VIELE NEUZUGÄNGE

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Von der Magielosen Welt größtenteils unbemerkt gelingt es der aus jahrhundertelangem Zauberschlaf erweckten teilweise veelastämmigen Dunkelhexe Ladonna Montefiori, erste Erfolge zu erringen. Ihr gelingt es sogar, den über Jahrtausende bestehenden, schier unverwundbaren Übervampir Heptachiron zu vernichten. Dabei erreicht sie gänzlich unbeabsichtigt, dass der in seinem mächtigen Artefakt der dunklen Kräfte eingeschlossene Geist des vorzeitlichen Erzdunkelmagiers Iaxathan aus seinem selbstgewählten Gefängnis herausgerissen und mit seinem Diener Heptachiron im aus vielen hundert Einzelseelen zusammengefügten Geistesverbund der ehemaligen Vampirin Nyx aufgesogen wird, wo er gänzlich entmachtet ihrem Willen unterworfen ist. Dieser Vorgang löst eine weltumlaufende Welle überstarker dunkler Zauberkräfte aus, die dunkle Wesen und verfluchte Dinge erheblich verstärkt. Doch das ist ihr im Moment nicht wichtig. Ihr gelingt mit Hilfe eines nur ihr bekannten Massenunterwerfungszaubers die Infiltration europäischer Hexenorden und die lautlose Machtübernahme im italienischen Zaubereiministerium.

Zeitgleich treibt die internationale Gruppierung Vita Magica ihr Vorhaben voran, mit sehr fragwürdigen Mitteln mehr magisch begabte Kinder zur Welt kommen zu lassen. Mit einem den Fortpflanzungstrieb und die Fruchtbarkeit steigerndem Gas treiben die Agenten Vita Magicas die unter der durch die dunkle Welle verfremdeten Kuppel Sardonias eingeschlossenen Bewohnerinnen und Bewohner Millemerveilles dazu, hunderte neuer Kinder zu zeugen. Von diesem Erfolg vorangetrieben wollen sie noch weitere massenhaften Zeugungsakte erzwingen, vor allem während der in Italien stattfindenden Quidditch-Weltmeisterschaft, wo Frankreich als Titelverteidiger antritt.

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"Die wollen jetzt alle noch auf biegen und brechen heiraten, damit die ihnen von VM aufgeladenen Kinder in ehelicher Gemeinschaft aufwachsen sollen, höchste Schwester", grummelte Beth McGuire. Wer sie vor neun Monaten noch nicht gekannt hatte wäre wohl darauf gekommen, dass sie immer schon sehr füllig gewesen sein mochte. Doch sie war nicht so füllig, weil sie immer schon gerne und viel gegessen hätte. Eine obskure Gruppe weltweit handelnder Hexen und Zauberer hatte ihr aufgeladen, Mutter zweier Kinder auf einmal zu werden. Diese demütigende und in ihr freies Leben einschneidende Sache hatte Beths Abneigung gegen jede Form von männlicher Bevormundung noch verstärkt. Gegen sie wirkte die ihr gegenübersitzende Frau beinahe fadendünn, wenngleich sie so aussah, als könne sie Beth zumindest bei der Ernährung der beiden von ihr getragenen Kinder helfen.

"Und, wann hast du mit diesem Dustin Hindley einen Termin bei einem Zeremonienmagier, Beth?" fragte die überragend schöne Frau mit der blassgoldenen Haut, den großen, grünblauen Augen und der ihren halben Rücken herabreichenden dunkelblonden, seidigweichen Mähne.

"Du hast mir nicht befohlen, den armen Kerl zu heiraten, den sie auf mich gescheucht haben wie einen Deckhengst auf eine Rassestute. Denn dann und nur dann würde ich diesen Burschen heiraten, aber nicht Tisch und Bett mit ihm teilen. Die eine Matratze, auf der ich mit ihm war reicht schon völlig aus", knurrte Beth.

"Üblicherweise müssen Hengste nicht dazu getrieben werden, eine Rassestute zu decken. Es ist er nötig, dass die Stute den Hengst als Vater ihres Fohlens akzeptiert. Aber großziehen kann sie das Fohlen auch ohne den Hengst", erwiderte Anthelia/Naaneavargia. Dann fügte sie noch hinzu: "Ich werde dir nicht befehlen, einen Zauberer zu heiraten, nur weil du seine Kinder trägst und du sonst nichts mit ihm verbindest als eine durch Zaubertränke aufgezwungene Stunde Beilager. Du bist frei zu entscheiden was du tust."

"Ich danke dir, höchste Schwester. Sicher, Hindleys Eltern würden schon wollen, dass er und damit sie Einfluss auf die beiden Mädchen haben, wenn die da in nicht mehr so vielen Tagen meinen Leib verlassen", erwiderte Beth McGuire. "Sie haben mir sogar angedroht, mich wegen Verwahrlosung der Kinder anzuzeigen, sollten sie nicht regelmäßig sehen, was aus ihnen wird."

"Oh, das wäre lustig, wenn du dann gerade wieder in unserem neuen Schwesternheim wärest, Schwester Beth", scherzte Anthelia/Naaneavargia. Dann fragte sie, ob ihre andere Wegführerin ihr so einen Befehl erteilt habe. "Lady Roberta geht davon aus, dass ich vernünftig genug sei und ja sowieso das beste für die beiden da drinnen tue", knurrte Beth und deutete auf ihren weit vorgetriebenen Unterbauch.

"Und was empfindest du als vernünftig für die beiden da drinnen?" fragte die höchste der Spinnenschwestern und deutete ihrerseits auf Beths Umstandsbauch.

"Das es denen schon reichen soll, dass ihre Mutter es irgendwie hinbekommen wird, mit ihnen auszukommen, wo deren Vater bis vor drei Monaten noch abstreiten wollte, dass ich diejenige sei, die er bei dieser verfluchten Halloweenparty besprungen hat. Erst als seine Eltern ihm rieten, sich zu seiner Verantwortung zu bekennen hat er mich angeeult und wollte mit mir darüber sprechen, ob es der Kinder wegen nicht besser sei, wenn er und ich uns gemeinsam um sie kümmern. Ich habe mit ihm gesprochen und ihm gesagt, dass er mir gerne Gold schicken kann, um sicherzustellen, dass sie nicht frieren oder hungern müssen und dass er ihnen gerne Briefe schreiben darf, die ich für sie aufbewahre. Aber mehr brauche ich von ihm nicht. Dann hat sein Vater mich doch wahrhaftig angeschrieben und zwischen den Zeilen damit gedroht, mich der Benutzung unzulässiger Mittel anzuzeigen, um mir von seinem Sohn ein Kind zu erschleichen und dass er mich nur für ehrenvoll halten würde, wenn ich seinem Sohn gestatte, dass er die Hauptverantwortung für das geistige Wohl meines Kindes erhalte. Da habe ich ihm einen Heuler geschickt, dass er ja nicht mal von seinem Sohn erfahren habe, dass ich Zwillinge von ihm trüge und ich mich nicht einem Mann unterwerfen würde, den ich im unberauschten Zustand wohl nicht mal mit dem Besenschweif berührt hätte, abgesehen davon dass Dustin Hindley sich als Amme verkleidet habe und damit wohl deutlich gemacht hat, dass ihm eher danach sei, einem Kind die Mutterbrust zu geben als ihm seinen starken, väterlichen Arm zu reichen. Offenbar hat Dustins Mutter den Heuler mitgehört. Denn Dustin schickte mir einen Heuler zurück, den ich aber nur aus fünfzig Metern entfernung angehört habe, dass seine Eltern das nicht wissen mussten, als was er auf der Party unterwegs war und dass es ihm schon peinlich genug war, auf eine reine Muggelparty zu gehen und so weiter. Jedenfalls werde ich diesen Burschen nicht heiraten, höchste Schwester."

"Aber seine Kinder willst du natürlich behalten", erwiderte Anthelia. Beth nickte heftig. "Natürlich musst du das, weil die Zutaten des Gebräus dein Hirn entsprechend eingestimmt haben", fügte sie mit unüberhörbarer Verachtung hinzu. "Sieh es nicht als Verachtung dir gegenüber, sondern denen, die dich in diese Lage getrieben haben. Wenn du die zwei Mädchen sicher auf die Welt bringen willst kann ich dir gerne helfen."

"Nein, lass bitte, höchste Schwester. Ich werde sie bei meiner Großtante bekommen. Die sagt auch, dass ich keinen Mann heiraten muss, der Zaubertränke schlucken muss, um einer Frau nahe zu kommen. Sie wird mir helfen, die beiden zu kriegen. Dann werden sie auch gleich für alle Zauberschulen als Geboren angekündigt."

"Darf ich dich zumindest fragen, wie du sie nennen wirst, Schwester Beth?" wollte Anthelia wissen.

"Das sage ich den beiden erst, wenn sie sich entschieden haben, wer zuerst aus mir rauskommt", grummelte Beth. Doch für Anthelia/Naaneavargia lagen Beths Gedanken wie eine Tafel mit riesengroß geschriebenen Buchstaben vor ihr. Sie nickte ihr und dann auch den beiden noch gut verhüllten Mädchen zu.

"Gut, ich erwarte deine Nachricht", sagte Anthelia. Dann verließ sie zu Fuß Beths kleines Haus, in dem ein großes Zimmer für zwei neugeborene Mädchen eingerichtet worden war. Als sie sicher wusste, dass niemand sie sah disapparierte sie.

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Hier unten war es immer dunkel und kalt. Wer hierher vordringen wollte musste sich gegen das hundertfache des Luftdrucks an der Oberfläche stemmen. Für Landmenschen war das alles tödlich.

Seit bald drei Sonnenkreisen ruhte hier in dieser lichtlosen Tiefe des Nordmeeres ein mächtiger Gegenstand, einst über Tausendersonnen eingefroren in einen langsam fließenden Fluss aus Eis, dazu gemacht, gegen die größten Ungeheuer seiner Zeit zu kämpfen und zurückgelassen von seinem Erschaffer und Besitzer, um durch die darin eingewirkte Kraft das mächtigste dieser Ungeheuer in unaufweckbarem Schlaf zu halten. Dann hatten Menschen ohne die erhabene Kraft ihn aus der Höhle vor dem Maul des versteinerten Ungetüms entfernt. Einer mit der Kraft hatte ihn berührt und damit das in ihm schlafende innere Selbst seines Erschaffers aufgeweckt, das dann sofort den Körper des ungebetenen in Besitz genommen und ihn auf seine erhabene Größe aufgebläht hatte, um seine Waffe Donnerschläger wieder führen zu können. Diese hing da aber schon an den Füßen eines eisernen Vogels mit auf dem Rücken wild und laut kreisenden Flügeln. Alle waren dann abgestürzt und in der Tiefe des kalten Meeres in der Nähe des mitternächtigen Drehachsenpols versunken. Für die mächtige Waffe und den nach dem Tod des erbeuteten Körpers wieder in sie zurückgeflossenen Geist war die Zeit nun wieder bedeutungslos. Womöglich würden wieder tausende von Sonnenkreisen vergehen, bis es jemandem gelang, Donnerschläger in seinem neuen Versteck zu finden und daraus hervorzuheben. Das einzige, was den in ihm eingeschlossenen Geist seines Erschaffers besorgt hatte war, dass nun die letzte der großen Schlangen wieder aufwachen und ihr Vertilgungswerk fortsetzen mochte, ja es bald keine kleinen Menschen mit oder ohne die Kraft mehr geben würde und Donnerschläger unzerstörbar und unbeschmutzbar in der ewigen Tiefe des Nordmeeres verblieb.

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Anthelia/Naaneavargia stand im Keller ihres neuen Stützpunktes Tyches Refugium bei Boston in einem fensterlosen Abstellraum. Hier standen die von einem schwachen grünlichen Licht eingeschlossenen Liegen, auf denen die von ihr in Gewahrsam genommenen Menschen Arne und Erna Hansen und Rico Kannegießer lagen. Sie erkannte einmal mehr, wie vorausschauend es gewesen war, die drei nicht in der Daggers-Villa unterzubringen, wie sie es mit Argentea Dime gemacht hatte, sondern sie vorübergehend in einer nur ihr bekannten Höhle in den Rocky Mountains zu verstauen. Sonst wären die drei ganz sicher beim Zusammensturz der Daggers-Villa gestorben. Jetzt ruhten sie in Anthelias neuer Zuflucht, die sie nach ihrer im Kampf um ein Artefakt des alten Reiches in Gefangenschaft geratenen Mitstreiterin Tyche Lennox benannt hatte.

Wie lange würde sie die drei in ihrem tiefen Zauberschlaf liegen lassen? Das hing wohl auch davon ab, ob der Halbkobold Giesbert Heller sie nun für tot hielt oder seine Spießgesellen weiter nach den dreien suchten, um sie als Köder für die Nachtschattenriesin einzusetzen. Doch dies wollte sie, Anthelia/Naaneavargia, tun. Sie wusste nur noch nicht, wie genau sie das anstellen konnte.

"Höchste Schwester, bist du im Haus?" hörte sie die Gedankenstimme von Louisette Richelieu. Die oberste des Spinnenordens bestätigte es und schloss die nur von ihr zu bewegende Tür zum Schlafraum von außen. Sie stieg die schmale Treppe zum Erdgeschoss hoch und traf dort die nun für bei einem Angriff auf Ladonna Montefioris Zuflucht angeblich gestorbene Mitschwester.

"Sie haben mein Haus als Erbmasse beschlagnahmt, höchste Schwester. Kann sein, das Cloto Villefort da mit drinhängt", sagte Louisette. "Dann möchtest du jetzt hier bei mir wohnen?" fragte Anthelia. Louisette nickte verhalten. Denn ihr war klar, dass sie nun alle bisherigen Freiheiten eingebüßt hatte und das nur, weil die entschlossenen Schwestern Frankreichs in die Zauberstabausrichtung Ladonna Montefioris geraten waren. Das hieß aber auch, dass Louisette auf weitere homophile Liebesabenteuer mit Albertine Steinbeißer verzichten musste. Denn Anthelia hatte klar angesagt, dass das Haus eine Zuflucht sei, aber kein Liebesnest. Sie selbst würde sich daran halten, also galt das auch für alle anderen. anthelia dachte daran, dass Louisette keinen Funken Ahnung hatte, dass ihre heimliche Geliebte nicht mehr dieselbe war und dass in Albertines Körper die Verschmelzung aus Albertines und Gertrudes Geist wohnte und diese neue Persönlichkeit Albertrude ein Ziel hatte, das mit lesbischen Liebesakten nicht zu erreichen war.

"Du darfst solange hier wohnen, bis wir beide wissen, ob und wie du in die freie Zaubererwelt zurückkehren kannst. Es ist zwar bedauerlich, dass du zunächst einmal nicht mehr für uns im Ministerium tätig sein kannst, aber allemal besser als als Ladonnas Hörige gegen uns zu arbeiten", sagte Anthelia/Naaneavargia. Das sah Louisette ein. Sie hatte zwar ihr bisheriges Leben verloren, war aber immer noch eine größtenteils freie Hexe, wenn sie mal vom Verratsunterdrückungsbann Anthelias absah.

"Ich habe zumindest noch das Bild mit, das Jacqueline für mich gemalt hat", sagte Louisette. Damit hielt sie eine heimliche Verbindung zu ihrer Nichte Jacqueline und ihren Schulfreunden in Beauxbatons. Sie hatte nur ihrer Ausgabe des aus drei gleichen Miniporträts bestehenden Verständigungsnetzes befohlen, Jacqueline nichts von ihrem Weiterleben zu erzählen, solange diese in Beauxbatons oder bei ihren Eltern wohnte. Über das Bild hatte Louisette mitbekommen, dass Frankreich zuversichtlich war, das übermorgen, am 5. Juli, zu bestreitende Einstiegsspiel zu gewinnen. Anthelia interessierte die Quidditch-WM in Italien aus dem einen Grund, weil sie vermutete, dass sowohl Ladonna als auch Vita Magica dieses Turnier ausnutzen mochten, um ihre jeweiligen Ziele zu verfolgen. Insofern war es schon ganz gut, dass Louisette mit dem von ihrer Nichte gemalten Bild einer Schweinehirtin und vier rosaroten runden Schweinchen bei ihr in Tyches Refugium einziehen musste.

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Er kannte das, wenn er schlief. Dann geschah es, dass er irgendwo anders war, ohne seinen Körper zu fühlen. Aber er konnte alles sehen und sowohl das hören, was für Ohren gesagt wurde als auch dass, was jemand nur in sich selbst aussprach. Jetzt war er bei den zwei Frauen, die der, welcher früher Silvester Partridge geheißen hatte, ohne das zu wollen hinbekommen hatte. Sie hießen Phoebe und Phaetusa Gildfork und wohnten schon seit vielen Mondwechseln zusammen, darauf wartend, dass jede das in ihr wachsende Kind bekam. Der Beobachter wunderte sich ein wenig, weil er sonst dort war, wo eines der beiden Kinder gerade auf das wartete, was Geburt hieß und dem Beobachter selbst noch geschehen sollte, wenn er groß genug dafür war.

Ein kleines Wesen mit großen Ohren und kugelrunden Augen betastete die gerundeten Bäuche der beiden gleichaussehenden, die schon auf zwei besonderen Stühlen mit vorne weit ausgeschnittener Sitzfläche saßen.

"Meisterin Phoebe und Phaetusa kriegen noch vor Sonnenuntergang ihre Kinder. Witty wird beiden helfen", piepste das kleine Wesen, eine Hauselfe, die auch als Geburtshelferin ausgebildet war.

Dann bekam der Beobachter mit, wie beide je eine Tochter bekamen und bei diesem sehr schmerzvollen Vorgang immer wieder Silvester Partridge verwünschten, weil er ihnen das angetan hatte. Nur einmal hörte der Beobachter Phaetusa denken: "Dieses Weib ist schuld, dass ich als seine Zwillingsschwester dieses Balg ausbrüten musste."

Phaetusa war die erste, die ihre Tochter bekam. Noch von der Anstrengung der Geburt erschöpft keuchte sie: "Das ist also Andromeda." Phoebe war wütend, weil sie nicht die erste gewesen war, die ihre Tochter bekommen hatte. Sie versuchte, sich das noch halb in ihr steckende Bündel Menschenleben mit eigenen Händen aus dem Leib zu zerren. Doch die Hauselfe ließ ihre Hände mit unsichtbarer Kraft hochfliegen und quiekte: "Meisterin Phoebe darf sich und dem Kind von ihr nicht weh tun. Witty hilft ihr, das Kind zu bekommen."

Dann war auch Phoebes Kind auf der Welt. Es war ebenfalls eine Tochter, eigentlich die Zwillingsschwester von Andromeda, nur durch eine höchst ungewollte Verkettung von zwei Zaubern von ihrer Schwester getrennt herangewachsen. "Dann bist du Astra", stöhnte Phoebe. Phaetusa, froh, dass sie das ihr aufgezwungene neue Leben endlich auf die Welt gebracht hatte, nahm die kleine, laut schreiende Andromeda und legte sie sich selbst zurecht, um sie endgültig als ihr Kind anzunehmen. Deshalb kam auch Phoebe nicht darum herum, Astra so behutsam sie konnte in ihre Arme zu schließen und ihr die erste Nahrung ihres Lebens anzubieten.

Als der Beobachter sah, dass die zwei ungewollten Schwestern ihre Kinder wirklich nicht umgebracht oder wie Abfall weggeworfen hatten hörte er Phaetusa noch denken: "Immerhin am vierten Juli, dem Unabhängigkeitstag."

Jetzt erfasste ihn ein bunter Wirbel, der ihn in einer von ihm nicht zu erfassenden Zeit anderswo hinwarf. Wieder einmal fand er sich im Leib jener, die Nancy hieß. Beschwingte Musik drang von außen zu ihm und den drei für ihn in sanftem Rotorange leuchtenden Kindern. Er bekam mit, wie die drei hin und her gewiegt wurden. Dann hörte die schöne, fröhliche Musik auf, die der Beobachter irgendwoher kannte.

"Ich bin erfreut, dass ich heute einem jungen Paar, das durch eine eigentlich nicht beabsichtigte Fügung dazu bestimmt wurde, für eine gemeinsame Zukunft zu planen, die amtlich korrekte Frage stellen darf, ob beide bereit sind, diese Herausforderung gemeinsam anzunehmen und alles schöne, alles aufregende, aber auch alles belastende, schmerzhafte und traurige gemeinsam zu schultern", hörte er nun eine Männerstimme dumpf durch die lebende Wand der noch sicheren, wenn auch immer kleiner werdenden Unterbringung. Er hörte, wie die, deren Kinder er unmittelbar sehen und hören konnte, gefragt wurde, ob sie, Nancy Elizabeth Gordon, bereit sei, den Anwesenden Murray Polybios Unittamo als ihren Ehemann anzunehmen, ihm treu zu sein in guten wie in schlechten Tagen. Laut und ohne hohe Obertöne hörte er die, in derem innerer Obhut er gerade zusah "Ja, das will ich", sagen. Dabei klang es für ihn nicht wirklich überzeugt. Dann wurde jemand da draußen gefragt, jener Murray Polybios Unittamo, ob er auch bereit sei, Nancy Elizabeth Gordon als seine Ehefrau anzunehmen, ihr treu zu sein in guten wie in schlechten Tagen. Der Beobachter hörte dumpf aber verständlich die Antwort: "Ja, das will ich."

Somit erkläre ich euch kraft meines Amtes als Zeremonienmagier des US-Bundesstaates Louisiana zu Mann und Frau mit allen Rechten und Pflichten. falls ihr möchtet, dürft ihr euch jetzt küssen."

"Haha, lustig, Mr. Arestide", grummelte Nancy, nur für ihre drei Kinder und den unbemerkt bleibenden Beobachter hörbar. Womöglich hatte sie es auch nur gedacht, vermutete der unsichtbare Beobachter. Dann umgaben ihn völlige Dunkelheit und Stille.

Als die Geräusche und Empfindungen wieder stärker wurden fand sich der Beobachter wieder in seinem Körper und bekam mit, wie die, die ihn irgendwann selbst hinauslassen wollte gerade mit einer anderen sprach: "du und deine Schwester bleibt von Neid und unerfüllten Gelüsten zerfressene Geschöpfe, Kaliamadra. Was hätten Tondarammayan und ich davon, dass er immer in meinem Leib bleibt, außer, dass er die Leben derer mitträumt, die sein früheres Selbst mitgeformt hat?"

"Der wollte das doch so, und du findest das doch immer noch schön, dass er dir andauernd in den Bauch tritt, Ianshira", hörte er eine vor Gehässigkeit angerauhte Frauenstimme wie vom anderen Ende eines langen Ganges antworten.

"Ichhabe ihn zu mir genommen und reife ihn neu aus, damit das, was er angerichtet hat nicht zum weltweiten Unheil wird. Aber genau das hättet ihr ja gerne gehabt, weil niemand mit Verstand sich euch und eurem Wissen anvertrauen will. Ah, du bist wieder wach, Tondarammayan. Dann haben die zwei ungern zusammenlebenden Schwestern ihre beiden Kinder bekommen."

"Behalte den ruhig bei dir, Ianshira!" sagte nun eine zweite Frau, deren Stimme aber so ähnlich klang wie die von der ersten, die irgendwo weit weg zu stehen schien.

"Wie gesagt, Iaighedona, du und deine Schwestern seit arme, von Neid und unerfüllten Bedürfnissen zerfressene Geschöpfe", erwiderte Ianshira.

"Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden welche den Weg zu uns finden, die unser Wissen haben möchten, allen voran jene, die von ihrer Stillmutter schon "Die Herrin genannt wurde", tönte die erste der weit entfernt stehenden Frauen.

"Tja, dazu müsste die erst einmal erfahren, dass es uns gibt und vor allem, dass wir alle ihr nur dann den Zutritt erlauben, wenn wir wissen, dass sie nicht die ganze Welt zerstören will", erwiderte Ianshira. Tondarammayan dachte nur: "Mutter, Hunger!" Das brachte die, deren Kind er werden sollte, dazu, diese ungern geführte Unterhaltung zu beenden.

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Als Joe Brickston am Morgen des vierten Juli mit seiner Familie beim Frühstück saß erwähnte Babette, dass sie mehrere Briefe aus Millemerveilles bekommen habe. Da war zum einen die Einladung zu einer ZAG-Feier zwei Tage vor dem Sommerball. Zum anderen war da ja die Einladung zur Willkommensfeier für die kleine Clarimonde Latierre am 19. Juli und die am nächsten Tag stattfindende Geburtstagsfeier für Julius Latierre. Als Joe fragte, wie sie denn dahinkommen und wo sie da wohnen wollte erwähnte Catherine, dass ihre Hebamme Madame Matine angefragt hatte, ob sie die Tage um die erwartete Geburt des dritten Kindes in Millemerveilles zubringen möge, da Madame Matine in den kommenden Wochen an die fünf Schwangerschaftsbetreuungen zugleich hatte und wohl wegen der Sache mit dem mittlerweile größtenteils enträtselten Lustanregungsgas mindestens hundert weitere Patientinnen in den nächsten Monaten betreut werden müssten. Daher wäre es durchaus kein Problem, dass Babette und Claudine mit Catherine zusammen bei ihrer Mutter wohnten und Joe auch sehr gerne dort unterkommen könnte. Joe, der ungern länger als nötig mit seiner Schwiegermutter zu tun hatte erwiderte darauf, dass seine Schwiegermutter Blanche sicher mit den dreien genug um die Ohren hätte. Aber dann könnte er es wohl vergessen, seine Eltern aus England eine Woche nach der Geburt zur Willkommensfeier einzuladen, da Catherine ja sicher wieder mehr als eine Woche von der Niederkunft ausruhen müsse.

"Wo ist da das Problem, Joe. Du rufst deine Eltern an, dass du in den nächsten Wochen nur noch über dein Mobilfon zu erreichn bist und ihnen deshalb gleich ganz taufrisch mitteilen kannst, dass sie zum dritten Mal Großeltern geworden sind. Außerdem könnten sie, sofern die hohen Damen und Herrschaften von Millemerveilles es erlauben, ohne Einnahme des Tranks gegen die Abstoßung von Magielosen nach Millemerveilles kommen. Denn der Abstoßungszauber gegen Magielose ist mit der Kuppel verschwunden."

"Öhm, Ma, ich dachte, du hättest das mit den Rochers schon geklärt, dass ich wegen der ZAG-Feier bei denen wohne und Gardie und Jacquie bei den Renards im Gasthaus."

"Babette, das war sicher nett von den Rochers, dich einzuladen, wo ihre Nichte ja mit dir die ZAGs gemacht hat. Aber glaub's mir, dass du mit Oma Blanche sicher besser klarkommst, wenn du in Millemerveilles bei ihr unterkommst, sechzehn Jahre hin oder her", sagte Catherine. Das nahm Joe zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass er gerne über die ganzen Absprachen zwischen seiner Tochter und anderen was mitbekommen würde, aber dass er sie verstehen könnte, dass sie ungerne bei ihrer Oma wohne, wo die ihr garantiert noch Bettgehzeiten vorschreiben würde und er deshalb auch nicht bereit sei, bei ihr zu wohnen, wo sie nun die ganzen Ferien bei sich zu Hause sei.

"Joe, ich kann Hera gerne fragen, ob du in einem der Gästezimmer ihres Entbindungsheimes unterkommen kannst. Da wohnen viele Väter, wenn ihre Frauen nicht bei sich zu Hause gebären wollen. Aber das sähe für die Leute in Millemerveilles auch komisch aus, wenn ich bei meiner Mutter und du bei Hera Matine wohnen würden", sagte Catherine.

"Abgesehen davon wollen meine Eltern das auch sofort wissen, wenn Nummer drei auf die Welt gekommen ist", sagte Joe. "Meine Mutter deutete was an, dass sie die nächsten Wochen viel unterwegs sein würde und deshalb nicht in Birmingham erreichbar sei. Sie wollte mir aber nicht sofort sagen, was sie vorhatte, meinte nur was von wegen dritten Flitterwochen."

"Häh?!" machten Babette und Claudine. Catherine machte Schsch und sah dann Joe an. "Soso, war die Reise zum dreißigsten Hochzeitstag in Südafrika letztes Jahr so schön, dass sie diesen Sommer noch mal da runter wollen, wo die dann Winter haben?"

"Weiß ich nicht, Catherine. Ich weiß nur, dass sie, wo Dad wohl mithören konnte nichts zu sagen wollte. Aber der hat jetzt wohl gerade seine Schicht. Da kann ich das gerne noch mal ansprechen."

"Was sind denn Flittererwochen?" fragte Claudine ihren Vater. "So heißt der erste Monat, wenn zwei Leute gerade verheiratet sind. Das ist eine Zeit, wo sie was ganz besonderes erleben wollen und für sich sein wollen", sagte Joe. Babette meinte dazu, dass das in Frankreich, England und vielen anderen Ländern auch deshalb als Honigmond bezeichnet würde, weil das der angeblich süßeste Monat der ganzen langen Ehe sei. Joe räusperte sich leise und nickte dann. Immerhin hatte Babette keine schlüpfrigen Bemerkungen dazu gemacht. Daher traf ihn Claudines Kommentar um so überraschender:

"Achso, das ist dafür, dass zwei, die geheiratet haben kucken, ob sie schon ein Baby machen können." Babette grinste. Joe funkelte sie an, während Catherine wohl überlegte, was von ihrer Entrüstung anerzogen oder schwangerschaftsbedingt war. Dann sagte sie: "Sagen wir es so, die jungen Damen Brickston, dass frisch verheiratete Menschen gerne alles ausprobieren, was sie zusammen tun können, ja, und den kleinen bunten Regenbogenvogel zu rufen gehört da sicher auch zu. Aber sagt sowas bitte nicht, wenn Oma Blanche dabei ist. Sonst könnten Pa und ich Ärger bekommen, dass wir euch so früh so viel erzählen."

"Oma Bläänch", grinste Babette und deutete auf ihren Vater und begann die Titelmelodie der Golden Girls zu summen. Joe errötete an den Ohren und musste erklären, dass Claudine mit ihm drei Folgen hintereinandergeguckt und sich von ihm die dabei aufgekommenen Andeuttungen hatte erklären lassen.

"Wie erwähnt, das alles muss Oma Blanche nicht wissen, Babette und Claudine. Und du, mein angetrauter Ehemann und Vater meiner Kinder, darfst gerne deine Eltern anrufen und sie fragen, ob ihnen das lieber ist, dass du hier in Paris herumsitzt und als einer der letzten erfährst, wann dein drittes Kind angekommen ist oder in meiner nähe bleiben kannst, um es unmittelbar mitzubekommen."

"Damit dir Nummer drei nicht vor lauter Aufregung vorher ..." setzte Joe an und fing sich ein sehr warnendes saphirblaues Funkeln von Catherine ein. Er stand auf und ging aus der Küche ins Wohnzimmer, von wo er das schnurlose Telefon holte.

Nachdem er seiner Mutter erklärt hatte, dass es ihm gut gehe und auch Catherine den anderen Umständen entsprechend wohlauf sei fragte er, ob sein Vater zu sprechen war. Er drückte die Lautsprechertaste und ließ seine Familie mithören: "Dein Dad ist noch bis zwölf Uhr unterwegs. Deshalb kann ich es dir endlich sagen. Du kennst noch Mary-lou, die du als Kind immer Tante Malou gerufen hast?" Joe bestätigte es und fragte, ob es die Frau sei, die den Sohn eines Normandieveteranen geheiratet habe. "Der, genau. Die beiden wohnen nun schon seit fünf Jahren in Dallas, Texas. Mary-Lou hat mich und meine Familie vor einem Jahr gefragt, ob ich nicht mit Dad und dir und deiner Frau zu ihr rüberkommen möchte, um ihren fünfzigsten Geburtstag zu feiern. Sie hat am achtzehnten Juli. Da dein Dad ja gerne mal in die Staaten rüber wollte, aber nicht wusste, was zuerst er da ansehen wollte, habe ich ihm zum Geburtstag eine Reise mit mir gebucht. übermorgen geht es von hier über London nach New York. Da bleiben wir dann bis zum zwölften. Dann geht es für drei Tage runter nach Florida, wo wir uns das Raketenzentrum ansehen können, das er schon immer besichtigen wollte. Danach geht es nach Texas, wo wir bei Mary-Lou feiern und am zweiundzwanzigsten reisen wir weiter nach Kalifornien, wo wir uns Los Angeles und San Francisco angucken. Am ersten geht es dann über New York und London wieder zurück nach Birmingham."

"Öhm, wie lange hast du das schon ausgeheckt, Mum?" wollte Joe wissen. "Fast ein Jahr lang, Joe, noch bevor du diesen Arbeitsunfall hattest und auf Catherines Krankenversicherung behandelt werden musstest." Joe errötete an den Ohren. Dass seine Mutter die größte Dummheit seines Lebens als Arbeitsunfall bezeichnete lag wohl daran, dass sie gerade telefonierten und nicht über die schlimme Sache reden wollte.

"Ja, weil wir jetzt genau wissen, dass dein drittes Enkelkind zwischen dem fünfzehnten und zweiundzwanzigsten ankommt und ich euch eigentlich gerne zu einer Willkommensfeier eine Woche nach der Geburt eingeladen hätte. Aber so eine Reise wollte ja lange genug vorbereitet sein."

"Wir sind, wenn alles gut verläuft am zweiten August wieder in Birmingham, zumal dein Dad am fünften August wieder seine Arbeit fortsetzen wird", erwiderte Jennifer Brickston.

"Es ist so, dass meine Frau von ihrer Hebamme gebeten wurde, die Tage vor und nach der Niederkunft in ihrer Nähe zu wohnen, also in Catherines Geburtsort. Sie möchte die Tradition dann auch aufgreifen, dass sie unser drittes Kind in ihrem eigenen Geburtshaus, also wo Blanche wohnt, bekommt. Jetzt diskutieren wir gerade, wer da wo unterkommt, weil meine erste Tochter gerne bei Schulfreundinnen wohnen würde, Claudine sicher gerne auch bei ihrer Oma Blanche wohnen möchte und ich jetzt überlegen muss, ob ich in Catherines Nähe unterkomme, damit es bei meiner Schwiegermutter nicht zu voll wird, wo sie nur zwei Gästezimmer hat und Babette und Claudine sicher nicht mit ihren Eltern im selben Zimmer schlafen möchten."

"Wie, die soll mit ihrem wohl schon sehr gerundeten Leib eine Reise in die Provence unternehmen? Oder war diese besondere Ansiedlung, von der mir Catherine und ihre Mutter berichtet haben anderswo in Frankreich?" Joe bestätigte, dass Catherines Heimatdorf in der Provence lag. "Warum begibt sie sich nicht in Paris in dieses Krankenhaus, in dem du behandelt wurdest. So weit ich erfuhr befindet sich dort auch eine Mutter-Kind-Station."

"Weil die nur für Leute ist, die keine sichere Hausgeburt erleben können, Jennifer", rief Catherine dem Telefon zugewandt. Jennifer Brickston erkannte jetzt, dass die andern mithören konnten und grüßte mal eben jede, die in Hörweite war. Babette und Claudine grüßten laut zurück.

"Also, ich kläre das mit den Leuten von da unten ab und sage euch dann, ob ich über die Zeit auch da unten bin oder in Paris bleibe", sagte Joe dann noch. Seine Mutter erwiderte darauf hörbar ungehalten: "Dann bist du aber nicht erreichbar, wenn was sein sollte. Ich hoffe zwar nicht, dass was passiert und habe auch für deinen Dad und mich vor einem halben Jahr eine für die Staaten gültige Reisekrankenversicherung abgeschlossen, in die wir wohl die nächsten fünf Jahre einzahlen müssen, diese aber jetzt schon vollumfänglich nutzen können. Aber ich hoffe natürlich, dass uns da unten nichts passiert. Aber wenn du meinst, in diese ill..., öhm, Ortschaft außerhhalb der üblichen Anbindungen hinzureisen, weil deine Frau davon überzeugt ist, dort euer Kind zu gebären ..."

"Wie gesagt, ich kläre das, Mum. Abgesehen davon kriege ich da unten ein gutes Mobilnetz", sagte Joe.

"Ja, ruf mich dann bitte an, wenn du das geklärt hast. Nicht, dass es nachher heißt, ich hätte dir irgendwas abverlangt oder dergleichen", schnarrte Jennifer Brickston. Dann verabschiedeten sie sich voneinander.

"Häh, wie ist Oma Jenn denn drauf. Wenn Pa und du zusammen sein wollt, damit Pa mitkriegt, wenn das Kleine auf die Welt kommt, sofern er nicht wieder das Würgen kriegt ..." setzte Babette an. "Oh, vorsicht, junge Dame, ganz dünnes Eis", meinte Joe dazu. Doch Babette zeigte sich von der Warnung unbeeindruckt. "Ist doch so, Dad. Als Claudine geboren wurde bist du ja voll aus den Schuhen gekippt."

"War das so schlimm?" fragte Claudine nun ihre Mutter. "Das wirst du ja sehen dürfen, wenn dein Geschwisterchen ankommt", sagte Catherine ruhig. Joe meinte dazu, ob Claudine dafür nicht doch noch ein wenig zu jung sei. Babette war bei Claudines Ankunft ja schon zehn Jahre alt gewesen.

"Mädels können das besser ab als Jungs, bei sowas zuzugucken", sagte Babette ganz entschieden, als sei das ein Naturgesetz. Catherine wandte ein, dass sie darüber gerne weiterreden konnten, wenn der dritte Brickston sicher angekommen sei.

Nach dem Frühstück durfte Babette mit Hera Matine Kontaktfeuern. Diese kam danach durch den Kamin herüber und unterhielt sich mit den vier Brickstons. Sie schlug Joe vor, im Gästeflügel des Entbindungsheims zu wohnen, gut abgeschirmt von den dort untergebrachten Hexen, die kurz vor oder kurz nach der Niederkunft dort untergebracht waren. Als Babette dann fragte, ob sie nicht auch anderswo unterkommen könne, um mit ihren Schulfreundinnen mehr Zeit zu verbringen verwies Hera sie an ihre Großmutter Blanche. Deshalb musste Babette diese auch noch Kontaktfeuern. So kam es dann, dass auch Blanche Faucon kurz in die Rue de Liberation 13 herüberflohpulverte und sich mit Joe und Babette eine kurze aber gefühlsbetonte Diskussion lieferte, während Hera und Claudine mit Catherine in einem Nebenzimmer verschwanden, weil Hera Catherine noch einmal untersuchen wollte und Claudine sich gerne noch einmal das ungeborene Geschwisterchen anucken wollte.

"Zu Ihnen, Mademoiselle Brickston, Babette, eigentlich wäre es egal, wo Sie in Millemerveilles unterkommen, weil solange ich dort anwesend bin alles, was sie dort unternehmen, auf mich zurückfallen wird. Deshalb möchte ich das sehr gerne haben, dass du, Babette, wie deine jüngere Schwester, bei mir wohnt. Und bei allem Respekt vor Heras Gastfreundschaft, es sähe doch sehr merkwürdig aus, wenn der Kindsvater zwei Kilometer von der Kindsmutter entfernt logieren würde. Da Catherine sich von sich aus entschlossen hat, euer drittes Kind bei mir im Haus ans Licht der Welt zu bringen, solltest du, lieber Schwiegersohn, dir einmal die Frage stellen, wie wichtig dir die Ehe mit Catherine ist, dass du sie ohne Grund in Frage stellen lassen möchtest. Ja, und jetzt wirst du mir sicher damit zu kommen wagen, dass du dich unter meinem Dach so zurückgestuft und unter deiner Altersstufe behandelt fühlst und was dir sonst noch so einfallen mag. Doch denke bitte einmal darüber nach, in welchem Licht du deine Familie erscheinen lassen möchtest, vor allem, wo in Millemerveilles gerade viele Familien ungeplanten Zuwachs einbeziehen müssen.""

"Da können wir ja froh sein, dass Babette und du da gerade in Beauxbatons wart, wo diese Sauerei mit diesem Zeug veranstaltet wurde", erlaubte sich Joe eine Derbheit. Blanche Faucon funkelte ihn dafür mit ihren saphirblauen Augen warnend an. Babette grinste höchst undamenhaft, bis auch sie ein sahphirblaues Funkeln aus den Augen ihrer Großmutter einfing.

"Will sagen, Blanche, entweder ziehe ich mit Catherine und den beiden bereits geborenen Kindern ganz zu dir oder bleibe alleine hier in Paris, weil Hera und du es ja mit den Mädchen schon durchgeplant habt, dass sie Catherine bei der Niederkunft zusehen dürfen."

"Ja, und zwar um gleich von Anfang an mitzubekommen, wie anstrengend und daher wichtig es ist, ein neues Familienmitglied im Leben zu begrüßen", erwiderte Blanche Faucon.

"Oma Blanche, machen wir das doch so. Hera Matine baut uns einen Portschlüssel, und Pa und ich kommen dann rüber, wenn es bei Maman losgeht", meinte Babette.

"Und Claudine soll dann zwischen mir und deiner Mutter herumlaufen und nicht wissen, an wen sie sich halten kann, wenn es wirklich ernst wird?" fragte Babettes Großmutter. Babette überlegte, wie ihre Oma das gemeint hatte. Dann nickte sie schwerfällig und sagte: "Gut, wenn ich kein Findmich umkriege und die Bettgehzeit für Fünftklässler an den Ferien um eine Stunde nach hinten verschoben wird möchte ich bei dir wohnen, aber nur, wenn ich ein eigenes Zimmer bekommen kann", sagte Babette.

"Wenn, und ich betone es, wenn du mir und deinen Eltern keinen Anlass zur Sorge bietest, dass du die für dein junges Alter gewährten Freiheiten nicht überreizt, Babette. Bedenke bitte, dass Millemerveilles nicht mehr so gut abgeschirmt ist wie vor dem 26. April und dass wir in den letzten Wochen von höchst fragwürdigen Zeitgenossen unerwünschte Gaben erhielten. Insofern solltest du mir die gebotene Dankbarkeit erweisen, dass du in einem gegen dunkles Zauberwerk und neuerdings auch übles alchemistisches Machwerk abgeschirmtem Haus wohnen darfst. Dasselbe gilt übrigens auch für dich, Joseph Brickston. Sicher kann Madame Matine ebenfalls darauf verweisen, dass ihr Entbindungsheim durch verbesserte Schutzmaßnahmen gesichert wurde, aber der Sanctuafugium-Zauber ist nun einmal immer noch der stärkste Schutzbann gegen alle Formen dunkler Zauber und böswilliger Heimsuchungen. Ich verstehe sehr gut, dass Catherine mir die Ehre erweisen möchte, das dritte Kind in meinem Haus ans Licht der Welt zu bringen."

"Eh, lustig, ein Schniedelwutz. Das is'N Junge!" piepste Claudine aus dem Nebenzimmer. Blanche Faucon verzog ihr Gesicht, während Babette grinste und Joe erst mit dieser ihm völlig neuen Information jonglieren musste.

"Damit ist es wohl jetzt amtlich", knurrte Blanche Faucon. "Dann darfst du deinen Eltern gerne die für diese wohl lang ersehnte Mitteilung machen, dass ihr drittes Enkelkind ein Junge sein wird."

"Damit kann ich meine Mutter sicher gut aushebeln, weil sie dann einsehen wird, dass ich möglichst in Rufweite von Catherine oder Hera sein soll", erwiderte Joe. Dass Blanche ihn damit auch ausgehebelt hatte erwähnte er nicht. Babette musste es nicht mitkriegen und Blanche hatte es ja genau deshalb so gesagt.

""Ich kuck mir den kleinen auch noch mal an", meinte Babette und rannte schnell hinüber ins Untersuchungszimmer.

"Ich möchte dich nicht beleidigen, Blanche. Aber ich habe den nicht ganz abzulegenden Eindruck, dass du auch außerhalb von Beauxbatons als Lehrerin auftrittst, egal wie alt diejenigen sind, mit denen du zu tun hast", sagte Joe.

"Joseph, mir ging und geht es immer darum, dass die, die mir wichtig sind, ohne Schwierigkeiten und im Einklang mit Anstand und Umfeld zurechtkommen. Und ich halte meine Ansicht aufrecht, das es ein fragwürdiges bis unerfreuliches Bild abgeben würde, wenn du und Catherine nicht unter demmselben Dach wohnen würdet, sofern Catherine nicht in die Delourdesklinik eingewiesen werden muss, was ich absolut nicht hoffe", erwiderte Blanche Faucon leise. Dabei hielt sie Joe aber genau im Blick. "Ja, und was deinen Eindruck von mir angeht, so mag er auch dadurch bestärkt werden, dass du dich selbst in die Rolle des unmündigen hineinfallen lässt, weil du trotz der dir angediehenen Ausbildung zu logischem Denken immer wieder Zuflucht in die Unvernunft nimmst, wenn die dir beigebrachten Ansichten zur magischen Welt mit deiner eigenen Lebenssituation kollidieren. Ich denke, dein von einer höchst kriminellen Organisation aufgezwungener Ausrutscher und die lange Zeit, bis du die Folgen verarbeitet hast, sollte dir helfen, das Verhältnis zwischen uns aus der magischen Welt und dir positiver zu werten. Ja, und du hast trotz dem, was du aus von anderen missbrauchter Leistungsbereitschaft erlitten hast immer noch eine Vorbildfunktion für deine Kinder. Denke bitte auch daran, wie sie es aufnehmen würden, wenn in Millemerveilles getuschelt würde, dass du nicht mit deiner hochschwangeren Frau im selben Haus leben möchtest. Ich bitte dich deshalb, dies zu bedenken, weil gerade durch diesen heimtückischen Gasangriff jetzt sehr viele einander angetraute Paare aber auch viele höchst unfreiwillig zusammengetroffene Paare ihre Zukunft neu einordnen müssen. Da kann jeder mithelfen, der zeigt, dass er oder sie zum angetrauten Partner und zu den bereits geborenen Kindern steht."

"Catherine und den Kindern zu liebe bin ich einverstanden, Blanche", sagte Joe. Er hätte noch sagen können, warum sie nicht gleich so argumentiert habe, statt erst klare Anweisungen auszusprechen und dann zu begründen.

"So, ihr habt es ja alle mitbekommen, obwohl ich Claudine gebeten habe, nicht so laut zu rufen, auch um ihren ungeborenen Bruder nicht zu erschrecken", sagte Hera Matine. "Wie habt ihr euch denn jetzt entschieden?" fragte sie Blanche und Joe zugewandt. Joe erklärte, dass er mit Catherine und Claudine ein Gästezimmer bei ihrer Mutter beziehen würde. Babette konnte ein eigenes Zimmer haben, das, wo um Weihnachten herum Laurentine Hellersdorf gewohnt hatte. Damit hatte jeder und jede einen gewissen Rückzugsraum. Blanche bestand nur darauf, dass um elf Uhr alle Mitbewohner im Haus sein sollten, sofern es keine vorangemeldeten Feiern wie die Willkommensfeier für Clarimonde, die ZAG-Feier der Dorfjugend oder der Sommerball waren. Damit konnten alle leben, ob Familienvater oder zweitgeborene Tochter. Catherine war froh, dass diese Angelegenheit ohne überhitzige Diskussionen geklärt werden konnten.

Joe rief noch einmal bei seiner Mutter an und teilte ihr mit, dass er ab dem fünften Juli mit Catherine und den Kindern in der Provence sein und bis kurz vor Ende Juli dort bleiben würde. Seine Mutter schien das erwartet zu haben. Denn sie sagte: "Natürlich werden dir deine Verwandten, allen voran diese Gouvernantenhexe Blanche zugeredet haben, dass ein werdender Vater in Rufweite zu seiner Frau wohnen sollte, wenn kein dringender Arbeitsauftrag ihn von seinem Haus wegruft. Ich wünsche deiner Frau das Durchhaltevermögen und die Kraft für eine beschwernisarme Niederkunft. Falls es dir möglich ist übermittle uns eines der ersten Fotos von dem Kleinen. Einen Namen habt ihr hoffentlich schon für ihn erwählt?"

"Justin James", sagte Joe. Catherine nickte zustimmend. "Werde ich deinem Dad noch nicht verraten. Aber er wird sich sicher sehr freuen, wenn du es ihm mitteilst", erwiderte Jennifer Brickston. Joe und Catherine wünschten ihr und James eine abwechslungsreiche, kurzweilige Reise.

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Die Nacht war tropisch warm und sternenklar. Zwar ließ die von der Sommerhitze aufgewühlte Luft die Sterne wild funkeln, doch der silberweiße Erdbegleiter, den viele Hexen auch als eine weibliche Himmelsmacht verehrten, ergoss sein Licht stetig über den vierzehn schritte durchmessenden Steinkreis. Im genauen Mittelpunkt des Kreises stand sie, Ladonna Montefiori. Diesmal trug sie kein Kleid, sondern ein nachtschwarzes Lederkostüm und darüber einen vorne offenen, tiefschwarzen Samtumhang. Auf ihrem ebenso nachtschwarzen Schopf ritt ein hoher, sehr spitz zulaufender Hut ohne Krempe. So würdigte die eigentlich eher den griechisch-römischen Zauberkünsten zugetane das Erbe der keltischen Zauberpriester und der mit dem Mond und der Erde verbundenen Hexen.

Gleich würde es Mitternacht, die Vollmondnacht im Juli, mehr Symbolkraft wusste sie im Moment nicht zu beschwören.

Mit den von ihrer Gebärerin und damit ihrer ersten Inkarnation ererbten Gehör vernahm sie das zu einem geisterhaften Vielfachecho verwürfelte Schlagen einer weit entfernt stehenden Turmuhr. Unvermittelt verschwamm Ladonnas Gestalt und schien sich vollständig aufzulösen. Dann ploppte es, und gleich vier andere Hexen standen mitten im Steinkreis. Wieder ploppte es. Diesmal waren drei neue Hexen dazugekommen. Dann ploppte es mehrfach und unterschiedlich laut. Manchmal krachte es auch wie ein gezündeter Feuerwerkskörper. Mit jedem Geräusch erschienen noch mehr Hexen. Dann waren sie alle da, einundzwanzig Hexen in hellen Umhängen und mit an den Spitzen leuchtenden Zauberstäben.

Angeführt wurden sie von Ursina Underwood und der Irin Erin O'Casy. Alle blickten sich um. Sie erkannten, dass sie mitten in einem Steinkreis appariert waren, einer zwanzigfachen Verkleinerung altdruidischer großer Steinkreise, aber mit den richtigen Zauberkenntnissen durch aus genauso nützlich. Die beiden Hexenschwestern O'Casy und Underwood hatten behauptet, hier im nördlichen Frankreich ein altkeltisches Artefakt zu finden, mit dem sie sich vor mächtigen Feinden und vor allem Feindinnen schützen konnten. Doch das Artefakt, so hatten es Underwood und O'Casy behauptet, könne nicht von zwei oder dreien getragen werden. Es müssten mindestens zehn sein. Ursina Underwood war nur ein wenig angespannt, weil sie statt der ihr befohlenen zehn neuen Mitschwestern nur neun zusammenbekommen hatte. Doch die, wegen der sie diesen Ausflug machte, war nicht zu sehen. Dennoch fühlten sie alle, dass hier eine starke Präsenz wirkte.

Scheinbar aus dem Nichts kommend schwebte unvermittelt eine brennende Kerze über dem Mittelpunkt des Steinkreises. Der Flamme entwich violett glühender Rauch. Die anwesenden Hexen waren erst überrascht. Doch dann begriffen die ersten, dass sie allesamt in eine Falle gegangen waren. Sie versuchten wieder zu disapparieren. Doch sie flackerten nur und krümmten sich vor Schmerzen zusammen. Immer mehr violetter, sanft glühender Rauch erfüllte den Steinkreis. Jetzt konnten die ersten den betörenden Geruch wahrnehmen, der unbeschreiblich war und dazu veranlasste, ihn immer genüsslicher einzuatmen. Dann wuchs die Kerzenflamme in die Höhe, wurde zu einer brennenden, blutroten Rose mit weit geöffnetem Blütenkelch. Jetzt begriff auch die langsamste von ihnen, dass sie alle in eine üble Falle hineingeraten waren. Doch für eine Flucht zu Fuß war es schon zu spät. Denn gerade erklangen aus dem brennenden Blütenkelch eindringliche Worte in englischer Sprache. Sie forderten sie auf, sich der Königin Ladonna zu unterwerfen, ihrem Orden der Feuerrose zu dienen und sich dazu bereitzufinden, alles zu tun, was ihre Königin ihnen befahl. Diese Botschaft wurde auch auf Gälisch wiederholt. Dann wurde auch sie wieder sichtbar, die, wegen der das alles hier veranstaltet wurde.

Seid mir gegrüßt, meine Schwestern. Seid mir willkommen im erhabenen Orden der Feuerrose. So seid nun euer Leben lang in Treue und Gehorsam mit mir verbunden, meine Schwestern!"

Danach nahm sie jeder einzelnen, die ihr namentlich vorgestellt wurde, den Treueid ab. Zwar band der Duft der Feuerrose jede, die ihn einatmete und die Botschaft aus dem brennenden Blütenkelch vernehmen musste. Doch ein mit dem eigenen Namen verbundener Treueid wirkte noch besser, wusste Ladonna aus ganz eigener Erfahrung. Jeder von ihr einbeschworenen verpasste sie mit ihrem Ring auch noch ein Brandmal auf der Stirn, dass jedoch nur für andere Eingeschworene sichtbar wurde. Er ermöglichte nicht nur, dass Ladonna mitbekam, wer von den Eingeschworenen gerade wo war, sondern auch, was sie fühlte oder direkt in ihre Gedanken hineinzusprechen, wenn sie sich selbst den Ring an die Stirn hielt.

Endlich hatte sie neunzehn weitere Getreue, von denen sie in unauffälligen Zeitabständen weitere ihrer vertrauten Schwestern zugeführt bekommen würde. Darunter war zu Ladonnas großer Freude auch die Zaubereigeschichtsexpertin Shana O'Daye, von der es hieß, dass sie alle wahrhaftig existierenden Artefakte irokeltischer Zauberkunst kannte. Diese bat sie, noch etwas länger zu warten. Die anderen schickte sie mit dem Befehl, auf ihre gedanklichen Anrufe zu warten zurück. Damit sie disapparieren konnten bezauberte Ladonna drei der ihr errichteten Trilithen, dass sie in grünlichem Licht erstrahlten. Nun konnten alle wieder von hier disapparieren. Als bis auf Shana O'daye und Erin O'Casy alle wieder fort waren fiel die bis dahin stetig brennende Feuerrose in sich zusammen. "Shana, dir wird nachgesagt, alles über die Erzeugnisse der großen Meister und Meisterinnen zu wissen, die auf deiner Heimatinsel gelebt haben. Gibt es den schwarzen Richtstein von Tara wirklich, und was weißt du über den Zauberkessel der Morgause?"

"Der Richtstein von Tara wurde vor siebzig Jahren auch schon vom zauberer Gellert Grindelwald gesucht, weil es hieß, er könne dem, der den richtigen Zauber über ihm ausspreche, die teilweise in ihn eingeflossene Lebenskraft der auf ihm hingerichteten übertragen und so die eigene Lebenszeit um ein vielfaches verlängern. Doch Grindelwald fand den Stein nicht. Später erfuhr sein Erzfeind Dumbledore, dass jemand anderes ihn aus Tara nach New York bringen wollte. Doch das Schiff, mit dem der Stein entführt wurde ist gegen einen Eisberg gelaufen und gesunken. Wenn er noch existiert, dann auf dem Grund des Atlantischen Ozeans im Wrack des Unglücksschiffes."

"Wann war das, Schwester Erin?" wollte Ladonna wissen.

"Das muss im Jahre 1912 crhistlicher Zeitrechnung gewesen sein. Meine Großmutter war damals zwanzig Jahre und ihrer eigenen Erzählung nach schwer in einen Muggel aus Killarney verliebt, der mit seinen Eltern auf diesem Schiff gereist sein soll. Aber ich denke, das interessiert dich nur wenig, meine Königin", sagte Shana. Ladonna nickte andeutungsweise. Dann fragte sie nach Morgauses Kessel, ob er wahrhaftig existiere.

Er war der Grund des Zerwürfnisses zwischen den Hexen von Rainbowlawn, die sich für legitime Erbinnen Morgauses hielten und dem Clan der McFustys, der von sich behauptet, dass seine Vorfahren ihn im Auftrag Morgauses geschmiedet hatten, nachdem sie zuvor im Auftrag Merlins das Schwert Excalibur geschmiedet hätten. Seit 1344 gilt der Kessel als verschollen, als Melanippa von Rainbowlawn, die letzte bekannte Besitzerin, von den McFustys in ihrem eigenen Haus verbrannt worden sei. Ob die McFustys ihn dann aus der Asche geborgen haben konnte bis heute nicht geklärt werden, weil dieser Clan sehr wirkungsvolle Zauber aufgebaut hat, um seine Archive zu schützen. Nicht mal Sardonias machthungrige Nichte Anthelia konnte den Verbleib des Kessels klären, wo sie mit diesem sicher eine wesentlich bessere Stellung gegenüber ihrer Tante errungen hätte", sagte Shana. Ladonna nickte. Damit hatte sie gleich drei Fragen beantwortet, ob der Kessel echt existierte, was über seinen Aufbewahrungsort bekannt war und warum weder Sardonia noch ihre nicht minder vorwitzige Nichte Anthelia ihn bekommen hatten.

"Hütet der Clan der McFustys immer noch die schwarzen Drachen auf den Hebriden?" fragte Ladonna.

"Ja, und wohl deshalb ist an das Archiv von denen nicht heranzukommen, weil es heißt, dass es von alten Drachenweibchen bewacht wird, die nur alle vier Wochen gefüttert werden", erwähnte Shana.

"Vor allem weib-chen", grummelte Ladonna. Mit ausgewachsenen Drachen legte sich niemand an, der klar im Kopf war. Aber ebenso gehörte auch eine Portion Irrsinn dazu, solche Ungetüme als Schatzwächter einzusetzen. Dass die Kobolde sowas machten wunderte die Rosenkönigin nicht. Kobolde machten immer Sachen, die Zauberer und Hexen nicht mal andenken würden.

"Gibt es Aufzeichnungen, die du mir übergeben kannst, ohne dass wem aufgeht, dass sie gerade nicht an ihrem Platz sind, Schwester Shana?" wollte Ladonna wissen.

"Ja, gibt es. Ich habe mehrere Abschriften der Berichte in meiner Bibliothek. Wenn du es willst übergebe ich sie dir", gab Shana Auskunft. Natürlich wollte Ladonna diese Unterlagen haben. So befahl sie ihr, diese in genau drei Tagen hier abzuliefern und bis dahin mit niemandem zu sprechen, den oder die sie heute nacht nicht in diesem Steinkreis getroffen habe. Auch müssten die anderen nicht wissen, dass Ladonna nach Morgauses Kessel suchte.

Nachdem die Rosenkönigin ihre neugewonnene Gefolgshexe mit ihrem neuen Auftrag betraut hatte durfte diese ebenfalls disapparieren. "So kehre du auch zu deinem Haus zurück und bewahre Stillschweigen über diese Nacht. Ein Wort zu wem auch immer ist Verrat an mir", sagte Ladonna. Erin O'Casy zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und sah ihre Herrin mit angstgeweiteten Pupillen an. Dann keuchte sie: "Ich gehorche dir, meine Königin." Danach durfte auch sie verschwinden. Ladonna hob die Bezauberung der grün leuchtenden Trilithen wieder auf. Dann verschwand sie selbst. Denn durch die Bezauberung des Steinkreises mit Tropfen ihres eigenen Blutes hatte sie sich eine Hintertür für den zeitlosen Standortwechsel offengehalten. Nur wer herkam blieb auch hier, solange Ladonna ihm oder ihr nicht den Ausweg freigab.

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Romulo Bernadotti wusste nicht, was es war, das Ornelle Ventvit ausstrahlte. Doch es war so, als sei sie eine große, lodernde Flamme, an die er nicht zu nahe herankommen durfte, wollte er nicht verbrennen. irgendwas starkes an oder in ihr drohte, ihn zu vernichten oder zumindest so stark zu schmerzen, dass er wohl die Besinnung verlieren musste. So hatte er in Erwartung seines baldigen Todes eine Blitzeule zur Villa Girandelli geschickt, wo seine Herrin unerreichbar für feindliche Angriffe residierte. Das hatte dazu geführt, dass seine Herrin sich auf dem Weg der Gedankenbindung an ihn wandte.

"Was lese ich da, Romulo. Diese Französin strahlt eine dich bedrängende Hitze aus? Das habe ich irgendwie befürchtet. Sie könnte ebenfalls gemerkt haben, dass mit dir was anders ist. Denn sie wurde von einer anderen halben Tochter aus Mokushas Blutlinie mit einem sehr mächtigen Zauber erfüllt, der von der Sonne selbst aufrecht erhalten wird. Danke für die Bestätigung dieser bisher nur angedeuteten Erkenntnis! Nein, dann wird sie den Duft der Feuerrose nicht so genießen können wie du, Romulo. Doch sie von einer geheimen Zusammenkunft auszuschließen würde auch Verdacht erregen. Dann werden wir das anders machen. Außerdem habe ich ja noch meine neuen Schwestern, die mir dabei helfen können. Halte du mir mit deinen Untergeordneten den Rücken frei."

"Meine Königin, danke für eure Gnade", erwiderte Bernadotti rein gedanklich. "Gnade! Du bist immer noch zu wichtig, als dass ich dich schon aus der Welt schaffen könnte. Aber lege es nicht drauf an, dass ich es muss", erwiderte seine Herrin. "Deshalb will ich auch von dir hören, wie gut deine Männer das Quidditchturnier gegen die Machenschaften jener Bande namens Vita Magica abgesichert haben."

"Alle Gäste- und Mannschaftshäuser haben einen Giftgasaussperrzauber erhalten, der genau auf die von den französischen Heilern erkannten Bestandteile abgestimmt wurde, meine Königin. Aber ich kann bisher nicht vermeiden, dass dieses Gebräu unter freiem Himmel freigesetzt wird. Aber ich will erreichen, dass wir mindestens einen von denen einfangen können."

"Ja, erledige dass!" befahl ihm seine mächtige Herrin. Dann zog sie sich aus seinen Gedanken zurück. Er war wieder für sich alleine. Er musste den ihm erteilten Befehl ausführen oder sterben.

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"... konnten wir diesen üblen, feigen Angriff auf die Freiheit und körperlich-geistige Unversehrtheit unserer Gäste noch rechtzeitig unterbinden. Dank der in Millemerveilles abgeschlossenen Untersuchungen haben wir ein wirksames Früherkennungsmittel, um jenes die Fortpflanzungsbereitschaft in unkontrollierbare Höhe treibende Mittel früh genug zu erfassen. Unsere für die Gäste bereitgestellten Häuser wurden bereits auf Grund dieser Methode vor Eindringen solcher ätherischen Essenzen abgesichert. Die Banditen, die sich Vita Magica nennen und meinen, Hexen wie Zauberer wie niederes Zuchtvieh zur Paarung treiben zu dürfen, haben es schlicht in Millemerveilles übertrieben. Deshalb verkünde ich, Romulo Bernadotti, Zaubereiminister Italiens, dass jeder weitere Angriffsversuch von Vita Magica den ihn ausführenden Agentinnen und Agenten sehr leid tun wird. Unsere Gäste haben ein Recht, ihre Nationalmannschaften zu unterstützen, ohne in ständiger Furch leben zu müssen, gegen ihren Willen auf Nachwuchs hinzuwirken."

Alle Mitglieder des hohen Rates des Lebens hörten die auf italienisch verfasste Zeitungsmeldung und da vor allem Bernadottis Warnung. Als Pater Duodecimus Marisnostri die Verlesung unterbrach sahen alle die für die Operation "1000 Quaffel" zuständigen Ratsmitglieder an. Diese wiegten die Köpfe. Einer von ihnen meldete sich dann zu Wort.

"Nicht nur, dass sie offenbar schon ein Tausendstel der für die Wirkung nötigen Luftverteilung anmessen können hätten die vier Einsatztruppler von uns fast selbst ihre Freiheit verloren. Denn Meine Landsleute haben allen Ernstes Fangnetze mit doppelt so groß gebauten Schnatzen an den Ecken losgeschickt, die auf die Zusammensetzung unseres neuen Fruchtbarkeitsanregers abgestimmt sind. Beinahe hätte ein solches Netz meinen Großneffen zu fassen bekommen. Der konnte gerade noch den Absprühbehälter zurücklassen und die Notfallpille schlucken, um sich damit aus dem Einsatzgebiet zu flüchten. Zwei andere Einsatzkräfte vermeldeten, dass sie trotz Unsichtbarkeitszaubern oder gerade wegen dieser von Finde- und Festhaltezaubern umschwirrt wurden, denen sie nur wegen der in ihre Einsatzanzüge eingewirkten Schildzauber entgehen konnten."

"Will sagen, sie sind optimal auf uns eingestellt?" wollte Mater Vicesima Secunda wissen.

"Nun, was wir vorhatten, nämlich zu unregelmäßigen Zeiten an immer anderen Stellen unser neues Stimulanz in die Luft zu geben wird so nicht mehr klappen", sagte Pater Duodecimus Marisnostri. "Es sei denn, unser wiederverjüngter Freund hier hat nicht zu große Töne gespuckt, was seine neue Verteilungsvorrichtung angeht, die ohne direkt beteiligte Einsatzagenten auskommt."

"Davon darfst du ausgehen", sagte Perdy. "Ich habe endlich das in diversen Zukunftsgeschichten angedeutete Prinzip einer sichtkontaktunabhängigen Teleportation von einem beliebigen Ausgangspunkt zu einem belibigen Ziel umgesetzt, zusammen mit der bereits bestehenden Erfindung des Portschlosses. Das heißt, ich kann nach Einbruch der Dunkelheit kleine Ladungen mit unter Druck verflüssigtem Agens an einen ausgewählten Zielpunkt schicken, ohne dass dabei herauskommt, woher die Ladung kommt. Der Druckbehälter kann dann ruhig aus größerer Höhe auf den Boden schlagen und zerbrechen. Wenn die dann immer noch meinen, uns jagen zu können laufen die ins Leere."

"Warum hatten wir das nicht schon vor zehn Jahren? Dann wären die Cocktails völlig unnötig gewesen", meinte ein anderes Ratsmitglied. Perdy wollte gerade ansetzen, die Schwierigkeiten seines kontaktlosen Teleportationsapparates zu erläutern, als Mater Vicesima Secunda einwarf: "Ja, nur dass dann immer noch die Drohung des Turnierabbruchs bleibt, und vor allem, junger Mitstreiter, dieses Verfahren auch nur solange funktioniert, solange unsere erklärten Gegenspieler keinen Weg finden, um diese kontaktlosen Transporte abzufangen."

"Das Mittel gibt es leider schon. in Häuser mit errichteten Apparierwellen kann ich nichts hineinbeamen, weil das Transportgut mit übergroßem Druck an einen mindestens zwei Kilometer entfernten Ort geschleudert wwird", knurrte Perdy. "Ich kann unsere Muntermacher nur unter freiem Himmel außerhalb eines Antiapparierwalls auftauchen lassen. Wenn die rausfinden, wie sie die Sperren so bauen können, dass alles was aus einer bestimmten Entfernung einzudringen versucht an der Grenze abgewiesen wird landen unsere Gasbomben nicht am bestimmten Zielpunkt, sondern zerplatzen weit über dem Zielort und werden vom Winde verweht, bevor die Substanz tief genug gesunken ist, um zu wirken. Aber ich denke, fünf Freiluftpartys kann ich mit dieser Vorrichtung lostreten", sagte Perdy.

"Ich weiß von mehreren Grundstücken, die solche Abschirmungen haben, du deine zweite Jugendzeit angehender Schlauberger", grummelte Pater Duodecimus mediteranus." "Es sind vor allem die Stammsitze großer Zaubererdynastien, die sich mit genügend Eindringlingsabwehrzaubern umgeben. Da braucht Bernadotti nur laut zu rufen, dass er gerne das Stadion und die Unterbringungsmöglichkeiten gegen unerlaubte Teleportationen schützen will, und einen Tag später hat er diesen Schutz von drei oder vier Familien sicher."

"Gut, verstehe. Dann werden die fünf Partys eben in derselben Nacht gefeiert", sagte Perdy.

"Denke bitte daran, dass die Heiler von Millemerveilles sich und ihre Schützlinge mit Lustunterdrückungszaubern und -tränken geschützt haben. Das werden sie auch in Italien tun", sagte Mater Vicesima Secunda.

"Bei einigen wird das wohl klappen. Aber wenn wesentlich mehr als eintausend Leute zur selben Zeit betroffen sind kriegen wir unsere 1000 Quaffel ins Spiel, Véronique", erwiderte Perdy Zuversichtlich. Seine Mitstreiter sahen ihn sehr kritisch an. Der vor elf Jahren durch den Infanticorpore-Fluch zum Neugeborenen zurückverjüngte wusste, dass er sich mal wieder ganz weit aus dem Fenster lehnte. Doch diesmal wollte er nicht klein beigeben. Die Operation "1000 Quaffel" war ihm ebensowichtig wie Mater Vicesima Secunda und einigen anderen Rätinnen und Räten des Lebens.

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"Wo möchten Sie hin, Monsieur Latierre, Julius?" wurde Julius am Morgen des fünften Juli gefragt, als er nach dem Frühstück eine Prise Flohpulver aus dem Krug nahm und Anstalten machte, den Kamin in der Wohnküche des Apfelhauses zu entzünden. "Ich muss ins Büro, nachsehen, was da alles an Briefen gelandet ist und mit Madame Grandchapeau und Monsieur Beaubois die Sachen der letzten Wochen nachbesprechen", sagte Julius seiner Schwiegertante, die ihn sicher an der rechten Schulter hielt.

"Ich bin mir absolut sicher, dass ich dir gesagt habe, dass du die nächsten Wochen unter meiner Aufsicht bleibst, junger Mann. Abgesehen davon haben deine beiden Vorgesetzten sowie mein ministeriumseigener Kollege Champverd eine amtliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von mir zugeschickt bekommen, dass du wegen der immensen magischen Entladungen vom 24. Juni 2003 bis mindestens zum 24. Juli 2003 körperliche und geistige Erholung benötigst, zumal die heftige Magieentladung bis dahin nicht vorkam und somit einen medimagischen Präzedenzfall darstellt, der nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Also bleibst du hier bei uns und kümmerst dich um alles, was nach Clarimondes Ankunft anfällt!"

"Tante Trice, du hast mir gestern gesagt, ich dürfte wieder ohne einschränkungen herumlaufen", erwiderte Julius. "Abgesehen davon habe ich keine Kopie dieser Krankmeldung gelesen, dass ich bis zum 24. Juli nicht arbeiten gehen darf", erwiderte Julius. Daraufhin übergab ihm seine Schwiegertante und Hausheilerin einen hellgrün gerahmten Pergamentzettel mit himmelblauem Text, der bestätigte, dass er wegen beinahe tödlich verlaufener Totalerschöpfung auf Grund starker magischer Entladungen am 24. Juni einen vollen Monat lang unter medimagischer Aufsicht erst Erholung finden und dabei seine körperlichen und geistigen Kräfte zurückgewinnen müsse. Auch gab sie ihm ein Antwortschreiben des residenten Heilers im Zaubereiministerium, Louis Champverd, der den Erhalt der Krankmeldung bestätigte und Julius eine vollständige Genesung wünschte. Auch Madame Grandchapeau und Monsieur Beaubois hatten bestätigt, die Krankmeldung erhalten zu haben. Monsieur Beaubois hatte zudem erklärt, dass alle in diesem Zeitraum aufkommenden Anfragen seitens der Veelas wie früher über das Büro für Zauberwesen größer als Kobolde und Hauselfen bearbeitet würden.

"Heißt das jetzt im Klartext, ich darf höchstens die Windeln meiner dritten Tochter wechseln und ihre beiden größeren Schwestern beaufsichtigen?" wollte Julius wissen.

"Genau das heißt es. Ach ja, und mich zusammen zu der nächsten Dorfratssitzung begleiten, wo es um die Auswirkungen von Sardonias Vermächtnis und auf Grund der erloschenen Kuppel aufgekommenen Anfragen nach neuen Schutzmaßnahmen gehen wird. Klappst du mir da nicht zusammen und kannst stressarm mitentscheiden, steht einer Rückkehr ins Arbeitsleben nach dem Sommerball nichts mehr im Weg. Öhm, Weil ja einige hiesige Champions mit zur Quidditch-Weltmeisterschaft gereist sind findet das Schachturnier nicht statt, darf ich dir von Eleonore Delamontagne ausrichten. Meine Mutter war da zwar nicht so glücklich drüber, aber sieht ein, dass ohne anständige Konkurrenz kein anerkennenswerter Wettkampf stattfinden kann. Für dich heißt das, dass du nicht mehr als eine Partie Schach am Tag spielen darfst, wenn ich sicher weiß, dass du dich dabei selbst nicht überforderst. Bei der gelegenheit habe ich deine Vorräte an Wachhaltetrank sicher fortgeschlossen, damit du nicht meinst, meine Anordnungen unterlaufen zu können."

"Du bist dir aber sicher, dass das Baby im Haus ein Mädchen ist?" fragte Julius seine Schwiegertante.

"Solange ich keine Veranlassung habe, etwas anderes zu denken ja", erwiderte Béatrice Latierre auf diese Frage. Julius verstand sie auf Anhieb. Er sollte es doch langsam begriffen haben, wie unerbittlich seine Schwiegertante sein konnte, wenn es um ihre Heilerpflichten ging.

Mit leisem Plopp erschien Babettes Kopf im noch brennenden Kamin der Wohnküche. "Hallo Julius, Öhm, Béatrice. Bin ich gerade unpassend bei euch im Kamin?" wollte Babette wissen. Julius schüttelte den Kopf und sagte, dass er und Béatrice Latierre alles nötige geklärt hatten. "Maman, Papa, Claudine und ich kommen in einer Stunde rüber. Wir wohnen dann alle zusammen bis eine Woche nach der Geburt von Justin James bei Oma Blanche. Ich wollte eigentlich bei Célestine Rocher wohnen, weil ich da auch häufiger mit ihrer Cousine Eurynome zusammen sein könnte. . Aber du kennst ja Oma Blanche", grummelte Babette.

"Ja, und?" fragte Julius. Babettes Kopf verzog das Gesicht. Dann sagte Catherines Erstgeborene: "Na klar, hast ja auch schon lange genug bei ihr gewohnt. Ich wollte nur ansagen, dass Claudine die kleine Clarimonde angucken will, wenn wir unser Zeug bei Oma Blanche eingestellt haben. Oder geht das im Moment nicht?"

"Ach, hat deine bald nicht mehr kleinste Schwester es eilig, ein Baby anzugucken, wo ihr doch bald selbst eins im Haus habt?" fragte Julius.

"Liegt daran, dass Claudine deine Frau immer so angeguckt hat, als müsste die unterscheiden, ob Millie schneller dick wird als unsere Mutter", meinte Babette. "Abgesehen davon will sie mal sehen, wie ein ganz kleines Kind aussieht, bevor wir selbst sowas bei uns wohnen haben. Als sie selbst so klein war konnte sie das ja noch nicht blicken."

"Auch wieder richtig. Da muss ich aber Clarimonde und ihre Maman fragen, ob sie schon wen ganz neues zu Besuch haben wollen. Aber sicher hat Clarimonde nichts dagegen, wo sie ja schon häufig Claudines Stimme gehört hat. Aber Millie muss das mitentscheiden, Babette. Kontaktfeuer mich noch mal an, wenn ihr bei eurer Oma Blanche im Haus seid! Dann wissen wir das ganz sicher."

"Geht klar, Julius. Bis dann!" sagte Babettes Kopf. Dann verschwand er wieder leise ploppend aus dem Kaminfeuer.

"Als wenn ihr zwei die einzigen ganz jungen eltern wäret", meinte Béatrice. "Dabei hat Claudine uns im Château doch auch schon oft besucht, als meine vier jüngsten Halbgeschwister auf die Welt gekommen sind", sagte Béatrice lächelnd. Julius vermutete, dass es Babette wichtig war, Claudine zu zeigen, wie anstrengend ein Baby sein konnte und nicht eine süße kleine warme Puppe war, die nach Belieben ins Bettchen gelegt werden konnte, wenn sie langweilte.

Millie hatte nichts dagegen, von Claudine und wenn sie mochte auch Babette besucht zu werden. Überhaupt waren sie hier in Millemerveilles ja alle froh, wieder von auswärts besucht werden zu können.

Weil Catherine Brickston wohl nicht flohpulvern durfte und deshalb wohl von Hera mit der Reisesphäre und einem innertralisatus-Schlafsack herübergebracht wurde dauerte es an die zwei Stunden, bis Claudines Kopf bei den Latierres im Kamin landete. Der kleinen Hexe mit den großen saphirblauen Augen war anzusehen, dass ihr diese Art der Fernsprechverbindung noch sehr neu und unangenehm war. "Oma Blanche hat mir das gezeigt, wie ich den Kopf durch das Feuer schicken kann. Maman, Babette und ich sind jetzt bei Oma Blanche im Haus. Babette sagte, ich soll fragen, ob ich das Baby von euch angucken darf", piepste Claudine. Millie barg die kleine Clarimonde Esperance gerade unter dem Stillumhang. Sie sah Claudines Kopf an und sagte: "Hören kannst du sie sicher schon. Sie nuckelt gerade ihr zweites Frühstück. So kleine Hexen brauchen eine ganze Menge, um irgendwann ganz groß zu sein. Das weißt du ja schon. Aber du kannst gerne so gegen elf zu uns rüberkommen. Darfst du denn dann ganz durch Kaminfeuer gehen oder soll dich wer bringen?"

"Babette will mich auf dem Besen fliegen", sagte Claudine. "Gut, dann bringt Babette dich zu uns", sagte Millie. Julius nickte. Dann fragte Julius: "Und deinen Papa habt ihr auch in der roten Reisekugel mitgebracht?"

"Klar. Der will ja auch sehen, wie der Kleine aussieht, wenn Maman ihn aus dem Bauch gelassen hat", erwiderte Claudine.

"Kann ich verstehen. ich habe mich auch gefreut, als Julius zugesehen hat, wie Aurore und Chrysie zu uns auf die Welt gekommen sind", sagte Millie. "Dann bis um Elf rum!" rief Claudine noch.

Babette schwirrte um Elf Uhr mit Claudine hinter sich auf ihrem eigenen Ganymed-10-Besen heran und landete vor dem Apfelhaus. Julius musste einige Sekunden lang hinsehen um es zu begreifen. Babette war kein kleines Mädchen mehr. Millie brachte es sogar noch deutlicher auf den Punkt. "Ui, wusste nicht, dass das Essen in Beaux mittlerweile so gut ist, dass junge Hexen noch üppiger werden. Oder hast du dich ausgestopft, Mademoiselle Babette?"

"Neh, habe ich echt nicht nötig. Sind wohl die genialen Gene von Oma Blanches Familie her. Aber keine Angst, dass ich dir den Nuckeljob wegnehmen will, Madame Mildrid", erwiderte Babette. Doch sie wirkte sehr zufrieden über das Kompliment der fünf jahre älteren Hexe. Vor allem dass Julius sie nun nicht mehr wie ein kleines Mädchen ansah gefiel ihr wohl. Doch sie hütete sich in Claudines Hörweite vor weiteren Äußerungen zu ihrem schon fast vollständig erblühten Körper.

"Echt, und die hat mal da drin gesessen oder gelegen?" fragte Claudine, als sie Clarimonde bestaunt und dann Millies langsam wieder abschwellenden Unterleib bewundert hatte. Millie nickte und meinte, dass ihr Brüderchen ja auch noch bei ihrer Maman im Bauch wohnen würde. Babette meinte dazu: "Wir dürfen sogar zusehen, wenn der Kleine da rauskommt, Claudine. Aber mecker dann nicht, wenn du deshalb kotzen musst wie Papa, als du aus Maman rausgedrückt wurdest."

"Ich finde das immer noch heftig, wie früh ihr Hexenmädchen sowas mitbekommen dürft", sagte Julius zu Millie, Babette und Claudine. Babette meinte dazu nur, dass es ja die Hexen seien, die besonders aufpassen müssten, dass sie nicht früher als gewollt so rund würden. Dann durfte sich Babette die kleine Chrysope ansehen, die bereits die ersten sicheren Schritte tat und auch schon erste teilweise Wörter von sich geben konnte. "So sieht Clarimonde dann aus, wenn du sieben wirst, Claudine", meinte Babette zu ihrer kleinen Schwester. Dann sagte sie: "Ich habe jetzt noch eine halbe Stunde Zeit, mit Stine und den anderen Mädels von hier klarzumachen, was in den nächsten Tagen so abgeht. Ich hol die dann so gegen zehn vor zwölf wieder ab." Mit diesen Worten hüpfte Babette auf ihren Besen und brauste im Hui in Richtung der Rochers davon.

Aurore wollte mit Claudine spielen. Doch Claudine wollte nur das Baby sehen. Deshalb spielten Béatrice und Julius mit ihr im Garten.

Zehn Minuten vor Mittag flog ein bunter Flugteppich heran. Darauf saßen Jeanne Dusoleil und Catherine Brickston. "Meine Mutter hat von den Rochers einen Kontaktfeueranruf bekommen, dass Babette und Célestine sich mit vier anderen Mädchen zusammengesetzt hätten um ein Musikprogramm für die ZAG-Feier zu planen und Babette ruhig bei den Rochers essen könnte. Deshalb hat meine Mutter Jeanne gebeten mich herzubringen, um meine zweite Tochter abzuholen", sagte Catherine.

"Ui, dabei habe ich gedacht, dass deine Mutter sehr unerbittlich ist, was Vereinbarungen angeht", meinte Julius dazu. "Wird wohl daran liegen, dass die werte Laura Rocher ihr gesagt hat, dass Babette nur dann für weit genug entwickelt gehalten würde, wenn sie nicht ständig von ihrer Oma umschwirrt würde und sie, also meine Mutter, doch stolz sein sollte, dass Babette sich nicht ständig darauf berufen müsste, welche Großmutter sie habe. Hat meiner Mutter zwar nicht so gefallen, vermute ich mal. Aber offenbar hat die werte Laura Rocher ihr wohl noch was gesagt, dass sie es tatsächlich hingenommen hat, dass Babette zumindest heute mittag nicht bei meiner Mutter isst. Ich denke jedoch, dass Babette ihr dafür immer wieder vorführen muss, wie weit ihr Musikprogramm gediehen ist."

"Maman, die kleine Clarimonde hat nur ganz wenig Zeit gebraucht, um aus Millies Bauch zu kommen, hat Millie mir gesagt", quiekte Claudine aufgeregt. Catherine Brickston sah Millie an, die bestätigend nickte und meinte dann zu ihrer Tochter: "So schnell wird dein Brüderchen Justin James nicht aus Mamans Bauch krabbeln, Claudine. Babette und du habt einige Zeit länger gebraucht. Aber jetzt komm bitte, Oma Blanche möchte pünktlich essen."

"Babette kommt nicht her?" wollte Claudine wissen. "Nein, deine große Schwester darf heute anderswo essen, Claudine. Kommst du bitte zu Jeanne und mir auf den Teppich?" fragte Catherine mit einem jeden Widerspruch verbittenden Unterton. Claudine wuselte an den Latierres vorbei, winkte wie die Teletubbies und hüpfte auf den bunten Flugteppich. Dieser hob auf Jeannes in Altpersisch erteiltes Kommando ab und glitt behutsam beschleunigend nach oben und in Richtung von Madame Faucons Haus.

"Dann essen wir jetzt auch besser was", meinte Millie zu ihrem Mann und winkte ihm zu.

Am Nachmittag kontaktfeuerte Laurentine noch mit den Latierres. Sie wollte wissen, ob Joe und Blanche Faucon sich noch verstanden und wie Babette es wegsteckte, dass sie bei ihrer Großmutter im Haus wohnen musste und deshalb nicht jede spontane Party in Millemerveilles mitnehmen könnte. Julius erwiderte darauf, dass Hera Matine wohl als Vermittlerin zwischen Joe und Blanche Faucon auftreten könnte, sollte es zwischen den beiden doch mal richtig knallen. Immerhin hatte sie, Hera, ja den Anlass geliefert, warum die Brickstons nun alle in Millemerveilles waren. Joe hatte Julius erzählt, dass seine Mutter Jennifer sehr bestürzt war, als sie und ihr Mann den als Ground Zero bezeichneten Standort des eingestürzten Welthandelszentrums besichtigt hatten. Dass Julius' Mutter fast selbst zu den über 3000 Opfern gehört hätte hatte Joe seiner Mutter nicht aufgetischt. Im Grunde verdankte Martha Merryweather und somit Julius drei Halbgeschwister Linda Estrella, Hillary Camille und Eurypides es einem trantütigen Taxifahrer, dass sie lebten.

"Und was machst du gerade?" wollte Julius noch wissen.

"Ich erledige noch ein paar Mails mit meinen Verwandten in den Staaten. Öhm, kommst du mittlerweile auch wieder an Mails, Julius?"

"Goldschweif und Sternenstaub haben unabhängig voneinander mitgeteilt, dass seit der Kiste mit Sardonias bösem Rachegeist und Clarimondes Geburt die Ausstrahlung unserer weißmagischen Barriere immer wieder bis zur Grundstücksgrenze reicht, langsam und sacht zwar, aber deutlich für die Kniesel zu spüren. Ich lasse das noch mal von Florymont und Camille Dusoleil überprüfen. Aber wenn das stimmt kriege ich wohl auf dem Grundstück keinen Rechner mehr störungsfrei zum laufen", seufzte Julius. Die Tatsache, dass durch Clarimondes Geburt die besondere Absicherung seines Hauses den Gebrauch von empfindlicher Elektronik beeinträchtigte trübte seine Freude über den Sieg über Sardonias dunkles Erbe und die Ankunft seiner dritten Tochter ein wenig. Andererseits war er froh, dass sie alle diesen Ansturm aus schwarzer und weißer Magie überstanden hatten.

"Hmm, Du hast aber noch die Zugangsdaten für dein Arkanetkonto oder?" Julius bestätigte es, dass er zumindest die betreffenden CD-ROMS sicher im Haus verwahrt hatte, weil da der Brandschutzzauber wirkte und CDs nicht von magischer Streustrahlung gestört wurden. "Gut, vielleicht kriegen wir das dann hin, dass ich bei mir in der Wohnung noch einen Rechner ans Netz hänge, den du allein betreiben kannst. Der statische Sanctuafugium-Zauber stört zumindest nicht."

"Wollen hoffen, dass durch den Zuwachs bei den Brickstons das nicht auch anders wird", sagte Julius.

"Dann muss ich wohl für sowas ins Internetcafé", meinte Laurentine kurz und unbekümmert. "Aber mein Angebot gilt, Julius. Ich weiß ja selbst, wie blöd das ist, wenn ich nicht mit denen reden oder schreiben kann, die keine Posteulen oder Kontaktfeuer benutzen können. Öhm, hast du schon den Artikel von Célines Schwester gelesen, wie die ersten Spiele ausgegangen sind?"

"Gerade heute morgen, Laurentine. Italien hat gerade so die große Blamage vermieden, gegen Island zu verlieren und darf demnächst gegen die Österreicher ran. Unsere Leute haben auch den Auftakt geschafft und Schweden nach Hause geschickt. Die dürfen dann gegen den Sieger Dänemark/Kenia spielen."

"Constance hat in der Quidditchzeitung geschrieben, dass die US-Mannschaft dieses Jahr deutlich besser drauf ist als 1999. Ja, und dieses dekadente drei-Zentner-Weib Gildfork hat sich mit dem Mannschaftsbetreuer der Peruaner angelegt, weil der behauptet haben soll, dass der Pokal auf jeden Fall nach Südamerika wandert. Das übliche Zeug halt, wenn es um echt wichtige Titel geht. Ich denke immer noch daran, wie schön und spannend das war, als wir die WM bei euch in Millemerveilles hatten."

"O ja, Millie und ich auch", erwiderte Julius. Er verschwieg ihr jedoch seine Besorgnis, dass die Gangster von Vita Magica die WM in Italien dazu missbrauchen mochten, ihr tückisches Fortpflanzungsrauschgas unter die Leute zu bringen, wo es in Millemerveilles so stark gewirkt hatte. Wie erfolgreich dieser gemeine Anschlag war wollte Hera Matine bei der nächsten Ratsversammlung erläutern.

"Falls dir trotz Rechner, Fernseher und Telefon doch mal langweilig sein sollte, kannst du gerne rüberkommen", sagte Julius. Millie bestätigte es. "Vielleicht machst du das sogar schon so, dass du deinen Urlaub nutzt und bis zur Willkommensfeier von Clarimonde und Julius' Geburtstag bei uns wohnst." Julius fügte dem noch hinzu: "Bisher haben wir nur die Zusage meiner Mutter und ihrer Familie, für die Millie und ich das große Gästezimmer herrichten. Falls die Brocklehursts nicht wissen, ob und wie sie rüberkommen wären dann immer noch drei Zimmer frei, vier, falls meine Schwiegertante Béatrice schon vorher in ihr eigenes Zuhause zurückkehren kann.""

"Das hättest du gerne, Freundchen", hörte Julius Trices Stimme vom Eingang zur Küche her. Laurentine grüßte Béatrice Latierre und fragte, warum Julius sie loswerden wollte. "Weil er dann meint, er könne dann alles nachholen, was in den letzten drei Monaten in seinem Büro liegen geblieben ist", sagte Béatrice und trat neben Julius, der sich sehr stark zusammennehmen musste, nicht aus ihrer Reichweite zu flüchten. "Ich überlege mir das noch, ob und wenn ja wo ich hier in Millemerveilles unterkomme. Jeanne und ihre Mutter haben mir auch angeboten, bei ihnen zu wohnen, falls mir in Paris die Decke auf den Kopf fallen sollte und die Dorniers ja alle zusammen in Bella Italia sind. Hoffentlich fängt sich Connie da nicht Cytheras kleines Geschwisterchen ein", meinte Laurentine und sprach ddoch aus, was Julius schon die ganze Zeit sorgte.

"Also, mein Kollege Delourdes ist ja mit unserer Mannschaft mitgereist und hat alle von uns gesammelten Angaben und Berichte über dieses ätherische Aphrodisiakum dabei", sagte Béatrice Latierre. "Wollen wir hoffen, dass sie eine Frühwarnvorrichtung hinbekommen. Abgesehen davon haben die Italiener die Unterbringung ausschließlich aus Varanca-Reisehäusern zusammengestellt, und die können auf als gefährlich eingeordnete Gase abgestimmt werden und diese sofort aussperren, wenn sie eindringen. Julius' Haus kann das jetzt auch. Insofern wärest du hier bei Millie und ihm auch vor diesem Gebräu sicher."

"Wie erwähnt, ich überlege mir das, ob ich nur für die Feier rüberkomme oder ein paar erholsame Tage in Millemerveilles verbringe und mir ansehe, ob es wieder so ist wie vor dieser Dämmerkuppel", sagte Laurentine. Dann verabschiedete sie sich von den Latierres. Ihr Kopf verschwand mit leisem Plopp aus dem Kamin.

"Jungchen, meine Frau Mutter ist froh, dass ich gerade nicht um sie herumwusele. Außerdem habe ich mit Madame Matine geklärt, dass ich noch solange hier im Ort bleibe, bis die gerade von ihr betreuten Schwangerschaften erfolgreich beendet sind und wir wissen, wie viele unfreiwillige Zeugungsakte sie zu betreuen hat. Oder wolltest du mich echt loswerden, Julius Latierre geborener Andrews?"

"Nein, ich wollte dich nicht loswerden, Tante Trice. Ich wollte nur die Möglichkeit erwähnen, dass deine Familie dich gerne auch wiederhaben möchte", sagte Julius zu seiner Schwiegertante, die ihn einfach mal eben in eine halbe Umarmung nahm und an sich drückte, wo Millie dabeistand und nicht wusste, ob sie das nun ärgern oder belustigen sollte.

"Dann kriegt ihr ja demnächst noch den erwähnten Schrank", sagte Béatrice Latierre. Millie und Julius nickten. Millie feixte dann: "Wie viele Schränke wird Onkel Otto noch bauen, die eigentlich für dich sind, Tante Trice?"

Béatrice Latierre sah ihre junge Patientin und Nichte verwegen an und antwortete: "Otto meinte ja, ich sollte ihm das Material und die Arbeitszeit bezahlen, weil ich euren ersten Schrank ja kaputtgemacht hätte. Aber das hat meine Mutter gleich untersagt. Sachen, die innerhalb der Familie gemacht und weitergereicht werden sind nur durch Gegenleistungen und nicht durch Gold zu erstatten, hat sie ganz deutlich klargestellt. Und dadurch, dass ich Ottos jüngstes Kind auf die Welt geholt habe hätte ich mindestens drei Schränke gut bei ihm, hat sie dann mit ihrem euch wohlbekannten Lächeln hinzugefügt."

"Öhm, hast du sowas wie einen astralen Doppelkörper bei euch im Château oder woher weißt du das so genau, wo du die ganze Zeit bei uns bist, Tante Trice?" wollte Julius wissen.

"Interessante Idee eigentlich, Julius. Aber nein, ich habe es von drei Geschwistern und meinem Stiefvater so berichtet bekommen, als dein Schwiegeronkel Otto das Thema angesprochen hat", sagte Béatrice. "Außerdem wäre der für einen solchen Zweit- oder Spiegelkörper nötige Zauber zu anstrengend, um den rund um die Uhr aufrecht zu halten. Aber dass du ihn kennst wundert mich nicht. Aber wehe ich erwische dich dabei, wie du ihn während der von mir verordneten Rekonvaleszenz ausprobierst. Dann lege ich dich neben deine jüngste Tochter in eine Wiege und ziehe dich neu groß!"

"Darfst du nicht, wegen Anna Fichtental", sagte Millie verdrossen. "Das gilt für Ehefrauen, Mütter, Schwestern, Töchter, Schwiegermütter und Schwägerinnen, Millie. Von Schwiegertanten steht nichts in der betreffenden Regel", konterte Béatrice Latierre. Julius schluckte. War das echt so? Er rief sich schnell den ihm bekannten Wortlaut der Anna-Fichtental-Regel ins Bewusstsein und stellte fest, dass da nichts von weiblichen Verwandten, sondern tatsächlich nur von eigenen Ehefrauen, Müttern, Schwestern, Töchtern, Schwiegermüttern und Schwägerinnen stand. Deshalb sah er Millie bedröppelt an und meinte: "Steht echt nicht allgemein drin, sondern eben nur für bestimmte Verwandtschaftsbeziehungen. Womöglich haben die entsprechenden Leute damals nicht bedacht, dass ein infanticorporisierter Mensch auch Schwiegertanten haben könnte, obwohl die Existenz einer Ehefrau das eigentlich schon einschließt."

"Da sollte wohl demnächst noch einmal dringend nachgebessert werden", grummelte Millie. Julius meinte dazu: "Abgesehen davon ist der Zauber Potestas Geminorum, der einen nahezu eigenständig handelnden, von seinem Original überwachten und größtenteils steuerbaren Zweitkörper erschafft, nur dann möglich, wenn die Körpervorlage bereit ist, drei Viertel der eigenen Tagesausdauer an Zauberkraft einzusetzen und dabei riskiert, selbst einen vollen Tag lang nicht mehr handlungsfähig zu sein, sobald der Doppelkörper von einem Reducto- oder dem Todesfluch getroffen wird. Sonst hätten den ja schon viele Leute, die sich mit Sternenzaubern auskennen gebracht, um vor Gefahren sicher zu sein", sagte Julius. Er dachte da vor allem an die sich besonders gut mit Astralzaubern auskennende Sophia Whitesand.

"Deshalb würde ich das ja auch sofort merken, wenn einer von euch den ausprobiert, zumal der eben auch nicht beim ersten mal klappt und bestenfalls unter Aufsicht eines anderen damit vertrauten eingeübt werden muss. Aber deinem Mann, Millie, traue ich zu, dass er den wegen seiner Ruster-Simonowsky-Begabung schon beim zweiten mal hinbekäme. Daher meine eindringliche Warnung an ihn." Julius nickte. Ihm spukte immer noch die Vorstellung im Kopf herum, seine Schwiegertante könnte ihn zur Strafe für eine massive Missachtung ihrer Heileranordnungen zum Säugling zurückverjüngen und ihn als wehenlos bekommenes Kind aufziehen.

Um sich von dem kurzen aber heftigen Einwurf seiner Schwiegertante abzulenken ging Julius darauf ein, mit seinen Verwandten ein kurzes Hauskonzert zu spielen. Millie spielte auf dem von den Whitesands geschenkten Klavier, Julius spielte Altblockflöte, Aurore durfte auf einer Triangel spielen, die im Musikfach der von den Whitesands geschenkten Vielraumtruhe gesteckt hatte. Béatrice spielte Fagott. So ging es bis abends um sechs Uhr, bis die beiden erwachsenen Hexen befanden, dass es für Klein-Clarimonde Zeit für die vorletzte Milchmahlzeit war und für alle anderen das Abendessen vorbereitet werden sollte.

Gegen neun Uhr abends lagen Aurore, Chrysope und Clarimonde friedlich in ihren Bettchen. Millie und Julius genossen den warmen Sommerabend im Garten, während Béatrice Latierre an einem Bericht für die Heilerzunft schrieb. Denn solange sie hier in Millemerveilles als Aushilfsheilerin gemeldet war übernahm sie neben der Betreuung ihrer eigenen Verwandten auch den bürokratischen Ablauf des in Italien weilenden Heilers Delourdes und der Kollegin Matine, die sich nun vordringlich um die bei ihr untergebrachten Schwangeren kümmerte.

"Bor, hätte nicht gedacht, dass wir dieses Jahr so einen heißen Sommer kriegen", meinte Julius zu seiner Frau. Diese blickte zum Himmel hinauf, wo ein lupenreiner, beinahe flackerfreier Sternenhimmel auf sie herabgrüßte. "Thalos und die anderen Feuerwehrzauberer sind besorgt, dass es im Mittelmeerraum zu Waldbränden kommen kann, wenn das so weitergeht. Jetzt, wo die Kuppel nicht mehr da ist müssen sie wohl erst recht drauf aufpassen, dass Millemerveilles nicht von solchen Feuersbrünsten heimgesucht wird."

"Tja, vor nicht mal einem halben Monat haben wir noch jedes Feuer begrüßt, dass wir hier zum brennen bekommen haben, und jetzt müssen wir schon wieder aufpassen, dass es davon nicht zu viel gibt", meinte Julius. Millie nickte ihm zu und meinte, dass die Leute hier sicher schon damit zurecht kämen, solange wie Millemerveilles schon bestand. Das beruhigte Julius spürbar.

Um nicht von ihrer gestrengen Anverwandten ins Bett kommandiert zu werden zogen sich Millie und Julius um zehn ins angenehm temperierte Apfelhaus zurück und machten sich bettfertig. Sie sahen noch einmal nach den beiden größeren Töchtern und wünschten leise ihrer Mitbewohnerin eine gute Nacht.

__________

Die Temps de Liberté und die Quidditchzeitschrift Quaffel & Co. machten am siebten Juli mit demselben Thema auf. Gilbert Latierre betitelte es mit: "Madame Latierre sagt: "Letzte Warnung!" Constance Dornier hatte für Quaffel & Co. den Titel "Frankreichs Mannschaft von ungewollter Vermehrungswut bedroht" gewählt. Inhaltlich ging es darum, dass in der nähe des französischen Mannschaftsquartiers in der Nacht zum sechsten Juli ein scheinbar unerklärlicher Drang zum geschlechtlichen Beisammensein aufgekommen sei. Wie berauscht hätten sich hundert Paare zusammengefunden. Irgendwer habe jedoch zwischen den Gästebereichen und denen der Mannschaften eine Art Schutzwall errichtet, der die heimtückische Substanz unschädlich gemacht habe. Außerdem, so beteuerte Gilbert Latierre, hätten die zwei Medimagierinnen aus Paris und Lyon, die sich um die in der Mannschaft mitspielenden Hexen kümmerten, genug Verhütungsmittel eingesteckt und die zur Verfügung gestellten Varanca-Reisehäuser in Form von überlebensgroßen Früchten wären mit der Aussperrbezauberung für schädliche Gase auf die als Fortpflanzungsrauschgas ermittelte Substanz eingestimmt worden. Allerdings, so Gilbert Latierre, sei es schon erwähnenswert, dass die Mannschaftsquartiere von diesem unsichtbaren Schutzwall abgesichert worden seien, als gelte es, die angereisten Nationalmannschaften auf jeden Fall vor diesem Zeug zu schützen. Constance Dornier erwähnte dann noch, dass die mitgereisten Funktionäre sich bei einem neuerlichen Vorfall dieser Art darüber verständigen würden, ob die Weltmeisterschaft vorzeitig beendet sei oder nicht. Dieses jedoch, so Constance Dornier, könnte schwierig werden, weil die Offiziellen jeder Mannschaft bei einem vorzeitigen Abbruch jede Chance auf Titelgewinn oder Titelverteidigung vergaben und es dann auch zu klären war, ob unter solchen Umständen überhaupt noch eine Großveranstaltung dieser Art stattfinden dürfe und natürlich auch, wer dann für die bis dahin angefallenen Kosten aufkommen müsste, solange keine klaren Täter oder Mithelfer ermittelt werden könnten.

"Die machen es echt, Millie. Diese Banditen wollen echt ihr Paarungstriebgas auf möglichst viele Leute loslassen", meinte Julius zu seiner Frau, die gerade den Miroir Magique las, der nur davon berichtete, dass die Quidditchweltmeisterschaft noch genauer vor Anschlägen auf das Wohl von Mannschaften und Zuschauern beschützt wurde. Offenbar galt für die Macher der vor der Ära Didier einzigen Zaubererzeitung Frankreichs, dass Misstrauen und Panik vermieden werden sollten.

"Onkel Gilbert hat ja seinen Digeka mit. Ich frage den gleich mal, was genau er mitbekommen hat und nicht in die Temps reinschreiben wollte oder durfte", kündigte Millie an. Ihre Tante Béatrice nickte sehr heftig. "Ja, mach das. Tante Cyn wird das sicher auch wissen wollen, ob ihr einziger Sohn sie aus Versehen zur Großmutter macht."

"Tja, wo Tante Cyn schon sooo lange darauf hofft, dass Onkel Gilbert ihr diesen Gefallen tut", feixte Millie. Béatrice Latierre grinste ebenso. Julius kannte es schon von ihr, dass sie zwischen gestrengem Heilermodus, großer Schwester und erheitertem Mädchen wechseln konnte. Andererseits nahm er selbst die Meldungen sehr ernst. Immerhin hatten sie hier in Millemerveilles ja miterleben müssen, wie sehr Vita Magicas Liebesrauschgas die Ordnung und den Alltag durcheinanderbringen konnte. Deshalb würde es ja heute auch eine Ratssitzung geben, wo unter anderem neue und erweiterte Schutzmaßnahmen besprochen werden sollten.

Um zehn Uhr morgens trafen sich die Mitglieder des Dorfrates, sowie die von diesem ausdrücklich hinzugebetenen Mitbürger im Gemeindehaus. Millie hütete die Kinder, während Béatrice und Julius an der Sitzung teilnahmen. Um das Gemeindehaus waren vorsorglich mehrere Schutzbanne errichtet worden, um unliebsame Besucher auszusperren. Zwar gab es im Moment keine akute Bedrohung wie von den Helfershelferinnen Sardonias oder den Goldblütenhonigverweigerern um Louis Grandbois, doch nach Erlöschen der magischen Kuppel konnten durchaus bis dahin sicher ausgesperrte Feinde wie die Spinnenschwestern oder die verbrecherischen Werwölfe der Mondbruderschaft den Weg nach Millemerveilles finden.

Madame Faucon saß ebenfalls zusammen mit ihrer Tochter Catherine Brickston im Versammlungsraum. Offenbar traute die Schulleiterin von Beauxbatons ihrer ältesten Enkeltochter zu, die jüngere Schwester zu beaufsichtigen. Blanche Faucons Name stand auch auf der raumbreiten Wandtafel mit den vorangemeldeten Rednerinnen und Rednern ziemlich weit oben.

"Ich freue mich und bin sehr beruhigt, dass ihr alle die Einladung erhalten habt und die Zeit erübrigt habt, an dieser vielleicht ersten von mehreren Sondersitzungen teilzunehmen", eröffnete Eleonore Delamontagne die Sitzung, als feststand, dass alle Ratsmitglieder und geladenen Teilnehmer anwesend waren. "Wir haben für heute drei Tagesordnungspunkte, die wir jetzt schon erörtern, obwohl einer davon sich auf eine Zeit von heute bis in achtzehn Jahren bezieht, also bis 2021 gültig bleiben mag." Sie deutete auf die vor sich abgelegte Liste mit den drei Haupttagesordnungspunkten, die jeder für sich in Unterabschnitte untergliedert waren.

Der erste Haupttagesordnungspunkt betraf den Wegfall der allgemeinen Schutzbezauberung gegen feindliche Wesen. Hierzu sollte beraten werden, welche Möglichkeiten es gab, mit friedlichen Zaubern einen gleichwertigen Ersatz zu schaffen und bis wann diese Zauber eingerichtet werden könnten. Denn, so Madame Delamontagne, durch den Wegfall von Sardonias Kuppel könnten bis dahin sicher ausgesperrte Widersacher auf die Idee kommen, Millemerveilles angreifen und plündern zu dürfen. Immerhin würden einige Mitbürgerinnen und Mitbürger ihre Häuser bereits mit starken Schutzbannen umschließen. Die hätten aber den Nachteil, dass dadurch einige Zauber nur noch eingeschränkt verwendet werden könnten und dass ein ungeordnetes Herumzaubern mit Schutzbezauberungen zu Problemen beim Besenflug oder Apparieren führen konnte, wenn zum Beispiel jemand einen Locorefusus-Zauber auf sein oder ihr Grundstück legte, wie es Grandbois und andere sogenannte Elsternfußler getan hatten. Da nun hinlänglich bekannt war, dass Camille Dusoleil zu den Kindern Ashtarias gehörte und Julius ehedem schon als von jenen Nachfahren einer mächtigen Meisterin der hellen Künste ins Vertrauen gezogen bekannt war wunderten die beiden sich nicht, dass sie von den anderen aufmerksam angesehen wurden. Camille durfte dann auch erwähnen, wie genau sich die von ihr um ihr eigenes Grundstück, sowie das Grundstück der Latierres und Jeanne Dusoleils gelegten zauber äußerten. "Durch den Tod meiner Mutter und meiner zweiten Tochter Claire wurde ich unfreiwillig in die Lage versetzt, alle die zu schützen, die mit meiner Mutter und meiner zweiten Tochter in Liebe und Vertrauen verbunden waren beziehungsweise sind. Daher konnte ich das Grundstück von Julius und Mildrid ebenso absichern wie das meiner ältesten Tochter und ihrer Familie. Da ich mittlerweile weiß, wo meine verstorbene Mutter mir bis heute nicht mitgeteilte Aufzeichnungen versteckt hat und ich jetzt erst an diese herankommen kann möchte ich nachprüfen, inwieweit ich auch jeden anderen hier entsprechend beschützen kann. Denn mit mir und meiner Familie kamen die allermeisten hier bisher ja doch sehr gut aus, und Claire hatte hier in Millemerveilles viele gute Freundinnen und Freunde. Wenn ich weiß, wie ich deren Erinnerungen an meine verstorbene Tochter ausnutzen kann, um ähnlich wirksame Zauber auszuführen tue ich das selbstverständlich sehr gerne für euch alle", sagte Camille zum Schluss. Vor allem Geneviève Dumas sah die Nachbarin sehr interessiert an, aber auch Roseanne Lumière, die als Dorfrätin für Kulturveranstaltungen anwesend war. Julius wurde dann auch noch gefragt, was er tun könne, um seinen Mitbürgern zu helfen, gegen feindliche Flüche oder Überfälle geschützt zu werden. Er sagte dazu: "Da ich ja auch zu denen gehöre, die mit Claire Dusoleil sehr gut verbunden waren weiß ich nicht, ob ich mit dem, was ich wegen meiner Zusammenstöße mit den Abgrundstöchtern gewährten Kenntnisse anfangen kann. Ich vertraue da ganz auf Camille Dusoleils Quellen."

Blanche Faucon bekam das Wort, da sie zu diesem Punkt eh eine Erklärung abgeben wollte. Sie stellte sich vor die versammelten Mitbürgerinnen und Mitbürger hin und sagte: "Messieursdames vom ehrwürdigen Dorfrat Millemerveilles, liebe Nachbarinnen und Nachbarn. Wie ihr alle wisst umgab ich trotz der schon seit Jahrhunderten bestehenden Kuppel aus Sardonias dunkler Zeit mein Grundstück mit dem vielen von euch zumindest bekannten Sanctuafugium-Zauber, da ich, wie sich leider bestätigte, der Beschaffenheit der magischen Kuppel über Millemerveilles nicht über den Weg traute. Selbstverständlich kann ich bei der Liga gegen dunkle Künste, der ja nicht nur ich, sondern auch der uns allen hier als wackerer Gegenminister vertraute Professeur Delamontagne angehört, um Beistand bitten, um jeder und jedem hier diesen Schutz angedeihen zu lassen. Doch der Zauber hat zwei nicht zu verkennende Nachteile: Er erlaubt das Apparieren nur jenen, die von seinen Ausführenden als Zutrittsberechtigt eingestimmt wurden und er wirkt sich auf Tiere mit einem Spürsinn für Magie ermüdend bis lähmend aus, je danach, ob es sich um reine Pflanzenfresser oder Fleischfresser wie Kniesel und Schwatzfratze handelt. Außerdem können direkt nebeneinander errichtete Wirkungszonen dieses Zaubers für natürliche Sinne unerfassbare aber zur Handhabung von Magie durchaus unangenehme Störungen im natürlichen Raum-Zeit-Gefüge hervorrufen, je danach, ob die als zutrittsberechtigten Mitmenschen des einen nicht als vertrauensunwürdige Menschen bei einem anderen gelten mögen. Die Schöpfer dieses Zaubers haben ihn nie zuvor als Kette oder gar Netzwerk aus hintereinander oder nebeneinander errichteten Wirkungszonen eingerichtet. Allerdings haben Versuche im 18. Jahrhundert erwiesen, dass Sanctuafugium ähnlich wie ein unmagischer Magnet in einer bestimmten Weise ausrichtet und somit durchaus die Möglichkeit oder Gefahr besteht, dass ein unmittelbar daneben errichteter Zauber eine gegensätzliche Ausrichtung und damit einhergehende Abstoßungswirkung entfalten kann. Dies sage ich nur, weil mich nach der erfolgreichen Heimkehr von Beauxbatons viele von euch in Briefform oder direkt gefragt haben, ob nicht jeder hier diesen Zauber erhalten kann. Wir dürften hier alle darüber einig sein, dass es wegen der magischen Gesetzmäßigkeiten für räumliche Ausdehnungen unmöglich ist, den Sanctuafugium-Zauber über das gesamte Dorf Millemerveilles zu errichten. Somit bleibt nur die für einzelne Grundstücke ausführbare Anwendung. Aber selbstverständlich werden meine Fachkollegen und Kameraden in der Liga gegen dunkle Künste und ich jedem und jeder hier mit zumindest wirksamen Schutzzaubern helfen, wenngleich ich neidlos anerkennen muss, dass die von der Nachbarin Camille Dusoleil gewirkten Schutzzauber schier unübertrefflich sind, zumal diese sich aus dem Gedeihen der davon durchdrungenen Schutzbefohlenen verstärken können, wie sich ja nach der Geburt von Bertrand Dusoleil und Clarimonde Latierre gezeigt hat. Da ich von Camille ins Vertrauen gezogen wurde, dass ihre Schutzbezauberung nur dem traurigen Umstand zu verdanken ist, dass ihre geliebte Mutter zeitgleich mit ihrer geliebten Tochter Claire gestorben ist fürchte ich, dass dieser Zauber nur bei denen die volle Wirkung zeigen wird, die in ähnlich starker körperlicher und/oder seelischer Beziehung zu den Verstorbenen oder anderen leiblichen Kindern Ashtarias standen oder stehen. Aber auch ich halte mich gerne für neue Erkenntnisse offen, was die Natur dieses Zaubers angeht. Ich bitte jedoch eindringlich darum, die Nachbarin Camille Dusoleil nicht mit Neid zu bedenken oder sie dazu zu drängen, jedem hier denselben Zauber zur Verfügung zu stellen. Denn das kann sie so nicht tun, wie es bisher gelang.

Als Alternativen zu einem Bannzauber, der feindliche Wesen vom eigenen Grund und Boden fernhält schlage ich in meiner Eigenschaft als Fachhexe für die Abwehr dunkler Kräfte vor, dass wir ein Netz aus Feindeserkennungszaubern errichten, dass bösartige Gefühle und Absichten erfassen und davon getriebene denkfähige Lebewesen ortbar macht, so dass sie von unseren Sicherheitszauberern gestellt und im Bedarfsfall handlungsunfähig gemacht werden können. Ähnliches hatten wir ja bei der Quidditchweltmeisterschaft 1999 nach der unrühmlichen Zauberschlacht zwischen den Anhängern der tiroler und der südafrikanischen Nationalmannschaft erwogen. Monsieur Pierre, der heute leider nicht bei uns sein kann, wird sicher noch die entsprechenden Vorgehensweisen vorhalten können. Außerdem schlage ich in Anwesenheit von mindestens sieben Meistern der Thaumaturgie vor, dass solche Feindseligkeitserkennungszauber auf bewegliche Erkundungsvorrichtungen gelegt werden, die nicht fest auf einen Standort beschränkt sind und somit auch schwer bis gar nicht angegriffen werden können. Wer von den fünf Herren und zwei Damen aus dem Fachbereich Thaumaturgie die möglichen Gefühls- und Absichtserkundungszauber erlernen möchte, sofern sie sie noch nicht kennen sollten, dürfen gerne mit mir und Kameraden aus der Liga entsprechende Lern- und Einsatzgruppen bilden. Scheut euch nicht, dieses Angebot anzunehmen! Selbst ich muss immer wieder feststellen, dass es jeden Tag was neues zu lernen gibt. Das ist nichts erniedrigendes, sondern die wahre Triebfeder geistiger Entwicklung.

Damit komme ich auch schon zum Abschluss meines Wortbeitrages. Ich erbitte von allen stimmberechtigten Mitgliedern des Rates den offiziellen Auftrag, die Gemeindebibliothek um alle die Werke ergänzen zu können, die zum Ausgleich des verlorengegangenen Schutzes beitragen können, sofern die darin erwähnte und in Einzelheiten erläuterte Magie ohne Schädigung fühlender Wesen auskommt und somit gänzlich anders beschaffen ist als jene, die Sardonia im 16. und 17. Jahrhundert über Millemerveilles legte. Der tragische Vorgang mit der verdorbenen Schutzglocke hat einmal mehr bestätigt, dass es keinen dauerhaften Nutzen im Schadenszauber gibt. Das ist eine leider immer wieder verdrängte Tatsache, die ich jedes Schuljahr erneut erwähnen musste, als ich in Beauxbatons das Fach Protektion gegen destruktive Formen der Magie unterrichtete. Zu meiner vollen Beruhigung ist mein Nachfolger in diesem Fach derselben Meinung wie ich und vermittelt diesen Grundsatz, dass aus dauerhaft schädlichem nichts dauerhaft nützliches erwächst weiterhin. Wir hier in Millemerveilles hatten insofern nur Glück, dass Sardonia damals einige ihrer Geheimnisse an Hexen weitergab, die ihrem Gewissen folgten und mithalfen, die Auswirkungen der Kuppel so zu gestalten, dass sie nicht jedes Jahr neue Opfer verlangte. Woher jene enorme Welle aus dunkler Zauberkraft kam ist bis heute umstritten. Feststeht nur, dass nicht nur die Kuppel über Millemerveilles davon verfremdet und somit wieder zur Quelle von Schadenund Beeinträchtigung gemacht wurde. Dies muss uns allen eine Lehre sein, dass wir bei allen Ansprüchen auf wirksame Schutzmaßnahmen nicht Sardonias Weg beschreiten und Menschenseelen dafür opfern dürfen, um unser Leben, Hab und Gut zu schützen. Deshalb bitte ich darum, unsere allgemeine Bibliothek um jedes Buch und jede Schriftrolle zu ergänzen, wo solche uneigennützigen Schutzzauber genau beschrieben werden, egal, wie teuer deren Anschaffung sein mag. Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit und euer Verständnis!"

Weil sich spontan niemand dazu äußern wollte zog sich der amtierende Dorfrat von Millemerveilles zu einer Beratung in ein schalldichtes Nebenzimmer zurück. Julius mentiloquierte mit Camille, dass er ihr gerne helfen würde, mit den Zaubern, die er noch gelernt hatte weitere Schutzzauber aufzubauen. Sie schickte ihm zurück: "Ich werde demnächst noch einmal in die Villa gehen und mir Mutters Denkarium genauer ansehen und bei der Gelegenheit auch ihre von dir übermittelten letzten Erinnerungen dort einlagern, um es zu vervollständigen. Wenn du möchtest kannst du mich begleiten. Vielleicht kannst du mich auch wieder in die Stadt mitnehmen, sollte Mutters gespeichertes Wissen nicht ausreichen."

"Hallo, nicht zu lange", flüsterte ihm Béatrice ins rechte Ohr. Er ärgerte sich, dass er mal wieder von ihr gemaßregelt wurde, nicht zu lange zu mentiloquieren. Er deutete auf Camille und schickte seiner Schwiegertante: "Mit Camille kann ich noch besser als mit deiner Mutter und mit Millie auch ohne Herzanhänger."

"Das ist kein Grund, es zu übertreiben, Julius", bekam er von ihr zurück.

Als der gewählte Rat von der Beratung zurückkam drückte Eleonore Blanche Faucon mehrere Pergamente in die Hand. "Hiermit bekommen Sie, Madame Blanche Faucon, den amtlichen Auftrag des Gemeinderates von Millemerveilles, die gemeindeeigene Schriftensammlung auf nutzbringende und schutzgewährende Zauber und Rituale zu prüfen und in Absprache mit Ihr Vertrauen genießenden Hexen und Zauberern weitere Schriften zu erwerben und deren Inhalt interessierten und fachkundigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu vermitteln oder eine Person Ihres Vertrauens zu benennen, die dies in Ihrer Abwesenheit ausführt", sagte Eleonore Delamontagne ganz offiziell. Ebenso offiziell bedankte sich Blanche Faucon für die Genehmigung und das Vertrauen in ihre Fachkenntnisse und ihre Person als solcher. Damit war der erste von drei Haupttagespunkten erledigt.

Der zweite in insgesamt vier Unterabschnitte aufgeteilte Tagesordnungspunkt befasste sich mit den angefallenen Kosten für die während der Dämmerkuppelzeit benötigten Anschaffungen, den Verdienstausfällen der unter der Kuppel festgehaltenen Mitbürger, dem Umgang mit den durch diese verstorbenen Mitbürger und damit einhergehend wie mit der Gemeinde Viento del Sol über eine Wiederaufnahme der Partnerschaft und des damit verbundenen Personen- und Güterverkehrs zwischen Millemerveilles und Viento del Sol zu beschließen war. Als letzter Unterabschnitt dieses Tagesordnungspunktes ging es um Vorschläge, wie die Dankbarkeit der Mitbürger zum Ausdruck gebracht werden konnte, dass viele magische Mitbürger aus Frankreich und auch Viento del Sol mitgeholfen hatten, dass Millemerveilles nicht unter der bösen Kraft der Dämmerkuppel zusammengebrochen war. Julius bat dabei einmal ums Wort und schlug vor, einen alljährlich zu vergebenden Preis für die Verdienste der magischen Menschheit unter Berücksichtigung von Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft zu verleihen, der mit einer gewissen Summe Galleonen dotiert sein sollte, ähnlich wie es der Nobelpreis in Schweden und Norwegen war. Alle anderen sahen ihn erst leicht unverständig an, bis es wohl bei vielen in den Köpfen klick machte und er von den allermeisten ein sehr wohlwollendes Lächeln erhielt. Er wurde dann noch gefragt, was mit diesem Nobelpreis gemeint war. Julius musste dann erläutern, dass der Erfinder des Sprengstoffs Dynamit vor seinem Tod erkannte, dass sein Sprengstoff leider nicht die abschreckende Wirkung hatte, dass es keine Kriege unter den magielosen Menschen mehr gab, sondern eher noch mehr Zerstörungskraft freigesetzt hatte. Er hatte deshalb fünf Kategorien für Verdienste um die Menschheit festgelegt, die aus einer nach seinem Tod begründeten Stiftung bewertet und belohnt werden sollten, darunter auch geistige Dinge wie Frieden und Literatur. Deshalb könnte er, Julius, sich gut vorstellen, dass ein solcher Preis auch in der Zaubererwelt die Ideen für eine bessere Welt aber vor allem bessere Erkenntnisse derselben befördern konnte. Blanche Faucon wandte jedoch ein, dass nicht wenige der rein naturwissenschaftlichen Preisträger der letzten hundert Jahre auch an neuen Waffen geforscht hatten oder deren Herstellung erst möglich gemacht hatten. Das konnte Julius zwar leider nicht abstreiten, antwortete jedoch darauf, dass gerade die Erkenntnisse der neuen Zerstörungsmittel auch zu Gegengedanken angeregt hatten, wie die damit mögliche Zerstörung verhindert werden konnte. Das wiederum konnte Blanche Faucon nicht abstreiten. So wurde beschlossen, dass es jedes Jahr zum Gründungsjubiläum von Millemerveilles die Verleihung eines Kunstpreises für neue Talente mit einhergehendem Festival geben sollte, sowie am 24. Juni, dem Tag, als Sardonias Kuppel erlosch, ein Preis für die besten unschädlichen Ideen in der Zaubererwelt rückwirkend bis zehn Jahre vor Gründung des Preiskomitees verliehen werden sollte. Für den Kunstpreis wurden die Bereiche magische Malerei, kreative Zauberkunst, Schauspiel, magischer Kunstflug und Musik festgelegt. Für den am 24. Juni zu verleihenden Preis wurden die Bereiche praktische Zauberkunst, magische Heilkunde, nutzbringende Alchemie, magische Tier- und Pflanzenkunde und Ideen für ein friedliches Miteinander aller denk- und empfindungsfähigen Wesen mit und ohne Magie festgelegt. Camille mentiloquierte Julius, dass dann wohl auch mal sie oder er für einen solchen Preis in Frage kommen mochten. Über das Preisgeld wollten sich die für die Haushaltsfragen zuständigen Ratsmitglieder zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten. Zumindest wurden Blanche Faucon und Julius Latierre dafür gelobt, eine derartige Idee eingebracht zu haben. Über den Namen für die beiden Preise wollte sich der Rat noch im einzelnen beraten, weil der Name nicht nur gut auszusprechen sondern auch unmissverständlich und unzweideutig sein sollte. Damit war dann auch der zweite große Tagesordnungspunkt abgehandelt.

Nun ging es in dem in drei Unterabschnitte aufgeteilten dritten Tagesordnungspunkt um die Auswirkungen des heimtückischen Gasangriffes, der zu einer massenhaft gesteigerten Fortpflanzungswut geführt hatte. Im Abschnitt eins ging es darum, noch einmal klarzustellen, dass dieses Vorgehen ein Angriff auf Willensfreiheit und die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen war und trotz der nicht zu verdrängenden Auswirkungen, nämlich der Abschwächung der bösen Kraft in der Kuppel, kein erbetenes oder gar dankenswertes Vorgehen war. Daher stellte die Gemeinde Millemerveilles mit Einstimmigkeit der Stimmberechtigten fest, dass alle aus diesem Anschlag entstehenden Kosten bis zum Jahre 2021, also bis zum Schulabschluss der dadurch gezeugten Kinder, von denen zu erstatten waren, die als Täter oder Beihelfer ermittelt werden konnten. Diese als Gesetzesvorlage dem Ministerium zuzustellende Entscheidung wurde dann noch einmal für alle laut vorgelesen.

Im zweiten Abschnitt dieses Tagesordnungspunktes ging es darum, wie ähnlich wie bei den neuen Schutzzaubern auch Abwehrzauber gegen gasförmige Fremdstoffe eingerichtet werden konnten. Hier konnte der Leiter der örtlichen Feuerwehrzauberer und -hexen auch sein Anliegen durchbringen, einen netzartigen Feuer- und Rauchabwehrzauber über Millemerveilles auszuspannen, wobei allen hier klar war, dass in den Wirkungszonen der Netzknoten gewirkte Feuerzauber oder magielos entfachte Feuer misslingen mochten und das Netz daher nicht all zu engmaschig und bestenfalls in mehr als hundert Metern über Grund aufgespannt werden sollte. Nur an der Ortsgrenze sollten entsprechend viele bodennahe Feuer- und Rauchabwehrzauber eingerichtet werden. Diese sollten dann eben auch gleich gegen jede Form nicht natürlicher gasförmiger Stoffe eingestimmt werden, wodurch ein neuerlicher Gasangriff ob mit Liebesrauschgas oder gar mit tödlichem Gift schwer bis gar nicht ausgeführt werden konnte. All zu gut war den Anwesenden auch Pétains Versuch im Gedächtnis geblieben, Millemerveilles mit der magielos hergestellten Chemikalie VX verseuchen zu wollen. Auch sollte geklärt werden, ob der Antiradioaktivitätszauber noch bestand oder mit der Kuppel zusammen erloschen war und ob er auf andere Weise wieder eingerichtet werden konnte, so dass keine uran- und plutoniumhaltigen Angriffswaffen wie Atombomben über Millemerveilles eingesetzt werden konnten. Darum sollten sich Florymont Dusoleil, Julius Latierre und Professeur Fixus aus Beauxbatons kümmern, weil sie jeder für sich von Kernphysik, Zauberkunst und Alchemie die nötige Ahnung hatten. Julius und Florymont nickten einverstanden.

"So, und jetzt zu dem Abschnitt, der mir am wichtigsten ist", eröffnete Hera Matine die Besprechung des dritten und letzten Unterabschnittes von Tagesordnungspunkt drei, Auswirkungen und Folgen des alchemistischen Angriffes vom 11. Juni 2003. "In meiner gerne und nach wie vor als Berufung ausgeübten Tätigkeit als residente Heilerin und vor allem Hebamme in Millemerveilles möchte ich euch allen hier meine ersten Untersuchungsergebnisse mitteilen, die ich innerhalb der nun bald vier Wochen nach dem heimtückischen Gasangriff vorgenommen habe. Ich habe zunächst nur die von sich aus an mich herangetretenen Mitbürgerinnen unserer Gemeinde hexenheilkundlich untersucht und dabei schon ermittelt, dass es in zweihundert Fällen zu einer erfolgreichen Empfängnis gekommen sein mag. Daraufhin machte ich von meinen Vorrechten als hier niedergelassenen Heilerin Gebrauch und ordnete alle mir bekannten Mitbürgerinnen an, sich von mir und dem Kollegen Delourdes untersuchen zu lassen. Somit kommen wir heute auf insgesamt 200 Ehepaare und 50 spontan zusammengekommene Paare, bei denen eine erfolgreiche Empfängnis festgestellt wurde. Nun gilt unter uns Hebammen der Grundsatz, eine begonnene Schwangerschaft nicht vor der dritten Woche nach dem mutmaßlichen Zeugungstermin für gesichert zu erklären. In der magielosen Welt gehen sie sogar davon aus, eine größtenteils sicher verlaufende Schwangerschaft erst nach der zwölften Woche öffentlich zu bestätigen. Doch wie bei den Knochensägern und Wirkstoffglücksrittern der magielosen Welt gilt auch für uns in der magischen Heilkunst ... was gibt es da so verächtlich zu gucken, Pflegehelfer Julius Latierre?" Julius räusperte sich und erwähnte, dass die Ärzte und Arzneihersteller der magielosen Welt sich schon für wissenschaftlich und handwerklich gründlich ausgebildete Fachleute ansahen und auch als solche anerkannt werden wollten. "Weil sie es nicht besser kennen und können, junger Ersthelferassistent", meinte Hera Matine dazu. Dann fuhr sie mit ihrer Ausführung fort. "Ich wollte sagen, dass die als gesicherte Schwangerschaften bestätigten Abstände nach dem mutmaßlichen Zeugungsakt nicht immer als verbindlich angesehen werden. So erkennen wir Hebammenhexen eine erfolgreiche Kindesempfängnis bereits zwei Wochen nach dem letzten uns freiwillig mittgeteilten Beischlaftermin an, wenn die entsprechenden Untersuchungsmethoden eine Empfängnis bestätigen und arbeiten ab dieser Feststellung mit den betreffenden Hexen daran, die erkannte Schwangerschaft sicher durchzustehen und die erkannten Leibesfrüchte zu vollkommen lebensfähigen und natürlich gestalteten Kindern auszureifen. Dabei gilt - das muss ich in dieser Runde einmal mehr klar und deutlich erwähnen -, dass eine von mir oder einem anderen Mitglied der magischen Heilzunft erkannte Schwangerschaft mit allen heilkundlich zulässigen Mitteln geschützt werden muss und das als gezeugt erkannte Leben mit allen bekannten oder noch zu entdeckenden Mitteln geschützt werden muss. Zwischen dem Zeugungsakt und der Einnistung einer Leibesfrucht kann und darf zwar noch mit Mitteln behandelt werden, die eine Befruchtung oder eine Einnistung eines befruchteten Eis in der Gebärmutter verhindern. Ist die Einnistung jedoch schon erfolgt und bestätigt gilt die Leibesfrucht bereits als vollwertiges Menschenleben mit allen ihm gewährten Rechten, allen voran das Recht auf Leben und Gesundheit. Bei wem ich also alles schon eingenistete Leibesfrüchte feststellen konnte gilt also, dass die bestätigten Kinder ausgetragen und geboren werden müssen. Es kann zwar im unmittelbaren Gefahrenfall ein Umsiedeln des Ungeborenen in den Leib einer Heilhexe stattfinden, aber eben nur im unmittelbaren Gefahrenfall für das ungeborene Kind und meistens nur solange, wie der Gefahrenfall besteht. Während der Schwangerschaft ist die werdende Mutter in ihren Rechten eingeschränkt, weil sie nicht mehr für sich alleine lebt. Sie darf sich selbst nicht in Gefahr bringen oder Tätigkeiten ausführen, die mögliche Gefahren hervorrufen könnten, beispielsweise Quidditch oder Besenkunstflug oder ständiges Apparieren über große Entfernungen hinweg. Da ich bei ausnahmslos allen von mir untersuchten Mitbürgerinnen eine bereits erfolgte Einnistung von mindestens einer Leibesfrucht feststellen konnte gilt für diese 250 Hexen, dass sie ihre Kinder austragen müssen. Ob sie diese nach der Geburt anderen Hexen oder Paaren in Pflege und zur Aufzucht übergeben wollen können sie vor oder nach der Niederkunft festlegen. Da das betreffende Agens, welches zu massenhaften Beischlaftätigkeiten führte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus den unserem Moralverständnis unverständlichen Ideen von Vita Magica entstammt steht zu vermuten, dass es mit der überhöhten Beischlaftätigkeit auch eine starke Bindung zu den auf diese Weise gezeugten Nachkommen bewirkt. Ich wollte jedoch noch einmal klarstellen, in welcher Zwangslage die betroffenen Hexen und wir Heiler uns befinden. Auch wenn der Angriff mit dem Gas eine Form von Massenvergewaltigung darstellt gilt der unbestreitbare Grundsatz, dass die auf diese Weise entstandenen Kinder nichts für die ihre Entstehung bedingende Tat können und daher nicht stellvertretend für die Täter bestraft werden dürfen, indem sie beispielsweise weit vor der Lebensfähigkeit aus dem Mutterleib entfernt also abgetrieben oder herausgeschnitten werden. Also werden die Hexen, die ich untersuchen durfte, ihre Kinder zur Welt bringen. Darunter sind solche Hexen, die über Jahrzehnte alleinstehend gewohnt haben oder verwitwet sind, wie gerade erst aus Beauxbatons hervorgegangene junge Erwachsene Hexen, die wegen nicht sofort erlangter Arbeits- oder eigener Wohnstätten noch bei ihren Eltern wohnen. Was die unfreiwilligen Väter angeht liegt die Altersspanne ebenso zwischen gerade erst mit Beauxbatons fertig geworden bis mehr als fünfzig Jahre alleinstehend. Ganz tragisch ist hierbei auch, dass sich die meisten unverheirateten Paare aus Hexen und Zauberern mit sehr großem Altersunterschied ergaben, was zu noch größeren zwischenmenschlichen Spannungen führen mag. Ebenso kam es in fünf Fällen zu absolut ungewolltem Ehebruch, weshalb ich in meiner Eigenschaft als residente Hebamme darum bittten muss, zumindest die finanzielle Versorgung der unter diesen Umständen gezeugten Kinder zu klären, so dass deren Aufzucht nicht zum Nachteil unbeabsichtigt betrogener Ehemänner gereicht und bei ganz jungen Vätern, die kein sehr großes Einkommen verdienen, nicht zur Armut führt, weil sie womöglich mehr als ein Kind versorgen müssen. In diesen fünf konkreten Fällen gänzlich unbeabsichtigten Ehebruchs bitte ich um die Einrichtung eines Versorgungshaushaltes, der aus Mitteln der Familienstandsbehörde des Zaubereiministeriums sowie Erlösen aus Gewerbeeinnahmen der Mitbürger finanziert wird, aber auch bei klaren Überführungen von Tatbeteiligten aus deren Vermögen oder Einkommen geschöpft werden soll. Was mich als Hebamme angeht so werde ich die Mutterschaftsbetreuung all der Hexen sicherstellen, die sich mir anvertrauen. In der sicheren Annahme, dass der Rat es mir sowieso genehmigt hätte konnte ich bereits mehrere meiner Kolleginnen außerhalb von Millemerveilles anschreiben, die sich bereiterklärt haben, die Betreuung von Schwangeren zu übernehmen, die von sich aus um Betreuung bitten. Die meisten werdenden Mütter haben jedoch schon bekundet, dass ich ihre Schwangerschaften und die nachgeburtliche Versorgung überwache, was für mich heißt, dass ich bis zum März des kommenden Jahres ausschließlich Bürgerinnen von Millemerveilles betreue, sobald jene Hexen, die mich als Hebamme erwählt haben und in den nächsten zwei Monaten ihre Kinder erwarten erfolgreich niedergekommen sein werden. Da sich im Zuge einer engagierten Patientinnenbetreuung die junge Kollegin Béatrice Latierre in Millemerveilles aufhält möchte ich diese fragen, ob sie bereit ist, mich bis zur Geburt des letzten zwischen dem 11. und 16. Juni gezeugten Kindes heilmagisch zu unterstützen und solange hier in Millemerveilles als zeitweilig koresidente Heilmagierin zu verbleiben. Also frage ich hier und in der Öffentlichkeit dieser Versammlung: Heilerin Béatrice Latierre, bist du willens und bereit, für die Dauer der zwischen dem 11. und 16. Juni begonnenen Schwangerschaften als beigeordnete Hebamme von Millemerveilles zu praktizieren, sofern du nicht gerade auch andere Patientinnen zu betreuen hast?"

Béatrice Latierre sah die ältere Kollegin für einige Sekunden nachdenklich und dann entschlossen an, nickte und sagte laut und deutlich: "Ich, Heilerin Béatrice Latierre, ursprünglich als residente Heilerin von Château Tournesol registriert, erkläre mich bereit, dir, meiner Kollegin Hera Matine, hauptamtlich niedergelassene Heilerin und Hebamme zu Millemerveilles, für den Zeitraum bis april 2004 als beigeordnete Hebamme zu helfen, die außergewöhnliche Anzahl von Schwangerschaften und Geburten heilmagisch zu betreuen. Allerdings müssen wir beide diesen Antrag und meine Bereitschaftserklärung der Zunftsprecherin Großheilerin Antoinette Eauvive vorlegen und ihr die endgültige Entscheidung überlassen."

"Dies findet meine volle Zustimmung. Ich danke dir für deine Einsatzbereitschaft. Womöglich werden auch weitere Kolleginnen mir und damit auch dir beistehen", sagte Madame Hera Matine. Julius wusste nicht, wie er das nun finden sollte. Denn eine ordentlich für ein Einsatzgebiet festgelegte Heilerin sollte schon in der Nähe des Einsatzgebietes wohnen, um von den Heilsuchenden schnellstmöglich erreicht werden zu können oder zu diesen hinzugelangen, wenn sie um Hilfe riefen. Das erkannte wohl auch Hera Matine und erwähnte, dass sie mit Unterstützung der Heilzunft auf die bei der letzten Quidditch-Weltmeisterschaft angemieteten Varanca-Häuser zurückgreifen und auch die eine oder andere Kollegin in den Gästezimmern ihres Entbindungshauses unterbringen konnte. Dann wandte sie sich an Julius Latierre und ebenso an Sandrine Dumas, die ebenfalls an der Versammlung teilnahm: "Sandrine und Julius, ich hoffe, ihr versteht es, wenn ich euch frage, ob ihr im Rahmen eurer Pflegehelferausbildung eure sonstigen Freizeit- und Berufsaufgaben daraufhin prüft, wie gut ihr mir und meinen Kolleginnen helft. Das möchtet ihr bitte auch Mildrid Latierre ausrichten, wenn sie aus der von meiner Kollegin hier verordneten Wochenbettphase heraus ist. Ich werde auch eine entsprechende Anfrage an die Heilerzunft richten, ob auch andere Pflegehelferinnen und Pflegehelfer zeitweilig zu uns nach Millemerveilles umsiedeln, um im Rahmen ihrer eingegangenen Verpflichtungen sowie gegen eine noch zu beschließende Aufwands- und Verdienstausfallsentschädigung mitzuhelfen." Sandrine sah Julius an, der sah Sandrine an. Dann sahen beide Hera Matine an und nickten. Das hatten sie ja schon bei ihrer Ausbildung zu Ersthelfern mitbekommen, dass sie dann, wenn ihre Fähigkeiten gebraucht wurden, mithelfen sollten, wenn ein Heiler oder eine Heilerin das erbat oder gar einforderte. Am Ende, so dachte Julius noch, konnten Belisama und Martine, auch noch hier einbestellt werden. Ja, auch Julius' Schwiegertante Patricia konnte gleich nach den UTZs als für solche Sondersituationen einzufordernde Pflegehelferin angefordert werden. Nur Patrice Malone würde wohl nicht gefragt, weil sie in Belgien wohnte.

"Hier sitzen alleine schon dreißig erwachsene Hexen, die alle mit diesem verdammenswürdigen Gebräu beeinflusst wurden", meinte Eleonore Delamontagne dazu. "Es ist sehr diskret von dir, Nachbarin Hera, dass du bei deinen Ausführungen nicht auf jede von uns gedeutet hast. Aber ich denke mal, dass wir hier alle vernünftig genug sind, ohne Spott und Schadenfreude aufeinander einzugehen. Ich danke dir auf jeden Fall für deine Ausführungen und hoffe, dass du von allen Seiten die nötige Hilfe erhalten wirst, Ratskollegin Hera. Allerdings solltest du bei deiner Anfrage an die Sprecherin deiner Zunft auch die Frage erörtern, ob die über mehr als ein halbes Jahrtausend gepflegte Ethik, dass nur Hexen Hexen bei Schwangerschaften und Geburten betreuen dürfen, nicht für diesen konkreten Ausnahmefall aufgehoben werden sollte, damit dein Kollege Delourdes ebenso mithelfen kann, seine neuen Mitbürger sicher auf die Welt zu holen. Sieh das bitte nicht als verbindliche Aufforderung meinerseits an, sondern als der Ausnahmelage geschuldeten Vorschlag. Sicher, ich werde mich dir wieder anvertrauen, egal, ob in mir nun nur ein Kind oder zwei oder mehrere heranwachsen werden. Doch es mag Hexen geben, die durchaus Verständnis dafür haben, wenn ihnen ein ausgebildeter Heiler beisteht."

"Ich werde deine Anregung an Großheilerin Eauvive weitergeben, Ratskollegin Eleonore", sagte Hera Matine darauf.

"Wo Madame Faucon als amtierende Direktrice der Beauxbatons-Akademie anwesend ist", setzte Eleonore Delamontagne zu einer weiteren Anfrage an: "Besteht die Möglichkeit, die betreffenden Abteilungen des Zaubereiministeriums bereits jetzt schon um eine zusätzliche Unterstützung der Akademie zu bitten? Immerhin dürfte auf Grund des an uns allen verübten Verbrechens ein überstarker Jahrgang allein aus Millemerveilles im Jahre 2015 nach Beauxbatons gehen."

"Das habe ich bei Heras Ausführungen schon in Betracht gezogen und werde die betreffenden Amtsträger im zaubereiministerium und den Schulrat von Beauxbatons, dem unsere Nachbarin Camille Dusoleil angehört, eine entsprechende Anfrage vorlegen. Im besten Fall gilt, dass wir uns auf die Beschlüsse der US-amerikanischen Zaubereiverwaltung berufen können, die auf eine ähnliche Anfrage meiner Kollegin Wright hin einen Anbau der Gebäude von Thorntails zusagte, ebenso wie die Kollegen von Dragon Breath, Ilvermorney und dem Hexeninstitut von Salem. Wer immer diesen Anshlag auf Millemerveilles ausgeführt hat sollte bereits die eigenen Goldvorräte zählen. Sie könnten bald sehr viel kleiner werden", sagte Blanche Faucon. Julius ertappte sich bei dem verwegenen Gedanken, dass sie selbst froh war, im Juni noch in Beauxbatons gewesen zu sein und deshalb nicht wie manche alleinstehende oder verwitwete Hexe ohne einen Ehemann ein Kind großziehen zu müssen.

"Mit einem Anbau alleine wird es wohl nicht getan sein", sagte Blanche Faucon dann nach einigen Sekunden noch. "Wenn von hier allein mindestens zweihundertfünfzig Jungen und Mädchen nach Beauxbatons gehen sind die bisherigen Klassenverbände in der seit Jahrhunderten aufrechterhaltenen Form obsolet. Dann müssten wir entweder sehr große Klassenräume haben, in denen mehr als vierzig Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden können, oder wir müssten noch mehr kleinere Klassenräume vorhalten, aber dann auch entsprechend mehr Lehrkräfte. Wir müssten also auch innerhalb der sechs Häuser von Beauxbatons Parallelklassen einführen. Auch das dürfte viele in den Behörden für Familien und magische Bildung und Studien sichtlich aufwühlen, da wir dann nicht nur Anbauten oder Ausbauten in Wohn- und Unterrichtsräumen vornehmen lassen müssten, sondern auch früh genug neues Lehrpersonal ausbilden oder bereits pensionierte Lehrkräfte wieder zurückbitten müssten. Diese verbrecherischen Zeitgenossen könnten diesen Umstand nutzen, ihre Gesinnungsgeschwister bei uns in Beauxbatons einzuschmuggeln, da die Auswahl an Lehrkräften nur noch den Fachkenntnissen zollen kann und nicht mehr auch die menschliche Eignung oder die Haltung der neuen Lehrkräfte überprüfen kann. Also gilt auch, sicherzustellen, dass wir uns mit den neuen Lehrkräften nicht auch noch subversive Elemente in die altehrwürdige Akademie holen. Am Ende sollten wir auch überlegen, ob wir ähnlich wie in den vereinigten Staaten mehrere hochrangige Lehranstalten schaffen, um allein den aus Millemerveilles stammenden Anteil neuer Schüler eines Jahrganges aufzufangen."

Julius hob die Hand zur Wortmeldung. Als er das Wort erhielt sagte er: "Es gebe da noch eine Möglichkeit, den Zustrom von neuen Schülern zu steuern, nämlich den, dass die Frist für die Aufnahme in Beauxbatons verändert wird. Bisher gilt, wer bis zum ersten August das elfte Lebensjahr vollendet hat kann aufgenommen werden. Vielleicht, eben nur vielleicht, könnte für den Jahrgang 2015, um den es hier geht, eine Ausnahmeregelung gefunden werden, das Kinder, die zwischen dem ersten März und dem fünfzehnten März 2004 geboren werden 2015 eingeschult werden und die, die danach geboren werden ein Jahr lang sozusagen von den eigenen Eltern unter Aufsicht der Grundschullehrer betreut werden und dann 2016 nach Beauxbatons kommen. Ich dachte einen Moment daran, für die neuen Schüler eine eigene Zaubereischule zu gründen. Aber für nur einen Hyperstarken Jahrgang alleine würde sich das nicht lohnen. Ebenso könnte ich mir vorstellen - dies bitte nur als Gedankengang zu verstehen, Madame Faucon -, bereits frühzeitig als magisch hochbegabt auffallende Jungen und Mädchen schon bei Vollendung des zehnten Lebensjahres nach Beauxbatons zu schicken und sie dann mit Erreichen der Volljährigkeit die UTZ-Prüfungen machen zu lassen. Wie gesagt ist das nur ein Gedankengang von mir."

"Hier ist der Ort und die Zuhörerschaft, um jeden konstruktiven Gedanken zu erörtern", erwiderte Blanche Faucon. "Ich behalte mir vor, den Schulrat und die Ausbildungsabteilung darum zu bitten, diese Anregung auf ihre Umsetzbarkeit und Auswirkungen überprüfen zu lassen. Da dies laut deines Gedankengangs bis spätestens 2014 abgeschlossen sein muss haben wir also noch genug Zeit zur Verfügung. Ich würde es sogar begrüßen, wenn die Beauxbatons-Akademie nicht den Eindruck vermittelt, dass sie hauptsächlich für Schülerinnen und Schüler aus Millemerveilles zuständig sei. Doch dafür eine eigene Schule neuzugründen schafft das Problem mit den möglichen Infiltratoren der Vita-Magica-Gruppierung nicht aus der Welt."

"Das ist wohl wahr. Aber das heißt auch, dass uns diese Art von Angriff nicht noch einmal treffen darf", meinte Eleonore Delamontagne. Blanche Faucon sah Julius an und bat dann ums Wort.

"Da ich weiß, dass du, Nachbar Julius Latierre, das Konzept der Paralellklassen und der Aufnahmeprüfungen für weiterführende Schulen am Besten von uns allen kennst, möchte ich dich, das Einverständnis des Rates voraussetzend, darum bitten, mit mir und den Beamten von der Behörde für magische Ausbildung und Studien zu erörtern, wie dieser - wie nanntest du es? - hyperstarke Jahrgang, personell und fachlich bestmöglich betreut werden kann. Bist du zu einer solchen Zusammenarbeit bereit?" Julius überlegte nicht lange. Wenn sie ihn hier schon als Hebammenhelfer einspannten warum nicht auch als Ideengeber für die Jahrgangsaufteilung von Beauxbatons? "Ja, ich bin dazu bereit, mit Ihnen über alles mögliche zu sprechen, was den im März und April 2004 erwarteten Kindern hilft, so gut wie alle die vor ihnen eingeschulten Kinder unterrichtet zu werden, Madame Faucon."

"Ich bin sehr erfreut, dies zu hören", erwiderte Blanche Faucon.

Eleonore Delamontagne sah ihre weiblichen Mitbürger an, die alle zurückblickten und dann zusammen Blanche und Julius ansahen. Vor allem Geneviève Dumas lächelte Julius an. Der konnte sich denken, was das zu bedeuten hatte. Dann sagte Eleonore: "Damit dürften alle bereits erkennbaren Aufgaben und zu erwartenden Schwierigkeiten ausgiebig genug besprochen sein. Inwieweit es noch weitere Anliegen in diesem Zusammenhang gibt und wie diese angegangen werden müssen wird die Zukunft zeigen. Vorerst bleibt uns nur, die hier beschlossenen Anträge und Vorhaben an die entsprechenden Stellen weiterzugeben und deren Antworten abzuwarten. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, liebe Nachbarinnenund Nachbarn, erkläre ich diese außerordentliche Ratsversammlung für beendet. Ich danke euch allen, dass ihr die Zeit gefunden habt, hier mitzuwirken!"

"Dann wollen wir mal deine ganz kleine Tochter trockenlegen", mentiloquierte Béatrice Latierre und bot Julius ihren Arm für eine Seit-An-Seit-Apparition. Julius nahm das Angebot an, zumal er als ihr Begleiter den auf sein und Millies Herzschlag abgestimmten Fremdapparatorenschutz umgehen würde.

Julius sah die für die meisten jungen Männer nicht so angenehme Säuglingspflege als kleineres Übel an. Während er Clarimondes volle Windeln abnahm und das kleine Hexenmädchen in die kleine Badewanne setzte durfte er seiner Frau erzählen, was die Ratsversammlung besprochen hatte. Als Millie das mit den mindestens 250 neuen Schülerinnen hörte pfiff sie durch die Zähne. "Abgesehen davon, dass du da gerade die zweite von insgesamt 257 neuen Schülern saubermachst, mein Angetrauter, dürfte dir doch klar sein, dass Sandrines Maman dich jetzt nicht mehr vom Haken lässt, was die Beschulung der ganzen Neulinge angeht. Denn bevor ihr da irgendwas mit verschobenen Einschulungsjahrgängen trickst werden die ganzen März- und Aprilkinder von 2004 alle erst mal hier zur Schule gehen. Abgesehen davon, dass es dann sicher mehr als 257 sein werden, wie wir diese Bande aus Drecksäcken und Sabberhexen kennen."

"Das habe ich mir schon gedacht, als Sandrines Maman mich so angestrahlt hat. Wollen nur hoffen, dass wir vom Ministerium in den nächsten Jahren herauskriegen, wer an dieser Gemeinheit alles dranhängt. Aber wenn die jetzt auch in Italien so was anstellen müssten die in Südafrika noch hundert Tonnen Gold mehr aus der Erde holen, um das alles zu bezahlen, was die angerichtet haben. Ja, und Blanche könnte auch damit recht haben, dass die Banditen die Gunst nutzen, um ihre eigenen Leute als neue Lehrer in Beauxbatons reinzuschmuggeln oder uns anzubieten, die ganzen von ihnen auf den Weg gebrachten Kinder bei sich auszubilden."

"Tja, und euch beiden Süßen sollte noch was klar sein", sagte Béatrice und beobachtete Julius beim Baden seiner jüngsten Tochter. "Wenn Antoinette Heras Anfrage bewilligt bleibe ich sicher bis April hier in Millemerveilles und kann so weiterhin gut auf euch zwei aufpassen."

"Tja, wenn Oma Line nicht doch noch mal wen kleines kriegen will", sagte Millie. Darauf meinte Béatrice: "Tja, oder dass Tine und Alon mit Héméra auch noch bei euch einziehen, weil Tine auch eine Pflegehelferin ist oder deine Tante Patricia hier unterkommt, sofern ihr Auserwählter sie nicht gleich in der Hochzeitsnacht in fruchtbare Umstände versetzt."

"Ach, die könnte dich ja dann auch auswählen, Tante Trice", meinte Millie. "Dann wäre es sogar praktisch, wenn sie auch noch hier wohnt", sagte Béatrice darauf. Dass Patricia Ende August Marc Armand heiraten würde stand seit einem Tag fest. Im Moment überlegte sie noch, ob sie den beiden Nichten Callie und Pennie den Geburtstag versauen sollte oder doch einen ganz eigenen Festtag für sich und Marc aussuchen sollte.

"So, da haben wir eine kleine saubere Wickelhexe frisch gebadet und verpackt", sagte Julius mit leicht erhöhter Stimme, als er Clarimonde sauber und frisch gewickelt hatte. Er legte sie seiner Frau in die erwartungsvoll geöffneten Arme und trat einen Schritt zurück. Béatrice Latierre klopfte ihm auf die Schulter und meinte, dass er das dann wohl bei vielen neu ankommenden Kindern machen dürfte und sie ihm da problemlos ein Unbedenklichkeitszeugnis ausstellen würde. Julius erwiderte, dass Hera Matine das sicher schon damals getan hatte, als sie ihn zum Pflegehelfer ausgebildet hatte.

Bevor es für die Großen Mittagessen gab ploppte Jeannes Kopf noch in den Kamin der Latierres hinein. "Ich wurde gerade von Hera gefragt, ob ich ihr auch helfe, die ganzen Neuankömmlinge zu betreuen, die da im März und April ankommen sollen. Offenbar hat sie das auch gleich an alle Pflegehelfer in Frankreich weitergegeben. Tine hat sich schon gemeldet und will das mit ihrem Chef Leblanc erörtern, ob sie zwischen August und April nur noch Teilzeitdienst macht, wenn Hera sie auch noch anschreiben sollte. Keine Sorge, Millie und Julius. Tine würde dann zu Bruno und mir ziehen, wo ihr Béatrice schon bei euch habt."

"Und Monsieur Graminis?" fragte Julius Jeanne. "Der wird mich wohl auch für konkrete Anfragen freistellen. Aber nur bei konkreten Fällen. Könnte sein, dass ich dann das machen darf, was deine Schwiegertante Béatrice schon oft machen durfte."

"Stell dir das bitte nicht so leicht vor, Jeanne", sagte Béatrice dem Kopf von Jeanne Dusoleil im Kamin. "Ich habe nicht selten ganze Wasserfälle ausgeschwitzt, wenn ich nicht wusste, ob ich das auch richtig hinkriege, vor allem, als meine vier jüngsten Geschwister unterwegs waren und ich mit einer maultierstutensturen Schwangeren zu tun hatte, die meinte, weil sie schon zwölf Kinder bekommen hat keine Anleitungen mehr nötig zu haben."

"Ist nur die Frage, wie viele es werden. Abgesehen davon ist meine Schwiegermutter eindeutig vier Wochen über die Zeit, hat sie mir erzählt. Die gute Laura Rocher hat ihr schon geschrieben, dass sie sich auf jeden Fall als Urgroßmutter von dem oder denen vorstellen lassen will, wenn der oder die auf der Welt sind. Na ja, soll die mit meinem Schwiegervater aushandeln, wer da welche Rechte hat", erwiderte Jeannes Kopf schon sehr gehässig grinsend.

"Auf jeden Fall ganz viele Neuzugänge", seufzte Julius. "Ja, und Sandrines Mutter könnte dich sicher anfordern, so in sechs bis sieben Jahren", erwähnte Jeanne das, was Millie schon angedeutet hatte. Julius nickte und erwiderte, dass das vielleicht das kleinere Übel der noch zu erwartenden Schwierigkeiten sein mochte. Abgesehen davon wüssten sie ja nicht, ob die Fortpflanzungserzwinger nicht auch anderswo in Frankreich ihr Paarungsrauschgas versprühten und am Ende noch zwei ganz neue Zaubereischulen gegründet werden mussten, nur um diesen einen neuen Jahrgang sicher unterrichten zu können. "Vor allem könnten die ganzen Jungs und Mädels von den anderen blöd angemacht werden, weil sie keine aus Liebe gemachten Kinder sind", meinte Millie. Ihre Tante und Hebamme räusperte sich und berichtigte sie: "Du meinst sie könnten von ihren Mitschülern übel verspottet und beschimpft werden, weil sie eigentlich nicht von denen erwünscht waren, die ihre Eltern wurden."

"Hallo, Blanche, wolltest du mal wissen, wie sich der Körper eines Latierre-Mädchens anfühlt?" fragte Millie zur Antwort.

"Ja, nachdem ich einige Minuten nur in deiner ungeborenen Schwester Miriam festgehangen habe wollte ich mal wissen, wie sich ein ausgewachsener Hexenkörper aus Ursuline Latierres Schoß anfühlt", ging Béatrice auf Millies freche Frage ein. Millie verzog kurz das Gesicht. Julius begriff, dass Hippolyte es ihrer Schwester weitergegeben hatte, dass Blanche Faucon bei einem Exosensozauber voll in eine Verbindung zwischen Julius und der damals noch ungeborenen Miriam hineingeraten war und deshalb Miriams Wahrnehmung erlebt hatte, während Julius bewegungsunfähig in Blanche Faucons Wahrnehmung festgehangen hatte. Das war unmittelbar danach, als sie mitbekommen hatte, dass Millie und er sich füreinander entschieden hatten.

"Aber mal ernst, Millie, wenn Hera auch dich für die Betreuung von werdenden Müttern anfordern wird solltest du nicht so schulmädchenhaft daherreden. Die betreffenden Frauen wissen selbst, dass sie die in ihnen heranwachsenden Kinder eigentlich nicht haben wollten. Aber wenn sie wirklich von VM beeinflusst wurden werden sie das Kind oder die Kinder um jeden Preis bekommen wollen und könnten sich angegriffen fühlen, wenn jemand ihren Nachwuchs verächtlich redet."

"Haben wir mit Sandrine schon erlebt und mit Martha leider auch schon", erwiderte Millie eingeschüchtert. Julius bestätigte das.

"Dann sollten wir wieder froh sein, dass Tante Trice mich und Sandrine noch rechtzeitig gefunden hat", meinte Julius dazu. Dabei deutete er auf seinen Brustkorb, wo er den Herzanhänger unter dem Umhang trug. Millie nickte.

Am Nachmittag kam Hera Matine zusammen mit Sandrine und Jeanne Dusoleil herüber und fragte, ob sie Béatrice und Julius kurz sprechen dürfe. Bei der Gelegenheit konnten sich Jeanne und Sandrine die kleine Clarimonde ansehen. "Ui, die ist auf jeden Fall etwas länger geraten als Bertrand", meinte Jeanne. Dann setzten sie sich in das Musikzimmer. Aurore durfte derweilen mit Sandrines Zwillingen und Jeannes erstgeborener Viviane Aurélie im Garten herumtoben.

"Also, zunächst einmal bin ich sehr beruhigt, vier sehr gut vorgebildete Pflegehelfer hier in Millemerveilles wohnen zu haben. Dann bin ich auch sehr froh, dass Antoinette Eauvive meine Anfrage so schnell beantwortet hat. Béatrice, ich darf dir eine Unterkunft in Millemerveilles anbieten, sofern du nicht schon was gefunden hast, um jederzeit erreichbar zu sein", sagte Hera. Béatrice deutete um sich herum und sah Millie und Julius an. "Falls unsere Verwandten im Sonnenblumenschloss sie nicht doch heftig vermissen haben wir ihr angeboten, auch weiter bei uns zu wohnen, wie seit dem 9. Mai", sagte Julius. Millie nickte beipflichtend. "Wirklich? Das freut mich, dass ihr drei es weiterhin miteinander aushalten wollt", sagte Hera Matine. "Dann kann ich die Kollegin Anne Laporte bei mir unterbringen. Die hat nämlich von ihrer Vorgesetzten schon eine ordentliche Dienstanweisung erhalten, sich im Falle einer Beistandsanfrage bereitzufinden, in Millemerveilles Quartier zu nehmen. Öhm, könntest du, Béatrice, deine Halbschwester Patricia bitte fragen, ob sie vielleicht ebenfalls bereit ist ..."

"Könnte schwierig werden, da Patricia im August heiraten wird und gemäß der althergebrachten Regeln ein frisch verheiratetes Paar den berühmten Honigmond frei hat. Sollte sie da selbst schwanger werden, was bei dem Erbgut sicher möglich ist, kann sie nicht als Aushilfshebamme eingesetzt werden, bis sie selbst entbunden hat, Hera. Ich hatte schon dran gedacht, sie anzusprechen. Aber ich habe es verworfen, weil Patricia froh ist, den Burschen heiraten zu können, den sie im Mai auf ihren Besen gehoben hat", sagte Béatrice.

"Wäre auch zu einfach gewesen", grummelte Hera. Sandrine meinte dazu: "Tja, aber Aysha könntest du noch fragen, Hera. Die hat damals bei Aurores Geburt mitgeholfen, und Louis Vignier wird ja wohl demnächst auch zu uns hinziehen, wenn er Sylvie Rocher heiratet."

"Ja, aber nur als Schnullerspüler und Windelwäscher, Sandrine. Ich habe das durchaus mitbekommen, dass er damals bei Aurores Geburt den Quängelwichtel gegeben hat. Da werde ich wohl eher Belisama fragen, die bei deiner Niederkunft mit Estelle und Roger mitgeholfen hat, sofern die nicht auch schon wen auf ihren Besen gehoben hat", sagte Hera Matine. Julius sah die Hebamme leicht verdutzt an. Dann kapierte er, dass Belisama Lagrange ja auch geburtshilflich vorgebildet war.

"Öhm, hat es Adele Lagrange auch ... öhm ... berührt?" wollte Julius wissen. Hera fragte, was an der Aussage, dass alle 200 Ehepaare ganz sicher auf Nachwuchs warten mussten nicht zu verstehen gewesen war. Julius entschuldigte sich für seinen Vorwitz und wandte ein, dass er immer noch damit klarkommen musste, dass dieses vertückte Gas so lange und so viele betroffen hatte. "Belisama hat schon zurückgemeldet, dass sie bereit ist, bis April bei ihrer Tante und ihrem Onkel einzuziehen und somit als Betreuerin für Adele zur Verfügung zu stehen. Soweit ich weiß ist sie ja auch die Patin von Chrysope."

"Stimmt", sagte Julius.

"Dann wird Millemerveilles schon weit vor dem März richtig voll", meinte Millie dazu. Hera funkelte sie dafür zwar verärgert an, nickte aber. Dann bedankte sie sich noch einmal bei den hier wohnenden Pflegehelfern und der Kollegin und fragte Sandrine, ob sie noch was sagen wollte. Denn sie wollte mit ihr gleich weiter zu einer älteren Patientin, Sandrines Großtante, die seit drei Jahren Witwe war und jetzt von einem der 20 Elsternfußler Nachwuchs in Aussicht hatte und der Vater wegen der Magie Sardonias selbst wieder zum Säugling zurückgeschrumpft war.

"Also, weil meine Mutter wohl auch wen neues erwartet bin ich deren Ansprechpartnerin. Allerdings ist mir doch ein wenig bange, dass ich meiner eigenen Mutter helfen soll, meine ganz kleine Schwester oder zwei ganz kleine Brüder zu kriegen. Wenn die dann auch so drauf ist wie ich gleich nach Rogers und Estelles Geburt weiß ich nicht, ob ich das gut hinkriege."

"Wir können uns da gerne mal in Ruhe drüber unterhalten, wie aufwühlend das ist, die eigenen Geschwister auf die Welt zu holen, Sandrine", sagte Béatrice Latierre. "Ja, oder der eigenen Mutter beim Kinderkriegen zu helfen", sagte Jeanne. Immerhin hatte sie ja auch mitgeholfen, ihre im Moment noch jüngste Schwester Chloé auf die Welt zu bringen.

"Wir lassen keinen von euch auf zerbrochenem Besen durch die Luft treiben, Sandrine. Das werden wir auch schaffen", sagte Hera Matine zuversichtlich. Julius fragte sich, ob das jetzt sowas wie das berühmte Pfeifen im Walde war, weil Hera im nächsten Frühling von einer wahren Babylawine überrollt werden mochte.

Als Hera und Sandrine das Apfelhaus wieder verlassen hatten sprachen Jeanne und Béatrice noch darüber, wie das genau war, die eigenen Geschwister auf die Welt geholt zu haben, wobei Jeanne nur als Pflegehelferin dabei gewesen war. Julius beaufsichtigte derweil Aurore und Viviane Aurélie, zu denen sich gerade noch die beiden Kniesel Goldschweif und Dusty gesellten und das Feuerrabenweibchen Mademoiselle Rubinia über dem Apfelhaus herumflog. Der magische Vogel war nicht mit den anderen Feuerraben mitgereist, die als Maskottchen der französischen Quidditchmannschaft eingesetzt wurden. "Fehlt nur noch, dass Temmie hier appariert und eine Runde frischer Milch ausgibt", dachte Julius. "Willst du gerade nicht wirklich, Julius. Meine kleine Tochter will demnächst aus mir raus. Das muss dann sicher nicht bei eurem runden Haus sein", bekam er prompt eine Gedankenbotschaft in der sanften, celloartigen Tonlage seiner besonderen Vertrauten, Artemis vom grünen Rain.

Gegen Abend bekamen Millie, Béatrice und Julius dieselbe Nachricht über ihre eigenen Pappostillons.

Von: Patricia Latierre
an: alle Latierres
Betreff: Hochzeitstag am 20. August
Hallo zusammen!
Marcs Eltern sind endlich damit einverstanden, dass Marc mich heiratet.
ich bin heute mit ihm zum Zeremonienmagier Laroche gegangen und habe den um einen Termin gebeten.
Eigentlich wollten wir ja am 16. August heiraten.
Monsieur Laroche kann da aber nicht.
Aber am 20. August geht's.
Ist Marc auch recht, weil der noch 'nen schicken Umhang braucht.
Geheiratet wird dann im Sonnenblumenschloss.
Marc und ich wollen gleich danach nach Zypern hinreisen.
Marc sagte was, dass da die altgriechische Liebesgöttin geboren oder groß geworden sein soll.
Na, was sagt euch das?
Eine formelle Einladung mit Uhrzeit und möglicher Bekleidungswahl kommt noch.
Ich freu mich und hab euch alle lieb!

Patricia

"Dann ist das Thema schon mal abgehakt", meinte Béatrice. "Die sind aber mutig, in ein Land zu fahren, dessen Sprache keiner von den beiden kann."

"Ich weiß nicht, wie der Zaubererwelttourismus auf Zypern ist, Tante Trice. Aber bei den Muggeln können viele Hotelbesitzer zumindest sowas wie Englisch, habe ich von einer Schulkameradin aus der Grundschulzeit, die da mit ihren Eltern war, zwei Jahre bevor ich nach Hogwarts gekommen bin", sagte Julius. Er meinte Moira Stuard und fühlte einen Moment einen merkwürdigen Stich im Herzen, weil die Stuards irgendwo in Mexiko verschollen gegangen waren.

"Tja, Patricia will wohl dahin, wo sie damals selbst gezeugt wurde, Julius. Womöglich hofft sie, dass ihr das mit Marc gelingt, was mein Stiefvater mit ihrer und meiner gemeinsamen Mutter hinbekommen hat. Also eindeutig das Erbgut meiner Frau Mutter, genau wie bei dir, Millie", sagte Béatrice.

"Du findest auch noch wen, der dich so schön rund macht wie Julius das mit mir hinbekommen hat", meinte Millie dazu.

"Solange es genug Geschwister und Neffen und Nichten von mir gibt, die das für mich erledigen hat das keine Eile", sagte Béatrice. Doch Ssowohl Julius als auch Millie meinten ihr anzuhören, dass sie das nicht so locker wegsteckte, wie sie es klingen lassen wollte. Immerhin hatten Julius und Béatrice schon einmal das Lager geteilt, wenn auch in körpervertauschten Rollen, um Orions gemeinen Fortpflanzungsfluch auszutreiben. Insofern konnte er sich vorstellen, dass sie es doch bald mal selbst fühlen wollte, wie ihr Körper lustvoll erregt wurde, während er sein eigenes erstes Mal ja schon längst hintersich hatte.

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Am 8. Juli erhielt Julius einen Brief von Mademoiselle Maxime. Die ehemalige Schulleiterin von Beauxbatons beglückwünschte ihn zur Geburt seiner dritten Tochter und zum Ende der Gefangenschaft unter Sardonias Kuppel. Gleichzeitig schickte sie ihm die beiden ersten Fotos ihrer neuen Cousinen, die am 16. Mai, lange nach dem erwarteten Termin, auf die Welt gekommen waren. Meglamora hatte die zwei durch besondere Vorkehrungen empfangenen Kinder einen vollen Mond nach der Geburt ihre neuen Namen gegeben, Rurka und Muraka, was aus der einfachen Sprache der Riesen übersetzt "Die weit hörbare" und "Die immer hunger hat" hieß.

Nun, ich werde wohl meine Frau Tante dazu bewegen können, den beiden Mädchen noch für unsere Ohren und Namensgewohnheiten nachvollziehbare Namen zu geben, da womöglich ansteht, dass die beiden in elf Jahren die Beauxbatons-Akademie besuchen werden.

Was die unerwartete Gesamtlänge der zweiten Schwangerschaft meiner Frau Tante angeht scheint das durch die Hybridform der beiden Kinder verzögerte Wachstum die Ursache zu sein. Meglamora hat jedoch auf meine und Madame Latierres Befragung hin erklärt, dass Ragnar bereits siebzehn Monde in ihr heranwuchs und dass immer dann, wenn sie nicht genug zu essen fand, wohl das Wachstum des Ungeborenen verlangsamt wurde. Dieser Aspekt im Fortpflanzungsverhalten reinrassiger Riesen war uns bis zur endlich erfolgten Geburt der beiden Mädchen noch unbekannt. Wir gingen bisher von einer Gesamttragzeit von sechzehn Monaten aus. Jedenfalls werde ich, wenn wir die Namenswahl noch einmal für alle Seiten einvernehmlich geregelt haben, diese Namen laut genug nennen, um den in Beauxbatons mitschreibenden Neotokographen entsprechend auszulösen. Denn Madame Faucon teilte mir mit, dass Meglamoras vorübergehende Namensgebung nicht im Geburtenregister von Beauxbatons verzeichnet wurde. Das heißt auch, dass nur magisch begabte Menschen oder sogenannte Halbblüter die Ankunft eines neuen Zaubererweltkindes vornehmen können. Das ist auch für uns sehr informativ.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie weiterhin gute Erholung und Hoffe, Sie bald wieder in eigener Person antreffen zu dürfen, wenn Sie Ihre bisherige Arbeitsstelle wieder aufsuchen dürfen.

O. Maxime

Julius betrachtete das Foto mit den zwei halbriesischen Schwestern. Er erkannte sofort, dass es zweieige Zwillinge waren und auch, dass jede einen anderen Vater hatte. Die größere der beiden hatte dunkelrotes Haar und große, kreisrunde, dunkelbraune Augen. Die zweite trug bereits einen dichten, nachtschwarzen Haarschopf und besaß große, kreisrunde, dunkelgrüne Augen. Soviel dazu, dass die meisten Babys blaue Augen hatten, dachte Julius. Zumindest erkannte er nun, wie gut es doch am Ende gewesen war, dass Meglamora wusste, dass die zwei Kinder nicht auf natürliche Weise entstanden waren. Denn sonst hätte die sicher sehr verunsichert auf zwei so unterschiedliche Kinder reagiert. Dann hoffte er, dass die zwei, die sich nur vom Gesichtsschnitt her ähnelten, nicht wegen ihrer Unterschiede später mal dumm angemacht wurden, dass es ja "keine echten Schwestern" sein mochten. Er konnte sich nämlich gut vorstellen, dass das dem oder denjenigen sehr übel bekommen würde, der oder die meinte oder meinten, die zwei Halbriesinnen derartig zu ärgern. Aber warum machte er sich Madame Faucons Kopf? Dann fiel ihm die Antwort ein: Er hatte ja angeregt, wie Meglamora ihren unstillbaren Fortpflanzungstrieb ungefährlich ausleben konnte. Somit lebten die zwei kleinen Halbriesinnen deshalb, weil er die Idee hatte.

"Ui, sehen dafür, dass sie Riesenkinder sind gar nicht mal so schlecht aus. Aber jetzt ist ganz klar zu sehen, dass die nicht von ein und demselben Zauberer sein können", bemerkte Millie, als sie das Bild mit den beiden neugeborenen Halbriesinnen ansah. Sie las auch die von Mademoiselle Maxime aufgeschriebenen Geburtsdaten. "Ui, zwischen 7000 und 7500 Gramm und eine Körperlänge von 80 Zentimetern", staunte Millie. Ihre Tante Béatrice erwähnte darauf: "Reinrassige Riesen sind bei der Geburt schon fast anderthalb Meter groß, aber eben hilflose Säuglinge." Julius nickte. Er hatte Meglamoras erstes Kind ja auch relativ früh zu sehen bekommen. Allerdings wusste er auch, dass ein reinrassiges Riesenkind innerhalb der ersten sieben Lebensjahre dreimal so groß wie bei der Geburt werden konnte und mit bereits zehn Jahren erste Zeichen von Geschlechtsreife zeigte. Ob das bei den Halbriesen so war konnte im Moment nur Mademoiselle Maxime beantworten. Jedenfalls wusste er nun, dass die beiden durch gewisse Tricks gezeugten Töchter Meglamoras auf der Welt waren, weitere Neuzugänge für Beauxbatons, sofern dort nicht doch noch eine Beschränkung auf reinrassige Menschenkinder eingeführt wurde.

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Der neunte Juli war wieder ein sehr heißer Sommertag. Daher war verständlich, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger Millemerveilles anstrengende Arbeiten in die frühen Morgen- oder späten Abendstunden verlegten und mittags zwei Stunden Ruhezeit einhielten, was die Spanier Siesta nannten. Julius bekam über Kontaktfeuer von Laurentine mit, dass auch in Deutschland, wo ihr Vater geboren war, die Temperaturen über 30 ° kletterten, weshalb viele Urlauber froh waren, das sie ihre Ferien an Nord- und Ostsee verbringen konnten und nicht in den Glutofen Spanien oder Südfrankreich verreisten. Sie erwähnte auch, dass ihre Eltern bis zum 30. Juli auf Sylt waren. Julius hatte von dieser Insel auch schon gehört und gefragt, ob das nicht die Lieblingsinsel reicher Leute sei. Das hatte Laurentine bestätigt. Da sie es mit Camille und Florymont vereinbart hatte, am 15. Juli herüberzukommen, um zwei Wochen Ferien in Millemerveilles zu verbringen, sofern die Beratung mit Madame Dumas wegen des neuen Schuljahres als Ferienzeit gewertet werden durften. Julius hatte das bestätigt und noch einmal bekräftigt, dass sie auf jeden Fall zu Clarimondes Willkommensfeier und seinem eigenen Geburtstag eingeladen sei. Auf die Frage, ob er schon was von den Malones gehört habe sagte er, dass die ab dem 16. Juli in Italien sein würden, wo sich herausgestellt hatte, dass Irland wohl wie Frankreich in die Runde der letzten 32 kommen mochte und da niemand geringeren als England zum Gegner haben würde. Darauf hatte Laurentine geantwortet, dass Kevin da natürlich hinfahren musste und Patrice das sicher auch interessierte, weil Corinne ja für die Belgier spielte und diese auch noch im Turnier waren, nachdem sie gegen Ägypten den Schnatz gefangen und Belgien damit vor einer knappen Niederlage bewahrt hatte.

Auch wenn Béatrice ihm eine kurze Standpauke gehalten hatte, dass er sich wieder mehr mit seiner eigentlichen Arbeit befasste hatte Julius in den späten Abendstunden des 9. Juli noch einen Brief von Nathalie Grandchapeau beantwortet, die ihm mitgeteilt hatte, dass bereits zwölf Bewerbungen auf Stellen im Büro für friedliche Koexistenz von Menschen mit und ohne magische Kräfte eingetroffen seien und sie ihn gerne als Auswahlhilfe für die Kandidatinnen und Kandidaten beauftragen wollte. Bei der Gelegenheit hatte sie ihm auch geschrieben, dass Gabrielle Delacour, ab August Marceau, auch mit dem Gedanken spiele, in sein eigenes Büro einzutreten. Das wusste Julius allerdings schon, zumal Pierre Marceau sich auch auf eine Stelle im ehemalig Muggelkontaktbüro genannten Zuständigkeitsfeld von Nathalie Grandchapeau bewarb, aber wohl erst den berühmten Honigmond erleben wollte. Jedenfalls war es schon elf Uhr abends, als er es schaffte, ins Bett zu finden.

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"Maman meint, sie würde dich auch ohne Probs ranlassen, wenn die strenge Tante Hera das von dir verlangen sollte", meinte Babette, als sie mal wieder mit ihrer kleinen Schwester Claudine herübergekommen war und Claudine sich mit Aurore, Chrysope und Viviane Aurélie im Garten austobte. Julius fragte Babette, ob denn zumindest jetzt klar sei, wann ihr kleiner Bruder ankäme. "Mittlerweile meint Madame Matine, dass der Kleine sich noch ganz wohl fühle. Sah auch ganz entspannt aus, als wir den durch den Einblickspiegel gesehen haben. Und Pa hat noch nicht gekotzt", feixte Babette. "Okay, wann kommt er. So um den siebzehnten bis neunzehnten, hat die gute Tante Heilerin jetzt gemeint. Er müsste sich dafür aber noch so drehen, dass er mit dem Kopf zuerst aus Maman rausrutscht. Wenn der sich in dieser Nacht noch nicht von selbst so gedreht hat macht Hera Matine das wohl mit dem entsprechenden Zauber. Jedenfalls darf mein Vater mit seinem mitgebrachten Klapprechner Opa James und Oma Jennifer anschreiben, wann der kleine Justin James wohl zu uns kommen will.""

"Also darf euer Pa seinen Reiserechner auch im Gästezimmer benutzen und muss dafür nicht mehr aufs Klo?" fragte Julius provokant.

"Stimmt, hast du ja nicht mitbekommen, Julius. Er hat gestern eine halbe Stunde im Badezimmer mit seinen Eltern telefoniert. Da hat Oma Blanche ihm ganz ruhig gesagt, dass der Eindruck, dass magielose Fernsprechgeräte wie ein Klogang sein sollte nicht mehr gelte. Die beiden Badezimmer seien für reine Körperpflege und Sauberkeit da. Aber zumindest klappt das mit diesen von Monsieur Dusoleil gebauten Sonnenstromzellen immer noch wie damals, wo wir alle wegen Didier und Pétain hier festgehangen haben", sagte Babette.

"Ich denke, deine Großmutter hat das ihm garantiert in der akademisch gehobenen Form dargelegt", erwiderte Julius darauf mit jungenhaftem Grinsen. "Ja, hast recht, Julius. Sie hat ihm das in Professorensprech erzählt. Aber das ist mir zum nacherzählen zu anstrengend. Im wesentlichen hat sie ihm das gesagt, weil Maman immer wieder aufs Klo muss, solange der kleine in ihr drin ist." Julius nickte und deutete auf Millie. Die grinste und erwähnte dann, dass eine werdende Mutter eben nicht nur für das im Bauch groß werdende Kind mitessen und -trinken, oder Luft holen musste, sondern eben auch alles wieder für das Kleine rauslassen musste. Babette nickte bestätigend. Sie bekam ja nicht das erste Geschwisterchen.

"Ich kann hier bei uns keinen Rechner oder kein Mobilfon mehr benutzen, weil der starke Schutzzauber, der unser Haus vor bösen Sachen beschützt wie ganz ruhige, aber hohe Meereswellen immer wieder stärker und schwächer wird. Da spielen elektronische Geräte dann verrückt", sagte Julius. So ganz verwand er es nicht, dass er in Millemerveilles keinen eigenen Draht zur magielosen Welt mehr haben konnte. Doch wie immer bei diesen Gedanken tröstete er sich damit, dass er dafür einen genialen Schutzzauber für sich und seine Familie hatte und er froh war, dass alle die ihm wichtig und lieb waren im Apfelhaus sicher waren, vor allem auch wo Florymont mit Béatrices Hilfe die Rauchaussperrzauber des Apfelhauses auf die erkannten Bestandteile des Liebesdollheitsgases von Vita Magica eingestimmt hatte. Denn wenn er mit Millie wieder Sex haben wollte, dann, weil sie beide das wollten und nicht, weil Vita Magica sie dazu trieb.

"Babette, das Findmich!" rief Claudine aus dem Garten. Dann kam sie ganz schnell hereingelaufen und zeigte jenes bunte Armband vor, das auch Julius schon mal getragen hatte. "Dürfen wir den Kamin nehmen?" fragte sie dann noch. Babette fragte, ob sie nicht wieder mit ihr auf dem Besen fliegen wollte. "Neh, du warst beim letzten mal so wild, Babette", grummelte Claudine. Babette verzog das Gesicht und machte eine ansatzweise Handbewegung zu beiden Ohren. Offenbar dachte sie an eine lautstarke Standpauke ihrer Mutter oder gar ihrer Großmutter. Deshalb sagte sie: "Gut, dann flohpulverst du dich von hier zurück und sagst Oma Blanche, Maman und Papa, dass ich den Besen zurückfliege." Claudine nickte.

Millie half Claudine, den Kamin für eine Flohpulverreise anzufeuern. Als Catherines zweite Tochter schon ganz geübt "Maison du Faucon!" rief und im smaragdgrünen Feuer verschwand meinte Babette: "Wenn die so weiter macht kann die vor der Einschulung in Beaux auch apparieren lernen."

"Tja, das ist so bei Leuten die große Schwestern haben, Babette. Ging mir bei Martine auch so", sagte Millie. Dann verabschiedeten sie sich von Babette, die vor der Haustür gekonnt auf ihrem Ganymed 9 aufsaß und im steilen Winkel nach oben in den noch nicht in ganzer Pracht erscheinenden Sternenhimmel hinaufjagte.

"Die zwei sind lecker", meinte Millie. Julius fragte sie daraufhin, wieso sie das meinte. "Weil die trotz der achso strengen Oma richtig süße aber auch freche Mädchen sein können, Babette sowieso, wenn die mit ihrer Bande und Mel oder Stine zusammen ist. Aber das Claudine schon so viel mitbekommen hat und das frei heraus weitererzählt was sie weiß gefällt mir auch. Könnte ihr passieren, dass die dann doch eine Rote oder vielleicht eine Blaue wird."

"Eine Blaue nicht wirklich, Millie, dafür ist Claudine zu mitfühlend und passt schon auf, dass sie sich mit anderen gut versteht. Aber sie könnte tatsächlich wie Babette zwischen den Grünen und den Roten entscheiden."

"Ja, und was du sagtest, Millie stimmt auch. Wer sich als Mädchen an großen Schwestern ausrichten kann lernt schneller und testet auch schneller alle Grenzen aus, die Erstgeborene oder einzelne Töchter erst in der Pubertät in Frage stellen", sagte Béatrice. "Das habe ich auch so erlebt, und ich hatte viele große Schwestern. Auch denke ich, dass Pattie, Callie und Pennie sich an mir ausgerichtet haben und die ganz kleinen sich jetzt an Esperance und Felicité ausrichten. Insofern schon interessant, ob deine drei neuen Geschwister wen finden, an dem sie sich ausrichten, weil du ja nicht immer um sie herumlaufen kannst", meinte sie noch Julius zugewandt. Julius wollte darauf gerade was erwiedern, da läutete die magische Türglocke: "Wi leuchtet mir der Apfelbaum"

Vor dem Apfelhaus der Latierres stand Célestine Rocher mit einem geschulterten Ganymed 8, den sie von ihrem Bruder César "geerbt" hatte, weil sie als einzige in der Reihe die Quidditchtradition hochhielt.

"Meine große Schwester hat mich unter Androhung von zwei Stunden Fußsohlenkitzeln dazu verdonnert, an alle, die auf der Liste stehen ihre offizielle Einladung für die Hochzeit mit eurem Quidditch-Champion Louis zu übergeben", sagte Célestine und drückte Julius einen verschlossenen Umschlag in die Hand. "Öhm, und ich darf euch auch sagen, dass mein großer Bruder die Trommeltänzer aus Kenia sauber vor den Ringen hat abtropfen lassen und Janine nach einer halben Stunde den Schnatz kassiert hat. Jetzt warten unsere Leute drauf, ob es gegen die Yankeetruppe geht oder gegen die Sombreroständer aus Mexiko. Die sind aber erst in vier Tagen dran. Italien hat gestern die Deutschen rausgeworfen und könnte demnächst gegen Peru oder Rumänien spielen. - Jamm, Lammcurry mit Langkornreis?" brach Célestine ihren freudigen Redefluss ab. Julius nickte und erwähnte, dass Millie ihm das gemacht hatte, weil er das gerne aß. Célestine verzog ihr Gesicht, weil sie schon gegessen hatten. Daraufhin mentiloquierte Julius Millie, dass hier vor der Tür ein hungriges Hexenmädchen stehe, das eine gaanz lange Nase bekommen hätte. Darauf kam Millie eine Minute später mit einer kleinen Warmhalteschale wieder raus. "Dafür, dass du für deine große Schwester die Posteule gibst kriegst du zumindest was anständiges zu essen, Wonneproppen", sagte Millie. Célestine strahlte über ihr rundes Mondgesicht und nahm sofort die kleine Holzgabel, die Millie ihr an der Schale befestigt hatte. "Mjamm. Aber esse ich das nicht eurer Kleinen Pullernixe weg?" fragte Célestine. Millie grinste und deutete auf ihren Oberkörper. "Das was die jetzt braucht ist schon da drin, Stine. Du kannst das also alles essen oder gerne mit deiner Schwester teilen. Die mag auch gerne Curry, hat Tine mir erzählt, die es wieder von deinem großen Bruder hat.""

"Ja, und deshalb gebe ich das lieber erst weiter, wenn Sylvie nicht da ist. Aber wenn das genausogut schmeckt wie es Oma Laura macht könntest du Ärger mit der kriegen, weil die meint, sie habe das Currymonopol, was immer das heißt."

"Das nur sie das machen darf", meinte Julius dazu. "Echt, es ist voll schade, dass ihr zwei schon mit Beaux durch seid. Ihr konntet einem immer alles so erklären, dass selbst kleine Hüpfbälle wie ich das kapiert haben. Aber Julius hat ja bis zum Ferienanfang die Tintenklekslinge hier bei Laune gehalten, hat Ma mir erzählt."

"Ja, und die haben sich gefreut, dass ihnen wer was anständig erklären konnte", meinte Julius nicht ohne Stolz. Célestine grinste. Dann flüsterte sie: "Ja, und vielleicht darfst du meinen kleinen Neffenund Nichten aus meiner Namensvetterin rauskletternhelfen, sagt Oma Laura."

"Huch, dein Bruder wird Papa?" tat Julius unwissend. "Echt, das weißt du nicht. Das war aber in Beaux schon dreimal rum, bevor wir alle in den Ausgangskreis nach Hause gestiegen sind", grinste Célestine. "Na ja, ihr seid ja gut mit Madame Dusoleils Kronprinzessin verbandelt. Die erzählt euch sowas vielleicht nicht, weil es ja ihre Schwiegermutter ist", erwiderte Célestine Rocher mit verwegenem Grinsen. Dann meinte sie: "Okay, muss vor elf noch fünf Einladungen abliefern, sonst werde ich echt noch zur Eule und kann dann kein Curry mehr essen und muss hoffen,dass sich Jean-Luc auch zur Eule machen lässt, damit ich dem mindestens fünf kugelrunde Eier legen kann. Man sieht sich!!" sie blies Julius ganz keck einen Kuss zu und schwirrte dann auf ihrem Besen davon.

"Die ist voll bei uns richtig reingekommen, Julius", meinte Millie. "Und Melanie ist bei der in guten Händen, was entschlossene und frei heraus redende Mädels angeht. Dann deutete sie auf den übergebenen Briefumschlag. Er enthielt eine kleine mit beweglichen Bildern ausgestaltete Hochzeitszeitung, die erwähnte, wie sich Louis Vignier und Sylvie Rocher kennengelernt hatten und dass sie am ersten August im Gemeindehaus von Millemerveilles heiraten wollten. Melanie und Célestine waren die Brautjungfern von Sylvies Seite her, und von Louis Seite her würde wohl noch Marie van Bergen dazukommen. "Sage ich es doch, Melanie ist bei der voll in guten Händen. Ob César dann schon wieder zu Hause ist?" fragte Millie.

"Sag das lieber nicht zu laut, wenn du keinen Krach mit Bruno haben willst", meinte Julius. Aber er fragte sich schon, ob das mit dem Termin so glücklich gewählt war, wo es ja noch möglich war, dass César Rocher mit der Nationalmannschaft den Pokal verteidigte.

""Elf Uhr, Bettzeit!" klang auf einmal Béatrices Stimme wie aus unsichtbaren Kopfhörern in Millies und Julius' Ohren. "Komm rein, bevor die echt noch meint, dich auf Anna Fichtental strullen zu lassen, Monju", mentiloquierte Millie ihrem Mann.

Als sie dann beide in ihrem Himmelbett mit Schnarchfängervorhängen lagen unterhielten sie sich noch ein wenig über Célestine Rocher und Jean-Luc Dumont. Immerhin war der damals als spargeldünner Hänfling nach Beauxbatons in den grünen Saal eingezogene seit der ersten Tanzstunde Célestines nicht ganz heimlicher Schwarm und hatte ihr auch gezeigt, dass ihre Hoffnungen berechtigt waren. Ob der sich aber dazu durchringen würde, in einem reinen Zaubererdorf zu heiraten, das vor kurzem noch unter einer schwarzmagischen Energiekuppel gestanden hatte konnte sich Julius im Moment nicht so recht vorstellen.

"Morgen ist schon der zwölfte Juli. Clarimonde ist schon mehr als einen halben Monat auf der Welt", meinte er noch zu Millie. Diese bestätigte das. Dann wünschte sie ihrem Mann noch eine gute Nacht, küsste ihn, ließ sich von ihm küssen und drehte sich in ihre bevorzugte Einschlafhaltung. Julius fühlte sich glücklich, dass er mit ihr immer noch so glücklich und kurzweilig zusammen war wie nach der Nacht in der Mondfestung. Wenn das so blieb würden sie beide in wohl zwei Jahren den vierten kleinen Latierre auf die Welt kommen sehen. Julius hoffte, dass sie beide den Zeitpunkt hinbekamen, um diesmal einen Jungen auf die Rutschbahn ins Leben zu setzen. Denn er wusste nicht, was Ashtaria oder Ammayamiria anstellten, wenn er in zwei Jahren keinen männlichen Nachfolger hinbekommen haben sollte.

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"Und ihr seid sicher, dass diese Silbernetze mit den modifizierten Schnatzen zielgenau eingesetzt werden können?" wollte Bernadotti von seinen Sicherheitsleuten wissen. Denn langsam fühlte er, wie die Angst zu versagen ihm körperliche Schmerzen bereitete. Wenn er die Umtriebe dieser Banditen nicht bald beendete und es noch schaffte, einen von denen lebend zu fangen und seiner Herrin zum Verhör zu bringen würde er das Finale der Quidditchweltmeisterschaft nicht mehr erleben.

"Nachdem diese Giftsprüher uns mit ihren mehrschichtigen Schilden immer entgangen sind haben wir die Fangnetze darauf abgestimmt, nach beweglichen Schildzaubern zu suchen und ein so gefundenes Objekt einzufangen und zur späteren Befragung abzutransportieren. Leider konnten wir keinen Portschlüsselzauber einwirken", sagte der für die neuartigen Fangnetze verantwortliche, der ebenfalls unter der Herrschaft der Rosenkönigin stand.

"Gut, wenn unsere Mannschaft heute gegen Peru gewonnen haben wird dürften diese Banditen es wieder wagen, ihre Giftladung freizusetzen. Ich musste mir schon von den Deutschen, Spaniern und den gerade erst aus dem Turnier geworfenen Kenianern anhören, dass unsere Absicherung gegen diese Angriffsart zu schwach sei. Dabei haben die Varanca-Häuser alle einen auf dieses Gebräu abgestimmten Aussperrzauber. Die Vollidioten müssen einfach nur in den Festhäusern feiern, statt sich draußen unter den Sternen die Hucke vollzusaufen."

"Öhm, die Leute wissen das, dass sie unter freiem Himmel leichte Beute für ätherische Essenzen sind. Aber gerade die euphorisierten Fans der jeweiligen Sieger vergessen das gleich nach dem Spielende. Da nützen auch die von uns durchgeführten Platzräumungen nicht viel", erwiderte einer der Zauberer, die für die Sicherheit der Besucher zuständig waren.

"Es kann nicht sein, dass diese Banditen einfach kommen, ihr Dreckzeug versprühen und gehen können, wann und wo sie wollen. Das muss aufhören", knurrte Bernadotti. Weil er wusste, dass kein außenstehender Beobachter und Lauscher die Unterredung mitbekam sagte er noch: "Sie ist sehr ungehalten und fürchtet, dass wir die Aufgaben nichterfüllen, die sie uns gestellt hat. Sie wissen alle, was uns dann geschieht, wenn sie findet, dass wir versagt haben."

"Wir werden einen oder mehrere von denen einfangen, und wir werden einen Weg finden, das Giftgebräu aus der Luft zu entfernen, sobald unsere Spürvorrichtungen es erfassen, Minister Bernadotti", beteuerte der für die Personensicherheit zuständige Mitarbeiter.

"Dann bitte alle zurück an ihre Arbeit!" befahl der Zaubereiminister, der nur deshalb noch sein Amt hatte, weil er von ihr gebraucht wurde. Doch wie lange er ihr noch nützte wusste er nicht. Vita Magica war drauf und dran, sein Leben vorzeitig zu beenden. Vielleicht wussten diese Verbrecher das noch nicht einmal. Nein, er hoffte, dass sie noch nicht wussten, was mit ihm los war. Denn sonst mochten sie gezielt darauf hinwirken, dass er und seine Mitarbeiter enttarnt und damit für die Königin nutzlos wurden. Er musste unbedingt einen Gefangenen haben, der ihm verriet, was diese Schurken wussten und wo ihre Räuberhöhle lag. Was das Versteck der Banditen anging hatte er jedoch schon eine Vorkehrung treffen lassen, die dann greifen sollte, wenn sich ein von einem Fangnetz umschnürter doch irgendwie absetzen konnte.

Als der Minister dann wenige Stunden später miterleben musste, wie die italienische Nationalmannschaft Trotz massiver Fanunterstützung innerhalb von dreißig Spielminuten gegen die überragenden Peruaner verlor wusste Bernadotti, dass seine Landsleute jetzt erst recht nachhaken würden, wie er seine Arbeit machte. Aber für diese haushohe Niederlage von gerade mal 20 zu 600 Punkten konnte er nun wirklich nichts. Das sollte dann der Leiter der Abteilung für magische Sportarten ausbaden.

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"Und, geht es dir hier zumindest gut genug, dass du dich nicht langweilst, Lou?" fragte Albertrude Steinbeißer ihre heimliche Geliebte, als sie diese am 13. Juli in Tyches Refugium besuchte. Louisette Richelieu bestätigte, dass sie mit Hilfe der höchsten Schwester einige weitere Bildverbindungen nutzen konnte, um über die wichtigsten Sachen in Frankreich und auch bei der Weltmeisterschaft auf dem laufenden zu bleiben und jeden Tag die führenden Zaubererweltzeitungen aus ihrer Heimat bekam. "Na ja, ich vermisse schon die Arbeit und das Abhängen mit alten Schulkameradinnen und auch die wilden Nächte mit dir, meine Liebesgöttin", erwiderte Louisette. "Aber es ist besser so, als Ladonna Montefioris Marionette zu sein. Ich kriege nämlich immer mehr den Eindruck, dass auch viele meiner französischen Mitschwestern von diesem Halblingsluder verhext worden sind. Am Ende plant die noch einen großen Umsturz im Zaubereiministerium."

"Ja, das sicher, falls sie nicht schon das italienische sicher hat", meinte Albertrude, die Louisette immer noch für die sie heimlich liebende Albertine hielt. Louisette fragte, ob ihre "Liebesgöttin" da so sicher war.

"Sicher bin ich mir da noch nicht, weil ich dazu alle aus dem Ministerium da mit der Aurensichtfunktion meiner neuen Augen angucken müsste, und das würde auffallen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Ladonna die erste passende Gelegenheit genutzt hat, neben entschlossenen Hexenschwestern auch ach so redliche Ministeriumshexen oder -zauberer mit diesem Feuerrosenzauber an sich zu binden. Das brächte ihr mehrere Vorteile: Sie hätte in Italien eine sichere Zuflucht, könnte sich den Rücken für ihre eigenen Aktionen freihalten und zugleich nach weiteren interessanten Kandidaten für ihr Marionettentheater suchen. Immerhin kommen da ja immer wieder wichtige Ministeriumsleute hin. Ich werde da übrigens in zwei Tagen auch sein, um die Muggelweltkontaktleute aus Halbeuropa zu treffen. Deshalb muss ich wohl aufpassen, dass mich weder dieses Paarungstriebgas von Vita Magica noch der Feuerrosenfluch Ladonnas erwischt. Gut, durch meine Augen kann ich mögliche Angreifer früher sehen als die meisten anderen. Aber ich werde wohl zusehen müssen, mich entsprechend abzusichern, dass ich nicht von diesen beiden gemeinen Sachen überwältigt werde."

"Das hoffe ich aber ganz stark. Sonst hätten wir ja gleich bei diesem Treffen am Turm der tausend Tränen mit dabei sein können", meinte Louisette. Albertrude widersprach da nicht.

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Julius umarmte Laurentine Hellersdorf, als diese am 15. Juli aus dem Kamin der Dusoleils heraustrat und sich über das Empfangskomitee aus sieben Leuten freute. Außer Camille, Florymont, Denise und Melanie waren noch Jeanne mit Viviane, den Zwillingen Janine und Belenus und dem kleinen Bertrand und eben Julius zusammen mit Claudine Brickston da, die mit Laurentine unbedingt was musikalisches einstudieren wollte, um es ihrer Maman und dem Brüderchen vorspielen zu können.

"Ich habe nur das Mobilfon mit, Camille. Wo darf ich das anschließen, wenn es neuen Strom braucht?" erkundigte sich Laurentine, während sie das kleine Fernsprechgerät aus dem Staubdichten Tragetäschchen holte und es einschaltete.

"Ich habe dir einen kleinen Sonnenlichtwandler mit für dein Aufladegerät nötiger Stromspannung und Wechselstromtaktung in Jeannes ehemaligem Zimmer hingestellt. Da kannst du es dranhängen. Allerdings hoffen Camille und ich, dass du es nur ganz selten brauchen musst", sagte Florymont. Laurentine fragte ihn, ob das hier in Millemerveilles trotz Julius' ehemaligem Geräteschuppen noch immer so anstößig war, mit Mobiltelefonen zu hantieren. Darauf erwiderte Camille: "Anstößig nicht. Aber wenn du mehr mit diesem Fernsprechgerät beschäftigt bist als mit uns müssen Florymont und ich uns fragen, ob wir dich zu oft alleine lassen."

"Ja, könntet ihr echt so einschätzen", meinte Laurentine. "Ich wollte euch aber keine Umstände machen." Darauf lachten Camille, Jeanne und Florymont. Camille deutete auf ihren leicht rundlichen Bauch und meinte: "Das haben schon andere Florymont und mir aufgeladen", sagte sie. "Aber Hera hat es uns erlaubt, einen Feriengast zu haben, also darf ich noch alles machen, was dir eine kurzweilige Zeit verschafft."

"Echt, ist das bei dir auch sicher, Camille?" fragte Laurentine. Die Gefragte nickte sehr heftig. "Hera muss noch warten, um zu sehen, ob es mehr als eins ist. Ansonsten gehöre ich zu den zweihundertfünfzig Hexen, die erfolgreich neues Leben in sich aufgenommen haben."

"Möchte mir nicht vorstellen, wie das war, als dieses Dreckzeug bei euch in die Luft geblasen wurde. Und das könnt ihr jetzt zumindest aussperren?" wollte Laurentine wissen.

"Keine Sorge, Laurentine. ich habe das zusammen mit Hera Matine und Béatrice Latierre eingerichtet, dass wir in der Nacht auch bei weit offenen Fenstern nicht mehr davon benebelt werden", sagte Florymont Dusoleil und deutete auf Julius. Dein Hauskamerad hier hat uns auch geholfen, weil er mir noch mal das mit Spektralanalysen und so erklärt hat, dass ich die Gasaussperrzauber vor den Fenstern und Türen ganz gezielt auf die erkannten Bestandteile abstimmen konnte. Soweit ich weiß haben unsere Leute in Italien auch schon die entsprechenden Angaben und Schutzzauber. Nur wer im Freien herumläuft, wenn das Zeug in der Luft ist kann noch davon erwischt werden." Das beruhigte Laurentine ungemein. Denn sie wollte sicher Spaß haben, aber kein Übergepäck aus dem Urlaub mitbringen, wie es einer Tante von ihr mal passiert war und wie es auch Jeannes und denises Tante Uranie passiert war. Uranie Dusoleil selbst war gerade unterwegs, um vor der auch ihr bevorstehenden Hauptwucht einer ungewollten Schwangerschaft noch Sachen für die Astronomievereinigung zu machen. Philemon und Chloé waren im Kindergarten, der wie die Grundschule noch mit besonderen Schutzzaubern gegen dunkle Kräfte und böswillige Wesen abgesichert werden sollte. Camille hatte hierfür Einladungen an die ihr bekannten Kinder Ashtarias verschickt und bereits Zusagen von Maria Valdez und Adrian Moonriver bekommen. Die wollten zwischen dem 26. Juli und 31. August in Millemerveilles wohnen, wobei Maria Valdez wohl bei den Dusoleils wohnen konnte und Adrian Moonriver wohl bei den Delamontagnes wohnen würde, bei denen Professeur Delamontagne gerade eingezogen war, um ebenfalls mitzuhelfen, die wichtigsten Gebäude von Millemerveilles mit starken und vielschichtigen Schutzzaubern zu sichern. Julius und Catherine hatten im Rahmen des stillen Dienstes auch erklärt, ihre Kenntnisse für Schutzzauber anzuwenden. Vielleicht konnte es dann sogar klappen, ganz Millemerveilles vor neuerlichen Giftgasangriffen zu schützen. Julius würde zudem noch mit Professeur Fixus den Atomschutzzauber erneuern, der beim Verschwinden von Sardonias Kuppel ebenfalls erloschen war. Zusammen mit Blanche Faucon und Catherine, die als neue Leiterin des stillen Dienstes nach Armand Grandchapeaus Verschwinden aus der Welt fungierte würde Boragine Fixus, die kleine, gedankenhörfähige Zaubertranklehrerin, selbst in den Stillen Dienst aufgenommen. Julius würde ihr deshalb zumindest die vier hellen Zauber aus dem alten Reich beibringen und bei der Gelegenheit auch das ihm von Madrashmironda zugeführte Wissen um die Verständigung mit Grünpflanzen nutzen, um zu prüfen, ob die Schutzbanne unbedingt nur über eine Verbindung zu Ammayamiria geknüpft werden konnten.

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Am Morgen des 17. Juli unterhielten sich die erwachsenen Latierres über den bisherigen Verlauf der Quidditchweltmeisterschaft. Weil die US-Mannschaft mit gleich neun Neuzugängen vor allem auf den Positionen der beiden Treiber, des Hüters und des Suchers erheblich besser spielten als vor vier Jahren noch hatte deren Hauptsponsorin Phoebe Gildfork bereits die ganz große Pauke geschlagen. Sie hatte behauptet, dass der Pokal dieses mal eindeutig nach Amerika wandern würde. Zumindest hatte Gilbert Latierre dies mit Erlaubnis der Redaktion der Stimme des Westwinds in der Temps de Liberté wiedergegeben.

"Amerika ist lustig, Millie und Béatrice. Immerhin sind die USA ja nicht die einzige amerikanische Mannschaft. Da sind noch Mexiko, Peru und Uruguay im Turnier", sagte Julius. Brasilien und Kolumbien hatten sich bereits in der zweiten Runde aus dem Titelkampf verabschieden müssen, und Kanada war dieses mal gar nicht erst ins Endrundenturnier gekommen. "Und wenn die USA heute doch vorzeitig den Heimflug antreten bliebe die Ansage, dass der Pokal nach Amerika ginge, immer noch stehen", fügte Julius noch hinzu.

"Stimmt, könnte denen ja heute passieren, dass sie gegen Mexiko schon vorzeitig rausfliegen", meinte Millie grinsend.

Mit leisem Plopp erschien Hera Matines Kopf im gerade nicht brennenden Kamin. "Einen schönen guten Morgen allerseits. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen. Ich wollte nur mitteilen, dass Catherine Brickston es bestätigt hat, dass du, Julius, bei ihrer Niederkunft anwesend sein möchtest und dass du, Béatrice dich nachher bitte mit mir bei Célestine Chevallier vorstellen möchtest, weil sie darum gebeten hat, von einer Verwandten von ihr betreut zu werden, wo das schon möglich ist. Ihr Mann ist zwar nach wie vor ungehalten, dass sie ihn unfreiwillig mit unserem Hüterass betrogen hat, stimmt aber zu, dass dann zumindest eine, die bereits Mehrlingsgeburten betreut hat seiner Frau helfen möchte."

"Das habe ich mir schon gedacht und mit Madame Chevallier entsprechend abgestimmt, Hera", sagte Béatrice. Vielleicht kann ich nach vier Wochen Abstand vom möglichen Zeugungszeitpunkt schon erkennen, ob sie mehr als ein Kind austragen wird. Die Erfahrungen mit meiner eigenen Mutter haben mir da gewisse Möglichkeiten gegeben."

"Das erwähnte Madame Chevallier auch. Aber da ich nun einmal die hauptamtlich residente Hebamme von Millemerveilles bin klären wir das ganz offiziell zusammen bei ihr", erwiderte Heras Kopf. Julius fragte dann noch, wie er von ihr erfahren würde, wenn es bei Catherine losging. Sie mentiloquierte ihm: "Genau so, Julius". Er mentiloquierte ihr zurück: "Verstanden."

Nachdem Heras Kopf wieder aus dem Kamin verschwunden war prüfte Julius im Garten das aufgebaute Planschbecken. Bei den nun tropischheißen Tagestemperaturen war es vor allem für die Kinder sehr erquicklich, sich erfrischen zu können. Julius erklärte es Aurore, dass sie nicht ganz nackt im Becken herumpaddeln durfte und dass Chrysope nur mit Schwimmflügeln oder dem schwimmfähigen Spielanzug im Wasser sein durfte. "So in einem Jahr fangen wir an, dir richtiges Schwimmen beizubringen, Rorie", sagte Julius seiner ersten Tochter. Er wusste, dass sie im Moment noch damit warm werden musste, schon wieder ein ganz kleines Geschwisterchen im Haus zu haben. Er durfte ihr keinen Moment den Eindruck vermitteln, dass sie nicht mehr wichtig war. Zumindest beruhigte ihn Millies und Béatrices Bemerkung, dass die beiden jüngeren Schwestern Aurores von ihr was lernen konnten. Wenn er das seiner Kronprinzessin so begreiflich machen konnte, ohne dass die es als eine Art Vorherrschaftsanlass auffasste, dann gab er ihr damit einen Sinn und hoffte, dass sie nicht zu häufig von der dritten im Hause angenervt war. Denn zwischen Rorie und Chrysie war es schon zu kleinen aber unbedingt zu beachtenden Rangeleien wegen Spielsachen gekommen und weil Chrysie ganz unbefangen an alles dranging, was ihre hellwachen, hellblauen Augen sahen. Er war jedoch zuversichtlich, dass Millie ihm helfen konnte, wie eine kleinere Schwester mit einer ganz großen Schwester überwiegend friedlich auskommen konnte, wenn beide das wollten. Julius erinnerte sich aber auch an die gegenseitigen Sticheleien zwischen Millie und Martine oder offenen Zankereien zwischen Jeanne und Claire. Langweilig würde es für ihn also nie werden.

"Und, Laurentine, was schreiben deine Eltern?" fragte Julius Laurentine am Nachmittag, als er mit Aurore die Dusoleils besuchte, die ebenfalls ein Schwimmbecken in ihren Garten gestellt hatten.

"Vergiss es bitte, Julius!" grummelte Laurentine zur Antwort. "Außer dass ich weiß, dass meine Eltern auf Sylt sein sollen, weil Oma Monique mir das gemailt hat, kriege ich von denen immer noch keine direkten Briefe oder Anrufe. Ich bin echt versucht, nach eurer Feier mit dem Übersseluftschiff nach VDS und von da zu meiner Oma Monique zu reisen, um bei ihr mitzulesen, was meine Mutter ihr schreibt. Aber ich brauche dafür erst mal wieder einen gültigen Reisepass, damit die Yankees mich nicht blöd anmachen, wie ich in deren glorreiches Land reingekommen bin."

"Ich kann dir das total nachempfinden, wie blöd du dich fühlst, weil deine Eltern dich jetzt derartig links liegen lassen. Deshalb bin ich ja froh, dass zumindest das zwischen meiner Mutter und mir noch gehalten hat."

"Ja, gut, aber die wollte ja auch, dass du in Hogwarts und Beauxbatons lernst und hat sich zudem noch mit aktivierten Zauberkräften aufladen lassen. Das würde meine Mutter von der nächsten Brücke in den Rein oder die Seine springen lassen, wenn ihr das wer anböte. Du weißt ja noch, wie sie und mein Vater darauf reagiert haben, als deine Mutter ihren Zauberstab gezogen hat." Julius nickte. Das war eine der dunkleren Erinnerungen an seine Schulzeit in Beauxbatons.

"Apropos, meine Mutter kommt morgen mit dem wieder eingerichteten Überschall-Shuttle-Zeppelin aus VDS herüber. Möchtest du sie da schon begrüßen oder erst zur Willkommensfeier?"

"Die bringt doch deine drei Halbgeschwister mit, oder?" fragte Laurentine. Julius bejahte es. "Neh, lass mal! Dann treffe ich sie am neunzehnten schon früh genug. Öhm, falls Catherine da nicht gerade selbst in den Wehen liegt und du deshalb von Madame Matine eingespannt wirst. Camille hat sowas angedeutet."

"Stimmt, könnte dem kleinen Brickston echt einfallen, Clarimondes Party zu verhunzen, weil er da gerade erst auf die Welt purzelt", meinte Julius dazu. "Aber im Grunde rechnen Madame Matine und Catherine jeden Moment damit, dass es losgeht."

"Na ja, noch einmal zum leidigen Thema mit meinen Eltern: Ich weiß, dass deine angeheiratete Verwandtschaft die reinen Familientiere sind, ebenso wie Königin Blanches große Schwester. Also versuche du bitte nicht davon anzufangen, was mit meinen Eltern ist! Tust du mir bitte den Gefallen?"

"Von meiner Seite aus geht das klar, Laurentine. Aber ich fürchte, dass sowohl die von dir erwähnte große Schwester von Blanche Faucon als auch meine Schwiegeroma Ursuline dich dazu fragen werden und es dir wohl nicht möglich sein wird, denen die ganze Party lang aus dem Weg zu bleiben. Aber ich kann versuchen, meine Mutter dazu zu kriegen, die zwei Damen mit Geschichten über die drei kleinen Merryweathers aufzumuntern."

"Falls deine Mutter da mitmacht", meinte Laurentine. Dann sagte sie noch: "Falls nicht muss ich eben damit klarkommen, dass ich Leuten, die es bis heute nicht wirklich begreifen wollen, wieso das mit meinen Eltern nicht mehr läuft, erklären kann, dass ich auch so ein gutes Leben habe." Julius erwiderte, dass er ganz zuversichtlich war, dass sie das hinbekam. Immerhin könne sie ja auch mit quängeligen Schulkindern umgehen.

"Wobei die bei mir nicht so quängelig sind, und bei dir auch nicht gemosert oder herumgebockt haben, wenn ich Genevièves Briefe richtig deuten darf. Du hast mich ja sehr gut vertreten und das hinbekommen, dass die von dir lernen wollten. Deshalb denke ich schon, dass wenn hier der Babytsunami durch das Dorf brandet Sandrines Maman schon einen Antrag ans Ministerium bereithält, dich Nathalie abzuwerben oder per Ausbildungsrichtlinie Bla-bla-blub für die Schule hier anfordert, wie sie's deiner Mutter ja immer vorgebetet hat."

"Na ja, im Moment bin ich mit dem, was ich mache noch sehr gut beschäftigt, und wichtig ist das ja auch, was ich mache. Nathalie hat mir ja schon geschrieben, dass ich nach der Erholungsphase schon gut zu tun kriege, weil viele die in Muggelkunde einen UTZ gezogen haben bei ihr anfangen wollen und ich mithelfen soll, die besten Kandidaten zu finden, also auch Leute, die schon mal was mit Computern zu tun hatten oder zumindest keine Angst vor den Dingern haben. Bei der Gelegenheit, mit diesen neuen Freundschaftsnetzwerken muss ich mich auch noch mal befassen. Am Ende könnten die in fünf bis zwanzig Jahren das ganze Nachrichtenaufkommen im Internet beherrschen."

"Du meinst Facebook und andere Dienste?" fragte Laurentine. Julius nickte. "Oma Monique hat mich da auch schon zu gefragt. Vielleicht probiere ich das aus. Aber du könntest recht haben, dass wenn das sich ausbreitet in zehn Jahren viele auch für uns schwierig zu handhabende Nachrichten verbreitet."

"Wer hat Kakaodurst und Streuselkuchenhunger?" flötete Camilles Stimme durch das Haus, wo Laurentine und Julius sich vor der brütenden Sommerhitze zurückgezogen hatten.

Alle gerade im Sonnengarten weilenden großen und kleinen Gäste trafen sich unter einem großen Sonnenschirm. Julius beobachtete, wie die von Florymont bezauberten fliegenden Gießkannen mit Sprühvorrichtungen die Wiesen und Bäume benetzten. So sprachen sie bei Tisch darüber, wie die grüne Gasse vor dem austrocknen bewahrt wurde und was Uranie Dusoleil mit Hilfe von Florymonts Gleitlichtgläsern und -fernrohren auf der Sonnenoberfläche zu sehen bekam. Uranie wirkte dabei sehr entspannt. Doch Camille hatte Julius schon zumentiloquiert, dass sie damit haderte, wieder ungewollt und unverheiratet Mutter zu werdenund diesmal vielleicht mehrere Kinder auf einmal austragen zu müssen. Nicht nur, dass Uranie Dusoleil seit einigen Tagen Briefe von Cloto Villefort bekam, ob sie immer noch dabei bliebe, dass diese keinen Kontakt mit ihrem Neffen Philemon aufnehmen dürfe, sondern auch, dass Uranie ganz ungewollt einen jungen Ministeriumsamtsanwärter dazu bekommen hatte, von ihm Nachwuchs zu kriegen und die Eltern des Jungen darauf bestanden, dass er die Hexe zu heiraten habe, die von ihm geschwängert worden war. Doch darüber sprachen sie nicht wo alle kleinen Dusoleils und Aurore zuhören konnten. Womöglich würde Julius das aber in den nächsten Wochen noch um die Ohren kriegen, wenn klar war, mit wievielen Kindern Camille und Uranie zu rechnen hatten. Am Ende lieferten die beiden gleich eine ganze Quidditchmannschaft neuer Kinder aus. Da passte Laurentines Begriff vom Babytsunami richtig gut hin. Julius würde sie nachher noch fragen, ob Millie das Wort benutzen durfte.

Laurentine meinte nach den Fachgesprächen über Pflanzenpflege und Sonnenbeobachtungen, die sie auch sehr gerne mitgestaltet hatte, dass sie die Sache mit Kakao und Streuselkuchen an eine deutsche Hörspielserie erinnere, die sie als kleines Mädchen, gerade mal so alt wie Aurore gehört habe, wo es um eine Hexenmutter und ihre Tochter ging, wobei die junge Hexe ziemlich schusselig und trantütig gewesen sei. Die hätten auch zwischendurch Streuselkuchen und Kakao genossen, wenn sie nicht das für Muggelmärchen typische Getue erwähnt hätten, dass Hexen auch für Menschen giftiges Zeug wie Tollkirschen oder Fliegenpilze gegessen hatten.

"Ach, das Ding mit den rothaarigen Hexen mit unterschiedlich langen Beinen?" fragte Camille Laurentine. Die nickte und erinnerte sich, dass sie das wohl auch schon mal erwähnt hatte, als sie Claire besucht hatte. Dabei bekam Laurentine einen verlegenen Gesichtsausdruck. Camille sagte deshalb sofort: "Muss dir nicht peinlich sein, Laurentine. Wir freuen uns alle, dass du weiterhin gut mit uns allen auskommst und deshalb immer schöne Ferientage bei uns in Millemerveilles hast, wo du schon mit den Schulkindern so viel um die Ohren hast." Laurentine bedankte sich für diese Bekundung.

Nach der Kaffeetafel ging es für die Kinder weiter mit Toben im Wasser, wobei Julius mit nicht geringem Stolz mitbekam, dass Aurore die genau zwei Jahre ältere Chloé vor deren immer noch rauflustigen Vetter Philemon beschützte und den sogar im Armdrücken besiegte. So hielt sich Philemon beim Toben im Becken in sicherem Abstand zu Aurore, während die sich von Chloé neue Kinderlieder beibringen ließ, darunter das von einem munteren Bach, in dem lustige Nixen sangen.

"Öhm, das mit dem Babytsunami sollte Millie besser nicht in die Zeitung nehmen, weil ein Tsunami schon eine ziemlich üble Katastrophe ist, Julius. Schon anstrengend genug für die alle hier, dass die im nächsten Frühling so viele Babys hier kriegen. Aber als Katastrophe sollte das dann doch nicht rüberkommen", sagte Laurentine. "Mir fiel nur kein passenderer Begriff ein, um das ganze Ausmaß zu umschreiben."

"Stimmt, hast du völlig recht, Laurentine. Aber vielleicht fällt Millie was ein, was die Anstrengung genauso bezeichnet wie die irgendwie doch mögliche Freude an so vielen Kindern rüberbringt. Du hast ja gehört, dass Camille und Uranie sich gut damit arrangieren, dass sie noch mal Kinder bekommen. Ist leider auch diesem üblen Zeug zuzuschreiben, dass sie dazu getrieben hat, so wie bei Sandrine oder meiner Mutter."

"Stimmt wohl auch leider", sagte Laurentine.

"Meine Mutter kommt schon in einer Stunde mit Otto und dem neuen Schrank", empfing Julius Béatrices mentiloquierte Nachricht und musste sich anstrengen, keine Regung zu zeigen. Nach drei Sekunden schickte er zurück: "Gut, ich versuche Rorie früh genug von ihrer neuen großen Schwester loszukriegen."

"Hui, du meinst Chloé?" fragte Béatrice für Ohren unhörbar. Julius bestätigte das.

"du kannst die kleine später abholen, ich kann sie auch gut mit durchfüttern. Bringt mir die nötige Übung", mentiloquierte Camille, als Julius ihr schickte, dass er wegen eines bestimmten neuen Möbelstücks vorzeitig von den Dusoleils weg musste. So fragte er Aurore, ob sie noch bei Chloés eltern essen wollte, ohne Maman und Papa. Sie überlegte kurz und sagte dann ja. Camille schwärmte ihr dann auch vor, was sie zum Abendessen machen wollte, wobei Laurentine sich auch schon als Aushilfsköchin bewährt hatte und einige deutsche Gerichte wie Grünkohl mit Mettwurst oder Jägerschnitzel mit Bratkartoffeln gekochuspokust hatte.

So flog Julius alleine auf dem Familienbesen zum Apfelhaus am Farbensee zurück. "Ich habe es schon mitbekommen, dass du Tante Trice gemelot hast, dass ich statt Camille die kleine Chloé bekommen haben soll", grüßte Millie ihren Mann im Garten, wo sie gerade die Bäume mit einem dicken Wasserstrahl aus dem Zauberstab besprühte.

"Wenn es nach dir gegangen wäre hätte das ja auch so passieren können", erwiderte Julius spontan, um sich nicht für seine Behauptung entschuldigen zu müssen.

"Ist wohl richtig, Monju", erwiderte Millie und freute sich, dass Julius ihr beim Begießen der Gartenpflanzen half.

Kurz vor sieben Uhr flogen zwei große Besen vom Farbensee her an, zwischen denen eine große Kiste in einem Tragegeschirr hing. Auf einem Besen saßen Ursuline Latierre und Albericus. Auf dem anderen Besen saß Julius' Schwiegeronkel Otto, ein wie Florymont meisterhafter Thaumaturg.

"Wollen hoffen, dass mein Kollege Bacinet das nicht mitbekommen hat", grüßte Onkel Otto seinen Schwiegerneffen, nachdem er seiner Mutter den Vortritt gelassen hatte.

"Wo ist denn Rorie?" wollte Line Latierre wissen. Millie erwiderte: "Bei ihrer großen Schwester Chloé."

"Chloé ist ihre Großcousine, nicht ihre ... Achso , freches Mädchen", grinste Ursuline ihre Enkeltochter an. "Achso, dann wart ihr bei Camille und Uranie? Wie geht es den beiden denn?"

"Bis her noch ganz gut, wenngleich Uranie wohl überlegt, wie sie das mit dem jungen Burschen regeln soll, dessen Kind oder Kinder sie tragen muss", erwiderte Julius leise genug, dass die im Planschbecken herumplätschernde Chrysie das nicht hörte.

"Wie viele hat es getroffen?" wollte Ursuline wissen. Millie erwähnte, dass es alle erwachsenen Hexen zwischen neunzehn und neunzig erwischt hatte, die in den bewussten Tagen in Millemerveilles festgehangen hatten und da noch nicht schwanger gewesen waren.

"So schön das auch ist, neue Kinder ins Leben zu tragen, so feige ist das, wie diese Bande das euren Nachbarinnen aufgezwungen hat", sagte Line Latierre mit ehrlicher Verärgerung. Dann kamen sie zum heutigen Hauptanliegen.

Da, wo vor einigen Wochen noch ein orangeroter Verschwindeschrank gestanden hatte brachte Otto Latierre einen ebenso orangeroten Schrank unter. "Dann fällt das auch keinem auf, was mit dem einen Schrank passiert ist und wirft damit keine Fragen auf, Julius", sagte Otto Latierre. "Wenn Ma da durchpasst ist der für uns alle benutzbar."

"Ich geb dir gleich, wenn Ma da durchpasst, Wichtelschlucker", grummelte Line nicht ganz so ernst. "Aber ich habe den Schrank schon bei uns im Schloss ausprobiert, zwischen dem Warteraum und dem Kuhturm. Dann geht der auch zwischen dem Château und Millemerveilles, und jetzt, wo die Kuppel nicht mehr da ist sogar noch leichter."

"Dann kommt ihr am neunzehnten durch den Schrank, Oma Line?" fragte Julius. Seine Schwiegergroßmutter schüttelte den Kopf. "Ich komme mit Pattie und den ganz kleinen durch den Kamin. Die anderen kommen mit Besen, wie es eigentlich sein soll. Wir müssen ja kein Gerede aufkommen lassen. Schon genug, dass Camille das mitbekommen hat. Aber ihr rotgoldener Schutzgeist ist dafür jetzt auch uns bekannt."

"Auch wieder wahr", erwiderte Julius leise. "Joh, dann bis übermorgen. Öhm, und solltest du wegen Catherines Baby nicht selbst hier sein, dürfen die vier kleinen deine Portionen vom Festtagsmenü mitessen, damit die schneller groß werden?"

"Stimmt, könnte echt passieren. Aber womöglich fordert Madame Matine mich dann auch nicht an, weil sie weiß, dass da ja die Feier ist."

"Wollen wir hoffen, dass Catherine und ihre beiden aufgeweckten Hexenmädchen auch kommen können", sagte Line Latierre. "Ich will nämlich sehen, wie gut sich Babette entwickelt hat. Callie, Pennie und Mayette haben zwar angedeutet, dass sie mit sechzehn schon wie zwanzig aussieht. Aber selbst sehen heißt verstehen. Bis dann, ihr Süßen!" Julius umarmte seine mollige Schwiegeroma noch einmal. Dann sah er zu, wie sie ganz behände in den Schrank stieg, die Tür von innen zuzog und der Schrank kurz vibrierte. "Joh, bin gut angekommen", bekam Julius nur drei Sekunden später eine Gedankenbotschaft von ihr. Otto Latierre starrte noch auf den Schrank, als würde seine Mutter gleich wieder herauskommen. Er öffnete die Tür und sah die orange Rückwand des Schrankes. Dann wurde diese von einem tiefschwarzen Nichts verschlungen. "Gut, dann gehe ich da jetzt auch durch", sagte er und klemmte die zwei Besen und das Tragegeschirr unter einen Arm. Die Transportkiste für den Schrank hatte er nach dem Auspacken auf Streichholzschachtelgröße zusammenschrumpfen lassen. "Wir sehen uns dann übermorgen gegen fünf Uhr, wenn die größte Hitze durch ist", sagte er dann noch. Dann zog er die Schranktür von innen zu. Drei Sekunden später meldete Line Latierre an Julius, dass auch ihr Sohn Otto erfolgreich aus dem Gegenstück gestiegen war.

"Tja, und als Arbeitsaufwand darf ich sein nächstes Kind auf die Welt holen", sagte Béatrice, als sie den Schrank noch einmal betrachtet hatte. Millie fragte, ob das schon in den nächsten Monaten passieren würde. "Gegen Februar im nächsten Jahr soll das sein, also bevor hier die ganzen Kinder ankommen. Insofern konnte ich ihm und Josianne ganz beruhigt zusagen."

"Deshalb ist deine Mutter auch so gut gelaunt", stellte Julius fest. Béatrice konnte das nicht abstreiten.

Nach dem Abendessen vertrieben sich Julius und die beiden erwachsenen Latierre-Hexen die Zeit mit den letzten Abstimmungen für die Willkommensfeier. Denn sollte Julius an diesem Tag wirklich wegen Catherine Brickston von Hera Matine angefordert werden wollten sie zumindest alles nötige vorbereitet haben. Gegen halb zehn brachte Camille Aurore auf einem Familienbesen zurück. Auch Chloé Dusoleil saß auf dem Besen. "Meine Jüngste möchte gerne noch mal eure Jüngste sehen, damit sie gut schlafen kann", wisperte Camille und half Aurore, die schon sichtlich ermüdet war und auch nicht quängelte. Julius nickte seiner Frau zu, dass sie die kurze Babyschau beaufsichtigen mochte und brachte seine Erstgeborene ins Haus, um ihr beim Umziehen zu helfen. Sie schlief dabei schon fast ein. Doch als sie endlich in ihrem Bett lag und Julius ihr noch ihren Schlummerdrachen in den Arm legte grinste sie. "Ich kann schneller rennen als Phil", sagte sie. Julius lächelte und wünschte ihr eine gute Nacht.

"Maman sagt, ich war auch mal so klein wie die Clarimonde", flüsterte Chloé leise, damit Chrysie und Clarimonde nicht aufwachten. Julius bejahte das. Denn er hatte sie ja nur zwei Monate nach ihrer Geburt auf den Arm gehalten.

"Ich bin verdammt froh, dass Rorie und Chloé sich bisher so gut verstehen. Dass zwischen den beiden zwei Jahre sind fällt nicht immer auf", sagte Millie, als Julius neben ihr im Bett lag. "Ja, wenn die nicht zwei Jahre auseinander wären wären sie ja auch Zwillinge", sagte Julius. Millie grinste darüber nur.

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"Julius, es geht los. Komm bitte zu uns!" hörte Julius Hera Matines Gedankenstimme. Er sah auf seine Weltzeituhr, es war gerade fünf Uhr morgens am achtzehnten Juli. "Ich mach mich tagesfertig und bin dann bei euch", schickte er zurück.

"Julius, Hera will dich wohl gleich rufen. Bei mir geht's los", hörte er noch Catherines etwas schwächer klingende Gedankenstimme. Auch ihr antwortete er.

Behutsam stand er auf und zog den Bettvorhang wieder zu. So leise er konnte schlich er ins Badezimmer. Doch als er erkannte, dass die Toilettenspülung und das Wasser für das Waschbecken rauschen würden gab er die Behutsamkeit auf. Als er dann soweit fertig war, dass er in ein anderes Haus konnte traf er die verschlafen dreinschauende Aurore, die das mitgekriegt hatte, dass ihr Papa aufgestanden war. Sie wollte was trinken. So gab ihr Julius noch einen großen unzerbrechlichen Becher mit frischem Wasser und wartete, bis sie ihn leergetrunken hatte. Dann brachte er sie ins Bett zurück. "Gehst du wieder Ministerium?" fragte Aurore. "Nein, ich muss zu Tante Hera", sagte Julius.

"Geht das bei Catherine los?" hörte er Béatrices Gedankenstimme, als er die Treppen zur Haustür hinunterschlich. "Sie haben mich beide gerufen, Hera und Catherine", schickte er zurück. "Ich gehe raus und disappariere von da."

"So leise wie Martine und ich dich hinbekommen haben stört das wohl keinen", bekam er zurück.

Das brachte Julius darauf, sich peinlich genau so zu stellen, dass er möglichst leise apparieren konnte. Als er sicher war, dass er es hinbekam warf er sich in die nötige Drehbewegung und fühlte sofort das auf ihn einstürzende enge Zwischending zwischen Hier und dort. Als er auf der Landewiese vor Madame Faucons Haus stand kam ihm dessen Besitzerin schon entgegen. "Ui, nur zehn Minuten vom Anruf bis zur Ankunft. Gut, gründlich reinigen musst du dich ja sowieso noch", sagte Blanche Faucon, die mit einem hellen Morgenrock bekleidet war.

"Dabei habe ich Aurore noch einen großen Schluck Wasser geben dürfen, weil sie Durst hatte. Dieser Sommer ist echt der Brüller", sagte Julius und lauschte für einige Sekunden auf das nächtliche Konzert der Grillen und konnte sogar zwei Eulen sehen, die unter dem Sternenhimmel dahinstrichen.

Im Haus musste Julius seinen Alltagsumhang ausziehen und sich erst einmal von Hera mit Keimfreilösung einreiben lassen. Dann zog er einen bereits vorbehandelten Umhang über.

Die gemütliche Wohnküche sollte das geburtszimmer sein. Jede nicht für geburtshilfliche Dinge benötigte Fläche war mit weißflammigen Kerzen bestückt. Auch unter der Decke brannten solche und ließen den Raum festlich hell erstrahlen, so dass kein Schatten auf den Boden fiel. Julius fiel sofort auf, dass das Vollporträt von Claudine Rocher an seinem früheren Platz hing. Als Catherine Brickston, die schon mit entblößtem Unterleib auf dem Gebärstuhl saß sah, wo er hinsah mentiloquierte sie ihm: "Sie hat auch ein Gegenstück bei Tante Madeleine. Auch wenn ich fürchte, dass ein anderes Gegenstück bei Vita Magica hängt will ich Tante Madeleine doch gleich nach der ganzen Sache benachrichtigt wissen."

Mund auf, Julius", sagte Blanche Faucon, die gerade in die Küche kam. Sie hielt Julius einen Sättigungskeks hin. Julius nahm diesen mit Lippen und Zähnen entgegen und biss behutsam davon ab, um möglichst wenig zu krümeln, während Hera Matine noch einmal nachsah, ob der kleine Brickston sich noch Zeit ließ oder in den nächsten Minuten schon ans Licht wollte. Julius ließ es sich gefallen, dass Blanche ihn wie ein kleines Kind fütterte, damit er den Keks nicht anfassen musste. "Anständig durchkauen und runterschlucken, Julius. Du brauchst garantiert alle Ausdauer", sagte Blanche mit leiser, großmütterlicher Betonung.

"So, du kuckst dir Catherines Unterleib bitte an, während ich die zwei kleinen Hexen für diesen Raum herrichte", sagte Hera Matine.

"Was ist mit Joe?" fragte Julius. "Der wird auch gleich vorbereitet", sagte Hera.

Julius prüfte mit dem keimfreien Einblickspiegel, wie es in Catherines aufgetriebenem Bauch aussah und erkannte, dass sich der Fötus schon sehr weit ins Becken gesenkt hatte. Als Julius mitbekam, dass Babette und Claudine ins Zimmer kamen sagte Blanche. "Ihr zwei setzt euch bitte da auf die Stühle. Nur Hera und Julius dürfen direkt bei eurer Maman sein. Wenn einer von euch übel wird, steht für jede ein Eimer unter dem Stuhl. "Auch für Papa?" fragte Babette provokant. "Ja auch für den", erwiderte Blanche Faucon.

"Jetzt werde ich endlich sehen, ob du wahrhaftig ein trefflicher Geburtshelfer bist", hörte Julius die Stimme der gemalten Claudine Rocher. Er sah ihr in die meergrünen Augen und sagte: "Ich bin nur Assistent, Madame Rocher." Ihm war nicht so wohl, dass die gemalte Hexe ihn jetzt beobachten würde. Doch er hatte Hera zugestimmt, ihr und Catherine zu helfen.

Joe wirkte schon reichlich blass, als er nach der Keimfreibehandlung in die Wohnküche trat. Bei Catherine setzten gerade die ersten Eröffnungswehen ein. Julius stützte Catherine, während Hera sich um ihren Unterleib kümmerte. Sie rief zwischendurch Werte in den Raum. Also schrieb irgendwo eine Flotte-schreibe-Feder mit, wie bei den Geburten, die Julius in Beauxbatons miterlebt hatte. Als dann das ganze Fruchtwasser austrat und im Eimer unter dem Stuhl aufgefangen wurde hörte Julius Joe laut würgen.

"Von der Öffnung her kann es jetzt losgehen, Catherine. Wir kriegen das jetzt hin. Das kennst du ja schon alles", sprach Hera beruhigend auf ihre Patientin ein, während die zwei vorausgeborenen Kinder sehr aufmerksam zusahen, was die Tante Heilerin mit ihrer Maman anstellte und wann das kleine Brüderchen aus dieser herauskam. Babette kannte das zwar auch schon, aber fand es offenbar jetzt noch spannender, weil sie in den Jahren noch mehr darüber gelernt hatte.

"Nicht auf die kleinen Mädchen achten, nur das ganz große Mädchen angucken", hörte er Heras Gedankenstimme. Julius erkannte, dass er sich von den zwei Brickston-Schwestern hatte ablenken lassen. Jetzt sah er wieder Catherine zu, die bereits die nächste Wehe in den Raum hinausschrie. Offenbar wollte der kleine Brickston jetzt ganz eilig ans Licht der Welt. Erst als Julius auf die Wanduhr sah erkannte er, dass sie schon eine Stunde in der Küche waren. Blanche Faucon hielt Claudines hand, wohl, um ihr Sicherheit zu geben, während Babette sich neben ihren Vater hingesetzt hatte, der aber ihre Hand nicht ergreifen wollte. Dann trat die Geburt von Justin James Brickston in die entscheidende, die Austreibungsphase.

Hera kommandierte die entsprechenden Verhaltensweisen für Catherine, während Julius die Frau, die ihm nach Aurora Dawn den weiteren Weg in die Zaubererwelt ermöglicht hatte, bei der Hand hielt. Als dann der bereits von schwarzem Haar bedeckte Kopf des kleinen Brickstons sichtbar wurde hörte Julius, wie Joe immer mehr schluckte und dann aufstand. "Julius, übernimm", flüsterte Hera und zog Julius so, dass er vor Catherine zu knien kam. Dann eilte sie einige Meter zurück. Doch Joe war schon aufgestanden. "Sieh nur mich und den kleinen an", wisperte Catherine ihm zu. "Oder ekelt er dich auch an?" fragte sie mit gequälter Stimme. Julius schüttelte den Kopf und konzentrierte sich. "Joe, da rein!" rief Hera unvermittelt laut. Doch da hörte Julius schon ein sehr unangenehmes Spritzen und Claudines und Babettes lautes "Iiii". Er fühlte auch, dass ihn etwas am Rücken getroffen hatte. Einen Moment lang fühlte auch Julius ein gewisses Magendrehen. Doch dann dachte er seine Selbstbeherrschungsformel. Die half ihm, den eigenen Übelkeitsanfall zu verdrängen und sich auf Catherine zu besinnen und auf das immer weiter nach außen drängende Wesen, das hier und heute zum ersten mal selbst atmen wollte.

"Nicht bewegen, Julius, ich mach das sauber", hörte er Blanche Faucons Stimme und fühlte etwas heißes, flüssiges in seinen keimfreien Umhang dringen. Hera indes half wohl Joe, der offenbar nicht nur sein Abendessen auf die unangenehme Weise losgeworden war, sondern wohl auch sonst ziemlich aus dem Tritt geraten war.

Als Catherine die nächsten Presswehen erlitt sah Julius sich um. Doch Hera war nicht im Raum. So wies er Catherine an, zu pressen. Er gab ihr sogar den Atemrhythmus vor, um sich die Luft und die Kraft einzuteilen. Dann waren auch schon die Schultern des kleinen Jungen an der Luft. Julius stützte den Kopf des gerade in die Welt hineindrängenden. Dann beförderte Catherine mit drei lauten Aufschreien den restlichen Körper ihres dritten Kindes aus dem eigenen Leib hinaus. Dann hielt Julius den neuen Erdenbürger in seinen Händen, der nur noch durch eine pulsierende Schnur mit seiner Mutter verbunden war. Blanche Faucon beugte sich neben ihn und schob einen mit warmem Wasser getränkten Tüchern bedeckten Schemel unter das neue Enkelkind. Julius sah sich schnell um. Claudine war zwar blass, hatte aber offenbar keinen Übelkeitsanfall erlebt. Babette sah ihn aus ihren saphirblauen Augen an. "Dein Vater ist offenbar gerade nicht verfügbar. Babette, dann komm du bitte her, große Schwester!"

"Häh, wieso?" fragte Babette. Dann klickte es wohl in ihrem Verstand. Sie stand auf und kam ohne zu schwanken herüber. "Stimmt, wenn dein Vater es nicht durchsteht übernimmst du das bitte, was jetzt noch ansteht", sagte Blanche Faucon.

Julius nahm von der bereitliegenden Ausrüstung die feinen Seidenfäden und band die Nabelschnur an den entsprechenden Stellen ab. Währenddessen kam Hera Matine herein, sah, dass soweit alles unter Kontrolle war und sauberzauberte am Boden herum. Babette und Blanche Faucon durften dann die entscheidenden Schnitte ausführen, um Bruder und Enkelsohn endgültig von seiner Mutter zu entbinden.

"Öhm, kommt da nicht noch dieser rote Glibberkuchen aus Maman raus?" wollte Babette wissen.

"Ja, gleich noch", sagte Julius unvermutet gelassen klingend. dann hob er den kleinen Brickston von seinem Schemel. Doch er musste ihm keinen Klaps versetzen, denn der kleine Junge schrie unvermittelt laut und mit kräftiger Stimme seinen ganzen Ärger über diese unverschuldete Pein in die ihm viel zu weite und helle Welt hinaus.

"Vollendung der Geburt eines Jungen am 18. Juli 2003, sieben Uhr und dreiunddreißig Minuten!" rief Julius über das laute Geschrei hinweg. "Eh, sag dieser Kinderpflückerhexe, die soll mir die Riemen abmachen und ... Wrrg!" hörten sie Joes Stimme aus einem Nebenzimmer.

"Ui, da war noch was drin in dem?" fragte Julius unstatthaft gehässig. Babette grinste, auch wenn ihr anzusehen war, dass sie der ganze Vorgang auch nicht so unbeeindruckt gelassen hatte. Catherine, die erst einmal zu Atem finden musste schaffte es aber noch, Julius in die Nase zu kneifen. "Ist sehr schön, dass du mir geholfen hast, Julius. Aber bitte nicht frech werden", keuchte sie noch.

"Ich wiege den erst, Catherine. Dann kannst du ihn haben", sagte Hera und nahm den immer noch sein Elend in die Welt plärrenden Jungen vom Schemel, während Julius immer noch vor Catherine kniete. "Eh, verdammt, ich will nicht liegen bleiben. Ich will den sehen!" brüllte nun auch Joe wie ein gerade erst geborenes Kind.

"Ja, wenn er sicher verpackt ist und du dich endlich wieder zusammenreißt!" rief Hera. Blanche Faucon eilte aus der Wohnküche. Julius war nun mit Hera und den beiden Mädchen alleine bei Catherine. Hera vermeldete, dass der Neugeborene fünfzig Zentimeter lang war, einen Kopfumfang von 36 Zentimetern besaß und kurz nach Vollendung der Geburt 3597 Gramm wog.

"Joe hat nicht nur gespieen", knurrte Hera, sondern war kurzzeitig bewusstlos. Wieso können die einen das vertragen und die anderen nicht?"

"Weiß ich auch nicht, wieso ich das besser aushalte als er", erwiderte Julius. Claudine durfte jetzt herankommen. Da sie auch keimfrei gespülte Hände hatte durfte sie dem kleinen Bruder ganz vorsichtig über den warmen, noch feuchten Rücken streichen. Doch dann erkannte sie, dass sie damit wohl was schmieriges abgewischt hatte und sagte: "Uää, wieso klebt das an dem dran. Hat der schon was gemacht?"

"Nein, das ist eine Schutzschicht, damit seine Haut nicht austrocknet oder vom Wasser im Mutterleib schrumpelig wird", sagte Julius, nachdem er fünf Sekunden auf Heras Antwort gewartet hatte. Zumindest konnte Claudine nun ganz nahe sehen, wie ihr kleiner Bruder Justin James auf Bauch und Brustkorb seiner Mutter abgelegt wurde.

"Kann der jetzt schon nuckeln?" fragte Claudine. Ihr kleiner Bruder bewies ihr keine Minute später, dass er das konnte.

"Ich zeige dieses Weib noch an, weil die mich gefesselt hat", hörte Julius Joes Stimme. Dann hörte er noch Schritte. "So, nur wenn du nicht noch einmal umfällst darfst du ihn jetzt schon sehen", sagte Blanche Faucon und führte Joe in ihre Wohnküche. Da meinte Catherine "Oha, die Nachgeburt." Joe würgte wieder. Seine Schwiegermutter bugsierte ihn schnell vom Gebärstuhl weg und schob ihn wieder zur Tür hinaus. Hera deutete auf die nötige Ausrüstung. Julius fragte sie, ob sie das nicht machen wollte. "Nein, du bringst das bitte zu Ende", sagte sie.

Nicht ganz frei von gewissem Ekel konnte Julius auch die Nachgeburt aus Catherine herausholen und in den dafür bereitstehenden Behälter legen. Claudine wurde nun doch ganz bleich, während Babette nur das Gesicht verzog und meinte: "Dass das Ding so wichtig ist und trotzdem so aussieht."

"Okay, habt ihr zwei das gesehen. Dann kann das weg, auch wenn's ein Kunstwerk von Mutter Natur ist", sagte Julius. Dann fragte er Catherine, ob er ihren Unterleib und die Beine säubern dürfe. Sie deutete auf sich und sagte: "Du hast es gehört, du bringst das bitte zu Ende."

"Erst als alles erledigt war und der kleine Justin James offiziell seinen Namen bekommen hatte fühlte Julius, dass es ihn doch mehr mitgenommen hatte als er gedacht hatte. Ihm fiel jetzt erst auf, dass Hera ihn die ganze Zeit ganz alleine mit Catherine gelassen hatte. Wenn dabei was passiert wäre hätte er sie oder das Baby auf dem Gewissen gehabt.

"Also, ob ich von Joe noch einmal ein Baby kriegen will weiß ich im Moment nicht", grummelte Catherine, als sie und der Kleine sich von der gemeinsamen Tortur erholten. Babette meinte dann: "Sah schon ziemlich ekelig aus. Aber auch wenn der kleine so'n angedötschten Kopf hat sieht der schon süß aus."

"So, die Damen und der Herr. Der Erzeuger dieses neuen Erdenbürgers hier bittet inständig um Entschuldigung, dass er offenbar nicht in der Lage war, diesen so natürlichen Vorgang unangewidert mitzuverfolgen", sagte Blanche Faucon. "Wenn Hera ihn gegen seine Übelkeit behandelt hat darf er sich ansehen, mit wem ihr die nächsten Jahre zusammenlebt."

"Ich lasse mir von der nichts mehr eintrichtern. Die Kotzerei habe ich wohl diesem Keimbannzeug zu verdanken!" rief Joe aus einem anderen Zimmer.

"Gut, dann schlafen Claudine, der Kleine und ich in Babettes Zimmer und die darf zur Belohnung, dass sie so gut durchgehalten hat die nächsten Nächte bei den Rochers schlafen", brachte Catherine mit erstaunlich erholter Stimme heraus. "Eh, das ist Erpressung", hörten sie Joe zurückrufen. Babette grinste nur.

"Nicht umfallen, Julius", sagte Hera und fing Julius auf, der beim Aufstehen ins Stolpern geriet. Er konzentrierte sich auf sein Gleichgewicht und dass ihm nicht übel werden sollte. Dann hörte er Heras Stimme: "Du hättest als Hexe geboren werden sollen, dann hätte ich dich längst zur Nachfolgerin ausgebildet." Dann schmatzte sie ihm noch einen Kuss auf die rechte Wange und hielt ihn in einer halben Umarmung.

"Ich begreife das nicht, warum ich sowas aushalte und Joe sofort speit, wenn Catherine kurz vor der Austreibung steht", erwähnte Julius.

"Aufregung und womöglich ein Trauma, dass er verdrängt hat und dass in solchen Situationen wieder aufwallt", flüsterte Hera Matine. Dann sagte die gemalte Claudine Rocher noch:

"Es ist wahrhaftig, dass du jeder Hexe eigenständig helfen kannst, die ein Kind zur Welt bringt, Julius Latierre." Das machte Julius einerseits stolz und andererseits nachdenklich. Doch bevor er länger darüber nachgrübeln konnte sagte Catherine: "Recht hat sie aber, Julius. Aber mit der Frau und der angeheirateten Familie musst du das auch können, und ich habe mich vollkommen sicher gefühlt."

"Ja, und jetzt steht das genau im Geburtsprotokoll", sagte Madame Matine. Dann tätschelte sie Julius noch einmal und verließ die Wohnküche, die immer noch hell erstrahlte.

"Bleibst du noch ein wenig bei uns oder erwartet deine Frau dich schon zu Hause?" fragte Catherine.

"Ich weiß nicht, ob die schon auf ist", erwiderte Julius. "Oma Claudine, sag Tante Madeleine bitte, dass Justin James da ist!" rief Catherine. Die gemalte Ausgabe von Catherines Urgroßmutter mütterlicherseits nickte und verschwand nach rechts durch den Bilderrahmen aus dem Gemälde.

"Gut, jetzt hört sie uns gerade nicht, Julius, und ich will noch nicht gedankensprechen. Aber was sie dir gesagt hat solltest du sehr ernst nehmen. Vielleicht hat sie dir heute einen Schutzbrief ausgestellt, dass Vita Magica dich auch weiterhin nicht anrühren darf, weil du als eigenständig handlungsfähiger Zauberer nicht nur neue Kinder zeugen, sondern zur Welt kommende Zaubererweltkinder sicher entbinden kannst. Ich denke, dass sie das ihrem Gegenstück bei diesen Halunken weitergeben wird."

"Ja, oder mich deshalb zum Abkassieren freigibt, damit ich bei denen nur noch Kinder auf die Welt hole", grummelte Julius.

"Das denke ich nicht, Julius. Jedenfalls bedanke ich mich sehr herzlich dafür, dass du da warst. Wenn Hera das mit mir alleine hätte durchstehen müssen hätte sie Joe sicher nicht so schnell helfen können."

"Ich bin ja auch noch da, Kleines", sagte Blanche und küsste ihre Tochter auf den Mund, wobei sie aufpasste, den kleinen Enkelsohn nicht zu stören.

"Mamille, bist du schon auf?" gedankenfragte Julius, als er auf seinen Herzanhänger gelauscht hatte. "Ich war sozusagen die ganze Zeit neben dir und habe das mitbekommen, wie du Catherines kleinen Nuckelwichtel geholt hast", erwiderte Millie. "Kann sein, dass Temmie uns beide zusammengebandelt hat. "Ja, und ich stimme der Dame im Bilderrahmen zu, dass ich keine Angst habe, dass du unsere nächsten Kinder nicht auch ohne eine Heilhexe auf die Welt holen kannst."

Julius überlegte, ob seine Gelassenheit während der Niederkunft dann vielleicht von Temmie herrührte, die seine Gefühle abgefangen hatte. Doch da meldete sich die geflügelte Vertraute auch schon: "Ich habe dich nicht gestört und auch nichts getan, um deinen Willen und deine Gefühle zu verändern, Julius. Du hast das geschafft, weil du das von dir aus kannst."

"Catherine fragte mich, ob ich noch ein wenig hierbleiben möchte. Darf ich das?"

"Heute hast du zweimal Wickeldienst, mein Süßer. Aber ich kann Clarimonde auch eine Wochenwindel anlegen. Frage Catherine, ob sie schon anderen Besuch empfangen kann."

"Millie möchte wissen, ob sie heute noch zu dir hindarf, um den Kleinen zu sehen", gab Julius es weiter. In dem Moment kehrte auch Claudine Rochers gemaltes Ich in sein Bild zurück. "Madeleine beglückwünscht dich, Catherine und auch euch, Hera und Julius, dass ihr ihr so gut geholfen habt. Sie grüßt auch ihre Schwester Blanche und lässt ausrichten, dass ein gesperrter Flohnetzkamin sie nicht aufhalten würde."

"Juhu, liebe kleine Schwester! Lass mich bitte zu françois' neuem Patenkind!" hörten sie alle Madeleines fröhliche Stimme vor dem Wohnküchenfenster.

"Sturheit dein Name ist ... Rocher", knurrte Blanche Faucon und verließ die Wohnküche.

Als auch Madeleine in einem Keimfreiumhang in die Küche kam beglückwünschte sie erst Catherine, um dann Julius in eine sehr innige Umarmung zu schließen. "Oma Claudine hat gesagt, du hättest den Kleinen richtig ans Licht geholt. Willst du nicht doch bei Hera anfangen?"

"Dann hätte ich als Hexe zur Welt kommen müssen", meinte Julius dazu. "Contrarigenus, und du kannst morgen schon bei ihr anfangen", mentiloquierte Madeleine an Julius' Adresse. Er schrak zusammen. Abgesehen davon, dass dieser Zauber tatsächlich klappen mochte würde sich aber dann sein ganzes Leben grundweg ändern. Außerdem erinnerte er sich an die Visionen, die ihm der Geist der Voodoomeisterin Marie Laveau gezeigt hatte. Darin hatte er eine blondhaarige Frau gesehen, die vom Gesicht her wie seine eigene Schwester ausgesehen hatte. Marie hatte ihm eröffnet, dass das er in einer von mehreren Zukunftsformen sei, je danach, wie er sich an bestimmten Stellen entscheide. da er sich auch als Skyllianri und als einer von zwei neugeborenen Zwillingen an den Brüsten einer schwarzhaarigen Frau mit blauen Kinderaugen gesehen hatte und wusste, dass damit die beinahe Verwandlung in einen Skyllianri oder die Geburt als Sohn der Abgrundstochter Ilithula zusammen mit Hallitti gemeint war stand die eine Möglichkeit wohl immer noch im weiten Raum-Zeit-Gefüge, dass er einmal als seine eigene Schwester herumlaufen konnte. Dabei fiel ihm ein, dass es außer Contrarigenus noch eine Möglichkeit gab, das zu erreichen. Doch das wollte er weder Madeleine noch allen anderen auf die Nasen binden.

Eine Stunde nach der vollendeten Geburt von Justin James Brickston konnte Joe seinen Sohn zum ersten mal ansehen, ohne gleich wieder einem Übelkeitsanfall zu erliegen. Auf Babettes freche Frage, ob er seinen Sohn zum kotzen gefunden habe sagte er sehr ungehalten: "Ich weiß nicht, warum mich sowas mehr aus den Schuhen haut als diesen jungen Burschen oder euch beide hier. Aber ich verbiete dir, sowas zu sagen, Babette." Dann zog er sich zurück, um seinen Eltern die freudige Nachricht zu vermelden. Zwar war es in Dallas, Texas gerade mal ein Uhr Morgens, aber seine Mutter hatte darauf bestanden, dass Joe sie so schnell wie möglich anrief.

"Ich soll alle die schön grüßen, die es mit Catherine und mir durchgestanden haben", sagte Joe. "Ich habe meiner Mutter nur gesagt, dass ich froh bin, dass der Kleine jetzt da ist. Es ist mir peinlich genug, dass ich das wieder einmal nicht voll mitbekommen konnte. Also reitet da bei Oma Jennifer und Opa James nicht drauf herum, Babette und Claudine!"

"Es bestätigt leider nur, dass die Hebammenregeln ihre Berechtigung haben, bei Geburtsvorgängen keine Männer zuzulassen. Dass ich den Jungen hier entgegen dieser Regel dazugebeten habe liegt daran, dass er neben meiner Kollegin Latierre der einzige ist, der mir assistieren konnte und die Kollegin Latierre auf ihre eigene Patientin aufpassen sollte", sagte Hera Matine. "Aber ich werde es mit den Heilern besprechen, ob gerade wegen der anstehenden Geburten auch Monsieur Delourdes in diesen Praktiken eingearbeitet werden darf."

Millie und Béatrice kamen mit Julius' drei Kindern herüber, nachdem Madame Faucon per Flohnetz bei ihnen durchgerufen hatte, dass sie jetzt alle gemeinsam frühstücken durften.

"Drei reichen offenbar völlig aus", sagte Joe, nachdem auch noch Madeleines Mann François L'eauvite herübergekommen war und er so die oobligatorische Babypinkelrunde spendieren konnte. "Ich wollte mir das nie angucken, wie Madeleine immer weiter aufgeht und was von ihr und mir dann rausgezwengt wird", sagte François L'eauvite und hob sein gefülltes Champagnerglas. "ich wollte nicht als Totalversager dastehen, der seine eigenen Kinder nicht auf die Welt kommen sehen kann", meinte Joe. "Ich weiß auch nicht, was mich im entscheidenden Moment immer so fertig macht."

"Die einen halten es durch, die anderen nicht", meinte Joes Schwiegeronkel und stieß erst mit dem frischgebackenen Kindesvater an und dann mit Julius, der ja vor noch nicht ganz einem Monat selbst eine kleine Tochter im Leben begrüßen durfte. Die Hexen einschließlich Babette und Claudine waren bei Catherine im Wochenbettzimmer. Blanche hatte ihrer Enkeltochter erlaubt, bis zum Sommerball bei den Rochers zu übernachten, damit Claudine ein eigenes Zimmer hatte, wo sie so gut durchgehalten hatte.

"Eh, François, ihr sauft ohne mich?" hörten die Zauberer und der Nichtmagier eine sehr entrüstete Männerstimme von der Tür her. Es war Monsieur Castello, Blanches Nachbar, eingefleischter Jungeselle, jedoch durch Vita Magica dazu verdonnert, im nächsten März selbst Vater zu werden, wobei er davor wohl noch von seiner Freiheit abschied nehmen und die Kindesmutter heiraten sollte.

"Klär du erst mal mit Louiselle, wann ihr zwei vor den Zeremonienmagier tretet, bevor sie unübersehbar gerundet ist!" rief Blanche Faucon nach draußen.

"Eh, das ist gemein, sowas zu sagen, wo du nicht da warst, Blanche", erwiderte Antoine Castello.

"Ach, du meinst, ich hätte dich nicht vorher geheiratet, bevor ich deine Kinder gebäre?" fragte Blanche lautstark zurück. "Ich sage nichts mehr ohne meinen Rechtsbeistand", erwiderte Castello. Die Männer mussten lachen, auch Julius.

Weil am Nachmittag das Luftschiff aus Viento del Sol landen sollte konnten die Gäste Madame Faucons zumindest noch bis zum Mittagessen bleiben, auch wenn Julius durch den gegessenen Sättigungskeks eigentlich für den Tag genug im Körper hatte.

Als gegen fünf Uhr nachmittags am üblichen Platz eine himmelblaue, zigarrenförmige Konstruktion aus dem Himmel herabglitt und präzise neben einem Ankermast verharrte klatschten viele hundert Zuschauer Beifall. Denn durch die Ankunft des Überseeluftschiffes aus Viento del Sol war es nun ganz offiziell, dass die Zeit der Isolation Millemerveilles vorbei war. Als dann erst Martha Merryweather in einem Korb an Halteseilen aus dem Bauch des Luftschiffes herabgelassen wurde konnte Julius seine drei Halbgeschwister sehen. Die waren seit der letzten direkten Begegnung schon wieder um einiges größer und propperer geworden. Dass sie schon halbfeste Nahrung bekamen wusste er zumindest.

"Hallo, Mum, schön, dass du herkommen konntest", begrüßte Julius seine Mutter, während Millie die Szene für die Temps de Liberté fotografierte. "Ich habe gehört, dass Catherines drittes Baby heute morgen auf die Welt gekommen ist und du Hera dabei geholfen hast, es sicher zu holen", sagte Martha Merryweather und küsste ihren Sohn landesüblich auf jede Wange.

"Oja, ist immer wieder ein ganz erhabener, wenn auch anstrengender Vorgang, Mum. Hera wollte mich danach schon in eine Hexe verwandeln und als ihre neue Hebammenkollegin ausbilden", flüsterte er ihr zu.

"Dann hättest du ja gleich Belles Zwillingsschwester bleiben können", flüsterte seine Mutter. Dann sagte sie laut: "Die Leute in Viento del Sol haben für die wiedergewonnene Freiheit Millemerveilles ein Geschenk mitgebracht. Aber das darf die junge Mrs. Brocklehurst gleich verkünden." Millie nickte, also würde das so in die Zeitung kommen.

Aus dem Luftschiff stigen nun über eine Strickleiter noch Lucky Merryweather, Brittany und Linus Brocklehurst, wobei Brittany ihren Sohn Leonidas auf dem Rücken trug, sowie die Eheleute Redlief mit ihren Töchtern Melanie und Myrna, sowie dem Schwiegersohn Titonus und zum Schluss noch Venus Partridge. Julius fühlte, wie er leicht errötete. Venus hatte er nicht zur Feier eingeladen, wohl weil er dachte, dass sie doch bei der Quidditch-Weltmeisterschaft mitspielen wollte. Als er die angereisten Damen durch Umarmung und Wangenküsse und die Herren durch kraftvolles Händedrücken begrüßt hatte mentiloquierte er Millie an, ob für Venus auch noch ein Platz bei der Feier frei war. Millie bejahte es. So sagte Julius: "Wir wussten nicht, dass du auch nach Millemerveilles kommen würdest, Venus. Aber wenn du schon da bist laden meine Frau und ich dich ein, morgen auch zu unserer Feier für unsere dritte Tochter zu kommen."

"O, das ist nett. Ich wollte eigentlich nur eine Nacht hier bleiben und dann über Paris und Rom zum Weltmeisterstadion, jetzt wo wir wissen, dass eure gegen unsere Leute spielen dürfen. Aber das ist ja erst in einigen Tagen. Da nehme ich die Einladung gerne an."

"Wolltest du da selbst nicht mitspielen?" fragte Julius Venus. Brittany hörte das auch und errötete an den Ohren, während Venus ihr Gesicht verzog, als habe er ihr kräftig auf den großen Zeh getreten.

"Offenbar hat dir meine ehemalige Mannschaftskameradin nicht alles weitergereicht, was an üblen Sachen über mich verbreitet wurde", grummelte Venus. Doch dann lächelte sie wieder. "Aber dafür, dass ich mit euch ein neues Kind im Leben begrüßen darf hat sich dieser Trollmist doch gelohnt. Näheres irgendwann später." Julius nahm diese Aussage erst einmal als verbindlich hin.

Als alle Gäste aus Übersee sich für ein Gruppenfoto in Positur gestellt hatten und drei Aufnahmen von ihnen gemacht waren winkte Brittany Brocklehurst noch einmal nach oben. Aus dem Luftschiff wurde nun eine vier Meter lange Kiste heruntergelassen. "Wir, die Bürgerinnen und Bürger von Viento del Sol, möchten den über Monate in Dunkelheit und Angst gefangenen Bewohnern von Millemerveilles als Zeichen der wiedergeschenkten Freiheit und wiedergeknüpften Verbundenheit ein Geschenk überreichen, das zum Ausdruck bringen soll, wie wichtig die Freiheit, die Liebe und das Licht in der Welt sind, so wichtig wie die Luft zum atmen, das Wasser gegen den Durst und die Früchte der Natur gegen den Hunger." Während sie das sagte setzte die Kiste auf dem Boden auf. Der Deckel hob sich wie von Geisterhand. Nun konnten sie alle ihn sehen.

In der Kiste lag, mit sorgfältig zusammengebundenen Ästenund Zweigen, die Wurzeln in einem zwei Meter durchmessenden Klumpen feuchter Erde, ein ausgewachsener Baum auf einem Bett aus feuchtem Moos. Julius erkannte ihn an der Maserung der Rinde und der Form der Zweige sofort wieder. Es war ein nordamerikanischer Spendebaum, herbologisch Fructidonator generosus, der da in der Kiste lag. Doch der konnte doch angeblich nicht außerhalb von Nordamerika nachgezogen werden, fiel es ihm ein. Als wenn Brittany seine Gedanken empfangen hätte sagte sie nun: "Hiermit darf ich den für Gartenbau und -pflege zuständigen Bürgerinnen und Bürgern einen ausgewachsenen Vertreter des nordamerikanischen Spendebaumes überreichen. Damit er auch außerhalb unseres weiten und vielfältigen Staatenbundes seine Wurzeln schlagen kann überreichen wir zugleich eine halbe Tonne kalifornischer Heimaterde, in der unser lebender Baum sicher verbleiben kann und sich an die neue Heimat anpassen wird. Professor Verdant von der Thorntails-Akademie, sowie der Kongress nordamerikanischer Herbologen haben ergründet, dass der Spendebaum, Fructidonator generosus, in allen Ländern der gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel wachsen und gedeihen kann, wenn er über mindestens ein Jahr Zeit bekommt, sich von der ihm vertrauten Heimaterde an die Erde eines anderen Landes anzupassen. Diese großartige Erkenntnis bedeutet für uns, dass dieser seine Früchte gerne und reichlich darbietende Baum ein lebendes Zeichen für Verbundenheit, Großzügigkeit und Beständigkeit ist und erfüllt uns Bürgerinnen und Bürger von Viento del Sol mit Stolz, euch, unseren Freunden aus Millemerveilles, diesen Baum als ersten in Europa zu pflanzenden Baum seiner Art überreichen zu dürfen." Die bisherigen Ausführungen hatte Brittany auf Englisch gesprochen. Nun wechselte sie ins Französische, was Julius erstaunte, da er sie bisher nie hatte französisch sprechen hören. "So möge dieser Baum der Spenden und der Freundschaft in diesem schönen Orte seine Wurzeln in nährende Erde treiben und euch allen Hunger, Durst und Hitze vertreiben. Ich frage nun euch, unsere Freunde aus Millemerveilles, nehmt ihr dieses Geschenk der Freundschaft und der Verbundenheit an, die nach dem Ende der letzten dunklen Erbschaft der Tyrannin Sardonia das Zeichen für fortwährende Freiheit und Eintracht sein soll?"

Camille Dusoleil trat nun vor. Sie trug ein blattgrünes Samtkleid und einen grasgrünen Hexenhut mit bunten Blumenmustern auf dem Kopf. "Ich, Camille Dusoleil, oberste Fürsorgerin aller Pflanzen und Kräutergärten von Millemerveilles, bedanke mich im Namen meiner Familie und meiner Nachbarinnen und Nachbarn für dieses außergewöhnliche und großartige Geschenk und erkläre hiermit: Ja, wir nehmen eure Gabe an, Freunde aus Viento del Sol!"

Julius begriff, dass dieser Akt schon länger als nur einen Tag geplant gewesen sein mochte, allein schon, dass ein ganzer Baum sicher verpackt und transportiert werden konnte, ohne ihn einschrumpfen zu müssen.

Während Camille an die Kiste herantrat und feierlich ihre Hand auf die Rinde des darin gebetteten Baumes legte brandete Beifall aus den Zuschauerreihen. Dann kam auch Madame Delamontagne zusammen mit anderen Mitgliedern des Dorfrates heran und erklärte, dass sie den Baum annehmen würden und beauftragten Camille Dusoleil damit, einen würdigen Standort für ihn zu finden und ihn dort sicher einzupflanzen und aufzurichten. Das nahm Camille zum Anlass, mehrere Mitarbeiter auf Transportbesen heranzurufen, die die Kiste in ein großes Tragegeschirr einlegten und dann mit dem Baum in der Kiste davonzufliegen. Millie fragte aus privater wie beruflicher Neugier, wo der Baum eingesetzt werden würde. "Er wird auf dem Mittelhügel der Freiluftanlagen der grünen Gasse seinen Platz finden", antwortete ihr Camille Dusoleil.

Als der hochoffizielle Teil der Ankunft vorüber war konnte Millie die angereisten noch interviewen. Brittany und Venus waren vom Dorfrat von Viento del sol damit beauftragt worden, die Anreise des Dorfrates vorzubereiten, damit es beim Sommerball zu einer offiziellen Neuverkündung der Partnergemeinschaft zwischen den beiden Zaubererdörfern kommen konnte. Venus nahm die Einladung Madame Delamontagnes an, solange bei ihr im Haus zu wohnen, während Brittany ja schon für ihre Familie eine Unterbringung bei den Latierres hatte, ebenso wie Julius' Mutter mit ihrem zweiten Mann und den Drillingen.

"Da habt ihr uns aber voll überrascht", meinte Julius zu Brittany, als sie schon auf dem Weg zum Apfelhaus waren.

"Na ja, die Eheleute Hammersmith wären zwar auch gerne mitgeflogen. Aber der Dorfrat hat sie davon abgehalten. Die wollten erst wissen, ob das Luftschiff wirklich ungefährdet landen könnte. Was meint ihr, wie viele Magiespürartefakte in der Himmelswurst verbaut sind und warum wir fast fünf Minuten über dem Landeplatz geschwebt sind, ohne dass ihr uns gesehen hättet. Jetzt wissen wir, dass ihr wieder gefahrlos angeflogen werden könnt. Allerdings würden die zwei Steuerleute von uns gerne wissen, was das für starke Zauber sind, die wie richtige Leuchtfeuer aus dem Dorf herausragen", sagte Brittany, wobei sie nun lupenreines Französisch sprach. Das brachte Julius darauf, sie zu fragen, seit wann sie die Sprache lernte.

"Im Grunde seitdem Leonidas bei euch im Apfelhaus in meinen Bauch eingezogen ist und seitdem wir wissen, dass eure dritte Tochter wohl bei uns im Bucheckernhaus in Millies warme Unterstube eingezogen ist. Da habe ich mir von Mel alle Sprachlernbücher mit Gedächtniszauber ausgeliehen und durchgeackert. Als werdende Mutter ist ja mit Quodpotspielen eh nicht viel los", sagte sie noch. "Außerdem wollte ich euch zwei mal so richtig überraschen."

"Und Linus kann das auch?" fragte Julius und wandte sich an Brittanys Besenpartner auf dem Familienbesen.

"Öhm, ich kann das noch nicht so, weil ich zwischendurch doch noch anderes zu tun hatte", sprach Linus langsam und jedes einzelne Wort genau betonend.

"Aber dass Venus nicht bei eurer Truppe mitspielt hat mich jetzt doch erstaunt", erwiderte Julius an Brittany gewandt. Diese sah ihn verlegen an und sagte: "Wie sie schon sagte, ich habe dir nicht alles rübergereicht, was in den Staaten zu dem Thema in die Zeitungen reingeschmiert wurde. Deshalb überlasse ich es ihr, dir das zu erzählen, wenn die Feier vorbei ist", erwiderte Brittany. Auch das nahm Julius als verbindliche Aussage zur Kenntnis.

Die Redliefs und Chimers hatten zwei Familienzelte mitgebracht, welche sie an der Nordseite des Apfelhaus-Grundstückes aufschlugen. "Bor eh, hier ist es um die Zeit noch wärmer als bei uns am Mittag", sagte Myrna Redlief. Dem konnte Julius nicht widersprechen.

Das Abendessen nahmen die angereisten Gäste im Garten unter bunten Sonnenschirmen ein, die die Gäste aus Kalifornien gleich mitgebracht hatten. Martha unterhielt sich mit Millie über Clarimondes Geburt und erfuhr so, was am 24. Juni passiert war. Sorgenfalten und der Ausdruck von Stolz zeichneten ihr Gesicht. Dann wandte sie sich an Julius: "Auch wenn du von vielen mir nicht vorgestellten Leuten sehr gut ausgebildet wurdest hattest du wohl auch sehr viel Glück, mein Junge. Aber ich freue mich, dass wegen eures Kindes dieser Albtraum vorbei ist und wir deshalb heute frei und ungefährdet bei euch landen konnten." Ddem konnte Julius nicht widersprechen.

Die Drillinge nahmen das Planschbecken im Sturm. Lucky Merryweather beaufsichtigte seine beiden Töchter und den einen Sohn, der sich auf denselben körperlichen und wohl auch geistigen Stand wie seine Schwestern entwickelt hatte.

"Julius, Aurora Dawn kommt morgen schon zwei Stunden früher. Ihr Bild-Ich fragt, ob das geht", rief Millie aus dem Apfelhaus. Julius rief zurück, dass er kein Problem damit hatte. Aurora würde die beiden folgenden Nächte wie schon häufiger bei den Dusoleils wohnen, wo sie dann auch Laurentine Hellersdorf treffen würde.

Es war schon nach elf, als die im Haus übernachtenden Gäste sich endlich aus der lauhen Sommerabendstimmung lösen und in die für sie vorbereiteten Zimmer gehen konnten. Auch wenn sie dabei alle schon mal einen Blick auf Clarimonde Esperance werfen konnten würde die große Feier für sie eben erst am nächsten Tag stattfinden.

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Sie freute sich über die beiden neuen Töchter, die ihr der gezähmte Rüpel George Bluecastle beschert hatte. Doch noch mehr freute sich Mater Vicesima Secunda, dass die weitläufige Blutlinie Claudine Rochers an diesem Tag um ein weiteres Mitglied bereichert worden war.

"Hiermit stelle ich den Antrag, dass der junge Zauberer Julius Latierre im Falle einer unmittelbar gegen einen oder eine von uns begangenen Feindseligkeit nicht reinitiert werden soll, sondern mir allein als weiterer Lebensgefährte zugeführt werden soll. Diese Zaubergaben und diese naturgegebene Fertigkeit, neues Leben auf die Welt zu holen, müssen unbedingt gefördert werden", sagte sie einem mitschreibenden Notizbuch. Offiziell wollte sie diesen Antrag auf Überstellung des jungen Zauberers erst dann einbringen, wenn die Aktion 1000 Quaffel mit mehr als 50 Prozent Erfolgswahrscheinlichkeit abgeschlossen werden konnte.

"Véronique, es dürfte jetzt amtlich sein, dass mindestens vier Ministeriumszauberer der Italiener magisch beeinflusst sind und da ganz sicher von unserer neuen Widersacherin, der Viertelveela Ladonna Montefiori", gedankensprach Perdy, ihr geistiger Zögling und Vater von vieren ihrer nun zweiundzwanzig Kinder.

"Dann gilt das Wort von den Ratten und Mäusen, Perdy. Wo eine zu seh'n sind sicher noch zehn. Wir wissen also nun, dass Ladonna das italienische Zaubereiministerium mit ihrem Feuerrosenduft vergiftet hat. Doch wir können es ihr noch nicht beweisen, ohne uns selbst unserer Deckung zu berauben. Aber dieses Patt zwischen ihr und uns wird nicht von Dauer sein."

"Öhm, Unsere nächsten Grüße an die Sportfreunde geht in einer Stunde ans Ziel, Véronique. Diesmal schieße ich die Ladung ohne menschlichen Kurier zu denen hin. Da können die im Moment nichts gegen machen außer ihre Frühwarnung hören, wenn die Ladung die Vorrichtungen kitzelt."

"Wir sollten aber auch noch einmal wen hinschicken, um die Vermutung wegen der Unterwanderung zu prüfen. Vielleicht können wir ja den einen oder anderen von denen in Gewahrsam nehmen und ausforschen", gedankensprach Mater Vicesima Secunda. Dann meldete sich eine andere Gedankenstimme bei ihr:

"Maman, Venus Partridge ist auch in Millemerveilles gelandet. Sollen wir sie nicht doch in Gewahrsam nehmen?"

"Und damit verraten, dass ihre Behauptungen doch stimmen und Eartha Dime zu uns gehört und ebenso, dass wir einen Kundschafter in Millemerveilles haben, nachdem die uns dort alle zu Staatsfeinden Nummer eins erklärt haben? Nein, sie bleibt unangetastet, solange sie nicht unmittelbar gegen einen von uns ankämpft. Falls das passiert kommt sie in eine unserer Karussellniederlassungen", gab Mater Vicesima Secunda weiter.

"Mater Vicesima Secunda, die Tieftauchautomata haben den Hammer gefunden. Sollen wir den bergen?"

"Das klärt bitte mit den Thaumaturgieleuten im Rat. Ich bin für Neuzugänge zuständig", schickte sie zurück. Natürlich interessierte sie das, was Zephyrus ihr und dem hohen Rat des Lebens vor zehn Tagen erzählt hatte. Auch erinnerte sie sich sehr gut an den Bericht über den norwegischen Zauberer, der den ungewöhnlichen gigantischen Hammer berührt hatte. Bevor nicht geklärt war, warum das passiert war sollte das Artefakt auf dem Meeresgrund bleiben. Sie mussten nur sicherstellen, dass keine andere Stelle der Zaubererwelt ihn fand und in Besitz nahm. Aber das war wie erwähnt die Sache der Thaumaturgie- und Fluchexperten. Auch dachte sie im Zusammenhang mit dem Hammer an Silvester Partridges Soloauftritt, seine ihnen unbekannten Zauber und vor allem die überlebensgroße Fluchthelferin aus goldenem Metall. Die von dieser ausgerufene Warnung hatte sie nicht vergessen. Am Ende würden die alten Mächte, die immer noch im verborgenen bestanden, die Beschlagnahme des sicher aus dem alten Reich stammenden Artefaktes vergelten. Das sollte sie dem Rat zumindest zu bedenken geben. Immerhin hatten viele ihrer Mitstreiter die Warnung der goldenen Riesin gehört.

__________

Aurora Dawn traf gegen elf Uhr Morgens im Apfelhaus ein. Sie trug die kleine Rosey in einem gepolsterten Bauchbeutel vor sich her wie eine Känguruhmutter. Nur Millie und Julius, Béatrice und Camille wussten hier, was es mit dem kleinen Mädchen auf sich hatte.

Millie freute sich, die beiden Gäste aus Australien als erste begrüßen zu dürfen. Julius war gerade draußen und kümmerte sich um die Dekoration. Brittany und Venus waren mit Melanie Chimer und Myrna Redlief in der grünen Gasse unterwegs.

"Joh, ein Känguruhbeutel. Klar, Aussis", meinte Millie und setzte an, Roseys braunen Schopf zu streicheln, zog ihre Hand jedoch noch zurück. "Noch kann sie dich nicht beißen, Millie", lachte Aurora Dawn.

"Na ja, ich habe nur daran gedacht, dass ich mich als Baby auch nicht von jedem über den Kopf streichen lassen würde", sagte Millie. Gerade in dem Moment erklang von draußen flotte Tanzmusik. "Ach neh, hat dein Mann sich den Sommerhit aus der Muggelwelt vom letzten Jahr in euer Musikfass gesetzt?" fragte Aurora.

"Dieses Ding von den drei spanischen Schwestern, die sich Las Ketchup nennen. Das war auch bei euch unten drunter in den Radiogeräten?" fragte Millie.

"Auch wir haben Touristen, die nach Spanien oder Portugal verreisen, wenn es bei euch Sommer ist", sagte Aurora.

"Ei, Tante Rora!" rief eine höchst erfreute Kleinmädchenstimme. Dann kam Aurore Béatrice Latierre herangewuselt, sah den Bauchbeutel mit lebendem Inhalt und wusste nicht, was sie machen sollte. "Och joh, Hallo Rorie. Tauschen wir mal eben!" Mit diesen Worten übergab sie Millie ihre große Bauchtasche und schloss dafür ihre Beinahenamensvetterin in die Arme. "Ui, du kriegst aber immer noch genug zu essen hier, auch wenn du schon zwei neue Schwestern hast", flötete Aurora Dawn. Dann hörte sie ein leises Ploppen. "'tschuldigung, Aurora, dass ich das nicht mitbekommen habe, dass du schon da bist", sagte Julius, der zielgenau in der Wohnküche appariert war. Dann knuddelte er erst Aurora und danach seine Tochter Aurore, bevor er Millies zeitweiliges Zusatzgepäck bewunderte. "Och, Rosey, bist auch schon wieder größer geworden, nachdem wir uns das letzte mal gesehen haben, nicht wahr?" säuselte er.

"Nachdem die, die mich neu geboren hat mich langsam auf andere Nahrung umstellt hoffe ich doch mal, dass ich wieder richtig groß werde", hörte Julius eine Gedankenstimme im Kopf, die wie von einer jüngeren Ausgabe Heather Springwoods stammte.

"Und du kommst immer noch gut damit klar, dass du ein Baby bist?" fragte Julius auf dieselbe Weise zurück.

"Deine große Freundin passt gut auf mich auf, und wegen der guten Reisewindeln ist das nicht so unangenehm, wie ich erst gefürchtet habe. Nur dass mit diesem Brei gefüttert werden und das Gekleckere stört. Aber ich kann ja nicht immer an Auroras Milchbar trinken."

"Flirtest du mit der kleinen", raunte Aurora Julius zu, weil die beiden sich so konzentriert ansahen. Julius sah ertappt zu seiner australischen Wegführerin hin und meinte: "ich wollte nur mal sehen, wie ähnlich sie dir jetzt ist."

"Lustig, Jungchen. Aber ich hab's ja drauf angelegt", erwiderte Aurora Dawn. Dann musste sie grinsen. "Beschwert sie sich, dass sie nicht mehr nur Mummys Nuckeltüten ansaugen darf?" gedankenfragte Aurora Dawn Julius. Dieser verneinte das.

""Na komm, kleine Rosenlady, dann zeige ich dir mal meine ganz kleine Prinzessin", sagte Millie und trug Rosey einfach ohne Aurora zu fragen davon. Aurore wuselte ihrer Mutter und dem Baby im Bauchbeutel hinterher.

"Sie freut sich, zumindest zwischendurch mal mit anderen Gedankensprechen zu können, die wissen, was mit ihr ist", mentiloquierte Aurora Julius bei unmittelbarem Blickkontakt. Laut sagte sie: "Du hast dich aber gut daran gewöhnt, ein echtes Muttertier geheiratet zu haben, nicht wahr? Ich hörte über Heras Bild-Ich von Viviane Eauvive, dass du dich gestern sehr gut als fast eigenständiger Geburtshelfer bewährt hast. Dann hast du jetzt dein erstes Kind ohne fremde Hilfe auf die Welt geholt, das nicht dein eigenes Ist."

"Ja, war mir hinterher nicht so recht, vor allem weil das nicht nur zu dir rübergereicht wurde sondern vielleicht auch bei denen von Vita Magica rumgeht und die mich als Karussellwart anstellen könnten oder sowas", sagte Julius.

"Ich denke eher, die Hexen von denen werden sich drum streiten, wer deine Kinder kriegen darf, solltest du so unbedacht sein, dich von diesen Gangstern einsacken zu lassen. Öhm, du trägst aber immer noch einen dieser Antiportschlüssel, die Florymont gemacht hat?"

"Ohne den gehe ich keinen Schritt aus dem Haus", sagte Julius.

"Ich hörte auch, dass ihr einen eigenen Spendebaum bekommen habt. Camille war so freundlich, mir das über ihre Direktverbindung zu mir weiterzureichen", sagte Aurora Dawn. "Die Dame, die ihn uns übergeben hat ist gleich bei uns. Sie wollte sicherstellen, dass auch die Veganer nicht verhungern müssen."

"Mehrere Veganer?" fragte Aurora Dawn. Julius erwähnte, dass außer Brittany zumindest noch ihr Mann Linus und vielleicht auch Gloria Porter heute rein vegan essen wollten und sie sowieso genug machen wollte, um auch morgen nicht verhungern zu müssen."

"Na, wenn meine Kollegin Béatrice ihr das durchgehen lässt, wo sie selbst ein Kind am Ende der Stillperiode hat", grinste Aurora Dawn. "Sicher, hat schon was für sich, nicht zu viel Fleisch zu essen. Aber auf Milch und Eier möchte ich auch vor allem was Rosey angeht nicht verzichten, und vor allem Honig. Ach, ja, der wird ja dieses Jahr wohl ebenso rar sein wie Fruchtsaft."

"Es geht. Florymonts Blütendrohnen haben zumindest die Hälfte aller Bäume bestäuben können. Wir haben unserer Imkermeisterin mehrere Kilogramm Pollen für ihre schlafenden Bienenvölkger besorgt, zumal sie uns ja während der Dämmerkuppelzeit mit genug Wachskerzen aushelfen konnte."

"Hört sich doch gut an", sagte Aurora Dawn.

"Ui, die ist ja schon fast so groß wie ich jetzt bin", hörte Julius Roseys Gedankenstimme in sich. Er schickte zurück: "Erbanlagen und gute Muttermilch, Rosey."

"Ist wohl wahr", bekam er zurück. Laut sagte Julius dann: "Millie hat gerade deine Kleine neben unsere Kleine gelegt und verglichen."

"Soso, macht die das. Nicht dass Rosey noch Komplexe kriegt, weil deine Frau sicher wieder einen Wonneproppen von über fünfzig Zentimetern ausgeliefert hat", erwiderte Aurora. Dann bekam sie wohl auch eine Gedankenbotschaft.

"Neh, ist klar", grinste sie, bevor ihr klar wurde, dass sie diesen Ausspruch noch begründen musste. "Rosey meint, Millie habe ihr gesagt, dass wenn ein Wickelhexlein die Milch einer Latierre-Hexe trinkt müsste es, wenn es eine große Hexe ist, vier eigene Kinder kriegen oder total an ihrem Leben verzweifeln", gedankensprach Aurora.

"Ach neh, sag das mal meiner Schwiegertante. Ach, wenn die Maus ihren Namen hört", sagte Julius und sah Béatrice Latierre in die Wohnküche kommen.

"Hallo werte Kollegin. Habe deine Reisebegleitung gerade mit meiner Nichte im Babyruheraum gesehen. Du hast sie bisher gut versorgt. Ich hoffe, ich muss die junge Mrs. Brocklehurst nachher nicht noch maßregeln, wenn sie ihren kleinen Sohn nur mit Fruchtsaft und zermahlenem Maisbrei füttern will. Der braucht auch gescheite Eiweiße. Aber sie hat ja behauptet, ihm noch von sich selbst was abzugeben, bis die ersten Zähne alle durch sind, weil ihre Hebamme ihr dazu geraten hat, wenn sie schon keine Kuh- oder Ziegenmilch verfüttern möchte."

"Und du hast noch keine vier Kinder in Aussicht, Béatrice?" fragte Aurora Dawn ihre Kollegin. "Ich habe es mitbekommen, dass Millie deiner Kleinen sowas zugeflüstert hat, wenn sie später mal groß sein wird und viele Kinder haben will. Aber ich bin im Moment noch glücklich genug, die Kinder anderer Hexen auf die Welt zu holen. Aber wie diese Giftmischer von Vita Magica ja bewiesenhaben kann das schneller anders werden als mir lieb ist." Dem konnten Julius und Aurora nicht widersprechen.

Um halb zwölf landete Brittany Brocklehurst mit ihrem Sohn Leonidas vor dem Apfelhaus. Sie begrüßte Aurora Dawn, die sich in der Zwischenzeit die Gartendekoration erklären ließ.

"Super, zwei Heilerinnen auf einmal, die mir gleich einen erzählen werden, wie ich Leo anständig füttern muss", grummelte Brittany, als sie mit Julius ins Haus ging, um ihren Sohn im Babywarteraum abzulegen, wo nun neben Rosey und Clarimonde auch die drei kleinen Merryweathers in mitgebrachten Bettchen schliefen. "Huch, deine Mutter hat die unbeaufsichtigt hiergelassen?" fragte sie Julius leise.

"Béatrice hat sich lange mit ihr unterhalten und Sandrine ist auch schon da. Die kennst du ja auch noch."

"Verstehe, die unfreiwillig Zusatzgepäck von Martinique mitgebracht hat", sagte Brittany. "Mittlerweile meinen viele in VDS, dass Eartha Dime doch mehr mit dieser Neujahrsparty zu tun haben könnte als sie bisher zugeben will. Aber dass sie in der Gefangenschaft der schwarzen Spinne, wo sie und ihre Mutter gewesen sein wollen zwei Babys zum tragen bekommen haben soll glaubt ihr mittlerweile keiner mehr, weil ja dann auch dieser Spinnenorden mit VM kungeln müsste."

"Das können wir mit absoluter Sicherheit ausschließen, Britt", sagte Julius und erwähnte, dass die Anführerin der Spinnenschwestern garantiert Sardonias Idee von einer freien Hexenwelt verfolge und was Vita Magica anstelle Hexen ja zu Zuchtvieh degradiere."

"Genau das haben die meisten Fachleute auch gesagt, dass eure Sardonia diese Gangsterbande mit Stumpf und Stiel ausgerottet hätte. Dass nun ausgerechnet da, wo dieses Mörderweib mal geherrscht hat jetzt an die dreihundert Hexen neue Kinder austragen müssen, die sie nicht unbedingt aus Liebe empfangen haben dürfte deren Anhängerinnen noch wütender machen." Julius konnte ihr da noch rechtgeben. Wehe einem von denen, wenn er oder sie erwischt wurde, zumal ja auch noch andere dunkle Hexen- und Zaubererordenunterwegs waren.

"Solange keine von euch beiden mir eine schriftliche Weisungsbevollmächtigung von meiner Hebamme zeigt lehne ich jede Diskussion oder Anweisungen über die Nahrungsversorgung meines Sohnes ab", sagte Brittany, als Aurora und Béatrice gleichzeitig in der unteren Küche erschienen, wo Brittany ihr veganes Festtagsmenü zusammenkochuspokussen wollte.

"Wir sind nicht die residenten Heilerinnen von Millemerveilles", sagte Aurora. Béatrice schüttelte jedoch den Kopf mit dem rotblonden Schopf und ergänzte: "Ich bin seit gestern offiziell und ganz ordentlich bis April 2004 beigeordnete Heilerin von Millemerveilles, solange ich die Patienten meiner Stammresidenz noch mitbetreuen kann. Und was die Anweisung angeht, denke ich eher, dass Madame Matine, die nachher auch noch zur offiziellen Willkommenszeremonie dazukommt, locker so eine Anweisung von deiner Hebamme erhalten kann, Brittany. Wir wollen auch keinen Streit mit dir haben. Ich denke zumindest, dass du gelernt hast, wie du deinen Sohn so ernährst, dass ihm nichts fehlt. Aber du bist auch für seine Ernährung verantwortlich, solange er sich nicht selbst was zu essen beschaffen kann. Das ist das, was ich dir als wie erwähnt offiziell bestätigt beigeordnete Heilerin von Millemerveilles sagen kann, darf und muss."

"Wenn ihr keinen Streit mit mir haben wollt ist gut. Ich möchte auch keinen Krach mit euch oder der Heilermatriarchin von Millemerveilles. Die will wegen der paar Tage, die ich hier bin auch keinen Krach mit mir, wo die im nächsten Jahr viel mehr als genug Hexen beraten darf, wie sie die ganzen Kinder satt und gesund halten können. Wenn wir uns darauf verständigen habe ich von mir aus keine Probleme. Abgesehen davon habe ich eine vegane Alternative zum NLT gefunden. Das heißt, ich könnte Leo im Beddarfsfall noch die nächsten Jahre mit Eigenmilch als Beimischung versorgen und werde das wohl auch so machen, damit meine hauseigene Hebamme mir nicht jedesmal einen Vortrag über tierische Eiweiße und Fette und dieses B12-Vitamin hält, das früher aus getöteten Walen herausgewonnen wurde. Ich lese mich durch alle magische und nichtmagische Fachliteratur."

"Ist vernünftig", sagte Aurora. "Bei uns unten drunter sind auch mehrere vegane Hexen und Zauberer gemeldet, die nur Heilmittel aus tierproduktfreien Zutaten haben wollen, solange sie das noch mit eigenen Worten bestimmen können", sagte Aurora Dawn.

"Bringt euch bestimmt auch neue Erkenntnisse", sagte Brittany.

Um halb eins trafen sich alle Hausgäste und die Gastgeber unter den Bunten Sonnenschirmen im Garten. Trotz des künstlichen Schattens drückte die Sommerhitze doch gut auf Körperkraft und Appetit. Deshalb waren alle heilfroh, nur Gaspacho und geröstetes Brot zu essen. Die wirklich heftigen und deftigen Sachen würde es erst um achtUhr abends geben.

"Wir in Australien haben zwar die heißesten Sommer überhaupt, aber mal in Europa zu sein, wo es einen solchen Sommer gibt ist auch interessant", sagte Aurora Dawn und gab ihrer offiziellen Ziehtochter Rosey ein in Kokosmilch eingetunktes Stück Toastbrot zu mümmeln.

Um die Mittagshitze nicht zu lange aushalten zu müssen zogen sich alle nach dem leichten Mittagessen ins Haus zurück. Die schon eigenständig lauffähigen Kinder genierten sich nicht, sich nackig auf die Bänke im Empfangssaal zu legen und dort zu schlafen. Julius streckte sich ebenfalls auf einer Bank hin, während Millie die kleine Clarimonde versorgte.

Gegen halb fünf nachmittags trafen die ersten anderen Gäste ein, darunter auch die Dusoleils und die Brickstons. Hera Matine hatte es beim Dorfrat durchgebracht, dass Catherine, Joe und ihre nun drei Kinder auf Jeannes Flugteppich mitfliegen durften, auch wenn Joe eigentlich kein magisches Fahrzeug benutzen durfte. Aber bei dieser Hitze sollte niemand länger als nötig laufen müssen, so die Heilerin. Abgesehen davon galt Joe ja zumindest wegen seiner Familienverhältnisse als Teilmitglied der magischen Welt.

"Ui, schon so viele Zaubererweltkinder da", sagte Jeanne zu ihrer erstgeborenen Tochter Viviane, bevor sie die Hausherrin fragte, wo sie ihren jüngsten Zuwachs hitzefrei unterbringen konnte. "Ja, dein Junge sieht aber auch schon sehr gut ernährt aus, Brittany", lobte Jeanne Leonidas Andronicus Brocklehurst.

"Ja, trotz der Unkenrufe meiner eigenen Hebamme", meinte Brittany dazu.

"Echt draußen feiern?" fragte Joe, der merkte, wie ihm die Sommerhitze auf die Kondition schlug. "Nicht dass Catherine vor Hitze einen Kreislaufzusammenbruch kriegt, wo Justin gerade erst vor anderthalb Tagen zur Welt kam.

""Mach dir bitte um mich keinen Kopf, Joe", erwiderte Catherine darauf.!

"Also, wenn wir in Paris die Ankunft von ihm feiern buche ich uns einen Eiskeller", sagte Joe dazu. "Gib das Meckern dran oder lass dich von Hera mit unseren Neuen hier großziehen", hörte Julius Catherine noch warnen. Das ließ Joe schlagartig verstummen.

"Also diese fliegenden Gießkannen sind voll genial, Florymont", lobte Otto Latierre, der mit seiner Frau Josianne und den gemeinsamen Kindern per Flohpulver angereist war.

"Das sind im Grunde die von mir aus Altmetall und Restholz gebauten Bestäubungshilfen, um die Bäume hier zu beglücken, Otto. Aber ich habe die gleich nach dem Verschwinden der Dämmerkuppel in fliegende Gießkannen mit Wassernachfüllbezauberung umgewandelt. Wir müssen nur aufpassen, dass die den Farbensee nicht leerpumpen, um keinen Krach mit den darin wohnenden Wasserleuten zu kriegen."

"Und euren Dorfteich habt ihr auch wieder hingekriegt?" fragte Julius' Schwiegervater Camilles Ehemann.

"Ja, haben wir wieder. Der Rat hat beschlossen, dass der Teich wieder sein soll. Und da, wo andere Teile der Kraftquellen waren kommen Bäume hin, die richtig hoch und richtig breit wachsen können."

"Ja, und das ist dann meine Zuständigkeit", sagte Camille stolz.

Immer mehr Gäste erreichten das Apfelhaus, die Latierres aus dem Sonnenblumenschloss, ebenso wie die Porters, Watermelons, Michael und Prudence Whitesand mit ihren beiden Kindern, und Fieldings. Dann trafen noch Apolline und Gabrielle Delacour ein, Apolline in Vertretung ihrer Mutter, und Gabrielle, weil Julius sie eingeladen hatte. "Pierre wird erst mit mir durch die Zaubererwelt verreisen dürfen, wenn ich mit ihm verheiratet bin", stellte Gabrielle fest und musste sich anstrengen, sich nicht zu sehr in das in ihr aufkommende Gefühl zu verlieren. Apolline sah auch so aus, als wenn sie gerade ein sehr beglückendes Erlebnis habe. "Ich verstehe, warum meine Mutter in dieser starken Aura ... Ui, wenn ich nicht aufpasse schrei ich gleich alles vor Glück zusammen", stöhnte Apolline Delacour.

"Wie heißt der Kleine? James Tiberius?" grinste Babette und wandte sich ihrem Vater zu, um ihm Olivia Fieldings kleinen Sohn vorzustellen. Tom Fielding sagte zu Babette auf Englisch: "Das ist auf meinem Mist gewachsen, auch wenn die Namen sich anders herleiten. Aber irgendwie war mir und Livy danach."

Die ersten Babys begannen zu quängeln, weil es so laut und so heiß um sie war. Bald setzte ein lautes Schreikonzert ein, dass viele genervt die Hände an die Ohren legen ließ und andere, vor allem die stolzen Mütter, höchst erfreut lächeln ließ.

Julius wartete, bis alle mitgebrachten Säuglinge und Kleinkinder sicher im sich selbst temperierenden Haus verstaut waren und sich endlich beruhigten. Dann trat er vor seine Gäste und ergriff das Wort.

"Hallo zusammen. Ich freue mich sehr, dass ihr alle es einrichten konntet, heute zu millie und mir hinzukommen, um mit uns allen die Ankunft unserer dritten Tochter Clarimonde Esperance zu feiern. Dass sie jetzt bei uns ist zeigt, dass es trotz aller Sachen, die wir im letzten Jahr erleben mussten, immer noch weitergeht. Ich freue mich vor allem, dass wir, also meine Frau, Clarimonde und ich, zusammen mit Jeanne, Bruno und ihrem Sohn Bertrand, mithelfen konnten, die im April durch eine immer noch zu klärende Woge dunkler Zauberkraft verfremdete Kuppel Sardonias zu entkräften, so dass wir hier und heute alle in Freiheit und ohne Angst vor der dunklen Macht Sardonias zusammenkommen konnten. Wie sehr Clarimonde Sardonias Kraft niedergekämpft hat wäre eine lange Geschichte. Sicher ist jedoch, dass meine Frau und ich sehr stolz sind, dass wir mithelfen konnten, dass Millemerveilles wieder ein freier Ort wurde.

Ich freue mich auch, Monsieur Justin James Brickston bei uns begrüßen zu dürfen, der es noch rechtzeitig hat einrichten können, zu uns auf die Welt zu kommen, um gleich am ersten Tag nach seiner Ankunft einige der Leute kennenzulernen, mit denen er in elf Jahren zusammen eingeschult werden wird. Noch einmal von uns aus unseren herzlichen Glückwunsch, Catherine und Joe, aber auch Babette und Claudine, die keine Angst hatten, die Ankunft ihres ersten Bruders mitzuverfolgen.

Ich freue mich auch, Kinder aus anderen Ländern hier zu sehen, wie die kleine Rosey Dawn oder den strammen Burschen Leonidas Brocklehurst. Dass ich selbst im letzten Oktober auf einen Wurf drei Geschwister bekommen habe muss ich mir zwischendurch immer wieder klarmachen. Auch an ihnen ist zu sehen, dass das Leben weitergeht.

Ich weiß, dass es bei solchen Gelegenheiten oft gemacht wird, einen Zeremonienmagier dazuzubitten. Doch wir können das auch aus eigener Kraft. Darum möchte ich dich, Mildrid, bitten, unseren neuen Schatz ans Licht der hier vertretenen Öffentlichkeit zu tragen."

"Kein Thema, Herr Zeremonienhilfsmagier", lachte Millie und ging ins Haus. Nach nur einer Minute kam sie mit einem kleinen Bündel Menschenleben auf den Armen zurück. Die kleine Clarimonde breitete ihre Arme aus, als wolle sie alle hier segnen. So sah Millie gerade aus wie eine römisch-katholische Madonnnenfigur mit Jesuskind. Doch das wollte Julius ihr garantiert nicht sagen. Millie rief der in einer sicheren Stellung schwebenden Zauberkamera, die sie zum siebzehnten Geburtstag bekommen hatte zu, zu fotografieren. Dann sagte sie: "Meine lieben Gäste, Freundinnen und Freunde, Anverwandte, Nachbarinnen und Nachbarn, ich bin stolz und glücklich, euch zu präsentieren: meine und Julius' dritte Tochter, Clarimonde Esperance Latierre. Schön, dass du bei uns bist." Alle anwesenden klatschten nunBeifall. Das brachte Clarimonde zum weinen und dann zum schreien, worauf wieder alle im Haus abgelegten Babys zu plärren begannen. So musste Millie ihre letzten Worte laut rufen: "Sie ist bereit, von jedem hier seine oder ihre guten Wünsche für ihr hoffentlich langes und abwechslungsreiches Leben entgegenzunehmen!" Mit diesen Worten legte sie Clarimonde in die blütenweiße Wiege, die extra dafür im großen runden Empfangs- und Tanzraum im Erdgeschoss aufgestellt worden war. Nun bildeten sich lange Zweierreihen, wobei die direkten Verwandten zuerst an der Wiege vorbeischreiten durften. Natürlich kamen zuerst Ursuline Latierre mit ihrem zweiten Mann als stolze Urgroßeltern. Dann kamen die stolzen Großeltern der neuen Erdenbürgerin und danach alle blutsverwandten oder eingeheirateten Onkel, Tanten, Vettern und Basen, wobei Brittany es sich nicht nehmen ließ, noch vor Callie und Pennie hinter Béatrice Latierre herzugehen, die von der Größe her gleichlagen, nur dass Béatrices Haar rotblond und das Brittanys weizenblond war. Erst als alle direkten und verschwägerten Verwandten diesen an eine erfreuliche Umkehrung eines Beerdigungsmarsches erinnernde Prozession vollendet hatten kamen die Nachbarn, Freunde und deren Ehepartner und Kinder. Auch hier tratendie ältesten zuerst auf, wie die Schwestern Madeleine und Blanche, Eleonore Delamontagne und dann Patricia Redlief. Als dann alle Freunde der Eltern und Nachbarn der Familie ihre leise geflüsterten Wünsche in die Wiege gesprochen hatten ging es wieder hinaus in den Garten. Die brütende Sommerhitze hatte ein wenig nachgelassen. Jetzt zeigte sich, dass die aufgebauten Sonnenschirme einen zusätzlichen Abkühlzauber ähnlich einem Ventilator besaßen. So konnten die Gäste sich an den aufgestellten Tischen zusammensetzen, wobei sich Interessengruppen bildeten, die über jeweilige Lieblingsthemen oder Fachgebiete sprachen.

Gegen halb sieben feuerten Julius und andere vier große Grills an. Auf einem davon konnte Brittany ihr reinveganes Grillgut aus Paprika, Zucchini und anderen Gemüsesorten rösten, während auf den drei anderen Würstchen, Fleischspieße, Steaks und Frikadellen gegrillt wurden. Madeleine stellte sich zu Brittany an den Gemüsegrill und half ihr beim völlig tierproduktfreien Würzen von Kartoffeln oder Maiskolben.

"Und der ganz kleine Bruder von Babette ist echt gestern zur Welt gekommen?" wollte Pina von Julius wissen, als sie mitbekam, dass ihre Schwester und Tom sich gut mit Joe Brickston und den Whitesands unterhielten. "Die Dame da drüben im rosaroten Heilerumhang hat mich sogar angefordert, weil ich schon Erfahrungen mit Geburtshilfe habe. Deshalb habe ich das wortwörtlich hautnah mitbekommen", sagte Julius. "Na ja, jetzt hat Babette auch einen kleinen Bruder."

"Na ja, ob ich sowas auch noch mal haben möchte weiß ich noch nicht", erwiderte Pina mit gewissem Unwillen. Julius fragte sie daraufhin, ob ihre Mutter gerade in der Richtung was angedeutet habe. "Na ja, sie ist als junge Witwe mit zwei erwachsenen Töchtern noch nicht vom Markt weg. Aber im Moment sucht sie niemanden, und das vielstimmige Babygeschrei hat ihr wohl heute klargemacht, dass sie das im Moment auch nicht braucht. Und ich möchte im Moment auch noch keine Babys", sagte Pina, wobei Julius durchaus heraushörte, dass sie gerne Kinder mit ihm gehabt hätte, das aber eben nicht hatte sein sollen. "Ich soll euch auch schön von Mel grüßen. Leider hat ihre Chefin Madam Helianthus sie nicht freistellen wollen, wohl auch wegen dem, was in Europa mit dieser Vita-Magica-Bande so los ist. "Aber sie möchte gerne nach Ende ihres Praktikums zu euch kommen und sich alle drei Kinder ansehen."

"Und warst du noch mal bei deiner Patentante?" wollte Julius wissen. "Der geht es auch noch gut, zumal Gilbert auch zwei kleine Schwestern bekommen hat, Ophelia und Titania."

""Ui, hat sie während der Schwangerschaft alle Shakespearestücke auswendig gelernt?" fragte Julius. Pina lachte glockenhell und meinte, dass Prudence sie das auch schon gefragt habe.

"Schön, dass ihr Titonus und mir schon mal vorführt, wie schön aber auch anstrengend das ist, mehrere eigene Kinder zu haben", sagte Melanie Chimer, als Julius in die nähe einer Gruppe aus jungen Ehepaaren kam. Julius meinte dazu, dass sie doch genau durch die Heirat den Eindruck bekommen habe, was viele Kinder auf einmal so bedeuten konnten.

"Millie meinte gerade vorhin, ihr wolltet mindestens noch vier dazukriegen", sagte Leonie Arbrenoire, die da selbst gerade auf Nachwuchs wartete. "Vielleicht lassen wir uns jetzt ein wenig mehr Zeit. Drei so kurz hintereinander ist doch ziemlich anstrengend, haben Millie und ich erkannt. Andererseits ist das für Aurore und Chrysope schon gut, dass sie nicht so weit auseinander sind wie Millie und Miriam oder ich und die drei kleinen Merryweathers."

"Mit denen hast du doch nicht viel zu tun, oder?" wollte Olivia wissen. Julius erwiderte, dass er einerseits schon froh war, nicht zu nahe bei ihnen zu wohnen, aber andererseits schon kapiere, dass das seine Geschwister seien und er doch mitbekommen wolle, wie die sich entwickelten, auch und vor allem, weil das für ihn eine ganz ungewohnte Lage sei.

"Ich bin auf jeden Fall froh, dass Prue und ich uns auf zunächst mal zwei Kinder geeinigt haben, auch wenn sie gerne noch eine kleine Pullerprinzessin hätte wie deine Rorie oder eben die kleine Clarimonde", meinte Michael Whitesand. Seine Frau stupste ihn an und sagte: "Kriegst du es jemals hin, meinen schönen Vornamen nicht yankeemäßig runterzukürzen. Ich sag ja auch nicht Mike oder Micky zu dir."

"Wie war das bitte?" fragte Melanie Chimer Prudence. "Ui, dünnstes Eis mitten im Hochsommer", warnte Julius und sagte, dass Prudence wie die meisten in England großgewordenen ganz Nordamerika den Yankees zuordne, wo die in den Südstaaten sich nicht dazu zählen lassen wollten, weil die gegen die Nordstaatler den Sklavenbefreiungskrieg verloren hatten.

"Ja, ganz genau, Julius", griff Prudence seine Bemerkung auf. "Will ich auch meinen, wo meine Gran Jane aus New Orleans kam und meine andere Gran Pat aus Alexandria, Virginia", erwiderte Melanie und deutete auf Titonus. "Seine Großeltern stammen aus New Mexico. Also alles Südstaatenerbgut."

"Soso", grummelte Michael Whitesand. Julius ahnte, dass er gleich "Sklavenhalter" oder sowas sagte, doch offenbar fiel ihm da auf, dass Mels Mann selbst afrikanische Vorfahren haben musste, also Nachfahre der ehemaligen Sklaven sein musste. So entspannte sich die Lage, bevor sie zu einem wilden Streit ausarten konnte.

Julius und Millie machten ähnlich wie bei den Eauvives im Château Florissant bei Familienzusammenkünften die Runden um die Tische. Von besagter Familie war Clémentine Eauvive hergekommen, um zum einen die Großheilerin Antoinette zu vertreten, die wegen der anstehenden Geburten in Millemerveilles die Heilerinnen neu zuteilte und zum anderen, weil sie sich mit Béatrice Latierre darüber verständigen wollte, wie ihr Einsatzgebiet mit dem von Béatrice zusammenfallen konnte, solange Béatrice in Millemerveilles blieb.

"Und ihr habt es jetzt sozusagen amtlich, dass wegen der Aufladung eures Schutzzaubers kein Computer mehr auf eurem Grundstück geht?" wollte Julius Mutter von ihm wissen.Er bestätigte das erwähnte aber, dass er sich da schon mit Laurentine abstimmte, dass die einen Zweitrechner bei sich unterstellte, an den nur er rangehen sollte.

"Ja, das klingt vernünftig, zumal Laurentine DSL hat und das immer noch schneller als die Satellitenfunkstrecke ist, von der Flatrate ganz zu schweigen, die einem unbeschränkten Datenverkehr zum festen Preis im Monat sichert. Dann kläre ich das mit ihr und Joe, wo noch ein Anschluss hinpasst, an dem du einen eigenen Rechner hängen kannst. Dann musst du aber noch mehr aufpassen, dass du dich mit Millie nicht zu sehr auseinanderlebst. Ich meine, ich bekomme das ja auch bei mir mit, dass Zeiten am Rechner sehr schnell in Stunden ausufern können. Wo die drei Kleinen ausschließlich meine Milch bekommen haben habe ich echt gedacht, die seien nimmersatte, die kaum dass sie fertig wären wieder Hunger hatten, bis ich gemerkt habe, dass zwischen den Stillzeiten ganze Stunden vergangen sind. Na ja, Lucky toleriert das noch. Aber ich denke, wenn die kleinen anfangen herumzukrabbeln und zu laufen will er die nicht alleine um sich haben."

"Ja, aber du kannst sie jetzt für Stunden unbeaufsichtigt lassen?" fragte Julius. "Das haben mich alle hier gerade herumlaufenden Heilerinnen von Aurora Dawn bis rauf nach Hera Matine auch schon gefragt. Ich habe das schon gemerkt, dass ich wie eine aufgescheuchte Glucke reagiert habe, die hinter jedem Busch einen Fuchs vermutet hat. Dabei ist mir dann klar geworden, dass das auch eine Auswirkung dieser Droge ist, die Lucky und mich derartig zueinander hingetrieben hat. Mittlerweile haben sie in den Staaten einen Trank, der diesen schon paranoiden Drang, die eigenen Kinder vor allem und jedem zu schützen soweit herunterregelt, dass nur die "natürlichen" Mutterinstinkte greifen. Sandrine interessiert sich auch für dieses Verfahren. Hera Matine wird das wohl über Antoinette an meine spontane Hebamme Eileithyia Greensporn weitergeben, dass auch hier in Europa Bedarf besteht. Und jetzt, wo das mit den Überschallzeppelinen wieder eingerichtet ist könntet ihr auch zeitnah an die entsprechenden Stoffe kommen."

"Ich gönne dir die drei ganz gerne, Mum. Aber damals im Krankenhaus hatte ich schon Sorgen, du könntest jeden in der Luft zerreißen, der die drei nur falsch anniest. Als dann noch Venus ihre kleinen Schwestern vorgezeigt hat warst du ja echt aus der Spur. Gut, würde ich auch nicht wollen, dass jemand meine Kinder einfach so herumzeigt, ohne mich zu fragen."

"Das war wohl auch ein Grund, warum die Heiler in den Staaten so hinterher waren, diese Helikopterwut zu dämfen."

"Häh?! Helikopterwut?" wollte Julius wissen.

"Stimmt, den Begriff kennst du vielleicht noch nicht. Eltern, die überfürsorglich und immer darum bemüht sind, ihre Kinder unter Aufsicht zu haben, werden als Helikoptereltern bezeichnet, eben wie Überwachungshubschrauber, die über einem Gebiet kreisen."

"Stimmt, das Bild leuchtet mir ein", sagte Julius.

"Jedenfalls komme ich mit Lucky jetzt auch wieder besser klar, seitdem ich diese Überbehütsamkeitsabbautherapie gemacht habe", sagte Martha Merryweather.

"Das beruhigt mich sehr, Mum. Wie gesagt gönne ich dir und Lucky alles Glück, dass ihr zusammen haben könnt und wenn da ein oder zwei Kinder zugehören auch. Gut, jetzt sind es drei auf einmal geworden. Aber zumindest müsst ihr euch wegen denen nicht zerstreiten. Abgesehen davon gefällt mir das immer noch, Brittany als Cousine zu haben."

"Die kämpft auch noch immer gegen die Ansichten der Heilerzunft an, Kinder könnten nicht vegan großgezogen werden. Ich kann ihr da leider auch nicht beipflichten, weil das Thema in den magielosen Nachrichten auch immer wieder sehr kontrovers diskutiert wird, von wegen Tierwohl über Kindeswohl oder lieber glückliche Kühe als gutgenährte Kinder und umgekehrt natürlich. Das ist gerade das beängstigende und faszinierendste zugleich an den Staaten, dass da so viele Ansichten und Ideen nebeneinander existieren. Gefährlich wird es aber dann, wenn der respektvolle Austausch von unterschiedlichen Meinungen wegbrechen sollte und sich Fronten verhärten. Ich bin gerade dabei, über die Auswirkungen von Freundschaftsplattformen im Internet zu recherchieren und werde da wohl auch eine für Minister Buggles verwertbare Abhandlung im Bezug auf die Auswirkungen auf die magische Welt schreiben. Ich sorge mich aber schon darum, dass es demnächst Meinungsfestungen im Internet gibt, wo nur bestimmte Ansichten zugelassen werden und es keine Diskussionen und keine Kompromisse mehr gibt. Falls irgendwelche Hauruck-Patentlösungsanbieter oder fremdenfeindlichen Leute diese Lage ausnutzen könnte die von mir gerade so hochgelobte Meinungs- und Ideenvielfalt schädlich werden. Aber ich wollte dir nicht ausgerechnet heute eine derartige Schreckensvision vorsetzen. Ich bin wohl zu heftig in meinem Beruf drin."

"Rein beruflich interessiert mich das auch, wohl auch, wenn es um Meinungsmache und Hetzkampagnen geht. Das geht uns hier in der magischen Welt auch was an, wie wir gerade in den letzten Monaten mitbekommen mussten", sagte Julius. Dann erwähnte er die Streitigkeiten in Millemerveilles wegen der Ansichten von Elsternfuß und dass es deshalb Mitbürger gab, die das Tragen von Goldblütenhonigphiolen verweigert hatten und andere auf ihre Seite ziehen wollten. "Oha, und das jetzt hochgerechnet auf ein paar hundert Millionen Meinungsverbreiter im Internet und viele schweigend mitmachende Nutzerinnen und Nutzer", sagte Martha Merryweather. "Ja, das geht uns alle unmittelbar an", fügte sie noch hinzu. Dann sprachen sie wieder von heiteren Themen, das Julius' Mutter mit ihrer neuen Familie noch einmal nach England reisen wollte, um dort einige Bekannte zu besuchen, unter anderem Glorias Familie und die Abrahams'.

Julius erwähnte, dass die Quidditchmannschaft der USA wohl auf Titelverteidiger Frankreich treffen würde. "Auch wenn die dicke Gildfork unerträglich dekadent und vulgär ist könnte sie recht haben, dass die von ihr gesponsorte Mannschaft diesmal wesentlich mehr erreichen kann", sagte Martha Merryweather. "Deshalb wollten Venus und Brittany auch nicht sofort mit den anderen dahin, zumal Venus von der Klatschpresse in den Staaten ziemlich unerhört angegangen wurde, weil Venus bei einem Interview erwähnt hat, dass Phoebe Gildfork einen zehn Jahre geltenden Keuschheitsvertrag von den nominierten Spielern und Spielerinnen verlangt habe. Darauf brachte dann eine wohl der Mannschaftsbetreuung oder dem Hauptsponsor Bronco Besen gewogener Schreiberling eine Geschichte, dass Venus unbedingt Mannschaftskapitänin sein wollte, aber dafür zu unkameradschaftlich sei, vor allem denen gegenüber, die für diese Phoebe Gildfork spielten und dass sie bei der Endausscheidung nur Platz sechzehn von zwanzig errungen habe und wohl deshalb meine, üble Gerüchte zu streuen, dass Phoebe Gildfork nur die Spieler bevorzuge, die ihrem Sinn für "schöne junge Männer" und "demütig gehorchenden Mädchen" entsprächen. Ich wollte dich mit diesem Schund nicht belästigen, zumal ich über Brittany und Dorothy weiß, wie es wirklich gelaufen ist. Venus nahm es zwar nicht so locker, wie sie von der Presse behandelt wurde, meinte aber, dass sie sich dann auch nicht weiter damit befassen müsste. Außerdem hofft sie immer noch, dass ihr Vater wiederkommt oder sie zumindest erfährt, was mit ihm passiert ist."

"Sagen wir so, er wird wohl noch leben. Aber ob er immer noch Silvester Partridge ist will ich nicht sicher behaupten", sagte Julius. Denn er vermutete, dass Silvester Partridge von Vita Magica gefangen wurde und wegen seiner dreisten Aufdeckung der Schurkerei mit dem ebenso verschwundenen US-Zaubereiminister Dime entweder wie Gérard mehrere Runden Karusselll fahren musste oder gleich in deren Rückverjüngungsstraflager eingepfercht worden war. Doch das wollte er weder seiner Mutter noch Venus Partridge aufs Brot schmieren. "Was das mit der Mannschaft angeht überlasse ich es Venus, ob sie mir was drüber erzählt oder nicht", fügte er dann noch hinzu, um das Thema erst einmal abzuschließen.

Mit Venus Partridge konnte er sich im Laufe des Abends auch noch einmal unterhalten. Hierzu gingen sie beide in sein Klangkerker-Arbeitszimmer. Sie erzählte ihm, dass ihre Mutter und sie darauf gedrängt hätten, ihren Vater nicht wie üblich nach einem halben Jahr für tot zu erklären, sondern mindestens ein volles Jahr verstreichen zu lassen, bis das geschah. Zwar gab es einige Verwandte, die gerne was erben wollten. Aber Venus und ihre Mutter hatten deutlich erklärt, dass es schwieriger sei, Silvester Partridge wieder für lebend zu erklären als noch ein Jahr zu warten. "Zumindest habe ich mich abgesichert, dass ich keine ungewollten Kinder kriege", sagte Venus. "Aber wie genau ich das gemacht habe behalte ich besser für mich. Sagen wir nur so, nur wenn ich das will, werde ich schwanger. Aber im Moment bin ich noch zu sehr mit meinem Quodpotbesen verheiratet."

"Ich hoffe für dich, dass dein Vater eines Tages wiederkommt und immer noch dein Vater und der Mensch ist, der er vorher war. Womöglich musste er sich auch nur gut verstecken und muss jetzt warten, bis deine Familie und du nicht mehr vom Ministerium oder Vita Magica ausgekundschaftet werdet, weil beide ihn zu gerne verhören oder drangsalieren wollen."

"Stimmt, das hat die gute Eileithyia Greensporn auch behauptet, dass er sich abgesetzt hat. Aber sie meinte auch, dass er was mit sich selbst angestellt hat, dass ihm trotz Heilerkenntnissen noch übel bekommen würde und dass er dadurch seine eigene Zulassung gefährdet habe. Sie wollte mir aber nicht sagen, was genau er angestellt haben soll, auch, damit ich das nicht nachmache", erwiderte Venus Partridge. Julius überlegte kurz, kam aber nicht darauf, was das sein mochte. Womöglich war das auch besser so, entschied er für sich.

"ich bin zumindest froh, dass Lino sich nicht an der üblen Schmutzkampagne beteiligt hat, die die Hauptsponsoren der Nationalmannschaft gegen mich angezettelt haben", seufzte Venus. Dann erzählte sie Julius im Schutze der Klangkerkerbezauberung, was sie davon abgehalten hatte, selbst in der Nationalmannschaft mitzuspielen.

"Also, es ging damit los, dass sich die dicke Gildfork über Gold aus der Bronco-Manufaktur die Hauptbeteiligung an der Mannschaftsausstattung und -betreuung gesichert hat. Bis dahin war ich auch noch bereit, bei der Weltmeisterschaft als Jägerin mitzuspielen. Dann zog dieses überernährte Frauenzimmer alle Aussagen von Brittany und mir aus den letzten fünf Jahren aus dem Ärmel, vor allem, dass wir die Rossfield Ravens als Schummeltruppe und im Braukessel zusammengeblubberte Bande bezeichnet haben und sie ja trotz ihrer Ansprüche, die USA zum Quidditchweltmeister zu machen, immer noch die Führung der Rossfield Ravens habe. Dann kam sie allen ernstes damit, dass wir Hexen ausschließlich vom Heilmagier der Ravens betreut würden und vor allem, dass wir klarstellten, für die nächsten zehn Jahre nichts geschlechtliches anzufangen. Die wollte das als "körperlich-seelische Exklusivitätserklärung" in den Vertrag reinschreiben lassen. Ja, und irgendwie haben die es dann gedreht, dass die Auswahlbedingungen geändert wurden und ich trotz guter Leistungen vom Platz 9 auf 16 durchgerutscht bin und sie ja nur 14 Leute mitnehmen wollten."

"Will sagen, die wollten wissen, ob du V. I. positiv bist und das bis 2013 auch bleibst", meinte Julius dazu.

"Wenn du meinst, dass alle bei der Mannschaft mitspielenden unberührt zu sein haben ist das wohl so gemeint. Jedenfalls habe ich es abgelehnt, mich vom Mannschaftsheiler der Rossfield Ravens untersuchen zu lassen. Wohl deshalb haben die was gedreht, dass ich aus der Wertung geworfen wurde. Nur leider konnte ich das nicht beweisen. Seitdem sind Melanies und Myrnas Großvater, seine Schreibknechte und -mägde und auch die Sportberichterstatter vom Westwind dazu übergegangen, mich als unverlässliche, ja unkameradschaftliche Spielerin zu bezeichnen und mir anzudichten, ich hätte wohl einen heimlichen Liebhaber, jetzt, wo ich ja eine eigene Wohnung habe und meine Eltern wegen verschiedener Dinge nicht mehr die ganze Zeit auf mich aufpassen könnten. Wie erwähnt, Lino hat bei dieser Tour nicht mitgemacht. Ich sehe es so, dass mir die dicke Gildfork eins reinwürgen wollte, weil Britt und ich die Ravens immer als Betrügerbande runtergemacht haben und ich dann auch noch die Frechheit hatte, alle Saisonspiele der letzten Jahre gegen diese Truppe zu gewinnen. Der gemeinste Schlag war der, dass mir unterstellt wurde, ich könnte ja Vita Magica unterstützen und hätte deshalb wohl was mit dem Verschwinden meines Vaters zu tun." Julius zuckte zusammen. Er sah Venus betroffen an. Darauf sagte sie mit einer beachtlichen Selbstbeherrschung: "Darauf habe ich dann Lino ein Interview gegeben und auf die Frage, welchen Grund ich hätte, gegen meinen eigenen Vater zu arbeiten geantwortet, dass ich eben keinen Grund hätte, aber sogesehen dann eher Eartha Dime verdächtig sein müsste, weil die sowohl bei der Silvesterparty vor anderthalb Jahren häufig um die später schwanger gewordenen Hexen herumgelaufen sei, nach ihrer Rückkehr aus der Geiselhaft bei wem auch immer selbst mit Zwillingen schwanger war und weil sie ja durchaus freien Zugang zu ihrem Vater hatte, um ihn für Vita Magica gefügig zu machen. Aber, das habe ich Lino so und unzweideutig nachgereicht, weil ich mir nicht vorstellen könne, wie eine Tochter ihren eigenen Vater derartig ausliefern könnte, wäre das genauso ein übler Verdacht, wie der, ich hätte was mit dem Verschwinden meines Vaters zu tun. Da Linda Knowles das Interview wortgetreu hat abdrucken lassen konnte mir Eartha deshalb nicht in den Besenschweif reinfliegen. Sie musste aber ein Interview geben, dass sie die Empfängnis ihrer Kinder nicht mitbekommen habe und daher nicht wisse, wer genau sie nun entführt habe, was ihr selbst am meisten zusetze. Jedenfalls werde ich von Eartha Dime garantiert keine Weihnachtskarte kriegen."

"Mit anderen Worten, Phoebe Gildfork hat per Gesichtskontrolle und Fleischbeschau festgelegt, wen sie in Italien dabeihaben wollte?" verkleidete Julius einen heftigen Vorwurf als Frage.

"Sagen wir es mal so, ohne die zwei kleinen Quods hier oben würde ich Gildforks Ansprüchen sicher eher entsprechen", erwiderte Venus und deutete flüchtig auf ihren Oberkörper. "Immerhin hat sie sich besonders oft diesen kleinen Wunderknaben von den Michigan Meteors angesehen, Donovan Maveric heißt er und ist erst seit einem Jahr aus Dragon Breath raus. Aber psst, nichts zu Mel und Myrna, dass ich glaube, dass die viel zu füllige Gildfork hinter jungen Zauberern her ist!" zischte Venus Partridge. Von draußen drang fröhliches Lachen der Kinder ins Haus. Julius nickte Venus zu und sagte, dass er kein Interesse habe, irgendwelche Verdächtigungen oder Gerüchte zu verbreiten. Venus nickte anerkennend. Dann meinte er noch: "Gehen wir wieder zu den anderen raus, bevor Millie noch für ihre Zeitung eine Geschichte strickt, du wolltest mich ihr ausspannen." Er grinste dabei so jungenhaft, dass Venus es nicht als ernste Vermutung ansah und selbst grinsen musste. Dann kehrten sie zu den anderen feiernden zurück.

Um die Kinder schlafen zu lassen halfen einige Gäste dabei, die Schlafräume schalldicht zu machen, aber richteten Zauber ähnlich wie elektronische Babyfone ein, damit die jungen Eltern sofort alarmiert wurden, wenn was war. Im Apfelhaus saßen sie dann noch bis Mitternacht. Die letzte Minute bis zum 20. Juli 2003 zählten sie laut herunter. Dann beglückwünschte erst Millie, dann Martha Merryweather und dann alle anderen Julius zum 21. Geburtstag. Auch Aurore, die es bis jetzt ausgehalten hatte, beglückwünschte ihren Papa. Sie stießen noch mit Champagner oder Traubensaft an und tranken auf Julius' Wohl. Millie wiederholte das, was sie jedes Jahr sagte: "Auf dein Wohl, Julius. Dank deinen Eltern, dass sie dich uns geschenkt haben!"

Um ein Uhr waren alle Gäste müde genug, um nach Hause zu gehen. Die schlafenden Kinder wurden ganz behutsam in die Tragekörbe an den Familienbesen gelegt. Am Ende blieben nur noch die Brocklehursts, Béatrice und die Hausbesitzer selbst übrig und fegten schon einmal durch den großen runden raum.

"Schon wieder ein neues Lebensjahr", meinte Julius zu Millie und gratulierte ihr noch zum Hochzeitstag. "Diesmal kam ich nicht dazu, dir noch was zu kaufen", sagte Julius.

"Bist du lustig. Du hast mir doch was viel schöneres geschenkt, was selbstgemachtes", meinte Millie und deutete auf die Wiege, in der Clarimonde friedlich schlief. Julius nickte.

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Es war wie fast in jedem Jahr. Ganz früh am Morgen sang eine Gruppe von Freunden und Verwandten dem Geburtstagskind das traditionelle Wecklied. So erging es auch Julius an seinem einundzwanzigsten Geburtstag. Zwar dämpfte der besondere Bau des Apfelhauses einen Großteil aller Außengeräusche. Doch die ihm singenden hatten das wohl einkalkuliert und ihre Stimmen verstärkt. So blieb ihm um fünf Uhr morgens nichts anderes, als die Gratulanten vor der Haustür zu begrüßen und sich mal wieder für ihren Geburtstagsmorgengruß zu bedanken.

Heute standen außer den Dusoleils die Schwestern Madeleine L'eauvite und Blanche Faucon, sowie François L'eauvite, die Schwestern Pina Watermelon und Olivia Fielding und die Schwestern Melanie Chimer und Myrna Redlief, sowie Venus Partridge vor der Tür. Wer den Text oder gar die Sprache nicht konnte hatte Schlaginstrumente dabei. Venus schlug auf einem Tamborin, Mel und Myrna hatten ein dreistufiges Xylophon zwischen sich aufgebaut, wobei Mel die Bastöne anschlug und Myrna ihre Schlegel gekonnt über die kurzen Holzstücke der höheren Töne tanzen ließ.

Als Julius sich auf Französisch und Englisch für den schönen Weckgruß bedankt hatte durfte er jede und jeden einzeln begrüßen. Dann trat Brittany Brocklehurst in einem Morgenrock aus königsblau gefärbter Grünstaudenfaser aus der Haustür, wobei sie tunlichst noch ein kleines Kästchen so stellte, dass die Tür nicht zufallen konnte. Ihre Füße waren unbedeckt.

"Ach, die Damen aus meiner Heimat haben so früh schon aus den Betten gefunden", scherzte sie, nachdem auch sie Julius zum Geburtstag gratuliert hatte. Venus und die anderen nordamerikanischen Hexen bestätigten das.

"Dann wünsche ich euch allen noch einen schönen Morgen. Wir sehen uns in zwölf Stunden zur Feier", sagte Julius. Danach kehrten Brittany und er ins Apfelhaus zurück. Brittany nahm den kleinen Kasten aus der Tür, damit Julius diese wieder verschließen konnte.

Ach, von meiner Verwandtschaft war keiner dabei?" fragte Béatrice, als sie Julius auch noch zum Geburtstag gratuliert hatte. Er verneinte es. "Ist klar, wenn Maman oder Hippolyte nicht Weckdienst machen kommt von denen keiner vor sieben aus den Federn. Apropos, du darfst dich noch ein wenig hinlegen."

"Dabei ist das jetzt gerade die beste Zeit am Tag, nicht zu kalt und auch noch nicht zu warm, und die Vögel singen alle draußen", meinte Julius. "Alles soweit richtig. Aber wenn ich dich nach dem 24. Juli wieder für voll arbeitsfähig erklären will muss ich sicher sein, dass Millie und du euch auch wirklich erholt habt", sagte Béatrice mit leiser aber klarer Unerbittlichkeit. Julius hatte es aufgegeben, mit ihr über Heileranweisungen zu diskutieren. Da war es besser, die Zeit noch zu verschlafen. Er würde auf jeden Fall noch vor zehn Uhr seine tägliche Schwermacherübung machen, um wirklich in Form zu bleiben.

Millie bestätigte ihm noch, dass das mit ihren Verwandten stimmte und sie ja als zweite Tochter Hippolytes immer früh genug aus dem Bett gescheucht worden war und daher ihren Tagesrhythmus verinnerlicht hatte. Dann kuschelten die beiden Eheleute sich aneinander. Julius dachte noch daran, dass außer ihm noch die kleine Selene Hemlock an diesem Tag Geburtstag feierte sowie eine der Zwillingsschwestern Lea Drakes. Dann schlief er wieder ein.

Um acht Uhr morgens weckte ihn sphärische Musik und ein unterdrücktes Grummeln, dass wohl ein verhindertes Muhen sein sollte. Dann legte auch noch die Kombo der von Claire Dusoleil damals gemalten Musikzwerge los. Also konnten die Latierres jetzt auch aufstehen. Dabei bekam Julius heraus, dass die Sphärenmusik aus einem kleinen Musikfass stammte, das Béatrice aus ihrer kleinen aber offenbar unendlich viel fassenden Umhängetasche hervorgeholt hatte. Die Sphärenmusik stammte von einem Musikzauberer aus dem 18. Jahrhundert, der die Elementarkräfte von Wind und Wasser, sowie die zunehmende Kraft eines Sonnenaufgangs in Töne fassen wollte und sie auf bezauberten Glasharfen und mit Selbstspielzaubern belegten Streichinstrumenten aufgeführt hatte. Die Aufnahme von Béatrice stammte aus dem Jahr 1920 und war laut Angaben über die Musiker unter anderem von einem Urgroßvater der legendären Musikhexe Hecate Leviata mitgespielt worden.

Wie er es beschlossen hatte machte Julius mit dem ihm von Barbara damals noch Lumière geschenkten Schwermacher seine Morgenübungen im Freien, wobei ihm Brittany Brocklehurst und Millie Gesellschaft leisteten. Danach versorgte Millie Clarimonde und kam dann zum Frühstück.

"Früher war die Einundzwanzig die Volljährigkeitsgrenze, wegen drei mal sieben", sagte Julius beim Frühstück. In der magischen Welt galt diese Zahl auch lange als Volljährigkeitsgrenze, weil sich die ersten 21 Lebensjahre so schön in drei Abschnitte einteilen ließen. Frühekindheit von Geburt bis zur Einschulung, Der Eintritt in die Pubertät zwischen sieben und 14 und die Ausbildung der eigenen Zauberkräfte von 14 bis 21 Lebensjahren. Wer zum Hochmagier oder Magister Maximus aufsteigen wollte musste noch einmal elf Jahre dranhängen, vier Jahre Lehrzeit, sieben Gesellenjahre mit abschließender Meisterprüfung. Allerdings galt dieseLernordnung nur für Zauberer. Hexen lernten erst bei ihren eigenen Müttern und wurden drei Monate nach der ersten Regelblutung einer älteren Hexe in die Lehre gegeben, die die Junghexe dann neun Jahre lang ausbildete, drei mal drei Jahre oder so viele Jahre, wie eine Hexe natürliche Körperöffnungen besaß oder die Anzahl der vollen Monate einer Schwangerschaft. Mit den Zaubereireformen 1723, wo auch die internationale Geheimhaltung vor Nichtzauberern beschlossen wurde, galten nur noch die Schulregeln, wie sie die damals schon bestehenden Zauberinternate wie Hogwarts, Beauxbatons, Durmstrangg oder Greifennest einhielten. Das alles besprachen die Latierres mit ihren Gästen. Brittany und Linus bauten dann noch ein, dass bei der Gründung von Ilvermorny, dem ersten von mittlerweile fünf Zauberinternaten der USA, eine ähnliche Regelung getroffen war wie vor 1723, zumal dort auch Ureinwohner ihre besondere Beziehung zur Magie unterrichten oder erlernen konnten, bis dann auch in den Wirren der Vertreibung und Einpfercchung der Ureinwohner in Reservate und die Sklavenhaltung andere Interessen aufkamen und sowohl Schulen wie Dragon Breath, Mädchenschulen wie Broomswood und später noch Thorntails für beide Geschlechter gegründet wurden. Viele im 20. Jahrhundert geborenen besuchten Thorntails, weil diese Schule sich auch für die Ereignisse in der nichtmagischen Welt offen hielt, während die anderen Schulen von den Magielosen, die bis in die 1950er Jahre noch Nomajs genannt wurden nichts zu tun haben wollten.

So verging das Frühstück mit einfachen aber lehrreichen Gesprächen über die Gemeinsamkeiten und die Geschichte der magischen Welt dies- und jenseits des Atlantiks. Dann ging es wieder hinaus ins freie. Brittany hatte ihrem Sohn eine Kombination aus außen wasserdichter Windel und Schwimmweste angezogen und sah zu, wie Aurore mit ihm und ihrer Schwester Chrysope im Planschbecken herumpaddelte. "Millie, ihr seid sicher, dass in deiner Ahnenreihe kein Nöck oder keine Nixe vorkommt?" fragte Brittany, als sie sah, wie furchtlos Aurore auch schon ohne Schwimmhilfen durch das Becken paddelte. Für sie war es zwar nur so tief, dass sie nur bis zur Brust unter Wasser war, wenn sie stand. Aber offenbar hatte sie Spaß daran, sich ins Wasser zu legen.

"Also, meine Großmutter väterlicherseits ist eine reinrassige Zwergin. Das sieht man meinen Schwestern und mir nur nicht an, weil die Ururgroßmutter meiner Mutter eine reinrassige Riesin war. Das habe ich aus unserer Familienchronik", sagte Millie.

"Ja, und ich hatte eine Schulheilerin von Hogwarts in der Ahnenlinie und von den Eauvives her mehrere Heilerinnen und Thaumaturgen, aber keinen reinrassigen Fischmenschen", erwiderte Julius.

"Ich meinte nur, weil eure Prinzessin Morgenrot schon so gut schwimmen kann wie ich erst mit fünf, wo meine Eltern mich schon mit zum Meer genommen haben."

"Eh, kuck mal, jetzt lädt sich Rorie auch noch Leo auf den Rücken", sagte Linus. "Rorie, dder ist noch zu schwer für dich!" rief Julius. Doch Aurore hörte offenbar nicht. Sie trug ihn wie ein Hund durchs Wasser paddelnd, bis sie dann doch unterging. Julius war sofort am Beckenrand, um seiner Tochter beizustehen. Da drehte sie sich unter dem nun wieder in seinem Schwimmanzug treibenden Leonidas weg und tauchte auf. Sie schüttelte ihr langes rotblondes Haar aus wie ein nasser Hund und sagte: "Leo ist schwer."

"Will ich wohl hoffen", sagte Brittany grinsend, während Julius nicht wusste, ob er seine Tochter jetzt ausschimpfen oder bewundern sollte. Er entschied sich dafür, "Habe ich dir gerade gesagt", zu sagen und keine große Tirade vom Stapel zu lassen. Millie, die dem ganzen zugesehen hatte trug auch nur einen Badeanzug, der schon einem Bikini ähnelte.

"Bei den Magielosen ist es ein echter Trend geworden, schon Babys zum schwimmen zu bringen", sagte Julius, nachdem er sich von dem leichten Schrecken erholt hatte, den Aurore ihm bereitet hatte.

"Die Angst vor Wasser ist ja auch nicht unbedingt angeboren, weil wir alle ja über neun Monate unter Wasser gelebt haben, wenn wir da auch keine Luft holen mussten", dozierte Béatrice, die ebenfalls im Badeanzug bereitstand, allerdings in der bei Hexen üblichen Version mit halblangen Ärmeln und Beinen.

So passierte es mit zunehmender Tageshitze, dass alle Gäste aus dem Apfelhaus im Planschbecken saßen. Nur einmal musste Julius Aurore doch ausschimpfen, weil sie mal eben ins Wasser gepieselt hatte. Deshalb mussten sich alle gegenseitig mit Wasserstrahlen aus den Zauberstäben abspritzen und Béatrice sauberzauberte das entwässerte Becken blitzblank, bevor die erwachsenen Hexen und Zauberer das Becken mit kalten Wasserstrahlen wieder volllaufen ließen. "Das Becken ist kein Klo, Rorie. Oder willst du im Pipi von anderen herumschwimmen?" sprach Julius in einem ernsten aber leisen Ton mit seiner ersten Tochter. Rorie schüttelte sich. "Na siehst du?" sagte er noch. "Wenn du musst musst du raus und kriegst so Schwimmwindeln an wie Leo und Chrysie. Dann bist du aber noch kein großes Mädchen, wenn du das brauchst." Rorie grummelte und nickte dann verdrossen. Dann wuselte sie schnell hinter Leonidas her, der ihren Spielzeugbesen entdeckt hatte und darauf zukrabbelte. Brittany war jedoch schneller bei ihrem Jungenund hob ihn mal eben vom Boden. Deshalb fing Leonidas zu plärren an, weil er nicht mehr krabbeln durfte. Aurore sah die ganz große Schwiegerverwandte mit den weizenblonden Haren an und hängte sich einfach an ihr rechtes Bein und ließ sich von ihr mitziehen. "Das kannst du jetzt den halben Tag machen, Britt", meinte Julius nun Französisch sprechend. "Weiß ich, habe ich schon mit Larissa Swann gespielt, bis ich sie auch mal aufgehoben und mehrmals in die Luft geworfen habe. Aber das konnte die auch gut ab."

"Das machst du aber bitte nicht mit meiner Großnichte", schritt nun Béatrice ein. "Mir hat es schon gereicht, als mein werter Schwager Albericus das mit Pattie gemacht und sie dabei zu hoch geworfen hat."

"Dein Schwager, der halbe Zwerg?" fragte Brittany. Millie meinte dazu, dass reinrassige Zwerge mehr als doppelt so stark werden konnten wie reinrassige Menschenmänner. "Keine weiteren Fragen, Euer Ehren", erwiderte Brittany darauf und lief, die an ihrem Bein hängende Aurore, über die Wiese. Sie reizte es aus, wie schnell sie laufen konnte, bevor Aurore mit ihren kurzen Beinen nicht mehr mithielt und nur noch gezogen wurde und staunte. "Wie macht die das?" fragte sie, als sie selbst ins Keuchen kam und Aurore laut lachend "Weiterlaufen!" rief. Millie gab ihr knallhart mit, dass Aurore beim Frühstück und Abendessen ein Glas Latierrekuhmilch bekam, die Hexen besonders gut stärkte. "Ich hätte nicht fragen sollen", schnaubte Brittany. "Unsere Kühe sind froh, dass ihre Milch noch gebraucht wird, wenn keine Kälber davon abbekommen müssen", sagte Millie noch. Béatrice meinte dazu: "Und jetzt kommt wieder, dass sie für die Milch alle zwei Jahre kalben müssen." Tatsächlich sagte Brittany, dass die Kühe aber nur solange Milch gaben, wie sie dauernd Kälber auszutragen und zu kriegen hatten. Das sei bei den Latierre-Kühen nicht anders als bei den Standardhausrindern. Béatrice und Millie grinsten sich gegenseitig an.

Wegen der nun doch sehr drückenden Sommerhitze und der auf sie niederbrennenden Sonnenstrahlen wurden zum einen die Sonnenschirme mit eingebauter Luftkühlbezauberung aufgespannt und zum anderen nur wenig zu Mittag gegessen, da es ja abends wieder was geben sollte. Millie zog sich immer wieder zurück, um Clarimonde zu stillen, die natürlich wie alle anderen bei diesen Temperaturen noch mehr Flüssigkeit brauchte. Daher hatte Millie auch eine rauminhaltsbezauberte Flasche mit Fruchtsaftschorle dabei, um selbst nicht auszutrocknen.

Als dann die Gäste von gestern zur Geburtstagsfeier für Julius kamen und diesmal weitere Geschenke mitbrachtenblieben sie gleich im Apfelhaus. Das Planschbecken deckten sie vorsorglich zu. So konnten sie im wohltemperierten Allwetterhaus aus der Zauberwerkstatt der Varancas Kaffee, Tee und Kakao und eine von Blanche Faucon und Martha Merryweather gebackene Geburtstagstorte genießen, nachdem Julius die bleistiftdünnen, elfenbeinfarbenen Kerzen ausgepustet hatte.

Nach Kaffee und Kuchen spielten die Gäste klassische Geburtstagsspiele, bei denen die etwas größeren Kinder auch gut mitmachen konnten, während die Säuglinge und Kleinkinder wieder in ihrem Gemeinschaftsschlafraum ausruhten, abwechselnd bewacht von einem der vielen jungen Elternteile. Nur Julius durfte nicht an der Wache teilnehmen, da sie ja seinetwegen alle hier waren.

Vor dem Abendessen um acht Uhr durfte Julius in die Wandelraumtruhe greifen, auf der heute sein Name und Geburtsdatum zu lesen war. Er holte wweitere Bücher für seine immer umfangreichere Bibliothek heraus, darunter die französisch-spanische Version des Sprachlernbuches von Polyglosse und Babel. "Immerhin wollen wir das ja international anerkannt hinkriegen", meinte Millie dazu. Britt fragte, ob es die für europäisches oder amerikanisches Spanisch sei. Julius schlug im Inhaltsverzeichnis nach und entdeckte ein größeres Kapitel über Vergleiche zwischen europäischem und amerikanischem Spanisch mit dem kurzen Vorwort, dass es wegen der in vielen Ländern unterschiedlichen Bedeutungen ein und desselben Wortes oftmals zu lustigen bis peinlichen Missdeutungen kommen könne. Allerdings wurde auch auf die Fortsetzung des Bandes "Viaje por Hispanoamerica" verwiesen, die für Fortgeschrittene gedacht war, die dann zwischen europäischer und amerikanischer Bedeutung eines Wortes oder eines Satzbaus unterscheiden lernen konnten.

"O, wusste nicht, dass es von denen auch ein vertiefendes Lehrbuch über europäisches Spanisch gibt", sagte Brittany. "Wir sind ja in Kalifornien näher an Tijuana in Mexiko als an Madrid in Spanien dran."

"Ich hatte erst bedenken, dass du durch ein drittes Sprachlernbuch vielleicht die exzellenten Französischkenntnisse verderben könntest, Julius. Aber dann habe ich genug Dokumentationen gefunden, die belegen, dass nach mehr als fünf Jahren mit zwei aus Sprachlernbüchern gelernten Sprachen problemlos ein drittes Sprachlernbuch mit mnemoplastischer Bezauberung benutzt werden darf", sagte Béatrice. "Außerdem machst du ja schon viele Übungen mit Millie und eurer gemalten Ausgabe von Viviane Eauvive, dass dein Sprachengedächtnis nicht davon durcheinandergebracht werden wird.

"Du weißt ja, wieso ich mal eben in einer Woche fließend Französisch gelernt habe, Tante Trice", meinte Julius. Seine Schwiegertante nickte bestätigend. "Dann verstehe ich deine Bedenken",, sagte er.

Neben neuem Futter für die Bibliothek bekam Julius noch drei feine Umhänge aus Grünstaude für verschiedene Gelegenheiten, darunter einen mitternachtsblauen für amtliche oder eher traurige Anlässe und einen grün-goldenen für fröhliche Feiern oder ihm zuerkannte Ehrungen. Diesen zog er sofort mit den dazu passenden Schuhen und dem wolkenweißen Zaubererhut mit silberner Spitze an und ließ sich von seiner Frau fotografieren, die im jadegrünen Festumhang auftrat, mit dem sie schon den Weihnachtsball in Beauxbatons besucht hatte, bei dem Aurore schon gut sichtbar in ihrem Bauch wohnte. Das erzählte sie auch, wo sie Aurore auf den Arm hob und sich mit ihr auf dem rechten Arm und Julius mit dem linken Arm umfassend fotografieren ließ.

"Wir haben in VDS auch einen genialen Grünstaudenverarbeiter", sagte Brittany. "Bei dem hat sich sogar mein Vater einkleiden lassen, nachdem er gesehen hat, dass die Fasern wirklich von Pflanzen stammen." Julius hätte fast gesagt, dass die Grünstaudenpflanzen dafür sterben mussten, um ihre Fasern herzugeben. Doch das schluckte er lieber hinunter. Hier und jetzt eine Grundsatzdiskussion über die Ansichten von Veganern und Tierproduktnutzern zu starten würde die Kinder langweilen und die Gäste verdrießen und ihm auch den schönen Abend versauen.

Wie gestern wurde auf vier Grills das Abendessen zubereitet, wobei die ausgewiesenen Küchenhexen noch leichte Knabbereien und Salate machten. Brittany lobte Madeleine L'eauvite, die einen Bunten Salat aus zu Halbmonden und fünfstrahligen Sternen geschnittenen Gemüsestücken vorbereitet hatte. Die Kinder bekamen je danach, ob sie was mit oder ohne Fleisch haben wollten auch bunte Teigbällchen mit Fruchtschaumfüllung.

Zu Klängen aus dem Musikfass durfte nach dem Essen noch erst gemütlich und dann beschwingt getanzt werden, bis die größeren Kinder Müde genug waren, um sich auf die Bänke in der Empfangshalle hinzulegen. Um Punkt Mitternacht endete die fröhliche Geburtstagsfeier.

"Ich halte das aufrecht, was ich damals, wo wir deine drei Geschwister besucht haben angedeutet habe, Monju, wenn Rorie und Leo sich weiter so gut verstehen könnten die echt heiraten. Vom Verwandtschaftsgrad sind sie weit genug voneinander entfernt um das zu dürfen."

"Dürfen wir Britt nicht aufs Brot schmieren. Die könnte von sich aus darauf hinarbeiten. Aber was Aurores Schwimmkünste angeht können wir echt bald anfangen, ihr das richtig beizubringen, bevor die doch noch im See der Farben herumzuschwimmen versucht und untergeht", sagte Julius.

"Im Moment ist sie ja offenbar mit dem Planschbecken draußen zufrieden", meinte Millie dazu. Dann kuschelte sie sich an Julius an, weil sie ihm noch einen Gutenachtkuss geben und einen solchen von ihm zurückhaben wollte. Danach drehte sie sich in ihre bevorzugte Einschlafhaltung. Julius blieb noch einige Minuten wachliegen. Er dachte an alle die Nachbarn, die vor einem Jahr noch sicher schlafen konnten, weil Sardonias Kuppel über ihnen gestanden hatte. Im Moment konnten nur die Brickstons, Camilles Familie, Jeannes Familie und er mit seiner Familie wirklich sicher schlafen. Doch er musste das Problem der anderen nicht heute lösen.

Julius wollte sich gerade in seine bevorzugte Einschlafhaltung drehen, als es in seinem Nachttisch vernehmlich summte. Er kannte das Summen. Das war einer seiner drei Zweiwegspiegel, die er im Laufe seiner Schulzeit bekommen hatte. In dem Fall konnte es nur einer sein, weil er die Besitzerinnen der beiden anderen gerade vorher noch gesprochen hatte.

Seitdem er mit einer wilden Hexe verheiratet war legte Julius seinen Practicus-Beutel immer in eine Nachttischschublade, bevor er ins Bett stieg. Nun holte er das kleine, magische Tragetäschchen aus dem Nachttisch und griff behutsam hinein. Als er den einen Spiegel zwischen den Fingern fühlte, der sehr stark vibrierte, zog er ihn behutsam heraus und hielt ihn vor sich. Er leuchtete von innen her. Schnell zog er den Bettvorhang wieder zu, um unabhörbar zu sein. Millie hatte wohl mitbekommen, dass ihr Mann sich noch mal stärker bewegt hatte und drehte sich ihm zu. "Oh neh, um die Zeit", grummelte sie. Julius nickte ihr zu und sah den von innen her leuchtenden Spiegel. Er erkannte das Gesicht einer schon älteren Hexe mit weißblondem Haar und stahlblauen Augen, die ihm durch halbmondförmige Brillengläser entgegenblickte. Das war Sophia Whitesand, Dumbledores Cousine und Grund dafür, dass er vor sechs Jahren auf die Party der Sterlings gegangen war.

"Guten Abend oder guten Morgen, Madam Whitesand", wünschte Julius und hielt sich schnell die freie Hand vor den Mund, um gesittet zu gähnen.

"Achso, bei uns ist es ja erst elf Uhr und ich hoffte, dass du noch auf bist. Aber auf jeden Fall noch von meiner Seite und allen, die du bei mir kennengelernt hast noch meinen herzlichsten Glückwunsch zur Geburt eurer dritten Tochter, Mildrid und Julius und meinen Glückwunsch zum einundzwanzigsten Geburtstag, Julius", hörten Millie und Julius die Stimme der schon über einhundert Jahre alten Hexe.

"Danke, Madam Whitesand", sagte Julius. Auch Millie bedankte sich nicht mehr so grummelig.

"Und wie ich zuverlässig erfuhr durftest du, Julius, vor zwei Tagen größtenteils eigenständige Geburtshilfe bei Catherine Brickston leisten", sagte Madam Whitesand. Julius fragte nicht erst, woher Dumbledores Cousine das erfahren hatte. Da sagte sie auch schon: "Zumindest haben sie und habt ihr eure Kinder aus freien Stücken bekommen und nicht auf Grund einer höchst fragwürdigen Weltanschauung aufgezwungen bekommen. Immerhin konnten meine Verwandten wegen der von dir und den residenten Heilern in Millemerveilles die in Italien vorgehaltenen Gästehäuser entsprechend auf die Bestandteile dieses verwerflichen Rauschgases einstimmen. Aber diese Unholde haben sich wortwörtlich auf die im freien feierlustigen Fans eingeschossen. und schafften es schon fünfmal, solche Partys mit einem zusätzlichen ... Schwung ... zu versehen, dass die Feiernden ihr restliches Leben daran zurückdenken werden."

"Ja, ich las das in einem Artikel meines Arbeitgebers, dass die Funktionäre der Mannschaften schon laut darüber nachgedacht haben, das Turnier vorzeitig zu beenden und erst dann noch einmal von vorne ausspielen zu lassen, wenn es eine völlig sichere Abwehr gegen dieses Gebräu gebe", sagte Millie.

"Tja, nur dass nicht alle Funktionäre da mitziehen wollten und es für einen solchen Beschluss Einstimmigkeit und vor allem das Einverständnis des Gastgebers benötigt", wusste Madam Whitesand. Julius und Millie grummelten verdrossen. Millie erwähnte dazu: "Und daran ist der Turnierabbruch gescheitert. Die Funktionäre der USA, Perus, Uruguays und Kenias, sowie Gastgeber Italien haben dagegengestimmt. Sie brachten vor, dass ihre Mannschaften gerade so gut dabei waren. Meine Mutter, die ja als offizielle Mannschaftssprecherin auftritt, hätte kein Problem damit gehabt, das Turnier vorzeitig abzubrechen und neu auszuspielen. Aber es gab eben keine Einstimmigkeit. Erst wenn die Mannschaften selbst beeinträchtigt würden müsste das Turnier wohl abgebrochen werden, hat sie meinem Onkel im Interview gesagt."

"Ja, und dabei sind diese Verbrecher von Vita Magica wohl nicht die einzige Gefahr für die friedliche Zaubererwelt", erwiderte Madam Whitesand. Dann legte sie auch nach. "Ihr wisst ja, dass die Erzrivalin Sardonias aus jahrhundertelangem Zauberschlaf geweckt wurde und ihren eigenen Hexenorden wiederbelebt hat, teils mit Freiwilligen, teils unter magischem Zwang. Es steht zu befürchten, dass sie vor allem in ihrer Heimat Italien bereits einige wichtige Gefolgsleute hat, vielleicht sogar schon im dortigen Zaubereiministerium."

"So schnell?" fragte Millie nicht ironisch oder abfällig, sondern durchaus ernst.

"Dein Mann wird sicher schon wissen, dass Ladonna von Veelas abstammt. Die können einige Sachen anstellen, die reinrassig menschliche Hexen und Zauberer nur in ihren Träumen oder Albträumen für möglich halten. Und falls sie wahrhaftig schon derartige Verbindungen geknüpft haben sollte wird sie es nicht bei Italien bewenden lassen", sagte Sophia Whitesand.

"Ja, sie wird auch alteingesessene Hexenorden infiltrieren", warf Julius ein. Madam Whitesands Spiegelbild nickte ihm zu. Darauf erwiderte Millie:

"Ja, aber ich kann schlecht in die Temps reinschreiben, dass Italien vielleicht schon der dunklen Hexe Ladonna Montefiori gehört. Entweder stimmt das nicht, und mein Chef und ich bekämen den größten Ärger aller Zeiten, oder es stimmt, und wir würden von dieser dunklen Dame und ihren Gehilfinnen einkassiert, bevor irgendwer anderes was gegen sie hätte tun können."

"Ich sage es euch auch nur deshalb, weil du, Julius, Veelabeauftragter bist und somit früher und mehr erfahren könntest als wir anderen, was Ladonna Montefiori plant. Und du, Mildrid, hast über deine Familie und vor allem eure sicheren Heimstätten eine Möglichkeit, einen möglichen Widerstand zu bilden, wenn diese brennende Dornenrose sich nach Frankreich ausstreckt. Ja, und auch die alteingesessenen Hexenorden müssen zusehen, nicht auch noch von ihr unterwandert zu werden, wo diese wohl schon vom Spinnenorden oder Vita Magica ausgekundschaftet werden", sagte Sophia Whitesand. Sie brauchte nicht zu betonen, dass sie selbst einem der erwähnten alten Hexenorden angehörte und das wohl in allerhöchster Rangstellung.

"Gut, wir können nichts unternehmen, solange es keine wirklich greifbaren Beweise für diese Vermutung gibt", sagte Julius. "Aber danke für den Hinweis oder die Warnung, je danach, wie sich das entwickelt."

"Du darfst ganz sicher Florymont Dusoleil ausrichten, dass er nicht nur wegen Vita Magica diese sehr brauchbaren Antiportschlüssel-Gegenstände weiterbauen mag", antwortete Sophia Whitesand darauf. Julius bestätigte das. Dann wünschten sie sich einander noch eine erholsame Nacht. Danach erlosch das Leuchten im Spiegel und Madam Whitesands Spiegelbild verschwand.

"Hätte es nicht gereicht, dir nur einfach einen schönen Geburtstag gehabt zu haben zu wünschen?" grummelte Millie. Dem wollte Julius nicht widersprechen. So blieb ihm nur, den Spiegel in den Brustbeutel zurückzulegen und sich so neben seiner Frau hinzulegen, dass er gut einschlafen konnte, bis Clarimonde sie beide wieder wachschrie.

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"Ups, die Italiener sind gegen Peru rausgeflogen", stellte Millie fest, als sie am 22. Juli die neusten Nachrichten ihres Onkels Gilbert las. "Und morgen entscheidet sich das Schicksal, wer auf den britischen Inseln die beste Quidditchmannschaft hat", meinte Julius noch dazu. Denn am 23. Juli würden Irland und England aufeinandertreffen. Irland wollte die Schmach von 1999 tilgen, und England wollte endlich mal wieder den Weltmeisterpokal gewinnen. Am Tag darauf würde es dann das Zusammentreffen zwischen Frankreich und der Mannschaft aus den USA geben.

Kurz nach dem Frühstück mentiloquierte eine bereits ziemlich angestrengt klingende Temmie: "Julius, das kleine Mädchen in meinem Bauch will jetzt doch raus. Ich stehe schon zwischen meiner Körpermutter und meiner anderen Mutterschwester. Bellona ist schon weggelaufen. Die will mir nicht ... Oh, ja, geht los. Die jüngere Barbara wird dir das sagen, wenn ... wenn es ..."

Julius sagte es Millie, dass Temmie heute, am 22. Juli 2003, doch schon das zweite Kalb bringen würde. Sie hatten sich darauf geeinigt, die kleine Latierrekuh, die Temmie vom Bullen Pericles bekommen würde, Clarabella zu nennen. Nachdem Julius Temmie und Millie vor drei Monaten erzählt hatte, dass das der einzige Kuhname war, der ihm so spontan eingefallen war hatte Millie gelacht und Temmie das sofort akzeptiert.

Julius hatte keine Zeit, darüber nachzugrübeln, wie lange Temmie für den zweiten Wurf brauchte und ob die von ihr getragene Tochter ähnlich intelligent wie sie selbst werden mochte. Denn heute sollte er mit Professeur Fixus den Atomschutzzauber über Millemerveilles erneuern. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass neben einem weitläufigen Gasschutzzauber eben auch eine Erneuerung der Abwehr von radioaktiven Stoffen in mindestens viertausend Metern Höhe stattfinden sollte.

Gegen zehn Uhr traf Julius die kleine Hexe mit den rotbraunen Locken und der goldenen Brille mit ovalen Gläsern in Madame Faucons Haus. Die zwei Beauxbatons-Hexen hatten die Gunst der Stunde genutzt, sich über das kommende Schuljahr zu unterhalten, während Babette bei den Rochers, Claudine bei den Dusoleils und die Eheleute Brickston mit dem kleinen Justin James im Musikpark unterwegs waren.

"Da sie nun nicht mehr Schüler der Beauxbatons-Akademie sind und zudem ja in viele besondere Dinge eingeweiht wurden sehe ich keine Schwierigkeiten, die Feinheiten meines damals gewirkten Verbundes aus Zaubertrank und Elementarbezauberung mit Ihnen zu teilen", sagte die Zaubertranklehrerin mit ihrer bei den Schülern gefürchteten Windgeheulstimme. Julius hatte eher reflexartig das Lied des inneren Friedens angestimmt. Deshalb wunderte er sich nicht, dass Professeur Fixus ihn immer wieder leicht irritiert ansah. Hoffentlich fiel der nicht dasselbe ein, was die Volltelepathin Lwaxana Troi einmal über Menschenmänner behauptet hatte, deren Gedanken sie nicht lesen konnte. Zumindest war er sich sicher, dass dieser Gedanke im Moment nur ihm gehörte und vielleicht noch Temmie. Doch die war ja gerade mit ganz eigenen Dingen beschäftigt.

"Auf Grundlage der von Ihnen referierten Zusammensetzungen und Eigenschaften jener Massenzerstörungsgerätschaften, die als Atombomben bezeichnet werden, wandte ich als alchemistisches Trägermittel eine Mischung aus Quecksilber und Blei im Zusammenspiel mit Gold und Silber wegen der damit verknüpften Himmelskörper Sonne und Mond an. Davon und von den mir damals anvertrauten Kenntnissen über die dunkle Beziehung der Kuppel zu den Gestirnen konnte ich die entsprechenden Zauber aufeinander abstimmen", dozierte Professeur Fixus und erwähnte dann noch, dass sie zusätzlich zu den miteinander in bestimmten Verhältnissen gemischten Metallen noch die Kräfte von Sonne, Mond, Erde und Luft ausnutzende Gebräue angemischt habe, die sie im Osten, Süden, Westen und Norden an der damaligen Kuppelgrenze aufgestellt hatte. Deren Dämpfe hatten im Zusammenspiel mit Zaubern, die bestimmte Substanzen von einem Ort verbannten die bis dahin einmalige und wohl schwer wiederherzustellende Verbannung aller radioaktiv strahlender Stoffe bewirkt und zudem einen Strahlungsabschwächungszauber über Millemerveilles ausgespannt. Zusammen mit Hera Matine und Béatrice Latierre übte Julius die entsprechenden Zauberwörter aus dem Buch "Essentia materiae" aus dem 13. Jahrhundert ein, wo ein sowohl meisterhafter Zaubertrankbrauer und Alchemist wie auch Thaumaturg namens Arearcus Selenophilos schon viele Dinge vorausgedacht und durch praktische Versuche ergründet hatte, die Physikern und Chemikern erst ab dem 17. Jahrhundert bekannt wurden. So hatte dieser bei ausgebildeten Braumeistern als Vorbild dienende Alchemist bereits die griffige These von den nur vier Elementen und der von diesen vereinten Kraft, der Quintessenz, als nicht mehr genau genug angesehen und die Luft in ihre Einzelgase aufgespalten oder erkannt, dass auf Zink gegossenes Vitriol, was heute Schwefelsäure hieß, ein brennbares Gas leichter als Luft erzeugte und dass dieses brennbare Gas, das erst für eine Essenz des Feuers wegen der brennenden Säure angesehen wurde, bei der Verbrennung zu Wasserdampf wurde. Julius erinnerte sich auch daran, dass das Buch über das Wesen des Stofflichen auch in dem Bücherangebot aus Whitesand Valley enthalten war.

Wie Professeur Fixus befürchtet hatte ließ sich der von ihr ausgeführte Zauber nicht so leicht wiederholen, da die ihn verbreitende und verstärkende Kraft von Sardonias Kuppel fehlte. So mussten sie innerhalb der nächsten fünf Stunden ein engmaschiges netz aus kleinen Zauberkesseln über Millemerveilles verteilen und die betreffenden Zaubersprüche punktgenau an Zwölf Punkten auf der ehemaligen Kuppelgrenze ausführen. Dann, gegen halb fünf, konnten alle, die sich gerade im freien aufhielten, eine kurze Kaskade aus Lichtblitzen beobachten, die sich in der Dorfmitte zu einer flackernden Lichtsäule vereinten. Dieses Spektakel dauerte eine volle Minute. Dann war für einige Sekunden eine schwache grün-blaue Dunstglocke über Millemerveilles zu sehen, bevor diese wie von den Sonnenstrahlen verbrannt verglühte. Doch in Wirklichkeit hatte die Sonne nur eines der beiden noch nötigen Bestandteile geliefert, um den Zauber gegen strahlende Stoffe und Zerfallsvorgänge zu vollenden. Jetzt fehlte nur noch eine Stunde frei auf das Dorf fallendes Mondlicht, um den Abwehrzauber wahrhaftig in Kraft zu setzen. Danach würde mindestens fünf Jahre lang kein Uran, kein Plutonium und keine andere radioaktiv zerfallende Substanz näher als vier Kilometer an Millemerveilles herankommen.

Joe Brickston beschwerte sich, weil er für die Zeit, wo die grün-blaue Dunstglocke zu sehen gewesen war, weder mit dem Rechner noch mit seinem Mobiltelefon arbeiten konnte. Professeur Fixus erklärte ihm, dass der Zauber eben dass innerste der Materie berührte und ja auch frei bewegliche Anteile der Elektrizität in sich aufsog, bis er für den zu beschützenden Ort stabil errichtet war. Also müssten sie noch warten, bis die eine Stunde freier Mondschein über Millemerveilles den Zauber eingeränkt und damit vorerst unbrechbar gemacht hatte.

Als dann tatsächlich der Mond aufging, obwohl die Sonne noch ihre glutheißen Strahlen auf Millemerveilles schickte, konnten sie beobachten, wie erst ein bläulich-violetter Dunst entstand, der sich zu einem Reigen langsam rotierender, aus sich heraus leuchtender Wolken verformte und innerhalb der nächsten fünfzig Minuten immer blasser und dunkler wurde, bis es so aussah, als sauge der über dem Dorf stehende Mond die Dunstwolken in sich auf. Dann flackerte es silbern am Himmel, um dann wieder einen unverstellten Blick auf die langsam aus der immer grauer werdenden Abenddämmerung hervortretenden Sterne zu gewähren. "Opus factum!" kommentierte Professeur Fixus. Julius nickte. Ja, das Werk war getan.

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"Ich konnte gerade noch entwischen, Mater Vicesima Secunda", vermeldete ein junger Zauberer in einem hellblauen einteiligen Anzug, der wie ein Strampelanzug für Riesenbabys wirkte. "Ich hatte gerade die genauen Zielpunkte für unseren großen Partyscherz für die Engländer und Iren bestimmt, als ich von gleich fünf unsichtbaren Leuten beharkt wurde. Die haben wieder versucht, mir ein mit mutierten Schnatzen aufgespanntes Netz überzuwerfen. Ich habe den Verfolgerfänger gewirkt. Doch dagegen haben die jetzt sowas wie tragbare Windhosen. Einen habe ich noch zu reinitiieren versucht, um ihn herzubringen. Doch da haben die um mich herum echt eine rosarote Wolke gezaubert, Amatas Ruhestatt. Gut, dagegen half mir der Einsatzanzug ja. Aber ich konnte wegen der rosaroten Flauschewolke das zweite von ferngelenkten Schnatzen aufgespannte Netz nicht sehen. Als es mich dann eingeschlossen hat konnte ich nur noch die Pille schlucken und mit dem Zeug an mir in die Zuflucht zurückreisen. Die haben fünf Minuten gebraucht, dieses silberne Zeug und die wilden, doppelt so groß wie beim Quidditch üblichen Schnatze von mir loszumachen. Diese geflügelten Kugeln haben doch ernsthaft noch Blitze geschleudert, die jeden ungeschützten Menschen wohl gegrillt hätten. Ja, und als unsere Leute die Dinger endlich von mir abbekommen haben sind die doch glatt in silbernen Flammen deflagriert und haben dabei einige Metallsachen aus der Rückzugskammer mit abgefackelt."

"Ich hoffe mal, dass ihr euch dann auch ganz schnell aus der Zuflucht verflüchtigt habt", erwiderte Mater Vicesima Secunda. Der von ihr ausgesandte Kundschafter nickte. "Das war ja so abgestimmt, falls die unsere Portschlüssel doch orten können, Mater Vicesima Secunda", beteuerte der Einsatztruppler.

"Perdy, was sagt dein Fernbeobachtungsartefakt in der Zuflucht?" fragte die vor kurzem Mutter von zwei Mädchen gewordene Hexe rein gedanklich.

"Dass nur eine Minute nach dem Absetzen unserer Leute sieben dunkelblau verkleidete Leute mit einem alten Tischtuch zwischen sich angekommen sind, Véronique. Sie haben jedoch nichts und niemanden mehr gefunden. Da habe ich den Rückzugsraum nummer drei mal eben wie besprochen in die Luft fliegen lassen. Doch die sieben Eindringlinge konnten sich vorher noch absetzen."

"Das silberne Feuer, das die verfälschten Schnatze zerstört hat war sicher Fulvia Lunamicas Fackel", sagte Mater Vicesima Secunda ihrem Agenten. "Darauf abgestimmte Silbergegenstände leuchten bei Abbrennen dieser Fackel auf und ermöglichen eine kurzfristige räumliche Verbindung zum Abbrennort. Die sind echt gut, unsere italienischen Rivalen."

"Davon darfst du ausgehen, Mater Vicesima Secunda", sagte der von ihr ausgeschickte Kundschafter. "Hast du wenigstens die genauen Zielpunkte festgestellt, damit unser Festspielgeschenk auch ganz genau zugestellt wird?"

"Ja, das habe ich", erwiderte der Einsatztruppler.

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"Wie bitte?! Ihr habt es nicht geschafft, einen von denen einzufangen, weil der sich mit einem nicht ortbaren Portschlüssel davongemacht hat?" wollte Ladonna Montefiori von ihrem völlig unterworfenen Helfer Bernadotti wissen.

"Meine Königin, auch wenn ich im nächsten Moment in Rauch und Flammen aufgehen mag muss ich euch eingestehen, dass diese Banditen offenbar einen Weg gefunden haben, Portschlüssel in ihren Körpern zu tragen, auch wenn es Zauberer sind. Zwar konnten wir die Zauberkraft eines in toten Dingen wirkenden Portschlüssels unterbinden, da du ja Taranis' Rigel verboten hast, aber sie können offenbar einen gleichwertigen Zauber ausführen, der sie in einer grünen Lichtspirale verschwinden lässt, nicht in einer himmelblauen, mondlichtsilbernen, oder sonnenuntergangsroten Spirale wie bei den bekannten Modifikationen."

"Ich erlaube dir und den deinen noch, weiterzuleben, da ich mein geliebtes Heimatland nicht ohne ordnende Hand lassen will. Aber sieh zu, dass niemand meiner Untertanen von dieser Brut ergriffen und verhört wird. Denn dann seid ihr nutzlos. Hast du das verstanden?" gedankenfragte Ladonna Montefiori. Der von ihr völlig unterworfene Bernadotti schickte zurück: "Ich habe es verstanden, meine Königin."

"Diese Banditen werden mir langsam lästig. Ich muss ergründen, wie ich ihnen einen schmerzvollen Schlag versetzen kann, bevor die meinen, die Zaubererwelt nach ihrer Weltsicht lenken zu dürfen." Da kam ihr eine Idee. Wenn die Schurken von Vita Magica wahrhaftig einen Weg gefunden hatten, Portschlüssel im eigenen Körper aufzubewahren und wohl durch gezieltes Denken auszulösen, dann würde sie ihnen wen liefern, von dem sie meinten, ihn verhören zu können. So nahm sie noch einmal Verbindung zu Bernadotti auf.

"Mir ist etwas in den Sinn gekommen, mein treuer Minister. Die wollen sicher einen von deinen Leuten einfangen, um ihn zu verhören. Tun wir ihnen doch den Gefallen, und lassen sie einen von uns ergreifen. Wen von deinen Leuten kannst du am ehesten entbehren, der nicht zu unseren Untertanen gehört?"

"Giacomo Pontevecchio. Er ist im Besenkontrollbüro tätig und zur Zeit für die Mannschaftsbetreuung zuständig."

"Gut, erhebe ihn in den Rang eines Freiluftsicherheitsbeauftragten und befiehl ihm, in der Nähe der ausschwärmenden Fangnetze zu bleiben. Sollte er dabei eingefangen und mit dieser Wiederverjüngungsvorrichtung kampfunfähig gemacht werden so werden sie zumindest keinen wirklich wichtigen Vertreter von dir finden", gedankensprach Ladonna.

"Wie Ihr befehlt, meine Königin", schickte Bernadotti zurück.

"Bevor du ihn zu dir bittest gib mir seine Wohnstatt kund!"

Ladonna beendete die Gedankenverbindung, als Bernadotti ihr die geforderte Mitteilung gemacht hatte. Wenn sie es gut anstellte, dann konnte sie einen mächtigen Schlag gegen Vita Magica landen. Wenn es ihr vorher noch gelang, das von der neu dazugewonnenen Mitschwester Shana O'Daye erwähnte Artefakt aus der glorreichen Zeit der machtvollen Hexen Britanniens in ihren Besitz zu bringen mochte sie ihrem Ziel, die mächtigste und einzig wahre Hexenkönigin der Welt zu werden, mehrere Schritte näherkommen. Dann würde sie endlich voll und ganz über Sardonia gesiegt haben. Dann dachte Ladonna, dass sie den Schlag gegen Vita Magica besser zuerst einleiten sollte. Dafür reichte ihre eigene Macht völlig aus.

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Laurentine wusste nicht so recht, ob sie das gut finden oder höflich ablehnen sollte, als sie am 23. Juli zur Feier von Claires einundzwanzigstem Geburtstag eingeladen war. Irgendwie war ihr das unheimlich, dass die Dusoleils diesen Tag immer noch feierten, obwohl Claire selbst schon seit sieben Jahren tot und begraben war. Doch Camille hatte es ihr erklärt, dass sie es als schöne Tradition begründet hatten, sich an Claires Geburtstag mit allen zu treffen, denen sie wichtig gewesen war und die ihr wichtig gewesen waren.

Als dann neben den Latierres auch Martha Merryweather sowie Jeanne mit ihren Kindern dazukamen nahm sie es als tatsächlich sehr erhaben und ja auch eher erfreulich als traurig an, dass Claire Dusoleil für sie alle nicht vergessen war. Sie besuchten auch den Grabhügel auf dem Friedhof, dessen eigene Bewässerungsvorrichtungen in diesem Supersommer die dreifache Arbeit leisten mussten. So war das Gras auf dem Hügel trotz der sengenden Sonne immer noch grün, und der mittlerweile kräftige junge Apfelbaum stand auch im satten Grün. Die von Florymont im Mai und Juni eingesetzten Bestäubungswedel hatten geholfen, dass an dem Baum auch kleine Fruchtknollen zu erkennen waren. Sicher würde er im Herbst als einer von hoffentlich vielen noch rechtzeitig künstlich bestäubten Obstbäumen Früchte tragen. Alles in allem strahlte dieser Ort auf Laurentine eine Ruhe und vor allem Behaglichkeit aus, nichts bedrückendes. Für Laurentine war es sogar so, dass Claire hier an diesem Ort wirklich noch anwesend war, unsichtbar, wohl auch unhörbar, aber lebendig. Es fehlte nicht mehr viel, und Laurentine hätte nach ihr gerufen, um zu erfahren, wo sie gerade war. Das war ihr zwar auch irgendwie unheimlich, doch auch irgendwie erhaben, fand sie.

Abends saßen die Latierres, Dusoleils und Martha Merryweather noch mit Laurentine im Garten und unterhielten sich darüber, wie viel jetzt wieder möglich war und dass sie hofften, dass Millemerveilles sich schnell von der Zeit unter der Dämmerkuppel erholte. Einen ersten Glanzpunkt würde es ja am 28. Juli geben, wenn der Sommerball stattfand. Das Schachturnier war wegen der Quidditch-Weltmeisterschaft abgesagt worden, sehr zum Leidwesen von Ursuline Latierre, die zu gerne wieder das Turnier gewonnen hätte.

Als Laurentine um zwölf uhr in Jeannes ehemaligem Zimmer ins gemütliche Bett stieg wusste sie, dass es keinen Sinn machen würde, weiter darauf zu drängen, Claires Mörder zu finden. Denn irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Claire das gar nicht wollte, ja und dass ihre Eltern und Julius deshalb weiterhin so friedlich und familiär zusammen sein konnten, obwohl das sie verbindende doch gar nicht mehr da war. Doch heute hatte sie gelernt, dass diese gemeinsame Verbindung doch noch da war. Sie musste halt nur immer mal wieder bestätigt werden. Sie verstand jetzt auch das Getue ihrer Großtanten, die es gerne gehabt hätten, dass ihr Großvater Henri auf einem Friedhof beigesetzt worden wäre. Doch der hatte die Weltraumbestattung bekommen. So konnte Laurentine sich immer wieder damit trösten, dass er irgendwo zwischen den vielen Sternen schwebte, wenn sie an klaren, von keinem Großstadtdunst verschleierten Nächten zum Himmel hinaufsah.

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Hippolyte Latierre saß zusammen mit Bruno Dusoleil und César Rocher in jenem kleinen Raum der aus fünf Varancahäusern gebildeten Mannschaftsunterkunft, wo sie Besprechungen abzuhalten pflegte.

"Die Amerikaner sind sehr gut. Ihr beiden solltet deshalb mit eurer unseligen Streiterei aufhören, zumal die internationale Presse sich langsam schon die Mäuler und die Schreibefedern zerfleddert, was zwischen euch los ist", sagte sie nun eher wie eine gestrenge Mutter als wie eine Ministerialbeamtin klingend.

"Dieser Mensch da meint immer noch, ich hätte seine Mutter verführt. Dabei weiß der genau, dass ich mir nach der gescheiterten Beziehung von vor sieben Jahren kein Verhältnis mehr leisten will", sagte César. Bruno sah ihn verächtlich an und meinte: "Ja, aber du bist in der Nähe von meinem Elternhaus herumgestrolcht, bevor dich dieses drachenmistige Rammelrauschgas erwischt hat und ..." Hippolyte räusperte sich sehr ernst und mahnte eine erwachsene Wortwahl an, wenn sie schon meinten, sich wie rivalisierende Halbwüchsige angiften und belauern zu müssen.

"Hallo, der da hatte keinen Grund, bei meiner Mutter ums Haus zu schleichen, ob mit oder ohne dieses gemeingefährliche Gas. Also kann der da mir nicht erzählen ..."

"Ich habe immer noch einen Namen, Monsieur Dusoleil", erwiderte César Rocher. "Abgesehen davon habe ich, wie du ganz genau weißt, nur eine abendliche Flugübung gemacht, um meine Reflexe bei Dunkelheit zu testen. Das hast du, Herr Kapitän, uns allen sogar dick aufs Baguette geschmiert, dass wir auch Nachtflugübungen machen sollen, wenn die hier unten in Italien kein gescheites Zauberlicht machen können. Dass ich dabei in der Nähe deines Elternhauses herumflog war also Zufall. Ja, und dann erwischte mich genauso wie ganz viele Leute dieses erst wie leckerer Fruchtjogurt riechende Gasgemisch, bevor deine Mutter fast ohne Kleidung am Körper herauskam, mich sah und mir ganz heftig zugewunken hat. Aber das habe ich dir auch schon erzählt, Bruno Dusoleil."

"So, ihr zwei. Ich habe es euch bei der Anreise gesagt und wiederhole es ganz ungerne noch einmal. Ihr seid Mannschaftskameraden. Solange diese Mannschaft im Turnier ist habt ihr euch gegenseitig zu achten und zu unterstützen. Ihr habt die Berichte gelesen, dass Italiens Mannschaft wegen unzureichender Mannschaftsdisziplin von peru förmlich pulverisiert wurde. Die Leute aus den Staaten sind supergut, vor allem deren Hüterin und deren neuer Stammsucher Maveric. Alle von denen können die Dawn'sche Doppelachse. Also haben wir denen gegenüber keinen Vorteil mehr. Also reißt euch gefälligst zusammen und vertagt eure Meinungsverschiedenheit auf die Zeit nach dem Turnier, wo ihr das auch mit allen zusammen regeln könnt, die es noch betrifft und nicht für die Zaubererweltpresse arbeiten. Fehlte noch, dass Linda Knowles es von Gilbert Latierre oder durch ihre eigenen Ohren herausfindet, warum du, Bruno, César derartig anfeindest."

"Ich feinde ihn nicht an, sondern ich werfe dem da nur vor, sich auf Kosten meiner Eltern mal so richtig freige..." setzte Bruno an und schluckte den letzten Satzteil hinunter, weil Hippolyte ihn sehr streng ansah. César, der gerade nicht unter diesem strengen Blick stand konterte lautstark:

"Ich hätte deine Mutter garantiert nicht mal mit der Grillzange angefasst, wenn dieser drachenmistige Verkupplungsdunst nicht in der Luft gehangen hätte. Abgesehen davon haben meine Eltern, dein Vater und ich schon eine Übereinkunft, dass ich das, was von mir in deiner Mutter ..." Jetzt traf auch ihn Hippolytes strenger Blick und er ließ den begonnenen Satz auch unvollendet.

"Ich hoffe mal, ein wenig geistige Reife ist Ihnen beiden noch verblieben, Monsieur Rocher und Monsieur Dusoleil. Denn ich sage es nur noch einmal: Wenn wegen dieser für Sie beide gleichermaßen unerfreulichen Lage der mannschaftliche Zusammenhalt zerstört ist und wir deshalb morgen gegen die USA genauso versagen wie Mexiko es getan hat werden Sie beide der Fangemeinde erklären müssen, warum Sie die Titelverteidigung verfehlt haben. Ich werde dann nur bestätigen, dass wir das Turnier vorzeitig verlassen mussten, mehr nicht."

"Wenn wir verlieren dann sicher nicht wegen mir", tönte César. "Ich habe die Ringe bisher gut sauber gehalten, auch als die Buschtrommler aus Kenia meinten, alle Jäger und Treiber im Torraum zu halten, bis die Montferre-Mädels denen die Klatscher weggeschlagen haben. Und was die Doppelachse bei den Yankees angeht, da dürfen Sie, Madame Latierre, sich bei Ihrem Schwiegersohn bedanken, der denen die sicher allen beigebracht hat, wo der so oft bei denen drüben gewesen ist, dass selbst so heiße Mädels wie Brittany Brocklehurst und Venus Partridge den hofieren, wo seine ordentlich angetraute dabeisteht."

"Hast du gerade gesagt, wir würden wegen dir nicht verlieren? Michelle, Polonius und ich werden dieses Indianermädchen bei denen gut zuballern, und Janine fängt uns den Schnatz, bevor dieser goldblonde Lockenkopf Don Maveric überhaupt mitkriegt, wo der sich herumtreibt. Und wenn du mir morgen dumm kommen solltest, Pummelchen, wechsel ich dich gegen Auguste Beauvent von den Pelikanen aus. Der will ja auch noch was von der Titelverteidigung mitkriegen."

"Wenn du das machst, Bruno Dusoleil, sind wir zwei geschiedene Leute", erwiderte César Rocher."

"Ihr seid nicht miteinander verheiratet und könnt euch so auch nicht voneinander scheiden lassen", warf Hippolyte knochentrocken ein.

"Ich habe ihn gewarnt, Madame Latierre und halte diese Ansage aufrecht", sagte Bruno.

"So, halten Sie das, Monsieur Dusoleil. Dann sage ich jetzt auch noch was an: Ich kann auch Monsieur Lagrange zum Kapitän ausrufen, was mir als offizielle Verantwortliche für die Mannschaft und ihre Betreuer zusteht. Also begraben Sie beide Ihren unerträglichen Streit bis zum hoffentlich erfolgreichen Turnierabschluss!"

"Tja, die Stimme deiner Chefin, Bruno", feixte César. Hippolyte merkte, dass ihr dieses wirklich schon jungenhafte Geplänkel immer mehr zusetzte. Sie hätte sich nicht darauf einlassen sollen, in ihrem Zustand mit diesen beiden Sturschädeln zusammen ein Turnier bestreiten zu wollen. Bruno sah sie nun auch noch verbittert an. Sie wusste, dass ihre Androhung, Polonius Lagrange zum neuen Kapitän zu erklären, Brunos Stolz empfindlich schmerzte. Doch jetzt war es heraus.

"Wenn dieser Zauberer da morgen abend gegen die Yankees durchhängt oder wegen einer Gehässigkeit gegen mich die Titelverteidigung zu verspielen droht fliegt er aus der Mannschaft, Madame. Da können Sie sagen was Sie wollen. Und Polonius Lagrange würde gleich Auguste Beauvent als Hüter bringen, weil der mit dem hier nicht so gut befreundet war, wie ich es meinte, noch sein zu können, bis der die Gunst der Stunde genutzt hat und ..."

"Sie wiederholen sich, Monsieur Dusoleil", entgegnete Hippolyte. César meinte jedoch, dass die Ermahnung nicht für ihn galt: "Tja, wenn Sie ihm die Kapitänsschleife abnehmen und der ehemalige Hoffnungsjäger Lagrange seinen Posten kriegt und mich dann echt gleich von vorne herein nicht mitspielen lässt verlieren wir garantiert das Spiel, weil Beauvent zu sehr um seine Unversehrtheit besorgt ist und deshalb lieber gleich alle Ringe freigibt, wenn ein Klatscher noch zehn Meter von ihm weg ist. Deshalb haben die Lyonaiser Löwen ja auch zehn Spiele verloren und die nicht verlorenen Spiele nur durch frühzeitigen Schnatzfang gewonnen."

"Oh, Vorsicht, Monsieur Rocher, jetzt laufen Sie gerade auf ganz dünnem Eis", sagte Hippolyte. Denn sie hatte die Schuldzuweisung im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens wohl verstanden.

"Vielleicht tun Sie sich und mir gleichermaßen einen Gefallen und sagen mir gleich, dass ich mit Beauvent im Torraum spielen soll", sagte Bruno.

"Sie nicht auch noch, Monsieur Dusoleil. Sonst mache ich das wirklich noch. Sie sind beide gewarnt", erwiderte Hippolyte. Natürlich wusste sie, dass Auguste beauvent wirklich nur die zweite Wahl war.

"Am besten schlafen wir alle noch einmal gut und hoffentlich erholsam und sehen zu, dass wir morgen in der bestmöglichen Form sind, sowohl körperlich wie geistig", sagte sie dann noch. Dann beendete sie dieses von ihrer Seite her völlig sinnlos verlaufene Gespräch.

Als sie dann total erschöpft in ihrem eigenen Schlafraum war hörte sie lautes Jubeln auf Englisch. Sie öffnete eines der Fenster und blickte hinaus. Da sah sie, wie die Spieler der englischen Mannschaft ihren Sucher und ihre junge Jägerin Ginny Potter hochleben ließen. "England ist der König. Alle anderen sind zu wenig!" hörte sie einen Sprechhor. Sie fühlte ein leichtes Unwohlsein vom Unterbauch her. Offenbar begann das in ihr wachsende Kind nun doch, sich spürbar zu bewegen. Sicher wollte sie vor dem Spiel noch mit der mitgereisten Heilerin Anne Laporte reden, die eigentlich nur die weiblichen Mannschaftsmitglieder betreuen sollte. Außerdem wollte sie langsam wissen, wer da auf sein oder ihr neues Leben hinwuchs, eine Melpomene Lutetia oder ein Alain Durin.

"England ist der König. Die Iren sind nur Bettler!" hörte sie die offenbar siegreichen Engländer noch skandieren und wusste, dass deren Fans außerhalb der beinahe luftdicht abgeriegelten Mannschaftsunterkünfte wohl nun allen Warnungen zum Trotz die Nacht zum Tag machen und ihren Sieg über den Favoriten feiern würden.

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"Ui, die Iren sind sauer", bemerkte Gilbert Latierre kurz nach Mitternacht, als er sich mit seiner Kollegin Linda Knowles in einem Klangkerker in der sogenannten neutralen Zone traf, wo ausdrücklich nur Presseleute untergebracht waren. Linda Knowles hatte den ganzen Abend die Mannschaft der USA und deren Betreuer interviewt und dabei nur mit einem Ohr mitverfolgt, wie die "britische Schlacht" verlaufen war, wie es die Kollegen der europäischen Zaubererweltpresse betitelt hatten. Sie hatten eine nündliche Übereinkunft. Er bekam ihre Interviewnotizen für die Zweitverwertung und sie bekam von ihm die bildhaften Eindrücke der Partie. Zumindest wusste sie schon, dass England Irland durch Schnatzfang aus dem Turnier geworfen hatte und Ginny Potter offenbar zehn Tore erzielt und neun vorbereitet hatte. Für eine verheiratete Frau, über die sich die Klatschpresse immer noch wunderte, wann sie den ersten Erben des Auserwählten unter dem Herzen tragen würde, war das schon ein klares Signal, erst einmal besser die Superform auszunutzen und erst später an eine Familiengründung zu denken. Es konnten schließlich nicht alle so irrsinnig sein wie seine Cousine Hippolyte, die wohl wegen der zwei Streithähne Rocher und Dusoleil um die Titelverteidigung fürchtete.

"Und, hat sich dein Verdacht bestätigt, dass Don Maveric mit der amerikanischen Mannschaftssprecherin mehr verbindet als dass sie das Gold für seine Superauftritte bezahlt?" fragte Bilbert Linda.

"Seit wann stecken Sie in diesem jungen Burschen, Ms. Kimmkorn?" fragte Linda Knowles ihren Kollegen. Diser erkannte, dass Linda offenbar nicht mehr zu den herumschwirrenden Gerüchten beisteuern wollte, dass Donovan Maveric auch deshalb zum Stammsucher geworden war, weil er etwas nicht ganz so statthaftes mit der überreichen und unanständig herumprotzenden Phoebe Gildfork haben sollte. Natürlich würde das keiner von beiden zugeben. Abgesehen davon hieß es auch von Morton Baker, einem der neuen Jäger, dass er bereits einen sehr lukrativen Arbeitsvertrag bei der Bronco-Manufaktur habe, wenn er nach der nächsten Weltmeisterschaft aus dem aktiven Quidditchsport ausschied.

"Du erzählst mir schließlich auch nicht, wie es deiner Cousine so geht und ob sie sich über das Baby freut, dass sie trägt oder es im Moment eher als Belastung ansieht oder so", sagte Linda Knowles noch. Gilbert nickte. Dass seine Cousine Hippolyte schon im vierten oder fünften Monat schwanger war hatte er auch erst mitbekommen, als sie dabei waren, abzureisen.

"Oha, die Fans draußen verhalten sich wieder merkwürdig. Da wo die Engländer feiern muss wohl irgendwas passiert sein und ... Oha, mal wieder dieses Verpaarungsgas", sagte Linda. Gilbert hatte davon überhaupt nichts mitbekommen. Doch er zweifelte nicht daran, dass es wirklich so passierte.

"Neh, Gilbert, geh da besser nicht auch raus!" sagte Linda Knowles, als Gilbert Anstalten machte, aus dem kleinen Schreibzimmer zu verschwinden.

"Ich kann mir Contramorosus-Trank einwerfen und eine Kopfblase zaubern, damit ich das Dreckzeug nicht einatmen muss", sagte Gilbert. Doch Linda Knowles ergriff seine Hand. "Das Dreckzeug wirkt auch über die Haut, und Contramorosus-Trank ist nur für die Heiler und Mannschaftsbetreuer da, haben sie mir heute noch einmal verraten. Bleiben wir besser hier, wo die ganzen Aussperrzauber dieses Gebräu von uns fernhalten. Ich häng dich gerne wieder an meine Ohren dran, wenn du das möchtest", sagte sie noch. Das hatte sie ihm vor zwei Wochen mal ermöglicht, als er und sie gleichzeitig mithören wollten, was die Belgier vorhatten. So ließ er sich auch diesmal darauf ein, nahm ihre Hand und hörte sie leise einen Zauber sprechen. Sofort meinte er, alle Geräusche der Umgebung seien um ein vielfaches lauter, aber auch klarer zu orten. Er hörte aber auch ein paukenschlagartiges Pochen und Fauchen, als trete jemand mit Urgewalt einen schweren Blasebalg. "Ich filter meinen Herzschlag aus, Gilbert. Konzentrier dich nur auf das, was draußen passiert", hörte er Linda so flüstern, als blase sie ihm mit voller Lungenkraft Luft direkt zwischen die Ohren. Tatsächlich ebbten die rhythmischen Paukenschläge und daran gekoppelten Fauchlaute sofort ab und er hörte nun noch besser, was irgendwo da draußen war. Jetzt konnte er auch lustvolles Säuseln und das Rascheln von Kleidung hören, als stecke er mit seinen Ohren genau unter dem Umhang von jemandem. Dann hörte er die Laute entfesselter Lust, nicht nur von einem Paar, sondern von immer mehreren. Es stimmte, die hatten es wieder geschafft, eine Freiluftparty mit ihrem Rauschgas zu besudeln.

Gilbert hörte über Linda Knowles Ohren mit, wie italienische Zauberer, offenbar mit Kopfblasen oder anderen Atemschutzvorkehrungen versuchten, die sich in ungezügelter Fleischeslust miteinander vereinenden Partygäste auseinanderzutreiben. Immer wieder hörte er die Zauberwörter für den Devoluptus-Zauber. Doch dann verstummten die Versuche, die künstlich entfachte Liebeslust einzudämmen. Jetzt hörte er nur noch die immer wilder miteinander beschäftigten Paare. Dann hörte er zeitgleich mit Linda Knowles, wie einige Zauberer ohne Atemschutz dazwischenfuhrwerkten und nun mit radikaleren Zaubern dreinschlugen, darunter auch den Stromstoßzauber Iovis. Diese Zauberer trugen keine Kopfblasen. Die waren wohl schon gegen unerwünschte Begierden abgestumpft worden. Doch gegen wütende Schläge von wo auch immer waren sie nicht immun. "Eh, wir sind Ministeriumszauberer und eh!" hörte Gilbert noch einen Zauberer auf Englisch rufen, bevor ihm der Mundzugehalten wurde. Dann hörten Linda und er zeigleich, wie sich zwei Hexen mit bloßen Händen bekämpften, weil sie ein und denselben Zauberer für sich haben wollten. Dann konnte Gilbert noch aus einiger Entfernung weitere Liebesorgien mithören, auch bei den Iren, die eigentlich vorhatten, die Enttäuschung über ihre Niederlage in viel Whisky zu ertränken und dann wohl fanden, sich die Frustration auch anders von der Seele schaffen zu können, wobei es nicht nur Iren waren, sondern auch Fans aus anderen Ländern. Gilbert hörte noch, wie eine noch junge Hexe die belgisches Französisch sprach einen Zauberer aufforderte, bei ihr zu bleiben und weil er das nicht tat ihn mal eben den Devoluptus-Zauber aufzuerlegen. "Mann, Pattie, das ist fies. Brr, als wenn du meine Familienklunker in Eis gestopft und dann komplett von mir losgemacht hättest."

"Willst du auch einer von denen werden, die ihre eigenen Frauen betrügen, Kevin? Reicht mir schon, dass dein Vater vor zwei Tagen diesen dummen Rückfall hatte, dass du gefälligst eine irische Hexe zu heiraten hättest, wo er weiß, dass wir Shivauns Geschwisterchen erwarten. Und du lässt dich deshalb auch nicht von diesem Dreckzeug verderben. Komm mit in unsere Unterkunft, bevor ... Stupor!" hörte er zeitgleich mit Linda. Dann krachte es wie beim Disapparieren. Linda schien ganz unbewusst die Gegend abzuhören, wo die zwei sich eben noch streitenden Eheleute abgeblieben waren. Als sie beide die Hexe leicht gedämpft reden hörten erfuhren sie noch, dass der Schockzauber die hoch aufgeschossene Rothaarige nicht getroffen hatte, die versucht hatte, ihren Mann Kevin zu umschlingen.

"Das ist einfach nicht mehr lustig, was diese Banditen da abziehen", sagte Gilbert und erschrak, weil er seine eigene Stimme mit langem Nachhall direkt von rechts durch sich durchdröhnen hörte. Er bewunderte wieder, dass Linda so schmerzfrei war, was überlaute Geräusche anging. "Nein, ist es nicht, Gilbert. Und du musst nicht so laut rufen", fauchhte und zischte sie ohne klare Stimme.

"Linda, müssen wir uns das jetzt die ganze Nacht anhören?" wollte Gilbert wissen. Seine Kollegin verneinte das. "Dann halt noch ein paar Sekunden still, dass ich dich ordentlich aus meinem Hörempfinden entlassen kann", flüsterte sie. Es dauerte einige Sekunden, da verebbten alle Geräusche. Gilbert meinte, dass er gar nichts mehr hörte. Als er dann zur Probe was sagte wusste er, dass er noch mit eigenen Ohren hören konnte.

"Das gibt morgen sicher ärger", sagte er. Dem wollte Linda nicht widersprechen.

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"Heute treffen wir auf Gildforks neue Truppe", grummelte Millie. Julius nickte ihr zu. Er hatte die Temps vom 24. Juli auch gelesen. "Die wollen heute wieder diese Navajo-Squaw Lucy Strikinghawk bringen, die beim Spiel gegen Mexiko eine glatte Null gehalten hatte, während ihre Jägerkameraden fünfzehn Tore und den Schnatzfang hinbekommen hatten. Der neue Sucher Donovan Maveric hatte den mexikanischen Gegenspieler Orlando Cazanubes regelrecht alt aussehen lassen. Aber auch die Treiberinnen Kelly Grumman und Taffy Rockwell hatten einen verdammt guten Job gemacht, wie Gilbert geschildert hatte. Millie und Julius wollten fast darauf wetten, dass Gilbert latierre und die mit besonders hellhörigen Ohren begüterte Linda Knowles die Gunst dieser WM nutzen, nicht nur ihre journalistischen Fähigkeiten zu bündeln, sondern sich auch beziehungsmäßig immer weiter annäherten.

"Hier haben wir auch die Bilder der neuen Superstars der US-amerikanischen Quidditchliga", sagte Julius und zeigte Millie zwei Seiten mit Farbfotografien. Das machte Gilbert nur dann, wenn er besondere Merkmale von Leuten oder Landschaften herausstellen wollte.

Die zwei Treiberinnen sahen wie eine Verschmelzung aus ebenholzfarbenen Kleiderschränken und Frauen aus. Deren Eltern mussten vor Jahrhunderten höchst unfreiwillig aus Afrika in die Staaten gelangt sein. Dann waren da noch Fotos der Jägerasse Douglas mcDonald, Archibald Leary und Morton Baker. Der Sucher der US-Mannschaft war ein kleiner, zierlicher Bursche mit strohblonder Lockenpracht und hellgrünen Augen. Vom Bildhintergrund her mochte der gerade 1,50 bis 1,60 Meter groß sein. Also diese sieben Spieler einschließlich einigen Reservespielern, falls die Partie doch länger dauern sollte, würden am Abend des 24. Juli gegen Frankreich spielen.

"Dabei wollten sie die Weltmeisterschaft schon beenden, weil gestern an fünf Stellen die trotz Warnung der Ministerialzauberer im freien feiernden in diesen Fortpflanzungsrausch verfallen sind", sagte Béatrice Latierre. "Der Kollege Delourdes hat mir das noch in der Nacht per Distantigeminuskasten zugeschickt, dass es gesichert ist, dass es der gleiche ätherische Wirkstoff war, der uns in Millemerveilles über Tage beeinträchtigt hat. Ein Augenzeuge will bei einer solchen Party einen grünen Feuerball gesehen haben, aus dem eine schnatzgroße Glaskugel herausfiel und beim Aufschlagen in Millionen Splitter zerborsten sein soll. Nur zehn Sekunden danach habe der Prokreationsrausch eingesetzt."

"Da hat also echt wer von denen eine magisch betriebene Form des Transporters aus den Star-Trek-Geschichten nachgebaut", grummelte Julius. "Aber diese Maschine kann durch starke Kraftfelder blockiert werden. Was macht das Ministerium gegen diese Form von Angriff?"

"Da habe ich bisher noch nichts von mitbekommen", erwiderte Béatrice Latierre.

Auch wenn ihm die Aussichten nicht gefielen, dass Vita Magica ihr tückisches Luftverpestungselixier mit einer Art Transporterstrahl ins ausgewählte Ziel schicken konnten hoffte Julius zumindest darauf, dass diese Vorrichtung nicht durch Apparierabwehrzauber dringen und somit auch die Mannschaftsbereiche betreffen konnte. Er hörte seine Schwiegermutter förmlich sagen: "Kommt bloß nicht auf die Idee, herzukommen, solange wir das nicht klar geregelt haben, wie alle Gäste vor diesen Banditen geschützt werden können!"

Weil seine Schwiegermutter dieses Mal auch keine Ehrenlogenplätze vergeben konnte und sowohl Millie als auch Julius genug mit der versprochenen Absicherung der wichtigsten Häuser von Millemerveilles zu tun hatten waren sie auch nicht auf die Idee gekommen, sich in der Nähe des Quidditchstadions eine Unterbringung zu suchen. Ihr gemeinsamer Verwandter Gilbert Latierre hatte versprochen, gleich nach Spielende einen Artikel nach Millemerveilles zu digekasteln, damit die Temps de Liberté vielleicht noch vor dem Miroir magique mit der entsprechenden Meldung herauskam, ob Frankreich immer noch von der Titelverteidigung träumen durfte oder ebenfalls die vorzeitige Heimreise antreten musste.

"Venus meint, wir sollten lieber noch ein paar Tage hier in Millemerveilles verbringen statt uns diesem Gift ausliefern", sagte Brittany kurz nach dem Frühstück. "Aber die Mannschaftsbetreuung hat mit den Windriders einen Werbevertrag laufen, dass wenn wir über die ersten zwei Runden gekommen sind eine symbolische Anerkenntnisbegegnung der bekanntesten Quodpotspieler mit der Quidditchmannschaft stattfinden soll", grummelte Brittany. "Öhm, wie viel kostet dieser Trank gegen ungewollten Fortpflanzungstrieb, Mademoiselle Latierre?" fragte Brittany Béatrice.

"Nun, eigentlich geben wir Heiler den nur an offizielle Patienten, die unter ihrer eigenen übersteigerten Triebhaftigkeit leiden, Brittany. Aber ich erkenne an, dass du und wohl auch deine ehemalige Mannschaftskameradin nicht zu Opfern dieser Verbrecher werden wollt", sagte Béatrice. "Ich gebe euch beiden einen Vorrat für drei Anwendungen. Allerdings ist der Trank nicht vegan."

"Ja, weiß ich. Aber mir von einem, der mich nicht liebt und den ich nicht will noch ein uneheliches Kind unter den Umhang schupsen zu lassen ist auch nicht vegan", grummelte Brittany. Sie wusste wohl, welche magischen und nichtmagischen Tiere für den Trank Körpersäfte oder gar Körperteile hatten lassen müssen.

"Am besten seht ihr zu, im Mannschaftsbereich unterzukommen. Die Mannschaften werden gesondert abgesichert. Dann habt ihr aber leider nichts von den Naturansichten der Poebene oder der Städte Italiens", sagte Millie. Brittany nickte.

"Sagen wir so, zum einen wirkt diese Droge nur bei Dunkelheit, weil sie eine Verkehrung des Einschlafhormons Melatonin bewirkt. Zum anderen werden die ihr Sauzeug nicht in einer von magielosen Leuten bevölkerten Gegend wie Florenz, Mailand oder Rom in die Umwelt blasen", sagte Julius. "Also könnt ihr euch tagsüber gerne in den Städten umsehen. Ich denke, die meisten jungen Italiener können Englisch."

"Oh, stimmt, du hast recht, Julius. "Da wo viele Magielose wohnen werden die das Elixier nicht in die Luft pusten, weil die dann ja auch davon berauscht würden."

"Bis die Version 2.0 ausschließlich Menschen mit magischer Begabung und entsprechendem Erbgut alleine betrifft", meinte Julius. Béatrice kniff ihm dafür in die Nase und meinte: "Ruf du bitte keinen großen Drachen, mein Schwiegerneffe! Reicht dir das nicht, was bei uns mit den Kindern los war, während diese verbotene Essenz in der Luft hing?" Julius erinnerte sich gut und auch, dass die über Tage berauschten Erwachsenen erst einen vollen Tag durchschlafen mussten, um sich von dem Rauschgasangriff zu erholen und zugleich auch sicher an jeder nachträglichen Verhütung gehindert wurden.

Millie und Julius winkten dem lautlos davonfliegenden Luftschiff hinterher. Eigentlich hätte es sie beide schon interessiert, ihrer Nationalmannschaft zuzusehen. Doch Millies Mutter hatte ihnen versprochen, sie zum Halbfinale dazuzuholen, wenn schon viele Gäste abgereist waren und in den Mannschaftsunterkünften für Familien der noch im Turnier verbliebenen Mannschaften Platz war.

Den Tag verbrachten die Latierres im Planschbecken unter zwei aufgestellten Sonnenschirmen. Die Luft war so drückend, dass jede Bewegung im Freien wahre Schweißfluten auslösen konnte. Um nicht von den Nachbarn beobachtet zu werden, wie sie Clarimonde stillte baute Millie um das Becken herum noch einen Wandschirm auf. Julius sang seinen Töchtern alte Seemannslieder vor, wobei er schon darauf achtete, die derbsten Strophen auszulassen. Béatrice saß hinter ihm und streckte ihre Beine links und rechts an ihm vorbei, während sie zusah, wie Clarimonde auf einem großen, mit Luft gefüllten wasserblauen Gummikissen lag. Um sie herum plätscherte Aurore. So konnte sich Julius die Ferien gefallen lassen, dachte er und lehnte sich zurück. Dabei stieß er gegen Béatrices Oberkörper. "Hallo, du möchtest mich doch nicht als Lehnstuhl benutzen, Julius", säuselte Béatrice ungeniert und legte ihre Arme um ihn. Millie, die das sah blickte ihre Tante kritisch an. "Ja, hast recht, Millie, das war jetzt etwas dreist", sagte Béatrice und gab Julius aus der Umarmung frei. Einen winzigen Augenblick dachte Julius, dass er durchaus auch mit Béatrice hätte zusammenkommen können, wenn ihre Schwester Hippolyte nicht darauf bestanden hätte, den Zank zwischen Millie und Belisama Lagrange zu beenden.

"Papa, muss mal", sagte Aurore. Julius reagierte unverzüglich und stieg mit seiner großen Tochter aus dem Becken. Er machte für sie die Haustür auf und sah, wie sie barfuß die Treppe hinauflief, um gleich in den ersten Toilettenraum der ersten Etage zu rennen. Er eilte schnell nach. "Warte, Rorie, muss den Zwischensitz noch runterklappen!" rief er und holte Aurore ein. Die stand bereits vor der Schüssel und presste ihre Beine zusammen. Julius machte ihr den Zwischensitz herunter und zog sich dann zurück. Wenn sie fertig war würde sie ihn rufen. Das waren die kleinen unangenehmen Aktionen des größer werdens, dachte Julius und erinnerte sich an seine eigene Kindheit, aber auch daran, was Madrashainorian in Aurores Alter erlebt hatte und wie er, der Julius' und Madrashmirondas gemeinsamer Sohn geworden war, mit solchen lebensnotwendigen Sachen zurechtzukommen gelernt hatte.

Nach zehn Minuten verließen Vater und Tochter ordentlich gesäubert das Apfelhaus wieder. Inzwischen war auch Clarimonde satt. Millie brachte sie dann auch ins Haus, damit sie vor der Hitze sicher schlafen konnte.

"Achtung achtung, an alle Bewohner Millemerveilles! Zwanzig Kilometer von hier sind trockene Buschbestände in Brand geraten. Alle Bewohner werden gebeten, in ihre Häuser zurückzukehren und die Rauchabwehrzauber zu wirken! Wir wachen darüber, dass unsere Gemeinde nicht vom Feuer erreicht wird!" hörten Julius und alle anderen einen nicht all zu weit fliegenden Feuerwehrzauberer.

"Ich mach mal was, dass wir hier keinen Rauch hinkriegen. Dann können wir alles draußen lassen. Nur wegen unserer fleißigen Feuerwehrleute sollten wir auch reingehen", sagte Millie und zog ihren Zauberstab aus der wasserdichten Seitentasche ihres Badeanzuges. Julius und Béatrice belegten derweil das Planschbecken mit einem Imperviuszauber, damit weder Rauch noch Schmutzwasser dort hineindringen konnte. Dann brachten sie die beiden älteren Kinder ins Haus zurück. Julius hörte noch Millie alte Zauber gegen Feuer und Rauch singen. Dann kam auch sie ins Haus und schloss die Tür.

"So, der Zauber hält solange vor, bis ich ihn widerrufe", sagte sie noch.

Sie saßen nun zusammen in der Wohnküche auf der dritten Etage und hielten Aurore und Chrysope mit kleinen Bilderbüchern bei Laune. Gegen sechs Uhr meinte Aurore, dass sie langsam Hunger bekam. So machten sie noch ein leichtes Abendessen, wobei Millie zusätzlich noch genug Vitamine und Fette zur gesunden Milchbildung zu sich nahm.

Als erst Chrysope und dann Aurore im Bett lagen klickte es im Distantigeminuskasten Millies und dann pingelte die kleine Glocke, das etwas an dieses Gerät geschickt worden war. Millie eilte sofort herbei und tippte die betreffende Stelle mit dem Zauberstab an. Sofort erschienen vier handbeschriebene Seiten im Auffangkasten für Fernkopien. Julius las mit und verzog das Gesicht:

"Frankreich null, USA dreihundertfünfzig einschließlich Schnatzfang? Hallo, war die Mannschaft nicht auf dem Platz?" fragte er. Millie nickte. Den Gedanken hatte sie auch. Doch dann lasen sie, Dass es erst zu einem Klatscherdauerbeschuss auf César gekommen war, bis die Montferres beschlossen hatten, dass sie nur noch die Klatscher aus dem Torraum heraushalten sollten. Allerdings hatten die US-Amerikanischen Jäger dann jede Menge Freiraum, um aus verschiedener Entfernung ein Tor nach dem anderen zu machen. Das wurde sogar noch heftiger, als César sich eine Tätlichkeit gegen den Jäger Morton Baker erlaubt und ihm mal eben die Faust in den Magen gedroschen hatte. Daraufhin hatte Bruno den Reservehüter Beauvent eingewechselt. Und der kassierte alle zwanzig Sekunden einen Treffer. Zwar schafften die französischen Jäger immer wieder einen Ausfall. Doch es gelang ihnen nicht, auch nur ein einziges Tor zu machen. Die Hüterin vom Stamm der Navajos war immer wieder vor den drei Ringen herumgeflitzt und immer im entscheidenden Moment in die Flugbahn des Quaffels gesprungen, teilweise auch mit der Dawn'schen Doppelachse. Als dann noch der kleine, goldblonde Don Maveric den Schnatz ganz knapp vor Janine Duponts Zugriff erwischte war für Frankreich das Unternehmen Titelverteidigung vorbei. Zwar hatte Madame Latierre nach dem Spiel noch eine Prüfung von Gegenspielern und deren Ausrüstung verlangt. Das hatten aber auch schon die Mexikaner vergeblich versucht. Gilbert wollte mit einer klaren Botschaft noch bis zur Entscheidung der Prüfungskommission warten. Falls die Amerikaner unzulässige Mittel benutzt hatten war das der Knüller der Saison. Falls sie eben einfach nur besser als die Franzosen gewesen waren war es eben die Meldung des Tages.

"Hier steht auch, dass es wieder zu heftigen Spannungen zwischen Bruno und César gekommen ist, Monju! Ob Jeanne und Stine das schon wissen?"

"Falls César und/oder Bruno das gleich per Blitzeule weiterreichen ja, falls nicht sind wir im Moment die einzigen, die das wissen", sagte Julius.

"Ich soll den Artikel so in den Druck schicken, wie Gilbert ihn mir zugeschickt hat. Ich warte noch eine Stunde. Falls dann keine Ergänzung da ist muss ich den unter dem Vorbehalt einer Entscheidung weitergeben", seufzte Millie.

"Das ist so ein Unfug, dass sich César und Bruno immer noch wegen Brunos Mutter haben", meinte Julius. Millie erwiderte darauf: "Wie würdest du denn drauf sein, wenn Kevin deine eigene Mutter geschwängert hätte?"

"Wenn ich weiß, wieso ihm das passiert wäre würde ich höchstens darauf bestehen, dass er was arbeitet, um meiner Mutter zumindest zu helfen, wenn sie schon meine Halbgeschwister austrägt. Aber was da zwischen Bruno und César läuft ist mehr als nur eine Unstimmigkeit."

"Nöh, das ist bei den Roten so", sagte Millie. Béatrice musste ihr da zustimmen. "Ich kann mich auch noch zu gut daran erinnern, wie zwei wirklich gute Freunde sich deshalb zerstritten haben, weil einer von der beliebtesten Hexe des ganzen Jahrgangs freundlich angelächelt worden sein wollte. Das ist erst zwanzig Jahre später beigelegt worden, als sich herausgestellt hatte, dass die besagte Hexe einen Jungen aus dem violetten Saal geheiratet und drei Kinder von diesem bekommen hat und damals für keinen der sogenannten roten Rüpel und wandelnden Fortpflanzungsorgane was übrig hatte. Da kam nämlich raus, dass sie keinem der beiden Streithähne zugelächelt hat, sondern dem Jungen, den sie später auch geheiratet hatte, der aber in dem Moment genau hinter den beiden Saalkameraden von ihr stand."

"Ja, und Jeannes Schwiegermutter ist die wahrhaft Leidtragende", grummelte Julius. Béatrice meinte dazu noch, dass sie das selbst nicht so empfinde und es nur bereute, dass sie als die ältere offenbar die Initiative bei diesem Zusammenkommen ergriffen hatte. Jetzt freue sie sich auf die drei eindeutig bestätigten Kinder, auch wenn sie wisse, dass es sehr anstrengend sein würde.

"Hier steht auch, dass Brunos Eltern ihrem Sohn das noch vor dem Spiel untergejubelt haben, dass er drei Halbgeschwister von César erwarten darf", sagte Millie. Julius nickte. So eine Nachricht konnte einem auch wirklich den Tag verderben.

Als dann um elf Uhr abends herum noch die Bestätigung eintraf, dass weder die Mannschaftsmitglieder, noch die von ihr benutzten Besen oder Schläger unzulässig bezaubert gewesen waren musste Millie die schmerzvolle Niederlage und den ersten Kommentar ihrer Mutter noch vor Zwölf Uhr in den Druck bringen. Immerhin konnte sie einfach die beschriebenen Seiten in eine Lesevorrichtung legen und die Druckvorgaben einstellen. Dann würde der magische Rotationsdrucker ganz vonselbst die Sonderausgabe drucken, die dann am frühen Morgen von den Zustelleulen an die Abonnenten ausgeliefert wurde.

"Ich bin sehr schwer enttäuscht und fühle mit allen Unterstützern, die auf eine Titelverteidigung gehofft haben. Was genau zu diesem desaströsen Spiel unserer Mannschaft geführt hat will ich zu diesem Zeitpunkt nicht erörtern. Denn es würde an der Niederlage selbst nichts mehr ändern", las Millie ihrem Mann die unter dem Foto ihrer Mutter aufgeschriebenen Zeilen vor. "Dann werde ich die Zeitung noch in den Druck geben, Monju. Ich hoffe, dass Clarimonde in der Zeit nichts braucht. Falls doch, Bringst du sie mir halt ins Château nach!" sagte sie noch. Julius versprach es ihr. Da sie ja nun eine neue direkte Verbindung ins Sonnenblumenschloss der Latierres hatten konnte Millie innerhalb weniger Sekunden dort hingelangen.

"Ich werde das mit meiner Kollegin vor Ort klären, wie das Ergebnis meine Schwester beeinflusst haben mag", sagte Béatrice. "Nicht, dass dem Kleinen noch was passiert."

"Ist es amtlich, Trice?" fragte Julius.

"Wenn ich "Das kleine" meine ist es immer amtlich, Julius", erwiderte Béatrice. "Du wirst schon früh genug mitbekommen, ob du eine weitere Schwägerin oder einen Schwager in die Familie bekommst." Julius nickte und entschuldigte sich für seine Neugier. "Millie ist da schlimmer. Die meint sogar, sie habe ein Anrecht auf sofortige Information, ob sie eine dritte Schwester oder den ersten Bruder erwartet", sagte Béatrice noch. Dann tätschelte sie Julius' Wange. "Falls Clarimonde noch was braucht kann ich sie auch anlegen. Lass Millie das mit der Zeitung in Ruhe machen!"

"Wenn Millie dich anschließend in deine Einzelteile zerlegen soll, Béatrice. Solange sie das kann wird sie Clarimonde selbst säugen. Da war und ist sie ganz eigen." Béatrice nickte. Ja, das wusste sie wohl auch ganz gut.

Millie war jedoch nach nur einer halben Stunde wieder da. Clarimonde hatte in der Zeit nicht gequängelt oder geschrien.

"So, wir sind sicher die ersten, die mit dieser Schreckensmeldung herauskommen, Monju. Aber das ist das Los der Berichterstatter, dass sie nicht nur die schönen Sachen weitersagen dürfen", seufzte Millie., als sie neben Julius im gemeinsamen Ehebett lag.

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Er wollte hier nicht sein. Doch was immer seine Reisen im Schlaf lenkte hatte ihn als unsichtbaren und körperlosen Beobachter in dieses große Zelt gebracht, wo gerade viele seiner Landsleute und vor allem eine Mannschaft zusammensaßen. "Ich bin hochzufrieden mit euch allen, Jungs und Mädels", sagte die in ein blaues Seeschlangenlederkleid mit weißen Sternen gehüllte Phoebe Gildfork oder besser jene Doppelgängerin, die sie in der Öffentlichkeit vertrat. Selbst Peru, Australien und England werden uns jetzt nicht mehr gefährlich. Aber ihr müsst euch an allels halten, was wir vereinbart haben. Nur dann können wir den Pokal mitnehmen."

"Und Sie glauben nicht, dass doch noch ein Heiler was rausbekommt", wollte Morton Baker, einer der jungen Jägertalente wissen.

"Wie erwähnt, Morton. Haltet euch immer an das, was vereinbart wurde. Dann kriegen wir den Pokal."

"Aber wenn die nächsten, die wir rauswerfen auch wieder eine vollständige Prüfung von unserem Blut, unseren Ausscheidungen und wieder Haarsträhnen von uns verlangen, Mrs. Gildfork? Denken Sie bitte daran, dass das, was sie und wir vereinbart haben, nur solange gelingt, wie wir genug Blut in den Adern haben", sagte Douglas McDonald und erhielt ein zustimmendes Nicken der nordamerikanischen Ureinwohnerin Lucinda Strikinghawk und der Treiberin Kelly Grumman.

"Das bißchen Blut, dass sie euch abnehmen ist zu wenig, um euch zu gefährden", sagte Phoebes Doppelgängerin. "Doch nicht mehr davon. In spätestens einer Minute soll ich für den Herold, den Westwind und alle möglichen unaussprechlichen Zaubererweltzeitungen ein Interview geben. Dafür muss ich gleich aus dem Mannschaftshaus in den Presseraum. Ihr werdet wie besprochen keine Interviews geben, bis wir wieder in den Staaten sind. Schlaft gut und bleibt bloß in euren Unterkünften, auch wenn diese VM-Banditen es bisher nicht auf die Mannschaftsquartiere abgesehen haben. Denn wenn ihr von dem Zeug erwischt werdet ist der Pokal gefährdet und damit auch die sehr großzügige Zahlung an jeden von euch."

"Denken Sie, ich wollte rumlaufen wie diese Muggelfrau Nancy Gord... Öhm, Unittamo?" stieß Taffy Rockwell, die Cousine der Treiberin Kelly Grumman verächtlich aus.

"Oder wie ich, Taffy?" fragte Phoebes Doppelgängerin bewusst herausfordernd. "Sie haben sich Ihren stolzen Körper doch redlich erarbeitet", erwiderte Taffy Rockwell darauf. Das konnte und wollte Phoebes Doppelgängerin so hinnehmen, auch wenn sie wusste, dass es die pure Heuchelei war.

Wie an einer dehnbaren Leine angebunden wurde der unsichtbare Beobachter hinter Phoebes Doppelgängerin hergezogen, nachdem sie allen und vor allem dem jungen goldblondgelockten Donovan Maveric noch ein anerkennendes Lächeln geschenkt hatte. Er wollte sich von ihr absetzen, in den warmen, friedlichen, wenn auch langsam viel zu engen Schoß Ianshiras zurück. Doch irgendwas zog ihn hinter dieser Doppelgängerin, diesem fleischgewordenen Betrug an der Zaubererwelt her. War das eine Strafe, weil sein früheres Ich Silvester Partridge sich in deren Machenschaften eingemischt hatte?

"Ich weiß, du würdest gerne diesen kleinen Lockenkopf dazu kriegen, dich hautnahe kennenzulernen, meine liebe Vorzeigeschwester. Aber damit musst du warten, bis das Turnier gelaufen ist. Wir müssen diesen Pokal haben, damit unsere Landsleute uns wieder vertrauen und vor allem uns beiden wieder mehr Freiheiten gewähren", hörte Tondarammayan die Gedankenstimme der in eine Zwillingsschwester Phaetusas verwandelten wahren Phoebe Gildfork.

"Der Kleine ist zu süß, um ihn unvernascht nach Hause fliegen zu lassen", bekam der unfreiwillig lauschende Beobachter die Antwort von der Doppelgängerin mit.

"Luna alta! Du darfst ihn dir nehmen und genießen, wenn er für uns den Pokal gewonnen hat, meine Vorzeigeschwester. Aber lass ihn und dich dann erst einmal wieder zurück nach Hause reisen. Luna nova! Bis dahin werden die mir aufgedrängte Schwester und ich geklärt haben, ob wir weiterhin zusammenbleiben oder sie ihres und ich wieder meines Weges ziehe, wenn ich weiß, wie ich sie davon abhalten kann, uns zu verraten, nachdem wir unsere Kinder bekommen haben."

"Ich tue, was du mir sagst, meine Ursprungsschwester, gedankensprach die Doppelgängerin sichtlich unterwürfiger als zuvor. Der sie unsichtbar verfolgende hatte sehr wohl mitbekommen, dass die ursprüngliche Phoebe Gildfork offenbar gedachte Schlüsselwörter gebraucht hatte, um ihren Befehl, den kleinen blonden Sucher erst einmal in Ruhe zu lassen, unumstößlich zu machen. Selbstverständlich musste die ursprüngliche Phoebe eine solche Sicherung in ihre Doppelgängerin eingewirkt oder von dem, der sie erschaffen hatte eingeprägt bekommen haben, um sie nicht gegen sich selbst verwendbar zu machen.

Nun betrat sie den Presseraum der US-Amerikanischen Mannschaftsvertretung. Tatsächlich waren schon alle da, die für ihre Zeitungen, Sportmagazine oder magischen Radiosender berichten wollten. Sofort fielen ihr die kaffeebraune Linda Knowles und der mit einer rotblonden Stoppelhaarfrisur verzierte Gilbert Latierre auf. Dann war da noch Livius Porter, der trotz des achso tragischen Todes seiner für die selbsternannte Zaubererweltschutztruppe Laveau-Institut tätigen Frau immer noch selbst an die wichtigsten Austragungsorte von Quodpot und jetzt auch Quidditch verreisen musste. Der ihr unfreiwillig nachgefolgte Tondarammayan konnte immer noch jeden Gedanken der Doppelgängerin hören, die wohl wirklich so dachte und fühlte wie die echte Phoebe Gildfork.

Er hörte noch mit, wie stolz und erfreut sie war, dass die US-Truppe den amtierenden Weltmeister aus dem Turnier geworfen hatte. Sie wandte sich kurz an die beiden französischen Mitschreiber und sagte: "Tja, den Titel im eigenen Land zu gewinnen war sicher schön. Aber es war eben einmalig. C'est la Vie, wie sie bei Ihnen sagen, die Herren aus Frankreich."

"Das war jetzt schon das dritte mal, dass Ihre Mannschaft sich nach dem Spiel einer körperlichen und ausrüstungstechnischen Überprüfung unterziehen musste. Wie empfand die Mannschaft diese Prozedur?" wollte Livius Porter wissen.

"Ich habe mit den jungen und Mädchen gesprochen, Livius und mir versichern lassen, dass keiner von denen einen Grund zur Besorgnis hat", erwiderte die falsche Phoebe. "Andererseits empfinden wir, die wir diese hervorragende Mannschaft betreuen, es als gewisse Missachtung des sportlichen Miteinanders. Peru ist nur einmal einer Prüfung unterzogen worden, nämlich nach dem Spiel gegen Italien, obwohl die Mannschaft um Bocafuego genauso überragende Spiele gespielt hat wie unsere Mannschaft. Aber offenbar traut man uns mehr schlechtes als gutes zu. Doch das wird uns nicht davon abhalten, um den Weltmeistertitel mitzuspielen, Ladies and Gentlemen. Denn nun, wo wir die haushohen Favoriten geschlagen haben und die anderen Favoriten sich entweder gegenseitig aus dem Turnier warfen oder noch wichtige Spiele vor sich haben sind wir sehr zuversichtlich, dass Sie alle unsere Mannschaft im Finale erleben werden, ja dass der Pokal eindeutig nach Amerika wechseln wird. Oder möchte hier und jetzt jemand einwerfen, dass wir immer noch zu großspurigg seien?"

"No Señora Gildfork, die Copa geht schon nach Amerika", erwiderte der Vertreter der peruanischen Zaubererweltpresse. "Aber er wird kurz vor New York nach Süden abbiegen, den Ecuador überqueren und dann unter viel Jubelgesang in die Casa de las Glorias in Lima hineingetragen werden."

"Ich denke nach wie vor, dass er zunächst durch die Zaubererviertel von New York und dann durch die Zauberersiedlungen der vereinigten Staaten reisen wird, um dann in der Abraham-Peasegood-Halle der Triumphe zu schlafen, bis wir ihn in vier Jahren nach Indien mitnehmen und dort verteidigen werden", sagte die falsche Phoebe und dachte: "wenn ich einen Ersatz für Maveric gefunden habe." Doch nur Tondarammayan bekam es mit. Dann verlor der Raum um ihn Helligkeit und Weite und er fand sich fast übergangslos wieder dort, wo mit lautem Pochen Ianshiras großes Herz für ihn mitschlug.

"Na, du bist wieder wach, mein sehnsüchtig erwarteter Nachkomme", hörte er Ianshiras Gedankenstimme in sich. So fragte er, warum er hinter dieser nachgemachten Untäterin hergezogen worden war, deretwegen Silvester nicht mehr sein konnte, wie er war. "Weil er und sie ihre Leben miteinander verwoben haben. Er hat ihre Machenschaft beendet, einen von ihr lenkbaren Hüter der Ordnung zu führen und sie hat sein Leben verändert, indem sie ihn ihren wahren Freunden ausgeliefert hat und die Botin von uns ihn von dort wegholen musste, damit er nicht zu viel Begierden weckte", erwiderte Ianshira mit unüberhörbarem Tadel im Tonfall. Tondarammayan sah es ein, dass Silvester Partridge wirklich Schuld hatte, dass sein Leben und das von Phoebe Gildfork nicht mehr so weitergehen konnten wie bisher.

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Welcher Tag war wusste er nicht. Dort, wo er jetzt schon so lange war war es schwer, die Tage zu zählen. Jedenfalls begann es damit, dass er woanders war. Zuerst fand er sich in einem behaglich eingerichteten Raum mit brennendem Kaminfeuer und sonnengelben Kristallsphären. Eine blondhaarige Frau saß mit gespreizten Beinen auf einem niedrigen Stuhl, dessen Sitzfläche vorne ausgeschnitten war, so dass ihr bloßer Unterleib frei zugänglich war. Vor ihr kniete eine hochgewachsene Hexe mit schwarzem Haar und gab der sichtlich gerundeten Anweisungen. Tondarammayan, der in den letzten ungezählten Tagen immer zwischen dem Zustand des ungeborenen Kindes und eines körperlosen Beobachters gewechselt war, bekam mit, wie die blonde Frau unter großen Schmerzen erst ein kleines Mädchen aus sich hinauspresste, das sie Maya Abigail Unittamo nannte, die Namen zweier Urgroßmütter. Die dunkelhaarige Frau, die der Gebärenden beistand scherzte: "Sie wollte doch keine kleine Schwester sein." Dann drängte erst Lemuel Enrique und danach dessen Drillingsbruder Howard Elroy Unittamo ans Licht der Welt. Als der unsichtbare Beobachter mitbekommen hatte, dass alle drei von ihm schon häufiger besuchten Kinder nun lautstark schreiend im freien waren wurde er von einem bunten Farbenwirbel ergriffen und in einen anderen Raum geworfen, wo er die Ankunft von zwei weiteren kleinen Mädchen, Claudia und Chloris McGuire, mitverfolgen konnte. Dann wurde er von diesem Farbenwirbel wieder durch den Raum geschleudert um bei einer Vierlingsgeburt zuzusehen. die Frau, die diese vier Kinder bekam kannte er aus Silvesters Erinnerungen. Das war Venus' Großtante mütterlicherseits, die ebenfalls bei jener Feier dabei war, die die großen Menschen Halloween nannten. Dann geriet er zum letzten mal in jenen bunten Wirbel, um sich in einem Raum wiederzufinden, in dem gerade die silberhaarige Heilhexe Eileithyia Greensporn einer weiteren Frau half, gleich vier Kinder auf die Welt zu bringen. Dann fing ihn ein dunkler Schacht ein. Er hörte Ianshira dumpf um sich herum aufstöhnen und fühlte, wie etwas ihn von allen Seiten zusammen drückte und dabei irgendwie nach unten schob. Also war er nun selbst an der Reihe.

Die Angst vor dem, was alle die Welt nannten wühlte ihn auf. Er war doch bei ihr so gut untergebracht gewesen. Wieso wollte sie ihn nicht mehr bei sich haben. Doch jeder Versuch, sie zu erreichen misslang. Das machte ihm noch mehr Angst. Er fühlte, wie er unrettbar in einen engen Durchlass gezwengt wurde. Er kämpfte dagegen an, in dem er sich halb zur Seite drehte. Doch dadurch geriet er erst recht in jenen vfiel zu engen Durchgang. Jetzt wusste er, dass er nicht mehr bei ihr bleiben würde. Da sah er das Licht und fühlte, wie sein Kopf freikam. Dann wurde unter drei letzten kräftigen Stößen sein ganzer Körper hinausgedrückt. Übergroße Hände fingen ihn auf. Er fühlte den Drang, Luft zu holen. Er versuchte einzuatmen und schaffte es erst im zweiten Ansatz. Dann schrie er seine ganze Angst und Enttäuschung hinaus ins Licht.

"Da ist dein Sohn, Ianshira. Jetzt kennst du es, wie sich das anfühlt. Ich mach ihn von dir los und überlasse ihn dir", sagte eine andere Frauenstimme. Tondarammayan schlug mit seinen Armen um sich. Er zerteilte dieses viel zu dünne, viel zu kalte Zeug. Doch das machte nur, dass die beiden anderen lachten.

"Wohl wahr, Madrashmironda, jetzt verstehe ich, warum du dir diese Qualen immer wieder angetan hast. Wenn auch das andere gelingt, was du mir vorgemacht hast, dann werde ich es gerne noch einmal aushalten, sollte jemand so ungeduldig sein, von mir gleich alles Wissen der Lichtfolger erlernen zu müssen."

"Willkommen in unserer großen Welt", hörte Tondarammayan eine andere Stimme, die eines nnoch sehr jungen Menschen in seinem Kopf. "Genieße es, dass du groß werden darfst. mir haben diese beiden Mitternachtsschwestern diese Möglichkeit verdorben. Aber wenn du doch mal wen brauchst, mit dem du dich über das Leben als Säugling und Kleinkind austauschen möchtest bin ich gerne für dich erreichbar."

"Er wird bei und von mir lernen, was er wissen will und wissen muss, Madrashtargagayan", hörte er die Stimme derer, die ihn mit großer Anstrengung in diese weite, laute, helle Welt hinausgestoßen hatte. Tondarammayan wusste nicht, ob er was dazu denken konnte. Doch im Moment tat ihm sowieso nur der Kopf weh, und er schrie immer noch, auch dann, als er ihr auf den warmen Bauch gelegt wurde. Erst dann beruhigte er sich. Er war wieder auf der Welt. Mit dieser Erkenntnis kehrten wieder Erinnerungen an den zurück, der er früher war, als er schon einmal groß gewesen war. Wie lange würde das dauern, bis er wieder so groß war wie damals, vor einer Zeit, die er nicht mehr erfassen konnte?

ENDE

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