der Neonbeleuchtung so blass wie ein Vampir aus dem Horrorfilm aussah. Der Major erkannte, dass er wohl nicht viel lebendiger aussah. Dabei kam das schlimmste noch.

Es kündigte sich als leises Säuseln in den Luftschächten an. Es knackte und krachte laut. Irgendwo in der Belüftungsanlage wurden gerade wohl Hindernisse aus dem Weg gedrückt oder gesprengt, womöglich die Filter gegen Giftgas und bakteriologische Waffen. Dann wurde es schlagartig eiskalt im Raum. Blauer Dunst fauchte wie ein Strahl aus Wasserdampf aus einer der Belüftungsöffnungen heraus und füllte den Kommandoraum innerhalb von drei Sekunden völlig aus. Dann zog sich der Dunst zusammen. Dabei nahm er immer deutlichere Formen an, die Formen eines riesenhaften Menschens mit zwei Köpfen. Einer der Köpfe ähnelte Hauptmann Rahman. Der andere ähnelte einem Mann, den der Major auch schon für tot gehalten hatte, Feuerklinge. Dann sprachen beide Köpfe mit einer sphärischen, tiefen Stimme: "Vielen Tank, , dass du uns freigesetzt hast. In diesen unzureichenden Gerätschaften waren wir lange genug eingesperrt." Die Techniker im Raum starrten auf die Erscheinung. Sie alle dachten das eine: Ein wahrhaftiger Dschinn, ein Geisterwesen, wie es in ihren Märchen zu Hauf vorkam.

dann griff das zweiköpfige Ungetüm mit der rechten Hand nach einem der Techniker und riss diesen von seinem Stuhl. "Dich hebe ich mir für den Schluss auf!" sprachen beide Köpfe zu Sadad, bevor der gepackte Techniker im linken Maul verschwand. Die anderen wollten davonrennen. Doch das Unheilswesen wischte nur mit den dunstigen Armen, derer es vier Stück waren und fegte alle von ihren Stühlen oder von den Füßen. Dann verschlang es einen nach dem Anderen beinahe im Sekundentakt. Mit zwei gierigen Mäulern war das wahrlich keine Kunst, erkannte der Major. Doch er wollte garantiert kein Dschinnenfutter werden. Er fischte in seine obere Uniformtasche, riss eine kleine Kapsel heraus und schob sie genauso schnell in den Mund wie der unheimliche Eindringling seine Leute. Er zerbiss sie. Jetzt hatte er nur noch zehn Sekunden zu leben. Ob das reichte, um nicht doch noch lebendig gefressen zu werden?

"Du verdammter Feigling. Aber du gehörst mir", brüllte der Dschinn und wollte nach dem Major greifen. Der aber rollte sich hinter sein Kommandopult. Dieses wurde hochgerissenund wie ein Federkissen in den Raum geschleudert. Dann fühlte der Major das Gift wirken. Erst ein Stechender Schmerz im Magen, dann Taubheit in den Beinen, die immer schneller nach oben kroch. Der zweiköpfige Dschinn griff nach ihm und riss ihn hoch. Doch da wurde es auch schon schwarz vor Sadads Augen. Er hörte jedoch noch das Wutgebrüll des mörderischen Geistes. "Du Sohn einer Hündin!" brüllte es ihm hinterher, während er immer schneller auf ein helles Licht zuflog. Mit der letzten Gewissheit, dass er seine Seele dem Zugriff eines wahrhaftigen Dämons entrissen hatte und in der Hoffnung, nicht wegen seines Freitods in der Hölle zu landen, verschwand Sadads Seele aus der Welt.

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Zur gleichen Zeit an Bord einer AWACS-Aufklärungsmaschine 10 km nördlich der Türkisch-irakischen Grenze

Major Ryan Sanders, der Chef der Überwachungszentrale an Bord des umfangreich ausgestatteten Aufklärungsfliegers, ließ sich noch einmal die verstümmelte Funkmeldung zweier irakischer Flugzeuge vorspielen, die von einem auf den anderen Moment wie entmaterialisiert vom Radarschirm verschwunden waren. Es hatte keine wirkliche Explosion gegeben. Aber die von den Piloten gemeldeten Flugzeuge waren auch nicht zu sehen, trotzdem mindestens auf vier Frequenzen nach ihnen gesucht worden war.dann bekamen sie das Signal einer bodengestützten Radaranlage herein. "Hallo, der achso geheime Fliegerhorst ist auch wach", feixte Sanders, bevor die für die Signalauswertung zuständige Technikerin Captain Clara Willes "Signalverlust Romeo Sierra sieben" meldete.

"Die haben sich wieder totgestellt, nachdem sie uns geortet haben", meinte Sanders. "Langsam sollten die es aber wissen, dass wir wissen, dass es sie gibt. Doch wie plötzlich die zwei irakischen Maschinen verschwunden waren machte ihm schon sorgen. Er griff zu seinem Mikrofon und schaltete sich selbst auf den Kanal für den zuständigen Stützpunkt. Er meldete die ungewöhnlichen Ortungen und auch die neuerliche Bestätigung für den geheimen Flughafen. Das konnte schließlich für einen möglichen Waffengang wichtig sein.

"Haben sie die exakte Peilung des Radarsignals?" wurde er gefragt. Er sah Clara Willes an und erhielt ein Nicken. Sie ließ ohne weiteren Befehl die aus der Höhen- und Richtungspeilung die GPS-Koordinaten errechnen.

"Gut, dann lassen wir die Satelliten mal drüberfliegen", hörte Sanders die Antwort seines Kontaktes.

"Wir bleiben in Position und melden jedes weitere Vorkommnis unverzüglich", sagte der Major.

"Schicken Sie uns die daten sofort über Sicherheitskanal Sieben neuner, Verschlüsselung Bravo X-Ray fünfer zwei!" Sanders bestätigte den Befehl und gab ihn an die zuständigen Operatoren weiter.

Wenige Minuten später verzeichnete die AWACS ein sich bewegendes elektrisches Feld von hoher Intensität, das nicht gleichförmig, sondern wie mehrere konzentrische Ringe abgebildet wurde. Dann verformten sich die Quellen der gemessenen Stromentladungen. Immer noch schienen sie um ein elektrisch völlig totes Zentrum zu kreisen. Sanders traute seinen Augen nicht, weil er einen Moment meinte, in dem Muster der Entladungen Umrisse von zwei Gesichtern zu sehen. Dann zerstreuten sich die elektrischen Felder wieder und erloschen.

"das geht auch in die Zentrale. Am Ende war das die Ursache für das Verschwinden der zwei Flugzeuge."

"daten werden gesendet", vermeldete Clara Willes, die seit dem Verschwinden der Flugzeuge die Überwachung dieses Sektors innehatte.

Major Sanders, bestätigen Sie die gesendeten Koordinaten?" bekam Ryan Sanders über seine Kopfhörer die Anfrage aus der Einsatzzentrale. Er bestätigte es nach nochmaligem Lesen. "Tja, was immer auch passiert ist. an der Stelle ist eine massive Hitzequelle. Da brennt es. Sofortiger Rückzug!"

"Zu Befehl", sagte Sanders. Weil die Flugbesatzung des Aufklärungsflugzeuges zur selben Zeit den Befehl zum sofortigen Abbruch der Patrouille erhielt schwenkte die AWACS bereits auf den Kurs zum NATO-Stützpunkt Inzirlik ein. Sicher würden bald weitere Patrouillen starten, um zu prüfen, was bei den Irakis passiert war. Am Ende hatten die noch mit neuer Munition experimentiert. Sanders hatte sowas gehört, dass Saddam Hussein seine Luftwaffe aufmotzen wollte und sie genau deshalb die elektronischen Augen so weit wie möglich offenhalten sollten.

"Ich habe die Muster der elektrischen Entladungen durch den Rechner geschickt, Sir", sagte Clara Willes. "Wünschen Sie die Auswertung zu hören, oder soll ich diese gleich als verschlüsselte Nachricht verschicken?"

"Sie sind einen Rang unter mir, Captain. Was Sie sehen dürfen darf ich erst recht sehen", sagte Sanders. Dann wurde ihm die Aufnahme der elektrischen Entladungsmuster um ein völlig spannungsfreies Zentrum vorgespielt. Die hundertfache Zeitlupe und die mindestens zwanzigfache Vergrößerung mit Angaben der angemessenen EM-Stärken und daraus abgeleiteten Stromstärken und Spannungsdifferenzen beeindruckte ihn nicht so sehr wie die Bestätigung für das, was er für eine Halluzination gehalten hatte. Die elektrischen Entladungsmuster zeichneten immer wieder die Umrisse eines riesenhaften Menschen im freien Flug nach, eines Riesens von mindestens zwanzig Meter größe. Ja, und er konnte es deutlich sehen, dass dieser Gigant nicht alleine war. Die weiteren Stromentladungen zeichneten die Umrisse von einem weiteren Riesen nach. Und beide Giganten schienen zwei Köpfe zu haben. Aber es waren nur Umrisse, flirrende, immer wieder verwischende Umrisse, kein vollständiger Körper.

"Wetten, dass die Aufnahmen in Langley landen, bevor wir in Inzirlik runtergehen?" sprach Sanders leise zu Clara Willes.

"Ich gehe keine Wette ein, deren Ausgang ich schon kenne, Sir", sagte die Messtechnikerin.

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Zur selben Zeit über dem brennenden Flughafen südlich der irakisch-türkischen Grenze

Der doppelköpfige Luftdschinn Wolkenschreck-Feuerklinge flog, umtost von einem Gewitter aus tausenden von Blitzen, über dem brennenden Flugfeld dahin. Immer noch schossen laut tosende Stichflammen aus den geborstenen Tanks. Die Feuergeister, die mit in den Maschinen gefangengesessen hatten, labten sich an dieser unbändigen Feuersbrunst. Sicher hatten sie durch das dauerfeuer mit den Bordgeschützen auch Dutzende von Seelen in sich aufgesogen. Doch das offene Feuer war und blieb ihr eigentliches Element. Sie tanzten, sprangen und wirbelten durch die haushohen Flammen, verschmolzen immer wieder damit und bliesen sich dann zu lodernden Riesen von mehr als zehn Manneslängen Größe auf. Sie genossen ihre Freiheit. Die Explosion der Tankanlagen hatte selbst die gegen Feuerkraft und Metallbeschuss gefeiten Flugzeuge zerstört, weil sie mit enormer Wucht gegen die Wände des Tales geschleudert worden waren, in das der geheime Fliegerhorst eingebettet lag. Es dauerte Minuten, bis die freigekommenen Feuergeister dazu zu bewegen waren, mit den ebenso befreiten Luftgeistern fortzufliegen, bevor noch wer kam, um gegen sie zu kämpfen, wenngleich sich Wolkenschreck-Feuerklinge nicht vorstellen konnte, wer das sein mochte. Doch sie wollten kein Aufsehen erregen. Sie hatten ihren Auftrag: Findet den Versklaver der Geister und macht ihn selbst zum Geist! Oder besser: Findet den Sklaventreiber und mampft ihn weg! Mit diesen Gedanken in beiden nebeldunstigen Köpfen flog Wolkenschreck-Feuerklinge seinen zwei Luftbrüdern und den drei Feuerbrüdern voran zurück in die irakische Wüste. Sie würden ihn finden.

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Im geheimen Horchposten östlich der Iranisch-irakischen Staatsgrenze, 27.02.2003, 00:30 Uhr Ortszeit

Rohani wurde durch ein lautes Klopfen aus seinem Schlaf gerissen. Gerade war er doch so schön eingeschlummert. Doch als gestandener Geheimdienstmann war er sofort wieder wach. Er schwang sich aus dem Bett und angelte mit geübten Griffen nach seiner Überbekleidung. Bei anstehenden Missionen mit Gelbstatus pflegte er nie im Schlafanzug zu schlafen. Fertig angekleidet eilte er zur Tür und traf dort den Kommandanten persönlich an, der selbst wie gerade erst vor fünf Minuten geweckt wirkte.

"Kommen Sie, Hussein! Es sind zwei Sachen passiert, die uns sehr interessieren und Sie am meisten, schätze ich." Mit diesen leise hingezischten Worten deutete der Leiter des geheimen Abhörpostens in den schwach erleuchteten Korridor. Rohani nickte und folgte ihm wortlos in einen der Überwachungsräume, wo mehrere Männer verschiedenen Alters an Computern und Funkgeräten saßen. "Zum einen ist jetzt sicher, dass die Fabrik der Superpanzer in der Festung Al-Mudi sein muss. Transporter drei hat gerade eine Ladung von dort übernommen und ist unterwegs zum nur 100 Kilometer von hier gelegenen Stützpunkt der schnellen Eingreiftruppe Saddams Pfeile. Zum zweiten haben unsere Leute mehrere Funksendungen der in der Türkei patrouillierenden Amerikaner aufgefangen, von denen einige wohl über Satellit abgewickelt wurden. Ebenso schwirren gerade mehrere Funksendungen wie aufgescheuchte Fliegen zwischen den Hauptquartieren unserer Konkurrenten in Bagdad und der Luftwaffe herum."

"Haben wir immer noch keinen Code für die Funksendungen der ...? Vergessen Sie meine Frage", erwiderte Rohani. Die US-Amerikaner hatten immer noch die besseren Computer und Verschlüsselungsgeräte. Um diese zu überlisten müssten sie sich von den Russen auch solche Geräte ausleihen oder gar erkaufen. Darauf legte es Rohani im Moment wirklich nicht an, nachdem er sich schon die fünf Fahrtenschreiber "ausgeborgt" hatte.

"Wir brauchen eigene Satelliten", stöhnte der Kommandant der Basis. Rohani hatte es schon auf den Lippen, ihm eine Anfrage bei den Chinesen vorzuschlagen. Doch im letzten Moment verkniff er sich das.

"Was tun wir im Bezug auf die gesicherte Erkenntnis, dass Festung Al-Mudi die Fabrik für die Panzer ist?" fragte Rohani nach fünf Bedenksekunden. Sein Gegenüber deutete auf den Bildschirm, auf dem gerade die gefunkte Route des Transporters Nummer drei dargestellt wurde. "Wir holen uns die Ladung von drei, wenn sie knapp fünfzig Kilometer von der Grenze entfernt ist. Da der Wagen Funkstille hält und wegen der Unauffälligkeit wohl nicht von einem schützenden Convoy begleitet wird tritt unser Zugreifkommando in Kraft, nur dass wir statt nur zwei mit fünf Hubschraubern zuschlagen, die alle unter dem Radar fliegen müssen, was bei diesem Wüstensand sehr heikel ist."

"Und wir müssen aufpassen, dass uns die Luftwaffe von Saddam nicht noch vor der Grenze wieder abfängt", warnte Rohani. Sein Gegenüber nickte. Dann bat er um die Erlaubnis zur Operation "Seidenraupe". Rohani überlegte kurz. Er wollte unbedingt einen dieser Superpanzer in seiner Gewalt haben. Allerdings übernahm er mit der Zustimmung zur Operation "Seidenraupe eine gehörige Verantwortung. Dann sagte er:

"Wir machen das mit nur drei Hubschraubern. Einer setzt das Zugreifkommando ab, während die zwei anderen den Raubzug absichern. Wollen nur hoffen, dass dieser Ingenieur Al-Basiri nicht schon neue Testflugzeuge fertig hat. Hiermit erteile ich die Einwilligung zur Operation "Seidenraupe" und befehle die Verbringung der feindlichen Panzer in unsere obhut. Allah möge unser Werk segnen!"

"Allah stehe uns bei!" pflichtete der Kommandant des Abhörpostens bei.

"Herr Major, wir haben jetzt die Bestätigung, dass der irakische Fliegerhorst südlich der irakisch-türkischen Grenze zerstört sein muss", vermeldete einer der Funkoperatoren, der den Nachrichtenverkehr zwischen den irakischen Militärs überwachte und sogut arabisch sprach, dass er im Zweifel sowohl als Ägypter, Syrer oder Iraki hätte auftreten können, wenn es dazu einen Anlass geben sollte.

"Soll das heißen, dass jemand diesen nicht mehr ganz so geheimen Stützpunkt angegriffen hat, Ali?" wollte der Kommandant der Abhörbasis wissen. Der gefragte machte eine bestätigende Geste. "Waren das die Amerikaner?" fragte er weiter.

"das wäre sicher ganz schnell rumgegangen, Kommandant. Es ist denen da drüben nicht klar, wer das getan hat. Es ist nur von einem Feuerteppich die Rede und dass die oberirdischen Gebäude alle in einen großen Krater gestürzt sind. Wer immer das getan hat ist sowohl heimlich wie blitzartig vorgegangen. Wenn das die Amerikaner waren dann gnade uns Allah", erwiderte Ali. Rohani musste dem beipflichten. Gerade nach dem letzten Krieg im Irak hatten Saddams Leute sehr viel aufgerüstet, was Ortungs- und Luftabwehrmaßnahmen anging. Wenn dann doch jemand so schnell zuschlagen konnte, dass keine Angriffsmeldung mehr rausgehen konnte, dann konnte er das auch anderswo, auch bei ihnen. Er dachte daran, dass er gerade "Seidenraupe" angeordnet hatte. Würden ihre Leute ebenso schnell und ohne Zeit für Abwehrmaßnahmen zuschlagen können?"

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In der geheimen Festung Al-Mudi, 27.02.2003, 02:30 Uhr Ortszeit

Omar Al-Hamit alias der Wunderschmied Al-Basiri hatte für die Fertigung der bestellten Flugzeuge je zwanzig niedere Luft- und Feuerdschinnen erschaffen, alle aus den armen Seelen seinen Gardisten und Vollstreckern in den Weg geratener Männer. Eigentlich wollte er auch wieder erfahrene Piloten gewinnen. Aber das würde er erst dann tun, wenn er sicher war, dass seine Schutzbezauberungen besser hielten als bei den ersten drei Maschinen.

So heimlich wie er vor vier Stunden verschwunden war, um die gefangenen Seelen auf ihre neue Aufbewahrung vorzubereiten, so heimlich traf er in dem ihm zugedachten Quartier ein. Oberst Al-Mottasadek hatte hier alles im Griff, fühlte er. Von den noch fertiggestellten Panzern, die er gestern vor seiner Abreise noch bezaubert hatte, waren bereits fünfzehn abgeholt worden. Dann war Platz für die ihm über Umwege zugehenden Jagdflugzeuge, alles solche, die bereits zehn oder mehr Jahre alt waren.

Der Meister der Dschinnenkunde betrat die Werkshalle und fühlte sofort die lauernde Anspannung der eingekerkerten Geisterwesen. Seine Leibgardisten prüften wie üblich unsichtbar und unhörbar die Räumlichkeiten. Jeder Versuch, ein Spionagegerät hier einzuschmuggeln wurde grausam unterbunden. Einmal hatte einer von Al-Hamits Luftgeistern einen jungen Mann erwischt, der versucht hatte, eine mit Funk arbeitende Kleinkamera in die Werkshalle zu bringen. Er war nach nur fünf Sekunden am Rande des Erstickungstodes wieder hinausgetragen worden. Ab da hatten sie hier Ruhe gehabt. Womöglich würde dem gescheiterten Spion noch schlimmeres Ungemach widerfahren, wenn er aus dem Militärkrankenhaus entlassen werden konnte, dachte Al-Hamit.

Oberst Al-Mottasadek selbst bat um Einlass. Er war sehr aufgeregt.

"Herr Al-Basiri, ich kriege ständig von der Luftwaffe Meldungen, dass ein Flughafen südlich der türkischen Grenze vernichtet wurde. Keiner weiß, wer das war und wie das so schnell geschehen konnte."

"O, dann werden unsere Feinde ja wirklich sehr ungeduldig", feixte Al-Hamit. Doch im Grunde kam ihm diese Nachricht sehr ungelegen. Wenn Bush Junior schon angriff, bevor die neuen Waffen einsatzbereit und erprobt waren war sein ganzer Plan gefährdet.

"Was genau sagen die von den Fliegern?" wollte Al-Hamit wissen.

"Sie wollen es noch nachprüfen, wie es passiert ist", erwiderte Al-Mottasadek.

"dann verhalten wir uns so wie ohne diese Nachricht", bestimmte der Geistermeister und sogenannte Wunderschmied. Seine Untergebenen nickten gehorsam.

Gerade als der Festungskommandant aus Al-Hamits Gnaden die Werkshalle wieder verlassen wollte kam ein Obergefreiter mit einem Umschlag gerannt. "Herr Oberst, dringende Nachricht, streng geheim. Kam gerade über den Roten Kanal herein", wisperte der Bote. Der Oberst nahm den Umschlag entgegen und bestätigte das durch eine knappe Bemerkung. Dann zog er sich zusammen mit dem Obergefreiten aus der Werkshalle zurück. "Weitermachen!" befahl Al-Hamit und ließ die Tarnvorhänge wieder aufgehen, die bei Betreten eines Uneingeweihten die zylindrischen Körper verbargen, in denen das ganze grausame Geheimnis des Dschinnenkundlers steckte, was sowieso schon tödliche Kriegsmaschinen zu Sendboten des Todes machte.

Es mochten um die zehn Minuten vergangen sein, und der Geistermeister hatte per Fernversetzungszauber sechs in Silber- und Kupferbehältern steckende Sklavenseelen in die Halle geschafft, als sich der Oberst wieder näherte. Al-Hamit fühlte die Ausstrahlung großer Beklommenheit

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Zur selben Zeit in der irakischen Wüste, knapp 50 km von der Grenze zum Iran entfernt

Die zwei Fahrer waren keine von einem bösen Zauberer versklavten Männer. Sie waren nur dem Befehl des Präsidenten unterworfen. Der Präsident hatte befohlen, alle aus Al-Mudi stammenden Spähpanzer in die Forts der Leibgarde zu bringen und die schweren Kampfpanzer zu den Armeestützpunkten. Saddam Hussein wollte den kommenden Krieg als Sieger, ja als Vollstrecker beenden, erst die Feinde zurückschlagen und dann vergelten, was ihm und seinem Volk angetan worden war. Sie waren dabei nur die hilfreichen Hände.

Bisher war die Fahrt ohne Begegnungen verlaufen. Tarik, der gerade auf dem Beifahrersitz saß, hielt immer wieder Ausschau mit seinem Nachtglas. Natürlich blickte er damit auch immer wieder in den Himmel, um mögliche Beobachter in einem Flugzeug zu erkennen. Als er dann rief, dass er drei Hubschrauber sah, die gerade hinter einer Sanddüne hervorkamen, schoss beiden Männern das Adrenalin ins Blut. Damit hatten sie zwar immer rechnen müssen. Doch dass es heute und an einer der einsamsten Stellen ihres Weges passieren mochte überraschte sie dann doch sehr.

"Abdul, die fliegen genau auf uns zu! Sie fächern aus. Einer fliegt fast auf unserer Höhe. Die zwei anderen sind knapp fünfzig Meter hoch!" rief Tarik. Von den Rotoren hörten sie gerade nichts, wohl auch weil der Schwerlastwagen mit seiner Fracht sichtlich angestrengt über die Piste eilte. Aber sicher waren die Maschinen auch mit Flüsterantrieb ausgestattet, um nicht auf Kilometer Entfernung schon gehört zu werden. Die Maschinen waren windschnittig, schienen aber auch gepanzert zu sein. Tarik erkannte sofort die seitlich angesetzten, schwenkbaren Maschinengewehre und die nicht minder bedrohlichen Bordkanonen. Das war eindeutig.

Abdul griff zum Mikrofon, um den Überfall zu melden. Gleichzeitig drückte er an seinem Lenkrad einen Knopf für ein automatisches Notsignal. Wer immer sie da frecherweise angriff würde das bitter bereuen. Von der Richtung her kamen diese drei Banditen von der Grenze zum Ayatollah. Aber woher hatten die Irrgläubigen die Wegbeschreibung? Die konnte doch keiner wissen, weil die Routen für Hin- und Rückfahrt vor der Fahrt aus sieben möglichen ausgewürfelt wurden.

"Hier Nachtfalter zwei für alle Armeeniederlassungen. Werden von unbekannten bewaffneten Helikoptern angeflogen. Möglicher Überfall. Erbitten dringend Hilfe!" rief Abdul ins Mikrofon. Doch über die Kopfhörer kam nur weißes Rauschen, wesentlich lauter, als es bei einer reinen Funkstille eigentlich klingen musste. Es klang wie ein unermüdlicher Wasserfall in Abduls Ohren. Er wiederholte seinen Hilferuf und hoffte, dass der durch das wilde Rauschen durchdrang. Doch wieder war dieses Rauschen die einzige, erbarmungslose Antwort.

"Die überlagern unsere Funkfrequenzen, diese feigen Rattensöhne", erkannte Abdul. Tarik indes bereitete einen Raketenwerfer vor, von dem sie nicht gehofft hatten, ihn einsetzen zu müssen. Jetzt erkannte der Beifahrer die Maschinen auch. Das waren russische Fabrikate, Armeehubschrauber, eindeutig für den Kampf gegen Bodentruppen gemacht.

"In die Hölle mit euch!" rief Tarik, als der direkt auf sie zufliegende Helikopter eine Salve MG-Munition über sie hinwegpustete. Er wollte gerade das Fenster öffnen, um den Raketenwerfer einsetzen zu können, da prasselte die nächste Salve auf die gepanzerten Scheiben, dass sie wild erbebten. Auch der zweite Helikopter hatte das Feuer eröffnet und hielt auf die Türen. Die waren auch gepanzert. Doch dann hagelte es zwei Garben Panzerbrechergeschosse voll gegen beide Türen und durchlöcherte diese. Tarik bekam eines der Geschosse durch beide Lungenflügel. Das war sein Ende. Der von ihm als Instrument der Rache erhobene Raketenwerfer entfiel ihm krachend. Abdul beschleunigte seinen Wagen. Doch da kam eine Sanddüne, die genau vor ihm aufragte. War das ein gemeiner Zufall der Natur oder ein Teil der Falle, in die er und sein gerade röchelnd das Leben aushauchender Kamerad gelockt worden waren? Er musste an die zweite Möglichkeit denken. Denn gerade fraß sich die Zugmaschine des Sattelzuges voll in die aufgeworfene Düne hinein und wurde gestoppt. Abdul reagierte wie ein Roboter, den Tod seines Kameraden vorerst nicht beachtend. Er rammte den Rückwärtsgang rein und wollte mit voller Kraft zurück. Doch die Räder drehten nur im lockeren Sand, ohne Halt zu finden.

"Bei Allah, unser Tod kostet die dreifache Zahl von euch!" rief Abdul nun, als er sah, wie einer der Hubschrauber genau hinter dem Sattelschlepper aufsetzte. Er machte sich bereit, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen, auch wenn er wusste, dass das eigentlich keinen Zweck mehr hatte. Doch er wollte nicht so ein Feigling sein wie sein Onkel, der aus seinem Panzer geflohen war, kaum dass er zwei amerikanische Abrams-Panzer gesichtet hatte. Er zog unter seinem Sitz einen ähnlichen Raketenwerfer hervor und entsicherte ihn, während aus der gelanderen Maschine sechs Männer sprangen. "Gleich seid ihr beim Sheitan!" rief er und riss die schwer beschädigte Tür auf.

Er zielte auf den gelandeten Hubschrauber, bereit, diesen in die Luft zu sprengen. Die sechs auf ihn losstürmenden, schwarzgekleideten Männer würden von dem Gegenschlag sicher hinweggefegt. Da traf ihn etwas voll am Kopf. Den Übergang vom Leben zum Tod bekam er nicht mehr mit.

Die sechs Mann Vorausabteilung erreichten den im Sand steckenden Laster. Als der Zugführer erkannte, dass beide Fahrer erledigt waren winkte er drei seiner Leute herbei. "Freigraben. Dann die beiden Fahrer ins Führerhaus!" befahl er auf Farsi, der Sprache des Irans.

Die drei zur Düne geschickten Männer setzten sofort mit Schaufeln an, die Räder freizugraben, damit sie wieder sicheren Halt auf dem Boden finden konnten. Aus dem Hubschrauber kamen inzwischen vier weitere Männer mit Grabewerkzeugen, während die zum Weiterfahren abkommandierten erst einmal die blutüberströmten Leichen der beiden Fahrer aus dem Führerhaus schafften. Sie waren froh, dass sie Schutzanzüge und Handschuhe trugen.

Die Ausgrabungen dauerten gerade einmal zwei Minuten an, als es auf der Ladefläche rumorte. Etwas stieß gegen die straff gespannte Abdeckung, beulte sie aus. Der Führer des kleinen Trupps bekam große Augen, als er sah, wie fünf immer deutlichere Ausbeulungen entstanden. Dann brüllten unvermittelt fünf PS-starke Motoren los, und mit einem einzigen Ruck ging die Plane in Fetzen. Fünf auf der Ladefläche abgestellte und eigentlich angekettete Spähpanzer schoben sich innerhalb einer Sekunde zur Seite und krachten laut rasselnd und den Boden erschütternd auf ihre Laufketten. Das iranische Überfallkommando erstarrte vor Schreck. Damit hatte nun keiner gerechnet.

Die Schrecksekunde war noch nicht ganz verkraftet, als der erste der vom Lastwagen gerutschten Panzer bereits sein Ziel erfasste, zwei Männer, die gerade an den zwei vorderen Reifenpaaren gruben. Mit einem lauten Aufbrüllen stieß er vorwärts, dass der Sand von den Ketten wirbelte und wie ein Hagel aus Schrot die verunsicherten Männer übergoss. Die zwei ausgewählten Ziele des Panzers wollten noch zur Seite springen. Da hatte der kleine, gedrungene, aber dennoch tonnenshwere Spähpanzer sie erfasst und walzte sie gnadenlos nieder.

Die vier weiteren Gefechtsfahrzeuge suchten sich laut dröhnend und rasselnd ihre Ziele aus. Doch die Männer hatten ihre Überraschung und den Schrecken überwunden. Sie rannten zum gelandeten Hubschrauber, ohne auf die gerade niedergewalzten Kameraden zu achten. Denn allen war klar, dass das hier nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Doch nur drei der ausgestiegenen Männer erreichten die Maschine, deren Rotoren immer noch kreisten und sprangen förmlich hinein. Die anderen wurden von den auf unheimliche Weise lebendig gewordenen Kriegsgeräten niedergeworfenund genauso zerquetscht wie ihre ersten Opfer. Der Truppführer wählte einen anderen Weg. Er sprang an der halb ausgegrabenen Front des Lastwagens hoch und erkletterte das dach. Er hoffte, dass diese unheimlichen Kettenmonster keine Munition an Bord hatten. Er winkte dem zweiten Hubschrauber zu. Dessen Pilot war ein Könner, da gab es nichts zu beanstanden. Denn er schaffte es innerhalb nur sechs Sekunden, genau über dem Dach zu schweben. Der Truppführer des gerade zum blutigen Debakel werdenden Überfallkommandos ergriff eine Kufe. Da krachte etwas mit brutaler Wucht gegen das Führerhaus. Doch der Angriff kam zu spät. Der zweite Hubschrauber zog den Mann an der Kufe in die Höhe. Erst in knapp zwanzig Metern über dem Grund wagte es der Truppführer, sich in die Sicherheit der nicht ganz so großen Kabine hineinzuwuchten.

"Los, wenn alle noch überlebenden es schaffen nichts wie weg hier. Die Dinger sind eigenständig, vielleicht sogar vom Sheitan selbst beseelt", stieß der Truppführer aus, der eigentlich nicht an den Teufel oder seine Dämonen glauben wollte. Feinde aus Fleisch und Blut reichten ihm völlig aus, um sein Leben für hochgefährdet zu halten.

Die gelandete Maschine feuerte aus der Bugkanone eine Garbe auf zwei ihr entgegendonnernde Spähpanzer. Doch die sonst sehr wirksamen Geschosse prallten ab und zerbarsten im freien Flug. Die Zeit reichte jedoch aus, um den Helikopter in die Luft zu kriegen. Als einer der eigenständig handelnden Aufklärungspanzer mit ausreichendem Anlauf auf die Flugmaschine zupreschte, stieg diese bereits mit Alarmbeschleunigung aufwärts. Nur drei Männer des Angriffstrupps und ihr Anführer hatten diesen Angriff überstanden.

Als wäre lodernde Wut in die Panzer gefahren warfen sie ihre Geschützrohre herum und jagten mit irrsinniger Fahrt hinter den davonfliegenden Hubschraubern her. Doch selbst die ungewöhnlich ausgestatteten Kriegsmaschinen konnten keinen mit mehr als 240 Stundenkilometern fliegenden Hubschrauber einholen. Offenbar hatten sie auch keinerlei Munition an Bord. Denn sonst wäre es mit den drei Helikoptern sehr schnell aus und vorbei gewesen.

"Meldung an Einsatzbasis, Seidenraupe mutierte zu Giftkäfer. Wiederhole, Seidenraupe mutierte zu Giftkäfer. Nachtfalter mit vierzig Prozent Besatzung auf Heimflug", sprach der Pilot der Kommandomaschine in ein Mikrofon, dessen Aufzeichnungen in einen nur eine Zehntelsekunde dauernden Funkspruch umgewandelt wurden, der nach genauer Ausrichtung der ausgefahrenen Richtfunkantenne an sein Ziel gelangte. Keine halbe Minute später wurden auch die Bildaufzeichnungen des Einsatzes in Form ständig die Frequenzen wechselnder Kurzbotschaften abgestrahlt. So wussten sie in der Basis, dass es nicht gelungen war, die begehrte Ladung zu erbeuten. Der Truppführer betete für seine gefallenen Kameraden. Vielleicht konnte man ihre im Dienst gefallenen Körper zurückholen. Doch so wie es aussah würde die ewige Wüste sie verschlingen und erst wieder freigeben, wenn der Allerhöchste die Seelen der Verstorbenen vor sein Gericht rief. "Mögest du in die tiefste aller Höllen stürzen, Hassan Al-Basiri. Du bist ab heute der größte Feind unseres Volkes", beendete der Anführer des Kommandounternehmens sein Gebet, bevor er die vorgeschriebenen Abschlussformeln sprach.

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Zur selben Zeit in der Festung Al-Mudi

Al-Hamit alias Al-Basiri wurde zum Oberst gerufen, um sich anzuhören, was passiert war.

"Sie haben das Notrufsignal von Transporter 22 aufgefangen. Es kam jedoch nur für zwei Sekunden klar durch. Dann wurde es förmlich zerstreut. Sprechkontakt mit den beiden Fahrern konnte nicht hergestellt werden", meldete Al-Mottasadek seinem wahren Herrenund Meister. Dieser sah ihn verstört und dann verärgert an.

"Was du da sagst klingt verflucht nach Verrat. Ist das sicher, dass das Notsignal gefunkt wurde?" Der Oberst bestätigte es. Das automatische Notsignal durfte nur gefunkt werden, wenn der Transport von feindlichen Kräften angegriffen wurde, sonst nicht. Auch dass das Signal überlagert worden war sprach für einen Angriff. Doch woher hatten die Angreifer die Information, wo der Sattelschlepper mit der so wertvollen Fracht entlangfahren würde? Al-Hamit dachte zuerst an Magie. Jemand war ihm auf der Spur. Doch halt, womöglich hatte ein Spion, der nicht in dieser Festung war, die möglichen Fahrrouten ausgekundschaftet und an seine Bundesgenossen weitergegeben. Doch wer waren die? Egal! Wenn der Lastwagen überfallen wurde konnten die darauf beförderten Panzer in falsche Hände geraten. Nicht, dass wer auch immer sie übernehmen und für sich verwenden konnte. Aber allein schon die Vorstellung, dass es Waffensysteme gab, die allen baugleichen Kriegsgerätschaften haushoch überlegen waren reichte aus, um einen Mehrfrontenkrieg gegen den Irak zu führen. Al-Hamit fürhchtete sich nicht vor magieunfähigen Soldaten. Denen konnte er seine Dschinnen und die bereits einsetzbaren Panzer entgegenschicken. Er befürchtete jedoch, dass die Morgensternbrüder oder noch größere Feinde auf seine Spur kamen.

Unter dem Vorwand, die nötigen Stunden Schlaf nachzuholen zog er sich in sein Quartier zurück. Von dort aus wechselte er mit dem Tausendmeilenschritt in die Höhle der seufzenden Seelen. Hier hatte er alle Verbindungsgegenstände vorrätig, um mit den auf dem Sattelschlepper beförderten Dschinnen in den Panzern Verbindung aufzunehmen.

Er brauchte eine Minute. Dann durchflutete ihn eine vielfache Wut. Die insgesamt fünfzehn Dschinnen waren erwacht, weil jemand in ihrer unmittelbaren Nähe verstorben war. Sie hatten zwar sechs Seelen erbeutet und waren dadurch stärker geworden. Aber die Fremden, die sie aufgeweckt hatten, waren in metallenen Rieseninsekten mit kreisenden Flügeln geflohen. Wenn diese Menschen weitersagten, was ihnen geschehen war ... Al-Hamit fühlte selbst eine steigende Wut. Er kam nicht darauf, wie der Verrat verübt worden war. Er wusste nur, dass seine große Laufbahn als Saddams Wunderschmied nicht mehr lange dauern mochte. Denn ihm fiel siedendheiß ein, dass der Verräter nicht nur die Routen gekannt haben mochte, an denen sich ein Überfall lohnte, sondern auch den Ausgangspunkt der Reise erfahren mochte. Das hieß, dass er seine Werkstatt im Fort Al-Mudi besser so schnell wie möglich schloss und andernorts weitermachte, wenn man ihn ließ. Er ging davon aus, bald einen harten Kampf führen zu müssen.

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Im geheimen Horchposten 2 km östlich der iranisch-irakischen Grenze, eine Stunde nach Meldung des Angriffsversuches

Major Rohani hörte sich die Geschichte an, was die Panzer angerichtet hatten. Auch er erbleichte. Also stimmte es doch. Jemand hatte diesen Spähpanzern unheiliges Leben eingehaucht. Aber was sollte das? Was wollte ein schwarzer Magier, der wirksame Flüche aussprechen konnte, um seine Feinde zu vernichten, mit rein technischen Kriegsmaschinen? Die Antwort fiel ihm sofort ein: Terror und Tod, und zwar so, dass alle Nichtmagier es begreifen würden. Er wollte die angespannte Lage zwischen Bushs sogenannter Koalition der Willigen und dem Irak ausnutzen, um einen wahrhaftig höllischen Krieg zu entfesseln, bei dem er am Ende entschied, wer unter ihm herrschen durfte. Von Mehdi Isfahani, einem wahrhaftigen Magier der hellen Künste wusste er, dass es Gruppen und ganze Organisationen von Magierin und Hexen gab, die sich jedoch mit sich selbst beschäftigten und nicht allgemein bekannt sein wollten. Was würden die tun, wenn sich herausstellte, dass dieser sogenannte Wunderschmied ein böser Zauberer war, dem das völlig unwichtig war, ob sein treiben weithin bekannt wurde? Würden sie ihn töten oder anderswie verschwinden lassen, vielleicht sogar in die Hölle selbst hinabstoßen? Denn dass so einer, der über Leichen ging, in Allahs Paradiesgarten eingelassen wurde war völlig ausgeschlossen.

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In der irakischen Wüste, am Morgen des 27.02.2003 christlicher Zeitrechnung

Sie waren erwacht. Zwei dem Körper entrissene Seelen hatten in ihrem kurzen Todeskampf die zehn gefangenen Dschinnen aus dem auferlegten Schlummer gerufen. Zwar hatten sie diese Seelen nicht einfangen und vertilgen können, weil diese nicht von ihnen selbst den Körpern entrissen worden waren. Doch nun waren sie erwacht. Sie hatten sich von dem Tragewagen heruntergeworfen und die mit Feuerzauber verstärkten Antriebsvorrichtungen in Gang gesetzt. Danach hatten sie die lebenden Männer gejagt, die in ihrer Nähe waren und sechs von ihnen durch bloßes niederdrücken und Zerdrücken getötet. deren Seelen waren in sie eingeflossen und hatten sie gestärkt wie einen lebenden das frische Wasser und die reine Luft. Doch jetzt waren sie wütend. Sie waren irgendwo im Nirgendwo und hatten die anderen Seelen nur deshalb nicht vertilgen können, weil ihre Waffen nicht geladen waren. Die Anderen waren mit Hubschraubern entkommen und würden ganz sicher nicht mehr hierher zurückkehren. Also mussten sie dahin, wo weitere Seelen waren, damit sie statt der Geschosse, die von ihren Gedanken aufgeladen werden konnten, durch ihre reinen Gedanken töten konnten. Sie brauchten mehr frische Seelen.

Als ihr Meister nach ihnen rief hörten sie nicht hin, weil er weit weg war und sie voller Wut und frischer Kraft steckten. Sie fuhren auf ihren Ketten in Richtung Sonnenaufgang. Die Sonne wirkte mit ihrem ewigen Feuer wie ein Richtungsweiser und Kraftspender für die in den Triebwerken und Waffen eingesetzten Feuergeister. Sie half ihnen, das nächste Ziel zu erreichen. Doch das war auch für ihre hohe Geschwindigkeit einen halben Tag entfernt.

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Im Dorf Vadi Al Burch Taufik, 27.02.2003 christlicher Zeitrechnung, früher Nachmittag

Ali war angespannt und auch irgendwie neugierig. Wie sollte dieser Ibrahim Musa aussehen, den sein Urgroßvater in seinen Notizen erwähnt hatte? Immerhin hatte die kleine silberne Schale, die zu unterst in der Truhe gelegen hatte, offenbar ihren Zweck erfüllt. Er hatte ein wenig seines eigenen Blutes hineintropfen lassen und dabei die von seinem Urgroßvater hinterlassene Beschwörungsformel in tiefer Tonlage gemurmelt, wobei er immer den Namen Ibrahim Musa eingefügt hatte. Dann hatte sich eine Stimme aus dem Inneren der Schale gemeldet und ihn gefragt, wer er sei und woher er die Schalen der Blutsbrüderschaft habe. Er hatte der Stimme aus der Schale seine Geschichte erzählt und ihn gefragt, was er tun konnte. Die Antwort war eine einfache Bitte gewesen: "Erwarte mich bitte am zweiten Tag von nun in deinem Geburtshaus!" das alles war vor nun zwei Tagen geschehen. Also würde dieser Ibrahim Musa heute zu ihm kommen.

Alis Mutter Mela hatte für das Treffen ein üppiges Essen vorbereitet. Da sie nicht wusste, ob Kämpfer gegen das Böse nicht auch Vegetarier waren, hatte sie einen vielfältigen Gemüseauflauf vorbereitet, wie auch frisches Fladenbrot gebacken. Sie dankten dem Allmächtigen dafür, dass er ihre Felder so fruchtbar hielt und ihnen so immer genug zu essen bescherte, dass sie nicht darben oder in Armut fallen mochten. Ali war nun froh darüber, dass seine Mutter nie etwas von dem mithaben wollte, was er verdiente. Denn er hatte immer schon gewusst, dass sein Geld mit dem Blut vergangener oder zukünftiger Kriege besudelt war.

Wie sie es verabredet hatten warteten der für tot gehaltene Waffentechniker und der Dorfälteste in der freigehaltenen Mitte ihres abgelegenen Wüstendorfes. Die brennende Sonne war bereits auf ihrem Weg nach Westen, wo sie versinken wollte. Mit einem vernehmlichen Knall, als habe jemand eine Flinte abgefeuert, erschien ein Mann in himmelblauen Tüchern auf dem Platz, an dem Ali nach seiner Errettung vor dem Tod gelandet war. Der so plötzlich erschienene Ankömmling zählte mindestens sechzig oder siebzig Jahre, vermutete Ali. Er besaß einen hellgrauen Bart, der ihm bis zum Halsansatz des blauen Gewandes hinabreichte. Auf dem Kopf trug der Fremde einen dunkelblauen Hut, der sich nach oben hin verjüngte und an der nageldicken Spitze eine silberne Verzierung trug, die einen Baum unter einer Regenwolke zeigte. Scheich Mulai sah den Fremden sehr aufmerksam an, während Ali nicht wusste, ob er staunen oder sich fürchten sollte. Da vor ihm stand ein waschechter Zauberer. In der rechten Hand hielt dieser wahrhaftig einen dünnen Holzstab.

"Sei uns gegrüßt, Magier! Allah halte seine schützende Hand über dich und lenke deine Gedanken zu weisen Taten", grüßte der Scheich den Zauberer. Dieser erwiderte den Gruß, ließ dabei aber jede Erwähnung des Allerhöchsten aus. Ali fragte sich, wie gläubig echte Magier waren.

"Ich grüße auch dich, Ali Achmed Ben Hadschi Harun Omar Ibn Yassin Halef Al-Sulaiman. Deine Blutlinie ist gesegnet, und die Taten deines Urgroßvaters sind uns, die wir die erhabenen Kräfte in uns tragen wohl bekannt", wandte sich der blau gekleidete Zauberer an Ali. Dieser hörte aus den Worten sowas wie eine gewisse An- oder Aufforderung, dass er bloß die erhabene Blutlinie nicht aussterben lassen sollte. Doch er ließ sich das nicht anmerken und grüßte mit dem Respekt, der fremden Besuchern zusteht zurück. Richtig erstaunt war er dann, als der Zauberer sich als Ibrahim Musa vorstellte. Für einen bestimmt hundert Jahre alten Mann sah der noch sehr kraftvoll und gelenkig aus.

"Ich weiß, die Höflichkeit und der Respekt des Gastes vor dem Gastgeber gebietet, dass wir uns mehr Zeit nehmen. Doch dein Bericht an mich hat mich und auch meine Mitbrüder sehr erschreckt, wenn auch nicht wirklich überrascht. So möchte ich nun, wenn du erlaubst, mit dir alleine über das sprechen, was dir widerfahren ist, Ali. Scheich Mulai, gewährt mir die Bitte, solange in deiner Dorfgemeinschaft zu verweilen, wie meine Erkundigungen andauern!" Den letzten Satz hatte er an den Dorfvorsteher und Dorfältesten in einer Person gerichtet. Dieser machte eine bejahende Geste und deutete auf Ali.

"Möget ihr das Unheil, das aus Sheitans ewiger Dunkelheit zu uns nach oben steigen will dorthin zurückstoßen, wohin es gehört!" sagte der Scheich. Ali nickte, auch wenn er ja im Grunde mithalf, dieses Unheil namens Krieg in Gang zu halten. Doch darüber wollten sie hier kein Wort verlieren.

In Alis Geburtshaus begrüßte der Zauberer die Mutter von Maliks Urenkel mit der ihr zustehenden Ehrerbietung. Dann ließ er sich von Ali in die dachkammer geleiten, wo die silbern beschlagene Truhe stand.

Bringen wir es gleich auf den Punkt, junger Mann: Offenbar hast du mit deinen ererbten Sinnen einen in eine Maschine eingesperrten Dschinn erspürt, der erfolglos gegen seine Gefangenschaft und Sklaverei aufbegehrt. Es ist zu klären, ob der Geist einer der alten Geister ist, die bereits vor tausenden von Jahren entstanden und ihre Art der Fortpflanzung nutzen, um zu gedeihen oder ob es sich um einen niederen, durch bösen Zauber verwandelten Dschinn handelt, dessen geistige Form in einen Toten Gegenstand fest eingeschmiedet wurde, um diesen mit seiner für Menschen immer noch überlegenen Kraft zu beleben. Deshalb möchte ich von dir alle Eindrücke wissen, was du empfunden hast und was es mit dem anderen Mann auf sich hat, den du für gefährlich hältst!"

Ali sah den anderen an, auch wenn er sich dachte, dass der vielleicht seine Gedanken lesen oder in seine Gedanken hineinwirken konnte, sobald er ihm in die Augen sah. Doch er hatte nichts zu verbergen. So wiederholte er in Ruhe das, was er erlebt hatte, von der Untersuchung des Spähpanzers bis zur plötzlichen und glücklichen Errettung aus dem Hubschrauber und was der Scheich und die hier verstauten Unterlagen dazu sagten. Dabei war ihm, als erlebe er das erzählte noch einmal nach, mit allen Bildern, Wortenund Gefühlen. Als er fertigerzählt hatte sah ihn Ibrahim Musa noch genauer an und fragte

"Und dieser General erschien dir wahrhaftig, als sei er nicht sein eigener Herr, wobei er jedoch mehr Stärke ausgestrahlt hat?" Ali wiederholte, was er zu dieser Begegnung zu sagen hatte. Der Zauberer blickte nun sehr besorgt zu ihm hin. "Der Rat des Scheichs war weise und für dich überlebenswichtig. Es erscheint mir, als ob dieser Feldherr, dieser General Abudei, da selbst im Banne jenes bösen Zaubermeisters gefangen ist, welcher auch dieses Kriegsfahrzeug mit mindestens einem niederen Geistwesen beseelt und bezaubert hat. Eure Mittel, das Innere zu erkunden, wirkten nicht einmal im Ansatz?" Ali bestätigte es. Er hatte das ja auch gerade erst in der Nachbetrachtung wiedererlebt. "So steht zu vermuten, dass unser Feind, der vorgibt, der beste Freund eures mit Schwert und Blut regierenden Herrschers zu sein, zumindest eines seiner Opfer durch Rituale des Feuers zu einem diesem Element verbundenen Geist gemacht hat, bevor er ihn seinem Willen unterwarf und ihn in den Panzer einkerkerte. Denn dann können die Kräfte des Feuers nicht an dieses Gerät rühren, aber seine Kräfte alle mit Feuer wirkenden Waffen verstärken."

"dann kann niemand diesen Panzer und die anderen, die diser Sheitansdiener noch herstellt zerstören?" fragte Ali Achmed Ben Hadschi Harun Omar Ibn Yassin Halef Al-Sulaiman.

"Nicht mit den reinen Naturmitteln. Es müssen mehrere mächtige Zauber gewirkt werden, die den Schutz schwächen und gleichzeitig den eingekerkerten Geist aus seiner toten Hülle hervorbringen, ohne gleich danach von ihm in rasender Wut umgebracht zu werden. Längst nicht jeder aus einer Flasche entlassene Dschinn erfüllt seinem Befreier Wünsche, wie es die Märchen erzählen. Die meisten dieser Geister trachten nach Rache oder wollen sich die Seelen von Menschen einverleiben, um daran zu wachsen und zu erstarken. Ich fürchte, dieser Zauberer hat ein großes Wagnis ersonnen. Denn wenn die von ihm erschaffenen Kriegsgeräte erst einmal aus eigener Kraft Menschenleben beenden könnten sich die Eingekerkerten, sofern sie nicht die Verbindung mit einem ihr Gefährt lenkenden Menschen in Verbindung zu treten, ganz eigenständig weitermachen und sich holen, was sie brauchen, um ihre Fesseln zu sprengen."

"dann muss dieser Mann aufgehalten werden", sagte Ali. Ibrahim Musa nickte. "Ja, muss er. Aber deine Wahrnehmung zeigt, dass er sich auch Menschen zu willenlosen Sklaven macht, Menschen in hohen Rängen, die selbst Befehle geben dürfen und arglose Untergebene zu Helfershelfern des Gnadenlosen machen. Wieviele er davon schon unter seinen Willen gezwungen hat muss erst geprüft werden, bevor ein direkter Angriff auf ihn selbst erfolgen kann. Denn wähnte er sich bedrängt, so wird er alles aufbieten, sich seiner Haut zu erwehren und womöglich auch noch versuchen, das gegen ihn geführte Schwert gegen seinen Führer zu wenden." das sah Ali ein. So beschlossen sie, zunächst einmal auszukundschaften, welche Menschen bereits dem Dschinnenmeister unterworfen waren. Ibrahim Musa hatte ihn nicht beim Namen genannt. Doch Ali war sicher, dass der Zauberer genau wusste, mit wem sie es zu tun hatten. Aber womöglich war es gefährlich, den Feind bei seinem Namen zu nennen, solange nicht bekannt war, wieviele Kundschafter er in der Welt hatte.

Die von Ali behüteten Bücher hätte Ibrahim zu gerne mitgenommen. Doch er achtete und fürchtete den Zauber der Bewahrung, der nichts aus seiner Reichweite entwischen ließ, solange es nicht auf magische Weise zerstört wurde. So blieb dem blauen Zauberer nur, in den alten Büchern zu lesen. Ali fragte ihn, ob er nicht eine Zauberei kannte, die Gegenstände beliebig oft vervielfältigte. Darauf erhielt er die verärgerte Antwort: "Abgesehen davon, dass es verboten ist, Wertgegenstände des geldlichen und des geistigen Reichtums zu vervielfältigen schützt der Zauber der Bewahrung deine Bücher auch vor dieser Art von Abschrift. Er würde meinen Magierstab zerstören, je danach, wie stark ich gegen ihn anbeschwöre. Der Zauber der Bewahrung ist ein mit viel Macht gewirkter Zauber, der von einem alleine nicht gebrochen werden kann."

Alis Mutter wartete geduldig, bis der Besucher alles gelesen hatte, was ihm zunächst für wichtig erschien. Dann aßen sie zu Abend. Kurz vor Mitternacht verließ Ibrahim Musa das Haus von Ali und seiner Mutter Mela. Er ging zur Dorfmitte, wo er ohne weiteren Abschiedsworte in das Nichts eintauchte, aus dem er vor mehr als sechs Stunden herausgetreten war. Für den Waffentechniker Saddam Husseins war es ein zum teil hochspannender Nachmittag geworden, aber am Ende doch auch eine Enttäuschung. Außer dem Teleportationszauber, den Ibrahim gebracht hatte, hatte der keine echte Magie ausgeführt. Da hatten seine Bücher mit ihrem Unwillen, mehr als fünf Meter von der Truhe fortbewegt zu werden, ohne mit leisem Plopp dorthin zurückzuteleportieren schon mehr Zauberei geäußert. Immerhin hatte Musa versprochen, bald wiederzukommen, weil jetzt, wo die alte Blutlinie wieder wichtig wurde, bestimmt noch viele Geheimnisse seiner Familie aufgedeckt werden mochten.

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Ungefähr 900 km nördlich des gescheiterten Überfallversuchs auf den Panzertransporter, 27.02.2003, 21:22 Uhr Ortszeit

"Morgen geht's zur Armee. Dann heißt es stramm stehenund vor den Stadtleuten kuschen", feixte Sadek, einer der fünf jungen Burschen, die von Saddams Armeewerbern einberufen worden waren. Selbst hier, mitten in Allahs weiter Wüste, hatte die Armeebürokratie sie gefunden. Besser, die Leute von der Truppe hatten wohl auf alten Luftbildern gesehen, dass es da noch ein einsames Dorf mit einigen Leuten drin gab.

"Eh, glaubt ihr, wir müssen schon gleich gegen diese ungläubigen Köter aus Amerika kämpfen?" wollte Muhammad wissen, ein gerade zwanzig Jahre alter Bursche, der bisher um sowas wie Wehrdienst oder gar Kriegseinsätze herumgekommen war.

"Wenn die uns jetzt echt hier abholen wollen brauchen die Frischfleisch. Dann geht's ran an die Bushkrieger", tönte Sadek.

"Jungs, wenn ihr da morgen nicht wie abgelegte Leichen ankommen wollt solltet ihr besser jetzt nach Hause gehen und schlafen", ermahnte Harun, der Wirt des Dorfgasthauses die fünf Burschen, die gegen die Gebote des Korans noch einmal mit Bier und Schnaps das Ende ihrer Freiheit gefeiert hatten. Sadek, der frechste der Bande, wollte gerade was darauf erwidern, als ein vielstimmiges Brüllen mit voller Kraft laufender Motoren an ihre Ohren drang. Gleichzeitig schrie eine Frau durch das Dorf. Sadek erkannte die Stimme. Das war seine Großmutter, die in einem Haus am Südrand wohnte.

"Bei Allah, meine Großmutter!" rief er, sprang vom Stuhl auf und lief schneller aus dem Gasthaus, als der Stuhl brauchte, ganz umzukippen. Auch die anderen ließen alles stehen und liegen und eilten Sadek nach, so schnell sie das in ihrem Zustand noch konnten. Der Schankwirt wollte gerade nach dem Geld für ihr Gelage rufen, als auch er lauschte. Das laute Gedröhn kannte er. Allerdings hatte er es eine halbe Oktave tiefer im Gedächtnis. So ähnlich klangen die Motoren von Spähpanzern.

"Irgendwas passiert da", ddachte der Gastwirt und trat vor die Tür, ungeachtet, dass er eigentlich die fünf umgekippten Stühle hätte aufrichten müssen. Er sah nach südosten, wo der Lärm herkam. Doch da war nichts zu sehen. Dafür hörte er nun, wie eine Wand zusammenbrach und mehrere Menschen in Angst oder Schmerzen aufschrien. Dann hörte er noch eine Wand zusammenbrechen. Er verwünschte, dass sie wegen des spärlichen Stromangebotes keine Straßenbeleuchtung hatten. Auch in den Häusern leuchteten noch viele Öllampen statt elektrischer Glühbirnen.

Jetzt hörte der Herr des Gasthauses den Motorenlärm noch näher. Ja, und das Knirschen und Rasseln kam ihm jetzt wahrhaftig wie die auf dem Boden entlanggleitenden Laufketten eines kleineren Panzers vor. Wurden sie angegriffen? Waren das die verfluchten Amerikaner? Oder waren das die geldgierigen Hundesöhne aus dem Land der Saudis?

"Los, alle zu ihren Wagen. Wir machen, dass wir hier wegkommen!" rief der Wirt. Der bestimmt keine Lust hatte, heute schon zu seinen Vätern gerufen zu werden.

"Du hast wohl dein eigenes Zeug gesoffen, Abdul", tönte sein Nachbar, der Dorfschmied.

das Motorengeräusch und Kettenrasseln wurde noch lauter. Dann fiel die nächste Hauswand um. Gleichzeitig sprangen die ersten Automotoren an. Mehrere Bewohner schrien auf. Dann konnte der Gastwirt den ersten Angreifer sehen. Es war in der Tat ein Spähpanzer. Dieser brach gerade durch die dünne Holzwand eines weiteren Hauses, dessen Bewohner gerade zu flüchten ansetzten. Die Kriegsmaschine wackelte mit ihrem Geschützturm, als suche sie hektisch nach lohnenden Zielen. Dann walzte sie über zwei fliehende Männer hinweg. Diese hatten keine Chance. Überhaupt war dieses Fahrzeug schneller als Abdul der Wirt in Erinnerung hatte. Der Panzer fuhr mit mindestens hundert Stundenkilometern durch das Dorf, pflügte durch Häuser und zerquetschte weitere vor ihm davonlaufende. Abdul schätzte, dass er nur noch eine halbe Minute hatte, bevor das stählerne Biest ihn auch erwischte. Er rannte in sein Gasthaus zurück und gleich durch die Hintertür hinaus, an den übel stinkenden Müllhaufen vorbei, aus denen sich gerade dicke, struppige Ratten herausflüchteten und schattenhaft in die Nacht hinaushuschten. Abdul hatte einen kleinen Lastwagen, mit dem er jede Woche in die nächste größere Stadt fuhr, um das einzukaufen, was hier nicht angebaut oder gezüchtet werden konnte. Den Schlüssel dafür hatte er immer einstecken, falls es mal brennen sollte. In gewisser Weise tat es das jetzt auch.

Abdul wollte gerade die Fahrertür aufreißen, als ein wildes Brüllen von rechts ihn erstarren ließ. Er sah gerade noch, wie ein weiterer Panzer um die Ecke kam, ungebremst durch einen Haufen verrottender Verpackungen brach, vier Ratten auf einen Schlag zerdrückte und dann genau auf Abdul zuhielt. Er hörte noch, wie eines der gestarteten Autos mit etwas zusammenstieß. Dann war das stählerne Verhängnis bei ihm. Er rief noch "Allah", dann warf es ihn mit unaufhaltsamer Gewalt zu boden. Er fühlte noch, wie das Fahrzeug gnadenlos über ihn hinwegfuhr. Doch er musste nur die erste Sekunde davon leiden. Dann fühlte er keine Schmerzen mehr. Dafür meinte er, von einem mächtigen Sog gepackt zu werden und genau auf ein blaues Licht zuzutreiben. Aus dem Licht schälte sich ein überlebensgroßes Gesicht. Er sah noch das weit aufklaffende Maul mit den spitzen Zähnen. Dann riss ihn der Sog genau in dieses Maul hinüber. In einem grellen Lichtblitz erlosch Abduls fünfzig Jahre andauerndes Leben.

Viele der Dorfbewohner liefen weg oder rannten zu ihren Motorfahrzeugen. Doch die insgesamt fünf Feinde hatten eine Fächerformation gebildet und pflügten fünf Schneisen des Todes und der Zerstörung durch das Dorf. Sie waren zu schnell für die Fliehenden. Wer nicht von einer zusammenbrechenden Hauswand begraben oder erschlagen wurde geriet unter die Laufketten, ein brutaler, aber auch schneller Tod für die meisten. Mit jeder so aus dem Leib gerissenen Seele wurde das, was in den Panzern eingesperrt war stärker, bekam immer mehr Gewalt über die Maschinen und die Außenwelt. Als einer der Panzer versuchte, einen fliehenden Jeep aufzuhalten wäre der fast mit seinem Artgenossen zusammengestoßen. Deshalb entkam der Jeep dem direkten Rammen. Doch nun hatten die Panzer genug seelische Energie aufgesogen, um ihre wahre grausame Macht zu zeigen. Einer richtete seinen Geschützturm auf den davonfahrenden Geländewagen aus. Ein kleiner, goldener Feuerball löste sich aus dem Geschützrohr und schlug wie ein Kugelblitz in den Jeep ein. Unverzüglich schossen orangerote Flammen aus dem Wagen und hüllten diesen in einen Mantel aus mörderischen Flammen. Die Insassen des Fahrzeuges waren gleich bei diesem Treffer zu Asche vergangen, ihre Seelen zur willkommenen Beute des beseelten Kriegsfahrzeuges geworden. Die aus dem Jeep schlagenden Flammen erfassten auch die Holzwände der noch stehenden Häuser. Diese loderten wie trockener Zunder auf. Funken, Flammen, Rauch und aufgewirbelter Sand bildeten einen schier undurchdringlichen Nebel. Doch die fünf unheilvoll belebten Panzer pflügten weiter durch das Dorf und hielten blutige Seelenernte. Nicht ein Bewohner, der nicht vor einer Minute in ein rettendes Fahrzeug gestiegen und geflohen war, überlebte das Gemetzel. Am Ende loderten überall dort Brände, wo die Panzer ihre verheerenden Feuerbälle geschleudert hatten, um weitere Seelen zu erbeuten. Was noch nicht brannte wurde bei der wilden Jagd einfach niedergerissen und zerdrückt. Als die Panzer durch das Dorf hindurch waren fuhren sie im langsamen Tempo weiter. Sie würden nun in etwa zwölf Stunden den nächsten größeren Ort erreichen, wenn sie weiter nach norden fuhren. Die von Omar Al-Hamit gerufenen Geister waren nun auf ihrem Weg, Tod und Vernichtung über die Menschen zu bringen. Niemand würde sie jetzt noch aufhalten. Selbst die Rufe ihres früheren Meisters blieben unbeachtet.

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Im Armeehauptquartier der irakischen Streitkräfte, 28.02.2003, 09:15 Uhr Ortszeit

General Mahmud Rahman hielt den Telefonhörer krampfhaft umklammert. Was er gerade gehört hatte durfte nicht wahr sein. Ein unbekannter Gegner hatte irgendwie die Luftüberwachung und die aufgestellten Wachen an den Grenzen überlistet und ein Dorf in der Nähe der iranischen Grenze in einen einzigen großen Aschehaufen verwandelt. Das schlimmste daran war, dass keinerlei Spuren im Sand zu erkennen waren. Griffen die Amerikaner jetzt schon an, obwohl ihr Präsident noch nach Verbündeten suchte? Vor allem, wer hatte ein Interesse, ein kleines Dorf auszulöschen, für das sich sonst niemand interessierte?

"Unsere Einberufungstruppe hat nur noch glimmende Aschehaufen gefunden und Knochensplitter, als wenn die dort lebenden Menschen in eine Schrottpresse gesteckt oder von Panzern niedergewalzt worden wären", sagte der Mann am anderen Ende der Telefonverbindung. General Rahman horchte auf. "Von Panzern niedergewalzt?" fragte er.

"Zumindest habe ich das einmal gesehen, wie einer dieser verfluchten Marines von einem unserer Panzer plattgedrückt wurde, weil der unbedingt meinte, den Helden spielen zu müssen. Vielleicht glauben die, nach dem Tod an einen Meeresstrand zu kommen, wo das Meer aus Bier ist und sie den ganzen Tag Baseball im Fernsehen gucken können."

"Keine Spuren im Sand?" fragte Rahman.

"Nein, Herr General. Unsere Aufklärungshelis konnten keine Spuren von Bodenfahrzeugen finden."

"Ich gebe das sofort an die entsprechenden Stellen weiter", sagte Rahman. Er dachte daran, dass vor mehreren Tagen sein Neffe Ismail, der bei der Luftwaffe Karriere gemacht hatte, bei einem Testflug gestorben war. Angeblich hatte da jemand eine Methode getestet, Panzer und Flugzeuge auf den dreifachen Kampfwert zu trimmen. Sein Offizierskollege Abudei hatte da irgendwas mit zu tun. Deshalb rief er diesen an und fragte ihn, ob seine Panzer noch alle brav an den Standorten seien. Als er Abudeis Antwort bekam, dass diesem nichts gegenteiliges zu Ohren gekommen war erwähnte er, was ihm gerade erzählt worden war. Das ließ den General doch sehr genau hinhören. "Kriegen Sie das hin, einen ausführlichen Bericht über die Sache zu bekommen?" wurde Rahman gefragt. Dieser bestätigte es. "dann hätte ich davon sehr gerne eine Kopie", erwiderte Abudei. Befehlen konnte er es schließlich nicht.

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im Kommandantenbüro der Festung Al-Mudi, 28.02.2003, 10:45 Uhr Ortszeit

"Wenn die Armeeoberen rausbekommen, dass das unsere Panzer waren bekommen wir sehr großen Ärger, Meister", wisperte Oberst Al-Mottasadek und sah sich argwöhnisch in seinem Büro um. "Hier sind keine Mithörgeräte", knurrte sein Gegenüber, der angebliche Wunderwaffenexperte Al-Basiri. "Ja, und ich stimme dir zu, dass es sehr ungünstig verläuft. Ich kann die uns verlorengegangenen Panzer auf diese Entfernung nicht beherrschen. Aber wenn ich weiß, wo die hinfahren werde ich selbst dorthin reisenund sie anhalten, bevor sie noch einen Ort entvölkern."

"Die Luftwaffe hat wegen des Simulators für die neuen Flugzeuge angefragt."

"Ich habe die kritischen Bestandteile abgesichert. Jetzt kann jeder Pilot damit fliegen, der auch schon andere Flugzeuge gelenkt hat", knurrte Al-Basiri. Er dachte daran, ob er nicht einoder zwei der Maschinen losschicken sollte, um die ausgebüchsten Geisterpanzer zu bekämpfen. Doch die waren ja gegen alle Feuer- und Erdgewalten abgeschirmt. Selbst wenn die Flugzeuge ihrerseits gegen alles mit Feuer und Luft verbundene gefeit waren würde das höchstens ein unentschiedener Kampf werden. Aber eines der Flugzeuge konnte die frei und gnadenlos handelnden Panzer aufspüren. Wusste er, wo diese waren, würde er direkt zu ihnen hinreisen und sie mit den Bannwortenund den wahren Namen in Verbindung mit den Bindungsgegenständen bändigen können. Er wandte sich an den Oberst und sagte:

"Schicke einen der hier schon wartenden Piloten mit einer der gerade fertigen Maschinen los. Sage ihm, er könne sie auf der Suche nach den Panzern ausprobieren. Wenn er sie gefunden hat ..."

"Meister, Gefahr!" zischte es in Al-Hamits Kopf. Da flog die Tür auf, und ein junger Gefreiter mit einer schussbereiten MP stürmte herein. "Du Sheitanspriester hast meine Eltern auf dem Gewissen. Deine Höllenpanzer waren das! Die Blutrache soll dich ..." fressen hatte der andere wohl sagen wollen. Doch vier unsichtbare Hände umklammerten seinen Kopf und drehten ihn blitzschnell um mehr als 180 Grad. Zwar konnte der Soldat noch drei Schüsse abgeben. Diese fuhren jedoch für die zwei Männer unschädlich in die Decke.

"Nicht die Sicherheit rufen. Ich lasse den so verschwinden. Die müssen nicht wissen, wie gut ich beschützt werde", zischte Al-Hamit, als er sah, wie Al-Mottasadek mit dem rechten Fuß nach dem roten Alarmknopf am Boden angelte. Der Oberst zog den Fuß wieder zurück. Der Dschinnenmeister zog seinen Zauberstab frei und murmelte eine alte Zauberformel. Leise rauschend löste sich der getötete Soldat in Luft auf. Nichts blieb von ihm übrig.

"Wenn so Atommüll entsorgt werden könnte würden die im Westen und in Israel nur noch solche Kraftwerke bauen", meinte der Oberst.

"Deshalb kann und lernt das auch längst nicht jeder. Abgesehen davon weiß ich nicht, ob das, was ihr Atommüll nennt von diesem Zauber genauso beseitigt werden kann wie sterbliche Überreste. "Opfer an die sieben Winde" heißt der Zauber. Aber mehr musst du dazu nicht wissen", erwiderte Al-Hamit.

Zehn Minuten nach diesem Zwischenfall erhielt Al-Hamit die Meldung, dass eines der neuen Flugzeuge über die improvisierte Startbahn das Fort verlassen hatte. Wenn der Pilot nicht wie die drei vor ihm von den eingekerkerten Dschinnen überwältigt wurde würde der in ungefähr sechs Minuten über dem bezeichneten Ort sein. Immerhin konnte die Maschine die achtfache Schallgeschwindigkeit erreichen, allerdings ohne den verräterischen Doppelknall zu erzeugen.

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Zur selben Zeit im Versammlungshaus der Bruderschaft des blauen Morgensterns

Ibrahim Musa hatte sie alle noch in der Nacht angerufen, damit sie sich mit ihm trafen. Sie hatten eine Stunde lang gelauscht, was er dank eines vorsorglich eingenommenen Gedächtnisverstärkertrankes aus den Büchern gelesen und behalten hatte. Dann sagte er: "Es kann nur Omar Al-Hamit sein. Er will unsere Weltund die der Unfähigen unterwerfen. Nur er käme auf den grausamen Gedanken, einen Dschinn oder den zu einer halben Dschinnenform verwandelten Geist eines Menschen in eine Kriegsmaschine zu sperren, damit diese widerstandsfähiger und zerstörerischer wird. Wir wissennun, dass er sich mit den Kriegsknechten der Unfähigen verbündet hat. Es ist an uns, seine grausame Schmiedewerkstatt zu finden."

"Und wo?" wollte ein anderer Bruder des blauen Morgensterns wissen.

"Indem wir uns den General fangen, den Ali als von einem bösen Zauberunterworfen erkannt hat. Ich werde meine Kontakte in das Zaubereiministerium bemühen, ohne unsere Absichten zu verraten", sagte Ibrahim Musa. Da meldete sich Mehdi Isfahani zu Wort.

"das wird nicht mehr nötig sein. Ich erhielt heute Morgen eine Botschaft des Mannes, den ich einst vor seinem von einem Dibbuk besessenen Sohn beschützt habe. Ihm gab ich das Ohr der fernen Worte. Er sprach hinein, dass er von bösem Zauber beseelte Panzer sucht, die in der Festung Al-Mudi erschaffen worden sein sollen. Wo diese Festung ist verriet er mir auf Nachfrage. Er benutzte das von allen see- und luftfahrenden Ländern benutzte Bezugspunktverfahren für Längen- und Breitengrade in Form der bei den Magieunkundigen so sehr geachteten Richtungs-und Standortweisehilfe namens GPS. Hier sind die Bezugszahlen und meine Umrechnung in das babylonische Standortbeschreibungsnetz." Mit diesen Worten zog er aus seinem dunkelblauen Umhang einen kleinen Pergamentzettel und entfaltete diesen vor den anderen.

"Warum hast du den Zettel nicht aus dem Hut gezogen, Bruder Mehdi", knurrte Ibrahim Musa mit unüberhörbarer Missgunst.

"Weil der darunter versteckte Himmelsdrache schon den ganzen Platz einnimmt, Bruder Ibrahim", erwiderte Mehdi Isfahani schlagfertig. Doch keiner fühlte sich berufen, darüber auch nur zu grinsen. Der Umstand, dass der Perser über einen nur von ihm gepflegten Kontakt in die magielose Welt mehr erfahren hatte als alle anderen erfüllte sie mit gewissem Unmut. Andererseits war er einer ihrer Brüder, auch wenn er damals beinahe eine Katastrophe ausgelöst hätte, weil er die Frankenhexe Aurélie Odin in ihre Mitte geführt hatte. Zumindest glaubten es immer noch viele vom hohen Rat, dass das Zeitalter der Finsternis nur dadurch Gestalt annehmen konnte.

"Ihr könnt diesen Werten vertrauen oder es versuchen, den Dschinnenlenker mit euren Mitteln zu finden. Ich jedenfalls werde mich zu diesem Ort begeben und zumindest erkunden, ob dort Dschinnenzauber wirken", sagte Mehdi Isfahani.

" Jophiel Bensalom erhob sich und sah den persischen Mitbruder an. "damit meine Landsleute nicht von diesen mörderischen Ungeheuern getötet werden stehe ich dir bei, Bruder Mehdi", verkündete er entschlossen. Die anderen Mitglieder des hohen Rates sahen den jungen Silbersternträger und den persischen Mitbruder fragend an. So sprach Jophiel weiter: "Wenn dort selbst die Brutstatt des grausamen Meisters ist, so steht zu befürchten, dass auch dort die meisten von ihm gefangenen und versklavten Geister sind. Gegen ihn zu fechten wird ihre Feindschaft erwecken."

"Ich begleite euch", sagte der ägyptische Mitbruder Iskandar Al-Assuani, der sich auf altägyptische Sonnenanrufungen und Geisterkunde verstand. Damit war das Eis gebrochen. Vier weitere Mitbrüder, die sich auf die Bekämpfung und Lenkung von Geisterwesen verstanden, sagten ihre Teilnahme zu. Ibrahim Musa sah und hörte es mit gewissem Argwohn. Deshalb sagte er:

"Ich werde einen anderen Pfad beschreiten. Selbst wenn ihr recht haben solltet, und die unheilvolle Waffenschmiede des Al-Hamit sich in jener Festung befinden mag, so hatte er sicher schon Erzeugnisse daraus über das Land verteilt. Diese suchen wir. Dafür brauche ich zwanzig mit der Dschinnenkunde vertraute, da ich vorhabe, Wölfe mit Hunden zu hetzen und unsere eigenen Geisterknechte einzusetzen, um ihresgleichen zu erspüren, nun wo wir wissen, dass sie in Kriegsgeräten eingekerkert wurden. Wer immer Al-Hamit antrifft: Wir töten keine Feinde, die unser Wissen noch erweitern können. Merkt euch dies bitte ganz genau!" sprach Ibrahim Musa. Solange Jophiel nicht die Bedingungen seiner Erbschaft erfüllt hatte galt dieser noch nicht als Sprecher des Rates wie sein Vater oder Hassan al-Burch-Kitab.

So zogen dreißig Sternenbrüder aus, ihrem erbitterten Gegner Einhalt zu gebieten. Doch sie waren nicht dessen einzige Feinde.

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In der Zentrale des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA in Langley, Virginia, 28.02.2003, 04:30 Uhr Ortszeit

Brenda Brightgate hatte sich zur Behebung eines Bearbeitungsstaus breitschlagen lassen, eine Doppelschicht einzulegen. Die Ereignisse um die wiedererwachten Abgrundstöchter und die Bilder von Pickman, sowie mögliche Aktivitäten von Werwölfen in den Staaten forderten von ihr und Ira Waterford, der für das Zaubereiministerium arbeitete, eine zusätzliche Belastung. Dass der Heiler Silvester Partridge irgendwas mit dem Zaubereiminister angestellt hatte und beide seitdem verschwunden waren machte die Lage nicht besser. Brenda forschte deshalb auch heimlich nach möglichen Kontakten der VM-Gruppierung zur Muggelwelt. Denn wie die an das Hotel und die Partyräume an Halloween gekommen waren galt immer noch als zu klären, zumindest für ihren eigentlichen Arbeitgeber.

"Brenda, was halten Sie von diesen Aufnahmen?" wurde sie gefragt, als ein Kollege, dessen Zuständigkeitsgebiet der Nahe Osten war, mit ihr telefonierte. Gleichzeitig lief ein Videofilm auf ihrem Arbeitsrechner ab, der über das mehrfach abgesicherte Netzwerk zu ihr gelangt war. Sie erkannte die Entladungsmuster und las die Messwerte ab. Als sie meinte, die Umrisse einer menschlichen Gestalt zu erkennen fror sie das Bild ein und vergrößerte einzelne Abschnitte.

"Sieht aus, als habe jemand versucht, elektrische Felder so anzuordnen, dass sie einen riesigen Mann umfließen", sagte sie. Vom ermittelten Standort her ist das bei Saddam Hussein im Irak. Warum haben Sie mir das geschickt, Clark?"

"Weil mir meine Fachfrau für Arabisch und Farsi erzählt hat, Sie könnten solche Bilder besser zuordnen als wir. Unsere Eierköpfe rotieren schon mit dreißigtausend Touren, weil sie nicht dahinterkommen, wie und warum diese Entladungsfelder generiert wurden."

"Ui, wenn die mir verraten, wie die das hinkriegen lasse ich die meine Waschmaschine aufrüsten, dass die beim Schleudern mindestens sechstausend Touren schafft. Aber zu Ihrem Video: das ist mir auch nicht begreiflich, was genau das ist. Damit kann ich leider auch keine Antwort auf das wie und warum geben. Vielleicht ist es der Versuch, durch gezielte Störsignale die Funktionsfähigkeit unserer Messinstrumente in Frage zu stellen. Aber ich gehe den Film noch mal Bild für Bild durch. Vielleicht finde ich in den mir verfügbaren Quellen einen Hinweis."

"Mein Abteilungsleiter möchte gerne gestern wissen, was wir morgen machen sollen. Wenn die bei Saddam irgendwelche neuartigen Waffen testen sollten wir früh genug Alarm schlagen."

"Sie prüfen das Video weiter. Ich mache das auch, sofern ich von Ihnen die Genehmigung erhalte."

"Die haben Sie, Ms. Brightgate", sagte der ranghohe Kollege aus der Nahostabteilung.

Als die Telefonverbindung getrennt war blickte Brenda noch einmal auf den Monitor. Für sie sah das aus, als würde ein über zwanzig Meter großer Riese die Luft um sich elektrisch aufladen. Er selbst blieb davon jedoch unberührt. Als sie beim Weiterspringen noch sah, dass die Umrisse den Risen zweiköpfig mit vier Armen darstellten ließ sie von dem Einzelbild einen Ausdruck machen und verstaute das Blatt Papier in ihrer besonderen Handtasche. Das musste unbedingt ins Institut. Denn jetzt vermutete sie, dass im Irak ein orientalischer Geist, ein Dschinn, aufgetaucht war. Hoffentlich experimentierten Saddams Leute nicht mit Magie und Dschinnenbeschwörung. Zwar galt auch in Bagdad das internationale Geheimhaltungsstatut von 1723. Aber dunkle Magier und Hexen hielten sich nicht gerne an Gesetze. Am Ende hatte einer oder eine diesem größenwahnsinnigen Diktator angeboten, ihm noch mehr Macht und vor allem Überlegenheit im möglichen Krieg zu geben, wenn Saddam dafür die eine oder andere Bedingung erfüllte.

Als ihre Extraschicht beendet war verließ sie die CIA-Zentrale und begab sich erst in ihre eigene Wohnung, um nach einer kurzen Besprechung über einen Zweiwegespiegel in den Besenhangar des Laveau-Institutes und von dort aus auf einem Harvey-Besen ins Laveau-Institut selbst zu reisen. Dort wurde sie schon von Sheena O'Hoolihan, der zeitweiligen Direktorin des Institutes und dem arabischstämmigen Zauberer Faris Al-Buraq begrüßt, der sich mit Golems und Dschinnen auskannte und in dieser Angelegenheit auch schon einige dieser Dienerkreaturen und Geisterwesen in den Staaten bekämpft hatte.

"Allah ist groß und seine Wege führen immer ans Ziel", sagte er, als die Begrüßung beendet war. "Was du da gesehen hast ist die energiereiche Aura eines die Luft mit hoher Geschwindigkeit durchquerenden Luftdschinns in menschlicher Erscheinungsform", sagte Al-Buraq.

"So was ähnliches habe ich mir schon gedacht, Faris. Ich habe auch noch erfahren, dass die Erscheinung unmittelbar nach dem Ausfall eines irakischen Flugzeugstützpunktes geortet wurde. Radarstrahlen werden von Dschinnen geschluckt, richtig?"

"Ja, werden sie wohl. Aber die starken Luftreibungen, die diese Elektrizitätsfelder erzeugen, die können bis über die übliche Aura eines Luftdschinns hinausreichen. Dass wir so selten welche auf diese Weise erfassen liegt daran, dass sie sich beim schnellen Flug zusammenballen, um möglichst wenig Luftwiderstand zu bieten oder sie ihre natürliche Begabung anwenden, Luft um sich herumzulenken, ähnlich wie das die Übersee-Himmelswurst zwischen VDS und Millemerveilles macht. Dann können sie sogar schneller als der Schall reisen. Der Dschinn, den die Muggels da indirekt aufgenommen haben, wusste das alles wohl nicht oder war so gefühlsüberladen, dass er nicht daran dachte, davon Gebrauch zu machen."

"Will sagen, das könnte ein Frischling sein, Ein Babydschinn", streute Sheena ein. Faris sah die rothaarige Kollegin verdattert an. Dann musste er jedoch nicken. "Öhm, kein Sprössling der Dschinnen im eigentlichen Sinn, sondern wohl eher der Geist eines erwachsenen Menschen, der durch dunkle Zauber in einen Luftdschinn verwandelt wurde. Ein echter Babydschinn ist wie ein Menschenbaby erst einmal sehr hilflos und nur sehr begrenzt mitteilungsfähig. Da Dschinns nur dann eigenen Nachwuchs bekommen, wenn bestimmte planetare Konstellationen bestehen und zudem ein männlicher und ein weiblicher Dschinn mit einer Verbundenheit zu mindestens einem gemeinsamen Planeten zusammentreffen können sie sich fortpflanzen. Das passiert aber nur selten."

"Will sagen, Pluto-Mann und Venus-Frau kommen nur zur Zeugung, wenn Pluto und Venus sich direkt gegenüberstehen?" fragte Brenda.

"Ja, und kein anderer planetarer Himmelskörper, unser Mond eingeschlossen, dazwischensteht. Sonst müssten beide noch mit dem Mond verbunden sein, um ein Geisterkind zu zeugen, dass dann noch fünf Jahre in der Essenz der Mutter heranwächst. Es sei denn, zwei unterschiedlich geschlechtliche Dschinnen finden einen erwachsenen Menschen, der bereit ist, ihr gemeinsames Kind zu werden. Allerdings ist er oder sie dann den Eltern unterworfen. Wird ein Elternteil magisch gebunden wirkt sich die Bindung auch auf das Kind aus, solange dieses nicht direkt von wem anderem gebunden wird. Aber ich fürchte, ich gleite ins Vortragen", sagte Faris. "Nur so viel noch: Wenn das da auf der Aufnahme ein aus einem erwachsenen Menschen durch Tod und Bannzauber entstandener niederer Luftschinn ist, so hat dieser jedoch bereits genug Fremdseelenenergie in sich aufgenommen, dass er oder sie eine derart raumgreifende Erscheinungsform annehmen kann. Will sagen, der Dschinn ist zwar unerfahren, aber dafür um so stärker. Das macht ihn wesentlich gefährlicher als einen, der seine Grenzen kennt und achtet."

"das passt. Ich erfuhr, dass die Erscheinung um die Zeit herum geortet wurde, als dieser angebliche Geheimflughafen, dessen Koordinaten schon länger auf der Weltkarte in unserer Nahostabteilung stehen, zerstört wurde. Entweder ist der Dschinn dabei entstanden oder ist die Ursache der Zerstörung", vermutete Brenda.

"das spricht dagegen, dass dieser Dschinn von einem Getreuen dieses Machthabers Saddam Hussein gelenkt wird", entgegnete Faris Al-Buraq. Sheena schüttelte ihren rotschopfigen Kopf.

"Für mich sieht es eher danach aus, als sei so ein unterworfener Dschinn aus der Herrschaft seines Schöpfers freigekommen und habe sich zunächst einmal nur ausgetobt. Vielleicht hat sein Meister ihn mittlerweile wieder unter Kontrolle. Vielleicht ist der Dschinn jetzt aber auch sehr wütend und will sich rächen."

"dann hängt es davon ab, ob sein Meister bei der Bindung alles richtig gemacht hat oder was übersehen hat", seufzte Al-Buraq. "Wenn er alles richtig gemacht hat würde der Dschinn es nie schaffen, den Meister zu töten, weil seine Existenz an dessen Leben gebunden ist, verstärkt durch ein Artefakt. Falls der Meister nicht den wahren Namen des zu bindenden kannte und/oder bei der Bezauberung des Bindungsartefaktes etwas unterlassen oder verwechselt hat könnte der Dschinn ihn nicht nur töten, sondern würde durch die Einverleibung seiner Seele sogar alles Wissenund Können von ihm übernehmen und somit zum Lenker der von diesem Meister erfolgreich gebundenen Geister werden."

"Oha, heftiger ist nur noch ein Rudel Nundus im Zentralpark von New York", erwiderte Brenda darauf.

"Ja, der Vergleich ist durchaus zutreffend", erwiderte Faris Al-Buraq. Dann sah er sich das Einzelbild auf Papier noch mal an. "Öhm, die Zweiköpfigkeit und Vierarmigkeit des Dschinns deutet auf eine halbe Verschmelzung aus zwei Einzelwesen hin. Dadurch könnte der Wahre Name der beiden Beteiligten als Bindungsfaktor wegfallen."

"Ja, und was gibt es erfreuliches dazu zu sagen?" wollte Sheena wissen.

"da fällt mir leider nichts erfreuliches zu ein, Sheena", sagte Faris. Brenda zuckte mit den Schultern. "Die Muggel scharren mit den Hufenund rasseln mit allen Säbeln, in den Irak einzumarschieren. Entweder liefert dieses Vorkommnis denen den Paradegrund für diesen Angriff und/oder sie werden bei einem solchen Feldzug zur Beute dieses Doppelkopfgespenstes", stieß Brenda aus.

"Öhm, Brenda, verwende einem Dschinn gegenüber niemals das Wort Gespenst, egal in welcher Sprache. Diese Geisterwesen halten sich üblichen Nachtodesformen gegenüber für überlegen, wie wir uns den Stubenfliegen und Ameisen überlegen fühlen", sagte Faris.

"Dämon trifft es aber auch nicht immer, habe ich gelernt", erwiderte Brenda.

"Ja, das ist auch richtig", sagte Faris. Dann antwortete er auf Brendas Frage: "Wir sollten den vor Ort gegen böses Zauberwerk vorgehenden Mächten die Mitteilung zukommen lassen, dass ein doppelköpfiger Luftdschinn aufgetaucht ist. Ich kann das erledigen, weil mein Vetter dritten Grades einen Schwager bei den Morgensternbrüdern hat. Eine direkte Mitteilung von uns an die lehnen sie als anmaßende Einmischung in ihre Angelegenheiten ab."

"Weshalb die Brüder auch zu fein sind, uns was zu erzählen, wie zum Beispiel die Schwächen der neu erwachtenAbgrundstöchter", knurrte Sheena. "Die einzige, die mit denen mal Kontakt haben durfte war Aurélie Odin. Aber die ist auch von denen umgebracht worden, weil sie sich in deren achso wichtige Vorhaben eingemischt hat."

"Sheena, das war nur eine kleine, überängstliche und zu sehr auf einer bestimmten Prophezeiung herumreitende Gruppierung von denen. Wenn du eine Schachtel mit zwölf Eiern hast, wirfst du nicht alle Eier weg, nur weil ein faules dabei ist, oder?" sagte Faris.

"das mag sein. Aber deren Kommunikationsprinzipien sind und bleiben weltfremd und rückständig, auch allein schon was den Umgang mit Hexen angeht", beharrte Sheena auf ihrer Einschätzung. Brenda bat darum, nach Hause zurückkehren zu dürfen. Die Extraschicht hatte sie trotz Wachhaltetrank ziemlich erschöpft. Sie durfte gehen.

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Festung Al-Mudi, 28.02.2003 christlicher Zeitrechnung, 15:45 Uhr Ortszeit

Sein Meister hatte ihn hiergelassen, um die in den dunkel angemalten Heimstätten schlafenden Brüder zu bewachen, damit niemand, der nicht dem Wort des Meisters unterstand, sie entführen konnte. Die drei anderen Artgenossen, die mit ihm zusammen den Meister selbst vor bösem Tun schützten, waren mit ihm, dem Meister, ausgezogen, um nach verlorengegangenen Mitbrüdern zu suchen, die in den Körpern metallener Krieger ohne eigene Seele eingekehrt waren.

Der für die meisten Menschen unsichtbare und unhörbare Luftgeist, der den Namen Windkralle trug, schwebte unter der steinernen Decke der großen Halle, wo die fleischlichen Diener des Meisters die schlafenden Brüder in die Körper der metallenen Krieger umbetteten, in denen sie dann ihre neue Kraft und Schnelligkeit erhalten sollten, um dem Meister und seinen Anhängern gehorsam zu dienen. Windkralle fühlte jedoch, dass die Brüder nicht mehr so tief schliefen wie am Beginn dieses Tages. Der schnelle Tod eines wütenden Mannes, der den Meister angreifen wollte und deshalb von ihm und seinem Artgenossen Sturmzahn getötet worden war, hatte die schlafenden Luft- und Feuerbrüder berührt. Sie erwachten langsam. Dann würden sie nach dem Wort des Meisters fragen, seine Stimme zu hören trachten. Doch wenn der Meister nicht da war, was dann? Windkralle war ein gehorsamer Diener, weil mächtige Worte und das Wissen um seinen wahren Namen ihn banden. Diese mächtigen Bande hielten seine Gedanken in Fesseln. So konnte er nur das denken, was ihm der Meister zu denken erlaubte. Deshalb konnte er nur diesen ihm gegebenen Befehl ausführen: "Bewache deine schlafenden Brüder und beschütze die, welche sie in ihre neuen Körper setzten!"

Der ewige Feuerball am Himmel war bereits wieder auf dem Weg nach unten. Windkralle war dies gleich, da er an die Urmacht aller Winde und Lüfte gebunden war. Doch für die der Urkraft aller Feuer verbundenen Brüder war der ewige Feuerball am Himmel eine Quelle der Kraft und Richtungsweiser.

Windkralle horchte mit allen Sinnen umher. Er vernahm jedoch nur die schwachen Regungen seiner nicht mehr so tief schlafenden Brüder und die Lebensregungen der Fleischlinge, die in dieser Festung wohnten und werkten. Vor allem die fünf vom Meister gebundenen Fleischlinge fühlte er sehr deutlich, wusste auf Fußeslänge genau, wo sie sich befanden. Doch da kam noch was aus der Aufstiegsrichtung des Himmelsfeuerballs. Es war etwas, das die Urkraft aller Winde und Lüfte nutzte, aber keiner seiner Artgenossen. Es eilte heran, schneller als der schnellste Jagdvogel fliegen konnte. Doch er konnte keine Seelenregung erkennen, keinen Gedanken. Etwas totes, dass die alte Urkraft der Lüfte nutzte war auf dem Weg zu dieser Festung. Es kam nicht vom Meister. Da es nicht die üblichen Wechselwirkungen von Luft und Feuer waren, mit denen die ohne die hohen Kräfte lebenden Fleischlinge ihre Fahrzeuge bewegten, konnte es nur etwas von einem anderen Träger hoher Kräfte sein, das so mächtig war, dass es eigenständig durch die Luft fliegen konnte. Das konnte nur was feindliches sein. Denn der Meister hätte ihm das sicher mitgeteilt, wenn ein mit ihm verbündeter die Festung besuchen wollte, allein schon, damit er diesen nicht unabsichtlich tötete. Also war das was feindliches, das ihn und die Festung angreifen wollte. Und jetzt trafen ihn auch noch Berührungen einer Kraft, die wohl dazu da war, die Umgegend zu erkunden und Wesen wie ihn zu erkennen. Denn die Berührungen wurden von seinen nicht mehr so tief schlafenden Brüdern wie leiser Widerhall zurückgeworfen. Womöglich warf er, der einzig wache Luftgebundene, diese Suchstöße noch stärker zurück. Wer das mitbekam wusste nun, dass er hier war und vielleicht auch, wo genau er war. Das war für ihn der letzte Hinweis, dass die Festung angegriffen wurde. Er musste sie verteidigen. Auch bei Wesen wie ihm galt, dass der Angriff die beste Verteidigung war.

Ein einziger Gedanke von ihm genügte, ihn schneller als ein Augenzwinkern aus der Werkshalle über die Spitze des Wachturmes zu versetzen. Jetzt konnte er genau erfassen, wo das feindliche Etwas war. Doch die starken Berührungen, die wie von einer gefederten Unterlage zurückprallten, verrieten wem auch immer, wo er nun war. Er musste also sofort angreifen.

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Mehdi Isfahani war stolz auf Sandsturmfänger. Das war sein bester Jagdflugteppich überhaupt. Bis zu sechs erwachsene Männer konnten auf ihm reisen und das viermal so schnell wie der wildeste Sandsturm. Zudem konnte der Lenker des Teppichs ihn und seine Reiter unsichtbar und unhörbar machen, was Mehdis Meister der magischen Webkunst sehr stolz gemacht hatte, dass sein bester Schüler das von ihm erlernt hatte. Wer auf ihm flog bekam den auftretenden Flugwind nicht mit. Außerdem, und das erfüllte Mehdi mit noch größerem Stolz, waren in den Teppich Zauberzeichen der verborgenen Gedanken eingewebt und mit entsprechenden Zaubersprüchen in Kraft gesetzt worden. Deshalb konnte niemand ob Mensch oder Geist, die jedem Sturm und Wind an Geschwindigkeit um ein vielhundertfaches vorauseilenden Gedanken seiner Reiter erfassen, selbst wenn sie nicht den Zauber des Gedankenverbergens beherrschten.

Es fehlten noch dreitausend Doppelschritte bis zum Ziel. Mehdi hatte die Standortbezugspunkte in einen Weisestein eingeschrieben und bezaubert. Je näher sie waren, desto stärker vibrierte er. Wenn Mehdi sich den Stein an die Stirn drückte konnte er sogar ein silbernes Leuchten sehen, dass aus der Richtung kam, in der das Ziel lag, um es nicht zu verfehlen. So konnte er auch im unsichtbaren Zustand den Kurs halten und durch geflüsterte Kommandos den Sandsturmfänger lenken.

Mehdis sechs Begleiter, darunter der Silbersternträger Jophiel Bensalom und Iskandar Al-Assuani, wirkten leise murmelnd den Zauber, mit dem die Anwesenheit von Geisterwesen erfasst werden konnte. Eigentlich hatte Mehdi vorgeschlagen, damit bis zur Ankunft über der Festung zu warten. Doch er hatte sich nicht durchsetzen können. Er sollte den Teppich lenken und sie ans Ziel bringen. Die anderen sollten dort möglicherweise lauernde Feinde bekämpfen. Dabei wollten sie möglichst ohne zu landen vorgehen, um nicht als normalschnelle Gegner angegriffen werden zu können. Dass sie mit ihren Zaubern natürlich jedem niederen oder höheren Dschinn zeigten, dass sie ihn suchten nahmen die Morgensternbrüder in Kauf. Denn der einzige rein horchende Zauber, um geistige Regungen zu erfassen, konnte von jedem guten Magier oder einem höheren Dschinn durch Verbergen der Gedanken abgehalten werden.

"Wahrhaftig, da unten sind mindestens dreißig in Erstarrung gehaltene Geisterwesen und ein handlungsfähiger Luftdschinn", stellte Iskandar Al-Assuani fest. "Und der Luftdschinn hat gerade den Standort gewechselt. Er befindet sich jetzt hundertzwanzig Klafter über dem Boden. Womöglich will er uns jetzt angreifen."

"dann bereithalten, um ihn abzuwehren", sagte Mehdi und murmelte ein altpersisches Zauberwort. Um den unsichtbaren Teppich entstand eine hellblaue, flirrende Lichtsphäre, ein Wall gegen alle Formen der mit Luft verbundenen Zauber und Kräfte. Iskandar indes richtete einen bei Sichtbarkeit golden glänzenden Gegenstand, das Auge des Ra, auf die sinkende Sonne aus und murmelte altägyptische Zauber der Sonne, die das Tagesgestirn und dessen Personifikation, den Gott Ra selbst, um Beistand anriefen, um gegen alle Formen des Feuers und der davon bekräftigten Gegner zu schützen.

Jetzt spannte sich über der blauenSphäre des Luftwalls auch noch eine sonnengelbe Sphäre, die dort am hellsten leuchtete, wo die Sonne selbst zu finden war. Im nächsten Augenblick zuckte ein grellblauer Blitz mit weit ausgreifenden Verästelungen auf sie zu, direkt begleitet von einem Donnerschlag, der sicher jedem hier die Trommelfelle zerfetzt hätte, wenn der Luftwallzauber nicht jede überstarke Regung der Luft aufgefangen und den Donnerhall zu einem sachten Paukenschlag vermindert hätte. Die feindlichen Handlungen hatten begonnen.

Weitere Blitze zuckten gegen den Teppich und seine Reiter an. Sein Feueranteil wurde von Ras Segen getilgt, der jeden Blitz begleitende Donnerschlag vom Wall der Luft geschluckt. Dann erschien ein fünf Meter großer, aus sich in einem schwachen blauen Licht leuchtender Dunst, der sich zu einem Wesen ausbildete, dass wie ein großer Vogel aussah. Schließlich war es kein Gesetz, dass Dschinns immer wie Menschen aussehen mussten. Je länger sie existierten konnten sie eine Gestalt ihrer Wahl als ihre ständige Form annehmen. In diesem Fall war es eben ein großer Raubvogel mit spitzem Schnabel und dolchartigen Fängen. Das bläulich glimmende Geisterwesen flog zunächst wild um den Teppich herum und hielt dessen Geschwindigkeit locker mit. Dann wühlte es die umgebende Luft auf, um daraus einen weiteren Blitz zu erbrüten. Dessen feuerige Verästelungen schlugen gegen die aufgebauten Schutzzauber. Al-Assuani musste immer wieder Ras Segen erbitten, um die sonnengelbe Sphäre nicht verlöschen zu lassen. Der Luftwall speiste sich aus der umgebenden, nicht von Magie durchdrungenen Luft selbst. Wieder und wieder schleuderte der Luftgeist gewaltige Blitze gegen seine von ihm wohl irgendwie wahrgenommenen Feinde. Doch die Blitze wurden unschädlich abgeleitet. Nun nahm der sichtbar gewordene Dschinn an Größe zu. Er wuchs auf die Größe eines Felsenvogels heran, der wie aus einer blau glimmenden Wolke zusammengefügt wirkte. Dann stieß er aus mehr als hundert Metern nieder. Jophiel Bensalom hielt ihm seinen Silberstern entgegen und fühlte dessen Reaktion. Er hätte jetzt die mächtige Segensformel von Liebe, Licht und Leben rufen können, die alle Kinder Ashtarias erlernten. Doch er wusste auch, dass er diese große Macht der weißen Magie nur dann rufen sollte, wenn sie einem übermächtigen Feind oder im Zentrum eines besonders starken bösen Zaubers standen. Zumindest aber konnte er den Heilsstern als Verstärker für andere gutartige Zauber wie den Schild des Lichtes oder den Friedensraum benutzen. Doch für den Friedensraum musste er einen klar abgegrenzten Raum um sich herum haben. Er dachte zwar erst, den Zauber der verlöschenden Wut zu wirken, der jeden in hörweite befindlichen Geist von Wut und Angriffslust reinigte, bis ein voller Tag vergangen war. Doch der Zauber wirkte nur bei lebenden Wesen wie Menschen, Tieren oder körperlichen Zauberwesen wie Veelas und Vampiren. Er hatte zwar den Mondfeuerzauber gegen Geisterwesen erlernt, konnte den aber erst benutzen, wenn sein erstes Kind geboren war und er dessen Namen und Gesicht in den Zauber einbeziehen konnte. Also benutzte er den Schild des Lichtes, der mit dem Segen des Ra gut zu verbinden war. Als er die nötigen Worte sprach und dabei an eine Kuppelhalle aus weißem Licht dachte, glühte die sonnengelbe Sphäre noch heller auf und verfärbte sich weiß. Gerade in dem Moment prallte der Geistervogel auf die äußere Schutzsphäre und wurde genauso stark davon zurückgeprellt. Dabei leuchtete die geisterhafte Erscheinung für einen Moment lang golden auf und schrumpfte auf ein Drittel seiner Größe zusammen. Das jedoch war genau das, worauf Jophiels Kameraden gewartet hatten. Wie auf einen unhörbaren Befehl hin sangen sie zeitgleich das Lied der Geisterfessel, mit dem gegnerische Geisterwesen eingeschlossen und an schneller Fortbewegung gehindert werden konnten. Gerade als das goldene Leuchten aus dem geisterhaften Vogel wich und wieder jenes hellblaue Glimmen zu sehen war schossen aus den Zauberstäben der Morgensternbrüder silberweiße Lichtstrahlen und trafen auf den Gegner. Sie verbanden sich zu einer wild flirrenden Wolke aus silbernem Dunst, die sich von einer Sekunde zur anderen in eine glasartig durchsichtige Kugel aus silbernem Licht verstärkte. Es war keine Kugelschale wie die schützenden Sphären um den Teppich, sondern eine vollständig ausgefüllte Kugel, in der der Luftdschinn wie ein in Bernstein eingeschlossenes Kerbtier starr und handlungsunfähig zu erkennen war. Die Beschwörer dieser mächtigen Einschließung lenkten die Kugel nun mit gemeinsam gesprochenen Worten nach unten und ließen sie auf dem Boden landen, wo sie nun einen vollen Tag lang liegen konnte, bis ihre Macht erlosch. Der Luftdschinn war nun gefangen. Doch war das der einzige Gegner?

Weiter zur Festung!" rief Iskandar Al-Assuani und hob seinen Segenszauber wieder auf. Damit verschwand auch der Schild des Lichtes, da in Sichtweite kein weiterer Gegner mehr war, gegen den er wirken sollte.

"Auf jeden Fall sind wir hier genau richtig", stellte Mehdi Isfahani mit nicht zu überhörender Genugtuung fest.

"Ja, wenn wir Omar ben Faizal Al-Hamit hier auch antreffen und endlich gefangennehmen können", schränkte Iskandar Al-Assuani ein.

"Wenn dort mehr als dreißig erstarrte oder eingekerkerte Dschinnen sind ist dort zumindest die Brutstätte dieser Mordmaschinen", stellte Jophiel Bensalom klar. Wenn sie diese Brutstatt unschädlich machten war dies schon ein halber Sieg über den Dschinnenmeister.

Sie flogen weiter zur Festung, während der gefangene Luftgeist Windkralle in seiner magischen Einkapselung versuchte, den Meister zu Hilfe zu rufen. Der Wächter hatte versagt. Der Meister würde ihn dafür bestrafen, das wusste er zwar. Doch er wollte nicht für alle Zeiten bewegungsunfähig auf der Erde herumliegen. Deshalb musste er dem Meister sein Versagen gestehenund auf dessen Gnade hoffen. Denn sonst würden dessen andere Diener gleich von den unbekannten und nicht zu ergründenden Feinden verschleppt oder vernichtet. Doch er erreichte den Meister nicht. Die ihn fest umschließende Kraft hielt wohl auch seine Gedanken fest. Er hatte wahrhaftig versagt. Die Auslöschung war ihm dafür sicher, wenn der Meister ihn nicht für mindestens tausend Sonnen in einen Kerker sperren und dort ständigen Qualen aussetzen wollte.

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Zur selben Zeit über dem niedergebrannten irakischen Dorf

Omar Al-Hamit flog auf seinem unsichtbar machenden Flugteppich über der Stelle, wo vor einem Tag noch ein kleines Oasendorf gelegen hatte. Doch die Felder und Häuser waren nur noch im Wind verwehende Asche. Dennoch fühlte der Geistermeister sofort, dass hier starke Feuerkräfte gewirkt hatten. Die von ihm beseelten Panzer waren wahrhaftig zu eigenem Leben erwacht und hatten sich wohl sämtliche Seelen einverleibt, die sie hier antreffen konnten. Dass machte sie stärker als vorhin. Das konnte und durfte er nicht so bleiben lassen. Denn nun waren die Panzer nicht nur für keinen Menschen mehr steuerbar, sondern für jeden anderen Menschen gefährlich. "Hört eures Meisters Wort und verharret an eurem Ort!" befahl er mit an die Stirn gehaltenem Zauberstab. Seine Gedanken wurden dadurch vertausendfacht, zumindest für die von ihm gebannten Dschinnen. Da er jedoch noch den Gürtel gegen die Entdeckung durch andere Geisterwesen trug fühlte er, dass seine Gedanken nicht wirklich weit trugen. Er verwünschte diesen Umstand. Denn so blieb ihm nur, den Gürtel abzuschnallen und sich damit jedem ihn suchenden Dschinn zu offenbaren. Doch er musste diese Panzer finden und wieder bändigen, bevor sie eine noch größere Ansiedlung erreichen und entvölkern konnten. War das erst einmal geschehen konnte er sie nur dadurch aufhalten, dass er sie mit Wasser- und Luftdschinnen angriff, um sie wieder zu schwächen. Doch im Moment hatte er nur drei in ihren Flaschen gefangene Wasser- und sieben frei verfügbare Luftdschinnen. Die müssten dann auch erst einmal mit Menschenseelen gemästet werden, um gleichstark zu sein. Das dauerte zu lange.

Er schnallte widerwillig seinen Schutzgürtel ab und legte ihn in seinen Rucksack. Sofort fühlte er, wo die von ihm unterworfenen und nun wieder frei handlungsfähigen Geister steckten. Sie jagten mit der für ihre Daseinsform gerade höchsten Geschwindigkeit auf ein von ihnen erfasstes Ziel zu, eine noch weit entfernte, aber am Raunen der vielen tausend Seelen klar erkennbaren Statt. "Hört auf eures Meisters Worte! Verweilt am jetzt erreichten Orte!" gedankenrief er und versuchte dann, die wahren Namen der zu bändigenden Geister zu rufen. Doch sie wollten ihm nicht einfallen. Da war ihm klar, dass die ausgerissenen Dschinnen bereits die Stärke hatten, sich gegen die mit ihren Namen wirkenden Zauber zu wehren, solange sie weit außerhalb von Sicht- und Hörweite waren.

"So muss ich euch eben eigenhändig einfangen!" fluchte Al-Hamit und landete seinen Teppich. Auch wenn er damit fünfmal schneller als die auf ihr Ziel zusteuernden Dschinnen fliegen konnte würde er Zeit brauchen, um sie einzuholen. Deshalb klemmte er sich den Teppich unter den Arm und tat den Tausendmeilenschritt, um ganz in ihrer Nähe anzukommen.

Er sah die fünf Panzer, die mit mehr als hundert meilen in der Stunde dahinjagten und dabei den Sand aufwirbelten. Doch durch die in ihnen wirksame Magie der Erdschinnen hinterließen sie keine sichtbaren Spuren im Wüstensand. Eigentlich waren das die perfekten Waffen für einen Kriegsherren wie Saddam Hussein, dachte Al-Hamit. Doch wenn er die nicht gleich wieder einfing und unterwarf würden sie eher zu Saddams Untergang als zu dessen Sieg beitragen.

Die in den Panzern eingesperrten Dschinnen bemerkten die Nähe eines mächtigen Menschen und bremsten ihre gemächliche Fahrt. Al-Hamit ließ die drei mitgenommenen Luftgeister, die bisher seine treue Leibwache waren, aus ihren Transportbehältern und trug ihnen auf, ihn zu beschützen. Dann sprach er laut und vernehmlich, dass er der Meister war und konnte jetzt auch die wahren Namen der gefangenen Dschinnen aussprechen. Doch jene, die er noch nicht erwähnt hatte drehten die Geschütztürme in seine Richtung. Er schaffte es gerade noch, mit einem weiteren Tausendmeilenschritt an den Panzern vorbei zu einem anderen Ort zu wechseln, bevor ein halbes Dutzend Feuerbälle genau dort einschlugen, wo er gerade noch gewesen war. In jedem Panzer steckten bis zu fünf Erd- und Feuerdschinnen. Er konnte einen Panzer nur völlig unterwerfen, wenn er alle die in ihm gefangenen Geister mit Namen erwähnt hatte. Die anderen hatten das sofort begriffen und wehrten sich. Diese Taktik war genau die richtige. Denn weil sie nun sofort auf die körperlich-geistige Kraftquelle ihres bisherigen Meisters zielten konnte dieser seine Bannformeln nicht mehr ausrufen, ohne Gefahr zu laufen, von einem oder zwei Feuerbällen geröstet zu werden. Doch diese Taktik würden sie nicht lange durchhalten können. Denn jeder ohne feststoffliche Munition ausgeführte Angriff verringerte die Kraft der Dschinnen. Bald würden sie noch schwächer sein als vorher. Doch diese Unwesen stimmten sich offenbar in Gedanken ab, dass nicht alle zugleich auf ihn feuern sollten. Er erkannte das daran, dass immer nur ein Feuerball zur Zeit auf seinen Sttandort geschickt wurde. Er brauchte frei handlungsfähige Feuergeister, um sich vor diesen Angriffen zu schützen. Die von ihm losgeschickten Luftdschinnen konnten lediglich versuchen, die Geschützrohre umzulenken. Doch wenn er nun verschwand würden die beseelten Panzer weiterfahren, und er musste sie dann wieder suchen.

Wieder zielte einer der Panzer mit seinem Geschütz auf ihn. Er wechselte schneller als ein Augenzwinkern den Standort. Krachend schlug der Feuerball in die Erde ein und hinterließ eine rotglühende Pfütze aus geschmolzenem Sand. Dann fiel ihm was ein: "Haltet ein. Ihr Seid an mein Leben gebunden. Sterbe ich, vergeht ihr!" rief er. Wieder zielte einer der Panzer auf ihn. Er wechselte den Standort erneut. Das machte ihn genauso müde wie ein wilder dauerlauf. Wenn er diese Abwehrtaktik weiterverfolgte würde er am Ende noch unfähig sein, einem solchen Angriff zu entgehen. Zumindest schleuderte der ihn bedrohende Panzer keinen Feuerball.

"Du lügst. Wir sind jetzt frei. Wenn wir stark genug sind kommen wir aus diesen leblosen Hüllen frei und können dann ganz frei handeln", hörte er einen Chor aus fünf Gedankenstimmen gleichzeitig.

Ein blauer Schemen fuhr über sie alle hinweg und ließ eine Lärmschleppe aus Fauchen und Heulen hinter sich. Das war offenbar das von ihm losgeschickte Flugzeug. Die hier verharrenden Panzer zielten nach oben. Da kam das Flugzeug zurück, diesmal deutlich langsamer. Al-Hamit hörte den gedanklichen Befehl, den fünf Wesenheiten zugleich flüsterten. Alle Panzer zusammen schleuderten Feuerbälle nach dem Flugzeug. Es versuchte noch auszuweichen. Doch drei der fünf magischen Glutkugeln trafen es und hüllten es in eine orangerote Flammensphäre ein. Jetzt erkannte Al-Hamit einen Fehler in seiner Berechnung. In seinen Flugzeugen war nur ein Feuerdschinn eingekerkert, der noch dazu die Kraft seiner eigenen Geistesform nutzen konnte. Drei mit mehr als hundert Seelen gemästete Feuergeister gleichzeitig waren ihm dadurch überlegen. Das bestätigte sich, als das Flugzeug in einem weißen Blitz auseinanderplatzte. Al-Hamit sah und fühlte, wie von der zerstörten Maschine ein kurzer Kraftstoß zu einem der Panzer hinunterging und diesen förmlich mit neuer Kraft auflud. Das beseelte Fahrzeug hatte die Grundkräfte von zwei Dschinnen und einem Menschen in sich einverleibt. Damit war auch die Möglichkeit weg, dass die von Al-Hamit umgestalteten Flugzeuge die ausgerissenen Panzer besiegen konnten.

So blieb wirklich nur noch ein weg: Al-Hamit musste die Verbindungsgegenstände der gefangenen Dschinnen hervorholen und sie in einem magischen Ritual vernichten, womit er auch die eingekerkerten Dschinnen vernichtete. Dafür musste er jedoch in die Festung Al-Mudi zurück und die Panzer sich selbst überlassen.

Plötzlich überfiel ihn eine Erschöpfung, die ihn für einen Moment die Besinnung nahm. Er merkte nicht, wie er auf den Boden fiel und der Länge nach in den Wüstensand schlug. Er erwachte erst wieder, als einer der Panzer mit aufbrüllendem Motor auf ihn zukam. Der Trank der Unerschöpflichkeit hatte ihn zwar wieder aufgeweckt. Aber offenbar hatte er eine sehr große Entkräftung überwinden müssen. Der Panzer jedenfalls war entschlossen, ihn einfach niederzuwalzen und damit seine Seele aus dem Leib herauszupressen, um sie sich einzuverleiben. Da ergriffen ihn sechs Hände und rissen ihn nach oben. Die drei Leibwächter hatten ihn vor dem Zermalmen gerettet. Doch jetzt konnte er nicht mal eben so den Tausendmeilenschritt tun.

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Zur selben Zeit in der Festung Al-Mudi

Der fliegende Teppich der Morgensternbrüder schwebte über der Festung. Da ihn gerade keine magischen Lichtsphären umschlossen war er für deren Besatzung völlig unsichtbar. Allerdings wirkten die ausgeschickten Suchzauber offenbar nicht nur auf die dort beherbergten Dschinnen, sondern auch auf andere Wesen, die durchaus noch Handlungsfähig waren.

das laute Heulen von Alarmsirenen verriet, dass doch jemand in der Festung die Feinde bemerkte. Dann knurrte einer der mitreisenden Brüder: "da sind zehn lebende Sklaven, die von Al-Hamits Zauber durchdrungen sind. Hätten wir mit rechnen müssen."

"Den schützenden Schild, schnell!" befahl Iskandar. Doch da umgab den Teppich und seine Reiter bereits eine blattgrüne, halbdurchsichtige Sphäre. Mehdi grinste überlegen und war froh, dass das gerade niemand seiner Brüder sehen konnte. Denn sein Sandsturmfänger beherbergte den Schild des jungen Lebens, der gegen körperliche Angriffe schützte, die von mehr als hundert lebenden Bäumen abgehalten werden konnten und zudem mit den Namen der Kinder des Anwenders verknüpft waren. Drohte ein feindlicher Angriff, so entstand der Schild von selbst.

Die ersten Geschosse aus Schnellfeuergewehren prallten auf die grüne Sphäre und schwirrten und pfiffen als Querschläger davon. Dann kamen Sprenggeschosse angeflogen, prallten ab und zerbarsten zu wild umherwirbelnden Splitter- und Rauchwolken. Einige der Geschosse zerplatzten beim Aufschlag, brachten die grüne Sphäre jedoch nicht einmal zum flackern. Der Teppich glitt derweil über den Turm der Festung. "Die Dschinnen sind in einer großen Halle etwa hundertzwanzig Klafter unter uns", vermeldete Iskandar Al-Assuani.

"Sie schießen sich auf uns ein", stellte Jophiel Bensalom fest, weil immer mehr Sprenggeschosse zielgenau auf sie zuflogen. Sie hatten wohl nicht mehr viel Zeit für ihren vollendeten Angriff. Iskandar ergriff Jophiels Arm. "Mehdi, du bleibst mit dem Teppich über diesem Turm, bis dein Schild zu schwach ist. Dann verschwinde mit dem Teppich, egal, was uns da unten widerfährt", sagte der Ägypter. Mehdi lehnte das jedoch ab. "Wenn die uns eh angreifen können wir auch gleich alle landen", sagte er und ließ mit einem schnellen Kommando den Teppich über die Festung hinwegrasen und mindestens fünfhundert Meter weiter westlich landen. Die ihm nachgeschickten Sprenggeschosse gingen alle ins leere, weil die dort unten nicht wussten, wo ihr Gegner war.

"Ich bin zwanzig Jahre älter als du, Mehdi", knurrte Iskandar. Doch Mehdi Isfahani hatte die passende Antwort: "Ja, aber als Besitzer und Lenker des Teppichs habe ich die Gewalt über seinen Flug."

"darüber wird der Rat noch einmal zu reden haben", schnaubte der ägyptische Sonnenzauberer. Dann wollte er noch einmal den Ortungszauber bringen. Doch Jophiel riet ihm davon ab, weil er dadurch die Diener des Dschinnenmeisters wieder auf ihre Spur bringen würde. Inzwischen verlosch die grüne Schutzblase um den Teppich.

Umhüllt euch mit den Schilden der zehnfachen Eisenwehr!" befahl Iskandar. Die auf dem Teppich sitzenden Zauberer bewirkten die entsprechenden Zauber, die sie wie in silbrig flirrende Vollrüstungen einschlossen und sie für mindestens eine Stunde gegen körperliche Angriffe und jede Form von Feuerschaden unerreichbar machten. Bei Jophiel wirkte der Zauber sogar so gut, dass er wie ein gepanzerter Krieger in einer strahlend weiß leuchtenden Rüstung erschien, so hell, dass niemand ihn lange ansehen konnte, ohne schmerzende Augen zu bekommen. Offenbar kam das von seinem Silberstern, der eindeutige Schutzzauber um ein vielfaches verstärken konnte.

Als sie in die Festung hineinwechselten gerieten die dortigen Soldaten erst einmal in helle Aufregung. Diese nutzten die Morgensternbrüder aus, um mit Beruhigungs- und Erstarrungszaubern jeden aufkeimenden Widerstand zu unterbinden. Sie suchten nach dem Zugang zu der Werkshalle. Alle vor ihnen verschlossenen Türenließen sie mit dem Zauber der freien Wege aufspringen, alle ihnen in den Weg gestellten Hindernisse wurden durch denselben Zauber aus dem Weg gehoben und anderswo abgesetzt.

"Tötet die Eindringlinge!" brüllte sie eine Stimme aus hundert Mündern zugleich an. Jophiel wusste jedoch, dass es jene elektrischen Vorrichtungen waren, die Lautsprecher genannt wurden. Da kam ihm eine Idee. Er belegte sich selbst mit dem Weithallzauber, der die Kraft seiner Stimme vervielfachte und in einem großen Umkreis jeder hören und verstehen konnte, was er sagte. Dann griff er seinen Heilsstern und brachte ihn mit seinem Zauberstab in Berührung. Danach sang er das Zauberlied der verlöschenden Angriffslust. Die Luft erzitterte bei jeder Silbe. Als die Zauberformel beendet war umfloss sie alle hellrotes Licht, dass sogar die steinernen Wände, Decken und Böden erstrahlen ließ. Eine Woge aus Wärme und Ruhe brandete durch jeden hier in dieser Festung. Jede Feindseligkeit verebbte und würde innerhalb der nächsten zwölf Stunden nicht mehr erweckt werden. Dass dieser gutartige Zauber auf fünfzig hier dienende Menschen quälend wirkte hatte Jophiel nicht bedacht und sicher nicht beabsichtigt.

Oberst Al-Mottasadek krümmte sich, als er die magischen Worte hörte und schrie auf, als ihn die volle Kraft der gutartigen Magie traf. Er kämpfte gegen den Drang an, sich hier sicher zu fühlen. Was immer die gemacht hatten, er verlor an Kraft. Dann fiel er um und verlor die Besinnung, während seine Soldaten von jeder Anspannung erleichtert wurden und sich verwundert umsahen, warum gerade Alarm gegeben wurde.

Nun war der Weg frei bis zu jener Halle, in der die gefundenen Dschinnen eingelagert waren. Mit dem Zauber der freien Wege war auch das massive Panzertor kein Hindernis.

In der Halle trafen sie auf am Boden liegende Männer, die wie von einem Schlag getroffen da lagen. Jophiel erkannte, dass sein Befriedungszauber auf die von Al-Hamit gebannten wie ein Schmerz- oder Betäubungszauber gewirkt haben musste. Hoffentlich lagen die nicht alle in einer unaufweckbaren Ohnmacht. Doch wenn sie jetzt hier waren, dann wollten sie den Plan umsetzen, den sie vor ihrem Abflug gefasst hatten.

Sie suchten zunächst die mit erstarrten Dschinnen besetzten Behälter und Fahrzeuge und trugen sie alle auf einen großen Haufen zusammen. Natürlich konnten sie die Panzer nicht mit bloßen Händen tragen. Doch mit vereinten Bewegungszaubern schafften sie es, die tonnenschweren Kriegsgeräte so zu ordnen, dass sie wie die zylinderförmigen Körper aus Silber und Kupfer einen großen zusammenliegenden Haufen bildeten.

Iskandar, sowie zwei andere der Dschinnenkunde mächtige Morgensternbrüder, schnitten sich mit goldenen Messern in die Handflächen und ließen ihr Blut daraus tropfen, um ein aus ihrer eigenen Lebenskraft bestehendes Pentagramm zu zeichnen. Als dieses vollendet war umschlossen sie dieses mächtige Zauberzeichen noch mit einem doppelten Kreis, in den sie überall da, wo der Kreis auf die Spitzen des Pentagrammes traf, eine Verbindungslinie wie eine Radspeiche einzogen. Als auch diese Vorbereitung getroffen war heilten die noch übrigen Zauberer die Wunden der Blutspender. Dann betrag Jophiel den umgrenzten Bereich, ohne eine der Linien mit dem Fuß zu berühren. Sie waren darüber eingekommen, dass ein Zauber, der sämtliche eingesperrten Seelen betreffen sollte, durch Jophiels mächtige Formel noch besser wirken würde. So kletterte dieser auf einen der magisch bewegten Panzer. Dieser begann unvermittelt zu erbeben. Jophiel ahnte, dass die darin eingesperrten Dschinnen erwachten und versuchten, frei zu handeln. Er bückte sich und drückte seinen Silberstern auf die Deckplatte des Panzers. Ein weißgoldener Blitz zuckte durch das gepanzerte Kriegsfahrzeug. Das Zittern erstarb in dem Moment. Jophiel hatte von seinem Vater gelernt, dass der Silberstern bei Berührung mit einem feindseligen Wesen dessen Kraft lähmte, je stärker es ihn und andere hasste desto heftiger. War dieses Wesen mit dunkler Magie erfüllt wurde diese ausgetrieben, leider auch sehr schmerzhaft für das betreffende Wesen, wie die Angelegenheit mit der Dienerin Ilithulas bewiesen hatte.

Nun hob Jophiel den Silberstern, der leicht erwärmt in seiner Hand lag und richtete ihn so aus, dass seine eigenen abgerundeten Enden mit den Enden des Blutpentagramms deckungsgleich waren. Dann rief er die mächtige Formel aus, die alle Kinder Ashtarias lernten.

"Alaishadui Siri,
Alaishaduan a sogaharan Iri.
U Alaishaduim Godiri,
san Arwoxaran Laishandan Miri!"

Diesmal erfüllte kein weißgoldenes Licht den ganzen Raum. Diesmal strahlten fünf weißgoldene Lichtstrahlen aus dem Heilsstern und bildeten durchgehende Linien aus, die mit dem Blutpentagramm verbunden wurden. Dieses erglühte nun und wurde immer heller. Dann sprühten Funken aus den Linien des Pentagrammes heraus und bildeten eine flirrende, flackernde Wand, die bis zur Decke reichte. Die Funkendichte wurde immer größer, bis mit einem mal fünf weißgoldene Lichtwände aufragten, die von Jophiels Seite her halbdurchsichtig waren. Der Heilsstern sendete noch zwei Sekunden lang seine fünf Lichtbahnen aus. Dann erloschen diese. Die Lichtwände blieben jedoch bestehen. Jophiel hängte sich den Heilsstern wieder um und stieg von dem Panzer herunter. Ob er das von ihm nun mit mächtiger Magie aufgeladene Zeichen verlassen konnte wusste er nicht. Falls nicht, dann konnte nur er die Befreiung der gefangenen Seelen einleiten. Aber dann würden diese vielleicht versuchen, ihn anzugreifen, Silberstern hin oder her. Er ging auf die nächste Lichtwand zu und berührte diese mit seinem Silberstern. Sie leuchtete noch heller. Er hob einen Fuß an, um einen weit ausgreifenden Schritt zu tun. Sein Fuß durchdrang die Lichtwand. Er fühlte einen Wärmeschauer durch den Silberstern in seine Hände und durch seinen Körper fließen. Doch er schaffte es, seinen Fuß außerhalb des Doppelkreises aufzusetzen. Schnell zog er den zweiten Fuß nach und stand nun außerhalb der fünf Lichtwände. Er drehte sich sofort um, um seinen Heilsstern darauf zu richten. Denn er wusste, dass dieser die Magie immer noch aufrechthielt. Ging er zu weit fort, würde der Zauber vielleicht erlöschen.

"Versucht es jetzt", sagte er seinen Mitbrüdern. Diese stellten sich nun so, dass jeder eine Spitze des Pentagramms abdeckte. Dann sangen sie den Zauber des leuchtenden Tores, den mit Abstand mächtigsten Geistererlösungszauber überhaupt. Mit ihm konnten ähnlich wie mit der silbernen Flamme des essentiellen Lebens Geister aus dem Dies- in das Jenseits hinübergeführt werden. Doch Dschinnen waren der irdischen Welt so sehr verhaftet, dass ihnen die Beziehung zum Tod fremd geworden war. Deshalb mussten sie mit dem Zauber des leuchtenden Tores dazu veranlasst werden, hinüberzugehen.

Über dem Kreis bildeten sich blutrote Lichtsäulen, die bis zur Decke ragten. Dann bogen sie sich nach innen und trafen auf die Lichtwände. Diese wechselten die Farbe und wurden Sonnenaufgangsorange. Dann sprachen die Zauberer eine altägyptische Litanei, die Iskandar Al-Assuani vorsprach. Sie rief die gepeinigten oder in der Welt zurückgehaltenen Seelen auf, ohne Furcht in das Licht zu treten. Normalerweise würden sie innerhalb einer roten Kuppel sein. Doch durch Jophiels Zauber war diese nun orange.

Die Zylinderkörper erzitterten. Dann wurden sie Durchsichtig. Darin erkannten sie hellrote und hellblaue Erscheinungen, die wie aus sich selbst leuchtende Menschen in liegender Haltung aussahen. Sie wanden sich und streckten sich. Ihre Arme und Beine durchdrangen die äußere Umhüllung, die immer durchscheinender wurde. Dann stießen sich die eingelagerten Geister ab und durchbrachen die sie umschließenden Hüllen. Sie sprangen förmlich nach oben, sahen sich um und schnellten dann auf die außen wartenden Zauberer zu. Wenn einer dabei eine der Lichtwände berührte glühte er weiß auf und zerfloss dann. Jeder hier vermeinte einen kurzen Freudenschrei zu hören. Doch die gefangenen Geister, die nun auch aus den durchsichtig werdenden Panzern brachen waren nicht wirklich begeistert von dieser Aussicht, eins mit einer von fünf Lichtwänden zu werden. Sie machten wütende Gesten gegen die orangen Wände und versuchten, möglichst weit davon entfernt zu bleiben. Sie begannen, sich zu verknäulen. Da rief Jophiel laut auf Arabisch: "Gefangene Seelen, fürchtet euch nicht! Seid befreit von der Knechtschaft und geht in das Licht!" Sein Silberstern glühte dabei im selben orangen Licht wie die fünf Lichtwände. Die aus ihren stofflichen Kerkern gelösten Geister heulten und schnaubten. Dann trat einer vor und sprang in das orange Licht hinein. Auch er glühte erst weiß auf, um dann zu zerfließen. Die anderen gaben auch den Kampf um den Verbleib in der Welt auf und warfen sich ins Licht, wie ein Schwarm todessüchtiger Motten in ein Feuer. Doch für die Geister war das keine Vernichtung, sondern die längst überfällige Befreiung aus der magischen Unterdrückung, die sie in dieser Welt festgehalten und zu Sklaven gemacht hatte. Alle dreißig blaue und rote Geisterwesen fanden auf diese Weise ihre Erlösung. Die mit ihnen beseelten Gegenstände rosteten im Zeitraum einer Minute und fielen leise knarrend und klappernd zusammen. Selbst die tonnenschweren Panzerfahrzeuge brachen unter der eigenen Last zusammen und wurden zu rostbraunen Staubhaufen. Auch die hier bereits fertigen Flugzeuge ereilte dieses Schicksal, als die aus ihnen gelösten Luft- und Feuergeister ihren Weg in die Nachtodesform nahmen. Als nichts mehr zu erkennen war, in dem eine gebannte Seele hätte stecken können, sanken die orangen Lichtwände in den Boden ein, bis nur noch die orangeroten Linien des Pentagramms zu erkennen waren. Der Massenexorzismus, die vereinte Austreibung so vieler Geister zugleich, war vollendet. Doch was würde jener tun, der diese Geister zu seinen niederen Dienern gemacht hatte, und wo waren die bereits von ihm fertiggestellten Mordfahrzeuge?

"Wir müssen Unterlagen suchen, wohin die anderen geschickt wurden, damit wir auch diese befreien können", sagte Mehdi Isfahani. Die anderen stimmten zu.

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Zur selben Zeit in der irakischen Wüste bei den beseelten Spähpanzern

Al-Hamit hing wortwörtlich in der Luft. Doch er sah, wie drei Panzer ihre Geschützrohre auf ihn richteten. "Runterlassen, schnell!" rief er seinen drei Dienern zu. Diese gehorchten. Die drei Feuerbälle schwirrten leise sirrend über ihn hinweg und zersprühten mit leisem Puff einige Dutzend Meter von ihm entfernt.

Al-Hamit konnte sich noch nicht konzentrieren, um den Tausendmeilenschritt zu tun. Noch hatte ihm der Trank nicht alle Kräfte zurückgegeben, die er brauchte. Der auf ihn zurasselnde Panzer war nur noch fünfzig Schritte entfernt. Mit jeder Sekunde wurden es zehn Schritte weniger. Al-Hamit deutete auf den gegen ihn anfahrenden Panzer. Seine Gardisten warfen sich sofort vor ihn in den Weg und schafften es, ihn wahrhaftig abzubremsen, dass die Ketten knirschten und Funken sprühten.

Der Geistermeister wollte schon frohlocken, dass seine Diener stärker waren als das beseelte Metall. Da sah er von oben eine blaue Erscheinung, größer als ein Drache. Vier baumstammdicke Arme schnellten nach unten und packten das gepanzerte Kettenfahrzeug, das gerade versuchte, sein Geschützt auszurichten. Eine der riesigen Hände umklammerte das Rohr. Es zischte laut, als würde jemand sehr viel Luft irgendwo hineinblasen oder aus etwas anderem heraussaugen. Das Geschützrohr beulte sich ein, wurde immer eliptischer und schließlich völlig zusammengedrückt. Der von den drei anderen Händen festgehaltene Panzer versuchte, das unbrauchbare Rohr zu lösen. Doch da wurde das Fahrzeug einfach angehoben und dann umgeworfen.

Al-Hamit bekam große augen, als er erkannte, wer oder was den Panzer so gründlich außer Gefecht gesetzt hatte. Es war ein mehr als zwanzig Meter großer, leicht blau schimmernder, als in klare Formen gebrachter Nebel wirkender Körper eines Menschen mit vier Armen und zwei Köpfen. Da war ihm klar, dass die Rettung keine Rettung war, sondern nur die Aussicht auf einen anderen qualvollen Tod. Dann sah er weit über sich auch noch mehrere feuerrote Lichtgebilde, die von zwei weiteren blauen Dunsterscheinungen begleitet wurden und wie wartende Geier über ihm kreisten. Jetzt verstand er, was ihm da bevorstand. Das waren die aus den drei aus seiner Herrschaft freigekommenen Flugzeugen herausgelösten niederen Diener, die nun jedoch schon wie höhere Dschinnen aussahen. Hatten die ihn derartig erschöpft?

Die vier weiteren Panzer erkannten offenbar die neuen Gegner und versuchten auf diese zu schießen. Doch die aus der Luft niederfallenden Feuerdschinnen fingen die Glutbälle aus den Geschützrohren auf, und die Luftdschinnen ergriffen die Panzer, um sie einfach umzudrehen, das sie mit den Ketten nach oben hingen. Der vierarmige Luftschinn mit den zwei Köpfen bdrückte wieder die Geschützrohre platt, ja brach sie sogar ab. Dann wurden die Panzer einfach fallen gelassen. Wie Käfer auf dem Rücken lagen sie da und brüllten mit ihren Motoren gegen diese Lage an. Die Raupenketten kreisten laut singend, bekamen aber keinen Halt, um die Fahrzeuge wieder in die richtige Lage zu drehen.

Endlich hatte Al-Hamit seine gesamte Kraft wiedergewonnen. Er vertat keine weitere Sekunde damit, zu warten, bis die freien Dschinnen sich ihm wieder zuwenden konnten. Er verschwand einfach mit dem Tausendmeilenschritt. Somit hatten die anderen Geister ihn doch gerettet, auch wenn sie das nicht gewollt hatten. Seine Leibgardisten waren jedoch vor Ort geblieben. Sollten die doch mit den neuen Gegnern kämpfen.

Als er in der Höhle der seufzenden Seelen ankam erwartete ihn die nächste sehr unerfreuliche Überraschung. Er stand zwar in der Höhle. Doch um ihn herum loderten blaue und silberne Flammen. Er hörte die geistigen Aufschreie erst leidender und dann erleichterter Seelen. Er fühlte, wie seine Kräfte wieder schwanden und taumelte. Da wo der Höhlenausgang war krachten gerade Felsstücke zu Boden. Jedesmal, wenn eine der magischen Flammen die Decke traf, brach ein Gesteinsbrocken heraus und stürzte zu Boden. Al-Hamit kämpfte um seine Besinnung und sein Gleichgewicht. Er musste hier wieder raus, bevor eines der Trümmer ihn traf. Wieso brannte es hier überhaupt?

Er versuchte erneut, den Tausendmeilenschritt zu tun. Doch er konnte sich nicht recht darauf konzentrieren. Die Kraft des geschluckten Zaubertrankes ließ nach. Das hier lodernde Feuer entzog ihm geistige Energie. Da begriff er, was passiert sein musste. Irgendjemand hatte mit einem mächtigen Freisprechungs- und Austreibungszauber alle hier gelagerten Verbindungsartefakte entladen. Diese Entladung hatte die Fackel des Shiva entzündet, einen aus reiner Seelenkraft bestehenden Feuerzauber, der alles tote zerstörte und sich von der Seelenkraft lebender und geistförmiger Erscheinungsformen nährte. Er sah eine der blauen Flammen knapp an ihm vorbeizischenund fühlte, wie seine Sinne schwanden. Zwar wallte in ihm noch einmal eine neue Kraft auf, die ihn wachhalten sollte. Doch er würde gleich von einer Flamme berührt und dann nur noch ein seelenloser Körper sein. Ihm blieb nur noch eins.

"Oh Vormutter Königin Bilkis, gewähre deinem Nachgeborenen deine große Gnade!" rief er aus. Die unter seinem Gewand getragene Brosche, in die laut seinen Vorfahren ein Blutstropfen der mächtigen Königin von Sabah eingeschlossen war, vibrierte. Die Vibration erfasste seinen ganzen Körper. Dann sah er um sich herum ein blaues Leuchten und fühlte keinen Boden mehr unter den Füßen. Er fand sich in Mitten einer blauen Lichtkugel schwebend, irgendwo zwischen den Dimensionen von Raum und Zeit. Er hörte ein dumpfes, gleichmäßiges Pochen wie von einem sehr großen Herzen. Dann vernahm er eine weibliche Stimme, die aus allen Richtungen zugleich kam:

"Mein Nachgeborener, Sohn meines Blutes. Du hast dir die Ungnade aller lebenden Menschen und aller Geister zugezogen, die zu deiner Zeit leben. Auch meinen Zorn hast du erweckt, weil du mit meinem Blut in deinen Adern deiner grausamen Machtgier verfallen bist. Dafür habe ich deinen Vorvater nicht geboren. Dafür haben nicht so viele meiner Nachgeborenen ihr Leben gegeben und sind in die Gefilde des ewigen Friedens übergetreten. Du hast mich sehr verärgert, mein Nachgeborener. Dass du dann, wo du vor der brennenden Ruine deiner einstürzenden Träume standest, um meine Gnade ersucht hast, hat mich zwar zu dir geführt, aber meinen Zorn nicht gemildert. In dein bisheriges Leben kann und will ich dich nicht mehr zurückschicken. Aber in die Gefilde des ewigen Friedens will ich dich auch nicht einkehren lassen. Dort gehörst du nicht hin. Ich hätte nicht übel Lust, dich selbst zu einem eingekerkerten Flaschengeist zu machen. Doch mir kommt etwas besseres in den Sinn."

Unvermittelt fühlte Omar ben Faizal Al-Hamit, wie sich etwas auf seiner Brust erhitzte und seinen ganzen Körper durchströmte. Dann war ihm, als walgten unsichtbare Hände an ihm herum, kneteten, zerrten und drückten ihn von außen und von innen. Er schhrie auf vor Schmerzen. Seine Stimme wurde dabei immer höher. Dann war es vorbei. Er stürzte Kopfüber in einen hellblauen Schlund hinein, an dessen Ende eine dunkle Höhle lag. Er fiel auf den harten Boden und sah erst nur Dunkelheit um sich herum. Dann fühlte er, dass etwas anders mit ihm war. Er erschauerte. Als er sich dann behutsam abtastete erkannte er, was anders war. Er war nicht mehr Omar Al-Hamit, denn er steckte im Körper einer Frau oder eines gerade erst erblühten Mädchens. Die Erkenntnis über diese Verwandlung ließ ihn laut aufschreien. Seine Stimme hallte hoch und glockenhell von fernen Höhlenwänden wieder. Er spürte die ihm gewachsenen langen Haare, fühlte die ihm entsprossenen Rundungen und ertastete seinen veränderten Schoß. Er war unbekleidet hier gelandet. Doch die Brosche der Königin und den Zauberstab hatte er noch. "Zieh dir die Kleidung an, die ich dir gleich sende. Dann geh hinaus aus meiner Geburtshöhle und lebe das Leben, dass ich dir geschenkt habe!" hörte er die Gedankenstimme seiner Urmutter und fragwürdigen Lebensretterin.

"Nein, das will ich nicht. Du hast mich in ein schwaches Weib verwandelt", kreischte er und erschrak, wie schrill seine Stimme klang, die nicht mehr seine Stimme war.

"Du bist noch kein Weib. Du bist ein gerade erst achzehn Sommer altes Mädchen, noch unberührt. Du bist meine nachgeborene Tochter, Sirah Aysha Bint Sulaiman. In diesem Körper wirst du weiterleben und deine bösen Taten sühnen, indem du den findest, der von deinem und meinem Blute ist, aber keine nach außen wirksamen Kräfte hat, denjenigen, den du beinahe durch deine Untaten getötet hast. Gewinne seine Liebe ohne dunkle Zaubermacht und werde seine Frau! Gebäre ihm vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter und lebe mit ihm in Frieden und Wohlgefallen vor mir und deinen Voreltern. Wenn du deinen ersten Urenkel siehst darfst du sterben und in die Gefilde des ewigen Friedens eingehen. Wenn du das alles nicht vermagst oder dich dieser Sühne verweigerst und stirbst, so wirst du im Leibe einer Ziege, Stute, Kuh oder Sau empfangen und als deren Tochter zurück auf die Welt gelangen, wo du das Schicksal dieser Art von Vieh erduldenund erleiden musst, bis du wieder stirbst und wieder im Leibe einer Stute, Ziege, eines Schafes, einer Kuh oder einer Sau empfangen wirst und wieder als deren Tochter zurück auf die Welt gelangst. So wirst du dann ewig von Körper zu Körper wechseln, bis die Welt endet. Ein Mann zu sein wird dir durch mich und meine Macht verwehrt bleiben. Also ergreife die Möglichkeit, die ich dir biete! Die Brosche wirst du behalten und an die erste Tochter weitergeben, die du zur Welt bringst. Stirbst du ohne eine Tochter wird sie hierher zurückkehren, wo du jetzt erwacht bist. Sie ist mein Auge und Ohr in der Welt. Legst du sie ab oder gibst sie jemandem ganz aus eigener Absicht, die nicht aus deinem Schoße geboren wurde, so fällst du um und erfährst das dir eröffnete Schicksal. Aber meine Gnade werde ich dir nicht mehr gewähren. Dies musste ich nur einmal tun."

"Ich soll einen Burschen heiraten, mich von dem schwängern lassen und das viermal?"

"So ist es", hörte er die Gedankenstimme der uralten Königin.

"das kannst du mir nicht antun. Ich bin der nachgeborene Sohn von dir und Sulaiman, dem mächtigsten Magier der Welt."

"Jetzt nicht mehr. Jetzt bist du die Trägerin meines und Sulaimans Blutes, eine Prinzessin, wenn du das vielleicht gerne hörst. Prinzessinnen haben die Pflicht, ihr Blut zu mehren und die Ahnenlinie, in die sie hineingeboren wurden, zu verlängern. So geh hinaus, Sirah Aysha Bint Sulaiman und sühne deine bösen Taten durch ein fruchtbares und ehrenvolles Leben!"

"Es gibt Zauber und Tränke, um mir meinen eigentlichen Körper wiederzugeben", knurrte Al-Hamit und meinte, eine ungezogene junge Frau zu hören. War er das jetzt wirklich? Träumte er das vielleicht sogar alles? Er kniff sich in die linke Brust, die ihm gewachsen war und zuckte schmerzvoll zusammen. Das tat ja richtig weh. Er träumte nicht, zum Sheitan noch mal.

"Wenn du versuchst, deinen Körper zu ändern wirst du scheitern. Mit meinem Segen eines zweiten Lebens habe ich dich gegen alle Formen der Verwandlungen gefeit. Die Kraft von mir und aller mit mir in Verbindung stehenden Nachgeborenen hat mir diese Macht gegeben. Und jetzt erhebe dich, empfange die neue Bekleidung und verlasse die Höhle meiner Geburt!"

"Und wenn ich mir hier und jetzt den Tod gebe?" fragte Al-Hamit, immer noch erschauernd, wie anregend rein seine Mädchenstimme klang.

"Wirst du bald als weibliches Ferkel, Zicklein, Fohlen oder Kälbchen wiederkehren und bereits weit vor deiner Wiedergeburt alles um dich herum wahrnehmen. Mein Wort ist gesprochen, mein Handeln geschehen. So geschehe, was gesagt wurde." damit verstummte die Stimme der mächtigen Königin von Sabah. Ihr Urteil war gesprochen und vollstreckt.

Die Aussicht, sich im Bauch einer trächtigen Ziege oder Kuh wiederzufinden hielt Al-Hamit davon ab, sich den schnellen Tod durch Zauberkraft zu geben. Er berührte sich noch einmal von oben bis unten. Er hatte in seinem Leben schon einige Jungfrauen beschlafen, die er nur seines Vergnügens willen unterworfen hatte. Jetzt war er selbst eine. Ja, und er musste sich vor denen hüten, die wie er waren und er musste den finden, den er ... heiraten sollte. Aber wer war das? Er fragte in Gedanken nach dem Namen dieses Mannes. tatsächlich bekam er eine Antwort: "Mein Erbstück wird sich erwärmen, wenn du ihm begegnest. Doch warte nicht zu lange. Denn wenn er selbst eine andere erwählt und geehelicht hat wirst du niemals in die Gefilde des ewigen Friedens einkehren. Und nun folge meinem Wort und verlasse diesen Ort!"

Al-Hamit entzündete den Zauberstab. Er war mit Drachenherzfaser verstärkt. Er hatte mal gehört, dass es ein Drachenweibchen gewesen sein sollte. Das würde jetzt wohl zu ihm oder ihr passen. Aus dem Nichts heraus landete ein Bündel Kleidung wie für ein unverheiratetes Mädchen. Sogar ein Schleier war dabei. Sirah Aysha Bint Sulaiman griff widerwillig nach den Sachen und musste erst herausfinden, wie was anzulegen war. Erst als sie sicher war, dass sie alles richtig am Leib trug hob sie ihren Zauberstab, um den Tausendmeilenschritt zu tun. Doch wo sollte sie hin? Als sie es wusste, verschwand sie aus der Höhle, hinein in das ihr anbefohlene neue Leben.

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In der Wüste bei den umgeworfenen Panzern, fünf Minuten nach Al-Hamits Verschwinden

"Du elender Feigling!" hatte Wolkenschreck-Feuerklinge mit beiden Mäulern zugleich gebrüllt. Dieser Schweinehund von einem Zauberer hatte sich glatt weggebeamt. Damit hätte er doch rechnen müssen, wo er zwei Köpfe hatte.

Jetzt griffen ihn starke Gegner an, auch Luftgeister wie er einer geworden war. Sie versuchten, ihm in den Bauch zu beißen oder ihm die beiden Köpfe abzureißen. Doch Wolkenschrecks Kameraden kamen sofort herangeschossen und standen ihm bei. Als die Feuergeister auch noch in den Kampf eingriffen gelang es, die drei kämpfenden Luftgeister in Fetzen zu zerreißen und so stark zu erhitzen, dass ihre aus reiner Luft bestehende Substanz blau leuchtend in den Himmel emporschoss wie Dampf aus einem Überdruckventil. Ihre geistige Essenz schrie noch einmal auf, bevor Wolkenschreck und die anderen Luftgeister sie in sich aufsaugten. Die Feuergeister waren zwar nicht davon begeistert, dass sie nichts von der Beute abbekommen hatten. Doch sie hofften darauf, die in den umgekippten Panzern steckenden Ex-Kameraden vertilgen zu können. Sie schwebten lauernd über den mit den Ketten nach oben liegenden Panzern.

Mehrere Minuten lang schwirrte Wolkenschreck-Feuerklinge nun herum und lauschte, ob er diesen Sohn einer reudigen Hündin nicht wiederfinden konnte, nachdem er es zumindest geschafft hatte, seine freigelassenen Artgenossenin den Panzern wiederzufinden. Doch er hörte ihn und spürte ihn nicht. Dann, mit einem Mal, durchzuckte ihn, der keinen lebenden Körper mehr hatte, ein heftiger Schmerz. Er schrie auf. Er merkte, wie ein unsichtbares Feuer ihn verbrannte und in zwei Teile zerschnitt. Dann fühlten sowohl Wolkenschreck als auch Feuerklinge, dass sie wieder für sich alleine waren. Alle böse Zaubermacht, die sie zusammengebacken hatte, war verbrannt. Sie fühlten, dass sie frei schwebten und sahen unter sich die umgekippten Panzer in einem silbernen Licht glühen und dann einfach zu großen Haufen aus Rost zerfallen. Aus den Rosthaufen stiegen weiße, durchsichtige Körper, erst je fünf und dann aus diesen immer mehr. Auch Wolkenschreck fühlte, wie aus ihm etwas herausdrängte, erwachende Seelen, die sich aus dem lösten, was er vorher noch war. Sie fügten sich wieder zusammen, trennten sich von ihm und schwebten als reine, blütenweiße Gestalten aus ihm heraus. Er sonderte Gespenster ab, genau wie die aus den Panzern gekommenen. Jede derartige Freisetzung erleichterte sein Gewissen. Er hatte als eine Art Doppelkopfdämon böses getan, mehrere Dutzend Menschen umgebracht und deren Seelen in sich eingesaugt. Die kamen jetzt wieder frei. Doch was würde sein? Würden sie nun als Wüstengeister weiterspuken müssen? Die Antwort erhielt Wolkenschreck, als die letzte von ihm einverleibte Seele aus ihm freigekommen war. Alle Geisterwesen erstrahltenin einem immer helleren Licht. Er selbst sah vor sich einen silbernen Tunnel, in den er hineinschwebte. Und am Ende dieses sich drehenden Tunnels schien ein Licht noch heller als die Sonne. Und er hörte Stimmen, die seinen Namen riefen. Er folgte ihnen, hinein in das Licht.

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Im Armeehauptquartier der irakischen Streitkräfte, 28.02.2003 christlicher Zeitrechnung, 15:52 Uhr Uhr Ortszeit

General Abudei erhielt gerade die nachricht, dass sämtliche umgebauten Panzer in einem silbernen Licht verglühten, als ein ungeheurer Hitzestoß durch seinen Körper raste. Er schrie auf und fiel von seinem Stuhl. Das nächste, was er mitbekam war, dass er über seinem zusammengekrümmt daliegenden Körper schwebte und über sich den Eingang eines Lichtertunnels sah, aus dem ihm leise Stimmen entgegenriefen. Auch fühlte er, dass er von einer mörderischen Last befreit worden war. Jemand hatte ihn mit Sheitansmagie dazu verurteilt, für ihn zu arbeiten, um mit ähnlichem Zauber besudelte Panzer und Flugzeuge zu verteilen. Das ließ ihn reuevoll aufstöhnen, obwohl er keine körperliche Stimme mehr hatte. Dann erkannte er, dass er die Wahl hatte, in den sich öffnenden Tunnel zu gleiten oder sich an diese Welt zu klammern und auf ewig darin herumzuwandeln. Er wählte den Tunnel.

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zur gleichen Zeit im Büro von Iraks Staatschef Saddam Hussein

"Wie bitte?! Alle neuen Panzer sind verglüht und haben dabei noch alle neben ihnen stehenden Panzer verrosten lassen? Was für einen Haufen Kamelscheiße erzählen Sie mir da?!" entrüstete sich der mächtigste Mann des Iraks am Telefon. Erst als es ihm gelang, seine Wut zu zügeln und zuzuhören erfuhr er, was passiert war. Dieser sogenannte Wunderschmied hatte ihm und seinem Militär ein fieses verfaultes Vogel-Roch-Ei gelegt. Ein Großteil seiner Bodenstreitkräfte war geschwächt. Die neuen Panzer waren völlig zerstört und hatten dabei wie mit einem Virus die unbehandelten Panzer mit Rost angesteckt. Wenn die Mechaniker die befallenen Teile nicht austauschten würde sich der Rost auf die gesamten Panzer ausbreiten. Außerdem waren die Generäle Rahman und Abudei an ihren Schreibtischen umgekippt, womöglich Schlaganfälle. Ob das mit der plötzlichen Durchrostung der Panzer zu tun hatte wusste er nicht. Jedenfalls hatte ihm dieser Wunderschmied die Aussichten auf einen Sieg in einem kommenden Krieg verdorben. Schlimmer noch: Wenn seine Feinde erfuhren, dass seine Armee geschwächt war würden sie gnadenlos angreifen und ihn hinwegfegen wie ein Besen den Bodenstaub. Er konnte nur froh sein, dass er noch zwei aktive Doppelgänger hatte. Bushs Cowboys und die Schweinefresser aus England und wer noch alles gegen ihn marschieren wollte würden ihn nicht kriegen. Er würde rechtzeitig untertauchen und abwarten, bis die Hurensöhne aus dem Westen sich an seiner noch bestehenden Armee Blutige Nasen geholt hatten und seine treuen Stellvertreter das Land wieder frei von den Ungläubigen gemacht hatten.

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In der Zentrale der CIA in Langley, Virginia, 28.02.2003, 11:20 Uhr Ortszeit

Brenda Brightgate erfuhr von einer Eilkonferenz, zu der alle Innendienstmitarbeiter der Nahostabteilung gerufen worden waren. Da sie nicht dazugehörte konnte sie zunächst nur abwarten, wie es ausging. Als der Abteilungsleiter sie dann über die verschlüsselte Leitung anrief erfuhr sie, dass irgendeine Art von Bombe mehrere Dutzend Panzer Saddams und einige gerade fliegenden Flugzeuge zerstört hatte und einige hochrangigen Offiziere einfach so an ihren Schreibtischen tot umgefallen waren. Außerdem war bis um 15:52 Uhr Bagdadzeit ein Muster schwacher elektrischer Entladungen gemessen worden, dass sich in Nord-Süd-Richtung durch das Land bewegt hatte. Es sollte geklärt werden, ob alle diese Ereignisse auf dieselbe Ursache zurückzuführen waren. "Tja, und als ich die Bestätigung bekam, dass Saddam wirklich mehr als hundert Panzer verloren hat habe ich sofort den Präsidenten angerufen und vorgeschlagen, die Gunst der Stunde zu nutzen und den angekündigten Präemptivschlag zu führen, um die Führung in Bagdad zu entmachten, ohne viel von unserem und deren Blut zu vergießen. Aber der Präsident hat gemeint, dass das rüberkäme, als seien wir Aasgeier. Außerdem hätten wir dann zu erklären, woher wir wüssten, dass das Regime einen Gutteil seiner Bodengefechtsausrüstung eingebüßt hat. Er will offenbar nicht in Verdacht geraten, daran gedreht zu haben. Er will lieber einen Grund haben, der uns als Erretter des irakischen Volkes und der Region rüberkommen lässt, was ich auch verstehen kann. Ich wollte Ihnen das nur mitteilen, weil Sie ja für uns die Sache mit den geisterhaften Stromentladungen überprüfen."

"Und wir haben mit dieser Panzerzerstörungssache nichts zu tun?" wollte Brenda wissen.

"Öhm, sagen wir es mal so: Mir hat niemand das gesagt, ob oder ob wir damit was zu tun haben oder nicht. Ich wüsste jetzt auch nicht, wie wir sowas hinkriegen könnten. Das wäre ja die ultimative Abschreckung überhaupt, weil damit nicht nur Militärgerät sondern auch zivile Infrastruktur zerstört werden könnte. Hoffentlich haben unsere russischen Kollegen das noch nicht spitzgekriegt. Die denken dann sicher, dass wir das waren."

"Oder die Chinesen. Auch keine schönen Aussichten. Am Ende war das alles böses Zauberwerk, um Saddam fertigzumachen, oder?" erwiderte Brenda.

"Nein, kann es deshalb nicht gewesen sein, weil ein schwarzer Magier diesem Diktator eher geholfen hätte, unbesiegbar zu werden, damit der von sich aus seine Nachbarländer überfällt und uns alle mit aus der Welt schafft", sagte Brendas Gesprächspartner. Sie nickte nur. Denn sie hatte ja genau sowas über Umwege erfahren, wenngleich ihre Cousine, die kurz vor der Entbindung stand, nicht klar benennen konnte, wer und wie da was gedreht hatte. Sie verabschiedete sich von ihrem Gesprächspartner und wünschte ihm noch einen erfolgreichen Tag. Dann nahm sie mentiloquistischen Kontakt zu ihrer Cousine Justine auf und meldete ihr die Neuigkeiten.

"Geh davon aus, dass diese blauen Morgensterne das gemacht haben, eben um die Machenschaften eines Schwarzmagiers zu beenden. Im Übrigen haben vor einer Stunde die ersten Wehen bei mir eingesetzt. Das Kleine will wohl doch kein Märzbaby werden", hörte sie die leicht gequälte Gedankenstimme ihrer Cousine. Die würde also erst mal nicht dazu kommen, die Neuigkeiten weiterzumelden.

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Im Büro des Menschen-Zauberwesen-Beauftragten Julius Latierre, 28.02.2003, 16:30 Uhr Ortszeit

Bärbel Weizengold hatte dem durch Halbriesenblutzufuhr sehr groß und athletisch geratenen Kollegen in Frankreich gerade mehrere Akten in die Hand gedrückt und sich mit ihm darüber unterhalten, was in ihrer Heimat passiert war und auch, was in den Staaten schon wieder los war. Julius Latierre hatte ihr daraufhin erklärt, dass sie immer noch nach Silvester Partridge suchten und dass jetzt wieder eine wilde Diskussion im Gang war, ob der zum Baby zurückverjüngte Milton Cartridge nicht doch wieder Minister werden könnte oder sie wieder wen ganz neuen nehmen und auf diesen brennenden Schleudersitz setzen sollten. Da klopfte es an die Tür. Julius fragte Bärbel, ob sie noch was ganz geheimes erzählen müsse. Sie schüttelte den Kopf. Er rief: "Herein!" Eine Frau mit dunkelblonden Haaren trat ein und begrüßte sie und Julius.

"Morgen früh möchte ich gerne eine Besprechung mit allen Innen- und Außendienstmitarbeitern wegen der Lage im Irak abhalten, Monsieur Latierre. Bitte sagen Sie für morgen alle Termine ab, falls sie welche haben!"

"Öhm, und das wollten Sie nicht per Memoflieger klären, Madame Grandchapeau?" fragte Julius.

"Nein, das wollte ich gerne direkt weitergeben", erwiderte die Besucherin.

"In Ordnung, ich habe morgen noch keinen Termin. Mademoiselle Weizengold hat mir nur die Sache mit dieser Schattenkönigin genauer erläutert, von der ich Sie ja schon unterrichtet habe."

"Natürlich, verstehe, eine sehr ernsthafte Gefahr, der wir uns auf jeden Fall stellen müssen", erwiderte Nathalie Grandchapeau. Dass sie vor mehr als einem halben Jahr einen Sohn bekommen hatte sah ihr niemand an. Das machte Bärbel irgendwie neidisch, wenn sie daran dachte, wie ihre Tante Lore aussah, nachdem sie ihren Cousin Felix bekommen hatte.

"Unsere Überwachung läuft, und wir hoffen, jeden Nachtschatten in Frankreich früh genug orten zu können", sagte Julius. Nathalie Grandchapeau nickte und bedankte sich. "dann bis morgen um acht. Bitte bringen Sie alles mit, was Sie über die aktuelle Lage im Irak aus den Nachrichten der Magielosen erheischen können."

"Ihr macht doch auch nichtmit bei diesem Bushkrieg", sagte Bärbel, als Nathalie Grandchapeau wieder gegangen war.

"Wenn du mit "ihr" Frankreich meinst stimmt das. Aber Tim Abrahams, unser Kollege in England, ist sehr in Sorge, dass durch einen Krieg im Irak Leute da auf die Idee kommen könnten, mit Magie bei der Sache mitzumischen und sein Vater und dessen Kameraden davon betroffen sein könnten", räumte Julius Latierre ein.

"Oh, Drachendreck, da habe ich echt nicht mehr dran gedacht, dass deren Schwarzmagier kein Problem hätten, sich auf Saddams Seite zu stellen", grummelte Bärbel.

"Ja, und ausgerechnet jetzt, wo sicher ist, dass irgendwo bei denen diese jüngste Abgrundstochter herumspuken könnte. Aber wenn bei euch diese Schattenkönigin nicht bald gefunden wird haben wir vielleicht noch mehr Ärger am Kanthaken", erwiderte Julius.

"Ruf bloß keinen großen Drachen, Julius", sagte Bärbel Weizengold.

ENDE

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