GALERIE DES GRAUENS

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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© 2004 by Thorsten Oberbossel

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P R O L O G

Eine aufregende Zeit hat der junge Zauberschüler Julius Andrews in dem bald vollendeten Schuljahr in der Beauxbatons-akademie in Frankreich hinter sich. Er ist Mitglied der Pflegehelfertruppe, die aus in magischer Heilkunst grundausgebildeten Schülern besteht, durfte in der Quidditchmannschaft seines neuen Zuhauses, dem grünen Saal, mitspielen, verlebte vier außergewöhnliche Tage an der Seite der Ministertochter Belle Grandchapeau, während der er zusammen mit ihr und allen, die zum trimagischen Turnier in Hogwarts waren zu einer geheimen Gruppe, der Sub-Rosa-Gruppe beitrat, die sich mit den Vorgängen in Hogwarts beschäftigte. Die ältere Mitschülerin Constance Dornier wird von einem Klassenkameraden unabsichtlich schwanger. Julius betreut sie mit den anderen Pflegehelfern bis zur Geburt ihrer Tochter Cythera. Außerdem nähern er und Claire Dusoleil sich weiter an, was besonders bei der Walpurgisnachtfeier in Beauxbatons allen klar wird. Das katzenartige Zauberwesen Goldschweif aus der schuleigenen Tierzucht erwählt sich den neuen Beauxbatons-Schüler als menschlichen Vertrauten, von dessen Seite sie nicht weichen möchte. Merkwürdigerweise scheint ihr Claire jedoch nicht zu behagen.

Die Bedrohung der Zaubererwelt durch den dunklen Lord Voldemort wird durch die Flucht von gemeingefährlichen Askaban-Häftlingen zumindest in Frankreich sehr ernstgenommen. Doch der dunkle Magier schlägt nicht offen zu.

Über ein Vollportrait seiner in Australien lebenden Bekannten Aurora Dawn, die ein gemaltes Abbild von sich auch in Hogwarts besitzt, wird Julius von einer höchst alarmierenden Begebenheit unterrichtet. In Hogwarts' Bilderwelten tauchen grüne Wurmwesen auf, die sich um die Hälse gemalter Menschen wickeln und deren Willen unterdrücken. Julius erfährt von einer düsteren Hinterlassenschaft des aus Hogwarts verstoßenen Gründers Slytherin und fragt sich voller Angst, ob diese Brut sich auch in die wirkliche Welt ausbreiten kann.

Der Zaubereiminister Grandchapeau fragt ihn, ob er es wagt, mit einem mächtigen Zaubergegenstand, dem Intrakulum, direkt in die gemalten Welten hinüberzuwechseln und den Ursprung der beängstigenden Situation zu ergründen. Nach einer gründlichen Vorbereitung und der Aushändigung mächtiger Schutzgegenstände wagt er den Sprung in die andere Welt. Er nimmt Goldschweif dabei mit, weil es ihm geraten wurde. In der Bilderwelt angekommen erfährt er, daß das Zaubertier mit ihm sprechen kann, solange es mit ihm in der gemalten Welt verbleibt. Im Quidditchspielerbild Aurora Dawns in Hogwarts setzt er eine mysteriöse Gliederkettenhaube aus uralter Zeit auf, die ihn für genau fünf Stunden gegen geistige Beeinflussungen aller Art immun machen soll, aber nach Ablauf der Frist langsam zum Wahnsinn führen mag. Julius erkennt, daß dieses Abenteuer ihn töten oder verrückt machen kann. Dabei hat es noch nicht einmal begonnen.

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"Wir müssen uns vor denen aus den anderen Mannschaften verstecken", flüsterte das junge schwarzhaarige Mädchen im blauen Spielerumhang, hinter dem Julius nach einem phantastischen Flug durch einen farbigen Zwischenraum gelandet war. Der Beauxbatons-Schüler nickte. Das Knieselweibchen auf seiner Schulter krallte sich im Stoff seines Umhangs fest und beschwerte sich über diese Fliegerei. Schnell flog die junge Quidditchspielerin Aurora Dawn auf einen leicht flirrenden Punkt schräg unter sich zu. Schwupp, stießen sie durch weichen Widerstand in einen hellen bunt schillernden Tunnel wie aus von innen leuchtendem Glas. Keine Sekunde später durchstießen sie einen anderen Widerstand und schwebten über einem anderen Quidditchfeld, auf dem gerade nichts los war. Die Mannschaft, die hier ständig spielte, lag am Rand und schlief, die Besen neben sich.

"Haben die schon den Wurm?" Fragte Julius ängstlich flüsternd. Die junge Aurora Dawn schüttelte den Kopf.

"Siehst du nicht die grünen Umhänge. Das sind die Slytherins aus 1978. Denen werden die diesen gemeinen Wurm nicht anhängen. Aber von den Gryffindor-Mannschaften hat's bereits zwei erwischt. Ich suche uns den schnellsten Weg zu einem unbewohnten Bild", flüsterte sie und bog nach links ab. Julius konnte die mächtige Schwärze hinter sich gerade noch erkennen. Dort war der Durchblick in die natürliche Welt, die für ihn im Moment weiter fort war als die nächste Nachbargalaxis von der Erde. Schwupp! Wieder ging es durch einen bunten Leuchtglastunnel. Schwapp! Sie flogen nun durch einen Mittelalterlichen Burgsaal. Julius suchte schnell die durchsichtige Trennwand vom Bild zur echten Welt. Sie lag nun vor ihnen. Unter sich räkelte sich gerade eine Frau in Rüschenkleid und kleinem Spitzhut, wie er für Hexen typisch war. Doch bevor die Bewohnerin des Bildes sie bemerkte, flogen sie bereits durch einen Durchgang links oben hinaus. Julius faszinierte das, wie schnell die Reise durch die Bilder auf einem Besen ging. Goldschweif, die Knieselin, maulte im Moment nicht. Vielleicht hatte sie erkannt, daß leise zu sein im Moment besser als alles andere war.

Zehn Bilder weiter, mindestens drei Stockwerke tiefer, fand Aurora Dawn eine freie Landschaft, die einer Bergwiese nachempfunden war. Sie landete in der Nähe eines munter plätschernden Baches. Julius saß vom Besen ab und ging an das Weltenfenster, wie er es in Gedanken getauft hatte. Er blickte hinunter und sah eine Reihe von Waschbecken, über denen Spiegel angebracht waren im Mondlicht schimmern. Er ging an den linken Rand und erkannte die Türen, die zu Toilettenkabinen führten.

"Das ist das Mädchenklo im ersten Stock, wo die maulende Myrte wohnt, Julius. Die haben hier vor einem Monat diese Bergwiese hingehängt, weil die Umbridge ein Gemälde mit blöden Katzen unbedingt auf dem Weg zu ihrem Büro haben wollte. Filch hat dann die Bergwiese hier hingehängt. Kuck, da ist Myrte!"

Julius kniete sich hin, um aus dem Bild nach unten sehen zu können. Ein mürrisch dreinschauender Geist eines dicken Mädchens mit Brille schwebte gerade aus der hintersten Kabine, ohne die Tür öffnen zu müssen. Das Geistermädchen glitt in einem halben Meter über den stumpfen fleckigen Bodenfliesen auf die Tür zu und verschwand dadurch aus dem Kloraum.

"Sie hat sich nicht einmal umgesehen, ob wer hier oben ist", flüsterte Julius.

"Ihr ist alles egal, solange man sie in Ruhe lässt, Julius. Mein echtes Ich hat sie einige Male besucht, aber nur trübseliges Gejammer von ihr hören müssen. Interessiert mich auch nicht, wo die jetzt hin will. Aber was machen wir jetzt genau?"

"Hmm, du sagtest was von einem Zwerg, der diese grünen Würmer verteilt, Aurora. Der wird wohl wissen, wo er die Dinger hernimmt. Dann versuch ich, die Brutstätte auszuräuchern oder sowas. Mehr kann ich eh nicht tun."

"Du willst den Zwerg suchen? Sei lieber froh, wenn er dich nicht zuerst findet!" Erschrak Aurora Dawn. "Ich hab' das zweimal gesehen, wie der Leuten diese widerlichen Würmer um den Hals gehängt hat. Einmal hat er dieses Vieh sogar geworfen, um jemanden zu erwischen. Wenn der von hinten kommt ..."

Goldschweif zitterte auf einmal. Julius ahnte, daß die Knieselin eine Gefahr spürte. Tatsächlich sagte sie, die nun wie eine Menschenfrau zu ihm sprechen konnte: "Gefahr, Julius! Böses Flugwesen von oben! Macht mir Angst!"

Julius sah sofort nach oben. Er hielt seinen Zauberstab kerzengerade hoch und blickte die den echten Nachtsternen empfundenen Lichter über sich an. aus einem schillernden Lichtring, der sofort wieder verschwand, tauchte ein Geschöpf auf, das Julius ebenfalls einen heftigen Angstschauer durch den Körper jagte. Es besaß einen dunkel und hell geringelten Schuppenpanzer und sechs Glieder, die aber wie menschliche Arme aussahen. Der Kopf schien menschlich, von den gruselig glimmenden Facettenaugen und den mindestens einen Meter langen behaarten Fühlern abgesehen. Seine zwei Flügelpaare surrten wie die Propeller eines Sportflugzeugs. Das Geschöpf besaß an jedem der vier Arme je fünf klauenartige Finger. Seine Beine wirkten wie knorrige Wurzeln mit je fünf langen Greifzehen. Es besaß einen abgerundeten Hinterleib. In der oberen rechten Hand hielt es etwas wie eine Fangschlinge am Stock.

Julius starrte eine Sekunde auf das Ungetüm, das zielgenau auf sie herabsurrte. Dann jedoch reagierte er rasch. Er wußte, daß gepanzerte Kreaturen nicht so einfach mit Lähm- oder Schockzaubern ausgeschaltet werden konnten. Töten durfte er es auch nicht, weil es durchaus menschliches Bewußtsein haben mochte. Doch er kannte zwei Fangzauber, die nicht in ein gegnerisches Geschöpf eindringen mußten.

"Reticum!" Rief er, den Zauberstab auf das fliegende Monster gerichtet. Als jenes Insektenwesen gerade mit dem Fangstock ausholte, um Aurora die feine Drahtschlinge um den Leib zu werfen, schoss ein dünner faden aus Julius' Stab, der sich im Flug zu einem feinmaschigen Netz ausspannte, das dem Ungeheuer um alle sechs Arme und Beine flog. Der Junge aus der natürlichen Welt ließ den Stab einmal kreisen, sodaß das Netz sich sofort zusammenzog und das schreckliche Wesen einschnürte. Der Faden löste sich vom Zauberstab und schlang sich von allein zu einem festen Knoten, der das Netz zusammenzerrte, bis das Unwesen vollends gefesselt herabstürzte. Aurora und Julius mit Goldschweif auf der Schulter sprangen zurück, bevor das Monster sie treffen konnte.

"Was ist das?" Fragte Aurora Dawn, als das gefangene Insektenwesen wild mit den zusammengebundenen durchsichtigen Flügeln zuckte und surrte. Dann Erklang eine zischende aber durchaus menschliche Stimme aus dem schuppigen Mund des gefangenen Geschöpfs.

"Gib mich sofort frei, du Wicht! Ich bin ein treuer Diener von Magister Slytherin und muß meine Arbeit tun. Gib mich sofort wieder frei!"

"Wer bist du?" Fragte Julius, dem die Abscheu vor diesem Wesen ins Gesicht geschrieben stand.

"Ich bin vierter von zwölf, fliegender Sammler für Magister Slytherin. Wer bist du, Menschling?"

Julius erinnerte sich noch gut daran, daß er in der gemalten Welt nicht seinen richtigen Namen sagen sollte. Nur Aurora Dawn durfte wissen, daß er in dieser Welt völlig fremd war. Er sagte:

"Ich bin Nihilius Nemo. Mehr mußt du nicht wissen. Ist Slytherin wirklich wiedergekommen?"

"Gib mich sofort frei! Oder meine Gefährten werden dich fangen und peinigen", zischte das gefesselte Monster. Julius konnte beim besten Willen nicht heraushören, ob es eine männliche oder weibliche Stimme sein mochte. Er wollte es eigentlich auch nicht wissen. Denn das Wesen da war zu graußlich, um für ihn interessant zu sein. "Vierter von zwölf". Julius mußte trotz der Abscheu vor diesem Wesen grinsen. Also funktionierten diese Biester auch wie echte Schwarminsekten, die keine Einzelwesen waren, sondern nur selbständige Teile des Staates. Madame L'ordoux hatte es ihm und den Dusoleils haarklein erklärt, was eine Bienenstockgemeinschaft zusammenhielt.

"Komm, wir machen uns weg, bevor dieses Monster da seine Artgenossen herruft", zischte Julius Aurora zu. Diese schwang sich auf ihren Besen. Julius saß hinter ihr auf. Auf französisch flüsterte er Goldschweif zu, sich wieder gut festzuhalten. Die Knieselin sprang von seiner Schulter auf den Besen und umklammerte ihn. Aurora Dawn startete durch, gerade als Goldschweif laut vor weiteren bösen Flugwesen warnte. Die junge Aurora Dawn schlug sofort einen Kurs ein, der von den ankommenden Monstern fortführte. Sie rasten durch vier Bilder in Folge, bis sie ein weiteres unbewohntes Bild fanden.

"Das ging aber gerade noch mal gut", seufzte Aurora, als sie wieder gelandet waren. "Ich habe diese Biester vorher nicht gesehen. Was sind das für Monster, Julius? Oder soll ich besser auch Nihilius zu dir sagen?"

"Wenn andere uns hören können schon, Aurora. Professeur Faucon hat von Mischwesen aus Bienen und Menschen gesprochen, die Sardonia damals nach alten Vorgaben geschaffen hat. Slytherin hat die wohl auch schon gekannt. Ich vermute, die sind wie die Würmer erst gestern aufgerufen worden. Nette Tierchen, echt!" Sagte Julius. Mit Aurora Sprach er hier Englisch. Doch zu Goldschweif sagte er auf Französisch:

"Danke für deine Warnung, Goldi! Der oder die hätte uns fast erwischt." Dann sagte er wieder auf Englisch: "Soviel zur Traumreise, Aurora. Jetzt hab' ich's begriffen, daß wir hier keinen Spaß kriegen werden."

"Dieses Biest sagte, Slytherin sei wiedergekommen. Dann stimmt das wirklich, was Dumbledore und deine Hauslehrerin gesagt haben. Er hat sich selbst gemalt und hier versteckt. Jetzt ist er wieder da. Julius, das wird nicht gut gehen. Du solltest sofort wieder zurück, wie ich! Wir schaffen den nicht!"

"Wir müssen nicht gegen ihn kämpfen. Wir sollen nur das mit den Würmern klären", sagte Julius. Sicher wußte er, daß er im direkten Kampf mit dem Gründer von Slytherin keine Chance hatte. Selbst die ganzen Flüche und Gegenflüche, die er schon konnte, würden eine Niederlage nur hinauszögern. Aber er wußte auch, und gerade das ärgerte ihn ja so sehr, daß es nun kein Zurück mehr gab. Wenn Slytherin wirklich ...

"Tote Menschen von Hinten!" Warnte Goldschweif. Julius fuhr herum. Tatsächlich stampften zwei über zwei Meter große menschenähnliche Gestalten heran, die gerade in das Bild mit der kargen Felslandschaft eingetreten waren, in dem sie sich aufhielten. Julius erkannte sie sofort als Golems, jene künstlichen Kreaturen, die aus Erde und Blut geformt und mit starken Zaubern zum Leben erweckt wurden. Er hatte auch gelernt, welche Arten es gab und wie man sie zurücktreiben konnte. Nein, er konnte sie sogar vernichten, fiel es ihm ein. Professeur Faucons Blitzschulung per Memorextraktion hatte ihm diese besondere Fertigkeit vermittelt. Doch durfte er ...?

"Einfangen!" Dröhnte die hohl klingende Stimme des linken der beiden. Der zweite Golem polterte vor. Julius zögerte nicht lange. Golems waren keine Lebewesen, und Vernunft besaßen sie auch nicht. Das waren Roboter, mit Magie betriebene und programmierte Roboter.

Laut und beschwörend ließ er seine Stimme durch die karge Felsenlandschaft schallen. Er sang eine babylonische Formel her, die aus zehn Einzelwörtern bestand, die in drei Wiederholungen in bestimmter Weise umgestellt werden mußten. Während er sprach ließ er den Zauberstab mehrfach gegen den auf sie zustampfenden Golem ausschwingen. Nach der dritten Formel fauchte ein gleißender silbrig-blauer Strahl aus dem Zauberstab, der den Golem im vollen Lauf am Unterleib traf und sich wie eine Wasserstoffflamme durch Butter hineinfraß. Das Monster schrie nicht oder zeigte irgendwelches Schmerzverhalten. Es kam noch auf Julius zu. Doch von einer Sekunde zur anderen glühte es von innen her dunkelviolett, dann strahlendblau, dann grell weiß und zerplatzte mit dumpfen Knall in einer Wolke aus weißem Dampf und Ruß.

Julius fühlte, wie dieser Zauber seinen Körper heftig belastet hatte. Doch kaum daß der Golem vernichtet war, pulsierte frisches Leben in seinen Gliedern. Der Trank, den er vorher getrunken hatte, kämpfte die Erschöpfung sofort nieder und hielt ihn so wach wie er sein konnte.

Der zweite Golem stampfte vor, um das zu tun, was sein Bruder nicht geschafft hatte. Julius sang erneut die alten Worte her, diesmal noch entschlossener, noch schneller sprechend. So traf der zerstörerische Lichtstrahl ihn eine Sekunde früher als es bei seinem Ebenbild möglich war. Tatsächlich glühte er noch intensiver auf und zerbarst schneller zu jener Wolke aus Ruß und Dampf. Wieder fühlte Julius sich ausgezehrt. Wieder hielt der eingenommene Trank sofort dagegen. Der Schüler aus Beauxbatons rechnete durch, wie oft er sowas machen konnte, bevor der Trank nicht mehr wirkte. Er wußte, daß jede Vollerschöpfung in der Wirkungszeit eine Stunde pro sechs Stunden Schlafbedürfnis an der Gesamtwirkungszeit fraß. Er hatte nun also noch zweiundzwanzig Stunden, die ihn der Trank hellwach halten konnte.

"Das müssen wir aber nicht so oft durchziehen", dachte er. Goldschweif kniff ihm sacht mit den Schneidezähnen ins linke Ohr und zischte leise:

"Guter Kämpfer! Die zwei Kraftwesen sind ganz weg."

"Die gibt's also auch hier", meinte Julius zu Aurora und meinte die Golems. Aurora Dawn nickte.

"Slytherin war berüchtigt, sich mehrere Wächter und mindestens zwei Mördergolems zu halten, bevor er Hogwarts gründete. Als er wieder fortging, hat er diese künstlichen Kreaturen wohl wieder als Diener genommen. Soll ich dich zurückbringen?"

"Aurora, das geht nicht mehr. Ich will auch nicht hierbleiben. Aber wenn wir diese Würmer nicht kaputtmachen haben wir die in der echten Welt übermorgen auch. Ich muß diese Brutstätte finden. Die Frage ist nur, wo ich suchen soll. Wo wird sich Slytherin sein Versteck gesucht haben?"

"Wohl da, wo seine blöden Nachläufer wohnen, Julius", flüsterte Aurora. Goldschweif knurrte leise:

"Ich höre ein niederes Weibchen draußen vor der durchsichtigen Wand."

Julius warf sich auf den Boden. Mit dem "niederen Weibchen" meinte Goldschweif vielleicht eine normale Katze. Er kannte in Hogwarts eine Katze, der man nach Möglichkeit nicht begegnen sollte, wenn man was verbotenes anstellte. Er hörte zwar nichts von der echten Welt her. Doch Goldschweif machte einen Buckel, als müsse sie sich auf einen Kampf einstellen. Dann entspannte sich das Zaubertier wieder. Julius robbte zum Weltenfenster und sah hinunter. Er konnte Mrs. Norris dürren Körper gerade noch um die nächste Ecke biegen sehen. Dann hörte er das Schnaufen eines Mannes, der schnell herankam. Er sah Mr. Argus Filch, den allseits ungeliebten Hausmeister von Hogwarts, der seiner Lieblingskatze hinterherkeuchte wie eine alte Dampflokomotive unter Volldampf. Als Julius das sah und hörte, fiel ihm nur ein Wort ein: "Peeves" Sicher trieb der Poltergeist von Hogwarts irgendwo sein Unwesen. Julius fragte sich, ob er nicht die Mitglieder der Peeves-Patrouille suchen sollte, um ihnen irgendwas zu sagen, wie sie mit dem Unruhegeist umspringen sollten. Doch er wußte, daß dies nicht ging. Niemand sollte wissen, daß er gerade in der gemalten Welt herumspazierte.

"Weißt du, wo die Bilder in Slytherin hängen?" Fragte Julius Aurora. Diese nickte, sagte dann jedoch:

"Es gibt nur zwei Bilder da, Julius. Eines hängt im Gemeinschaftsraum und zeigt vier alte Zauberer, die mal selbst in Slytherin gewohnt haben. Das zweite Bild hängt über dem Bett dieses Draco Malfoy, der sich als Herr der fünften Klasse aufspielt und immer mit seinem Vater angibt."

"Mit dem Verbrecher", fügte Julius hinzu. "Warst du da mal, als das mit den Würmern losging?" Fragte er noch.

"Bin ich verrückt? Was will ich in Slytherin. Die kerle von da waren mir schon immer zu überdreht, und die Mädchen eingebildete Puten oder rauflustige Gören. Wenn ich an Tonya Rattler und ihre Bande denke rollen sich mir heute noch die Fußnägel hoch, Julius."

"Ja, aber irgendwo müssen wir doch ..."

"Gefahr! Böse Fluggeschöpfe von rechts. Kommen zu uns! Die machen mir Angst!" Zeterte Goldschweif. Julius richtete sofort den Zauberstab auf die Stelle, von der aus die bestimmt gemeinten Insektenmonster anfliegen mußten und rief "Flammurus altus!" Dabei ließ er den Stab mit lautem Zischen von links nach Rechts über den Boden schwingen, achtete aber darauf, eine gerade Linie zu beschreiben. Wuff! Mit lautem Krach schoss eine durchgehende Wand aus gelb-orange-roten Flammen auf, die bis an die gemalte Decke reichten. Julius spürte, wie der Feuerzauber seinen Körper wieder auszehrte, jedoch nicht so heftig wie die Vernichtung der Golems. Die Wand aus loderndem Zauberfeuer würde mindestens eine volle Minute bestehen bleiben, wenn Julius mit seinen Gefährten das Bild verließ. Er sah durch die hohen Flammen drei der Mischwesen heranfliegen, hörte ihre surrenden Flügel wie anfliegende Bomber, wie er sie in einem Film über den zweiten Weltkrieg im Fernsehen mitbekommen hatte. Er saß hinter Aurora Auf und flog mit ihr durch einen Ausgang nach unten aus dem Bild. Goldschweif beruhigte sich schnell wieder. Also waren in Flugrichtung keine weiteren Monster.

Sie erreichten ein Bild, wo sieben Hexen auf dem Boden saßen und tranig umherstarrten. Julius brauchte die dünnen giftgrünen Fäden nicht zu sehen, die um die Hälse der sieben gewickelt waren, um zu wissen, daß sie von den grauenhaften Willenswicklern befallen waren. Dennoch wollte er sich jemanden ansehen, der mit diesem Parasiten herumlief. Er drängte Aurora Dawn zu einer kurzen Landung. Sofort erhoben sich die Hexen. Sie taten es jedoch so langsam, als hätten sie bleigefüllte Wäsche am Leib. Julius sah sich eine von den Hexen genauer an und prägte sich ein, wie der Wurm sich tatsächlich mit beiden Enden an ihrem Hinterkopf festgesaugt hatte und wie ein leicht pulsierendes Halsband wirkte. Goldschweif knurrte sehr gereizt. Wahrscheinlich spürte sie die Bedrohung, die von diesen Parasiten ausging, vermutete Julius. Tatsächlich hörte er aus dem Knurren sowas wie "Böse Fadenkriecher" heraus. Doch er hatte nicht viel Zeit, sich auf die Knieselin zu konzentrieren. Die befallenen Hexen kamen langsam aber zielgenau auf ihn zu und kreisten ihn und Aurora Dawn ein. Er zog seinen Zauberstab und schickte in schneller Folge mehrere Flüche gegen die Hexen. Die Langsamkeit, mit der die Versklavten geschlagen waren, bewahrte ihn davor, von einer dieser armen Hexen gepackt zu werden. Die vorletzte zog wie ganz gemütlich einen Weißbuchenzauberstab und rief mit merkwürdig verschlafener Stimme: "Ex-pel-li-ar...!" Die letzte Silbe des Entwaffnungszauberwortes "Expelliarmus" konnte sie jedoch nicht mehr ausrufen, weil sie in derselben Sekunde Julius' Schocker voll traf.

"Die sind nicht so gefährlich", dachte Julius, schränkte sich aber sofort ein, "wenn es nicht mehr als sieben auf einmal sind."

"Das sind alles Ravenclaws, Julius. Jede dieser Hexen hat mal in deinem und meinem früheren Haus gewohnt. Grauenhaft, wie sie sich bewegt und gesprochen haben."

"Das stimmt, Aurora. Deshalb müssen wir den Ofen jetzt ausmachen, bevor das alle hier erwischt und morgen vielleicht schon in anderen Bildergalerien rumgeht. Gut, daß ich im Duelltraining schnelle Fluchserien gelernt habe."

"Ja, aber was sollen wir jetzt machen? Wir können uns nicht durch alle Bilder kämpfen", wandte Aurora ein.

"Deshalb will ich ja wissen, wo Slytherin seine Gemeinheiten versteckt hat. Wir müssen nach Slytherin", entschied Julius. Aurora Dawn murrte zwar, nickte dann aber. So flogen die beiden Menschen und der Kniesel weiter durch die gemalten Welten.

Zwischendurch warnte Goldschweif die beiden Menschen vor den Insektenwesen, die sich langsam in den Bildern von Hogwarts verteilten. Hinzu kam noch, daß die Befallenen sich wohl in mehreren Bildern sammelten. Was mochte das bedeuten?

Als sie in einem Bild ankamen, das einen großen Rittersaal zeigte, in dem vier heftig um die Wette trinkende Zauberer mit zerzausten Haaren und fleckigen Umhängen gröhlten und neben jeder Tonlage sangen, wußte Julius nicht, was er nun tun sollte. Die vier Saufbrüder unter ihnen waren nicht von den grünen Würmern befallen. Also hatte der Verteiler dieser Horrorkreaturen echte Slytherins verschont. Einer der vier zog seinen Zauberstab und richtete ihn nach oben. Laut kreischend sprang Goldschweif von Julius Schulter und flog mit großer Wucht voll ins Gesicht des Zauberers. Dieser schrie tierisch los, als ihm zwanzig scharfe Krallen gleichzeitig durchs Gesicht fuhren. Julius hingegen hatte nun selbst seinen Zauberstab in der Hand und feuerte den Ganzkörperklammerfluch gegen einen der Zecher. Die anderen beiden rissen ihre Zauberstäbe heraus und riefen unterschiedliche Angriffsflüche. Julius streckte seinen Zauberstab vor und rief: "Protego!" Er fühlte, wie etwas aus der linken verschließbaren seitentasche seines Umhangs wie ein Schauer warmes Wasser in seinen Körper schoss, als eine unsichtbare Mauer um ihn und Aurora Dawn entstand. Krachend prallten beide Flüche an den so geschaffenen Schild. Einer davon, ein Furnunculus-Zauber, schwirrte zu seinem Absender zurück und erwischte ihn ungedeckt im Gesicht. Der zweite Fluch, ein Invalidus-Fluch, zersprühte in blauen Funken am Zauberschild. Julius griff mit einem Fluch an, den ihm Professeur Faucon vor der Abreise noch beigebracht hatte. Heulend schnellte ein goldener Blitz gegen einen der noch unverletzten Zauberer und ließ ihn zu einer gallertartigen Gestalt werden, die gerade so noch menschenähnlich war, aber nun wie aus braunem Pudding geknetet aussah. Dieser Fluch würde ohne Umkehrung einen vollen Tag vorhalten, wußte Julius durch die Blitzschulung. Den vierten Zauberer warf er mit "Murattractus" an die ihm am nächsten liegende Wand und klebte ihn dort mit Kopf und Gliedern fest wie eine Fliege am Fliegenfänger.

"Goldi, lass den jetzt!" Rief Julius seinem Knieselweibchen zu. Dieses fauchte, knurrte und kreischte immer noch, als es einen der zwei noch stehenden mit Krallen und Zähnen traktierte. Als das katzenartige Tierwesen von dem Mann abließ, heulte dieser dicke Tränen, die sich mit den breiten Blutströmen vermischten, die ihm über das ganze Gesicht rannen.

"Incarcerus!" Rief Julius dem Verletzten zu. Magische Seile schossen aus dem Zauberstab und fesselten blitzschnell den von Goldschweif angefallenen. Der mit den Auswirkungen des Furnunculus-Fluchs kämpfende Zauberer fuchtelte mit seinem Zauberstab herum und feuerte einen silbernen Lichtstrahl ab. Julius hielt diesem Strahl mit "Reflectato" entgegen. Als der silberne Strahl auf zwei Zauberstablängen an Julius heranwar prallte er ab und raste zu seinem Urheber zurück, der daraufhin durchsichtig wurde und erstarrt stehen blieb.

"Fieser Zauber", dachte Julius, bevor ihm klar wurde, daß er wieder einen heftigen Erschöpfungsanfall überstanden hatte.

"Vitricorpus, Julius! Das war der Körperkristallisierungsfluch. Und den hast du abgeschmettert!"

"Die Goldblütenphiole", dachte Julius. Sie hatte ihm bei der Schildzauberei geholfen und bestimmt auch diesen heftigen Fluch abgeprellt. Nun war nur noch der im ganzen Gesicht blutende Zauberer übrig, den Julius gefesselt hatte. Er stieg vom Besen, nachdem Aurora Dawn gelandet war. Schnell ging er auf Goldschweifs Opfer zu und besah sich die Verwundungen. Die andressierte Hilfsbereitschaft der Pflegehelfer veranlasste ihn, sich um den Verletzten zu kümmern. Er erkannte, daß es mit einfachen Heilzaubern nicht getan war. Goldschweif hatte sich mit nie gesehener Wut an diesem Mann ausgetobt. Die Haut hing ihm in blutigroten Streifen vom aufgerissenen Fleisch. Seine Augen waren gerade noch vor schlimmerem bewahrt worden, was man von der Nase nicht sagen konnte, die fast völlig abgerissen war. Julius überkam ein wildes Würgen. Diese grausame Entstellung zu sehen zehrte an seiner Selbstbeherrschung. Dennoch vollführte er die wichtigsten Zauber, um die Blutung zu mildern und die ersten Heilprozesse einzuleiten. Er schaffte es nach einer Minute konzentrierter Arbeit, die geschundene Nase des Zauberers wieder korrekt anwachsen zu lassen und die wichtigsten Heilungen einzuleiten. Sicher, er hätte noch mehr tun müssen. Aber hier hatte er weder die Mittel noch die Zeit, um weitgehend helfen zu können. Schmerzhaft jammernd und winselnd schleuderte der Gefesselte Julius die wüstesten Beschimpfungen entgegen und bezeichnete Goldschweif als Höllenbestie, die erschlagen gehörte. Dann sahen seine von den heftigen Schmerzen tränenden Augen Julius genau an. Der Beauxbatons-Schüler fühlte ein sanftes Kribbeln unter seinem Zaubererhut. Der Gefesselte schrie vor Schmerz auf und wurde ohnmächtig.

"Schock oder was?" Fragte Julius Aurora.

"Mußt du mich nicht fragen, ich kann das nicht, was mein erwachsenes ich kann. Könnte aber sein, daß er durch den Schock ohnmächtig wurde."

"Böses, böses Menschenmännchen, wollte euch und mir weh tun", fauchte Goldschweif, während sie sich das Blut von ihren Pfoten ableckte.

"Du bist wirklich ein Monster", sagte Julius zu der Knieselin, mußte aber grinsen. Sicher, jetzt wußte er, wie gefährlich seine vierbeinige Freundin werden konnte, was ihn beunruhigte. Aber andererseits hatte sie Aurora Dawn und ihn verteidigt. Sicher war dies der gefährlichste der vier gewesen, und die Knieselin hatte das mit ihren einzigartigen Instinkten gespürt und sofort angegriffen, um sie alle zu beschützen.

"Ich setz ihn unter den Verlangsamungsfluch, damit er nicht verblutet", sagte Julius und richtete den Zauberstab noch mal auf den entstellten Hexenmeister. "Lentavita!" Rief er. Damit konnten Körper und Geist eines voll getroffenen für zehn Tage auf ein Zehntel der üblichen Geschwindigkeit verzögert werden. Das war aber auch das höchste, was er diesem Mann noch gutes tun wollte. Wenn in diesem Gewirr von Bildern keine Heiler herumliefen, würde der Slytherin-Nachfolger nach diesen Zehn Tagen langsam verbluten, falls die von Julius angebrachten Heilzauber nicht ausreichten, um sein Gesicht ansatzweise zu heilen. Er ging zu dem Ganzkörpergeklammerten und fesselte ihn mit dem Incarcerus-Zauber, bevor er die Wirkung von "Petrificus Totalus" wieder aufhob. Er wollte nämlich endlich wissen, ob hier in Slytherin die dunklen Gemälde des Hausgründers hingen.

"Scher dich zum Teufel mit deinem vermaledeiten Kniesel", knurrte der nun gefesselte Zauberer. "Wer bist du eigentlich?"

"Nihilius Nemo", stellte sich Julius mit dem Decknamen vor, den er hier gebrauchte, wenn er fremde Bild-Ichs traf.

"Nichts und Niemand, wie lustig", fauchte der Gefangene. "Was will so'n grüner Junge hier bei uns. Warum hat dich der Zwerg nicht erwischt? Ist der etwa schon wieder in seinem Loch bei der Königin?"

"Hoffentlich", sagte Julius. "Ich will den nämlich besuchen. Weißt du, wo diese Königin ist?"

Der Zauberer lachte schallend los. Dann rief er überaus erheitert:

"Du kleiner Junge willst es mit Magister Slytherins Diener aufnehmen? Ich weiß zwar nicht, wo du herkommst, Bubi, aber eins weiß ich, daß du gegen den Magister und seine Leibwache keinen einzigen Funken Glück haben wirst."

"Sicher, weil der nicht so besoffen ist, wie du", erwiderte Julius gehässig. "Was gab's denn so zu feiern, daß ich euch einfach so austricksen konnte?"

"Die Rückkehr des Magisters natürlich. Er wird die gemalte Welt erobern, wie der dunkle Lord die echte Welt erobern wird. Sie werden sich finden und zusammenarbeiten, um dieses Schlammblutgesocks und alle Muggelfreunde ein für allemal wegzublasen wie Staub im Sturm. Morgen werden die ersten Leute von hier, die anderswo Portraits haben, die netten grünen Würmchen zu ihren Ebenbildern bringen und da weiterreichen. In einer Woche ist dann alles unter der Kontrolle des Magisters. Irgendwann wird er den dunklen Lord finden und ihm seine Hilfe anbieten."

"Wenn dein Magister so gut drauf ist, dann kannst du mir doch sagen, wo ich den Zwerg finde", sagte Julius schnell, um seine Verachtung niederzuringen, die er vor diesem halbbesoffenen Hexer da vor sich hatte.

"Weiß ich nicht, Bubi. Sonst hätte ich dich ihm gerne geschickt, damit er dir Manieren beibringt, he-he-he-hicks!" Gab der Gefangene halb lachend halb lallend zur Antwort.

"Echt nicht?" Fragte Julius.

"Frage doch Narcissa oder Lucius im Zimmer des Prinzchens Malfoy? Die werden es dir sicher erzählen, wenn sie's wissen. Was bist du eigentlich für einer? 'n Reinblüter kannst du nich' sein, die kenn' ich alle. Bist wohl auch so'n dreckiges ..."

"Taceto!" Dachte Julius nur, ohne es laut auszurufen. Unvermittelt schwieg der Gefangene. Er könnte nur noch schreien oder husten, aber keine klaren Worte mehr aussprechen. Er sah Julius mit nun sehr angsterfülltem Blick an und zerrte in Panik an seinen Fesseln.

"Ich werde den Teufel tun, mich mit Dracos überdrehten Gangstereltern zu unterhalten, damit die dem Zwerg oder seinem Meister stecken, daß hier wer nach ihnen sucht", fauchte Julius. "Auf nimmer Wiedersehen!"

Er kehrte zu Aurora Dawn zurück, als Goldschweif wieder eine ankommende Gefahr meldete. Diesmal war es "Ein böses Menschenweibchen".

Julius stand bereits mit gezücktem Zauberstab bereit, um die dunkle Hexe abzuwehren, die erst stolz und überaus überlegen dreinschauend in das Bild trat und dann wie vom Donner gerührt stehenblieb. Julius erkannte sie sofort. Er hatte sie einmal auf einem Zeitungsfoto gesehen, das von den Besuchern der Quidditch-Weltmeisterschaft gemacht worden war. Das mußte Draco Malfoys Mutter sein, zumindest ein gemaltes Selbst von ihr.

"Was ging hier vor, Seth? Was macht dieser Bengel zusammen mit der versponnenen Dawn hier?"

"Er sucht den Zwerg, Mylady", erwiderte Julius sofort. "Wissen Sie, wo der sich rumtreibt? Ich soll ihn fragen, wie diese genialen Würmer gezüchtet werden, die hier seit gestern rumgehen."

"Muß ich dich kennen, Kerl? Wer bist du denn, daß du mich derartig verächtlich anredest?"

"Nihilius Nemo, Euer Ladyschaft", gab Julius mit unverhohlener Verachtung in der Stimme zur Antwort.

"Lucius! Da is' so'n Fremder, ein Bengel jünger als Drakey-Baby! Der sucht ...""

"Silencio!" Rief Julius. Dieser Zauber ließ Mrs. Malfoy verstummen, und zwar so, daß sie überhaupt keinen Laut von sich geben konnte. Sie fischte nach ihrem Zauberstab. Goldschweif sprang vor. Doch bevor sie die überheblich glotzende Hexe ansprang, fegte Julius sie mit einem Körperstoßzauberfluch zu Boden. Goldschweif verzichtete auf den Angriff, weil Julius zu Aurora Dawn auf den Besen sprang und mit ihr fortflog.

"Soll ihr Mördermann sie doch suchen", dachte Julius nur bei sich, während sie aus dem Rittersaal verschwanden.

"Also von den Bild-Leuten hier in Slytherin kriegen wir nichts gescheites raus", sagte Julius zu Aurora Dawn, während sie abseits der Hauptkorridore durch alle möglichen Bildlandschaften flogen, von Meeresstränden über Wüsten bis hin zu Urwäldern, aus denen feuchtheiße Nebelschwaden aufstiegen und Tiere der Nacht ihre unheimlichen Laute erklingen ließen.

"Wir müssen wen fragen, der nicht gut mit Slytherin kann, Julius. Aber ich denke, die wird uns auch nicht helfen wollen. Ich weiß nur, daß ... Ju-, äh, Nihilius, der Zwerg!"

Zusammen mit Aurora warnte auch Goldschweif vor einem bösen Menschenmännchen. Julius sah hinunter und entdeckte einen kleinen Mann mit dürren Armen und Beinen und einem großen Buckel, der einen roten Kapuzenumhang trug und gerade mit einem großen Kessel herumlief. In dem Kessel konnte Julius ein Gewusel aus grünen schleimigen Fäden erkennen, das sich ständig bewegte. Als der Bucklige nach oben sah und die beiden Jugendlichen auf dem Besen ausmachte, griff er mit der rechten schrumpeligen Hand in den Kessel und schleuderte mindestens vier dieser grünen fadendünnen Wesen nach ihnen. Goldschweif, die auf dem Besen fast am Ende saß, löste ihre rechte Vorderpfote und hieb mit der Tatze nach einem sie anfliegenden Wurm aus. Aurora brauchte Julius' Kommando nicht, schnell auszuweichen. Sie beide waren Jäger in ihren Quidditchmannschaften. Beide wußten, einem gefährlichen Ding auszuweichen. Einer der Würmer verfing sich im Reisig und versuchte, daran entlang nach vorne zu kommen. Die übrigen schleimigen, grünen Wesen verfehlten die beiden Flieger nur knapp. Goldschweif hieb mit der Tatze zu und bekam das ekelhafte Untier zu fassen. Mit einem kräftigen Biss durchtrennte die Knieselin das fadendünne Geschöpf, das in zwei teile zerlegt links und rechts vom Besen fiel. Julius sah schaudernd, daß die beiden Teile sich innerhalb einer Sekunde wieder zu ihrer vollen Größe von einem halben Meter auswuchsen und sich windend in den Baumkronen unter ihnen landeten.

"Uää!" Machte er angeekelt. Normalerweise machte er sich nicht so bang vor krabbelnden Tieren. Regenwürmer, Spinnen und Schlangen jagten ihm keine Angst ein. Nur wuselnde Insekten trieben ihm das blanke Entsetzen in die Knochen. Doch diese widerlichen Würmer gruselten ihn doch, wie er bestürzt erkennen mußte.

"Was ist, Nihilius? Ist noch eins von diesen Dingern hier?" Fragte Aurora und blickte sich angstvoll um. Julius schüttelte den Kopf.

"Neh, Aurora! Goldi hat den, der es noch geschafft hat, auf unseren Besen zu kommen zerbissen. Aber das Vieh hat sich im Fallen zu zwei lebendigen Biestern ausgewachsen. Schon fies!"

"Uää!" Machte nun auch Aurora.

"Ist der Zwerg noch da unten, Goldi?" Fragte Julius seine vierbeinige Vertraute auf Französisch.

"Böses, kleines Menschenmännchen läuft noch da unten herum mit dem großen hohlen Eisending und vielen, vielen Würmern", flüsterte Goldi mit ihrer hier in der Bilderwelt üblichen mittelhohen Frauenstimme.

"Wenn du das Biest nicht durchgebissen hättest, hätte es mich oder Aurora erwischt. Ich danke dir, Goldi!" Flüsterte Julius, während sie gerade wieder durch einen bunten Leuchtglastunnel zwischen zwei Bildern hindurchflogen.

"Mir ist wer eingefallen, der was hat, was uns zeigt, wo Slyhterins Versteck ist, Julius", flüsterte die Aurora Dawn aus der 1982er Quidditchmannschaft von Ravenclaw. "Unter den Gemeinschaftsräumen Hufflepuffs liegt die Wunderwerkstatt und fabulöse Schmiede von Meister Kallergos, einem alten und schon ziemlich verhutzelten aber immer noch sehr geschickten Zauberkunsthandwerker. Er wurde bereits zur Gründung von Hogwarts gemalt und von Helga Hufflepuff selbst dorthin gebracht, wo er heute noch ist. Ich erfuhr von einigen früheren Spielerinnen aus Hufflepuff und unserem früheren Türhüter Bruce, daß er mehrere Sachen gebaut hat, die mächtige Zauber können oder solche Zauber aufheben können. Unter anderem hat er was gebaut, das Quellenfinder heißt und nach den stärksten Quellen dunkler oder heller Kräfte suchen hilft. Hoffentlich hat ihn nicht auch schon der Zwerg mit den Würmern erwischt."

"Quellenfinder? Von sowas habe ich doch mal gelesen", erwiderte Julius. "Na klar! Das steht in "Illustre Instrumente, Zaubererfindungen zwischen Alltag und Legende", was Belle Grandchapeau mir mal gezeigt hat, als wir zusammen waren", fiel es ihm dann noch ein.

"Ach, du warst ja mal 'n Mädchen. Wie war das noch mal?" Kicherte Aurora Dawn unpassend.

"Tut jetzt nichts zur Sache. In diesem Buch steht drin, daß es verschiedene Zaubergegenstände gegeben haben soll, die früher sehr mächtige Sachen waren und irgendwann verschwanden oder verstect wurden. Der Quellenfinder soll einer von diesen Gegenständen sein. Er kann, wenn man ihn in den Händen hält, wie ein Kompas zeigen, wo die stärkste Ansammlung heilender, schützender, verwandelnder und zerstörender Magie zu finden ist."

"Ja, und Meister Kallergos hat sowas", erwiderte Aurora Dawn und ging in einen steilen Sinkflug über, um keine Sekunde später durch den Boden des gerade durchflogenen Bildes zu brechen. Danach kamen sie in einem Gemälde mit zehn wie hypnotisiert herumlaufenden Hexen und Zauberern an, die totenstumm einherschritten, bis einer nach oben deutete, um auf die Eindringlinge zu zeigen. Julius wollte es diesmal nicht auf einen Kampf mit den Marionetten der Willenswickler anlegen und war froh, daß Aurora einen schnellen Ausweg aus dem Bild fand und die unterjochten Hexen und Zauberer hinter sich zurückließ. Goldschweif zitterte wieder. Offenbar lag vor ihnen was gefährliches.

"Aurora, Aufpassen! Da vorne könnte was schlimmes sein", warnte Julius, bevor Goldschweif von sich aus schon "Gefahr!" raunte.

Er wäre fast vor Schreck vom Besen gefallen. Obwohl er sich durch die Warnung des Kniesels auf eine grauenhafte Szene vorbereitet hatte, traf ihn der Anblick gleich zehn herumfliegender Insektenmonster ziemlich heftig. Auch Aurora hätte fast die Gewalt über den Nimbus 1500 verloren, als die surrenden Monster schon auf sie losflogen.

Julius fürchtete schon, von den Klauen der verbotenen Mischungen aus Mensch und Insekt gepackt zu werden, als ihm wie ein greller Blitz eine Zauberformel durch den Kopf raste. Wie ein Automat ließ er mit einem Schwung seines Armes den Zauberstab herumzirkeln und rief dabei mehrere Wörter einer Sprache, die er nie zuvor gesprochen hatte. Dabei lehnte er sich gegen Auroras Körper. Goldschweif schrie vor wilder Todesangst, als zwei der zehn geflügelten Bestien auf sie zustießen. Doch da breitete sich wie aus der Pistole geschossen eine rosarote Lichtkuppel über ihnen aus, die keine Zehntelsekunde später zu einer geräumigen Kugel um sie und den Besen herum wurde. Die anfliegenden Insektenwesen krachten gegen diese zart wirkende Lichtsphäre und prallten wie von einem starken Trampolin zurück. Wieder flogen sie an und prallten ab. Wütend stürzten sich die übrigen Monster auf die schimmernde Kugel aus Zauberkraft. Julius fühlte jeden Ansturm wie einen Schauer heißen und kalten Wassers durch den Körper gehen. Jedesmal war er etwas müde, fand aber durch den Zaubertrank wieder zur vollen Stärke zurück. Er fühlte auch, daß von Auroras Körper und dem Goldschweifs neue Kraft in ihn zurückfloss. Sie hielten die von ihm beschworene Zaubersphäre aufrecht. Sie wehrte die Monster ab, ohne sich einzudellen oder zu zerreißen. Egal wie wütend die Insektenmenschen oder Menschinsekten angriffen, immer wieder prellte sie die geheimnisvolle rosarote, durchsichtige Lichtkugel zurück. Drei von ihnen flogen dabei sogar aus dem Bild heraus, so heftig war der Rückstoß.

"Aurora, flieg uns hier raus! Jede Sekunde und jeder Angriff zieht uns Kraft ab!" Rief Julius. Seine Stimme klang wie in ein großes Rohr gesprochen, aber von allen Seiten widerhallend. Aurora flog weiter. Kein Fahrtwind kam auf, während der Besen mit hoher Beschleunigung durch eine weitere Verbindung zwischen zwei Bildern davonschoss. Goldschweif beruhigte sich schlagartig wieder. Die Gefahr war überstanden.

Mit zwei fremdartigen Worten bewirkte Julius, daß die Energieblase um sie herum zerfloss wie glitzernde Wassertröpfchen. Nun fühlten sie den Fahrtwind, während sie über einer Wiese ankamen, auf der eine braun-weiß gescheckte Kuh lag. Aurora zog eine Schleife über der Wiese und bremste dabei das hohe Tempo herunter. Dann landete sie. Sie wandte sich Julius zu und fragte ihn, was er da gemacht hatte.

"Das war der Amniosphaera-Zauber, Aurora. Ich wußte nicht, daß mir Professeur Faucon den auch beigebracht hat. Offenbar hat sie ihn so verborgen, daß nur allerhöchste Gefahr mich daran denken ließ. Schon unheimlich, wenn man was kann, ohne es vorher gelernt zu haben."

"Ich kenne den, Julius. Der schafft eine starke Lichtkugel, die alle magischen und nichtmagischen Gewalten, vom Todesfluch abgesehen abhält. Aber dafür frisst der viel Kraft. Ich habe es gefühlt, wie du mir auch Kraft abgezogen hast, Julius. Sei froh, daß ich noch unberührt bin, sonst hättest du alles, was dir der Wachhaltetrank gab verpulvert."

"Ich weiß, das ist ein Mädchenzauber oder für Großfamilienmütter", erwiderte Julius. "Aber der hat uns geholfen, Aurora."

"Ja, aber was bringt's, wenn wir uns dadurch auswringen wie einen Schwamm, Julius", zischte Aurora Dawn sichtlich gereizt. Julius wußte, daß Aurora schon als junges Mädchen sehr willensstark und hartnäckig sein konnte. Goldschweif sagte leise:

"Menschenmännchen mit bösem Wurm schläft da hinten, Julius."

"Verdammt, das ist Bruce", flüsterte Aurora Dawn, als sie wie Julius den im Gras liegenden Mann in ländlicher Kleidung mit dem großen Hut sahen. Zweifellos lag um seinen Hals der grüne Willenswicklerwurm. Aber auch Sklaven mußten mal schlafen, wußte Julius. Maggy, die braun-weiße Kuh, hatte keinen solchen Parasiten abbekommen. Entweder gingen die nur an Menschen, oder Tiere waren dem Zwerg und jenem Magister Slytherin egal.

"Der hat mal unsere Tür bewacht", erinnerte sich Julius betroffen auf Bruce schauend. Aurora nickte.

"Seitdem die Skyland-Schwestern Ravenclaw behüten, ist Bruce sehr schwermütig geworden. Er weiß nicht, was er noch machen soll. Zwischendurch trank er mit den Haudegen aus anderen Bildern um die Wette. Du weißt ja, daß wir hier zwar alles essen und trinken können, aber nur für einen Tag die volle Wirkung fühlen. Dann hat es ihn also auch erwischt", bemerkte Aurora Dawn ebenfalls sehr betroffen.

"Sollen wir ihn schlafen lassen?" Fragte Julius.

"Was hätten wir davon, wenn wir ihn aufwecken. Er ist doch von diesem widerlichen Ding befallen."

"Ja, aber gerade das könnte uns was bringen. Der Wurm kriegt seine Befehle von seiner Königin aus der Brutstätte. Dann könnte der Versklavte doch wissen, wo die zu finden ist und ..."

"Menschen mit bösen Würmern von vorne und von links!" Warnte Goldschweif die beiden Jugendlichen, von denen einer nicht aus dieser gemalten Welt stammte. Im gleichen Moment stand Bruce wie an Seilen hochgewuchtet auf und stapfte mit verschlafenem Blick los. Maggy blieb jedoch liegen.

"Er geht zu diesen Leuten Hin, Aurora. Vielleicht wurde er von seinem ungebetenen Halsschmuck geweckt", flüsterte Julius. Aurora nickte. Sie starrte mit ihren grünen Augen hinter Bruce her, der wie an unsichtbaren Fäden geführt auf einen sacht flirrenden Punkt vor sich zustapfte. Er verschwand durch einen Ausgang aus dem Bild, dessen gemalte Wiese noch weit von dem Weltenfenster fortreichte. Julius winkte Aurora und Goldschweif, sich weit auf die Wiese zurückzuziehen. Vielleicht würden die Befallenen sie nicht beachten. Tatsächlich marschierten zwanzig Hexen und Zauberer wie langsame Marionetten durch das Bild, jedoch ohne auf Maggy oder die beiden Jugendlichen zu achten.

"Ich möchte gerne wissen, was diese Aufmärsche sollen, Aurora. Ich habe den dumpfen Eindruck, die sollen sich alle irgendwo versammeln, um irgendwas zu machen."

"Das sieht wirklich danach aus, Julius", flüsterte Aurora Dawn, als die Kolonne der menschlichen Marionetten schweigend aus dem Bild hinausmarschiert war. Goldschweif wurde gefragt, ob der Weg nun frei war. Sie bejahte ruhig. So saßen sie alle drei wieder auf, um weiterzufliegen, hinüber zur Werkstatt von Meister Kallergos.

"Wie ist das mit den Türhütern? Sind die eigentlich schon befallen?" Fragte Julius seine Begleiterin nach einer halben Minute bedrückenden Schweigens.

"Das weiß ich nicht, weil ich ja erst mit dir wieder herkam. Könnte sein, daß die auch schon den Wurm tragen."

"Oder auch nicht, Aurora", sagte Julius nach fünf Bedenksekunden. "Stell dir vor, diese Parasiten kommen zu dieser fetten Dame vor Gryffindor oder zu den Skyland-Schwestern vor Ravenclaw. Das würde doch sofort auffallen, daß da irgendwas in den Bildern unterwegs ist, was nicht normal ist. Jetzt weiß ich nicht, ob die Umbridge nicht mit in der Sache drinhängt. Aber ich frage mich, was sie davon hätte? Also denke ich mal, daß sie mit diesem Horrorzirkus nichts zu tun hat. Dann müßte selbst ihr aufgehen, daß hier was übles, großes, stinkendes am dampfen ist und sich umsehen, was da los ist. Also wird Slytherins Bild-Ich die Türhüter erst einmal in Ruhe lassen. Er möchte erst sicher sein, daß sein Plan hinhaut. Dann holt er sich den Rest der gemalten Leute hier. Also dürfte keiner in Hogwarts was davon mitbekommen haben, daß der Zwerg mit den Würmern hier herumläuft."

"Du könntest recht haben, Julius. Wir müssen nachsehen, was mit denen ist", flüsterte Aurora. Doch dann meinte sie: "Wir sollten erst zu Meister Kallergos Schmiede, um uns den Quellenfinder zu holen. Du hast nicht viel Zeit, um nach diesem Versteck zu suchen."

"Weiß ich", knurrte Julius genervt. Er hatte wohl noch viereinhalb Stunden Zeit, bevor er die magische Kettenhaube, die er unter seinem Hut trug und merkwürdigerweise gar nicht spürte, abnehmen mußte, um nicht wahnsinnig zu werden, wie es Minister Grandchapeau angedroht hatte, wenn er die alte geheimnisvolle Kopfbedeckung mehr als eine Minute über die Zeit von fünf Stunden aufhatte. Auch wenn es Aurora gut meinte, kam es ihm doch wie eine Zurechtweisung vor. Doch er durfte sich nicht ärgern. Dafür war hier absolut nicht der passende Ort.

Sie flogen immer tiefer, durch weitere Bilder, mal unter dem Nachthimmel dargestellter Landschaften mal großen oder kleinen Räumen. Einmal glitten sie durch ein sehr kleines Bild hindurch, wo sie mit Mühe manövrieren konnten, um nicht an die Wände zu stoßen. Wo der Besenstiel dann schon den nächsten Ausgang durchstieß, hing das Ende mit dem Reisigschweif fast noch im Eingang. Nun hatte Julius ein Gefühl, wie es war, als Aurora Dawns jüngeres Abbild ihn immer besuchen wollte, als er ein Miniportrait von Rowena Ravenclaw bei sich im Schlafsaal gehabt hatte. In dem Bild, das für sie zu klein war, wohnte eine spindeldürre Hexe, die zeterte, als Aurora Dawn den Besen knapp über ihrem Kopf entlangbugsierte. Julius erkannte, daß sie keinen grünen Wurm um den Hals trug. Offenbar wollte Slytherin nur Sklaven, die groß genug waren, für was auch immer. Das Ziel der etwa zweiminütigen Flugreise war ein imposantes Gemälde einer riesigen Höhle, deren Decke mindestens hundert Meter über dem felsigen Grund lag. Sie bestand aus massivem Granit und wurde von großen Heerscharen blakender Fackeln ausgeleuchtet. Neben dem rußigen Qualm der Fackeln biss Julius noch der Geruch von Holzkohle in die Nase. Backofenhitze herrschte in diesem Bild vor, so meinte der Beauxbatons-Schüler. Goldschweif rümpfte die Nase und quängelte: "Heiße Feuerqualmluft ist hier. Das ist kein guter Ort."

"Ja, stimmt, Goldi. Das hier ist kein guter Ort. Aber Aurora meint, wir finden hier was brauchbares."

"Die Kraft ist viel hier, Julius. Hier singt und säuselt es überall", sprach Goldschweif. Julius fragte sie, ob sie damit sagen wolle, daß viel Magie in diesem Raum sei. Goldschweif antwortete: "So heißt die Kraft bei euch Menschen."

"Hier ist die Wunderwerkstatt von Meister Kallergos. Wir müssen leise sein. Der Schmied schläft um diese Zeit, wenn er viel von seinem Rotwein getrunken hat. Aber ich weiß nicht, ob seine Diener nicht Wache halten", flüsterte Aurora. Julius sah, wie ihr die ersten Schweißtropfen von Gesicht und Nacken herabrollten. Er fühlte auch schon, daß er schwitzte. Goldschweif begann zu keuchen, weil der Qualm und die Hitze ihr die Luft nahmen. Er beruhigte das Knieselweibchen und sagte ihr, hier auf ihn zu warten, bis er wiederkam. Es legte sich hin, blieb jedoch wach.

Aurora Dawn zeigte Julius eine weitläufige Halle, die sich leicht in die Höhle einfügte. Regale voller surrender und klickender Instrumente, große Gestelle mit glitzernden Gerätschaften und Werkbänke aus massivem Eisen, Ambosse in allen Größen von Bauklötzchengröße bis so groß, daß sie ihm über die Augen reichten, bevölkerten die riesenhafte Schmiede in der Granithöhle. Julius blickte nach oben und sah mehrere Röhren, die ein weitmaschiges Netz unter der Decke bildeten. Er sah rot glühende Feuerstellen, über denen Werkstücke aus allerlei Metall angebracht waren. Dann erreichte er einen großen Eichenholztisch, auf dem mehrere Stapel Pergament lagen. Er zog seinen Zauberstab und beschwor den Zauberfinder. Der Tisch als solches war frei von Magie, aber in den Regalen und über den Gestellen hing irgendeine Zauberei, wie das goldene Glühen der Gegenstände oder das rot-blaue Flackern angeregter körperloser Magie verrieten.

"Hier suchen wir die Nadel im Heuhaufen", murrte Julius, weil jedes Ding in diesem Raum irgendwie bezaubert war. Er sah mehrere Waffen, wie einen Bogen mit einer Sehne aus Silber, ein Bronzeschwert mit verschiedenen Edelsteinen und einen Dolch mit einer Klinge aus rosiggoldenem Metall, wie er es schon einmal gesehen hatte. Die Hitze machte ihm zu schaffen. Die Drachenhautpanzerung hielt den Schweiß zurück, sodaß er bald glaubte, in feuchte Tücher eingewickelt zu sein, die immer nasser und heißer wurden. Ihm war klar, daß er schnell machen mußte, daß er fand, was er suchte, bevor er oder Goldschweif einen Hitzschlag erleiden mochten. Dann fiel ihm ein Bücherregal ins Auge, das etwas abseits von den Regalen und Werkbänken stand. Er ging hin, den Zauberfinder immer noch wirken lassend. Das Bücherregal war fast frei von Magie, bis auf zwei dicke Folianten, die über zwei Meter hoch im Regal standen. Julius überlegte, ob er diese Bücher da einfach herausnehmen sollte. Sicher war der Zauber, mit dem sie belegt waren für Unbefugte gefährlich, zumindest aber riskant. So wechselte er vom einfachen Zauberfinder zu gezielten Flucherkennungszaubern und entdeckte dabei, daß eines der Bücher mit einem mächtigen Seelenfesselungsfluch behext worden sein mußte. Er besah sich das andere Buch. Es war nicht verflucht. Doch wie wirkte die Magie, die es durchdrang?

Julius beschloss, es zu versuchen. Er sprang kurz hoch, um an das gesuchte Buch heranzureichen und zog es hervor.

Es klappte sich sofort auf, ohne daß er den Buchdeckel länger als eine Sekunde berührte. Die ersten Seiten blätterten sich um, und eine magische Stimme sprach ihn in einer völlig unbekannten Sprache an. Er sagte schnell: "Nicht so laut!"

"Hallo, schön, daß du mich mal wieder aus dem Regal geholt hast", quiekte das Buch nun auf Englisch. "möchtest du mal wieder was neues ausprobieren?"

"Öhm, eigentlich nicht. Ich möchte nur wissen, ob hier der Quellenfinder ist", flüsterte Julius. Das buch zitterte in seiner Hand. Hatte er zu voreilig verraten, was er suchte?

"Den Quellenfinder hast du doch schon längst fertig. Er steht im Regal neben der Wand, wo das Kurzschwert der Entschmelzung hängt", quiekte das Buch, und Julius vermeinte, Enttäuschung aus der magischen Stimme herauszuhören. Dennoch fragte er neugierig:

"Was macht das Kurzschwert der Entschmelzung denn?"

"Das weißt du doch. Es zerlegt durch gewaltsamen Zauber zusammengefügte Wesen in ihre Urgestalten, ohne sie zu töten. Du hast es doch schon vor Äonen nach meinen Angaben gebaut."

"Ja, aber ich hab's lange nicht mehr gebraucht", flüsterte Julius geistesgegenwärtig und fügte hinzu: "Den Quellenfinder auch nicht. Wie sieht der noch mal aus?"

"Na so", piepste die Zauberstimme des Buches, und seine Seiten blätterten sich raschelnd von selbst um, bis Julius einen Gegenstand sehen konnte, den er zuerst für eine Hantel zum Gewichtheben hielt. Doch er erkannte in den beiden Kugeln, die durch eine lange Röhre verbunden waren kleine Kristalle. Die Röhre selbst war mit einer Runenschrift verziert, die wie eine Wendeltreppe darum herumlief.

"Ah, ja, danke", flüsterte Julius schmunzelnd. Plötzlich saß Goldschweif auf seiner linken schulter. Sie hächelte wild wie ein abgehetzter Jagdhund. Doch sie fauchte:

"Neue Kraft singt. Ich höre Eisen klappern. Es sind zwei Träger der Kraft."

"In Ordnung, Goldi", sagte Julius halblaut. Das brachte das aufgeschlagene Buch in seiner Hand dazu, wie am Spieß loszuplärren:

"Verrat! Ein Fremder hat mich genommen! Verrat!"

Julius schlug mit viel Kraft das Buch zu und stopfte es während eines Sprungs nach oben an seinen Platz zurück. Goldschweif zischte:

"Achtung, Julius, hinter dir!"

Julius warf sich herum. Goldschweif konnte sich nur dank ihrer Reflexe an ihm festhalten. Dann stand der Junge aus der echten Welt wie vom Donner gerührt da.

Er wußte nicht, was er erwartet hatte, einen Zauberer, ein Monster oder einen Golem. Aber was da vor ihm stand, das hatte er irgendwie schon einmal gesehen, und dennoch war es ihm völlig unbekannt. Strahlend schön, im Schein der vielen Fackeln und Feuer schimmernd, stand eine etwa anderthalb Meter große Gestalt vor ihm. Sie schien von Kopf bis Fuß aus purem Gold zu bestehen und sah aus wie ein besonders gut gebautes Mädchen mit langem ebenmäßigem Gesicht und schlanker Nase. Augen wie Bergkristalle sahen ihn lebendig wie die eines Menschen an. Ihr Haar war geschmeidig und glänzte so golden wie ihr Körper, sofern das sonnengelbe Gewand freien Blick darauf zuließ, welches die Gestalt trug und das ihr vom Hals bis zu den Knien reichte. Die glänzenden Füße, die äußerst naturgetreu schmalen Frauenfüßen nachempfunden waren, steckten in leichten Sandalen mit silbernen Schnallen.

"Das gibt es nicht", dachte Julius. Dann sah er die zweite Gestalt, die der ersten fast bis aufs Haar glich, mit der Ausnahme, daß sie gut zwanzig Zentimeter größer war und alle Formen und Gliederlängen im Verhältnis dazu angepaßt waren. Auch dieses Wesen trug ein sonnengelbes Gewand.

"Oh, Nihilius, das sind die Dienerinnen von Meister Kallergos", jammerte Aurora Dawn, die nicht wußte, ob sie nun fortlaufen oder ihrem Begleiter beispringen sollte.

"Das sind ja Metallmenschen, weibliche Roboter, Androidinnen", stieß Julius überschnell aus, den die Schönheit und Feinarbeit dieser glänzenden Geschöpfe faszinierte. Doch dann erkannte er, daß er sich jetzt in einer äußerst gefährlichen Lage befand. Wenn das vor ihm Roboter waren, dann war er für sie ein Eindringling. Wie oft hatte er Spiele gespielt oder Geschichten gelesen, in denen Roboter das Hauptquartier ihrer Meister mit Körperkraft und tödlichen Waffen verteidigt hatten. Er konnte davon ausgehen, daß diese Wesen da vor ihm bestimmt doppelt so stark und schnell wie er selbst waren. Denn sie wirkten keineswegs so grobschlächtig wie ihre steinernen Cousins, die Golems. Oder waren Golems gar nicht mit diesen Wesen zu vergleichen?

"Fremder, gib dich Kund, was du in den Hallen unseres Meisters suchst!" Sprach das größere der beiden goldenen Mädchen mit einer glockenreinen aber unnmißverständlich kalten Stimme.

"Ich bin Nihilius Nemo aus den Bildern von jenseits des großen Ozeans", sagte Julius einen Spruch auf, den er sich unterwegs ausgedacht hatte, wenn er gezielt gefragt wurde, wer er sei. "Ich kam her, um die grünen Würmer zu fangen und den, der sie ausgebrütet hat", fügte er hinzu. Die kleinere von den beiden sagte mit klarer hoher Stimme:

"Und dann kommst du hier herein und entwendest das Buch der gesammelten Kenntnisse? Was willst du hier?"

"Ich hörte, hier gibt es ein Gerät, mit dem man starke dunkle Quellen erkennen und finden kann. Ich bin hergekommen, um Meister Kallergos zu fragen, ob er's mir mal ausleihen kann, bis ich diesen Zwerg und seine Wurmzucht gefunden habe", sagte Julius, der sich nicht anmerken lassen wollte, wie heftig ihn die beiden goldenen Mädchen einschüchterten. Sie hatten ihn in der Falle. Was tat es da noch, nur zu behaupten, er habe sich verirrt?

"Der Quellenfinder ist kein Leihgut, daß der Meister einfach hergibt. Er gehört hier her, wie alles andere auch. Er mag nicht, wenn jemand, schon gar kein fremder, seine kostbaren Geräte an sich nimmt. Er hat uns aufgetragen, ihm zu helfen, alles zu schützen und zu bewahren", sagte die Größere wieder. Julius verstand. Flüche konnten sich leicht gegen den Urheber wenden, wenn der nicht aufpaßte. Wächter, lebendige oder durch Zauberkraft angetrieben, waren da immer noch das beste.

"Gut, das weiß ich jetzt", sagte Julius schnell. "Ich werde euch nicht weiter aufhalten. Ich gehe dann mal."

"Der Meister wird befinden, was mit dir geschieht", sagte die kleinere Metallfrau. Julius überlegte sich, wie er gegen echte Androiden kämpfen konnte. Karate war hier völlig abgemeldet. Aber welche Zauberflüche würden wirken, da die meisten doch auf Lebewesen alleine einwirkten. Vielleicht ginge es mit telekinetischen Zaubern, Fernlenkungen oder Schwebezaubern. Ja, er konnte was versuchen. Er sah die beiden genauer an. Dann sagte er:

"Ihr seht so echt aus. Wie ist das möglich?"

"Meister Kallergos hat uns vor Äonen erschaffen, uns mit Kraft und Geist gefüllt und uns zu seinen Dienerinnen gemacht, weil er die Künste der Alten kennt, die Metalle beleben und beseelen konnten. Aber dies ist zu viel für deinen begrenzten Geist, Knabe", sprach die Größere. Bei einem Menschen hätte Julius jetzt Überheblichkeit und Stolz heraushören können. Doch dieses Robotermädchen - einen besseren Ausdruck fand er nicht dafür - klang so unpersönlich wie zuvor schon. Er nickte ihr zu und fragte:

"Dann stammt ihr und euer Meister aus Atlantis?"

"Auch wenn wir nicht wissen, woher du diesen Ort kennst, Knabe, wir entstammen der Zeit nach diesem alten Reich", sagte die kleinere goldene Frau. Julius fragte sich, warum sie sich ständig beim Sprechen abwechselten? War das üblich, daß bei einem Gespräch mit mehreren jede einmal pro Runde sprechen durfte, oder steckte da was anderes hinter?

"Wir werden dich und die Jungfrau, welche meinte, dich einfach herbringen zu dürfen, zum Tisch der Fragen bringen, wo der Meister euch persönlich anhören und befragen wird", sagte nun wieder die Größere. Julius wußte, daß nun die Zeit zum handeln gekommen war. Er hatte die Hand die ganze Zeit schon am Zauberstab gehabt. Nun zog er ihn frei und richtete ihn auf die ihm am nächsten stehende:

"Deterrestris!" Rief er. Aufatmend sah er, wie sein Ziel den Boden unter den Füßen verlor und rasch zur Höhlendecke emporstieg. Die zweite Frau aus Gold schnellte vor, um Julius den Stab zu entwinden, doch Goldschweif sprang ihr auf den Rücken, zog an ihrem Haar. Sie wirbelte herum, um den Angreifer zu fassen. Goldschweif ließ in der Drehung los und flog Julius fast gegen den Zauberstab. Geschmeidig landete das Katzenwesen auf allen vieren, während Julius erneut "Deterrestris!" rief. Auch das zweite Robotermädchen verlor den Boden unter den Füßen und sauste wie an einem Seil hochgezogen aufwärts, immer rascher. Sie schrien nicht. Sie strampelten nicht einmal.

"Schnell und genial!" Bewunderte Aurora Dawn Julius' Abwehrzauber.

"Es ging nur ein physikalischer Fluch, der die Umgebung beeinflußt, Aurora. Das fiel mir gerade noch rechtzeitig ein. Aber komm, wir holen uns die beiden Sachen, die wir brauchen können!"

Goldschweif lief immer noch hächelnd hinter Julius her, hinüber zu einem Regal. Der Junge prüfte, ob der Zauberfinder ansprach und atmete durch, weil dieses Regal nicht bezaubert war. Er blickte hinein und fand schnell jenes hantelförmige Ding, allerdings nur halb so groß wie in dem Buch gezeichnet. Er griff es und zog es vorsichtig an sich, weil er nicht wußte, ob es an sich noch einen Abwehrzauber besaß. Es vibrierte in seiner Hand und schien abwechselnd warm und kalt zu werdn. Julius beachtete es nicht. Er blickte nach links und sah das Kurzschwert aus rosiggoldenem Metall mit reich verziertem Griff, in den ihm fremde Edelsteine eingelassen waren. Er prüfte kurz, ob die Magie, die es besaß die typische Färbung eines Fluches hatte und war froh, daß das Kurzschwert nur die starke Ausprägung eines Zaubers hatte, der nicht zu den Flüchen gezählt wurde. Allerdings war das goldene Flirren und wabern der durch den Zauberfinder angeregten Leuchterscheinung anders als die stetigen Lichter magischer Objekte, wie der Feuerkelch eines war oder die Gerätschaften bei Monsieur Dusoleil. Er nahm das Schwert von der Wand, das in einer Scheide aus grünem Drachenleder steckte. Julius suchte und fand einen dazu passenden Gürtel, der keine eigene Magieausstrahlung besaß und schnallte sich die Waffe um die linke Hüfte, wie er es von den Rittern des Mittelalters kannte.

"Was geht da vor?" Dröhnte eine sehr böse, basslastige Stimme. Julius warf sich herum und sah einen ziemlich großen Mann, mehr als zwei Meter groß, in einer Lederschürze und mit vielen Brandnarben an den Händen und im Gesicht herankommen. Ihm fiel auf, daß der Mann sein linkes Bein nachzog, als sei es verletzt oder durch eine Krankheit verkrüppelt. Der Hüne stützte sich mit der linken nervigen Faust auf einen massiven Eichenstock. Die rechte Faust hielt einen schweren Hammer mit dem Kopf nach vorne gerichtet. Das mußte Meister Kallergos sein, dachte Julius. Das Haar des Mannes war aschgrau. Seine Augen wirkten im Vergleich zu seinem großen Körper winzig und waren schwarz wie Kohlen. Ähnlich wie Kohlen glühten sie nun auch vor Wut. Julius sah sich um, wo Aurora war. Sie stand schon neben ihm.

"Ihr dringt hier bei mir ein und wagt es noch, mir zwei wichtige Artefakte zu stehlen? Was gibt euch das Recht zu dieser Frechheit?" Polterte der Herr dieser Schmiede.

"Entschuldigung, Meister Kallergos. Aber draußen laufen verrückte Leute rum, die unschuldigen Hexen und Zauberern widerliche Würmer an den Hals hängen, die dann machen, daß die völlig unterworfen sind", sagte Aurora Dawn. Julius nickte.

"Und da kommt ihr einfach zu mir und stört den Schlaf des Buches der gesammelten Künste, widersetzt euch meinen beiden Schönheiten und raubt mir noch den Quellenfinder und das Schwert der Entschmelzung? Dafür werdet ihr beiden für alle Zeiten hier in meiner Werkstatt arbeiten, angeschmiedet an einer langen Laufkette. Und jetzt gib die Dinge heraus, die dir nicht gehören, Knabe! Oder ich werde dich mit eigenen Händen grün und blau schlagen."

"Woher weiß ich, daß Sie nicht einer von diesen Wurmbefallenen oder einer von Slytherins Anhängern sind?" Fragte Julius übermütig und hielt den Zauberstab auf den Schmied gerichtet.

"Hah, dieser alte Unhold kann mich mit seinem Gewürm nicht in seinen Bann schlagen, Knabe. Sieh her!" Kallergos öffnete seine Lederschürze. Julius erkannte einen massiven Halsreif aus jenem geheimnisvollen Erz Orichalk.

"Das Himmelserz der alten Zeit hat keine Geheimnisse vor mir. Ich habe schon früh erkannt, daß ich damit jeden fernhalten kann, der mir böses antun will. Es ist eine Rüstung und ein unsichtbarer Wächter zugleich. Diese grünen Würmer überleben keinen einzigen Lidschlag, wenn sie den Halsring berühren. Jeder Mensch wird davon zurückgeschleudert, wenn er es mir wegnehmen will. Also denk nicht einmal daran, mich mit Zauberkraft oder deiner kümmerlichen Körperkraft anzugreifen. Es würde dir schlecht, sehr schlecht bekommen."

"Hatte ich nicht vor!" Rief Julius, zielte mit dem Stab an Kallergos vorbei und rief: "Creato Nebulam!"

Zischend wogte eine dichte weiße Nebelwolke aus dem Zauberstab, breitete sich aus und umhüllte Kallergos innerhalb von einer Sekunde. Julius schwenkte den Zauberstab einige Male vor Kallergos hin und her, bis dieser von einer undurchsichtigen Nebelmauer umschlossen war. Dann nickte er Aurora Dawn zu, die auf ihrem Besen aufsaß. Julius schwang sich hinter ihr auf, ebenso Goldschweif. Ohne lautes Kommando schafften sie den gemeinsamen Start und rasten über den wütend schreienden Kallergos hinweg aus der heißen, verqualmten Schmiede.

"Ich kriege euch beide wieder ein!! Das büßt ihr mir!! Meine Zaubersachen stehlen!!! Ich werde euch noch Respekt vor meinem Eigentum lehren!!" Jagte sie die Schimpfkanonade des überrumpelten Schmiedes.

Durch einige Bilder ging es erst einmal zurück zu Bruces Wiese, wo Maggy immer noch schlief.

"Ich fürchte, Aurora, der wird dich nicht mehr in Ruhe lassen", sagte Julius, als sie eine Verschnaufpause einlegten. Goldschweif freute sich sichtlich, aus dem verqualmten Glutofen von Höhlenschmiede heraus zu sein.

"Wenn wir damit die Verbreitung dieser Würmer aufhalten können soll es mir recht sein. Er muß mich ja nicht kriegen. Meistens ist er ja in seiner Schmiede und traut sich nicht unter vernünftige Leute, weil ihm seine Apparaturen wichtiger sind als lebendige Menschen. Allerdings müssen wir uns jetzt wirklich beeilen, damit wir die Dinger wieder zurückgeben können."

"Ach ja? Damit uns dieser Typ gleich kassiert und uns für alle Tage in seiner verqualmten Höhle ankettet?" Fragte Julius.

"Ach, das weißt du nicht? Wenn du aus der gemalten Welt zurückkehrst kehrt alles, was du dort eingesammelt hast von selbst dahin zurück, wo du es zuerst gefunden hast. Wenn du es bei dir hast oder irgendwo hinlegst. Wenn du es aber jemanden anderem hier gibst, bleibt es dann bei dem oder der, der oder die es dann hat. Aber keine Sorge! Ich brauche diese Gegenstände nicht mehr, wenn wir es damit schaffen, gegen die Würmer zu kämpfen."

"Was sollte das mit dieser Höhle?" Fragte Goldschweif. "Das war zu verqualmt, und diese singenden Glitzerweibchen waren bestimmt stärker als wir zusammen."

"Wenn wir diese Würmer und die Leute, die die machen finden wollen, brauchen wir das hier, das uns sagt, wo die sind", sagte Julius und holte den Quellenfinder hervor, der immer noch pulsierte. Er betrachtete die Runen auf der Verbindungsröhre. Er erkannte jedoch keine davon. Er legte das ungefähr vier Zoll lange Gerät auf seine Hand und hoffte, das es sich irgendwohin ausrichten würde. Doch es blieb liegen wie es lag, wechselte nur von warm zu kalt.

"Ich hätte dieses mitteilsame Buch fragen sollen, wie man damit arbeitet", sagte Julius verbittert. Er probierte den Richtungsweisezauber aus. Doch der Quellenfinder ruckelte nur kurz, dann war es wieder wie vorher.

"Sollen wir wieder in die Höhle, um zu gucken, ob wir das Buch noch mal fragen können?" Fragte Aurora Dawn.

"Bloß nicht. Der Typ könnte auf uns warten, wenn er weiß, daß wir mit dem Ding hier nicht umgehen können. Irgendwie muß das doch zu benutzen sein. Die Runen sind bestimmt die eingravierten Zauber, um es richtig zu verwenden. Vielleicht muß davon einer für die dunklen Kräfte und einer für die hellen Kräfte aufgerufen werden. Ich ffrage mich, wieso das ding andauernd die Temperatur ändert."

"Darf ich mal?" Fragte Aurora Dawn. Julius gab ihr das Zauberding. Sie hielt es einige Sekunden und sagte dann: "Interessant, es wird erst fast zu heiß zum halten, um dann nach wenigen Sekunden fast zu kalt zu werden. Der Rhythmus bleibt."

"Dieser Stein mit den beiden Kugeln singt mir was vor", sagte Goldschweif. "Erst singt es lustig, dann gemein."

"Wann singt es lustig, Goldi?" Fragte Julius Andrews sichtlich erregt. Er hielt den Quellenfinder in einer Hand und spürte ihn heißer werden. Goldschweif sagte:

"Jetzt singt es lustig." Als das Zauberding dann abkühlte sagte Goldschweif, daß es nun drohend und gemein singe.

"Das ist es. Wir müssen irgendwie rauskriegen, wie wir es auf das Böse ausrichten können. Offenbar hält es sich mit den Kräften der Magie die Waage, muß aber zwischendurch mal mehr von dem einen und dann wieder von dem anderen auspendln. Wie sieht denn der Rhythmus aus?" Julius sah auf seine Uhr. Es war bereits zwanzig nach zwölf. Er hatte also noch vier Stunden und zehn Minuten übrig. Er zählte die Sekunden vom Warm- zum Kaltzustand und umgekehrt und erkannte, daß es keine gleichmäßige Schwingung war, wie er es bei einem Pendel kannte. Dann hatte er eine Idee. Er ging mit dem Gerät auf der ganzen Wiese herum und achtete auf den Wärmewechsel. Im Osten der Wiese war die Kältephase ungefähr eine Zehntelsekunde länger als vorher und kehrte in zehn Sekunden viermal wieder, während die Wärmephase in dieser Zeit nur zweimal eintrat. Im Westen war es genau umgekehrt.

"Das ist wie beim Topfschlagen", grinste er Aurora Dawn an. "Das gute wärmt dieses Ding auf, das Böse kühlt es ab. Deshalb hört Goldi dieses Singen. Sie kann also Magie wie normale Töne hören und versteht sogar, was sie ausdrückt. Faszinierend."

"Du meinst, wer weiß, welche Grundart Wärme oder Kälte erzeugt, kann damit nach der entsprechenden Quelle suchen? Oh, da kann man sich aber leicht vertun", meinte Aurora Dawn.

"Worauf du einen lassen kannst, Aurora. Wer denkt, das Gute ziehe Wärme ab, landet aus Versehen bei den Bösen. Allerdings muß ich noch rauskriegen, wie das mit Oben und unten geht und ... Verflixt, es pulsiert schneller, und die Wärme wird weniger", erkannte Julius. Goldschweif rief laut:

"Gefahr von oben, böse Menschenjungen auf fliegenden Ästen!"

Keine Sekunde später schossen zwanzig Halbwüchsige in grünen Spielerumhängen aus dem Himmel über der Wiese herab. Jeder von denen hatte mindestens einen grünen schleimigen Wurm in der Hand. Julius sank das Herz in die Hosen, während der Quellenfinder in der rechten Hand sehr schnell von Kalt nach lauhwarm wechselte. Aurora Dawn rief Julius zu, sich hinter ihr auf den Besen zu setzen. Doch da waren sie schon heran.

"Schönen Gruß vom Magister, Schlammblut!" Rief ein Junge in Grün und schwenkte den Willenswickler. Er selbst war nicht befallen. "Wir wissen zwar nicht, wie du dich selbst in diese Welt gebracht hast, aber das wirst du dem Magister schon erzählen. Hier erst mal unser Begrüßungsgeschenk", lachte der Kerl noch.

Julius überlegte, welcher der Flüche, die er noch gelernt hatte, wirksam gegen so viele gleichzeitig war. Sicher, er hätte die Energieblase noch mal aufrufen können. Aber ohne Körperkontakt zu Aurora ...

"Nihilius!" Rief Aurora Dawn voller Panik und flog auf, voll hinein in einen Pulk sie erwartender Slytherin-Spieler. Goldschweif sprang los, griff den Jungen an, der genau auf Julius zuraste, erwischte ihn mit voller Wucht an der Kehle und zerrte daran, bis der Junge den Wurm aus der Hand fallen ließ und laut schreiend davonsegelte. Die Knieselin landete behände neben Julius, fing einen von oben abgeworfenen Willenswickler mit einem Sprung und zerbiss ihn. Diesmal krochen die beiden Teile nicht weiter, sondern blieben liegen. Julius wußte, daß diese Würmer nicht weiterkrochen, wenn sie die reine Erde berührt hatten. Doch im Moment mußte er sich um anderes Sorgen. Er feuerte zwei Zauberflüche in das Geschwader in Grün und stoppte so zwei Flieger. Er entging knapp einem Willenswickler, der ihm entgegengeworfen wurde und holte mit dem Schockzauber einen Angreifer vom Besen. Goldschweif sprang derweil herum, kratzte und biss alle, die in ihre Reichweite kamen. Die, die sie erwischte, schrien erschrocken auf und sausten unkontrolliert weiter. Dabei fegten sie einige ihrer Kumpane mit sich von den Besen. Julius wußte jedoch, daß er zwanzig fliegenden Zauberern ohne die Behinderung durch die Würmer nicht gewachsen war. Er suchte Aurora Dawn, die gerade von zwei Mann festgehalten wurde. Er fühlte Wut und Angst in sich hochkochen, wie Milch in einem Schnellkochtopf. Er ahnte, daß man sie nicht mehr ohne diesen ekelhaften grünen Wurm ziehen lassen würde, ja nicht ruhen würde, bis man auch ihn erwischte. Er wollte sie alle zur Hölle schicken, wo immer die lag, dachte er voller ärger und Verzweiflung, wie er sie in dieser Mischung als Siebenjähriger gespürt hatte, als er im schnieken Schulanzug von drei Raufbolden aus der fünften Klasse umringt und dann erst angepöbelt und dann verprügelt worden war. Ja, diese Typen waren wie diese Jungen von damals. Sie genossen es, daß er vor ihnen Angst bekam. Aber vor diesen Leuten da wollte er keine Angst haben. Er würde sie zur Hölle ... Nein! Er würde sie einfach in ihre eigenen Bilder zurückschicken. Schnell duckte er sich unter einem anfliegenden besen durch. Er hörte noch das Aufklatschen eines langen dünnen Dings. Dann stand er am Weltenfenster.

"Da kommst du nicht durch, Schlammblut!" Flötete ein Junge und jagte auf ihn zu, um dann laut schreiend zurückzuweichen, als ihm zwanzig mit Wut ins Fleisch geschlagene Krallen durchs Gesicht fuhren.

"Inverse Logik! Spiegeldenken", schossen Julius zwei Begriffe durchs Hirn. Er kannte einen Zauber, mit dem man gemalte Wesen in ihre eigenen Bilder zurückholen oder fremde Wesen daraus hinausjagen konnte. Von außen her mußte er erst eine schräge Linie von links oben nach rechts unten ziehen. Hier tat er es genau seitenverkehrt. Er zog eine Linie von rechts oben nach links unten und sagte "Reinitimago. Eine gleißende weiße Linie stand nun genau da, wo er die Schräge mit dem Zauberstab geführt hatte. Er zog nun eine Linie von links oben nach rechts unten und sagte "Reinitimaginis!" Auch diese Linie strahlte nun weiß.

"Eh, Mist, was macht der?!" Rief einer der anderen Jungen. Julius beeilte sich, die beiden letzten Linien zu ziehen und dabei die beiden wichtigen Zauberwörter zu rufen. Dann tippte er genau da hin, wo sich die Linien alle trafen und rief schnell "Reinitimagine!!"

Goldschweif landete mit einer Schnelligkeit auf Julius Schultern, daß er erst glaubte, die Slytherins hätten ihn doch erwischt, trotz der guten Leibwächterin. Die gezogenen Linien wirbelten im Kreis, schneller und schneller. Ein Brausen klang auf, begleitet von einem immer wilderen Sturm. Alle wurden wie welke Blätter im Orkan herumgewirbelt, Freund wie Feind. Der Orkan wurde von einer totalen Finsternis begleitet, die alle verschlang und sie dem Spiel des Sturmes überließ. Julius bereute schon, diesen Zauber gewirkt zu haben, bevor der Orkan zu einem wild springenden Tornado wurde, ihn hoch in den Himmel riss und mit Urgewalt fortschleuderte. Er fühlte, wie er in einer mörderischen schwarzen Faust gequetscht, gerüttelt und geschüttelt wurde. Dann schwanden ihm die Sinne.

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"Komt, Chrysaora und Aurigena. Dieser halbausgegorene Knabe hat euch ausgetrickst!" Rief Kallergos, nachdem es ihm endlich gelang, aus dem dichten wabernden Nebel freizukommen. Er hielt seinen Eichenstock hoch gegen die himmelhohe Höhlendecke, wo zwei winzige Punkte zu sehen waren. Langsam sanken diese Punkte herunter, wurden erst zu leicht glitzernden Flecken, dann zu mausgroßen Schemen aus Gold und Gelb, bis die beiden metallischen Mädchen federleicht auf den Boden herabsanken und unbeschadet auf die Füße kamen.

"Das ist mir in alle den Jahrhunderten, die ich nun schon hier bin niemals passiert, daß mich ein Knabe derartig überrumpeln konnte. Ich werde ihn und diese verräterische Jungfrau büßen lassen. Sie haben den Quellenfinder und das Schwert der Entschmelzung mitgehen lassen. Könnt ihr euer Gespür auf diese Dinge lenken, oder muß ich euch erst beibringen, wie sie zu finden sind?"

"Meister, wir spüren sie auf. Wir kennen ihre Stärke und ihre Form", sagte die größere der beiden Goldmädchen, die Aurigena hieß. Die Kleinere, Chrysaora, nickte ergeben. Beide verbeugten sich tief und nicht im mindesten mechanisch, sondern sehr elegant und geschmeidig vor Kallergos.

"Dann geht hinaus und findet sie! Bringt mir erst die Gegenstände und den oder die welcher sie hat! Danach dürft ihr holen, wer dann noch fehlt. Lasst euch nicht aufhalten! Schon gar nicht von diesem Unhold Slytherin und seinen Kreaturen. Ihr wisst, die niederen Kreaturen dürft ihr bedenkenlos vernichten. Ihr dürft nur nicht die Wesen mit Bewußtsein töten. Und nun geht aus und erfüllt eure Pflicht!"

"Ja, Meister", gab Aurigena mit gehorsamer Verbeugung zur Antwort.

"Wir werden deinen Befehl ausführen, Meister", sagte Chrysaora und verbeugte sich ebenfalls noch mal. Dann eilten die beiden goldenen Mädchen mit blitzeschnellen und weit ausgreifenden Schritten davon, wie sonnengelbe und goldene Phantome.

"Junge, es ist schade um dich, daß du mich bestohlen hast. Du würdest wahrlich einen guten Lehrbuben abgeben", sprach Kallergos und dachte dabei an den Halbwüchsigen im tannengrünen Umhang, der erst seine beiden metallischen Schönheiten und dann ihn selbst ausgetrickst hatte. "Aber vielleicht ist es genau das, was ich mit dir anstellen werde."

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Die schwarze Riesenfaust schleuderte Julius immer weiter herum, bis sie ihn mit einem mörderischen Schwung von sich schleuderte und ihn in ein Meer aus Farben stürzen ließ, durch das er hindurchflog, immer wieder tiefe Schwärze vor den Augen. Dann prallte er auf etwas großes weiches und fühlte, wie er mit diesem Hindernis zusammen umgeworfen wurde.

"Also, was soll denn das, eine Dame derartig rüpelhaft zu überfallen!" Rief eine sichtlich aufgebrachte Frauenstimme. Julius fühlte das unverkennbare Brennen auf der Wange nach einer heftigen Ohrfeige. Dann kam er endgültig wieder zur Besinnung.

"Wirst du jetzt wohl von mir runtergehen, Bursche! Wo kommst du eigentlich so plötzlich her?!"

Julius erkannte, daß er mit großer Wucht gegen eine sehr beleibte Frau in rosa Gewändern geprallt und mit ihr dann auf den Boden gestürzt war. Halb hing er noch auf ihrem Bauch. Verlegenheit, Verwirrung und auch Verzweiflung tobten kurz durch sein Bewußtsein, bis er sich wieder fassen und sich aus der merkwürdigen Haltung lösen konnte, in der er hier am Boden hing. Er stand wieder auf. Die Frau in Rosa stemmte sich ächtzend hoch und besah ihre Kleidung.

"Du hast meine Kleider derangiert, Junge. Wer bist du also?"

"Jul-, ähm, Nihilius Nemo", quetschte Julius hervor. Etwas auf seiner Schulter schnurrte ihm sanft ins Ohr:

"Du bist zwar verrückt aber auch stark, Julius." Das war Goldschweif, die natürlich Französisch sprach.

"Soso, du willst also nicht sagen, wie du wirklich heißt. Das ist ungebührlich, junger Mann. Aber ich hingegen bin eine Dame und stelle mich denen vor, die mich in meinem Heimgemälde besuchen. Ich bin Grossalinda, die Kinder hier sagen aber nur "Fette Dame" zu mir. Also, willst du nicht doch sagen, wer du bist?" Entgegnete die üppige Frau in Rosa.

Julius' Gedanken schlugen mehrere Saltos. Dann fiel es ihm ein, daß der Eingang nach Gryffindor von einer fetten Dame behütet wurde. Er hatte es erfahren, als es dem geflüchteten Askaban-Häftling Sirius Black zum ersten Mal gelang, in Hogwarts einzubrechen. Dann war er also hier im Türportrait der Gryffindors.

Aufatmend stellte er fest, daß er nichts von seinen Zaubergegenständen, vor allem nicht den Zauberstab und die magische Haube, verloren hatte. Der Tornado und seine Folgen hatten ihn mit allem was er in diesem Moment bei sich hatte hier abgesetzt. Und jetzt wußte er auch, was Aurora Dawns gemaltes Ich damals gemeint hatte, als sie ihm sagte, daß es für die Wesen in einem Bild, auf das der Reinitimaginus-Zauber gelegt wurde, so vorkam wie von einer schwarzen Hand fortgerissen und irgendwo hingeworfen zu werden und warum Bruce, der Kuhhüter, das als Brutalität bezeichnete. In der Tat, das war sehr brutal, von diesem Zauber aus einem Bild fortgeschleudert zu werden oder in das Bild zurückgezogen zu werden, in dem man eigentlich wohnte. Jetzt wußte er es. Ob er zukünftig dann doch besser warten würde, wenn er ein leeres Zaubererbild vorfand, dessen Bewohner ihn irgendwo hinein- oder herauslassen sollte?

"'tschuldigung, Mylady. Ich hatte nicht vor, mich auf euch zu werfen. Ich habe das nicht nötig, denke ich zumindest. Ich möchte meinen wahren Namen jedoch nicht sagen, weil es in diesen Bildern hier Leute gibt, die mir und auch allen anderen hier übel mitspielen", sagte Julius nun wieder gefaßt. Die fette Dame sah ihn verwirrt an und fragte:

"Welche bösen Leute denn?"

"Irgendwo in Hogwarts laufen alte Bilderwesen herum, die von Slytherin gemalt wurden. Sie haben ekelhafte Würmer an Leute verteilt, die hier leben. Diese Würmer wickeln sich um ihre Hälse und unterdrücken dann den freien Willen. Dann fliegen hier noch so mordsgroße Insektenmonster rum, die teilweise wie Menschen aussehen. Der heftigste Hammer ist, daß hier auch eine uralte Version von Salazar Slytherin herumspuken soll, sozusagen als höchster Dämon in dieser Gruselgeschichte."

"In der Tat, dies klingt mir eher nach der Ausgeburt eines Alptraums oder einer böswilligen Angstmacherei", bemerkte Grossalinda, die fette Dame. "Allerdings erscheint sie mir nun, wo du sie mir erzählt hast glaubwürdig, wenn ich bedenke, daß meine Freundinnen alle nicht mehr aufzufinden waren. Ich wollte gestern zu Violette und Kunigunde. Sie waren nicht in ihren Heimatbildern. Außerdem kamen mir unterwegs merkwürdig verschlafen wandelnde Leute entgegen, die mir aus dem Weg gingen, bevor ich sie ansprechen konnte. Aber wo genau kommst du her?"

"Ich bin aus einem anderen Gebäude, einer anderen Galerie herübergekommen, weil ich die Brutstätte dieser Würmer finden und zerstören muß, bevor diese Biester alle anderen Bilder befallen können. Sicher, ich bin vielleicht ein wenig jung für sowas, aber war der einzige, der so verrückt war, das zu versuchen."

"Aus einer anderen Galerie also. Du hast einen Kniesel dabei. Offenkundig wurde dir dieses Tier mitgegeben, weil sein Spürsinn und seine Gewandtheit nützlich für dich sind. Da Kniesel sowas nicht auf Kommando tun muß dieses Exemplar dir sehr verbunden sein. Dann bist du vielleicht aus Beauxbatons, wo meine Freundin Antoinette ein zweites Portrait besitzt. Eine erhabene Dame, die dort wohnt, hält sich einige Kniesel. Du müßtest sie gut kennen, wenn du einen ihrer Lieblinge mitführen durftest: Viviane Eauvive."

"Öhm, natürlich kenne ich Madame Eauvive", sagte Julius errötend. Dabei hatte er die Gründungsmutter seines neuen Zuhauses in Beauxbatons nur einmal richtig gesprochen, er vor dem Bild und sie darin, als seine Mutter mit Catherine Brickston zum Elternsprechtag vor den Osterferien gekommen war. Doch das mußte die umfangreiche Lady in Rosa nicht wissen.

"Dann ist es wohl wirklich ernst. Ich hörte von Antoinette, daß die in Beauxbatons sich ernste Sorgen um Hogwarts machen, ja sogar eine Geheimgesellschaft gegründet haben, von der Antoinette aber nie erfuhr, wer dazugehört."

In Julius' Kopf läuteten mehrere Alarmglocken. Dann war die Sub-Rosa-Tätigkeit doch schon bis nach Hogwarts gedrungen, eben über die Bilder. Konnte es dann nicht sein, daß auch diejenige, die davon nichts wissen sollte, Dolores Jane Umbridge, nicht bereits alles wußte, was in Beauxbatons beschlossen wurde. Nun ergab auch die heftige Abneigung dieser krötengesichtigen Lehrerin gegen ihn einen Sinn. Ja, dieser Brief, in dem sie Professeur Faucon vorgeworfen hatte, Schüler von Beauxbatons gegen sie aufzuhetzen, machte dann auch Sinn. Dann war dieses Weib nicht paranoid, sondern reagierte nur auf das, von dem sie wußte, daß es lief, jedoch nicht genau wußte, was es war und warum es geschah.

"Wir reden nicht über sowas", sagte Julius und kämpfte um eine gleichgültige Tonlage und Miene. Die fette Dame nickte.

Julius' Gedanken flogen mit Überschallgeschwindigkeit durch sein Bewußtsein. Mit jedem Knall, den sie dabei machten, erschien es Julius deutlicher, was passiert war und daß er in einer tödlichen Falle saß, die bei der kleinsten falschen Bewegung zuschnappen würde. Er sah auf seine Uhr. Sie zeigte nun ein Uhr. Er hatte also nun noch dreieinhalb Stunden zeit, um einen Ausweg zu finden. Zuerst wollte er Aurora Dawn finden, um dann mit dem Quellenfinder den Weg wieder aufzunehmen.

"Ich würde mich gerne länger mit Ihnen unterhalten, Lady Grossalinda. Aber ich muß weiter. Noch mal entschuldigung, daß ich auf sie draufgefallen bin. Das war nicht meine Absicht", sagte er und eilte mit Goldschweif aus dem Bild.

"Viel Glück, junger Mann", sagte die fette Dame noch, als Julius schon längst verschwunden war.

"Wir müssen Aurora Dawn wiederfinden, Goldi", sagte Julius auf Französisch. Die Knieselin schüttelte sich heftig.

"Julius, die hat jetzt den Wurm. Ich hab's gesehen, wie ihr eines von den bösen Menschenmännchen dies böse Geschöpf um den Hals gelegt hat. Sie wird jetzt auch böses tun, wie die anderen auch, Julius."

"Verdammt! Verdammt! Verdammt!" Entfuhr es Julius. "Ich habe die in diesen Mist reingeritten und sie denen ausgeliefert. Hätte ich doch bloß nicht mitgemacht."

"Julius, du bist jetzt hier. Ich bin jetzt hier. Du magst dieses Weibchen, Aurora? Du willst ihr helfen? Ich helfe dir."

"Ist ja nett gemeint, Goldi, aber was sollen wir jetzt machen? Ohne Besen sind wir den Befallenen unterlegen. Außerdem kommen wir nicht mehr so schnell durch die Bilder. Wir sind den Leuten mit den Würmern und den Insektenmonstern, die dir dieselbe Scheißangst einjagen wie mir, hilflos ausgeliefert", steigerte sich Julius in immer größere Verzweiflung. Hier und jetzt brach alles, was er seit der Grundschule so mühsam und nicht selten unter heftigen Strafen gelernt und gepflegt hatte in sich zusammen. Er schrumpfte innerhalb von Sekunden zu dem kleinen Jungen, der er früher mal war, vor dem Karate-Training, vor seinem heftigen Kampf um Selbstbeherrschung und vor der Entdeckung seiner Zauberkraft. Jetzt war er ein kleiner siebenjähriger Junge im Körper eines Dreizehnjährigen, der am liebsten laut nach seiner Mutter geschrien hätte. Er fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen traten, wie er zu schluchzen begann. Unvermittelt fühlte er Goldschweifs halb ausgefahrene Krallen knapp hinter seinem Ohr entlangfahren. Der Schmerz, den diese Tat verursachte, würgte die Verzweiflung ab. Er zuckte zusammen und stieß einen kurzen Schmerzlaut aus. Dann wandte er sein Gesicht dem Knieselweibchen zu. Er sog dessen strengen Wildkatzengeruch ein und rümpfte die Nase. Doch dann hörte er, was Goldschweif sagte:

"Hör gut zu, Julius. Jetzt, wo du mich verstehen kannst, obwohl ich schon solange mit dir rede, sollst du wissen, daß ich will, daß es dir gut geht, wie meinen eigenen Jungen. Ich will haben, daß du groß und stark wirst, dich zu wehren lernst und ein Weibchen findest, mit dem du genauso kräftige Jungen hast, wie du eins Bist. Du wirst jetzt losgehen und diesen ganz bösen Menschen suchen! Ich werde bei dir sein. Wir werden ihn finden und aus seinem Reich verjagen. Ich will haben, daß du lebst."

Julius traute seinen Ohren nicht. Dieses Tier da auf seiner linken Schulter sprach zu ihm wie eine Mutter oder Lehrerin? Konnte man diese Kniesel wirklich so heftig unterschätzt haben? Aber sie hatte recht. Ja, mit ihrem einfachen Verstand - wenn man so überheblich von einem einfachen Verstand sprechen durfte - hatte sie recht. Er mußte sich wehren. Daß Aurora Dawn nun auch eine Sklavin des ersten Slytherin-Bild-Ichs war, war ein Rückschlag für ihn. Aber das hieß auch, daß er nun kämpfen mußte. Der Auftrag, der bis dahin nur gefährlich war, war nun zu einer persönlichen Sache geworden, einem Ding, das er durchziehen mußte, wenn er leben wollte, nicht nur überleben. Hier und jetzt, in einer Welt jenseits der natürlichen Daseinsebene, entschied sich nun, ob er ein Mann werden würde oder doch nur der kleine Junge bleiben konnte, der sich viele Jahre gut versteckt hatte, bis er endlich wieder herauskommen und sein Elend hinausschreien durfte. Nein, dieser kleine Junge mußte wieder weg! Julius Andrews mußte nun durch diesen Parcours der Gefahren. Es ging nicht mehr um den Stop der Willenswickler alleine, sondern um sein Dasein, seine Zukunft.

"Gut, Goldi. Ich werde diese Brutstätte finden und zerstören, damit die Würmer nicht mehr die Leute kontrollieren können. Dann bricht auch der Bann, in dem Aurora Dawn jetzt steckt. Marschieren wir los! Ich weiß jetzt, wo ich zuerst hin muß."

Zunächst behandelte er die Kratzwunde Goldschweifs mit dem Heilzauber. Dann ging er los. Er kannte sich in Hogwarts doch noch gut aus. Jetzt um diese Zeit war es sehr ruhig außerhalb der Weltenfenster. Das Training mit dem Schwermacher hatte ihm im Verlauf des Schuljahres eine beachtliche Kondition verschafft, aber auch seine Durchschnittsstärke erhöht. Er suchte den Weg nach Hufflepuff. Goldschweif warnte ihn unterwegs, wenn Befallene oder die Insektenmonster in der Nähe waren. Julius marschierte so eine Stunde, bis Goldschweif zischte:

"Achtung, das größere der beiden Glitzerweibchen aus der heißen Qualmhöhle ist rechts vor uns. Es kommt zu uns."

Julius verstand sofort. Der hinkende Schmied hatte ihm seine goldenen Schönheiten auf den Hals geschickt. Irgendwie mußten sie Witterung aufgenommen haben. Womöglich strahlten die beiden magischen Gegenstände was aus, das die goldenen Mädchen anzog. Er grinste, wenn er an seine Vorschultage dachte, wo er sich mit Lester und Malcolm bei Malcolms großem Bruder eine Fernsehserie angesehen hatte, die "Goldene Mädchen" hieß. Worum es sich da so drehte, hatte er nie so recht rausbekommen. Er kannte nur die Namen jener vier älteren Damen und mußte unvermittelt grinsen, als ihm klar wurde, wie er Professeur Faucon so richtig hätte ärgern können.

"Ich tu diesen Quellenfinder mal weg. Vielleicht pingelt der Dorothy an."

"Wer ist das?" Fragte Goldi.

"Dieses goldene Roboterweib, das du - singen hörst. Faszinierend."

"Was ist daran so ungewöhnlich, Julius. Ich höre ihre Kraft, ihre Magie singen", sagte Goldschweif.

"Ja, glaube ich dir ja, Goldi", sagte Julius beruhigend.

"Die größere der beiden Glitzerweibchen kommt jetzt in unser Bild und ...

"Deterrestris!" Rief Julius mit genau auf etwas sonnengelbes deutendes, das gerade ins Bild schlüpfte. Das goldene Geschöpf sprang zwar noch vor, um Julius mit einem fangschreckenartigen Schlag ihrer Arme zu packen, doch der Gewichtsumkehrfluch hatte sie bereits voll getroffen. Sie flog nach oben, wie ein Korken aus einer Sektflasche, die sein Vater mal anläßlich seiner Beförderung zum Direktor der Forschungsabteilung geöffnet hatte. Sie flutschte einfach durch den gemalten Himmel. Wenn das Bild über ihr auch keine feste Decke zeigte würde sie unweigerlich noch höher steigen, bis sie endlich unter dem Dach des Schlosses ankam beziehungsweise über dem Himmel des obersten Bildes festhing. So kämpfte man also gegen Androiden, Roboter und kybernetische Organismen, alles Wesen oder Maschinen, die wesentlich stärker als man selbst waren, dachte Julius. Man mußte nur früher wissen wo der Gegner war als dieser.

Goldschweifs wacher Spürsinn warnte ihn vor einer Kolonne versklavter Hexen und Zauberer, die ihnen von unten her entgegenkamen. Er konnte sich hinter einem Urwaldbaum verstecken und die Truppe wie in Trance wandelnder vorbeiziehen lassen. Er zählte dreißig Mann, elf Hexen und neunzehn Zauberer. Einige von denen kannte er von früher, wenn er mit Kevin oder Gloria unterwegs im Schloss war.

"Widerstand ist zwecklos! Ihr werdet alle assimiliert", gab Julius nach dem Durchmarsch der Kolonie dumpf klingend von sich.

"Was heißt das?" Fragte Goldschweif leise.

"Ist aus einer erfundenen Geschichte in einem Bildergerät, Goldschweif. Es ging da um Geschöpfe halb lebendig halb mechanisch, die nichts anderes zu tun hatten als nurlebendige Leute zu ihresgleichen zu machen, zu assimilieren. Da mußte ich dran denken. Wenn die Muggel wüßten, wie grausam das wirklich sein kann -"

"Achtung, Gefahr von oben! Die großen Flügellwesen", bibberte Goldschweif. Julius erschrak zwar, faßte sich wieder. Er hatte es jetzt in der Hand, ob er in den nächsten Sekunden auch verwurmt würde oder weiter nach der Lösung dieses Alptraumspiels suchen konnte. Er zog das kurze Schwert, dessen Klinge nur einseitig scharf war. Da kam auch schon das erste Mischwesen zwischen Insekt und Mensch herunter wie ein Sturzflieger aus jenem Weltkriegsfilm, den Julius gesehen hatte. Er holte mit der merkwürdig leichten Waffe aus und hieb einfach drauf los.

Er wußte nicht, was er erwartet hatte. Hatte er mit einem Blitz gerechnet, wenn das Schwert traf oder mit einem lauten Knall. Das Schwert als solches glühte nur blau auf. Das Insektenwesen schrie tierhaft auf. Jetzt meinte Julius, eine Frauenstimme gehört zu haben. Er sah den rechten unteren arm, in dem ein langer Schnitt klaffte, dessen Ränder blau glommen. Dieses Leuchten breitete sich über den ganzen Arm aus. Das Monster schrie und schlug um sich, surrte nach oben und zur Seite. Dann explodierte das blaue Leuchten schlagartig über den ganzen Körper. Unter einem immer unwirklicher klingenden Urschrei fraß das Licht das Monster auf. Dann ging der Schrei des Ungeheuers in den langgezogenen Schrei eines Babys über, das eingehüllt in eine blaue Wolke herabsank und dann auf dem Boden landete. Gleichzeitig surrte eine aufgeregte Honigbiene wild davon. Das blaue Leuchten verschwand, als Baby und Biene mehr als zehn Meter voneinander fort waren. Beide Wesen lebten noch. Doch das Monster, zu dem sie zusammengefügt waren, gab es nicht mehr.

Die beiden anderen Mischwesen verhielten wie auf eine Metallplatte geprallt zwölf Meter über Julius. Dann fielen sie beide gleichzeitig auf ihn nieder. Er duckte sich und ließ das Schwert ganz schnell hin- und herzucken, bis er zwei tierische Laute hörte, aber schon eine der klauenartigen Hände am Hals spürte und fühlte, wie es ihm die Luft abzuschnüren drohte. Doch dann zuckte der Arm, der halb von einem Insekt stammte zurück. Die beiden Ungeheuer rasten vor Schmerzen, während das vor wenigen Augenblicken aufgetauchte Baby voller Angst schrie. Dann explodierten zwei blaue Lichter dort, wo die beiden Ungetüme flogen, und daraus schälten sich wieder zwei nackte Säuglinge und zwei wilde Bienen, die überdreht davonsausten, während die Babys in den blauen Dunstwolken sicher zu Boden gingen und dort liegenblieben.

Julius sah sich um. Keines der Monster war noch da. Auch Goldschweif beruhigte sich wieder. Also war die Gefahr zunächst gebannt, und das Schwert des Schmieds Kallergos war, was es sein sollte, eine wirksame Waffe gegen gewaltsam zusammengekreuzte Ungeheuer.

"Hui, das ging aber gerade noch mal über die Bühne", sagte Julius und lief weiter. Die drei plärrenden Babys kümmerten ihn nicht. Seine Säuglingspflegepflichten waren nach Cytheras Geburt erst einmal beendet.

"Das ist schon grauenhaft, was schwarze Magie kann", stellte Julius fest, als sie gerade über eine Waldwiese liefen, um in ein Bild hinüberzuwechseln, von dem ihm Betty Hollingsworth mal erzählt hatte, daß es auf dem Weg nach Hufflepuff lag und in der Nähe von Lady Medeas eigenem Bild wäre. Einmal sah er durch das Weltenfenster hinunter, um zu sehen, wo er sich gerade im echten Schloss von Hogwarts befand. Da sah er einen klobigen Jungen im schwarzen Umhang, auf dessen Bruststück ein silbernes I prangte. Gloria hatte ihm davon erzählt. So lief die inquisitoriale Abteilung herum, alles Slytherins. Offenbar streunten diese Gangster nun nachts in Hogwarts herum, um vielleicht irgendwelche Missetäter zu fangen, vermutete Julius und duckte sich schnell hinter einem niedrigen Busch. Er hörte den Jungen an dem Bild vorbeipoltern und fröhlich pfeifen. Vielleicht pfiff er auch aus Angst, weil er dazu verdonnert war, allein im leeren Schloss herumzupatrouillieren.

"Hab' deinen Zinken, du tust schön stinken", plärrte Peeves' unvergessliche Stimme hinter der undurchdringlichen Barriere zwischen Bilderwelt und natürlicher Wirklichkeit. Der Slytherin zog seinen Zauberstab und wollte Peeves gerade was aufbrennen. Doch Peeves kicherte von ganz woanders her, total unsichtbar.

"Mistpoltergeist! Wenn wir dich zu fassen kriegen feuert dich Direktorin Umbridge gleich raus!" Rief der Slytherin und stampfte bei jedem Wort auf.

"Ist es denn möglich, daß Sie hier so rumbrüllen müssen, Mr. Gruelane", klang eine Stimme wie von einem kleinen Mädchen durch den Korridor. Julius erstarrte. Das war Dolores Umbridge persönlich. Er konnte nicht riskieren, daß sie ihn sah. So blieb er hinter dem Strauch und kraulte Goldschweif, damit sie nichts von sich gab, was die derzeitige Schulleiterin aufmerksam machen mußte.

"Entschuldigung, Frau Direktorin. Aber Peeves ist unausstehlich. Diese Weasleys und andere pestbeulen hetzen den auf, uns anzugreifen oder uns was nachzuschmeißen oder wegzunehmen und so weiter", sagte Gruelane. Julius kannte ihn nur flüchtig. Der Junge war in der vierten Klasse von Hogwarts. Lea hatte ihm mal erzählt, das Carol Ridges mit ihm angebandelt hätte.

"Ja, das ist aber kein Grund, die anderen in der Nachtruhe zu stören, Mr. Gruelane. Dafür muß ich Slytherin zwei Punkte abziehen", sagte die Umbridge.

"Sehr wohl, Professor", sagte Gruelane und marschierte weiter. Professor Umbridge trat an das Bild heran. Julius sah es, weil ein Schatten von der anderen Seite sein Bild ausfüllte. Sie blieb wohl zwei Sekunden stehen und ging dann weiter.

"Hol dich das pferdehufige Zweihorn, du Giftkröte", dachte Julius. Irgendwie hatte es ihm in den Füßen gekribbelt, aufzuspringen und diese Hexe da draußen mal so richtig heftig anzupöbeln. Doch gerade so hatte er sich das noch verkneifen können. Er hatte wichtigeres zu tun.

"Julius, hinter diesem Bild wohnt ein böses Weibchen. Geh da nicht hin!"

"Vielleicht ist die böse, Goldi. Aber ich muß mit ihr reden. Sie kennt Slytherins Monsterarmee besser als ich. Ich will nur fragen, woran ich bin. Wenn du willst, kannst du hier bleiben. Du hast ja mitbekommen, wie es durch die Bilder geht."

"Sicher bleibe ich bei dir. Aber das Weibchen im anderen Bild ist nicht gut", sagte Goldschweif. Julius nickte. Was konnte er schon machen.

"Achtung, Gefahr von hinten. Erdmenschen!" Warnte die Knieselin. Julius warf sich herum. Wieviel konnte sein Zaubertrank noch abfangen, nach all diesen kräftezehrenden Manövern der letzten zwei Stunden?

Die beiden Golems stampften durch das Bild. Sie witterten lebendiges Fleisch und gingen darauf zu. Julius ließ einen passieren. Den zweiten schickte er genauso in die ewige Bedeutungslosigkeit wie die zuvor. Der Golem, der vorüberging, fuhr hölzern herum und stapfte auf Julius zu. Dieser wollte gerade ansetzen, auch diesen Golem zu vernichten, als Goldschweif nur "singendes kleines Glitzerweibchen!" Rief. Julius warf sich sofort hin, gerade noch rechtzeitig, um der ihn aus großer Entfernung anspringenden goldenen Schönheit zu entgehen. Der Golem erkannte den neuen Gegner und stürzte wie ein wütender Büffel darauf zu. Das kleinere goldene Mädchen erkannte wohl den Golem als größere Gefahr und stellte sich dem Koloss aus Ton und Magie

"Weg da, Glimmergeschöpf!" Brüllte der künstliche Riese das metallische Mädchen an. Dieses ging sofort auf ihn los und verwickelte ihn in eine wüste Schlägerei. Der Golem war schwerer und vielleicht auch stärker. Doch "Sophia", wie Julius die kleinere Version der beiden Goldpüppchen genannt hatte, war schneller, wendiger und trickreicher. Sie schaffte es, den Golem durch dessen eigene Stärke und Angriffe aus der Balance zu werfen und mit einem letzten Sprung umzuwerfen. Der mächtige Kämpfer, der nur zur Verteidigung oder zum töten erschaffen worden war, schlug um sich. Julius überlegte, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er kramte schnell einen der Incantivakuum-Kristalle aus seinem Brustbeutel, sagte zu Goldschweif, sofort loszurennen, wenn er es mit dem Zauberstab berührte und wartete, bis sich Golem und Metallmädchen ineinander verkeilt hatten. Dann berührte er den magischen Kristall mit dem Zauberstab. Sofort leuchtete der Kristall blutrot auf. Julius warf ihn punktgenau zwischen die beiden künstlichen Kämpfer und legte einen Tiefstart hin, wie ihn Barbara ihm mal gezeigt hatte. Mit einem weiten Satz durchbrach er den Durchgang zum Tunnel und rannte wie irre durch den bunten Tunnel. Als es eine abschüssige Bahn hinunterging. rollte er sich so weit es ging zusammen und kullerte bis zum Fuß der schiefen Bahn. Dort trat er vor und hinüber in einen herrlichen Garten unter klarem Sternenhimmel. Er lief einige Meter, bevor er sich sicher war, daß der Zauberschlucker, wie er ihn nannte, gerade gezündet hatte. Goldschweif fauchte:

"Autsch, das tat ja weh. Erst zu laut, dann gar nichts mehr. Jetzt höre ich endlich wieder die Kraft."

"Was ist mit dem kleinen Glitzerweibchen?"

"Sie singt nicht mehr. Doch, ganz tief, ganz wummerig."

"Dann hat sie der Zauberschlucker nicht so richtig erwischt. Hoffentlich ist ...

Bumm! Soeben explodierte etwas in grellem Licht. Weißer Dampf und Ruß verteilten sich sacht auf diesen Garten. Bumm! Wieder wölkten Wasserdampf und Ruß auf.

"Offenbar kämpft Mylady gerade gegen Salazars Söldnertruppe", meinte Julius und sah sich um. Im Garten stand ein großes Landhaus. Östlich von ihm klaffte tiefdunkel das Weltenfenster. Dann erscholl wieder eine Explosion. Unmittelbar darauf flogen drei Insektenmonster ins Bild, surrten über Julius hinweg und rasten auf den Vorplatz des Landhauses zu.

"Wenn du diesem Weibchen helfen willst, denke immer dran, daß sie nicht gut ist", sagte Goldschweif. Julius hörte sie zwar noch, gab aber keine Antwort. Er rannte mit dem magischen Kurzschwert in der einen und dem Zauberstab in der anderen los, genau auf das Haus zu. Gerade fegte ein silberner Lichtfächer von unten nach oben und warf eines der Insektenmonster aus der Flugbahn. Es drehte laut brummend bei und ging zum Sturzflug über. Julius bewegte den Zauberstab in einer schnellen Bewegung und rief: "Malleus Lunae!" Aus seinem Zauberstab schoss ebenfalls ein breiter silberner Fächer aus konzentriertem Licht und prellte das Monstr derartig aus der Bahn, daß es unkontrolliert auf ihn zutaumelte. Ein schneller Streich mit dem Schwert versetzte dem Ungeheuer einen fatalen Schnitt in einen der Flügel. Laut schreiend schlug es um sich, fuhr sogar einen degenartigen Stachel aus, dem Julius gerade noch so ausweichen konnte. Dann setzte die Entschmelzung des unnatürlich verschmolzenen Geschöpfes ein, die mit der Explosion aus blauem Licht und einem krakehlenden Säugling und einer aufgescheuchten Biene ihren Höhepunkt erreichte.

Drei weitere Flugbestien kamen heran. Julius hörte eine Frau mit befehlsgewohnter Stimme etwas rufen. Er ging in Deckung, weil er einen heftigen Fluch erahnte. Es passierte jedoch was anderes. Vom Haus her raste ein mindestens vier meter langes und drei Meter hohes Geschöpf heran, das wie eine übergroße Frau mit Flügeln und scharfen Krallen aussah, jedoch aus gleißendgelbem Licht bestand, wie aus dem Licht der Sonne geformt. Es stieg mit einem lauten Schrei auf und griff das erste der drei verbliebenen Monster an. Mit ihren Krallen zerfetzte es die Flügelpaare des Ungeheuers, das daraufhin abstürzte. Sicherlich würde es den Sturz nicht überleben. Doch die Lichtgestalt fing es auf und brachte es sicher zu boden. Das zweite Monsterwesen nahm kurs auf Julius, der zu frei im Garten stand. Er steppte zur seite, drehte die Hand mit dem rosiggoldenen Kurzschwert so, daß die Schneide aufwärts schwang und erwischte das Monster am linken Bein. Ratschend schnitt die magische Klinge aus dem geheimnisvollen Orichalk eine tiefe blaugeränderte Kerbe in die Wade.

"Neiiin! Uaaaaaaaaaaoooooiiiiiiiii!!!!" Brüllte das Ungeheuer und versuchte, Julius noch mit drei Händen zu packen. Doch der unumkehrbare Zerlegungsvorgang war schon in Kraft und machte jede willentliche Handlung unmöglich. Wieder glühte erst die Einschnittstelle blau auf, bis das magische Licht mit voller Stärke über den Körper des getroffenen Flugungeheuers erstrahlte, es auflöste und statt seiner ein schreiendes Baby und eine verstörte Honigbiene freisetzte.

Der Beauxbatons-Schüler rannte los, um sich das heruntergefallene Monster vorzunehmen. Die blendend helle Flügelfrau griff derweil das dritte Insektenwesen an.

"Hilf mir, Menschling!" Flehte das flügellose Monster. Julius sah es an und fragte:

"Wer hat euch geschaffen und wo war das?"

"Magister Slytherin. Seine Galerie!" Presste das verstümmelte Monster schmerzvoll heraus. "Magister - Slytherin - will die Welt der Bilder erobern, bevor der Mond sich wieder in dieser Pha-hase z-eigt."

"Wo ist das Bild, wo ihr herkommt?" Fragte Julius sehr eindringlich.

"In der Galerie des Grauens, Menschling!" Keuchte das flügellose Mischwesen.

"Wer bist du?" Fragte Julius noch.

"Ich bin Vierter von zwölf", quetschte das Ungetüm am Boden heraus. Julius grinste gemein.

"Falsch. Du bist Vierter von sieben. Fünf sind schon weg." Mit einer bei ihm nie zuvor so deutlich gesehenen Bösartigkeit in Miene und Haltung schwang er das Schwert und hieb dem verwundeten Geschöpf einen der beiden haarigen Fühler mitten durch. Laut schrie das Monster, warf sich herum, stieß den langen Giftstachel aus, aber vorbei. Das blaue Leuchten hatte sich diesmal noch rascher vorangefressen und explodierte mit aller Macht keine drei Sekunden nach dem Schwertstreich.

"Und jetzt bis du Keiner von sechs", schnaubte Julius, bevor ihm klar wurde, das er eben seine Selbstbeherrschung aufgegeben und sich einem blinden Hass überlassen hatte. Ein Hass auf Insekten, auf diese Monster, die Aurora Dawn und ihn angegriffen hatten, die für Slytherin arbeiteten, der alle Welt vernichten wollte. Er erschrak. Er erkannte, wie furchtbar er sich benommen hatte. Er hatte einem bereits kampfunfähigen Wesen Gewalt angetan und das auch noch genossen. So ähnlich mußte sich der junge Jedi-Ritter Anakin Skywalker gefühlt haben, bevor er zu Darth Vader, dem schwarzen Lord im Dienst des bösen Sternenimperators wurde.

"O nein, das muß ich niederkämpfen, sonst lande ich auch auf der dunklen Seite der Macht", keuchte er. Goldschweif raste heran. Offenbar hatte die Knieselin gespürt, wie gefährlich grausam er gerade gefühlt hatte. Doch anstatt ihn anzuknurren oder dergleichen schmiegte sie sich an ihn. Sie schnurrte beruhigend und bot ihm an, sie aufzuheben. Er bückte sich, wobei ihm Tränen aus den Augen rannen. Wie konnte er, der besser als seine Eltern wußte, daß es eine dunkle Seite der Macht gab, so gnadenlos dreinschlagen.

"Du kannst nichts dafür, daß diese Ungeheuer dich böse gemacht haben. Du bist nicht böse", schnurrte Goldschweif ihm beruhigend zu. "Die wollen dich fangen und verderben. Du mußt dich wehren. Du mußt sie von dir fernhalten."

Laut schreiend fiel das dritte Monster herunter. Julius überlegte. Er durfte nicht mehr aus Wut und Hass zuschlagen. Aber diese Monster starben ja nicht. Im Gegenteil. Die daraus freigesetzten Einzelwesen konnten endlich ihre wahre Natur ausleben. Böse Mächte hatten sie zu mörderischen Monstern gemacht. Er hatte die Waffe, diesen Schaden zu beheben. Goldschweif spürte, daß er seine Hände brauchen würde und setzte mit ihrer Gewandtheit von seinen Armen herunter auf den Boden. Julius hob das Schwert. Er mußte nicht zuschlagen. Ein Schnitt reichte vollkommen aus. Er jagte auf das Monster am Boden zu, zog schnell die scharfe Seite des kurzen Orichalkschwertes über das linke Bein des niedergestürzten Mischwesens. Dieses schrie vor Schmerzen auf und wand sich im Zerlegungskampf. Als dann endlich auch ein vierter plärrender Säugling neben einer wild davonjagenden Biene am boden lag, beruhigte sich Julius wieder.

Laut schreiend, diesmal aber nicht im Schmerz sondern Triumph, raste das Flügelwesen aus Sonnenlicht zurück zur Erde. Es schritt stolz auf eine Hexe in einem dunkelroten Kleid zu und beschien es mit seinem gleißenden Licht. Dann verbeugte es sich und schlüpfte kopfüber in den Zauberstab der Hexe, den sie vor sich ausgestreckt hielt. Der Stab saugte das Wesen aus hellem Licht einfach wieder ein.

"Jüngling, kommt zu mir! Immerhin wolltet ihr doch zu mir!" Rief die Hexe im roten Kleid. Dann sah Julius hinter ihr zwei Golems. Er richtete seinen Zauberstab auf den ersten und sang schnell die dreiteilige babylonische Formel herunter, die dem Kunstwesen die totale Zerstörung bringen würde. Lady Medea, um die es sich bei der Hexe in Rot handelte, fuhr herum und sah den zweiten Golem, der gerade voranschritt und seine rechte klobige Pranke vorschießen ließ. Sie berührte den Hals der Lady. Krach! In einem blutroten Blitz und einer weißen Dampfwolke verging der Bruder des Golems, der soeben in Julius' Vernichtungszauber verging. Er fühlte die Auszehrung, die die Zerstörung des Golems mit sich brachte. Aber noch hielt der Wachhaltetrank dagegen. Doch er hatte wieder eine Stunde Wirkungsdauer eingebüßt.

Goldschweif blieb zurück, als Julius zu Lady Medea hinüberging, die ihn anlächelte wie eine siegreiche Königin ihren stolzen Prinzen, der mit ihr zusammen eine große Schlacht gewonnen hat.

"Willkommen in meinem Paradies, Nihilius Nemo! Ich habe euch schon erwartet, Bote aus der natürlichen Welt. Folgt mir bitte in meine bescheidenen vier Wände und gönnt mir das Vergnügen Eurer Gesellschaft", sagte sie ruhig und mit einem freundlichen, vielleicht etwas zu freundlichen Tonfall. Julius hatte Goldschweifs Warnung nicht vergessen. Auch hatte er nicht vergessen, was er in Hogwarts selbst von dieser Hexe gehört und mitbekommen hatte. Einmal hatte sie Bruce und seine Kuh Maggy mit dem Intercorpores-Permuto-Fluch belegt, weil Maggy in ihrem Garten Beete geplündert und ramponiert hatte. Maggy war danach für einen vollen Tag als Menschenfrau herumgelaufen, während Bruce als Stier grasen mußte. Deshalb hütete er sich davor, einem Beet zu nahe zu kommen, um bloß keinen Halm oder Blütenstand anzurühren. Er wußte auch, daß er sich in eine gefährliche Lage begab, wenn er sich mit dieser Frau einließ. Doch was blieb ihm anderes übrig. Slytherins gemaltes Ich aus der Gründerzeit hatte Aurora Dawn in seiner Gewalt. Ohne sie konnte er nicht mehr nach Beauxbatons zurück. Sicher, mit dem Intrakulum konnte er sich aus einem beliebigen Bild in das Schloss Hogwarts zurückversetzen. Doch dort würde er sofort als Spion und möglicher Feind von Professor Umbridge gejagt werden. Das beste, was ihm dann passierte, wäre die Verbannung in die Muggelwelt. Nein, er mußte den Weg zurück nach Beauxbatons finden, und der führte nur über Lady Medea und Aurora Dawn.

Im Haus der Hexenlady brannten Kerzen in edlen Leuchtern aus Gold und Elfenbein. Julius fragte sich, wieviele Elefanten dafür hatten sterben müssen, bis ihm wieder einfiel, daß er in einer gemalten Szene war, in einem magischen virtuellen Raum, hinter dem jedoch alles verblasste, was Computertechniker der Muggelwelt mit diesem Begriff umschrieben. Er fühlte das knarrende Holz der Dielenbretter unter den Füßen, roch den kalten Dunst gebratenen Fleisches, hörte den Widerhall der getäfelten und mit Wandbehängen geschmückten Wände und fühlte die angenehme Wärme, die von den Kerzen erzeugt und von einem munteren Kaminfeuer vervollständigt wurde. Im Salon, der gut und gerne zehn mal zwölf Meter messen mochte und dessen Decke vier Meter über ihnen lag, saßen bereits drei junge Mädchen, nicht viel älter als die gemalte Aurora Dawn, die nun die Sklavin Slytherins war.

"Wo habt ihr eure vierbeinige Vertraute gelassen, Jüngling?" Fragte die Lady mit freundlicher Stimme.

"Sie muß jagen, Mylady. Die letzten Minuten waren heftig und haben sie hungrig gemacht", sagte Julius so ungerührt wie möglich klingend.

"Nun, das ist verständlich. Setzt euch hin!" Julius prüfte nicht, ob der Stuhl verhext war. Das hätte ihm sicherlich blanken Hohn der Lady eingebracht. Sie durfte ihn nicht töten, und gegen geistige Beeinflussung wirkte noch die Kettenhaube unter seinem Hut.

"Wollt ihr euren Hut nicht ablegen. Hier drinnen ist gut gewärmt. In meinem Alter ist man ein leichtes Opfer der Kälte, müßt ihr wissen."

Julius überlegte sich, ob er es riskieren konnte, den Hut abzunehmen. Die feingliedrige Kettenhaube würde leuchten wie ein Sonnenaufgang. Andererseits würde er gerade dann, wenn er den blaßblauen Hut aufbehielt den Verdacht erregen, etwas darunter zu tragen. Er überlegte lange, dann zog er sich den Hut vom Kopf. Jeder andere hätte ihn bestimmt für wahnsinnig erklärt. Doch er hatte nachgedacht. Die Lady hatte ihn gleich mit Nihilius Nemo angesprochen. Sie wußte also, wie er sich hier schon genannt hatte. Außerdem, so fiel es ihm ein, konnte es sein, daß sie ihn erkannt hatte. Er hatte da in ihren Augen etwas aufblitzen sehen können, als er in voller Festbeleuchtung eingetaucht im Salon stand. Diese Frau, diese Hexe, war nicht dafür berüchtigt, daß sie dumm war. Außerdem kämpfte sie gegen Slytherin. Das machte sie nicht gleich zu seiner Freundin im Geiste, aber zumindest nicht zur direkten Feindin. Und was hatte der Minister vor der Abreise noch gesagt:

"Wenn du diese Haube trägst, Julius, kann sie dir niemand gegen deinen Willen vom Kopf reißen. Nur wer sie dir aufsetzt, kann sie wieder abnehmen. Also stell sicher, das du derjenige bist!"

"Soso, die gute alte Kettenhaube der atlantischen Kaiserin der letzten Ära", sagte Lady Medea. "Welch trefflicheren Schutz gegen die Unbil dunkler Geisteszauber konnte man dir mitgeben, bevor du in unsere Welt hinüberkamst, Julius Andrews, Sohn der Martha Andrews."

Einerseits war jetzt der innere Druck weg, dachte Julius. Er war erkannt worden. Andererseits hatte diese Lady vor ihm ihn nun in der Hand, konnte mit seinem Geheimnis machen, was sie wollte.

"Nun, ich denke, Sie haben damit gerechnet, daß irgendwer zu ihnen kommt, um sich mit diesen Würmern zu befassen, Mylady. Hoffentlich sind Sie nun nicht enttäuscht, daß sie nur einen kleinen Jungen geschickt haben", sagte er kalt. Pokern war angesagt. Der Einsatz war seine sichere Rückkehr in die natürliche Welt, und er hielt gerade kein gutes Blatt auf der Hand.

"Ich bin nur von Dingen und Menschen enttäuscht, in die ich viele Hoffnungen gesetzt habe, Julius Andrews. Ihr hattet noch nicht die Gelegenheit, mich zu enttäuschen. Wäre Dumbledore in eigener Person erschienen, bestünde durchaus die Möglichkeit, mich enttäuscht zu fühlen. Ich ging davon aus, daß jemand nicht untätig herumsitzen würde und zuließe, wie erst die gemalte Welt, meine Heimatwelt, von grünen schleimigen Würmern unterjocht wird und dann die natürliche Welt, in die ihr hineingeboren wurdet, von solchen Widerwärtigkeiten umschlungen würde. Natürlich weiß ich auch, daß Ihr zu einer erlesenen Gruppe von Schülern ihrer anerkannten Akademie zählt, welche unter dem Symbol der niederbaumelnden Rose geheime Werke wider die irregeleitete Lehrerin hier in Hogwarts beschließt und exekutiert. Das muß Euch weder ängstigen noch beschämen, denn ich trachte nicht danach, die natürliche Welt neu zu beherrschen. Ich tat dies vor langer Zeit, wo ich selbst noch eine natürliche Person war und konnte nicht über ausbleibenden Erfolg klagen. Schwestern, die nach mir kamen, waren da zwar rigoroser, aber nicht gerade erfolgreicher. Mir geht es wie Euch darum, den Wahnsinn zu beenden, den drei halbidiotische Nachläufer eines irrsinnigen Emporkömmlings entfesselt haben, ohne zu ahnen, welchen alten Dämon sie damit beschworen haben. Aber was erwartet man auch von Knaben, die in hohler Dekadenz aufwuchsen und meinen, ihren Eltern gehöre die Zaubererwelt und so seien sie selbstverständlich die Erben der Welt. Wie dumm und selbstzerstörerisch ist doch solches Gebaren!" Die letzten Worte spie sie förmlich in den Raum, wobei sie nach Osten blickte, wo das Fenster aus ihrem Bild in die wirkliche Welt lag. "Der Zauber eurer wertvollen Kopfbedeckung hält fünf Stunden vor, soweit ich unterrichtet bin. Ebenso bin ich darüber unterrichtet, daß euch die Jungfer Aurora Dawn eine halbe Stunde vor der Mitternacht zu uns führte. Somit bleiben Euch noch etwa drei Stunden, in denen Ihr das vollbringen könnt, weswegen Ihr diese gefahrenschwangere Reise wagtet oder unverrichteter Dinge wider zurückzukehren und die Vernichtung des freien Willens in der Gewißheit zu erleben, sie nicht aufgehalten zu haben, obwohl Ihr dazu die Gelegenheit hattet. Nun, den zweiten Fall möchte ich Euch ersparen. Ich werde euch helfen, den Irrsinnigen und seine Brutstätte des Unheils, die Galerie des Grauens, auszuheben, ohne gegen das dritte Fundamentalgebot zu verstoßen, demnach Ihr kein bildhaftes Wesen mit Bewußtsein töten dürft. Doch dazu muß ich euch umfassend Kunde über diese Galerie geben. Mit diesem Wissen könnt ihr Euch, Eurer Vertrauten Aurora Dawn und ja auch mir nützlichen Dienst erweisen. Denn niemand aus unserer Bilderwelt vermag in die geheimen Reiche Slytherins vorzudringen, obwohl ich weiß, wo sie liegen. So höret!"

Julius setzte sich ruhig hin. Diese Lady war in sich eiskalt, wenn sie nach außen auch die freundliche Dame vorspielte. Die drei Mädchen in Kleid und Kopftuch sagten keinen Ton. Sie hingen der Hexenlady an den Lippen und nickten nur beipflichtend.

"Alle glaubten bei der Gründung von Hogwarts, daß Salazar Slytherin ein vernarrter Tropf sei, der sich mit seiner Idee von der reinblütigen Zaubererwelt nicht würde durchsetzen können. Doch seine Besessenheit von dieser Vorstellung war so stark, daß er danach trachtete, die Bemühungen der anderen drei Gründer zu verderben, um zu beweisen, daß nur die reinblütigen Zauberer und Hexen das Recht auf die Ausbildung in Hogwarts beanspruchen dürften. Natürlich widerstanden die drei anderen Gründer, allen voran Gryffindor, und vereinten ihre Kräfte, um Slytherin entweder zur Abkehr von seinem Wahn zu bewegen, ja zu zwingen, oder ihn zu entmachten und aus Hogwarts zu verstoßen.

Slytherin war nicht einfältig. Er ahnte, daß seine Vorstellungen nicht auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Er wußte jedoch auch, daß Eltern reinblütiger Zaubererkinder sehr wohl seine Ansichten teilten. Doch sie waren in der Minderheit und durften nicht zu früh losschlagen. So überließen sie Slytherin sich selbst. Er setzte Pläne ins Werk, die nach ihm kommenden die Möglichkeit geben sollten, sein Ziel doch noch zu erfüllen, und sei es, Hogwarts dabei zu vernichten. So schuf er die Kammer des Schreckens, in der er einen Basilisken unterbrachte, der nur von echten Parselmündern geweckt und gegen nichtreinblütige Schülerinnen und Schüler zum Angriff geführt werden konnte. Er wußte jedoch auch, daß es Jahrhunderte dauern mochte, bis ein Parselmund seinem Vermächtnis auf die Spur kam und es in seinem, Slytherins Sinne nutzen würde. So schuf er noch eine heimtückische Hinterlassenschaft. Mit eigenem Blut in Farben gerührt schuf er zunächst ein Abbild seiner Selbst, das anders als das eines anderen Malers alle Kenntnisse und Gedanken des Originals übernahm. Um diesem selbstherrlichen und größenwahnsinnigen Werk ein mächtiges Umfeld zu geben schuf er ebenso vier weitere Gemälde, die die vier Pfeiler seiner Macht zusammenfaßten: Die Herrschaft über Leben und Tod, die Herrschaft über den freien Willen und die Seele, die Armee der künstlichen Krieger und die Herrschaft über den Lauf der Zeit, sowie er sie zu haben sich damals eingebildet hatte. So entstanden "Die Brutstätte der Strangulator voluntatis", "die zwölf Entomanthropen", "Die Garde der Golems" und "Die Halle der schlafenden Zeit. Nun, die Brutstätte hat bereits ihre Schuldigkeit getan. Von den zwölf Entomanthropen gibt es nur noch sechs, die Golems haben wir noch nicht alle gesehen, und ich vermute, daß er in der Halle der schlafenden Zeit die drei gegnerischen Gründer festsetzen und jene einsperren wird, die er nicht durch die grünen Würmer in seine Reihen zwingen kann. Diesem Zweck galt wohl auch der Angriff. Als Ihr herkamt, Julius Andrews, hatte ich bereits zehn Golems vernichtet. Ich erhielt Kunde von Getreuen von mir, daß Ihr da selbst schon vier dieser Wesen zur Strecke brachtet. Da Ihr bislang noch ohne diesen widerlichen Wurm seid und auch durch ihn nicht unterworfen werden könnt, solange ihr euren Kopfschmuck tragt, seid Ihr wie ich das große Angriffsziel. Er spürte bestimmt, daß seine Macht Stück für Stück schwindet, denn er unterhält eine starke geistige Verbindung zu seinen Geschöpfen. Dies jedoch ist sein Verhängnis. Er wird weiterhin angreifen müssen, um uns zu bekommen. Er mag ahnen, daß Ihr aus der natürlichen Welt seid. Aber wenn er es nicht weiß, muß er euch schonen, darf euch nur fangen. Nun habt Ihr aber dem alten Kallergos einige wertvolle Spielsachen fortgenommen. Ihr mögt seine metallischen Mägde ab und an zurückschlagen. Doch immer wird euch das nicht gelingen. Er wird sie euch weiterhin auf die Spur setzen, um euch und was ihm gehört zurückzuerhalten. Ah, und wie spricht der Lateiner: "Lupus in Fabula"!"

Es klopfte heftig und unüberhörbar an die Tür. Lady Medea stand auf und ging hinaus.

"Verdammt, die gehört zu diesen Nachtfraktions-Schwestern", dachte Julius. "Sie weiß, daß ich mir genau das zusammenreimen werde und erzählt mir alles über mich und über ihre frühere Herrschaft. Das lässt nur den Schluß zu, daß ich ihr nicht gefährlich werden kann. Das wiederum heißt, daß sie mich entweder schon verloren gibt oder sicherstellen wird, daß ich keinem außerhalb der Bilderwelten was erzählen kann. Die dritte Möglichkeit wäre, daß es ihr egal ist, was ich über sie weiß."

Julius hörte wie Medea vor der Tür mit jemanden laut sprach.

"Kehre sie um, Magd und künde deinem Meister, der Jüngling ist in meiner Obhut und steht damit unter meinem Schutz. Ich wähne ihn nicht so töricht, mich zur Feindin zu wünschen. Falls doch, seine Werkstatt bietet mir reichen Lohn, wenn ich ihn besiegt haben werde, falls er wirklich danach trachtet, die Jahrhunderte vergessen zu machen, die wir in gegenseitigem Respekt zubrachten."

"Gebt mir das Schwert und den Quellenfinder", klang eine irgendwie tiefe und leierige Stimme. War das die kleinere der goldenen Mädchen?

"Diese Dinge sind von Nöten, um den Irrsinnigen zu finden und zu entmachten, Chrysaora. Also kehre sie heim, Magd und künde es dem Meister."

"Gebt mir das Schwert und den Quellenfinder!" Leierte die Stimme vor der Tür. Offenbar mußte der Incantivakuum-Kristall ihr doch heftiger zugesetzt haben als Julius bedacht hatte.

"Verschwinde sie nun von hier! Oder soll ich den Fluch der Schwerkraftumkehr wirken, wie ihn der Jüngling wider ihre Schwester gewirkt hat?"

"Das Schwert, den Quellenfinder!" Leierte es wieder. Lady Medea empörte sich, weil die kleine goldene Dame wohl versuchte, in ihre Wohnung einzudringen. Tatsächlich wirkte Lady Medea den Schwerkraftumkehrfluch und beförderte die ohnehin schon angeschlagene Robotermagd in den Himmel über ihrem Grundstück. Dann kehrte sie zurück.

"Beharrlichkeit zeichnet den wahren Diener vor seinem Herren aus", seufzte sie. "Die beiden sind nun erst einmal kein Problem mehr, werden sich jedoch in drei Stunden wieder einfinden, wenn Ihr bis dahin noch hier seid. Also hört noch weiter!"

Lady Medea berichtete Julius noch von jenem verborgenen Kerker, in den nur reinblütige Zauberer eindringen konnten, wenn sie einen alten Spruch Slytherins sagten und vor dem Eingang knieten. Dort hatten die Bilder gelagert. Sie hingen jetzt so, daß jedes Bild einen Knotenpunkt in den gemalten Welten von Hufflepuff, Ravenclaw und Gryffindor bildete. Die Brutstätte und das Selbstportrait in einer für Slytherin genehmen Landschaft hingen noch im verborgenen Kerker. Dann rückte die Lady auch damit heraus, warum sich die von den Willenswicklern befallenen versammelten.

"In der Nacht vom einundzwanzigsten Mai auf den zweiundzwanzigsten Mai sollen alle Schulleiter von Hogwarts mit den grünen Würmern versehen werden. Sie stehen derzeit unter einem mächtigen Schutz, der sie vor ungebetenen Besuchern schützt. Slytherin erwartet für morgen eine Konzentration aller Zauberkräfte der Versklavten, um diesen Schutz zu brechen. Gelingt ihm das, kann er, weil diese Hexe Dolores Umbridge im Moment nicht darauf achten kann, alle Schulleiter früherer Zeiten in seine Reihen zwingen, sofern sie ihm nicht schon immer treu ergeben waren, wie Phinias Nigellus aus der langen Linie der Familie Black. Die Versammlung soll wohl auf der Ebene der zwölf Entomanthropen stattfinden. Heute will er nur sehen, wie geschlossen seine Reihen sind. Den geballten Angriff auf den Schutz der Schulleiter wird er dann morgen beginnen. Ihr seht, es drängt nicht nur Eure Zeit."

"Ihr habt was davon gesagt, daß ich euch helfen könnte. Ihr seid doch mächtiger als ich, wie könnte ich euch da helfen?" Erkundigte sich Julius.

"Das ist eben das schlaue an Slytherin. Er umgab jedes seiner Bilder mit einer Alterslinie, die jeden abweist, der über einem bestimmten erfahrenen Lebensalter ist. Niemand kann zu seinen Bildern, außer ihm, der sich eine Hintertür offengehalten hat. Ich werde es euch in wenigen Minuten zeigen können. Die Alterslinie weist alle Personen über fünfzehn Jahren ab. Er geht davon aus, daß ihm jüngere niemals etwas anhaben können."

Das war es also. Diese Lady brauchte ihn als Bauern, den sie durch die feindlichen Linien auf ein gegnerisches Endfeld bringen konnte, um ihn zur Dame im Spiel zu machen, die dann aus dem Hinterhalt den König neu bedrohen konnte. Er würde locker über die Alterslinie kommen. Aber wozu, wenn er dann der einzige war, der in die Bilder hineinkonnte? Slytherin würde mit ihm vielleicht nicht ein so leichtes Spiel wie mit anderen Zauberschülern haben, die nicht mit einem großen Vorrat magischer Gerätschaften, besonderem Wissen und besonderen Kräften unterwegs waren. Aber im direkten Kampf würde Julius doch unterliegen. Dennoch wußte er, daß er zumindest an die Brutstätte der Willenswickler gelangen würde. Alles in allem hatte er wahrhaftig ein Himmelfahrtskommando angenommen, und der zuständige Minister würde jede Kenntnis von seinem Einsatz abstreiten müssen, wenn ihm dabei was passierte. Ja, konnte es sein, daß Grandchapeau von Anfang an wußte, daß der Kern der unheimlichen Bedrohung nur von einem Jungen unter fünfzehn Jahren erreicht werden konnte? Wußte er es vielleicht von Dumbledore? Alle diese Fragen und Unterstellungen gingen dem Beauxbatons-Schüler durch den Kopf. Dann sagte er:

"Wenn ich der einzige bin, der überhaupt eine Chance hat, dann möchte ich sie auch nutzen, Mylady. Ich hoffe nur, ich komme da gut wider weg, wenn ich Slytherin entmachtet habe, wenn ich auch noch nicht weiß, wie das gehen solle.

"Eine Sache noch, bevor wir aufbrechen. Slytherins erstes Bild will sich Slytherins aktuelles Bild aus der üblichen Aufstellung der vier Gründer einverleiben. Er weiß, daß eine lockere Verbindung zwischen zwei Portraits mit dem selben Inhalt irgendwann zu einem schweren Konflikt führren wird. Hinzu kommt noch, daß der alte Slytherin nur die Zaubersprüche und Zauberstabbewegungen kennt, die bis ein Jahrhundert nach der Gründung von Hogwarts bekannt waren. Wenn es ihm jedoch gelingt, sein neueres Bild-Ich in sich zu vereinigen, übernimmt er dessen Wissen und ist damit auf der Höhe unserer Zeit. Denn das ist sein zweites Verhängnis. Er kennt die Zukunft nicht, und die Vergangenheit ist ihm genauso fremd.

So lasst uns aufbrrechen!" Befahl sie sich und Julius. Zu den drei Mädchen gewandt sagte sie: "Jungfern, ihr verbleibet in diesen Räumen! Ich werde beim Verlassen den Schutzzauber aufrufen, um euch vor den Gewalten Slytherins zu schützen. Wir sehen uns wohlbehalten in einigen Stunden wieder, wenn der Jüngling auch weiterhin den Ruhm beanspruchen möchte, mich nicht enttäuscht zu haben. Also los!"

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Ich sitze die ganze Zeit vor diesem Haus, in dem Julius mit diesem bösen Weibchen zusammen ist. Was erzählt sie ihm? Ich lausche und höre genau, daß sie ihm erzählt, er sei der einzige, der in die Welten dieses ganz bösen Menschen Slytherin hineingehen könne. Warum erzählt sie sowas? Will sie Julius absichtlich in Gefahr bringen? Dann kommen sie heraus. Ich laufe wieder zu Julius und springe auf seine Schulter. Es ist schön, daß er mich endlich verstehen kann. Jetzt weiß ich, daß ich mir den richtigen Gefährten unter den Menschen ausgesucht habe. Wenn er in große Gefahr geht, werde ich bei ihm sein.

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Julius war nicht so wohl dabei, daß diese Hexe, vor der Goldschweif, die nun wieder auf seiner Schulter saß, ihn gewarnt hatte, alles über ihn und seine Ziele wußte. Er wußte, daß Kniesel sehr genau erkennen konnten, wer wie tickte. Er mußte auf der Hut sein. Doch wenn es stimmte, daß eine Alterslinie jeden über fünfzehn Jahren abhielt, war er im Moment wirklich der einzige, der in die Nähe der Brutstätte gelangen konnte. Aber mußte das stimmen?

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Hausmeister Argus Filch war selten gut gelaunt. Meist hellte es seine Stimmung auf, wenn er Schüler maßregeln konnte. Ja, und die neue Direktorin hatte ihm versprochen, die Verbote des Ankettens und Auspeitschens von Schülern aufzuheben, um Zucht und Ordnung, überhaupt mehr Achtung der Schüler vor den Erwachsenen wieder in dieser Schule einzuführen. Dumbledore hatte alles viel zu locker, viel zu weich angepackt, von Peeves mal ganz zu schweigen. Jetzt war alles anders. Die Schüler waren herrlich eingeschüchtert, wenn er auftauchte. Wenn er dann noch drohte, sie bei der Direktorin zu melden, wenn sie sich nicht an die Regeln hielten, taten sie, was er wollte. Diese Genugtuung war eine Wohltat.

Auf seinen nächtlichen Runden traf er immer wieder die Schüler aus der inquisitorialen Gruppe. Er mochte sie zwar nicht, weil sie sich noch hochnäsiger gaben als der Rest der Bande, aber sie halfen Direktorin Umbridge, die verfluchten Lauser in Schach zu halten. Daß sie dabei auch mal unfair waren, nahm Filch in Kauf. Das sollten die Gören und Bengel ruhig lernen, daß das Leben selten fair war. Er kannte es ja nicht anders. Jetzt kam ihm dieser Draco Malfoy entgegen. Diesen Kerl hatte Filch gefressen. Wie arrogant er doch immer wieder auftrat. Warum hatte Direktorin Umbridge diesen verzogenen Prahlhans bloß in ihre Truppe geholt? Er wußte es nicht und wolte es auch nicht wissen.

"Hallo, Hausmeister Filch. Alles sauber im Schloss", grüßte ihn Draco Malfoy mit seiner gewohnt verächtlichen schleppenden Stimme.

"Solange niemand mit dreckigen Schuhen durch die Korridore rennt wie vor zwei Tagen bleibt das so", grummelte Filch.

"Ich habe vor kurzem Jenny Bagles aus Hufflepuff fünfzig Punkte wegen unkorrekter Kleidung und dreckiger Schuhe abgezogen. Ich glaube, die haben's jetzt kapiert", tönte Malfoy mit breiter Brust und hämischem Grinsen.

"Dann mußt du aber mit gutem Beispiel vorangehen", dachte der Hausmeister, wünschte dem silberblonden Jungen noch eine gute Nacht und setzte seinen Rundgang fort. Kaum war Filch außer Sicht strahlte Malfoy überaus zufrieden. In einigen Tagen, so war er sich sicher, würde in Hogwarts ein wirklich neuer Wind wehen. Dann würde selbst die Umbridge vor seinem Vater und damit auch vor ihm knicksen, und sein Vater wäre endlich die Schulden los, die er bei ihm hatte, weil er ihn nicht gesucht hatte als er verschwunden war. Hinzu kam immer noch, daß Potter und seine muggelbrütigen Nachläufer immer noch auf Fudges Liste unbeliebter Personen standen. Nachdem Dumbledore auch noch die Kurve gekratzt hatte, war endlich der Weg frei, zu kriegen, was er schon längst verdient hatte.

Draco sah auf seine vergoldete Weltzeituhr, die er zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Sie zeigte gerade ein Uhr nachts. Er fragte sich, ob er seine Eltern nicht darum anbetteln sollte, in den nächsten Sommerferien zu Malenka nach Rußland fahren zu dürfen. Damals beim trimagischen Turnier hatten er und sie sich gut verstanden. Das durfte Pansy, seine offizielle Wegbegleiterin, nicht wissen. Schließlich mußte er sich alle Türen offenhalten, wenn er es nach Hogwarts zu etwas bringen wollte, was seinen Vater stolz auf ihn machen würde und seiner Mutter Freude machte.

Vor kurzem hatte er einen Brief von seiner Tante Bellatrix bekommen. Sie hatte ihm geschrieben, daß sie nach der Hölle von Askaban nun froh sei, wieder unter vernünftigen Leuten zu sein und sich schon freue, dem Lord bei seinem genialen Plan zu helfen. Zwischen den Zeilen hatte sie anklingen lassen, daß er, Draco, sich dann nicht mehr mit Harry Potter herumschlagen müsse. Allerdings, so hatte seine Tante in sehr kleiner Schrift geschrieben, müsse er aufpassen. Es seien auch andere an der Macht interessiert und er müsse sich vor allem vor Hexen vorsehen, die seine hohe Stellung für sich ausnutzen wollten.

Er schlenderte mit den Händen in den Umhangtaschen an einer Reihe von Bildern vorbei. Er sah Leute wie im Tran durch die Bilder stapfen. Sie alle trugen so ein schönes grünes Halsband. Er wußte, was das bedeutete. Als er dann noch ein junges Mädchen im blauen Spielerumhang der Ravenclaws sah, das mit geschultertem Besen hinter zwei mittelgroßen Zauberern herging, mußte er laut lachen. Aurora Dawn, eine von Leuten wie Sprout und Flitwick geschätzte Hexe, die vor seiner Zeit in Ravenclaw Quidditch gespielt hatte, war auch eine Sklavin des grünen Wurms geworden. Er dachte daran, daß man sich im letzten Jahr erzählt hatte, dieses Schlammblut Julius Andrews kenne die echte Aurora Dawn sehr gut. Wieso dachte er jetzt an diesen klugscheißerischen Muggelbastard, der es mehr als einmal gewagt hatte, ihn vor anderen dumm hinzustellen, ja ihn förmlich für einen Idioten ansah? Wo war der jetzt? Boxbatongs? meinten seine Muggeleltern, er sei wohl was besseres als andere Zauberer und müsse daher in diese Strammsteherschule. Konnte der denn überhaupt diese Schnupfensprache? Falls nicht war der bestimmt schon verhungert. Ein gutes hatte es zumindest. Seit dieses Schlammblut nicht mehr hier herumlief, kuschten diese eingebildeten Gören Porter und Watermelon vor ihm. Zumindest gaben sie keine Widerworte. Jetzt, wo er noch neben dem V-Abzeichen das silberne I der inquisitorialen Truppe trug, konnte er jeder und jedem nach Belieben Punkte für sein Haus abziehen, auch wenn sie nur einen Fussel am Umhang hatten. Tja, Macht gehörte denen, die sie auch benutzten. So sagte es ja auch sein Vater. Ja, und er, Draco Malfoy, hatte bewiesen, daß er bereit war, für die Macht alles zu tun. Er war ein echter Slytherin.

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Es war ein kurzer aber aussichtsloser Kampf gewesen. Sie waren hoffnungslos in der Überzahl gewesen, die großen, grauen Golems. Sie waren in das Konferenzbild gestürmt, indem sich gerade die vier Gründer von Hogwarts über die neue Lage in der Schule unterhielten. Slytherin, gekleidet in einen schwarzen Samtumhang, hatte sein feistes Grinsen geboten und gesagt:

"Wieso macht ihr euch denn Sorgen. Früher war das doch genauso. Die Schule war dadurch nicht schlechter. Lass die kleine Dame doch machen! Ich würde mich freuen, wenn Hogwarts dann doch endlich eine echte Zaubererschule wird und nicht eine Verwahranstalt für mit Magie befallene Mißgeburten und Fehlentwicklungen."

"Salazar, seit ewigen Zeiten, seit dein natürliches Vorbild uns verlassen hat, hältst du einen Vortrag nach dem anderen über die Reinheit des Blutes, die Ehre und den Stolz der Zaubererschaft, daß keine mit Magie begabten Kinder in Zauberei ausgebildet gehören und so weiter und so weiter", schritt Rowena Ravenclaw ein. Godric Gryffindor sagte sehr erregt:

"Du siehst bei all deiner Klugheit nicht, was unser netter Mitgründer dir die ganze Zeit sagen will. Ihm geht es nicht um Hogwarts. Die Schule ist dem doch nun vollkommen egal. Ihm geht's einzig und allein um die Verächtlichmachung von ehrbaren Zauberern und Hexen, daß sich die Zauberer da draußen besser gegenseitig belauern oder gleich zusammenfluchen sollen, anstatt irgendwelchen Gesetzen nachzuhängen. Früer war das ja auch so, daß Zauberer jeder für sich wohnten und Hexen sich auch nur zu bestimmten Zeiten trafen. Das will unser lieber Salazar wieder haben, warum auch nicht, wo's die Muggel ja auch so machen, nicht wahr?"

"Du hattest schon immer ein großes Maul, Gryffindor. Was mein Vorbild damals geritten hat, mit dir Moralapostel eine Schule zu gründen, weiß ich bis heute nicht. Ich wollte nur sagen, daß ich dem Getue von dieser Umbridge sehr gelassen entgegensehe. Die Kanallie Dumbledore ist weg und damit steht der Posten eines richtigen Schulleiters wieder offen. Ich glaube nicht, daß die Umbridge solange durchhält. Diese Zwillinge haben ihr ganz schön zugesetzt."

"Wollen wir hoffen, daß Dumbledore bald wieder zurückkommt. Dieses Chaos und dieses Mißtrauen untereinander sind doch unerträglich", sagte Helga Hufflepuff und zupfte den Kragen ihres kanariengelben Rüschenkleids zurecht. Slytherin grinste boshaft und zupfte sich an seinem Spitzbart.

"Deine Vorlage war doch vierfache Mutter, Helgalein. Hat die da auch nur einmal 'ne Geburt ohne Wehen hinter sich gebracht?" Fragte Salazar gehässig. Helga Hufflepuff schlug die Augen nieder und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

"Das die Mutter deines Vorbilds sich diese Höllentour angetan hat, um dich zu kriegen, ist mir auch total unerklärlich", gab Gryffindor kontra und legte noch nach: "Wahrscheinlich wollte sie nur diesen kleinen Parasiten aus dem Bauch haben, der sie monatelang ausgehungert hat."

"Noch so'n Spruch, Gryffindor, und ich fordere dich zum Duell ohne Grenzen", zischte Slytherin. Rowena Ravenclaw räusperte sich und öffnete den Mund, um was zu sagen, als mit lautem Getöse zwanzig gigantische Geschöpfe ganz grau und klobig hereinstürzten. Die Vier gründer zogen ihre Zauberstäbe und sprachen ihre Flüche. Doch sie konnten nicht alle Golems zurückschlagen. Gryffindor und Slytherin konnten von den zwanzig Eindringlingen je sieben zurückschlagen. Doch dann waren sie entwaffnet und in schwere Ferrifortissimus-Eisenketten gelegt worden. Slytherin polterte los, was denen einfiele, ihn wie einen dahergelaufenen Muggel gefangen zu nehmen. Doch die Golems sagten nichts darauf. Sie schleppten die Gründer durch karge Landschaftsgemälde bis zu einem goldenen Tor, das sich öffnete. Sie fühlten, wie sie über eine unsichtbare sehr widerstandsfähige Grenze gebracht wurden. Nur die Ketten und die Golems verhinderten, daß die Gründer zurückgeschleudert wurden. Dann kamen sie in einer Halle an, wo sie die vier auf breite blaue Marmortische legten. Gryffindor sah sich noch mal um. Hier in dieser Halle waberte ein leichter blauer Nebel. Irgendwie meinte er, dieser Nebel würde immer schwerer. Dann nahm die Armee der Golems ihnen die Fesseln ab und zog sich ohne Wort zurück. Das Tor fiel zu, und schlagartig fühlten sie, wie bleierne Schwere auf ihnen lastete. Slytherin rief noch was wie "Aula temporis dormendi!" Doch seine Stimme plätscherte wie sich abschwächende Wellen nach dem ein Stein ins Wasser fiel, zu ihnen zurück. Dann fühlten sie nichts mehr.

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Sie waren nur noch sechs. Sie waren nur noch sechs mächtige Wesen. Warum hatte ihnen niemand gesagt, daß es in dieser Welt eine Waffe gab, sie einfach verschwinden zu lassen. Erster von zwölf, die jetzt nur noch sechs waren, fürchtete sich. Sicher, Angst war ein Gemeinschaftsgefühl, das zwischen ihnen auf- und niederstieg. Doch wieso fürchtete er sich? Seine Artgenossinnen und Artgenossen waren durch eine grausame Waffe auseinandergerissen worden. Ihre Körper hatten sich in zwei einzelne Wesen zerteilt und ihr mächtiger Geist hatte sich verflüchtigt, war in der verschwundenen Substanz versickert, die nach der Zerlegung verpufft war. Sie mußten mit Magister Slytherin sprechen. Sie mußten wissen, was für eine schlimme Waffe das war. Doch der Magister lachte nur.

"Wieso wißt ihr das nicht, daß es ein Schwert gibt, mit dem man Bestien wie euch noch schneller verschwinden läßt als euch zusammenzufügen? Nehmt es hin, daß jemand euch nun zerlegen kann und nehmt ihm dieses Spielzeug weg! Er wird bald kommen und den großen Helden spielen, wenn er überhaupt über die Linie kommt. Fliegt noch mal herum und versucht, diese Medea zu fangen. Bringt sie in die Halle der schlafenden Zeit, wo die drei Verwässerer liegen. Möge sie da in Ewigkeit ruhen! Vielleicht ziehe ich dann in ihr Haus ein."

Die Erde im Bild der zwölf Entomanthropen bebte nun etwas heftiger. Seit der Entschmelzung von Neunter von zwölf, dem ersten in der schrecklichen Reihe, hatte es kleinere Erdstöße gegeben. Die rote Wüstenlandschaft unter einer ständig nur im süden stehenden Sonne bot für die Insektenwesen genug Wärme, aber auch Nahrung in Form von Schlangen und Wüstenfüchsen. Da in der gemalten Welt niemals etwas komplett ausstarb, blieb die Menge an essbaren Tieren dieselbe. Doch nun begannen auch die Futtertiere zu verschwinden, und die Erdbeben wurden heftiger.

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"Was war das eigentlich für eine Leuchterscheinung, die Sie beschworen haben, Mylady?" Fragte Julius, nachdem sie sich über die Bilder in Hufflepuff über einen Umweg vor das erste Bild begeben hatten.

"Sagt euch der Begriff der astralenergetischen Avatare noch nichts? Ich ging davon aus, daß Ihr die erste Stufe davon bereits kennengelernt habt. Oder lehrt jene Dame in Beauxbatons den Patronus-Zauber nicht mehr?"

"Das war kein Patronus", widersprach Julius. "Diese Kreatur von euch war viel intensiver und vor allem greifbar."

"Ihr müßt hinhören lernen, junger Mann!" Tadelte die Lady ihren Begleiter. "Ich sagte etwas von der ersten Stufe. Ein Patronus ist obgleich zu Beginn schwierig doch nur die erste von drei Stufen. Er ist ein Geschöpf aus dem reinen Geist und des Glücks, dessen Erinnerung ihn freisetzt. Die zweite Stufe ist die Erschaffung eines Botens. Er kann mit einem bestimmten Gedanken aufgeladen werden, den er an einen bestimmten Ort bringt. Er ist solange unterwegs, bis er den findet, für den er etwas hat. Die dritte Stufe, die nur sehr wenige Hexen und Zauberer erreichen, ist die Schöpfung richtiger Diener aus dem Licht der Sterne und vor allem der Sonne. Diese Wesen sind tatsächlich greifbar, zumindest spürbar. Hat man die dritte Stufe erreicht, kann man sich vier Avatare erschaffen. Einzige Bedingung, die Magie und Sternenenergie müssen nach der Verwendung des Avatars in den Zauberstab zurückfließen, weil es dann wieder von vorne losgeht, ihn zu schaffen. Ich beherrsche diese dritte Stufe, genauso wie es Slytherin schafft. Allerdings zehrt ein solches Wesen die Hälfte der Tagesausdauer aus. Wird es durch Gegenzauber oder andere Avatare zerstört, verliert der Schöpfer noch ein Viertel seiner Tagesausdauer. Ich sage Euch das, damit Ihr nicht auf den Gedanken kommt, ein solches magisches Wesen jetzt schon zu beschwören", erzählte Lady Medea.

Goldschweif warnte sie vor einem der Insektenmonster. Es kam von unten und würde gleich ...

Mit lautem Gebrumm schoss das Monster mit den beiden Flügelpaaren aus dem Boden. Lady Medea schickte ihm "Malleus Lunae" den Hammerschlag des Mondes entgegen, einen sehr brauchbaren großen Flächenschlag. Julius warf dem Insekt ein magisches Netz über und trat schnell an es heran. Da schossen vier weitere dieser Insektenwesen heran.

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Der Schleier hob sich wieder. Salazar Slytherin, Mitgründer von Hogwarts, erwachte aus einem merkwürdigen Schlaf. Dann erinnerte er sich. Sie waren von Golems überfallen worden, alle vier. Dann hatte man sie hierher verschleppt. Mit Schaudern hatte er den ort erkannt. Er erinnerte sich dunkel, daß sein Original mehrere Bilder gemalt haben soll, darunter eine große Halle, in der alles zum Stillstand kam, wo die Zeit angehalten wurde. Da hatte man sie also abgelegt. Er war aber jetzt wieder wach und stand in einer blutroten Gebirgslandschaft, deren höchste Gipfel in orange Wolken unter einem violetten Himmel stießen. Eine riesige rote Sonne schickte die ersten Strahlen über den östlichen Horizont. Er war hier alleine. Wo mochte er sich befinden. Sicher war, daß er immer noch in der Bilderwelt war. Aber wo genau hing solch ein Bild?

"Heh, hallo! Hier spricht Salazar Slytherin. Wenn mich hier jemand hört, soll er sich zeigen!"

Totenstille lag über allem. Wind wehte sanft über den kargen Felsboden.

"Die haben mich ausgesetzt. Aber nein, die haben mich nicht ausgesetzt. Die haben mich nach Hause geholt. Hier ist das Bild des Urgemäldes, von dem ich immer wieder hörte", dachte der Mitgründer von Hogwarts. Er erinnerte sich an einen violetten Himmel und daß eine rote Riesensonne dieses Bild am Tag beschien. Offenbar wollte der Vorgänger eine völlig fremde Landschaft erschaffen. Das war ja schon interessant. Wenn sein Original dieses Bild wirklich gemalt hatte, warum hatte er erst jetzt die Gelegenheit, es zu besichtigen?

Die roten Sonnenstrahlen malten ein merkwürdiges Farbenspiel an den Himmel. Eine Wolke erschien kirschrot, die andere schimmerte golden. Der Wind war das einzige Geräusch in dieser Ödweltlandschaft. Hier konnte doch nichts leben.

"Ich freue mich, Spiegelbruder, daß es dir in meinem Reich gefällt", sagte eine allzu bekannte Stimme mit unüberhörbarer Ironie von hinten. Salazar Slytherin drehte sich um und sah sein eigenes Gesicht, vielleicht etwas verhärmter als sein eigenes, aber doch ein und dieselbe Person. Der ihn angesprochen hatte trug einen blutigroten Umhang bis zu den Knöcheln und einen sehr spitzen schwarzen Zaubererhut.

"Auferstanden aus den Ruinen der Geschichte, Bruder?" Fragte der Slytherin im schwarzen Umhang den im roten.

"Es war dir doch klar, daß du nicht der bist, der unser natürliches Vorbild war, oder? Oder denkst du, unser Vorbild hätte sich einen bilderweltlichen Stellvertreter geschaffen, der sich dieses ewige Getue dieser drei Zaubererweltverwässerer anhört, ohne dreinzuschlagen oder wie unser Original zu verschwinden? Nein, Bruder! Ich bin das eigentliche Abbild dessen, in dessen Namen du verschwendete Jahrhunderte lang die Ehre des Hauses hochgehalten hast, das unseren Namen trägt. Ich muß mich doch sehr schämen, daß ich jetzt erst aus meinem unerwünschten Schlaf aufgeweckt wurde, jetzt, wo es an der Zeit ist, die alte Macht wiederzugewinnen. Wenn wir es nicht erlangen, die Macht auf der Erde zu gewinnen, so sollte es uns doch in dieser Welt möglich sein. Was heißt hier eigentlich uns. Ich werde in dieser Welt herrschen und meine Herrschaft mit jenen teilen, die meiner würdig sind. So kann ich das alte Erbe, das so manche Narren weit zurück und vergessen wähnen, antreten und zur wahren Blüte treiben."

"Ich kenne deine Träume, Bruder. Denn es sind ja meine Träume. Mit dem kleinen Unterschied, daß ich alle kenne, die in der Zaubererwelt wichtig sind. Ich habe über Hogwarts die beste Übersicht, wer wann in der Zaubererwelt großes leisten wird. Du bist gerade erst wohl vor kurzem erwacht. Ja, du willst mit mir sprechen, um zu lernen, was du in einem Jahrtausend verpasst hast. Aber ich habe keine tausend Jahre Zeit, um dich auf den jetzigen Stand zu bringen, was Zauberei und Hexerei angeht, wer heute welchen Rang in der Zaubererwelt einnimmt und wer es wert ist, die absolute Macht zu erringen. So sage, was du willst, Bruder!"

"Ich habe auch kein ganzes Millennium Zeit, um mich von meinem verkümmerten Spiegelbild über das unterrichten zu lassen, was ihm genehm und wissenswert erscheint. Deshalb werde ich die große Fusion mit dir eingehen, unserer beiden Ichs vereinigen, dein Wissen zu meinem hinzufügen. Anschließend werde ich mit deiner Kenntnis und deinen neuen Gaben die erste große Schlacht gewinnen, den Kampf um die Schulleiter von Hogwarts aus allen Jahrhunderten. Sind mir diese gewiss, so vermag ich, die Kreaturen meiner Unterwerfung über alle Bilder der Zaubererwelt auszubreiten und damit zum Herren aller Bilder aufzusteigen."

Der Slytherin in Schwarz sah sein Spiegelbild verdutzt an und meinte:

"Warum willst du etwas so gravierendes wie die große Fusion, wo wir beide einen Teil unserer Erfahrungen verlieren? Dies erscheint mir nicht gerade durchdacht, Bruder."

"o doch, dies ist für wahr durchdacht. Denn wisse, Bruder, daß in meiner Gestalt, wie du sie hier siehst, so wie in der Landschaft unter den Füßen, rechts und links, wie auch in Sonne, himmel und Wolken das lebendige Blut meines Vorbilds enthalten ist. In diesem Gemälde steckt Salazar Slytherins ganzes sein. Ich bin nur die bündelnde Kraft, der Zentralpunkt, um den sich in diesem Gemälde alles dreht. Deshalb wird alles, was unser Vorbild in mich hat einfließen lassen, in voller Größe und Tiefe bewahrt. Ich fürchte lediglich, dein absichtlich klein gehaltener Geist wird in meinem gänzlich verzehret und nur seine neuen Erfahrungen und Kenntnisse, Gefühle und Gedanken, welche meinem Geiste behagen, werden von dir übrig sein. Nimm es als kundgetan um zu wissen, daß dein jämmerliches Dasein nicht mehr von Nöten ist."

Der in schwarz gekleidete Slytherin erbleichte sichtlich bei diesen Worten. Seine Augen suchten wild umher, ob irgendwo nichts war, in das der Farbton echten Bluts eingeflossen sein mochte. Sicher, der Hut des anderen Slytherin war pechschwarz wie seine ganze Kleidung. Aber sonst gab es nichts in diesem fremdweltlichen Ödland, wo nicht ein Hauch von Rot enthalten war. Somit konnte der blutrote Slytherin recht haben, daß der schwarze Slytherin ihm nicht gewachsen war, wenn es zur großen Fusion kam. Doch er war Slytherin, Mitgründer von Hogwarts, Verfechter des reinblütigen Zaubererdaseins. Mochte es vielleicht angehen, daß dieser Slytherin da vor ihm nur eine billige Täuschung war, geschaffen, um ihn auszuschalten? Diese Möglichkeit durfte er nicht ausschließen.

"Wozu brauchst du mich, wenn du dich für den einzig wahren Slytherin der gemalten Welten hältst?" Fragte der in Schwarz gekleidete Salazar.

"Ich tat es dir bereits kund, daß ich nicht einen besseren Körper brauche, sondern das Wissen und die Erfahrung, welches du in all den Jahrhunderten widerrechtlich gesammelt hast, während ich in dumpfer Dämmerung darben mußte, ohne einen Hauch von Gelegenheit, mich als wahrer Stellvertreter unseres Vorbildes erweisen kann."

"Und da liegt bereits dein Problem. Ich habe zuviel zu verlieren als mich auf ein äußerst hahnebüchenes Spiel mit jemanden einzulassen, der nur so aussieht wie ich und wohl einige Wesenszüge von mir hat. Ich wäre nicht du, wenn ich mich kampflos in ein solches Schicksal fügen würde. Wenn du aber nicht ich bist, wirst du schnell erkennen, daß Hochstapelei sich nicht auszahlt, Salazar, Bruder."

"Du forderst also ein Duell unter Spiegelbrüdern? Welche Regeln sollen dabei gelten?" Erwiderte der in Blutrot.

"Ein Duell über drei Runden. Wer nach dieser Zeit noch steht gewinnt die Gunst des anderen. Gewinne ich, was sehr wahrscheinlich ist, verschwindet mit samt eurem Gemälde. Es gab nur einen Slytherin in Hogwarts, und so wird es dann auch bleiben. Verliere ich die dritte Runde oder bin bereits früher kampfunfähig, so verfüge über mich und verleibe dir ein, was du verdauen kannst. Du hast recht, du wirst sehr wenig zu verdauen haben, weil ich für deinen schäbigen Körper ungenießbar bin, die Seele ganz zu schweigen.

"Willst du Sekundanten benennen?" Fragte der in Rot unbeeindruckt.

"Selbstverständlich. Ich erwähle mir Seth Withers."

"oh, das tut mir aber leid. Ein Eindringling von auswärts hat ihn vor einer Stunde ungefähr kampf- und handlungsunfähig geflucht. Die meisten Heilerinnen und Heiler in dieser Bilderwelt sind nun meine getreuen Diener. Ich fürchte, du wirst wen anderen erwählen müssen", lachte der blutrote Slytherin.

"So sei es Lucius Malfoy, der einzige, der treu in meinem Hause wacht."

"Oh, welch interessante Wahl, für wahr. Dann wähle ich sein Weib Narcissa als Sekundantin. Ich hörte, in eurer Zeit gilt eine Hexe einem Zauberer gleich."

"Hätte ich nicht anders erwartet", sagte der in Schwarz gekleidete Slytherin. So mach dich gefaßt, deine blutige Ödwelt wieder fortnehmen zu lassen."

"Finde dich damit ab, daß du trotz deines Vorsprungs in der Zauberei verlieren wirst."

"Erst nach dem Duell werden wir es wissen", lachte der in Schwarz gekleidete Salazar Slytherin. Er sah verächtlich auf seinen Spiegelbruder in Rot.

"Ich schicke nach den Malfoys."

Golems rückten aus, um das gemalte Ehepaar Malfoy aus Draco Malfoys Bild über dem zu holen. Doch die waren nicht mehr da. Nach dem Zwischenfall im Rittersaal von Seth Withers hatten sich die beiden noblen Leute schleunigst aus dem Staub und über die Direktverbindung ihrer Portraits in Hogwarts und der familieneigenen Ahnengalerie davongemacht. Als die Golems ihrem Herrn und Meister, dem blutroten Salazar, Meldung machten, daß die beizuschaffenden Sekundanten nicht beizuschaffen waren, lachte der in Rot und sagte:

"Welch mutig' Volk doch dein Haus bewohnte. In meinem Haus fänd' ichmehr aufrechtes Volk vor."

"Du vergisst deine und meine Einstellung zur eigenen Größe und Sicherheit, Bruder. Kein wahrer Slytherin würde es darauf anlegen, sich im Zuge einer Kampfhandlung am Tatort erwischen zu lassen. Wer auch immer die Withers-Bande so zugerichtet hat, wird den Malfoys derzeit nicht genehm sein. In der Bilderwelt kann sich niemand mit viel Gold Achtung und Schutz erkaufen, wie in der natürlichen. Ich muß feststellen, daß Lucius diese Einstellung kultiviert, daß Reichtum alleine Macht bedeutet. Sicher kann er da nicht allzuviel für, weil er es ja von seiner Familie übernommen hat. So müssen wir dann ohne Sekundanten wettstreiten und ohne Schiedsrichter", sagte der in Schwarz gekleidete Slytherin.

"So sei es!" Willigte der in Blutrot ein und lächelte überlegen. Ihm stand die Bildmagie des ganzen Gemäldes zur Verfügung.

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Die Karavane der Unterjochten zog still und im schlafwandlerischen Gang durch viele Bilder und schloss sich anderen Gruppen an, die ihrerseits auf dem Weg zur Versammlungsstelle waren. Mitten in den Reihen der versklavten Hexen und Zauberer wandelte Aurora Dawn. Sie folgte den unhörbaren Befehlen eines grünen, fadendünnen Wurms um ihren Hals. Beinahe wie in tiefer Trance schritt sie mit den anderen mit. Sie gingen durch Bilder voller Möbel und solche voller Landschaften. Sie alle waren unbesetzt. Viele der Leute, die in diesen Bildern wohnten, marschierten in der Karavane mit. Über ihnen flogen Quidditchmannschaften aus Slytherin, die als einzige freiwillig und voll beweglich mitzogen. Als sie den Endpunkt erreicht hatten, eine karge Wiesenlandschaft, auf der alle Platz fanden und die weit ab von den Korridoren in Hogwarts lag, trat der bucklige Zwerg vor, dem sie fast alle die Willenswickler zu verdanken hatten. Er zählte durch und notierte sich die Namen der Unterworfenen mit feistem Grinsen auf eine meterlange Liste. Als er Aurora Dawn sah, die teilnahmslos wie alle anderen dastand, grinste er besonders blöd. Er rief:

"Es war euch nicht vergönnt, uns zu überwinden, Jungfer Dawn. Dieser Kerl, wohl noch ein Knabe, welchen ihr aus einer anderen Galerie mitbrachtet, wird soeben von meinen Freunden, den Entomanthropen, für die Beleidigungen bestraft, die er ihnen zugefügt hat. Macht euch das wirklich nichts aus?"

Aurora Dawn zuckte mit keiner Wimper. Schallendes Gelächter des buckligen Zwerges war das einzige Geräusch, welches in diesem Bild zu hören war.

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Lady Medea reagierte zeitgleich mit Julius auf die neue Gefahr. Julius sprang zur Seite, sodaß die Insektenmonster sich ineinander verkeilten. Lady Medea warf ein magisches Netz aus, das sich über die Monsterwesen spannte. Zwei der fünf Insekten kamen gerade noch so davon, bevor das Netz sie einspinnen konnte. Julius und Goldschweif zogen sich einige Meter zurück. Das zuerst niedergeworfene Scheusal erhob sich und startete brummend die vier Flügel. Es hob ab.

"Iovis!" Rief Julius. Zwar ging er nicht davon aus, daß ein starker elektrischer Überschlag durch den Panzer dringen würde, aber wenn er den Stab genau zwischen die Fühler richtete. Krach! Ein gleißender Blitz fraß sich innerhalb von Sekundenbruchteilen seine Bahn durch die Luft und hinterließ eine Schleppe aus Ozon. Die Entladung traf tatsächlich zwischen die ausgestreckten Fühler, wirkte für einen Sekundenbruchteil wie ein Lichtbogen und hinterließ verschmorte Haare. Das Mischwesen schrie vor Schmerz laut auf. Es taumelte zu Boden und fuhr den Giftstachel aus. Goldschweif sprang laut fauchend vor einen der versengten Fühler und krallte sich daran fest. Julius hechtete mit dem Schwert nach unten deutend los und zog die Klinge mit schnellem Schwung über den linken vorderen Arm. Wie schon oft zuvor klaffte ein blaugeränderter Schnitt auf, dessen Licht immer weiter um sich griff. Mit einem letzten tierhaften Schrei entschmolz das magische Mischwesen in seine ursprünglichen Einzelwesen. Doch nun waren zwei der vier übrigen Ungeheuer heran. Julius sprang hoch, als einer der vorderen Arme auf ihn losschnellte. Er kam mit einem Fuß hinter dem menschenähnlichen Kopf zum stehen und schwang das Schwert kurz durch. Zischend und shabend durchtrennte die Klinge den linken Fühler des Angreifers. Dieser zuckte zurück, wälzte sich in Schmerzen. Dabei schoss der Giftstachel heraus und prallte knapp vor Julius' rechtes Bein zurück.Die Drachenhautpanzerung hatte sich jetzt bewährt. Der Entschmelzungsprozess beendete die Mischwesenexistenz.

Das zweite Ungeheuer startete durch, um Julius im Flug anzugreifen. Doch Lady Medea schleuderte ihm den silbernen Fächer entgegen und warf es aus der Ban. Laut knarrend verhakten sich die beiden Vorderflügel für eine Winzigkeit. Dann hatte Julius das schwert elegant wie ein Tafelmesser über den rechten Hinterarm gezogen. Auch dieses Geschöpf würde nicht mehr weiterbestehen.

Die letzten beiden Monster hingen noch im Netz. Julius zögerte keinen Moment, jedem davon mit der Schwertklinge einen Einschnitt zu ziehen. Damit waren die vorletzten Entomanthropen alle fort. Auf dem Boden krakehlten fünf verängstigte Babys, während fünf weitere Honigbienen davonflogen, um ein neues, friedliches Leben zu beginnen.

"Wenn wir richtig gezählt haben ist von denen nur noch einer übrig", sagte Julius erschöpft von der Lauferei und Springerei. Er wartete, bis der Zaubertrank in seinem Körper die Müdigkeit wieder verdrängt hatte.

"Das war ja gut gemeint von Professeur Faucon, aber wenn diese Tour so weiter geht, bin ich in einer Stunde kaputt", dachte Julius.

Goldschweif schnüffelte an ihren Pfoten und verzog die Nase.

"I, was hab' ich da angepackt", quängelte sie. Lady medea holte aus ihrem Umhang eine Flasche mit stark nach Zitronensaft und ähnlichem riechendes Gebräu. Julius sollte Goldschweif beruhigen. Doch Goldschweif wollte sich von der Hexe nicht anfassen lassen. So gab sie dem Beauxbatons-Schüler das Fläschchen, und er reinigte die Pfoten der Knieselin. Danach trocknete er sie mit einem gewöhnlichen Papiertaschentuch ab, welches er in seinem Umhang gefunden hatte.

"Einer ist noch da, Julius Andrews. Du wirst ihn in der Galerie des Grauens finden", sagte Lady Medea.

Sie gingen weiter bis zu einer langen goldenen Linie auf dem Boden, knapp vor einem Bilddurchgang.

"Das ist die Alterslinie?" Fragte Julius argwöhnisch. Lady Medea nickte heftig. Julius zog den Zauberstab hervor und prüfte, ob diese Linie wirklich bis oben alles abhielt. Dann meinte er:

"Da flackert noch was im magischen Licht des Zauberfinders. Was könnte das sein?"

"Höchstwahrscheinlich ein schlummernder Fluch, der ausgelöst wird, wenn jemand die Alterslinie durchbricht."

"Hmm, eine Zauberfalle. Will sagen, wenn wir nicht wissen, was für ein Fluch das ist, können wir die Alterslinie nicht zerstören. Na ja, Slytherin halt."

"Soist es", sagte Lady Medea sehr verbittert. Und leicht betrübt sagte sie: "Ab hier müßt Ihr Euren Weg alleine machen, Julius. Ihr müßt aber nur die Brutstätten zerstören, damit die Wurmplage beendet wird. Lasst euch auf nichts anderes ein!"

"ja, Mylady. Ich werde Slytherin aus dem Weg bleiben", sagte Julius unterwürfig. Dann hob er den rechten Fuß zum Schritt über die goldene Linie. Würde sie ihn wirklich passieren lassen, oder war dies eine Falle, die jeden grausam bestrafte, der versuchte, in das Bild dahinter einzudringen?

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Ein gleißender blauer Blitz schoss aus dem Zauberstab des Salazars im blutroten Umhang. Sofort baute sich zwischen ihm und seinem Spiegelbildgleichen Gegner eine silberne Barriere auf. Der Blitz flog laut pfeifend zurück zum Absender. Dieser konnte gerade noch einen kleineren Schild beschwören, um die Wucht des Fluches nicht abzubekommen. Dann kam der Gegenangriff des Salazars in Schwarz, eine grüne Lichtspirale rotierte zunächst über dem Zauberstab um dann mit wilden Drehungen auf Salazar den Blutroten zuzurasen. Dieser versuchte einen anderen Schildzauber, doch die Spirale fraß sich wie ein Bohrer aus Licht darin ein und durchdrang ihn wie die Stecknadel einen Luftballon. Der in blutrotem Umhang auftretende Hausgründer der Slytherins sprang zwar noch weg, aber der innere Arm der Spirale erwischte ihn am Bauch und zerrte an ihm.

"Salveto Abdomines!" Brachte der in Blutrot angetretene Mitgründer von Hogwarts noch soeben, bevor die Spirale aus Energie seine Eingeweide verdampfen konnte.

"Das ist ein relativ neuer Zauber, Bruder! Den kontest du unmöglich kontern", lachte der in Schwarz.

"Nimm und verschluck dich daran!" Brüllte der Herr des roten Gebirgsbildes und ließ den Zauberstab dreimal schnell im Kreis wirbeln. Dort, wo der Inhalt des geschlagenen Kreises war, blähte sich eine rubinrote Kugel aus Licht auf, die auf den Duellgegner zuflog. Dieser lachte und winkte mit seinem Zauberstab von unten nach oben. "Nigerradius!" Sirrend wie ein Orchester Zahnarztbohrer fuhr ein handbreiter pechschwarzer Lichtstrahl aus dem Zauberstab und traf die anfliegende Kugel. Diese wurde von dem schwarzen Strahl regelrecht kleingemacht.

"Die Rache des Mars ist so alt wie der sprechende Hut, Bruder", lachte der in Schwarz gekleidete Slytherin.

"Mach es besser", fauchte sein Gegner und war bereit, einen verrückten Fluch abzufangen. Doch der andere rief nur "Serpensortia!" Eine Schwarze Schlange schlüpfte aus dem Zauberstab und fiel auf den Boden. Sofort zischte und fauchte der Bewohner des Bildes, in dem sie sich duellierten. Doch offenbar hatte der andere genau damit gerechnet. Er schickte eine Ergänzung zu seiner Schlangenbeschwörung los, und die nun ihn angreifende Schlange wurde zu einem silbernen Feuerrad, das aus seinem Schwung heraus auf den Anderen zuflog. Dieser war perplex, den Schlangenzauber derartig schnell umzuwandeln. Er konnte jedoch mit einem Unfeuerstrahl aus violetten dunklen Flammenzungen die Feuerscheibe zerstreuen. Sofort ging er zum Gegenschlag über. Daß sie ursprünglich drei Runden duellieren wollten, hatten beide bereits vor Beginn vergessen.

"Ich rufe meinen Avatar, Hydra des Höllenfeuers!" Rief der eine Slytherin und sang kurze eindrucksvolle Formeln. Der andere sang auch irgendwelche Formeln. Zuerst stieg vom Zauberstab des Blutroten her eine giftgrüne Flammenzunge auf, die sich zu einer meterlangen Risenschlange mit sieben Köpfen groß wie die erwachsener Männer auswuchs. Doch kaum war die Feuerschlange gebildet, trat aus dem gegnerischen Zauberstab eine zweieinhalb Meter große Gestalt, menschenähnlich, nur das sie acht lange Arme besaß. In jeder Hand flammte ein zwanzig Zentimeter langer Dolch aus blauem Feuer. Mit schnellen Wirbelbewegungen rasierte das vielarmige Ungetüm dem siebenköpfigen Monstrum alle Köpfe ab. Zwar wuchsen zwischendurch immer wieder welche nach, doch als der Vielarmige alle sieben gleichzeitig abtrennte, explodierte das Schlangenungeheuer in einem schwefelgelben Dampf und rotem Blitz. Der Blutrote Slytherin grinste. Er hatte dem Gegner eine Falle gestellt, auf die der sicher nicht gefaßt war. Hatte er ihm nicht erklärt, daß dieses ganze Bild eine magische Einheit war und er deren Zentrum?

"Spatiofocus devorafortem!"

Der vielarmige Flammendolchkämpfer blähte sich auf, wurde dabei aber unscheinbarer und verschwommener. Der in Schwarz gekleidete Slytherin zuckte zusammen. Er gab seinem Lichtwesen einen Befehl, doch es war schon zu spät. Es zerfloss immer mehr, erst zu einer Wolke aus glühendem Gas, dann zu großen funkelnden Sternen, anschließend zu winzigen Fünkchen. Und alle diese Fünkchen sausten genau in alle Richtungen des Raumes. Dann wirkte es, als ob der Herr dieses Bildes unter Strom stehe, weil seine Barthaare sich aufrichteten und auch die unter der Hutkrempe sichtbaren Haare sich kerzengerade aufstellten. Der Slytherin in Schwarz krümmte sich vor Schmerzen und Erschöpfung, während der andere sichtlich gestärkt aussah. Dann hörte der Spuk auf. Der in Schwarz fiel um, während der in Rot laut lachte und seinen Sieg in die weite Landschaft hinausschrie. "Sieg! Sieg!" Scholl es von den fernen Bergen zurück. Er hatte seinen neueren Stellvertreter im Duell besiegt, weil dieser es nicht lassen konnte, einen der mächtigsten Avatare zu beschwören, die die hohe und die schwarze Magie kannten, Khalis Feuerkrieger. Durch seinen Gegenzauber hatte er nicht nur alle Kraft dieses Energiewesens in sich hinübergesaugt, sondern dieselbe Kraft noch aus seinem Gegner gesogen, weil dieser Raum wie ein riesiger Staubsauger für magische Kraft genau dort die Meiste Wirkung erzielt hatte, wo sein Gegner stand. Nun lag er bewußtlos am Boden. Doch Bewußtlos konnte er ihn nicht in die große Fusion zwingen. Er mußte wach und körperlich stark genug sein, um den Verschmelzungsprozess zweier deckungsgleicher Bild-Ichs zu vollbringen. Denn war einer davon ohnmächtig, würde die gesamte Zauberenergie auf einem Gefälle ihm zufließen, ohne eine weitere Wirkung zu erzielen.

"In einer Stunde ist der wieder soweit. Fesselt ihn mit den Ketten an den Felsen da! Nehmt ihm seinen Zauberstab fort!" Befahl der Sieger dieses Duells.

"Schon die babylonischen und ägyptischen Magier wußten ihren Tempel für ihre Zwecke zu bezaubern, du Narr", knurrte der wiederaufgetauchte Salazar Slytherin und zog sich zurück.

Die Golems fesselten den Verlierer an einen rotbraunen Felsen. Dann zogen sie sich zurück.

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Julius betrat den Durchgang zu einem anderen Bild. Als er hineintrat, stand er in einer Wüstenlandschaft. Goldschweif, die Knieselin, zitterte merklich. Julius wußte jetzt genau, was das hieß. Da in diesem Bild war das letzte Insektenwesen. Und diesmal würde es nicht nahe am Boden bleiben, um anzugreifen.

"Gefahr!" Rief Goldschweif und sprang von Julius Schulter. Dschschschumm! Wie ein Greifvogel nur mit vier Flügeln hatte sich der letzte der Entomanthropen, Erster von zwölf, auf den Jungen gestürzt, der diesmal den vier starken Armen nicht entrinnen konnte. Mit brutaler Beschleunigung wurde er hoch in die Luft gerissen.

"Diesmal kannst du nicht mit deinem Schwert zuschlagen!" Zischte eine hasserfüllte Stimme. "Diesmal breche ich dir alle Glieder einzeln."

"Was du nicht sagst", keuchte Julius zwischen Todesangst und Todesverachtung. Er bekam den linken Arm frei und zielte genau auf die stummelartige Nase des Monsters. Dann teilte er einen schulmäßigen Karate-Ellenbogenstoß aus. Das Monster fauchte und jaulte, ließ aber nicht ab von Julius. Dann sah er, worauf das Geschöpf zuraste, eine Felsspitze. Offenbar war es dem Biest egal, ob es den Jungen tötete oder nicht. Julius mußte sich damit anfreunden, entweder gleich zu sterben oder in letzter Sekunde noch was unternehmen zu können. Das Schwert und der Zauberstab steckten zu sicher, um benutzt zu werden. was blieb ihm noch? Er fand einiges in seinen Taschen, darunter das Vielzeug. Ja! Das konnte gehen. Er schaffte es, das kleine Allzweckwerkzeug freizubekommen, ohne es fallen zu lassen, dann berührte er eine Runde gezackte Stelle und rief "Ra!" Dabei hielt er dem Monster das stumpfe Ende genau vor das Gesicht.

Julius hatte hinten keine Augen, dennoch konnte er sehen, das der plötzliche Lichtschein bis zum Boden reichte und fühlte sengende Hitze, weil das entzündete Sonnenlichtfragment fast in seinem Nacken lag. Für das Monster war es jedoch ein heftiger Schock, plötzlich gegen eine Wand aus gleißendem Licht geprallt zu sein. Es trudelte, sackte durch, fing sich und taumelte vor Schmerzen wild nach unten und oben, bis es seine Flügel verhedderte und mit hoher Fallgeschwindigkeit durchsackte und gerade noch so eine Landung baute, die Julius nichts anhatte, weil die Hauptwucht den Panzer des Insektenwesens traf, das mit der rechten Seite auf den kantigen Felsen geschlagen war.

Julius zog das Vielzeug wieder fort. Das Sonnenlichtfragment stand wie auf einer unsichtbaren Fahnenstange zwei Armlängen über ihm.

"Du Menschling wirst jetzt ..."

Julius wollte nicht hören, was er werden sollte. Er zog das magische Kurzschwert und schlug aufs Geratewohl nach dem Monster. Er fühlte einen heftigen Widerstand im Handgelenk, als die Klinge traf. Der laute Schmerzensschrei verriet ihm, daß er das Monster entscheidend getroffen hatte. Er rannte fort, weg von diesem Ungeheuer, das nun blau aufleuchtete und dann nicht mehr da war. Lautes Baby-Geschrei erklang. Dann fühlte der Beauxbatons-Schüler die Erde zittern, immer heftiger. Er verstand sofort. Dieses Bild war für die Insektenwesen gemacht worden. Er hatte sie zwar nicht getötet, aber offenbar galt auch ein verschwindenlassen als ausreichend, um dieses Universum zu erschüttern. Er sprintete zu einem flirrenden Bildausgang. Goldschweif sprang aus dem Dunkeln zu ihm und setzte gekonnt auf seine Schulter über.

"Du hast gekämpft und lebst", schnurrte das Tierwesen, von dem Julius nun nicht mehr glaubte, daß es strohdumm war. Er sprang in den Ausgang hinein und rutschte förmlich durch den Tunnel, in dem die Erdstöße aus dem Wüstenbild noch spürbar waren.

"Weißt du, wo wir jetzt rauskommen?" Fragte Julius Goldschweif. Diese sagte nichts. Sie rutschten wie in einer Wasserrutschbahn immer schneller auf ein anderes Bild zu. Dann fielen sie heraus.

"Böse Steinmenschen!" Flüsterte Goldi. Julius verstand. Hier wohnten die Golems. Ja, und da kamen sie auch schon angestampft. Zwanzig mörderische Monster wie aus grauem Ton und Stein. Julius wußte, das er hier mit dem Zauberstab nichts machen konnte. Aber er hatte noch zwei Incantivakuum-Kristalle. Er nahm einen davon, entzündete es mit dem Zauberstab und sprang mit Goldschweif zum Gerade verlassenen Bildausgang zurück. Sie sprangen hinein, als eine graue Pranke hinter ihn in den Ausgang schlug. Ein Golem kam ihnen nach. Nun, das machte Julius nichts. Er richtete schnell seinen Zauberstab auf das Ungetüm und sang die Formel zur Golemabwehr. Er wollte dieses Geschöpf nicht mitten im Tunnel vernichten. Der Abwehrbann wirkte. Von einem silbernen Lichtmantel umschlossen schoss der Golem in die entgegengesetzte Richtung davon.

"Wenn er Pech hat fällt er genau in die Incantivakuum-Freisetzung", sagte Julius. Da krachte es auch schon. Offenbar hatte der Zauberkraft verschlingende Sog nicht nur alle Golems mit einem Schlag erledigt, die in zwölf Metern Umkreis standen, sondern auch einen Zauber ausgelöscht, der was anderes zusammenhielt oder verdrängte. Die Rutschpartie wie auf einer Wasserrutsche ging wieder Richtung Insektenmonsterwüste. Schon von weitem spürten sie, daß das Erdbeben immer heftiger war. Julius stemmte sich gegen den Sog in die Richtung des Wüstenbildes. Er wollte bestimmt nicht in ein Raum-Zeit-Beben reingeraten, von denen er mal gelesen hatte. Die konnten ganze Planetensysteme zerstören, nur weil jemand in der Vergangenheit dieses Systems was verändert hatte und es keinen geschlossenen Zeitkreislauf mehr gab. Endlich schaffte er es, die Richtung wieder zu ändern, sodaß sie nun wieder zu den Golems rauschten. Ob einige den Magieabsauger überlebt hatten?

Sie fielen in eine Halle hinein, in der dichter Staub herumwirbelte. Goldschweif begann zu husten. Auch Julius mußte gegen den Staub ankämpfen. Er nahm seinen Zauberstab und beschwor noch mal die Energieblase, die ihm und Aurora Dawn vor über einer Stunde noch geholfen hatte. Aurora Dawn! Was passierte nun mit ihr?

Im schutze der Energieblase ging es schnell zu einem weiteren Ausgang.

"Hoffentlich haben wir da etwas mehr Zeit, uns umzusehen", sagte Julius und putzte Goldschweifs Nase.

Sie landeten in einer großen Halle, die in ein merkwürdiges blaues Licht getaucht war. Überall standen blaue Marmortische herum, und alles schimmerte in einem bläulichen Dunst. Julius fühlte, wie ihm der Dunst immer mehr zu schaffen machte. Goldschweif wurde immer ruhiger und schläfriger. Dann sah er auf drei Marmortischen drei Erwachsene Personen, von denen er eine Kante.

Vor ihm auf dem Tisch lag ein Mann, sportlich, in einem roten Umhang. Zwei Tische weiter lag eine Frau in einem kanariengelben Rüschenkleid. Sie hatte wunderschönes Lockenhaar und ein rosiges Gesicht wie das eines Kindes. Die dritte Person, eine Frau in einem blauen Seidenkleid, kannte er gut. Es war Rowena Ravenclaw, die Gründerin des Hauses, in das er damals vom Sprechenden Hut als erster seines Jahrgangs eingeteilt worden war. Dann mußte die Frau in Gelb logischerweise Helga Hufflepuff sein und der sportliche Mann mit dem entschlossenen Gesichtsausdruck war wohl Godric Gryffindor. Fehlte nur Salazar Slytherin. Gab es den überhaupt noch als gewöhnliches Bild-Ich, oder würde der von Malfoy aufgeweckte Slytherin einfach so diesen Platz bekommen. Doch nun fiel es ihm ein, wo er sein mußte: Die Halle der schlafenden Zeit. Er mußte hier raus! Er versuchte zu rennen. Doch er fühlte sich wie in tiefes Wasser versunken. Schritt für Schritt kämpfte er sich durch die Halle. Goldschweif auf seiner Schulter war stocksteif. War sie tot? Er spürte, wie ihn etwas immer träger und langsamer machte. Er fürchtete, hier nicht mehr herauszukommen.

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Die Versammlung der Sklaven löste sich auf. Alle gingen wie unter Hypnose oder Schlafmitteln ihrer Wege. Ihrer Wege? Zumindest gingen sie jene Wege, die ihnen von den grünen schleimigen Würmern gewiesen wurden. Auch Aurora Dawn ging wie im Dämmerschlaf durch die leeren Bilder. Sie hatte die Anweisung, in ihr Portrait in Beauxbatons zu gehen, nachdem sie von dem Zwerg einen Willenswickler für ihr erwachsenes Ich dort übernommen hatte. Sie ging zielstrebig auf einen Bildausgang zu, durch den sie zu einem Waldlandschaftsbild kommen würde, in dem sie den Zwerg treffen würde. Doc bevor sie den Bilddurchgang betrat, fühlte sie, wie etwas starkes, selbstsicheres in sie einströmte, sie aus der Umklammerung des Wurmes löste. Das Parasitentier zuckte und wand sich. Offenbar kämpfte es gegen etwas unbekanntes an. Dann fühlte Aurora Dawn sich frei. Ja, sie war sogar gewachsen.

"Warum ich nicht gleich auf die Kraft der Schatten gekommen bin", sagte sie. Ihr erwachsenes Bild-Ich, das Julius nach Hogwarts gebracht hatte, war ihr als stummer und an und für sich untätiger Schatten gefolgt. Doch als ihr jüngeres Bild-Ich zur Sklavin des Wurms wurde, war sie erstarkt. Sie hatte sich jedoch zurückgehalten, um zu erkennen, was geschah. Nun, wo sie wußte, welchen Auftrag sie hatte, drang ihr Schatten in den schwächeren Geist des jungen Mädchens ein und verdrängte ihn teilweise. Der Willenswickler konnte jedoch nur einen Geist unterwerfen. Nun zuckte das künstlich gezüchtete Scheusal wie wild. Es kam nicht gegen die beiden vereinten Persönlichkeiten ein und derselben Hexe an, die mehr als zehn erlebte Jahre trennten. Im Moment stand nun die erwachsene Aurora Dawn vor dem Durchschlupf zum Wald. Sie überlegte sich, ob sie den Zwerg wirklich treffen wollte. Sie entschied sich, diesem Burschen aus dem Weg zu bleiben. So bestieg sie den Besen, den sie immer noch mithatte und flog damit eilig durch mehrere Bilder, bis sie beim Haus Lady Medeas ankam. Doch diese war nicht mehr da. Sie erfuhr, daß die Lady mit Julius Andrews zusammen zur Galerie des Grauens gegangen war, Slytherins altem Vermächtnis. Sie erkundigte sich nach der Uhrzeit und erfuhr, daß Julius nun noch etwa zwei Stunden hatte, bevor er die magische Kettenhaube abnehmen mußte, um nicht wahnsinnig zu werden. Sie flog in die Richtung, wo Lady Medea hingegangen war. Es war ihr unheimlich, daß die meisten Bilder völlig leer waren. Sie war auf der Hut vor den Quidditchspielern Slytherins. So wie sie jetzt aussah würden sie sie sofort jagen. Vorsichtig bog sie in die letzte Reihe Bilder ein, die ihr die drei Mädchen in Lady Medeas Haus verraten hatten. Unterwegs fand sie weinende Babys vor. Ab und an schwirrte eine einsame Honigbiene herum. Sie war sich sicher, daß diese Wesen einmal die gefährlichen Insektenwesen waren. Hieß das, daß es sie nicht mehr gab?

Endlich kam sie zu einem Bildeingang, vor dem Lady Medea auf einem heraufbeschworenen Stuhl saß und die Beine auf einer Fußbank ausruhte.

"Jungfer Dawn", grüßte sie. Dann sah sie den zappelnden Wurm, der jedoch nicht loslassen wollte.

"Ich sehe, Ihr habt eure Aufgaben gemacht, was Zauberbildgesetze angeht. Dieser Wurm ist für Euer jüngeres Ich und kann euch nicht auch noch beherrschen. Der Jüngling Julius mußte alleine dort hinein. Eine Alterslinie wehrt alle über fünfzehn Jahren ab. Das Urgemälde Slytherins war sich offenbar sicher, daß jüngere Hexen und Zauberer ihm nichts anhaben können. Hoffentlich erliegt er hier einem Irrtum!"

"Ihr wollt doch nicht, daß Julius gegen diesen Tyrannen kämpft?" Fragte Aurora Dawn.

"Selbstverständlich nicht. Er würde verlieren und alles noch schlimmer machen. Ich riet ihm lediglich zu, die Brutstätte der Würmer zu finden und zum Versiegen zu bringen", sagte Lady Medea entrüstet.

Ihnen blieb nichts übrig als zu warten. Und so warteten sie mehr als eine Stunde lang. Sorgenfalten legten sich auf die Stirn sowohl der jungen Heilerin als auch der älteren Hexenmatriarchin. Dies konnte nicht gut ausgegangen sein.

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"Noch ein Schritt!" Dachte Julius, dem das laufen immer schwerer fiel. Doch er hatte ja mit soeinem Gerät geübt, bei dem man sich immer mehr anstrengen mußte, um einfachste Bewegungen zu machen. Er strengte sich also auch dieses Mal an. Und Endlich erreichte er ein goldenes Tor. Er hielt mit übermenschlicher Anstrengung seinen Zauberstab, der wie ein junger Baumstamm so schwer schien gegen das Schloss und sagte: "Alohomora!" Das Schloss rasselte und sprang auf. Er drückte das Tor auf ... und sprang fast vorwärts, weil alles Blei und alle Schwere von ihm abfielen, ehe er blinzeln konnte. ER stand vor der Halle, in der der teuflische Nebel alle bewegungen erschwerte, wirklich die Zeit einschläferte.

"Mauu, wo sind wir so plötzlich!" Quängelte Goldschweif. Julius lachte. Er fühlte etwas vibrieren am linken Arm und hob diesen vors Gesicht. Die Weltzeituhr lief rasendschnell vorwärts, bis sie sich auf eine Uhrzeit einstellte, die fast anderthalb Stunden nach dem letzten Ablesen lag.

"O Mist, dieser Zeitverzögerer hat uns doch erwischt, Goldi. Dich hat's sofort ausgepunktet, und ich mußte gegen immer dickeren Morast anlaufen, bis ich rauskam. Da drinnen liegen Menschen, die Hogwarts, wo wir sind, mitgebaut haben. Der ganz böse Mensch, der uns das alles eingebrockt hat, hat die da eingeschlossen, damit sie dort immer schlafen müssen."

"Angst, Julius! Böses Tier links von uns. Muttertier!" Quängelte Goldschweif. Für die Knieselin mochte das eine Schreckensnachricht sein. Für Julius war es ein Anschub, weiterzulaufen. Er wußte auch nicht, ob die Zeit, die er verloren hatte auch für die Zeit mit der Kettenhaube galt. Er wollte es lieber nicht ausprobieren und behielt die Frist im Auge, die ihm per Uhrzeit blieb. Er war zumindest heilfroh, daß diese Uhr sich auch in der gemalten Welt auf die gültige Zeit einstellte.

Das "Böse Muttertier" war links von ihm. Also ging er nach Links, obwohl Goldschweif immer wieder quängelte, nicht in diesen Raum zu wollen. Julius wagte es jedoch. Er hoffte, die Königin der Willenswickler mit dem Schwert genauso ausschalten zu können wie die Insektenmonster.

Der Raum war groß und roch nach feuchter Erde und merkwürdigem Zeug, das Blut sein konnte oder Erbrochenes. Seine Nase konnte sich da nicht entscheiden. Goldschweif zitterte nun heftig. Sie glitt von Julius Schulter und blieb hinter ihm zurück. Armdicke Kerzen warfen ein geisterhaftes gelbes Licht in den Raum, der Julius wie eine gelungene Verbindung zwischen einem Bergwerkstollen und einem Labor vorkam. Die Wände standen so eng zusammen, daß er fürchten mußte, seine Arme nicht richtig ausbreiten zu können. Dafür war der Raum lang und mindestens drei Meter hoch. Links und rechts standen Reagenzgläser, Kessel, Pfannen und Phiolen. Er hörte es von irgendwoher gluckern und brodeln. Goldschweif strich ihm mit der Pfote über das linke Bein. Wollte sie ihm was sagen oder nur, daß er wieder hier rausging. Er ging weiter. Der Raum wurde nun breiter, bis er so breit wie hoch war. Und hier kam auch das Gluckern und Brodeln her. In gewaltigen Kesseln kochten Gebräue, die Julius nicht zu bestimmen wagte. Der Dampf wurde von großen Pumpen abgesaugt und durch enge Rohre gepumpt, die in einem gewaltigen Aquarium oder Terrarium endeten. Julius zog seinen Zauberstab. Jetzt in einen Fangfluch oder ähnliches hineinzustolpern wäre nicht nur dumm, sondern auch tödlich. Er prüfte mit dem Zauberfinder alles und bekam von fast allen Ecken die Anzeige, daß Magie oder magische Essenzen vorhanden waren. Der Weg vor ihm war frei, keine Illusion, keine Falle oder ähnliches. Er schritt voran und erreichte den gewaltigen Tank.

Er hatte mit einem monströsen Etwas gerechnet, aber was er in dem Tank sah, waren tausende von Willenswicklern, die sich wuselnd, windend und wimmelnd den großen quaderförmigen Glasbehälter teilten und in einer Mischung aus Schlamm und grüner Flüssigkeit schwammen. Der Ekel vor diesen fadendürren, schleimigen Untieren drohte ihm den Verstand zu nehmen. Es war nicht die Angst, die er bei fliegenden Insekten spürte, sondern reiner Abscheu und Widerwille. Um sich abzulenken konzentrierte er sich auf die Einrichtungen des Aquariums. Wissenschaftliche Geräte, egal wofür sie da waren, waren an sich immer interessant. Doch hier wurde keine Wissenschaft im herkömmlichen Sinne betrieben, sondern Machenschaften, skrupelloses Schaffen zum Zweck, unschuldige Leute zu willenlosen Marionetten zu machen. Doch wozu dienten die Dämpfe aus den Kesseln? Was war das für grüner Schlamm? Und wo war die Königin, die Brutmutter dieser widerlichen Würmer?

"O, ein Besucher", quäkte eine ziemlich dünne Männerstimme. Julius fuhr herum und sah - den Zwerg!

Der kleine Mann mit dem Buckel grinste ihn von unten her mit seinen kleinen Kohlenaugen an und zeigte beim Lächeln braune Zahnstummel. Julius sah schnell auf die Hände. Sie waren leer. Sonst hatte dieser Wicht da vor ihm immer mit mehr als einem dieser Würmer im Glastank herumgeworfen.

"Hier kommt dieses Ungeziefer also her", knurrte Julius, der sich nicht anmerken lassen wollte, wie widerwärtig er das hier fand.

"Ungeziefer? Das sind äußerst nützliche und zu dem sehr schwer zu kultivierende Organismen, die Ordnung in chaotische Strukturen bringen, junger Freund. Gestatten: Professor Doktor Servificus Lacklimb. Sie sind natürlich Nihilius Nemo, der Gast von Auswärts. Der Magister erwartet eigentlich, daß Sie zuerst zu ihm gehen. Aber wenn Sie möchten, werde ich Sie gerne herumführen", sagte der Zwerg mit öligem Grinsen. Julius war voll auf Alarmstufe Rot. Er traute diesem Zwerg keinen Millimeter über den Weg. Sicher würde er ihm bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einen dieser netten grünen Kriecher da aus dem Tank schenken wollen.

"Ich interessiere mich nur für den Ursprungsort, nicht für die Zuchtwahl, Professor", sagte Julius und dachte bei sich: "Wie im billigen Comic oder Computerspiel. Irgendwo hängt immer ein wahnsinniger Professor rum."

"Nun, die Königin, unser Prunkstück, ist derzeit sehr beschäftig. Sie müssen wissen, daß wir unseren Erfolg derartig oft reproduzieren müssen, um die Interessen aller Menschen zu befriedigen. Die gute Regina ist ständig mit der Eiablage beschäftigt. Wir mußten ihr einen größeren Ruheraum bauen, damit sie nicht zu lange in derselben Haltung zubringt. Aber wieso interessieren Sie sich für unsere Nützlinge?"

"Jetzt tickt der richtig aus", dachte Julius und sagte laut: "Nun, ich hörte, daß beabsichtigt sei, sie gewinnbringend demjenigen anzubieten, der mit Ihrem Magister ein gutes geschäftliches Verhältnis wünscht. Da wir ja dann wohl alle davon betroffen sein werden, wäre es wohl nicht verkehrt, mehr über diese Species zu erfahren." Er wunderte sich selbst, wie sachlich und geschraubt er das rüberbringen konnte.

"Nun, wenn Sie sich umsehen, werden Sie mit dem kundigen Blick des wissenschaftlichen Amateurs oder Professionellen erkennen, daß wir einen großen Aufwand an Elixieren und Braukesseln betreiben müssen, um die Lebensfähigkeit dieser Organismen für einen Zeitraum bis unbegrenzt zu garantieren, da sich die Individuen nach der erfolgreichen Aufzucht ja hauptsächlich in frischer Luft aufhalten und keine weiteren Nahrungsmittel mehr benötigen sollen. Wir zielen ja auf eine Garantie ab, die ein ganzes Menschenleben umfaßt."

"Ja, doch nicht jeder wird Ihre Lieblinge haben wollen. Sehen Sie, Ihr Herr Magister mag lieber Schlangen, wenn ich richtig informiert bin. Andere lieben Frösche oder Spinnen oder Drachen. Da können Sie doch soviel Werbung machen oder Spitzenergebnisse erzielen oder sonst was. Würmer sind nur gut zum Angeln", sagte Julius. Unvermittelt schlug er zu und traf dem Verdutzten Zwerg voll auf die Nase. Der Karateschlag betäubte jenen gesprächsgewandten Professor. Julius ging auf Nummer Sicher und hängte ihm noch den Ganzkörperklammerfluch und den Silencius-Zauber an. Man konnte nie wissen, was ein echter Zwerg alles drauf hatte. Er hatte es satt, sich von diesem Wicht hinhalten zu lassen. Er hatte mit einem Angriff gerechnet, aber nicht damit, daß der Typ da auf Zeit spielte. Also hatte er entweder was zu verbergen, was noch dauerte oder er war der Lockvogel für ihn, damit anderswo etwas wichtiges passieren konnte. Julius wollte aber nicht nachdenken, was das war. Er rief Goldschweif zu sich und fragte sie gezielt, wo das böse Muttertier sei. Goldschweif deutete mit einer Pfote eine Kellertreppe hinunter. Julius ging hinunter, auf der Hut vor magischen oder technischen Fallen wie Gitter, Falltüren, Pfeilschußgeräten und was das Kerker-und-Drachen-Fallenlexikon so hergab. Tatsächlich standen im Keller zehn Golems Wache, und der Boden war offenbar verhext. Goldschweif mit ihrem sechsten Sinn für Magie spürte es schneller als Julius den Zauberfinder darüber laufen lassen konnte. Er erinnerte sich wieder an Sachen, die er nicht im richtigen Unterricht, sondern in jener Blitzschulung am vergangenen Nachmittag gelernt hatte. Es gab Flüche, die jemandes gleichwertigen Gegner hervorbringen konnten, wenn man sie auslöste oder wie die Alptraumillusion gewisse Gefühlsbetonte Orte suggerierte. Er mußte aber hinüber zu der Königin. Da hatte er die Idee. Er würde die dritte Incantivakuum-Ladung in den verfluchten Bereich werfen. Dann mußte die Magie zerstreut werden, was sie immer anrichtete. Er trat weit zurück und warf die Ladung, nachdem er sie mit dem Zauberstab berührt hatte. Dann jagte er mit Goldschweif erst einmal durch den schlauchartigen Aufbewahrungsraum. Wumm! Warum krachte es immer, wenn diese Entzauberungsbomben losgingen. Auch hatte er nun einen silbrig-weißen Blitz widerscheinen sehen können. Dann polterte es dumpf mehrmals. Goldschweif maunzte verärgert.

"Ich mag diese Dinger nicht. Die sind erst zu laut, dann kriege ich nichts mehr mit. Ah, endlich wieder was!" Quängelte sie. Julius war jedoch schon wieder unterwegs zurück, gerade um zu sehen, wie sich der Deckel am Ende der Kellertreppe hob und ein schleimüberzogenes moosgrünes Maul ohne Zähne aus einem Schacht schob. Die Golems waren alle in ihre Grundstoffe zerfallen, und sogar einige Geräte gab es nicht mehr.

"Julius, böses Tier kommt!" Rief Goldschweif. Der Beauxbatons-Schüler sah es und zog das Schwert. Da schoss die Mutter aller Willenswickler auf ihn los wie eine angreifende Schlange. Er verdankte es nur seinen Reflexen, daß er noch einen guten Sprung zurück schaffte. Dann kam das Monster, das wie ein Lastwagenraddicker Regenwurm mit grüner Schleimhaut aussah auf ihn zugekrochen.

"Für Aurora Dawn und alle die, die dieser Magister Slytherin mit dir zu seinen Robotern gemacht hat", sagte Julius laut und überdeutlich. Dann stieß er ihr das Orichalkschwert bis zum Griff ins Maul und zog es wieder zurück, bevor sie es schluckte. Das von skrupellosen Zauberern gezüchtete Monster schrak zurück, stieg bis zur Decke hoch und ringelte sich rückwärts ein. Es kam kein Laut, und am Schwert klebte nicht einmal der Schleim.

"Böses Tier stirbt!" Rief Goldschweif. Julius rief zurück, daß dieses Schwert sie nicht töten, sondern in ihre früheren Grundwesen zerlegen würde. Doch so sicher war er sich da nicht, als es nicht dieses blaue Leuchten gab, sondern roten Qualm, der langsam aus dem Körper der getroffenen Wurmkönigin kam. Dann fühlte er, wie die Erde wankte. Das ging also hier auch los, wenn die treibende Kraft des Bildes verschwand. Er wandte sich zu Goldschweif und deutete auf die Tür. Dann kehrte er zurück und suchte den Zwerg. Er fand ihn halb begraben unter dem qualmenden Monster. Sollte er ihn mitnehmen oder zulassen, daß er starb und damit das bewußte Chaos auslöste? Er zerrte den sogenannten Professor hinter sich her. Die Ganzkörperklammer hielt immer noch. Er bugsierte den Zwerg durch den Ausgang. Plötzlich schien der Boden zu versinken. Er meinte, den Ausgang nicht mehr zu erreichen. Also hatte die Knieselin doch recht. Die Königin entschmolz nicht, sie starb. Er zog sich hoch, als unter ihm alles wegsackte. Gerade so eben noch verließ er das Bild und ging durch den bunten Leuchtglastunnel zurück auf den Platz vor der Halle der schlafenden Zeit. Doch hier bebte nun auch die Erde. Dann sah er, wie es hinter dem Durchgang zur Brutstätte grünlich aufblitzte und eine Flammengarbe nach oben schoss. Er rannte mit Goldschweif los. Der Zwerg blieb zurück.

"Ich fürchte, wir haben gerade doch was dummes angestellt", sagte Julius zu Goldschweif. Das Tierwesen gab keinen Laut von sich. Es starrte mit Angst in den Augen auf den rechten der Bilddurchgänge.

"Da sind zwei ganz böse Menschenmännchen drin, Julius! Sie sind beide sehr stark."

"Dann sollten wir jetzt machen, daß wir nach Hause kommen, Goldschweif. Die Brutstätte gibt es nicht mehr und hinterlässt auch keine Unterlagen. Der einzige, der das neu machen kann ist der Zwerg. Nur in Bildern kann man nicht einfach neu bauen, weißt du?"

"Nein, ich weiß nicht", sagte Goldschweif. Julius überlegte, ob er nun, wo er die Würmer unschädlich gemacht hatte, einfach abreisen konnte. Er mußte erst Aurora Dawn finden und hoffen, daß sie von dem Fluch befreit war. Dann hörte er einen lauten Ruf:

"Verdammt, wo bleiben diese Golems. Servificus!"

"Ganz böser Mensch", flüsterte Goldschweif. Julius nickte. Das mußte der alte Magister Slytherin sein. Er dachte daran, schnell fortzulaufen. Doch irgendwie interessierte es ihn, diesen Mann zu sehen, der das alles angerichtet hatte.

Vorsichtig stieg er in den Durchgang zu einem anderen Bild. Er fühlte, wie es anders als sonst durch einen Farbenwirbel ging. Das letzte Bild war wohl extra bezaubert, um anderswo als in direkter Linie zwischen zwei Bildern hängen zu müssen.

Der Beauxbatons-Schüler stand in einer Landschaft, die gut und gerne auf einem fremden Planeten liegen konnte. Der violette Himmel über ihm, die rote Riesensonne, die sich langsam über den Horizont schob und die roten Felsen ringsherum. Er sah in einiger Entfernung zwei Zauberer. Einer trug einen schwarzen Umhang, der andere einen blutroten. Kaum das er im Bild angekommen war, duckte er sich schnell hinter einen großen Felsen. Er lauschte auf das, was die beiden hitzig miteinander diskutierenden Zauberer sagten.

"Wo sind diese verfluchten Golems. Sie können mir nicht ungehorsam werden. Nun, ich denke, die sind gerade mit dieser Medea und diesem Knaben beschäftigt, der ..." Sprach der in Rot, als ein ungeheurer Knall ihm das Wort abschnitt. Die Erde bebte drei Sekunden lang überaus heftig. Julius ahnte, nein er wußte es, daß die Brutstätte nun endgültig vernichtet war. Das Beben gehörte wohl zu einem Vorgang, die miteinander verbundenen Bilder neu zusammenzukoppeln.

"Was war das?" Rief der Zauberer in Blutrot. Er zog den Zauberstab.

"Ach, hörte sich an wie deine Wurmzuchteinrichtung, Bruder. Offenbar hat jemand dort die brennbaren und explosiven Stoffe angezündet, um den Vorrat deiner netten Tierchen zu vernichten", feixte der Zauberer in Schwarz.

"Was, meine Willenswürger?! Wer wagt sowas? Servificus!"

Niemand antwortete jenem Slytherin im roten Umhang. Dieser feuerte einen Schockzauber gegen sein Ebenbild und rannte los. Julius und Goldschweif duckten sich so tief es ging. Slytherin sprang förmlich durch den Tunnel. Julius sah vorsichtig über sein Versteck hinweg und erkannte, daß um den Mann in schwarz ein großer Kreis aus blauer und grüner Zaubertinte gezeichnet war, in den merkwürdige Symbole eingefügt waren. Schlagartig fiel ihm ein, daß es in der Bilderwelt den Zauber "Große Fusion" gab. Professeur Faucons auf ihn übertragene Kenntnis darüber sagte ihm, daß zwei gleiche Bilder aus verschiedenen Zeiten oder von verschiedenen Standorten miteinander zu einem einzigen Bild verschmelzen konnten, wobei sie ihre guten und bösen Eigenschaften gegeneinander aufwogen und zwar mit gemeinsamen Erinnerungen und Kenntnissen, aber mit auf einen gemeinsamen Durchschnitt gebrachten Fertigkeiten und Stärken. Ein Kreis aus blauer und grüner Tinte, in den Runen für Aussehen, Können, Stärke und Wissen mit anderen Zaubersymbolen eingefügt war, mußte während des Vorgangs um die beiden zu fusionierenden Bild-Ichs erhalten bleiben, um die freigesetzte Magie nur den beiden zuzuführen. Außerdem mußten beide Partner einer solchen Verschmelzung wach sein. Julius fiel siedendheiß ein, daß der Slytherin, der zusammen mit den Würmern und Monstern aufgetaucht war bestimmt für lange Zeit geschlafen oder sonstwie nichts mitbekommen hatte. Er wollte also mit seinem Ebenbild fusionieren, um sich dessen Wissen und Können zu holen und als einziger Slytherin in der gemalten Welt von Hogwarts weiterzubestehen. Das hieß jedoch, daß der erst jetzt aufgetauchte Slytherin vieles wohl nicht kannte und konnte. Wenn er schon mit den Willenswicklern hantierte, war er sehr gefährlich. Würde er sich das ganze Wissen eines gleichartigen Magiers einverleiben, war er eigentlich unbesiegbar und konnte sich aussuchen, wann er welches Land erobern wollte, wenn er nicht gleich die ganze Welt haben wollte. Julius erkannte, daß wegzulaufen in diesem Fall die falsche Wahl wäre. Denn diese Fusion mußte verhindert werden. Sicher, die Würmer waren nun wohl kein Thema mehr, die Insektenmonster auch nicht. Doch was hinderte einen übermächtigen Slytherin daran, sich neue Labors und Monster malen zu lassen, wenn er genug Anhänger auf seine Seite ziehen konnte? Doch wie konnte man die Fusion verhindern? Julius überlegte, ob er den Kreis zerstören sollte. Hätte aber nicht viel Sinn, weil Slytherin ja einen neuen schaffen könnte. Bei der Fusion mußten beide wach sein. Also würde es wohl reichen, einen der beiden Partner zu betäuben, und zwar so, daß ein Slytherin mit dem Wissen von vor tausend Jahren ihn nicht aufwecken könnte. Da fiel ihm ein, daß Professeur Faucon ihm während des Blitzunterrichts auch zwei Zauberschlafmethoden beigebracht hatte. Er sprang auf, rannte zu dem Kreis. Goldschweif schoss hinterher. Noch im Laufen zog Julius seinen Zauberstab hervor, richtete ihn auf den in Schwarz gekleideten Slytherin.

"Enervate!" Rief er. Salazar Slytherin rührte sich, schlug die Augen auf und erhob sich. Doch da begann Julius laut und mit klarer Stimme zu singen. Der andere hatte keinen Zauberstab. Offenbar wollte sein Spiegelbildbruder ihm nicht die Gelegenheit geben, sich der großen Fusion zu entziehen. Julius Andrews sang die Melodie des Totenschlafes, der einen Menschen in eine so tiefe Trance versetzte, daß er von unkundigen Leuten für tot gehalten und sogar begraben werden konnte. Ja, außer direkte körperliche Gewalt konnte ihm dann nichts etwas anhaben. Er konnte eingemauert sein oder tief unter Wasser liegen, wie die Geiseln der Meerleute in der zweiten Runde des trimagischen Turniers. Genau diese Worte und Töne sang Julius. Beziehungsweise, Professeur Faucons Können wirkte durch seinen Mund und seine Hände. Er dachte nur daran, daß der Mann in Schwarz erst wieder erwachen sollte, wenn er den Namen Richard Andrews hören würde. Julius ging davon aus, daß dies so schnell nicht passieren würde. Er wußte auch nicht, wieviel Zeit er hatte. Doch er sang, sang und sang. Slytherin taumelte nach einer halben Minute, was beachtlich war, weil der Schlafgesang weniger mächtigere Hexen und Zauberer schon nach zehn Sekunden voll traf, Muggel sogar schon nach fünf Sekunden. Doch er sackte endlich hin, blieb liegen, während Julius mit dem Zauberstab und seinem Gesang die letzten Töne zu ihm schickte und ihm die Aufwachbedingung in Gedanken zutrug, unhörbar, weil die Melodie weitergesungen werden mußte. Slytherin fiel in den Totenschlaf. Goldschweif maunzte nach dem letzten Ton, daß der andere böse Mann gerade weiter oben war, offenbar inspizierte er seine Bilder.

"Das ist 'ne Idee", dachte Julius noch. Vielleicht hatte er beim letzten Mal zu heftig gearbeitet. Vielleicht reichte es auch aus, einen kleinen Abschnitt des Bildes mit dem Reinitimaginus-Zauber zu bestreichen, wenn man selbst in der Bilderwelt war. Er trat in den Kreis, der an und für sich für die große Fusion bereitet worden war. Er zog mit einer Zauberstabbewegung eine Linie von links oben nach rechts zu sich hin und sagte das erste Wort der mehrteiligen Zauberformel. Doch es funktionierte nicht.

"Julius, ganz Böser kommt wieder!" Zischte Goldschweif. Julius wollte schon zurückspringen und loslaufen, um noch vor Slytherin dieses Bild zu verlassen, da fiel ihm noch ein Zauberkunststück ein, das er wohl auch gelernt hatte, ohne es zuerst zu wissen. Es war die Heimkehrteleportation, die Objekte oder Lebewesen an ihren festn Ursprungsort zurückschickte, je nach Entfernung und Stärke des Zauberkundigen. Er hoffte, daß Slytherins Bild nicht zu weit fort war und machte schnell die entsprechenden Bewegungen und sagte die Zauberformel her. Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, verschwand der schlafende Slytherin mit lautem Knall. Dafür kam ein gefährlich munterer Slytherin gerade wütend herein, sah Julius und rannte auf ihn zu. Goldschweif hatte sich blitzschnell zwischen die roten Felsen zurückgezogen.

"Vermaledeiter Knabe, was tust du hier?!" Rief Slytherin und richtete seinen Zauberstab auf Julius.

"Ich studiere den Kreis hier, Magister. Ist das ein Ortsversetzungskreis?"

"Du wagst es, mir noch frech ins Gesicht zu sehen und mir eine solche unglaubhafte Geschichte zu erzählen? Ach, nein! Der widerliche Bengel, der sich mit meinen Entomanthropen angelegt hat und offenbar auch meine Golems vernichtet hat. Du hast meine Willenswicklerbrutstätte auch verschandelt. Ich fand Servificus vor der Halle der schlafenden Zeit. Wie hast du die eigentlich durchqueren können, um zu mir zu kommen, häh?"

"Ach, das war die Halle der schlafenden Zeit? Jetzt weiß ich auch warum ich ..." erwiderte Julius. Jetzt, wo er den großen Feind vor sich hatte, wäre jede Flucht unmöglich. Angst hatte er schon. Aber wenn in dieser Welt niemand einen anderen töten durfte, dann war er zumindest nicht gleich verloren. Er wollte jedoch nicht gegen Slytherin kämpfen. Er suchte eine Möglichkeit, an dem Zauberer vorbeizulaufen und zu entkommen.

"Ich weiß nicht, wer dich hergeschickt hat. Offenkundig muß es jemand gewesen sein, der wußte, daß ich wieder da bin und wo ich zu finden bin. Verrate mir sofort, wer du bist und wer dich hersandte!"

"Nihilius Nemo", sagte Julius. "Ich bin aus einer fremden Galerie gekommen, weil ich wissen wollte, ob hier in Hogwarts wirklich der sagenhafte Meister Kallergos lebt."

"Du Lügner! Du kannst unmöglich aus einer anderen Galerie als der unseren stammen. Selbst wenn ich nicht weiß, wo du dich bis heute aufgehalten hast, kannst du nur das Abbild eines hiesigen Schulbuben sein! Wer bist du?! Imperio!"

Julius fuhr erschrocken zusammen. Dieses Zauberwort löste einen der unverzeihlichen Flüche aus, den Versklavungsfluch Imperius, der jedes Lebewesen unter den Willen eines Zauberkundigen zwang, der ihn beherrschte. Slytherin mochte der Meister darin sein.

__________

Chrysaora und Aurigena fanden sich weit über den bekanntesten Bildern der Galerie ein. Der Schwerkraftumkehrer hatte sie bis in dieses Gemälde einer verschneiten Berglandschaft geschleudert. Die völlig entkräftete Chrysaora trudelte am gemalten Himmel der Landschaft entlang, während Aurigena, die größere der beiden Dienerinnen des Meisters Kallergos, versuchte, sich gegen die Aufwärtsbewegung zu stämmen und sich wieder auf den Boden zu bringen. Sie kannte keine eigenen Gefühle oder Sorgen, war aber in der Lage, sich über ihre Umwelt Gedanken zu machen. So erkannte sie, daß ihre kleinere Schwester offenbar durch einen mächtigen Zauber fast aller Kräfte beraubt war. Sie wollte Chrysaora einfangen und mit ihr zu ihrem Meister zurückkehren. Denn sie erkannte, daß es keinen Sinn machte, weiter nach dem Jungen zu suchen, der ihnen das Schwert und den Quellenfinder abgenommen hatte.

Sie griff unter ihr sonnengelbes Gewand. Eine Rolle sehr dünnen Drahtes aus Orichalk war darin versteckt. Sie entrollte den haarfeinen Draht, machte eine Schlinge und warf sie mit einer Gewandtheit und Schnelle ihrer Artgenossin um die Hüfte, daß ein Lassowerfer im wilden Westen vor Neid erblasst wäre. Mit der allen Menschen aus Fleisch und Blut zehnfach überlegenen Kraft ihrer Arme zog sie die kleine Schwester an sich heran und schlang den Rest des sehr langen Drahtes um ihren Körper. Keine natürliche Gewalt war in der Lage, diesen feinen Zauberdraht zu durchtrennen oder zu zerreißen. Kaum war Chrysaora mit Aurigena verbunden, tauschten sie über eine ihnen eigene magische Verbindung alle Gedanken und Erlebnisse der letzten Stunden aus. Sie erkannten, daß sie den Schwerkraftumkehrer gemeinsam aufheben konnten, wenngleich Chrysaoras Gedanken sehr langsam dahintrieben. Nach einer Minute schafften sie jedoch den ihren eingebauten Zaubergaben entspringenden Gegenzauber gegen physikalische Flüche und sanken auf den Boden des Gebirgsbildes nieder. Schnell trug Aurigena ihre Schwester durch die gesamte Galerie zu ihrem Herrn und Meister, der Chrysaora mit einem Zauberkraftrückholer alle Kraft wiedergab.

"Der Junge ist bei diesem Magister Slytherin. Geht und holt ihn heraus!" Befahl der Schmied der alten Zeit. Die beiden goldenen Mädchen fragten, wie sie zu dem Bild kommen konnten.

"Dieser Irrsinnige hat eine sogenannte Alterslinie errichtet, weil er sich einbildet, niemand mit ausreichender Ausbildung könne ihn dann heimsuchen. Ihr könnt die Linie jedoch aufheben und hinübergehen, da ihr keine Wesen aus Fleisch und Blut seid."

"Wir gehen und finden den Knaben", sagte Aurigena. Dann machten sie sich auf, den Auftrag zu erfüllen.

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Aurora Dawn fühlte es wie einen Stromschlag durch den Körper gehen. Für eine Sekunde verlor das erwachsene Ich die Kontrolle über das vom Willenswickler beherrschte jüngere Ich. Doch dann wand sich der grüne Wurm wie unter Schmerzen, löste sich von Hals und Kopf seines Opfers und fiel zu Boden. Kaum berührte das abscheuliche Geschöpf festen Grund, zerfiel es zu mossgrünem Staub, der sich schwarz färbte. Roter Qualm stieg auf. Es roch nach verkochendem Schneckenschleim und Schwefel. Lady Medea sah auf das, was passierte und erkannte, daß Julius Andrews offenbar seinen Auftrag erfüllt hatte.

"Er hat die Brutstätte unwirksam gemacht", sagte die Hexenlady im roten Kleid und sah zu, wie Aurora Dawns jüngeres Ich wieder sichtbar wurde. Das erwachsene Ich, daß aus Beauxbatons herübergekommen war, trat wieder als stummer Schatten in den Hintergrund.

"Wo ist Julius denn nun?" Fragte Aurora Dawn. Lady Medea erklärte ihr, daß er wohl jenseits der Alterslinie steckte. Dort konnten sie beide nicht hin.

Mit rasender Geschwindigkeit eilten zwei menschliche Gestalten in sonnengelber Kleidung heran. Aurora Dawn erschrak.

"Kallergos' Dienerinnen!" Rief sie und schwang sich auf ihren Besen. Mit einem Gewaltstart stieg sie auf und raste weit nach oben über die beiden goldenen Mädchen des alten Zauberschmieds hinweg, die noch versuchten, sie mit flohgleichen Hochsprüngen einzufangen. Doch sie kamen nicht mehr an den Besen heran. Lady Medea konzentrierte sich und sang eine Zauberformel her, zeichnete die Umrisse einer Frauengestalt in die Luft. Mit Getöse brach so hell und weißgelb wie das Licht der Sonne eine über drei Meter große Kreatur aus ihrem Zauberstab und entfaltete ihre mächtigen Flügel. Die Harpyie des Sonnenfeuers, wie Lady Medea diese von ihr beschworene Erscheinung nannte, stand nun zwischen ihr und den beiden Dienerinnen Kallergos'. Diese beachteten jedoch nicht das Geschöpf aus gleißendem Licht, sondern rannten nach dem mißglückten Fang zur Alterslinie. Lady Medea beachteten sie gar nicht. Sie stellten sich nebeneinander und schienen zu erstarren wie gewöhnliches Metall. Die mächtige Hexenlady sah interessiert zu, was die beiden künstlichen Wesen nun anstellen würden. Sicherlich hatte ihr Herr und Schöpfer ihnen einen Spürsinn für unsichtbare Zauber verliehen. Sie prüften wohl die Alterslinie. Dann jedoch erkannte die magische Matriarchin, daß sie nicht prüften, sondern dagegen ankämpften. Denn als ein grünlich-bläuliches Licht zwischen den beiden Schwestern aus belebtem Metall erstrahlte, wußte sie, daß sie mächtiger waren als nur stärker oder schneller. Das Licht leuchtete heller und dunkler, bis es sich nicht nur zwischen den beiden Dienerinnen des aalten Schmiedes hielt, sondern sie umfloss wie ein Mantel aus grünlich-blauem Dunst, der immer mehr erstrahlte, um dann mit einem Schlag von ihnen fort nach vorn zu springen, wie eine gigantische Faust. Mehr aus Reflex als aus Voraussicht sprang die Sonnenfeuerharpyie zwischen ihre Schöpferin und die beiden Goldmädchen, die das mächtige Licht erzeugt und gegen die Alterslinie losgeschickt hatten. Krachend fuhr eine blau lodernde Feuerwand genau über der goldenen Linie hoch, füllte für eine Zehntelsekunde den gesamten Durchgang aus, um dann wie gekommen zusammenzufallen. Die Alterslinie war nicht mehr da. Die metallischen Mädchen sprangen vor, um in den Durchgang zu Slytherins Galerie des Grauens zu gelangen. Da schoss eine tiefschwarze, eisige Kälte verströmende Flammenwand auf sie zu, durch den Tunnel, der zwischen den Bildern lag.

"Die Rache des dunklen Feuers", erkannte Lady Medea und mußte sich beherrschen, nicht in Angst zu erstarren. Dieser sehr mächtige Fluch war bereits zu Slytherins Zeiten bekannt und als schlimmste Zauberfalle Gefürchtet. Denn dieses dunkle Feuer sog alles auf, was Materie und Energie zusammenhielt, vernichtete jedes Ding in seiner Reichweite, das nicht durch einen genau entgegenwirkenden Zauber gesichert war. Wer vom dunklen Feuer verbrannt wurde, gab seine gesamte Kraft an den weiter, der ihn eingerichtet hatte.

"Schütze mich, Harpyie!" Rief Lady Medea ihrer Kreatur zu. Diese breitete die mächtigen Schwingen aus, als der dunkle Feuersturm auf sie zuraste. Mit zugekniffenen Augen stand die Hexenlady genau hinter ihrem astralenergetischen Avatar und hoffte, daß der mörderische Ansturm sie nicht mit vernichten würde.

Sie fühlte die Eiseskälte des alle Wärme fressenden Infernos, hörte das Heulen der tobenden Elemente. Dann ertönte ein lauter Schrei.

__________

Julius hatte Angst. Er wußte, daß keiner dem Imperius-Fluch entgegenwirken konnte. Mächtige Zauberer und Hexen konnten zwar gegen die Befehle kämpfen, die damit erteilt wurden, aber die Wirkung dieses Fluches traf sie in jedem Fall. Er wußte durch Erzählungen älterer Mitschüler, daß Imperius erst alle Gedanken und Bedenken wie mit einer befreienden Leichtigkeit aus dem Bewußtsein wischte. Er dachte daran, daß er in wenigen Sekunden ...

Er fühlte jedoch nur ein starkes Kribbeln unter seinem Hut, als hätte ihm jemand einen alten Klingelwecker auf den Schädel gelegt, der in einer Tour rappelte. Mehr kam nicht bei ihm an.

"Diese Haube schützt vor allen geistigen Beeinflussungen und legilimentischer Belauschung", fiel es Julius wieder ein. Darxandrias magische Haube aus feingliedrigen Orichalkketten fing diesen für unabwehrbar gehaltenen Fluch ab. Er hörte auch keinen inneren Befehl, der mit einem erbarmungslosen Zwang auf ihn einwirkte. Er spürte nur dieses Kribbeln unter dem Hut.

"Vermaledeit!" Schrie Slytherin. "Was ist dir, daß du gegen diesen Zauber wehrhaft bist?! Nun denn, du wirst mir dennoch kundtun, wer du bist. Dann sei es eben - Crucio!"

Julius hatte damit gerechnet, den Folterfluch als nächsten Angriff Slytherins abzukriegen. Er wartete die letzte Silbe des Auslösewortes nicht erst ab, sondern sprang zur Seite. Krachend traf der Fluch einen der Felsen, färbte ihn schwarz. Slytherin zuckte zusammen, als hätte er sich mit dem Peinigungszauber selbst getroffen. Julius wollte nicht darauf warten, daß der in Blutrot gekleidete Dunkelmagier besser zielte. Er riss seinen Zauberstab hoch und rief "Creato Nebulam!" Dann warf er sich auf den Boden, während aus seinem Zauberstab dichter weißer Nebel quoll wie Dampf aus einem überhitzten Teekessel.

"Desnebulato!" Rief Slytherin. Julius war klar, daß der mächtige Magister aus der Gründerzeit von Hogwarts mit einfachen Nebelzaubern kein Problem hatte. Doch er mußte eben erst den Auflösungszauber bringen, bevor er einen neuen Fluch wirken konnte. Die Zeit nutzte der Beauxbatons-Schüler, um mit der aus Angst und Selbsterhaltungstrieb geborenen Kraftanstrengung hinter einem der Felsen in Deckung zu gehen. Goldschweif kam zu ihm, immer in Deckung bleibend.

"Du kannst mir nicht entrinnen, Knabe! Dieses Bild ist mein Reich, meine Kraft und Macht. Gib auf und erzähl mir, was und wer du bist!" Rief Slytherin. Julius blieb hinter dem Felsen. Er wußte, daß er sich nicht wie ein Hase vor dem Fuchs verstecken konnte. Slytherin hatte alle Zeit der Welt. Außerdem brauchte er nur den Lebensquellfinder zu benutzen, ihn zu sehen. Ihm fiel ein wirksamer Schutzzauber ein, der in der Blitzschulung in sein Gedächtnis übermittelt worden war. Er wartete, bis Slytherin wieder nach ihm rief und sprach die vier Worte aus der Sprache der alten Babylonier. "Täuschung des Feindes" hieß diese uralte Zauberei, von der Julius hoffte, daß er sie aufrufen konnte.

"Ich rufe an die Kräfte dieser Welt!" Rief Slytherin in die weite Gebirgslandschaft unter violettem Himmel. Kaum hatte er das getan, regten sich die Felsen, bewegten sich die Gebirgsmassive. Gleichzeitig umfloss Julius eine Aura heller goldener Strahlung, die sich ausdehnte und dann einen Keil aus konzentriertem Licht gegen Slytherin schickte, den erkannten Feind.

"Böse Steine, böse Wesen!" Rief Goldschweif ängstlich. Tatsächlich entfalteten sich aus den Felsen mächtige Kreaturen, Schlangenähnliche Ungeheuer mit mehr als zwölf Beinen, schuppige affenwesen mit Fledermausflügeln, wie auch riesige Fangheuschrecken. Julius erstarrte. Slytherin hatte in dieses Bild gefährliche Monster eingebaut, die von ihm gerufen werden konnten. Zwar traf den dunklen Magister gerade die volle Wirkung der Täuschung des Feindes, die ihn für eine geraume Zeit verwirrte, glauben machte, es seien mehr als hundert verschiedene Gegner in diesem Bild, doch Julius hatte es derweil mit nicht weniger echten Gegnern zu tun. Die Lage war mehr als aussichtslos.

Die Einzige Möglichkeit, die ihm noch blieb, war der Amniosphaera-Zauber, die mächtige aber auch alle Kräfte aufzehrende Energieblase. Er mußte es wagen.

Goldschweif landete auf seiner Schulter, als der Zauber wirkte. Gerade versuchte eines der blutigroten Ungetüme, eine krabbenartige Kreatur mit zwei Paaren langer Fühler, sich auf Julius und seine vierbeinige Gefährtin zu werfen. Doch der rosarote Energieschild trat bereits zwischen ihn und das Ungeheuer. Krachend federte das Monster zurück, flog förmlich durch den Raum, genau vor die Fangarme eines krakenartigen Geschöpfes, das im Reflex des Raubtiers zupackte und das Krabbenwesen wie eine Erdnus knackte.

"Vermaledeiter Bastard!" Hörte Julius wie durch dicke Wände gefiltert eine Verwünschung des bösen Magiers.

Monster nach Monster stürmte gegen die Energieblase. Julius fühlte jeden Angriff als totale Erschöpfung. Er wußte, daß der Wachhaltetrank ihn nicht mehr lange schützen würde. Daran änderte auch nicht, daß jedes zurückgeworfene Geschöpf von seinen Mitmonstern angegriffen und vernichtet wurde. Slytherin fluchte, weil die Angriffslust seiner Kreaturen diesen selbst zum Verhängnis wurde. Er konnte jedoch nichts tun, um die angeblich hundert Feinde, die sich ihm von einem Moment zum nächsten in den Weg stellten zurückzuschlagen. Er steuerte seine Monster und Dämonen, die er aus dem Felsgestein beschworen hatte zwar im Geiste gegen alle diese Ziele, hatte aber keine Möglichkeit, einen ernsthaften Treffer zu landen. Jedesmal, wenn eines seiner Geschöpfe verschwand, zehrte es wertvolle Kraft aus seinem Körper. Ohne es zu wissen standen er und Julius sich damit gleichermaßen vernichtend gegenüber.

Nach einem nur eine Minute dauernden Gemetzel zwischen den Geschöpfen dunkler Zauberkunst wankten Slytherin und sein Gegner. Weil die Kraft der Energieblase Julius so sehr auszehrte, daß die Täuschung des Feindes schnell verflog, konnte der taumelnde Herrscher dieser gemalten Landschaft wieder klar sehen, wo sein Gegner stand. Die unweigerliche Niederlage war nun nicht mehr länger aufzuschieben.

"Voller Angriff auf die Lichtkugel!" Befahl der Meister der dunklen Künste und schickte seinerseits noch einen zerstörerischen Fluch aus, der die schützende Kuppel aus rosarotem Licht treffen sollte. Doch damit hatte er sich selbst um fast alle Kraft gebracht, die ihm aus dem Bild zuströmte.

Als die Monster mit aller Macht gegen die Energieblase drängten, traf zwar ein silberner Lichtblitz das Gebilde aus mächtiger Magie und ließ es zerbersten. Doch gleichzeitig zerbarsten alle beschworenen Kreaturen, denn der innere Halt verschwand durch die Entkräftung Slytherins und löschte ihre Lebenskraft aus. Dabei wurde jedoch ein Teil ihrer Kraft in den Körper des dunklen Magiers zurückgeführt, während Julius vom endgültigen Schlag gegen die Amniosphäre, die ihn bergende magische Energieblase, wie ein leerer Plastikbecher von einem Boxhieb umgehauen wurde.

Er spürte den Schmerz, den die gewaltsame Entkräftung ihm in alle Glieder trieb und lag wimmernd auf dem Boden. Ein roter, ins schwarze übergehender Vorhang senkte sich gefährlich undurchdringlich vor seine Augen. Goldschweif lag keuchend neben ihm.

"Nun, Bursche! Du hast dich besser gehalten als ich denken mochte. Aber gegen mich bist und bleibst du zu schwach, um ernsthaft zu siegen. Nun verrate mir, wer du bist!"

"Nihilius Nemo", keuchte Julius. Der schwarze Vorhang lichtete sich. Der Wachhaltetrank war offenbar noch wirksam. Doch wieviele Stunden seiner Wirkungsdauer mochten nun verflogen sein.

"Das ist nicht dein Name. Crucio!" Rief der Meister der dunklen Künste. Diesmal konnte Julius sich nicht aus dem Weg des Folterfluches retten. Eine Hölle aus Schmerz überkam ihn. Er spürte brennenden und schneidenden Schmerz auf der Haut, glaubte, seine inneren Organe würden zerrissen. Mörderische Schmerzen unter seiner Schädeldecke tobten. Julius schrie aus vollem Hals. Diese Schmerzen waren mehr, viel mehr als er sich in seinem ganzen Leben vorstellen konnte. Zehn Sekunden lang hielt ihn der Gründer des Hauses Slytherin im Banne des Folterfluches. Dann ließ er von ihm ab.

Mit ausgetrockneter Kehle vom langen Schreien lag Julius keuchend am Boden, weinte bitterlich. Doch die Nachwirkungen des Fluches klangen sofort ab. Die Goldblütenhonigphiole, die er unter seinem Umhang trug, hatte die Hauptgewalt des Fluches nicht abfangen können, beruhigte ihn jedoch sofort nach Abklingen des Fluches.

"Nun, wer bist du? Oder soll ich dich noch mal peinigen?!" Rief Salazar Slytherin. Julius schwieg jedoch. Er wollte diesem grausamen Hexenmeister nicht verraten, wer er war. Sein Geheimnis war im Moment der einzige Schutz, den er noch hatte.

"Steh auf!" Rief das Knieselweibchen auf einmal. Es sprang auf die vier Beine, wankte und fiel wieder hin. Die Zauberei mit der Energieblase hatte auch ihre Kräfte ausgezehrt, weil sie auf Julius' Schulter gesessen und ihm damit eigene Kräfte zugeführt hatte.

"Ach nein, die Knieselin kann ja sprechen", erkannte Slytherin und sah triumphierend auf Goldschweif. "Vielleicht wird sie mir dann verraten, wer du bist. Imperio!"

Goldschweif konnte nicht ausweichen. Die Auszehrung hatte ihren sonst so wendigen Körper zu sehr geschwächt.

Angstschweiß brach Julius aus allen Poren. Er wußte nicht, ob Kniesel gegen diesen Fluch immun waren. Als Goldschweif dann mit einer halbschläfrigen Betonung in bestem Französisch sagte: "Ich bin Goldschweif, die sechsundzwanzigste. Ich bin mit meinem Vertrauten Julius durch eine Lichtspirale aus einem Steinbau zu einem Weibchen auf ein Feld an einer Steinwand gezogen worden. Wir sind von diesem Weibchen Aurora Dawn hergebracht worden. Wir kämpfen gegen die grünen Würmer", da war Julius sich sicher, daß nun alles verloren war.

__________

Lady Medea fühlte, wie ihr mit einem Schlag alle Kräfte aus dem Körper gezogen wurden. Sie fiel der Länge nach hin und blieb ohnmächtig liegen. Als sie wieder erwachte, lag sie immer noch vor der nicht mehr bestehenden Alterslinienabgrenzung. Doch sie lebte. Sie wußte, was passiert war. Die Harpyie des Sonnenfeuers hatte sie gerettet, den Fluch des dunklen Feuers aufgehoben, aber sich dabei selbst zerstört.

Sie blickte sich um. Wo waren die beiden goldenen Mädchen. Hatte sie der Fluch vernichtet? Falls ja, so würde im Bild von Kallergos nun die Hölle losbrechen, wußte sie.

"Mylady, Euer Avatar hat die dunklen Flammen erstickt!" Rief Aurora Dawns jüngeres Ich und flog heran.

"Hast du gesehen, ob die beiden Dienerinnen von Meister Kallergos vernichtet wurden?" Fragte die Hexenlady. Aurora Dawn landete neben ihr und sagte:

"Sie verschwanden im selben Moment, als das dunkle Feuer ausbrach. Ich habe ja schon umgedreht, als ich mitbekam, daß die hier durch wollten. Sie sind wohl zu ihrem Meister zurückteleportiert worden."

"Sie sind nicht verbrannt? Dann hat Meister Kallergos sie mit einem Notfallrückkehrzauber versehen, der sie vor einer drohenden Vernichtung bewahrt. Sie werden wieder herkommen und nachsehen, was der Fluch übriggelassen hat. Schnell, Jungfer Aurora! Wir müssen nun in die Galerie des Grauens, um Julius zu Hilfe zu eilen. Dazu benötige ich jedoch einen Teil eurer Ausdauer."

"Hmm, muß das sein?" Fragte Aurora Dawn. Lady Medea nickte bestätigend.

"Nun, für Julius", sagte Aurora Dawn unwillig.

"Transfusio Validitatis!" Rief die Hexenlady mit auf Aurora gerichtetem Zauberstab. Ein roter Lichtbogen spannte sich zwischen ihr und der jüngeren Hexe. Für vier Sekunden hielt Medea diesen Lichtbogen aufrecht, bevor sie den Stab wieder senkte. Aurora Dawn wankte ein wenig. Doch sie konnte sich noch auf den Beinen halten. Der Kraftübertragungszauber hatte sie zwar merklich geschwächt, doch sie war jung und in guter körperlicher Form, um die pro Sekunde abgesaugte Ausdauer von zwei Stunden zu überstehen. Lady Medea hatte sich dadurch acht Stunden Erholung verschafft und stand nun hoch und kraftstrotzend neben der jungen Quidditchspielerin. Sie nahm den Besen Aurora Dawns, saß vor ihr auf. Das junge Hexenmädchen nahm hinter ihr Platz. Sie würde nicht mehr genug Kraft haben, um den Besen selbst zu steuern. Sie hielt sich nur an Lady Medea fest, die startete und durch den vorher noch versperrten Tunnel flog.

Sie rasten durch die Wüstenlandschaft, wo ein dem Verdursten nahes Menschenbaby in letzten Tönen wimmerte, tauchten ein in die Halle der Schlafenden Zeit, gegen deren Magie Lady Medea einen Zauber "Kraft des Zeitstroms" wirkte, einen nur den mächtigsten Hexen bekannten Zauber gegen alle Formen zeitbeeinflussender Magie. Dann überflogen sie eine unter schweren Erdstößen verwüstete Fläche vor der Halle. Sie sahen, wie links von ihnen gerade ein Spiel aus bunten Lichtern tobte, das wie ein mächtiger Wirbel rotierte und langsam zusammenfiel. Dort, so vermuteten beide, mußte die Brutstätte der Willenswickler gelegen haben.

"Nein, er hat die Brutstätte nicht unwirksam gemacht, sondern zerstört, Jungfer. Ich fürchte, er ist dabei selbst vernichtet worden. Deshalb kam er auch nicht mehr zu uns zurück", sagte die Hexenlady zu der jungen Quidditchspielerin, und in ihrer Stimme schwang großes Bedauern mit.

"Nein, er kann nicht tot sein!" Rief Aurora Dawn, der diese Vermutung Lady Medeas einen heftigen Schrecken versetzte. Tränen schossen ihr in die Augen, und sie verlor den Halt auf dem Besen.

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Julius wußte, daß er verloren hatte. Goldschweif, die ihm durch viele Gefahren geholfen hatte, verriet ihn gerade unter dem Zwang des Imperius-Fluches. Das würde für sie beide den Tod Bedeuten. Denn nun, wo Slytherin wußte, daß er, Julius, ein Besucher aus der natürlichen Welt war, würde er ihn bedenkenlos töten. Denn ein Besucher aus der natürlichen Welt hatte keinen Bezug zur gemalten Welt, der durch dessen Tod das gemalte Universum zerstören konnte.

"Du bist also ein besonders großer Held aus der Welt der natürlichen Wesen", lachte Slytherin. Julius spürte, wie ihn die Angst zu lähmen drohte. Er mußte jedoch aufstehen, sich nicht kampflos seinem Schicksal fügen. Er wollte nicht sterben. Er wollte nicht einfach so umfallen, wie jedes Lebewesen, daß unter dem tödlichen Fluch sein Leben verlor. Doch was konnte er tun.

"Man hat dich also geschickt, weil man erkannt hat, daß du für dein junges Alter große Zauberkräfte hast. Du hast meine Willenswickler aufgehalten. Aber das wird dir nicht viel bringen. Es mag mich Jahre kosten, diese Brutstätte neu zu erschaffen. Aber ich werde sie wieder errichten und meinen Plan doch noch durchführen. Aber was dich angeht: Offenbar hat man dir auch ein wirksames Mittel gegen den Imperius-Fluch mitgegeben. Mag es angehen, daß an der Legende was wahres dran ist, daß es ein mächtiges Artefakt des alten Reiches gibt, das den Geist dessen schützt, der es am Körper trägt? Accio Hut!"

Julius fühlte, wie sein blaßblauer Zaubererhut vom Kopf flog und sah, wie Slytherin ihn mit der freien Hand auffing. Dann hörte er das triumphierende Lachen des dunklen Meisters, in dessen Augen es siegessicher funkelte. Maßlose Freude überkam den Herren der Galerie des Grauens.

"Es ist wahr. Man hat die alte Kopfbedeckung der Kaiserin der letzten Ära tatsächlich bergen können. Ich weiß nicht wie, weil dies wohl nach meiner Zeit geschah, aber ich werde es ergründen, wenn ich meinen Spiegelbruder wiedergefunden und mit ihm die große Verschmelzung vollzogen habe. Ich weiß, daß ich sie dir nicht vom Kopf reißen kann, solange du lebst. Aber ich werde sie mir nehmen, wenn du tot bist, Julius." Mit eiskaltem Lächeln richtete er seinen Zauberstab auf Julius Andrews, der wußte, was nun kommen mußte.

ENDE

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