DIE GRÜNDUNGSMUTTER

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-serie

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© 2004 by Thorsten Oberbossel

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Was bisher geschah | Vorige Story

P R O L O G

Julius Andrews, der neue Schüler in der Beauxbatons-Akademie für französischsprachige Hexen und Zauberer, hat ja in seinem bald ersten Schuljahr dort viel aufregendes erlebt, wie das Quidditchturnier seines Saales, an dessen Ende er den Pokal in Händen halten durfte, den Ganymed-10-Besen, den er bekommen hat, aber nur als dessen Vorgänger fliegen darf, die vier ersten Novembertage, die er durch einen üblen Zauberstreich an Belle Grandchapeaus Seite verbringen mußte, die Sub-Rosa-Gruppe, die sich um die Entwicklung in Hogwarts sorgt, die Pflegehelfertruppe, zu der er gehört, wo er die ungewollt schwanger gewordene Constance Dornier bis zur erfolgreichen Geburt ihrer Tochter Cythera betreut, die Zeit mit Claire, mit der er sich immer näher gekommen ist, trotz oder wegen der Konkurrenz durch Mädchen wie die direkte Millie Latierre oder die behutsame Belisama Lagrange, das Knieselweibchen Goldschweif, das ihn zu seinem menschlichen Vertrauten erwählt hat, wohl aber etwas gegen Claire Dusoleil hat und die Ferien, die er bei seiner Mutter in Paris und in Millemerveilles zubringt. Doch gegen das, was er in der Nacht vom 20. zum 21. Mai des Schuljahres erlebt, war dies alles nichts.

In Hogwarts werden fünf Bilder des von dort vertriebenen Mitgründers Salazar Slytherin aus einem versteckten Kerker geholt und aufgehangen. Die Galerie des Grauens, wie diese Bilder genannt werden, entfaltet in der gemalten Welt der englischen Zauberschule eine entsetzliche Wirkung. Grüne, parasitisch um Hals und Hinterkopf anliegende Würmer, sogenannte Willenswickler, versklaven die gemalten Menschen. Julius erfährt davon durch ein Vollportrait seiner australischen Bekannten Aurora Dawn, die ein Gegenstück in Hogwarts besitzt und informiert die Erwachsenen, welche sich gegen die dunklen Künste stellen. Er erfährt, daß wohl drei Schüler in Hogwarts als Helfershelfer des dunklen Lords ein schreckliches Vermächtnis Slytherins heraufbeschworen haben. Der Zaubereiminister Frankreichs und der als Schuldirektor abgesetzte Professor Dumbledore erzählen ihm, was sie darüber wissen. Julius willigt nach mehreren Bedenken ein, mit einem Intrakulum, einem sehr mächtigen Zaubergegenstand, aus der natürlichen in die Gemalte Welt zu wechseln. Professeur Faucon erteilt ihm durch Erinnerungsübertragung einen Blitzunterricht zur Abwehr diverser Flüche. Er erhält vom Ministerium Schutzmittel, wie die uralte Kettenhaube einer wohl aus Atlantis stammenden Hexenkaiserin, welche seinen Geist schützt und eine Drachenhautpanzerung, die gegen körperliche Angriffe schützt. Seine neue Vertraute, Goldschweif, begleitet ihn nach Hogwarts. In den gemalten Welten kann sie mit menschlicher Stimme zu ihm sprechen.

Mit Aurora Dawns Bild-Ich aus Hogwarts und Goldschweifs Instinkten kann er große Gefahren, wie schwarzmagisch erzeugten Insektenmonstern oder Angriffen versklavter Bildbewohner entgehen. Er stiehlt dem Zauberschmied Kallergos zwei nützliche Dinge, den Quellenfinder und das Schwert der Entschmelzung, weswegen ihm dieser seine aus belebtem Metall geformten Dienerinnen nachjagt. Aurora Dawn gerät bei einem Überfall Slytherin auch ohne Willenswickler folgsamer Quidditchspieler unter den Zwang eines Willenswicklers. Julius, zunächst mit Goldschweif auf sich allein gestellt, sucht die Hexenlady Medea auf, vor der die Knieselin ihn warnt, daß sie nicht gut sei. Diese weiß erschreckend viel über ihn und was in Beauxbatons gegen Hogwarts' diktatorische Schulleiterin Umbridge unternommen wird. Sie erzählt ihm von der Galerie des Grauens und führt ihn an den Eingang dazu, den nur betreten kann, der jünger als fünfzehn Jahre ist. Unterwegs zerlegen sie die Insektenmonster in ihre früheren Einzelwesen und zerstören Golems, die Slytherins erstes gemaltes Ich aufbietet, um seine Pläne zu verfolgen. Als Julius dann in der Galerie ist, gelingt es ihm, auch die Brutstätte der Willenswickler zu zerstören. Doch dann steht er dem Urbild Slytherins gegenüber, das ihn nach kurzem aber heftigen Kampf am Boden hat und Goldschweif mit dem Imperius-Fluch alles Wissen über sie und Julius abringt. Das ist das Todesurteil für Julius Andrews.

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Aurora Dawn fiel vom Besen. Lady Medea erschrak, als sie fühlte, wie ihre Sozia herunterrutschte. Der Schock über die Erkenntnis, daß Julius Andrews, ihr guter Bekannter in der gemalten wie der natürlichen Welt, bestimmt schon tot war, wie die Schwächung ihres Körpers durch die Hexenlady, die damit ihre eigene Erschöpfung kurierte, hatten sie entkräftet. Doch Lady Medea war für ihr Alter sehr gewandt. Sie wirbelte auf dem Nimbus 1500 herum, tauchte der ffallenden Junghexe nach und rief dabei "Cadelento!" Aurora Dawn wurde gebremst und landete gerade noch weich genug, um sich keine schweren Verletzungen zuzuziehen. Lady Medea landete neben ihr und behandelte mit ihr wohlvertrauten Zaubern die Schürfwunden und Prällungen. Dann richtete sie die Junghexe wieder auf und befahl ihr eindringlich, sich zusammenzunehmen.

Von irgendwo her erklang ein teuflisches Gelächter. Jemand war in einem bösartigen Freudentaumel. Dann hörten sie wie aus der Ferne die Worte:

"Es ist wahr. Man hat die alte Kopfbedeckung der Kaiserin der letzten Ära tatsächlich bergen können. Ich weiß nicht wie, weil dies wohl nach meiner Zeit geschah, aber ich werde es ergründen, wenn ich meinen Spiegelbruder wiedergefunden und mit ihm die große Verschmelzung vollzogen habe. Ich weiß, daß ich sie dir nicht vom Kopf reißen kann, solange du lebst. Aber ich werde sie mir nehmen, wenn du tot bist."

"Vermaledeit, der Jüngling hat es doch gewagt, zu diesem Irrsinnigen Magister selbst vorzudringen und hat ihm verraten, wer er ist. Nein, diese Knieselin wird es getan haben, weil Imperius bei dem Jüngling selbst keine Wirkung zeigt. Doch nun wird Slytherin ihn töten, ohne Angst vor üblen Folgen haben zu müssen", schnaubte die Lady, als bereits das erste der zwei am meisten gefürchteten Worte durch einen Durchgang klang, der rechts von dem sich gerade schließenden Farbenwirbel lag.

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Julius stand da und wußte, daß nur noch zwei Worte fehlten, um ihn ein für allemal aus der Welt zu schaffen, egal ob es die gemalte Welt war, in der er Magister Salazar Slytherin begegnet war oder die natürliche Welt, aus der er stammte. Zwei Worte bis zum Tod. - Zwei Worte?

Julius riss den Zauberstab hoch. Gleichzeitig dachte er konzentriert und völlig frei von Angst: "Taceto!"

"Avada Ked...!" Rief Slytherin. Doch dann schwieg er. Julius Zauber, eine aus Verzweiflung geborene letzte Gegenwehr, hatte ihn voll getroffen. Der Sprechbann, der jedes zu willentlichen Lautäußerungen fähige Wesen dazu verdammte, kein klares Wort mehr aussprechen zu können, hatte ihn schneller getroffen als er die beiden geächteten Zauberworte hatte aussprechen können. Verdutzt, wütend und dann immer ängstlicher starrte der dunkle Magier auf seinen Zauberstab. Wie konnte es angehen, daß er plötzlich nichts mehr sagen konnte? Ihm fiel der alte Silencius-Zauber ein, der jedes Wesen dazu verdammte, stumm zu bleiben, weil kein Laut mehr aus der Kehle dringen mochte. Aber dieser Knabe hatte kein Wort gesagt. Er hatte kein einziges Wort mehr gesagt, nachdem er den Kniesel, der bei ihm war, unter dem Imperius-Fluch verhört und alles erfahren hatte, was Nihilius Nemo alias Julius Andrews als lebensnotwendiges Geheimnis gehütet hatte. Doch er konnte nichts mehr sagen. Er konnte das letzte Wort des Zauberspruchs nicht mehr ausrufen!

Schnell richtete er den Stab gegen seine Kehle, wollte mit dem Sonoliberatus-Zauber seine Stimme wiederfinden. Doch voller Entsetzen sah er, wie sich ein flirrendes grünes Licht von der Zauberstabspitze her ausbreitete, den ganzen Stab entlangkroch und dabei immer heller wurde. Er fühlte eine Lähmung, die ihm in die Finger kroch, wie die Finger, die den Stab hielten taub und leblos wurden und sich dabei immer stärker um den Stab verkrampften. Als das grüne Leuchten sich mit einem Begleitgeräusch wie immer lauteres Zirpen von hundert Grillen über die ganze Stablänge ausgebreitet hatte, kroch die Leblosigkeit bereits in seine Hand. Voller Todesangst erkannte Salazar Slytherin, daß er mit den unvollständigen Worten des tödlichen Fluches bereits so viel mörderische Magie erzeugt hatte, daß diese sich nun, wo sie nicht ordentlich auf ein anderes Ziel geschleudert worden war, Bahn brach, langsamer als sonst, aber unausweichlich und unumkehrbar.

Julius sah, wie der dunkle Meister erschrocken seinen Zauberstab zurückriss und auf sich selbst richtete. Er konnte es nicht fassen, daß er dem tödlichen Fluch um einen Sekundenbruchteil entkommen war. Doch was er nun sah, vertrieb seine Erleichterung sofort wieder. Langsam breitete sich unter dem Geräusch wie von hundert zirpenden Grillen ein grünes Licht von der Zauberstabspitze her über den Stab des dunklen Magiers aus, fraß sich wie ein Feuer ohne Flamme daran entlang und berührte schließlich die Hand des Magiers. Schlagartig wurde das Licht gleißend, wie es Julius von der vollen Wirkung des Fluches Avada Kedavra kannte. Nun züngelten kleine Flämmchen aus der Hand des alten Dunkelmagiers, gleißend grün und grausam zerstörend. Julius sah mit demselben Entsetzen im Blick, wie in den Augen Slytherins, wie sich der grüne Brand innerhalb von wenigen Sekunden an seinem Arm entlangfraß, der kraftlos niedersank, den Zauberstab jedoch nicht losließ. Hatte Slytherin mit den beiden fast vollständigen Zauberworten bereits zuviel Vernichtungsenergie in seinem Zauberstab angereichert? Entlud sich diese Energie nun gegen ihren Urheber? Was bedeutete das?

Der grüne Brand erreichte die Schulter des Magiers im blutroten Umhang. Ein grünlicher Dunstschleier legte sich um den Körper des Hexenmeisters, der immer dichter und heller glühte.

"Julius, der ganz böse Mensch stirbt!!" Kreischte Goldschweif, die Knieselin und zitterte vor Angst. Julius wollte es nicht recht fassen. Er stand da und sah, wie das grüne Feuer der Vernichtung sich immer weiter an Slytherins Körper entlangfraß, bis dieser unter einem tierhaften, langgezogenen Schrei in einer einzigen grellen grünen Flammensäule stand, die tosend auffuhr, dem violetten Himmel der gemalten Landschaft entgegen. Gleichzeitig ballten sich orange Wolken zusammen, wurden blutig rot und türmten sich innerhalb einer Sekunde zu mächtigen Gewitterwolken auf. Die rote Riesensonne, die bis dahin den östlichen Horizont zu einem sehr großen Teil beherrscht hatte, flackerte. Julius sah jedoch nur die grüne Flamme an, die in hohem Tempo gegen den Himmel aufstieg.

Der Boden begann zu zittern, erste blaue und rote Blitze zuckten von mächtigen Donnerschlägen begleitet nieder. Eisiger Wind kam auf.

"Julius, der ganz böse Mensch stirbt!!" Schrie Goldschweif erneut. Das riss den Beauxbatons-Schüler aus seiner Erstarrung. Ja, Slytherin war dem Todesfluch selbst zum Opfer gefallen. Wenn er starb, wurde alles, wirklich alles hier in diesem Bild zerstört.

"Du Narr, was hast du getan!!" Kam die überaus erregte Stimme einer älteren Frau vom Durchgang her, dessen Rand langsam unter farbigen Lichtern zusammenschmolz. Julius sah Lady Medea anfliegen. Ein sich weit verästelnder Blitz schlug knapp neben ihr in den immer heftiger wankenden Boden. Er mußte sich anstrengen, nicht den Halt zu verlieren. Goldschweif sprang in einer letzten großen Anstrengung auf seine Schulter und umklammerte mit den Vorderpfoten seinen Hals.

"Komm her, du Tor und sitz auf!" Rief Lady Medea, während die mächtige grüne Flamme sich mit dem Himmel vereinigte.

Julius sprang in wilder Angst über sich auftuende Risse im Boden hinweg zu einem auf ihn zufliegenden Besen. Lady Medea saß alleine darauf. Er bekam den Stiel zu fassen, konnte sich jedoch nicht hochziehen. Lady Medea wartete nicht darauf, daß er ordentlich aufsitzen konnte. Sie drehte um und raste zum sich langsam verengenden Durchgang.

Mit mörderischem Getöse brach hinter ihnen die Hölle los. Aus den Rissen im Boden quoll rot- und gelbglühende Lava wie aus einem ausbrechenden Vulkan. Bestialischer Schwefelgestank waberte auf. Rote und blaue Flammen tanzten auf den hervorbrechenden Strömen flüssigen Gesteins, während es aus den roten Wolken immer häufiger blitzte. Die grüne Flammensäule, die vom Boden bis in den gemalten Himmel reichte, verbreiterte sich von Sekunde zu Sekunde. Mit jeder Ausdehnung nahm der Aufruhr aller Elemente zu. Ein eisiger Sturmwind wütete, und aus den Wolken fiel eine Flut von Regen. Es regnete jedoch kein Wasser. Die Regentropfen waren rot und klebten am Körper wie kübelweise ausgegossenes Blut.

Gerade als mit einem mächtigen Knall und einem weißen Feuerball die gesamte Landschaft Slytherins verglühte, entkamen Lady Medea und Julius durch den Ausgang. Doch das Inferno jagte sie. Der bunte Tunnel, der sonst zwischen allen Zauberbildern lag, schlingerte und färbte sich dunkel. Hinter ihnen wälzte sich eine weiße Flammenwand durch den Verbindungsweg zwischen den Bildern. Wohl nur weil sie auf einem Besen flogen, entrannen die Hexenlady und der am Besenstiel festgeklammerte Junge der Vernichtung. Als sie vor die Halle der schlafenden Zeit kamen, tobte jedoch das Erdbeben, und heißer Wind wuchs langsam zum Sturm an.

"Die Gründer sind da drin!" Rief Julius.

"Ich weiß!" Rief Lady Medea und flog hinein in die Halle. Schnell, denn die Wände wankten bereits bedrohlich, wirkte sie die Rückkehrteleportation für jeden Gründer. Es dauerte dreißig ewig scheinende Sekunden, bis auch Godric Gryffindor mit einem im Grollen der tobenden Elemente fast unhörbaren Knall verschwand. Julius saß nun richtig auf dem Besen, als Lady Medea mit ihm durch den anderen Bildausgang davonflog. Kaum waren sie hindurch, krachte die weiße Flammenwand in die Halle der schlafenden Zeit und fegte sie restlos hinfort.

"Über der gemalten Wüste, wo die Insektenmonster gelebt hatten, brannte der Himmel. Die gemalte Sonne war zu einem einzigen orangeroten Flammenteppich geworden, der die ohnehin schon vorherrschende Gluthitze verstärkte. Selbst der Fahrtwind verschaffte den Fliehenden keine ausreichende Kühlung. Vom Blutregen und eigenem Schweiß durchnäßt schlingerten sie in hohem Tempo durch den Ausgang vor die frühere Begrenzung. Hinter ihnen senkte sich der brennende Himmel immer rascher zum Boden. Julius gewahrte gerade noch, wie die längsten Flammen den Boden berührten und wie Zunder aufflammen ließen. Dann waren sie aber durch den Tunnel, der hinter ihn zusammenbrach und in einem Wirbel aus vielen Farben zerschmolz. Der Gestank von Schwefel und erhitztem Gestein wehte mit einem heißen Sturmhauch aus dem Tunnel zu ihnen.

Als Lady Medea und Julius gerade über der Landschaft flogen, die das Bild ausfüllte, welches vor dem Durchgang zur Galerie des Grauens lag, tat sich hinter ihnen ein gähnendes schwarzes Loch auf, dessen Rand in einem wilden Lichterspiel glühte. Ein gewaltiger Sog zerrte an Besen und Reitern, drohte, sie in den erbarmungslosen Schlung zu ziehen. Mit äußerster Kraft konnte der Besen dem gierigen Sog des Schwarzen Lochs entgegenhalten, kam aber nicht mehr von der Stelle. Sie fürchteten schon, daß der Nimbus 1500 zerbrechen mußte, während sie bange Sekunden warteten, ob der lächtzende Schlund aus undurchdringlicher Schwärze blieb, wo er war. Dann rumpelte und toste es. Der schillernde Rand der gähnenden Finsternis wurde dicker, wuchs von außen nach innen in die höllische Schwärze hinein. Gleichzeitig ebbte der gewaltige Sog langsam ab. Der Besen gewann mehr Abstand zum schwarzen Loch. Schließlich fiel dieses einfach in sich zusammen, ergoss einen Schauer von Farben des Regenbogens über die ganze Landschaft und war einfach nicht mehr da. Das Rumpeln aus der Ferne war nun völlig verklungen. Lady Medea wagte es zu wenden und landete an der Stelle, wo vor einigen Minuten noch eine schier unüberwindliche Alterslinie gewesen war. Dort war jetzt jedoch nichts mehr. Dann erkannte Julius das Flirren eines anderen Durchgangs, ja noch einen weiteren Durchgang weiter links. Da begriff er, daß dieses Bild sich mit zwei anderen Bildern der weitläufigen Gemäldegalerie von Hogwarts verbunden hatte. der Alptraum war vorbei. Die Galerie des Grauens gab es nicht mehr.

"Wißt Ihr, welch unverschämtes Glück wir hatten, dieser Hölle noch entkommen zu sein. Eine Sekunde Früher, und der Schlund der Vernichtung hätte uns verzehrt und damit das Zerstörungswerk fortgeführt, weil Aurora Dawn und ich ebenfalls getötet worden wären. Das hätte eine unaufhaltsame Kette der Zerstörung nach sich gezogen, an deren Ende alle Bilder in Hogwarts vernichtet worden wären. Hat man Euch nicht eindringlich gewarnt, kein vernunftbegabtes Wesen unserer Welt zu töten? Habe nicht ich selbst Euch ermahnt, euch nicht mit Salazar Slytherin anzulegen?" Schimpfte Lady Medea nun hemmungslos, da die größte Gefahr nun vorbei war.

"Ich habe mich nicht mit ihm anlegen wollen, Mylady", beteuerte Julius. "Ich wollte nur verhindern, daß er sich mit seinem Ebenbild vereint. Er hat mich dabei erwischt, wie ich seinen Spiegelbildbruder weggeschickt habe. Dann hat er mich erst gefoltert und dann mit mehreren Monstern angegriffen. Ich wollte ihn nicht umbringen. Aber ich wollte auch nicht deshalb sterben. Ich meinte, wenn ich ihm den Sprechbann aufhalse, könne er den Fluch nicht mehr wirken. Aber der Zauber ist wohl zu spät bei ihm angekommen, um ihn noch davon abzubringen, ihn zumindest anzuheizen. Daß er dadurch selbst draufgeht, wußte und wollte ich bestimmt nicht, Mylady."

"Ich hörte nicht, daß Ihr "Silencio" gerufen hättet, Julius. Wie konntet Ihr dann einen so mächtigen Zauberer verstummen lassen?"

"Ich kann manche Sachen durch Gedanken an die Zauberformel aufrufen", erklärte Julius, dem es im Moment egal war, ob die Lady das wissen durfte oder nicht. Die Aufregung der letzten Minuten hatten seinen klaren Verstand derartig umnebelt, daß er nur wollte, daß sie ihm glaubte.

"Ich verstehe", sagte die Hexenlady. Goldschweif knurrte verärgert. Offenbar hatte Julius irgendwas getan, was nicht richtig war.

"Wo ist Aurora Dawn?" Fragte Julius, nun wo er die Schrecken einer sich auftuenden Hölle überstanden hatte.

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Filch wurde durch ein wildes Gepolter und eine sehr ängstlich krakehlende Mrs. Norris zu einem Seitengang vor Hufflepuff geführt, wo er gerade noch ein ihm völlig fremdes Bild sehen konnte, das da vor einem Tag noch nicht gehangen hatte. Es zeigte eine Wüstenlandschaft unter glühender Sonne. Diese Sonne zerfloss auf einmal zu einem orangeroten Flammenteppich. Er meinte, gerade noch soeben einen Rennbesen mit zwei Reitern durch das Bild huschen zu sehen, als der Feuerteppich zu einem Feuervorhang wurde, der auf den gemalten Boden herabfiel und diesen entzündete. Mit einem lauten Knall zerfiel das Bild zu schwarzer Asche, die den Hausmeister von Hogwarts einnebelte.

Draco Malfoy hörte ein lautes Tosen und Grollen und fragte sich, was dahinterstecken mochte. Er ging den Geräuschen nach, bis er an die Stelle kam, wo der geheime Kerker lag, in dem er und seine Freunde Crabbe und Goyle den dunklen Schatz Slytherins gefunden und das Bild des so mächtigen Hogwarts-Mitgründers und das Geheimlabor aufgehängt hatten. Das Bild mit einer großen Halle, in der blauer Nebel über blauen Marmortischen hing, hatten sie in einem Versteckten Seitengang zu ihrem Haus angebracht. Eines, das eine Horde Golems zeigte, hatten sie in einem Gang untergebracht, der ihres Wissens nach nach Gryffindor führte. Das Bild mit fies aussehenden Insektenwesen über einer Wüstenlandschaft hatten sie irgendwo aufgehangen, wo sie manchmal die Hufflepuffs angetroffen hatten.

Aus dem Kerker drangen dumpfe Explosionen, dann ein Geräusch wie dumpfes Windheulen und Knistern. Er sah mit schreckensbleichem Gesicht, wie die Stelle in der Wand, hinter der der Kerker lag, rot glühte. Was passierte da? Steif und starr vor Angst stand er vor der immer heftiger glühenden Wand. Die Hitze schlug ihm sengend ins Gesicht und trieb ihn einige Schritte zurück. Hellorange glühte das Wandstück. Einzelne Putzstückchen wurden schwarz wie Steinkohle. Kleine Risse zeigten sich in den Wandstücken rechts und links. Dann gab es ein dumpfes Schwupp-Geräusch, und die glühende Wand verdunkelte sich schlagartig. Malfoy sah bestürzt, wie das Wandstück nun nicht mehr heiß sondern eiskalt erschien. Kleine Eisblumen erblühten auf dem Mauerstück, und der eisige Hauch wie eine kalte Winternacht atmete Draco Malfoy entgegen. Eine Minute blieb das so. Dann rumpelte es hinter dem Mauerstück. Mit einem lauten Krach schlug von innen Stein gegen Stein. Dann war der Spuk vorbei.

"Was ging da vor?" Fragte sich Malfoys Sohn und kniete sich hin. Er prüfte mit der Spitze des linken kleinen Fingers, ob die Wand sich noch irgendwie anders anfühlte. Dann versuchte er es mit dem Passwort, das ihm einmal den Zugang zu diesem Kerker ermöglicht hatte. Das Mauerstück öffnete sich nicht mehr. Der Kerker war wohl verschwunden.

Als sich Draco Malfoy aus der Starre lösen konnte, schlich er schnell und heimlich dorthin, wo die frei einsehbaren Bilder gehangen hatten, die sie aus Slytherins Kerker geholt hatten. Doch die Bilder waren nicht mehr da. Nur kleine Aschehaufen, die entfernt an verbrannte Leinwand und verkokeltes Holz erinnerten, lagen unter den Stellen, wo die Bilder gehangen hatten.

"Verfluchter Mist!" Schnaubte Malfoy, und in seine grauen Augen traten Tränen der Wut. "Verfluchter Mist!!" Er lief zu einem Bild, das in der Nähe hing und sah eine alte Hexe, die er keine zwei Stunden vorher noch mit dem grünen Wurm um den Hals gesehen hatte, die nun völlig frei und beweglich in ihr Gemälde zurückschritt. Als sie ihn sah, verzog sich ihr Gesicht vor Wut. Sie deutete mit dem knochigen Zeigefinger auf Draco und zischte:

"Du vermaledeiter Bastard warst das doch! Du hast uns diese Würmer eingebrockt. Schleich dich schnell!"

"Was willst du altes Weib? Du kannst mir doch nichts", gab Malfoy überheblich grinsend zurück. "Ihr könnt mir doch alle nichts." Dann schlich er sich davon, zurück in den Schlafsaal der Slytherins.

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Lady Medea holte aus ihrem Umhang eine kleine Stoffkugel hervor, legte sie auf den Boden und vollführte daran einen Zauber, den Julius sofort als Reverso-Mutatus-Zauber, den mächtigsten Verwandlungsumkehrer, wiedererkannte. Keine Sekunde später stand Aurora Dawn sichtlich irritiert dreinschauend da und sah Julius an. Erst langsam gewann ein zufriedenes, dann sehr erfreutes Lächeln Raum in ihrem Gesicht. Julius lächelte auch.

"Ich hatte nur die Wahl, sie hier vor dem Eingang zurück zu lassen oder in einen toten Gegenstand verwandelt mitzunehmen. Immerhin habe ich ihr und damit auch uns das Leben gerettet, denn auf dem Besen wäre für drei Reiter kein Platz gewesen. Und ich durfte ihr Leben nicht gefährden, unter keinen Umständen."

"Ein merkwürdiger Zustand ist das, Julius. Du kriegst alles mit, ohne was machen zu können", sagte Aurora Dawn. Julius nickte unwillkürlich. Er hatte diese Erfahrung auch schon gemacht, allerdings unter besseren Umständen als Aurora Dawn hier und jetzt.

"Das Gefüge hat sich erholt. Es hat die Vernichtung der Bilder Slytherins ohne Folgeschaden überstanden", erkannte Lady Medea. Dann setzte sie sich mit Aurora und Julius hin und unterhielt sich über die Vorkommnisse. Doch als Julius gerade vom Kampf gegen Slytherin erzählte, fauchte Goldschweif:

"Gefahr! Die singenden Glitzerweibchen rennen auf uns zu."

Lady Medea und Julius reagierten ohne Absprache auf dieselbe Weise. Sie rissen ihre Zauberstäbe hoch und riefen "Deterrestris", als die beiden goldenen Mädchen aus der Werkstatt des Zauberschmiedes Kallergos mit übermenschlicher Geschwindigkeit angejagt kamen. Fast hätten sie Julius und Aurora zu fassen bekommen, bevor sie die Schwerkraftumkehrung nach oben beförderte.

"Die Gegenstände, die ihr mitführt, locken sie immer wieder an. Gebt sie mir. Ihr braucht sie nicht mehr."

"Tu es nicht, Julius", flüsterte Goldschweif. Doch Julius wußte nicht, was er noch mit dem hantelförmigen Quellenfinder und dem Kurzschwert der Entschmelzung tun sollte. Sicher, diese Lady war bestimmt nicht vertrauenswürdiger als Professor Snape oder Dolores Umbridge. Doch ohne Monster aus magischer Fusion in dieser Welt war das Schwert bedeutungslos. Der Quellenfinder, der durch Erwärmung und Abkühlung die Kräfte von guten und bösen Wesen anzeigte, war in der Hand dieser Hexe wohl eine ernstzunehmende Macht, für ihn aber auch bedeutungslos. Er händigte die beiden Gegenstände aus. Aurora Dawn sah ihn entgeistert an. Lady Medea sagte ihr zugewandt:

"Ihr, Jungfer Aurora, wäret Kallergosgerechtfertigtem Zorn ausgeliefert, wenn ich diese Artefakte nicht hätte. Ich kann ihn nur dazu bringen, euch nichts anzuhaben, wenn ich sie behalte und damit einen wichtigen Teil seiner eigenen Macht behüte. Gegen seine Dienerinnen bin ich besser gewappnet als Ihr es seid. Also seht Euren Gefährten nicht so an, als habe er gerade den größten Fehler seines Lebens gemacht. Den hat er schon begangen, als er meinte, sich wider meinen ausdrücklichen Rat gegen Slytherin stellen zu müssen. Beinahe wäre sein Artefakt, die Haube der Darxandria, an Slytherin gefallen. Und ich mutmaße nicht von ungefähr, daß dieser Gegenstand in der natürlichen Welt dereinst noch wichtig werden dürfte, genau wie das erste Schwert der Entschmelzung oder der wahre Quellenfinder, die noch irgendwo unter dem Sand der Zeit verschollen sind."

"O Julius, du mußt machen, daß du hier wieder wegkommst", flüsterte Aurora Dawn. Julius wußte sofort, was sie meinte. Die Frist für die gefahrlose Benutzung der magischen Kopfbedeckung, die ihn vor der Macht Slytherins geschützt hatte, lief nicht mehr lange. Sicher, in der Halle der schlafenden Zeit hatte er eine Stunde übersprungen, doch wußte er mit Sicherheit, daß er nicht doch dem normalen Zeitfluß unterworfen war und die Haube ihn nur noch gerade noch etwas mehr als eine Stunde bedenkenlos schützte, bevor sie ihn rasch und unaufhaltsam wahnsinnig machen würde? Aber hatte die Zerstörung der Galerie nicht schon was angestellt, was ihn irgendwann verrückt machen würde? Dennoch wollte er sich nicht auf ein Spiel einlassen, das er am Ende sehr teuer bezahlen würde, nun, nachdem er gerade noch mal dem Tod entkommen war.

"Ich kehre zurück in meinen Garten. Der Frieden dort wird mir sehr behagen, und die drei Schwestern, welche ich behüte, werden froh sein, wieder in die freie Welt unserer Galerie zu wandern, weil die Kreaturen Slytherins vergangen sind. Ihr, Jungfer Aurora, verbringt diesen jungen Mann dorthin, wo er hingehört!" Sagte Lady Medea, Aurora zugewandt. Dann sah sie Julius lächelnd an. "Es erfreut mich trotz Eurer Torheit, einen solch starken und klugen Adepten der Magie angetroffen zu haben und erfüllt mich mit großer Beruhigung, daß die Welt unserer Vorbilder einen einmal mächtigen Zauberer in sich beherbergen wird, der den Machenschaften des Emporkömmlings widerstehen und ihn um den Erfolg seiner wahnwitzigen Ideen bringen können wird. Lebt wohl und haltet Euch wacker, Jüngling Julius. Die Gunst der Lady Medea und aller, die mit ihr sind, sei mit Euch!"

Julius versuchte zwar auszuweichen, als die Hexenlady auf ihn zuging und ihn mit ihren Armen zu umfangen begann, doch er konnte sich nicht schnell genug zurückziehen. Die Hexenlady küßte ihm auf die linke und die rechte Wange und gab ihn dann wieder frei.

"Ich weiß zwar nicht, was Ihr früher so gemacht habt, Mylady, aber ich danke Euch für Eure Hilfe und Euren Rat. Ich hoffe, ich habe Euch nicht allzu sehr enttäuscht", sagte der Beauxbatons-Schüler, der meinte, etwas freundliches sagen zu müssen. Lady Medea lächelte ihn noch mal an und sagte:

"Ihr habt Euch besser geschlagen als ich es von einem Jüngling Eures Alters und Eurer Erfahrung hätte erwarten dürfen. Nein, Ihr habt mich nicht enttäuscht. Noch nicht."

Julius nickte ihr zu, saß hinter Aurora Dawn auf dem so zuverlässigen Nimbus 1500 auf und flog mit ihr schnell davon.

"Du hättest ihr die Sachen nicht geben dürfen, Julius. Jetzt kann sie da weitermachen, wo Slytherin gescheitert ist", fuhr Aurora Dawn ihren Begleiter an. Dieser nickte nur.

"Ich habe mit den Dingern nichts mehr anfangen können. Vielleicht stimmt das ja, daß dieser Kallergos und seine goldenen Mädchen dir nichts mehr tun, wenn sie die Dinger hat. Kann auch sein, daß sie weiß, wie unsinnig es wäre, erst die gemalte Welt und dann die echte Welt zu erobern. Slytherin wollte seine Macht wiedererlangen, die er hier in Hogwarts hatte. Er hätte sich entweder sofort mit Voldemort zusammengetan oder zumindest dafür gesorgt, daß dieser leichteres Spiel gehabt hätte."

Der Besen schlingerte kurz, weil Julius den dunklen Lord beim Namen nannte und Aurora darüber erschrak. Doch dann flog sie schnell weiter, jedoch ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren.

Unterwegs trafen sie von den Willenswicklern befreite Personen, Hexen und Zauberer an, die ihnen zuwinkten. Offenbar war es schnell herumgegangen, wem sie es verdankten, daß sie nun wieder frei waren.

Im Stammbild Aurora Dawns stiegen sie vom Besen ab. Aurora Dawn sah Julius an und meinte:

"Ich bring dich jetzt von hier fort, bevor jemand dich noch sehen kann." Dann umarmte sie ihn und trat durch einen flirrenden Ausgang aus dem Bild.

Die rasende Fahrt durch ein farbiges Gefüge zwischen den Bildern dauerte diesmal wesentlich länger, als Julius es auf dem Hinweg gemeint hatte. Als sie dann nicht im üblichen Portrait Aurora Dawns über seinem Bett in Beauxbatons sondern in einem Gemälde in einem von Tageslicht erhelltem Arbeitszimmer auftauchten, schwante es Julius, wo sie ihn hingebracht hatte. Als dann seine Armbanduhr mit leisem Klick verriet, daß sie sich umgestellt hatte und er sah, daß sie mehrere Stunden vorauswaren, wußte er es mit Sicherheit.

Hinter jener durchsichtigen Trennwand zwischen der gemalten und natürlichen Welt tauchte das Gesicht Aurora Dawns auf. Es war die lebendige Aurora Dawn, die Vorlage jener, die ihn gerade hier abgesetzt hatte.

"Ich habe meinem gemalten Ich empfohlen, dich sofort zu mir zu bringen, wenn du diesen Wahnsinn erledigt hast, den dir die Bande um Blanche Faucon und Dumbledore aufgehalst hat, Julius", hörte er sie klar und deutlich sagen, als stünde sie ohne Trennwand vor ihm.

"Ich möchte alles wissen, was du erlebt hast. Ich weiß, daß widerspricht dieser Sub-Rosa-Sache, aber ich möchte sicherstellen, daß dir nichts passiert ist. Komm bitte einmal da raus und zu mir!"

Julius schwankte zwischen Erleichterung und schlechtem Gewissen. Er durfte ja nichts erzählen, was er im Sub-Rosa-Raum und im Zusammenhang damit gehört, gesagt oder erlebt hatte. Doch diese Hexe da, die ihn damals in die Zaubererwelt hinübergeführt hatte, wußte sowieso schon alles, was eigentlich niemand außerhalb der Sub-Rosa-Gruppe wissen durfte. Er holte das Intrakulum, jenen mächtigen Gegenstand, welcher ihn in die gemalte Welt hinübergebracht hatte, aus seinem Practicus-Brustbeutel und legte es direkt an die massive aber unsichtbare Trennwand.

"Per Intraculum excedo!" Rief er. Eine Lichtspirale wuchs aus der Rückseite des scheibenförmigen Gegenstands und hüllte Julius ein. Innerhalb von wenigen Sekunden wechselten er und Goldschweif durch einen Lichtertunnel aus der Welt der gemalten Wesen hinüber in die Welt der natürlichen Gegebenheiten. Er purzelte von einer Wand herunter, an der Aurora Dawns Vollportrait hing und gespannt zusah ob der Austritt auch wirklich klappte.

Das erste, was Julius tat, als er die natürliche Welt wieder erreicht hatte, er nahm die magische Kettenhaube vom Kopf. Er fühlte, wie etwas in seinem Kopf erzitterte, um dann völlig frei weiterzubestehen. Die schützende Magie war nun gewichen, noch vor dem Ablauf der Frist.

"Wie hat er sich benommen?" Fragte Aurora Dawn ihr gemaltes Ich, das nun wieder zweidimensional in einem großen Holzrahmen auf einer Leinwand zu sehen war. Dieses grinste etwas gehässig und sagte:

"Er hätte sich und uns fast vernichtet, Aurora. Ich denke, er braucht eine Auffrischung des Wachhaltetranks, weil der Vorrat, den man ihm gab, sicherlich alle Wirkung verloren hat."

"Darauf war ich gefaßt", erwiderte die echte Aurora Dawn amüsiert. Dann forderte sie Julius auf, ihr ins Behandlungszimmer zu folgen.

Der Beauxbatons-Schüler war schon öfter in diesem Haus gewesen. Das erste Mal war er mit seinen Eltern und Bill Huxley hier zu Gast gewesen, als sein Vater mit ihm und seiner Mutter vor den Leuten aus Hogwarts geflüchtet und prompt bei einer echten Hexe gelandet waren, deren Schulkameradin eben jene Hexe Cynthia Flowers war, die für Hogwarts die Einschulung sogenannter Muggelstämmiger vorbereitete, eben Aurora Dawn. Dann war er in den ersten Weihnachtsferien als Zauberschüler hier gewesen und hatte zwei Tage hier zugebracht, in denen er die Zaubergärten von Hidden Groves besucht und das packende Quidditchspiel zwischen den Sydney Sparks und den Canberra Kangaroos gesehen hatte. Das Behandlungszimmer der Heilhexe war ihm jedoch noch unbekannt.

Es war ein lichtdurchfluteter Raum. Drei der vier Wände besaßen je ein großes Fenster, und helle Teppiche, Vorhänge und eine blaßrosa Wandfarbe gaben von dem einfallenden Sonnenlicht viel zurück. Zwei große Schränke aus Rotbuchenholz und ein mit Sonnen- und Mondmustern verziertes Bett ohne Baldachin standen hier. Daneben machte sich der Schreibtisch mit den fünf Schubladen rechts und links und die beiden bequemen Lehnstühle beinahe bedeutungslos aus.

"Leg dich am besten gleich aufs Bett, wenn du alle Zaubergegenstände abgelegt hast, die du am Körper trägst!" Sagte Aurora Dawn mit warmer Stimme sprechend. Julius sah sie an und fragte, ob er sich ausziehen sollte. Sie überlegte kurz und fragte, ob er sich denn Verletzungen zugezogen hatte. Er schüttelte den Kopf.

"Dann mußt du dich nicht ausziehen. Ich kann auch durch Kleidungen hindurch meine Untersuchungen anstellen. Aber wie ich das sehe trägst du ja einen Drachenhauteinteiler als Ganzkörperpanzerung. Die mußt du schon ablegen."

"Dann stehe ich sowieso in Unterzeug da", sagte Julius leicht verlegen dreinschauend.

"Ja, aber mehr mußt du dann auch nicht ausziehen", erwiderte Aurora Dawn.

Julius legte alles außer dem Pflegehelferschlüssel ab, was er an Zaubergegenständen am Leib trug und machte es sich auf dem breiten Bett bequem. Aurora Dawn nahm ihren Zauberstab und ein Instrument, das Julius als Conditiometer bei Schwester Florence kennengelernt hatte und untersuchte ihn. Manchmal tastete sie ihn ab und befragte ihn, was er so angestellt habe. Er erklärte, daß er dazu ja eigentlich nichts sagen dürfte. Aurora Dawn grinste nur, dann sagte sie ernst:

"Ich stehe unter derselben Schweigepflicht, die auch die Muggelärzte dazu zwingt, Patientenaussagen und Untersuchungsergebnisse nur preiszugeben, wenn der Patient dies erlaubt. Außerdem kenne ich von meiner gemalten Nachahmung das meiste aus eurem Sub-Rosa-Club. Immerhin hat dir die werte Professeur Faucon ja erlaubt, mein Portrait bei dir hängen zu haben, damit du aus Hogwarts was mitkriegst. Bei der Gelegenheit kommt mein Bild-Ich dann auch zu mir und erzählt es mir. Du begehst also keine Illoyalität oder Untreue oder gar Verrat, wenn du mir das erzählst, was du nachher bestimmt dem netten Minister Grandchapeau und den beiden hochrangigen Hexen deiner Schule berichtest. Ist auch eine gute Übung, das dann richtig zu sortieren."

Julius wußte, daß die gemalte Aurora Dawn der lebendigen das so oder so beibringen würde, was sie von seinem Abenteuer jenseits der Leinwandoberfläche mitbekommen hatte. Dann lieber vollständig, dachte er und schilderte alles, was er erlebt hatte.

Nachdem sie alles gehört hatte, sagte Aurora Dawn:

"Ich habe meinem Bild-Ich empfohlen, dich sofort zu mir zu bringen, wenn du diesen Wahnsinn überlebst. Es war ja längst nicht sicher, daß du da unbeschadet rauskommst. Du denkst also auch, daß Dumbledore und Grandchapeau dich gezielt ausgesucht haben, weil Dumbledore von der Alterslinie wußte? Das dürfte ziemlich sicher sein. ich kenne Professor Dumbledore zwar nicht so innig wie einige hochgestellte Hexen und Zauberer in England, aber was ich von ihm mitbekommen habe: Er plant immer im Voraus, was er tun soll, sofern er alles weiß, was wichtig ist. Er könnte, wie jemand anderes, der die Slytherins auf das uralte Vermächtnis ihres Hausgründers angespitzt hat, alte Schriften gefunden haben, in denen verzeichnet ist, was Slytherin gemacht hat und wie. Das ergäbe auch einen Sinn, daß sie dich so schnell losschicken wollten und das Professeur Faucon nur halbherzig Einspruch dagegen erhoben hat. Dann möchte ich noch deine Sinneswahrnehmung untersuchen. Du hast laute Geräusche gehört und in diese grüne Flamme gesehen, die Slytherins altes Selbstportrait gefressen hat. manchmal können Folgeschäden auftreten, die nicht sofort auffallen."

Sie unterzog Julius einem Hörtest, indem sie ihren Zauberstab hinter seine Ohren legte und daraus einen sehr leisen, aufsteigenden Ton erklingen ließ. Dann ließ sie ihn Zeilen von einer Tafel ablesen, deren Buchstaben unterschiedlich groß waren. Sie prüfte mit einem Augenspiegel seine Pupillen und wie er sich bewegende Objekte auf einer Testtafel mit herumlaufenden Figuren ansehen konnte. Danach sagte sie:

"Ich gebe dir am besten die Lichtheiltropfen für die Augen. Du hast gerade soeben noch an der Grenze zur Erblindung gesehen, wie Slytherins Portrait sich selbst vernichtet hat. Das ist also noch behandelbar."

Vorsichtig träufelte sie Julius je zwei glitzergrüne Tropfen in die augen und hielt die Lider offen, damit die Flüssigkeit so tief wie möglich eindringen konnte. Julius fühlte ein sanftes Wärmegefühl in den Augäpfeln. Aurora Dawn verband ihm die Augen mit einem lichtundurchlässigen Tuch, damit sie sich eine halbe Stunde lang erholen konnten.

In dieser halben Stunde erzählte Julius noch mal ausführlicher, was er erlebt hatte. Aurora Dawn befragte ihn auch zu Lady Medea. Dann meinte sie:

"Dein Kniesel hat recht, Julius. Sie ist nicht vertrauenswürdig. Sie ist sehr machtbewußt und macht daraus keinen Hehl, daß sie eine andere, von Hexen dominierte Zaubererwelt haben möchte. Ich persönlich hatte mit ihrem Bild im ersten Jahr in Hogwarts zu tun. Ich mußte mal Bruce, unseren Türhüter, wieder zurückholen. Sie wartete zu dieser Zeit in seinem Bild auf ihn und flog beim Reinitimaginus aus dem Bild. Man hat mich gewarnt, daß sie das nicht vergessen würde. Als ich im zweiten Jahr noch mal den Zauber bringen mußte, während sie in Bruces Bild war, hat sie mich ziemlich gut getrietzt. Das ging so weit, daß ich mich doch bei ihr entschuldigen mußte. Na ja, jetzt weißt du ja selbst, wie brutal sich das anfühlt. Mein Bild-Ich, daß ja im Jahre 1982 nach dem Gewinn des Quidditchpokals von einem Foto abgemalt und von mir durch Handauflegen meinen damaligen Erfahrungsschatz und Charakter übernommen hat, hat mir das auch mal so plastisch beschrieben wie du. Deshalb würde auch nur ein Intrakulist, so nennt man Abenteurer wie dich, auf die Idee kommen, in einem Zaubererbild den Reinitimaginus zu bringen. Du hast Lady Medea erzählt, daß du durch Gedankenkraft einfachere Zauber kannst? Ob das so gut war, weiß ich nicht. Sicherlich hast du meinem Bild-Ich einen großen Gefallen getan, Lady Medea Kallergos' Zaubersachen zu überlassen. Immerhin möchte ich genauso wie du ja noch wen in Hogwarts haben, der sich frei bewegen kann und nicht an einer langen Kette angebunden niedere Arbeiten verrichten muß. Was ich jedoch fürchte, und da wird mir deine Mentorin sicher zustimmen: Es könnte passieren, daß du zwar Slytherins dunkles Vermächtnis unschädlich gemacht hast, aber dafür die Nachtfraktion der schweigsamen Schwestern auf dich aufmerksam gemacht hast. Soweit ich weiß war Lady Medea eine erwiesene Matriarchin dieser netten Hexenclique, als sie da selbst auf diesem Planeten wandelte. Ich gehe heftig davon aus, daß sie noch anderswo Portraits von sich hängen hat, über die sie Kontakte zu den heutigen Mitgliedern hält."

"Verdammt, die wußte von der Sub-Rosa-Gruppe. Die hat auch sofort gewußt, wer ich bin. Haben die vielleicht auch Spione in Beauxbatons?" Wollte Julius wissen, dem ein Angstschauer eiskalt den Rücken runterlief.

"Ich wüßte nicht, wer das sein soll, denke aber schon, daß da jemand sitzt, der Lady Medea oder anderen alten Angehörigen dieser Vereinigung mitteilt, was in der Zaubererwelt los ist. Ich lernte meine Lektion, gemalte Personen nicht zu unterschätzen, im zweiten Jahr. Du hast das jetzt gelernt, auch im zweiten Jahr. Viele jedoch lernen es ihr Leben lang nicht, denken nur an harmlose Bilder, die so aussehen und sich so verhalten, wie ihre Originale. Ich will hoffen, daß uns die Sache mit der Galerie des Grauens endlich deutlich vor Augen führt, wie leicht wir das bereuen können, so unbedarft über die gemalten Personen früherer Zeiten zu denken."

"Ach, du meine Güte! Stehen die sich denn gut mit Vol...? Ähm, ich ziehe die Frage zurück, weil ich's ja weiß, daß die den nicht abkönnen. Die nennen den ja wohl Emporkömmling."

"Was nicht heißt, daß sie nicht Leute kennen, die wiederum mit dem Unnennbaren gut können. Aber ich habe dir ja in den Osterferien erzählt, was mit seinen Fans in Australien und Amerika passiert ist. Ich gehe davon aus, daß diese werten Damen verhindern wollen, daß er zu groß wird, solange er selbst nicht in Erscheinung treten will."

"Oh, da werde ich ja von Professeur Faucon noch was zu hören kriegen", sagte Julius sehr betroffen.

"Risikoabwägung heißt das Stichwort, Julius. Es mußte jetzt was gegen die drohende Ausbreitung der Willenswickler getan werden, um ein wirklich wirksames Spionagenetz für die dunkle Seite im Ansatz zu verhindern. Daß du dabei mit einer Hexe zu tun bekamst, der du nicht aus dem Weg gehen konntest und die bestimmt Kontakte zu Leuten ihrer alten Bande hält, war in diesem Moment zweitrangig, zumal die Nachtfraktion ja doch auch von der restlichen Schwesternschaft beobachtet wird und sich nicht zu viel herausnehmen darf. Ich wollte dir nur sagen, daß du in Zukunft darauf gefaßt sein mußt, daß dich nicht nur gutmütige Hexen kennenlernen wollen."

"Ja, das Problem gibt es ja mit denen von den Todessern auch", stellte Julius fest. "Nachdem, was mir alle erzählt haben, die die erste Zeit von ihm mitgemacht haben, konnte man ja keinem mehr so recht trauen. Ist irgendwie Mist, daß es auch in dieser Welt nicht hinhaut, daß alle ohne Mißtrauen zusammenleben können."

"Deshalb ist es ja gut, wenn man vorher weiß, was alles böses in der Welt los ist", sagte Aurora Dawn. Weil Julius im Moment nicht ihr Gesicht sehen konnte, wußte er nicht, wie er die leicht betretene Stimmung einschätzen sollte. Wollte sie nur sagen, daß das Leben als Zauberer zu ernst war, um es wie ein Spiel zu nehmen? Oder machte sie sich echte Sorgen um ihn persönlich?

Als die halbe Stunde vorbei war, nahm Aurora Julius den lichtundurchlässigen Verband ab und prüfte noch mal seine Augen. Dann sagte sie:

"Ich verschreibe dir für heute abend eine Tasse Träum-Gut-Tee. Ich gebe dir die Empfehlung für eure Schulkrankenschwester mit. Die wird sowieso ziemlich ungehalten sein, daß man dich für dieses Himmelfahrtskommando engagiert hat. Aber ich beruhige dich, daß sie ihre Wut nicht an dir auslassen wird. Du hast ja in gewisser Weise nur Befehle ausgeführt, und das ist ja das erste Gebot eines Beauxbatons-Schülers." Bei diesen Worten grinste sie Julius gehässig an, machte dann aber sofort ein freundliches, friedlich stimmendes Gesicht, damit er nicht meinte, sie wolle ihm was.

"So, wie spät ist es?" Fragte Aurora und warf einen Blick auf eine kleine silberne Armbanduhr, die Julius als Damenausführung seiner Weltzeituhr erkannte. Dann sagte sie: "Du bist jetzt genau eine Minute vor Ablauf des Ultimatums. Am besten machst du dich schleunigst wieder auf den Heimweg! Ich wünsche dir noch ein erfolgreiches und stressarmes Restschuljahr. Claire darfst du ja nicht von mir grüßen. Grüße aber Professeur Faucon und sage ihr, daß ich sie persönlich noch mal anschreiben werde!" Dann gab sie Julius ein Stück Pergament, auf das sie geschrieben hatte, daß Julius sich am Abend vor dem Einschlafen den Träum-gut-Tee bei Schwester Florence abholen solle, gab ihm von dem Wachhaltetrank gerade soviel, daß er bis neun Uhr abends munter bleiben würde, empfahl ihm, bei allen Mahlzeiten die doppelte Ration zu essen, um die verlorenen Kräfte wieder auszugleichen und verbot ihm das Training mit Barbara, zumindest für diesen Morgen. Dann brachte sie ihn in den Raum zurück, wo ihr Portrait auf ihn wartete. Er holte das Intrakulum wieder aus dem Practicus-Brustbeutel und rief dessen Zauber auf. Wieder trat eine Lichtspirale aus der Rückseite des Zaubergegenstandes, und Julius wurde zusammen mit Goldschweif in die gemalte Wirklichkeit zurückgezogen, wo die nun wieder räumlich erscheinende Aurora Dawn ihn sofort in die Arme schloss und mit ihm durch einen Rand des Bildes in das Zwischengefüge zwischen den Bildern trat. Die rasende Fahrt zwischen den beiden Portraits dauerte wohl zehn Sekunden. Dann stand Julius in dem Bild, das über seinem Bett in Beauxbatons hing. Er bedankte sich bei Aurora Dawn für alles, was sie für ihn getan hatte und wollte gerade losgehen, um durch mehrere Bilder in Professeur Faucons Sprechzimmer anzukommen, als aus der Richtung, in die er wollte, eine Hexe im wasserblauen Seidenkleid kam, die einen sonnengelben runden Hut mit weißer Feder trug. Ihr dunkelbraunes Haar schwang heftig mit jedem ihrer schnellen Schritte mit. Sie sah Julius aus ihren runden wasserblauen Augen an, besorgt aber auch verärgert. Auf ihrer Schulter hockte eine Knieselin, die Goldschweif haargenau glich. Die Knieselin auf Julius' Schulter fauchte: "Lass ihn in Ruhe! Den habe ich mir ausgesucht." Von der anderen Knieseldame kam nur ein für Julius unverständliches Fauchen. Er vermutete jedoch, daß sie eine entsprechende Antwort gegeben hatte.

"Dann stimmt es wahrhaftig, daß man einen meiner Schüler in unsere Welt geschickt und mit einem haarsträubenden Auftrag betraut hat. Möchten Sie mir was erzählen, Monsieur Andrews?"

"Öhm, ich wußte nicht, daß Sie auf mich warteten, Madame Eauvive", brachte Julius eingeschüchtert heraus. Die da vor ihm stand war Viviane Eauvive, die Mitbegründerin von Beauxbatons, die den grünen Saal aufgebaut hatte, in dem er seit bald einem Schuljahr wohnte.

"Du beantwortest mir bitte meine Frage, Bursche!" knurte Viviane Eauvive.

"Ich weiß nicht, ob ich Ihnen was erzählen muß oder darf", sagte Julius immer noch eingeschüchtert.

"Das wird sich gleich klären. Accio Intrakulum!" Erwiderte die Gründungsmutter und hielt ihren Zauberstab auf das schimmernde Intrakulum gerichtet, das Julius noch in der Hand hielt. Es schlüpfte ihm einfach aus den Fingern und sauste wie von einer Schleuder geschnellt in die freie Hand der altehrwürdigen Hexe, die nun, wo er sie als lebendige Person sah, sehr kraftvoll und entschlossen wirkte.

"Halt, bitte nicht, Madame. Ich muß damit zu Professeur Faucon und wieder hier raus!" Rief Julius flehend. Doch Madame Eauvive nahm darauf keine Rücksicht. Julius zog seinen Zauberstab, um sich das Intrakulum per Aufrufezauber zurückzuholen. Die Hexe mit dem gelben Hut hob den Saum ihres langen Kleides und steckte sich die zaubermächtige Metallscheibe in eine Tasche ihres dunkelblauen Unterrocks.

"Accio Intrakulum!" Rief Julius und deutete mit seinem Zauberstab auf die Stelle, wo sich seine Fahrkarte in die richtige Welt nun befand. Doch es knisterte nur kurz, ohne daß das Intrakulum zu ihm zurückkehrte.

"Ich trage Unterkleidung, die durch bestimmte Zauber alle Objektbewegungszauber abfängt, Julius. Mit dem Accio-Zauber kriegst du das Intrakulum nicht mehr wieder. Und ich denke nicht, daß du so ruchlos bist, einer Dame unter den Rock zu greifen. Ich werde jetzt mit dir dorthin gehen, wo Professeur Faucon auf dich wartet. Mademoiselle Dawn darf uns begleiten. Bei Professeur Faucon wirst du mir Rede und Antwort stehen, wie auch sie und die zwei anderen Herrschaften, die sie gerade beherbergt. Vorher werde ich dir die Rückkehr in deine angestammte Welt nicht gestatten", sagte die Mitbegründerin von Beauxbatons. Julius schien im Boden zu versinken. Wenn diese Hexe nicht hörte, was sie hören wollte, würde er für alle Zeiten in der gemalten Welt bleiben müssen, es sei denn er warf alle anerzogenen Bedenken über Bord und holte sich das Intrakulum mit Gewalt zurück. Offenbar schien die ehrwürdige Hexe ihn zu belauern, was er tun wollte. Sie sah ihn sehr aufmerksam an. Er konnte nicht verhindern, daß sie ihm einmal tief in die Augen blickte. Er merkte nur, daß er kurz an sein Abenteuer mit dem Urportrait Slytherins denken mußte. Mit Schrecken stellte er fest, daß er wohl legilimentisch ausgeforscht wurde. Er schlug die Augen nieder und errötete. Dann sagte er:

"Da Sie mich gerade in Schach halten, wäre es dumm von mir, irgendwas auszuprobieren. Aber wenn Professeur Faucon sagt, daß ich Ihnen nichts erzählen darf, dann muß ich mich daran halten, weil sie ja diejenige ist, die zu bestimmen hat, was ich mache."

"Außerhalb der Bilderwelt schon, Julius. Aber hier bin im Moment ich diejenige, die dir sagt, was du zu tun hast. Wenn ich dir sage, daß du mir alles erzählen sollst, ohne daß ich alles aus dir herauslegilimentieren muß, dann tust du das auch, egal was Professeur Faucon dir gesagt hat. Ich weiß, daß du intelligent genug bist, um deine Lage richtig einzuschätzen. Du würdest mich nicht schlagen oder mir mit anderer Gewalt zu Leibe rücken, um das Intrakulum zurückzubekommen. Du wüßtest genau, daß ich dir sowas niemals verzeihen würde. Die Tatsache, daß du im Moment in meiner Daseinswelt bist, und die Erlebnisse, die du wohl hattest, beweisen dir mit absoluter Sicherheit, daß unsereins hier nicht machtlos ist, in die natürliche Welt hineinzuwirken, wenngleich wir selbst nicht hinübergehen können, ähnlich wie bei diesen Lichtkonzentratwesen, die Mademoiselle Hellersdorf und du als Holodeck-Figuren bezeichnet habt. - Ja, ich kriege so einiges mit, was du hier treibst. Das sagte ich dir ja schon, als du und deine Maman am Elternsprechtag mit mir gesprochen habt. Also jetzt komm schon mit, damit sich niemand unnötige Sorgen machen muß!"

Julius erkannte, daß diese Hexe ihn in der Hand, beziehungsweise mit dem Intrakulum in der Tasche hatte. Er folgte ihr widerspruchslos. Auch Aurora Dawn folgte der ehrwürdigen Hexe durch verschiedene Bilder bis in Professeur Faucons Sprechzimmer. Dort sah er seine Saalvorsteherin zusammen mit dem Zaubereiminister Frankreichs und Professor Dumbledore. Der in England zurzeit von allen Strafverfolgungszauberern gesuchte Zauberer unterhielt sich gerade mit Minister Grandchapeau darüber, was zu tun sei, wenn Julius nicht zur bestimmten Zeit aus der gemalten Welt heraustrat. Professeur Faucon sah auf eine große Uhr, dann auf das Gemälde mit dem Weizenfeld, durch das Julius in die Bilderwelt hinübergetreten war. Er meinte, die Felsbrocken hören zu können, die ihr vom Herzen fielen. Sie strahlte ihn großmütterlich an und winkte ihm zu, bevor sie wieder sehr ernst dreinschaute.

"Ich sehe, Sie sind zwar ohne Hut aber wohlbehalten zurückgekehrt. Bitte verlassen Sie nun die gemalte Realität wieder, um meinen Gästen und mir Bericht zu erstatten!"

"Das wird ihm im Moment nicht möglich sein, Blanche, da ich gerne alles erfahren möchte, was Sie sich da ausgedacht haben und wie es angehen konnte, einen Schüler unterhalb der ZAG-Reife mit einem wahnwitzigen Auftrag in eine selbst von Ihnen unübersichtliche Gefahr zu schicken", sprach Viviane Eauvive sehr entschlossen. "Solange ich nicht alles weiß, was ich wissen will, bleibt der Junge hier bei mir. Ich werde weniger Probleme damit haben, ihn in unserer Welt zu behalten als Sie damit, sein Verschwinden aus Ihrer Welt zu erklären. Selbst wenn der Herr Minister an Ihrer Seite eine wie auch immer geartete Erklärung erfinden mag, bleibt der schale Nachgeschmack, daß Sie einen Ihrer Obhut unterstellten Schüler verloren haben, Blanche."

"Wie erfuhren Sie davon, daß wir diesen Schüler auf diese zugegebenermaßen heikle Exkursion geschickt haben, Viviane?" Fragte der Minister für Zauberei sehr verärgert dreinschauend.

"Wie Sie unterhalte ich zuverlässige Quellen, Monsieur LeMinistre. Aber wenn Sie es genau wissen möchten, ich erhielt Kunde durch eine frühere Kollegin von Ihnen, die einst Schulleiterin war, die die Aktivitäten Ihres Personals mitbekam und mir als für den Saal zuständige Gründungsmutter berichtete, was Sie vorhatten. Ich wollte jedoch nicht glauben, daß Sie alle, wie Sie da sitzen, ja, auch Sie, Professeur Dumbledore, so verantwortungslos mit dem Leben eines noch unzureichend ausgebildeten Schülers verfahren. Welche höchste Notlage hat Sie zu dieser Verdrängung Ihres Verantwortungsgefühls gezwungen? Wieso verfielen Sie auf Monsieur Andrews als ausführende Person? Was hat Monsieur Andrews erlebt und vor allem erreicht? Diese Fragen werde ich hier und jetzt von Ihnen und ihm beantwortet bekommen und hoffe, die Antworten rechtfertigen Ihr tun und das Risiko, dem sich Monsieur Andrews aussetzte, natürlich freiwillig."

Dumbledore grinste amüsiert und zwinkerte Julius durch seine Halbmondbrillengläser zu. Offenbar schien er nun, da Julius wohlbehalten und offenbar nicht in den Wahnsinn gestürzt zurückgekommen war, sehr viel leichter an die Sache heranzugehen.

"Viviane, ich könnte verfügen, daß alle Ihre Portraits und Wohnbilder abgenommen und in dunklen Schränken verwahrt werden, um Sie zu zwingen, Julius Andrews in unsere Welt zurückzulassen", versuchte es der Minister mit einer Drohung. Viviane Eauvive lachte jedoch nur.

"So wie Sie es bei Salambo Montlune versucht haben? Den Erfolg haben wir alle miterleben dürfen, Minister Grandchapeau. Ehe Ihre Verfügung an alle betreffenden Stellen ergangen ist, habe ich mich in ein sicheres Gemälde zurückgezogen und diesen jungen Herren hier mitgenommen. Vertun Sie also um Ihrer eigenen kostbaren Zeit nicht wertvolle Minuten mit unwirksamen Drohungen! Das steht Ihrer Würde nicht an." Dumbledore lachte darüber, zwang sich jedoch sofort wieder zur Selbstbeherrschung.

"Also gut, Magistra Eauvive. Da wir Sie nicht daran hindern können, der Vernehmung des schülers beizuwohnen, mag er aus Ihrer Welt heraus berichten, was ihm widerfuhr. Ich behalte mir jedoch vor, über die Privilegien, die Sie als Gründerin von Beauxbatons innehaben, sehr beharrlich nachzudenken", schnaubte der Minister, den Julius sonst immer sehr gefaßt, ja beherrscht in Erinnerung hatte. Offenbar ging es dem obersten Zauberer in Frankreich an die Nerven, daß er Julius in diesen Einsatz geschickt hatte und nun kurz vor dem Abschluß eine derartige Schwierigkeit vor sich hatte, die er nicht vorhersehen konnte.

Julius wartete, bis die Hexe und die Zauberer jenseits der unsichtbaren Grenze zwischen Bild und Wirklichkeit erklärt hatten, was in Hogwarts passiert war und warum sie Julius gebeten hatten, daß er dorthin reisen und sich darum kümmern solle, ihm jedoch auch genug Sicherheit mitgegeben hatten. Julius erzählte dann alles, was ihm seit dem Eintritt in die gemalte Welt widerfahren war. Er berichtete von seiner Reise nach Hogwarts, wie er sich aus Meister Kallergos' Werkstatt mit den wichtigen Zaubergegenständen versorgt hatte, von dessen goldenen Dienerinnen gejagt wurde, wie Aurora Dawns jüngeres Bild-Ich von den Quidditchspilern Slytherins mit dem Willenswicklerwurm versehen wurde, wie er Lady Medea traf, wie diese ihm den Weg zu Slytherins Galerie des Grauens wies und er dort tat, wozu Minister Grandchapeau, Madame Maxime und Professeur Faucon ihn beauftragt hatten, nämlich die Brutstätte der Willenswickler zu vernichten. Daß dabei mehr Schaden angerichtet wurde als beabsichtigt, hatte er nicht vorhersehen können. Vom Kampf mit Slytherin, der schließlich damit endete, daß Slytherin versucht hatte, ihn mit dem unverzeihlichen Todesfluch umzubringen und dabei selbst getötet wurde, weil Julius den Sprechbann gewirkt hatte und von der Flucht vor der Vernichtungswelle, die nach dem Tod des Selbstportraits Slytherins über dessen Galerie hinwegfegte, berichtete er voller Unbehagen. So verging eine Viertelstunde, bis Viviane Eauvive nickte und sagte:

"Es ist gleich Viertel vor sechs. Ich gewähre dem Jungen den Rücktritt in seine angestammte Welt, um unnötiges Aufsehen zu vermeiden. Allerdings finde ich es schon ein starkes Stück, daß Sie alle dort draußen fast so skrupellos sind wie dieser Salazar Slytherin. So, Junge, du kannst jetzt dahin, wo du hingehörst." Sie zog das Intrakulum aus der Tasche ihres Unterrocks und gab es Julius zurück. Dieser sah Professor Dumbledore an. Dieser schien zu ahnen, was noch kommen mußte.

"Haben Sie mich deshalb dorthin gehen lassen, weil Sie, Professor Dumbledore, von der Alterslinie wußten, die jeden über vierzehn zurückhalten würde?"

"Gewußt habe ich es nicht, Julius. Doch die Unterlagen, die ich vor langer Zeit studiert habe, in der Bibliothek vergangener Schrecken, wiesen darauf hin, daß Slytherin einen derartigen Schutz vor seiner Galerie aufbauen würde, weil in seinem Weltbild kein Zauberer unter sechzehn Jahren ihm auch nur ansatzweise hätte schaden können. Es tut mir leid, daß ich dich in eine derartige Gefahr geschickt habe. Bis vorgestern wollte ich ja nicht daran glauben, daß diese Galerie des Grauens wirklich existiert hat. Ich hoffe, du kannst es einem alten Mann verzeihen, wenn er sein übles Spiel mit dir getrieben hat."

"Ich nehme Ihre Entschuldigung an, Professor Dumbledore, weil ich weiß, daß niemand das hätte schaffen können, der vorher gewußt hätte, was ihn erwartet. Meine Eltern sagten mal, daß manche Entdeckung nie gemacht oder ausprobiert worden wäre, wenn man vorher gewußt hätte, wie gefährlich oder verächtlich sie sich auswirkt. Ich komme jetzt wieder zu Ihnen", sagte Julius. Viviane Nickte ihm zu, klopfte auf seine freie Schulter. Goldschweif maunzte zustimmend.

"Per Intraculum excedo!" Rief Julius. Wieder baute sich aus dem Zaubergegenstand mit seinem Bild vorne drauf eine Lichtspirale auf, die ihn einfing und hinübertrug in seine wahre Welt.

Er begrüßte Professeur Faucon und den Minister und sah dann Dumbledore an. Dieser sah ihn ruhig aus seinen stahlblauen Augen an und lächelte ihm zu. Julius streckte seine Hand aus und nahm die des altehrwürdigen Zauberers, der in seinem Land im Moment wie ein gemeiner Verbrecher gesucht wurde. Zehn Sekunden dauerte dieser Handschlag. Dann stand Dumbledore auf, zupfte seinen silberweißen Bart zurecht und nickte Professeur Faucon zu.

"Ich freue mich, Blanche, daß wir wieder einmal so gut zusammengearbeitet haben und daß dem Jungen kein bleibender Schaden widerfahren ist. Ich empfehle mich dann und wünsche Ihnen noch ein ruhiges Restschuljahr. Leider sind die Umstände die zurzeit vorherrschen nicht dazu angetan, Ihnen weiterhin eine friedliche Zeit zu wünschen, da dies mittlerweile sehr unwahrscheinlich geworden ist. Julius, ich freue mich, daß du in dieser Schule einen guten Einstieg und neue Freunde gefunden hast. Ich bedanke mich bei dir, daß du meiner Schule bisher alle Ehre gemacht und das, was du bei und von uns gelernt hast, fleißig weiterentwickelt hast. Ich bitte dich noch mal um Verzeihung für diese Schrecken, die dir widerfahren sind und hoffe, daß du trotz dieser bösen Dinge den Mut zum Leben und die Freude daran nicht verlierst. Madame, Monsieur, auf Wiedersehen!"

Bei diesen Worten schwebte ein schwanengroßer rotgoldener Vogel mit langen goldenen Schwanzfedern durch ein halb geöffnetes Fenster. Dumbledore ergriff die Schwanzfedern des fabelhaften Vogels, und mit einem langen wohlklingenden Ton aus dem langen Schnabel des Phönix und einem großen orangen Feuerball, der ihn und Dumbledore einhüllte, verschwand der im Moment amt- und würdelose Großmeister der Zauberkünste.

"Der Feuersprung des Phönix und die Bilderreise sollten bei einer irgendwann anstehenden Renovierung der Abwehrzauber berücksichtigt werden", meinte Minister Grandchapeau zu Professeur Faucon. Diese lächelte.

"Nicht jeder kann durch die Bilder gehen, und längst nicht jeder hat einen so treuen Gefährten wie einen Phönix."

Goldschweif, die immer noch auf Julius' Schulter saß, gab ein protestierendes Mieau zur Antwort. Julius grinste und bemerkte:

"Gilt das auch für Kniesel? Ich denke, Goldschweif allein habe ich das zu verdanken, daß ich überhaupt wieder hier bin. Sie hat mich in vielen Gefahren rechtzeitig gewarnt und mir gezeigt, woher eine Gefahr kam, um sie schnell abzuwehren. Jetzt weiß ich, was Viviane Eauvive, Magistra Eauvive meinte, als sie in ihrem Buch "Das Wesen des Kniesels" schrieb, daß selbst ein Goldschatz eines Drachens nicht ausreichen mag, diese Wesen richtig aufzuwiegen."

Viviane Eauvive hatte sich geräuspert, als Julius sie nur "Viviane Eauvive" genannt hatte.

Ohne dazu angehalten zu werden legte er das Intrakulum und die Kettenhaube Darxandrias auf Professeur Faucons Schreibtisch. Dann legte er noch die Drachenhautrüstung ab.

"Ich denke, Mademoiselle Lumière ist bereits auf und wartet auf Sie, Monsieur Andrews. Bleiben Sie besser noch hier, bis sie aufgebrochen ist, um ihr Pensum morgentlicher Leibesübungen zu absolvieren! Ich gehe davon aus, daß die gemalte Ausgabe von Mademoiselle Dawn sie zunächst zu ihrem realen Selbst gebracht hat, damit sie dort von möglichen Folgeschäden geheilt werden. Mademoiselle Dawn dürfte Ihnen bestimmt untersagt haben, heute noch überflüssige Anstrengungen auf sich zu nehmen."

Die gemalte Aurora Dawn auf dem Weizenfeldbild nickte und grinste. Viviane Eauvive sah erst sie, dann Professeur Faucon an.

"Wenn Sie den Jungen entlassen haben, möchte ich gerne noch mit Ihnen sprechen, Blanche, bitte ohne Monsieur Grandchapeau."

"Ich wüßte nicht, was Sie geheimnisvolles zu besprechen hätten, das zu erfahren ich nicht berechtigt bin, Magistra Eauvive, aber ich respektiere die Interna von Beauxbatons und werde umgehend zum Ministerium zurückreisen, um die ausgeliehenen Gegenstände wieder zurückzugeben. Machen Sie sich keine Sorgen um die Incantivakuum-Kristalle, Monsieur Andrews. Wer die mitnimmt, setzt sie ein, wenn es darauf ankommt. Und Sie haben ja ausführlich berichtet, wann und wieso Sie davon Gebrauch machten. Zumindest bin ich jetzt froh, daß die Gefahr für unsere Welt gebannt ist. Leider kann ich dir dafür keinen Orden verleihen, obwohl das die einzig wahre Ehrung für eine solche Tat ist. Aber dann müßte ich ja was sehr glaubhaftes finden, um die Verleihung zu begründen. Denn dein Einsatz ist ja als streng geheim Stufe zehn gewertet und darf nicht an die Öffentlichkeit dringen. Du verstehst mich?" Julius nickte schnell. "Nichts als das habe ich von dir erwartet. Können Sie mir bitte den Kamin freiräumen, Blanche?"

Professeur Faucon löste eine magische Sperre, die das eindringen ganzer Körper per Flohpulver verhinderte und auch eine Abreise aus dem Kamin vereitelte. Minister Grandchapeau entzündete ein Feuer im Kamin, warf einen kleinen Vorrat des Zauberpulvers in die Flammen, worauf diese grollend zu einer smaragdgrünen Feuerwand aufschossen, trat hinein und rief: "Abteilung zehn!" Julius konnte sehen, daß der Wirbel in dem der Minister verschwand leicht rötlich schimmerte. Offenbar mußte der höchste Zauberer Frankreichs ein Spezialpulver benutzen, um das ausgerufene Ziel zu erreichen.

Professeur Faucon wartete zehn Sekunden, dann tippte sie mit dem Zauberstab drei Stellen des Kamins an, worauf es kurz knisterte, aber nichts zu sehen war. Die Flohpulver-Sperre war wieder eingerichtet.

"Bleibt ein Problem, Julius. Jetzt, wo es bald sechs Uhr ist, werden wohl einige Leute mehr auf sein. Deine Klassenkameraden schlafen noch bis sieben Uhr. Ich habe mir die Freiheit genommen, sie mit einer Schlafdunstkerze im tiefen Schlaf zu halten. Wenn du die Kopfblase benutzt, bist du vor dem Dunst sicher. Doch wie kriege ich dich in deinen Schlafsaal, ohne Intrakulum oder sonstiges?"

"Bleibt wohl nur eine Verwandlung", sagte Julius leicht mulmig.

"Ist nicht die einzige Möglichkeit. - Übrigens, ich hatte an und für sich vor, dir das von mir übermittelte Zusatzwissen wieder abzunehmen, weil es dich vielleicht eher belastet als bestärkt hätte. Allerdings, nachdem du uns erzählt hast, daß diese Lady Medea alles über unsere Sub-Rosa-Gruppe weiß, sollte ich dir dieses Wissen besser nicht wieder fortnehmen. Sie konnte zwar nicht in deinen Geist hineinsehen, aber sie wird davon ausgehen, daß du nicht von ungefähr für diesen Einsatz ausgewählt wurdest. Wie du, wie ich, wie Minister Grandchapeau und auch unsere gemeinsame Bekannte Madame Jane Porter, gibt es Hexen und Zauberer, die Bilderwesen als Kontakte benutzen. Da ich etwas mehr über die Vergangenheit jener gewissen Lady Medea weiß, möchte ich dir nur sagen, daß wir wohl die große Gefahr der Versklavung aller Zauberbilder abgewehrt haben und Zauberer vom Schlage Voldemorts nicht an das Geheimnis der Willenswickler kommen ließen. Aber dieser Einsatz wird weitere Wellen schlagen. Diese werden zwar flacher sein, ja schier unspürbar an denen vorbeilaufen, die nicht dafür empfänglich sind, aber wir müssen damit rechnen, daß wir davon betroffen werden. Mit einfachen Worten: Leute, die mit dieser Lady gut bekannt sind und ein Portrait von ihr besitzen, könnten erfahren, was in dieser Nacht in Hogwarts passiert ist und daß du damit zu tun hattest. Vielleicht werden sie dich nicht anrühren, weil sie nicht auffallen dürfen. Aber gewiß werden sie bei ihren Unternehmungen daran denken, daß es da einen jungen Zauberer gibt, der stark genug ist, selbst Altgediente wie Slytherin zu überrumpeln, wenn diese sich sicher wähnen. Es war richtig, dich zu fragen, ob du diesen Einsatz auf dich nehmen würdest. Es war in letzter Konsequenz auch richtig, wie du vorgegangen bist, selbst wenn es beinahe in einer Katastrophe geendet hätte. Aber damit ist die Hauptgefahr in der gemalten Welt von Hogwarts nun gebannt. Doch deine Ausbildung muß weiter verstärkt werden, damit das, was ich dir in der Schnellschulung beibrachte, auch von dir angewendet werden kann, ohne daß du dich dabei bis zur Bewußtlosigkeit erschöpfst."

"Mist! Ich hatte nicht vor, wie Harry Potter von allen bösen Zauberern der Welt als Feind behandelt zu werden", sagte Julius sichtlich beklommen. "Aber ich hätte es doch wissen sollen. Ich hab's oft gelesen, daß jemand, der es schafft, gegen irgendwelche Dämonen zu gewinnen, die mächtigeren Kreaturen irgendeiner düsteren Welt zum Feind kriegt. Deshalb wollte ich nie ..."

"Schschsch", machte Professeur Faucon und legte Julius sacht die Hand auf den Mund. "Erstens haben dich die Anhänger Voldemorts schon wegen deiner Muggelstämmigkeit auf ihrer Todesliste, ohne daß du denen überhaupt was getan hast. Zweitens muß jeder und jede das tun, wozu er oder sie durch Naturgaben und / oder Ausbildung befähigt ist. Das du kein Held sein willst ehrt dich und hilft dir, nicht zu weit zu gehen, wenngleich das mit Slytherin schon sehr tollkühn war. Du bist nicht Harry Potter, dem ein erbarmungsloses Schicksal in die Wiege gelegt wurde, denn sonst hätte dich längst jemand zu töten versucht oder dich auf seine oder ihre Seite gezogen. Aber du mußt von nun an noch besser darauf achten, wieviel du lernst und wem du was davon zeigst, was richtig oder falsch ist und was dir hilft, dich und die, die dir wichtig sind, aus allen Gefahren herauszuhalten oder herauszuhelfen.Alleine die Tatsache, daß du bei mir in der Abwehr dunkler Kräfte unterwiesen wirst, stellt dich wie auch alle anderen Schüler auf eine Position, auf der man sich nicht um Feindschaften bemühen muß. Entweder hat man dann genug Feinde oder kann sich starke Freunde verschaffen. Denkst du, mir ist es leicht gefallen, dich sehenden Auges in diese Hölle hineinzuschicken? Bestimmt nicht, Julius. Catherine mag dir erzählt haben, daß mir hier persönliche Bindungen nicht mehr bedeuten als ein Verhältnis zwischen Lehrerin und Schüler. Dies stimmt natürlich für den Unterricht und für die Betreuung in der Freizeit, die Aufsicht, die ich über euch alle habe. Aber Beauxbatons handelt genauso wie Hogwarts und meinetwegen auch Durmstrang in loco parentis, in Vertretung elterlicher Sorgfaltspflicht. Das heißt, daß alle hier lernenden Schüler genauso gleichbedeutend für uns Lehrer sein müssen, wie es Kinder für ihre Eltern sein sollten, aber auch daß uns jedes einzelne Schicksal berührt und wir damit umgehen müssen, wenn jemand aus welchem Grund auch immer die allgemeine Ordnung gefährdet. Wir schützen euch und geben euch Nahrung und Wissen, damit ihr selbständig werdet, um eines Tages für euch selbst sorgen zu können. Das bedingt aber, daß wir euch führen und anleiten und auf euch achten. Aber ich habe von deiner Mutter einen besonderen Auftrag übernommen, dich auf dem Weg zu führen, den sie als für dich richtig erkannt hat. Natürlich gilt das für jede und jeden hier. Doch bin auch ich eine Persönlichkeit, die mit anderen Persönlichkeiten zusammenwirkt und nicht nur eine Funktionseinheit, die bestimmte Aufgaben ausführt oder weitergibt. Letztendlich hätte ich ganz allein deiner Mutter und auch meiner Tochter Catherine erklären müssen, was mit dir passiert ist und hätte einen Rechtfertigungsgrund suchen und finden müssen, um ihnen noch in die Augen sehen zu können. Sicher, der Minister hat, wie ich sehen konnte, auch ein persönliches Interesse daran gehabt, dich nicht über Gebühr zu gefährden. Aber er hat dein Wohl gegen das der gesamten Zaubererwelt aufgewogen und dich in diesen Einsatz geschickt, um uns alle zu schützen. Er wird seiner Gattin besser in die Augen sehen können, weil er weiß, daß die Gefahr gebannt wurde und du sicher zu uns zurückkamst. Deshalb war er so wütend, als Magistra Eauvive dich zurückhielt. Er wollte die Angelegenheit endgültig abschließen."

"Ich habe mich in eine Gefahr gestürzt wie ein Superheld im Fernsehen. Der tönt aber dann herum, wie stark oder klug er ist und hat für seine Feinde immer den passenden Spruch drauf. Mir fielen vor Slytherin keine lockeren Sprüche ein. Ich hatte mordsmäßige Angst, Professeur Faucon."

"Angst kann eine Waffe gegen dich sein. Sie kann aber auch deine Leistungsfähigkeiten steigern, wenn du lernst, mit ihr umzugehen. Nicht jeder hätte diese Feuertaufe so unbeschadet überstanden wie du. Deine Selbstbeherrschung hat dir einmal mehr geholfen, das innere Gleichgewicht zu halten. Auch wenn du keinem weiteren Außenstehenden davon erzählen darfst, was du erlebt hast, hast du doch etwas wichtiges erfahren, wodurch du mehr Stärke gewonnen hast. Ich freue mich jedenfalls, daß ich dich wieder in die Arme nehmen kann", sagte die Lehrerin und schloss Julius in eine zärtliche Umarmung. Dieser ließ es sich gefallen. Goldschweif sprang von Julius Schultern und umstrich schnurrend seine Beine.

"Wir brauchen keinen Verwandlungstrick, Monsieur", sagte sie, nachdem sie Julius wieder freigegeben hatte. "Ich hülle Sie in einen Tarnumhang ein. Mit diesem schlüpfen Sie durch die Wand in Ihren Saal. Das fällt nicht auf. Sie schleichen in Ihren Schlafsaal und stellen sich schlafend, bis Monsieur Danton Sie offiziell weckt. Nach dem Frühstück erstatten Sie mir den Umhang zurück. Auf dann, Monsieur Andrews!"

Julius Andrews zog sich den luftig silbrigen Tarnumhang über, den ihm die Lehrerin reichte und verließ das Sprechzimmer. Goldschweif spazierte derweil durch eines der Fenster hinaus und sprang behände auf den Boden hinab, um zu ihrem Gehege zu laufen, denn die Sonne lugte bereits über den Horizont. Mit seinem Pflegehelferschlüssel schlüpfte Julius durch die Wand zum grünen Saal - landete jedoch in Schwester Florences Büro.

"Oh, da muß ich mich irgendwie vertan haben", flüsterte Julius, ehe ihm auffiel, daß Schwester Florence hinter ihrem Schreibtisch saß und genau in seine Richtung sah.

"Ich habe dich hergeholt, Julius. Werd gefälligst sichtbar, damit ich dich genau ansehen kann!" Schnarrte die Heilerin von Beauxbatons sehr gefährlich klingend. Julius zog den Tarnumhang vom Kopf und tauchte vor Madame Rossignol auf, sichtlich perplex dreinschauend.

"Hast du dir wirklich eingebildet, du spazierst hier einfach aus Beauxbatons, ohne daß ich das mitkriege und kommst auf dieselbe merkwürdige Weise zurück, gehst dann einfach in deinen Saal und tust so, als wäre nichts gewesen?" Fragte ihn die Heilhexe.

"Kennen Sie den Satz "Ich habe nur Befehle ausgeführt"?" Fragte Julius vorsichtig.

"Ja, der ist mir sehr geläufig, zumal ich ja nachprüfen konnte, wo genau du hingegangen bist und wo du gerade herkommst. Wo warst du, und auf welchen Wahnsinnsritt hat dich Professeur Faucon geschickt? Und komm mir jetzt bloß nicht mit der Antwort, daß du mir sowas nicht erzählen darfst!" Versetzte Schwester Florence und sah Julius sehr durchdringend an.

"Ich habe nicht gewußt, daß Sie kontrollieren können, wo jemand landet, der ..."

"Hallo, Bursche! Du hast eine Frage gestellt bekommen, und mein Rang verpflichtet dich, mir zu antworten und nicht Gegenfragen zu überlegen. Am besten setzt du dich erst einmal hin. Bis zum offiziellen Wecken ist es noch hin. Also los! Wo warst du? Was hast du angestellt? Warum hast du das machen sollen und nicht wer anderes?"

Julius atmete tief durch. Doch der strenge Blick, mit dem Schwester Florence ihn förmlich festnagelte, wurde dadurch nicht gutmütiger. So erzählte er schnell, daß er für Professeur Faucon mit Madame Maximes Erlaubnis einen Ausflug in die gemalte Welt gemacht hatte. Als er jedoch nicht sagte, wo er genau hingereist war, holte Schwester Florence ihren Zauberstab hervor. Mochte sich Aurora Dawn doch geirrt haben und ihre Kollegin ihre volle Wut doch an ihm auslassen? Er verwies darauf, daß sie sich bei Professeur Faucon erkundigen möge, was er getan hätte, da diese einen vollständigen Bericht von ihm bekommen habe.

"Du bist also nach Hogwarts gereist, Julius. Ich habe auch so meine Kontakte in der gemalten Welt. Na gut, ich werde meine Autorität nicht gegen die von Professeur Faucon oder noch höheren Leuten anführen und dich in einen Befehlskonflikt treiben. Ich will nur zwei Sachen wissen: Wieso mußtest du dahin? Und hast du dir dabei Verletzungen oder ähnliche Schäden zugezogen?"

Julius zog das Pergament von Aurora Dawn aus seinem Umhang und überreichte es ihr mit den Worten: "Nachdem ich da getan habe, was ich tun sollte, war ich kurz bei Aurora Dawn in Sydney, um mich von ihr untersuchen und behandeln zu lassen. Sie hat Ihnen dazu was aufgeschrieben."

Schwester Florence las das Schreiben, nickte dann widerwillig und sagte:

"Wie gesagt, ich werde dich nicht zwingen, gegen eindeutige Befehle zu verstoßen. Du ziehst dir diesen Umhang jetzt wieder über, schlüpfst in euren Saal und machst, was dir Professeur Faucon gesagt hat. Bis zur Konferenz werde ich mich mit deiner Saalvorsteherin unterhalten und die Antworten fordern, die du mir nicht geben durftest. Das mit dem Tee und auch die Tagesdiät, die meine Kollegin empfiehlt, hältst du punktgenau ein! Wehe ich erwische dich dabei, wie du dich überanstrengst oder zu wenig isst!"

"Wird mir nicht passieren", sagte Julius. Dann zog er sich den Tarnumhang über, steckte für eine Winzigkeit den Arm heraus, um direkt zum grünen Saal zu schlüpfen.

Er hatte Glück. Im Moment trieb sich hier niemand herum. Alle nutzten die längere Schlafzeit aus. Außer Barbara, die wohl gerade trainierte und von der er sich wohl auch noch was würde anhören müssen. Leise und unsichtbar gelangte er in den Schlafsaal. Er hatte sich vor der Tür mit dem Kopfblasenzauber eine bläuliche Kugelschale um den Kopf gelegt, durch die er frische Luft bekam, egal ob er durch Qualm und Gasschwaden oder tief unter Wasser seinen Weg suchte.

Er sah die Dunstkerze, die fast heruntergebrannt war, schlüpfte aus den Gebrauchssachen in seinen Schlafanzug und legte sich vorsichtig in sein Bett. Als der Vorhang noch einmal richtig zugezogen war, sah er über sein Bett und entdeckte Aurora Dawns Portrait, das ihm wohlwollend zulächelte. Dann drehte er sich so, als wolle er schlafen. Natürlich würde der Wachhaltetrank ihn nicht einschlafen lassen. Doch er mußte ja so tun, als ob er schliefe.

Punkt sieben Uhr flog die Schlafsaaltür auf, und Edmond Danton rief unverschämt wach: "Auf, ihr Burschen. Der Tag bricht an!"

Julius löste schnell die Kopfblase auf, verbarg seinen Zauberstab kurz unter der Bettdecke und wartete, bis der Saalsprecher den Bettvorhang aufzog. Dann erst erhob er sich und holte seine Sonntagskleidung. Das kleine Problem, was mit seinem Hut war, mußte er später lösen, wenn es wichtig war.

Wie er befürchtet hatte fuhr Barbara ihn sichtlich sauer an, warum er sie schon wieder versetzt hatte. Einer der Fünftklässler hörte das und kicherte: "Ach, Babsie, hat sich dein Auserwählter denn wieder verdrückt, nachdem du ihn erst vor zwei Wochen auf den Besen geholt hast?"

"Fünf Strafpunkte wegen Anmaßung einer Saalsprecherin gegenüber und noch mal fünf wegen ungebührlicher Rede", sagte Barbara dem Spötterich und wandte sich dann wieder an Julius. Leise raunte sie: "Wenn das was von Professeur Faucon war, was dich mal wieder abgehalten hat, dann nicke einfach. Ich prüfe das aber nach." Julius nickte merklich. Barbara sah ihn kurz an und ging hinüber zu den anderen Mädchen des grünen Saales, um sie in die Aufstellung für das geordnete Ausrücken zu bringen. Dasselbe tat Edmond Danton mit den Jungen. Dann ging es auch schon hinunter zum Frühstück.

Julius langte zu, wie Aurora Dawn es ihm verordnet hatte. Hercules sah ihn einmal an und fragte, was mit ihm los sei. Robert fragte frech:

"Du bist doch nicht etwa auch schwanger?"

"Na klar, Robert. Ich hätte doch besser verhüten sollen." Die Jungen lachten über diesen derben Scherz und ließen Julius in Ruhe weiterfrühstücken.

Nach dem Frühstück folgte die Pflegehelferkonferenz mit anschließender Übungsstunde für Julius' Gruppe, wie nach jedem Quidditchspiel. Schwester Florence wirkte dabei wie eine sprungbereite Löwin, die sich schwer beherrscht, um nicht zu früh aus der Deckung zu kommen. Julius war überaus munter und vollführte alle Aufgaben sehr schnell und gründlich.

Als dann die Übungsstunde beendet war schickte Madame Rossignol die Mädchen aus den anderen Sälen eine nach der anderen zurück. So mochte es nicht auffallen, daß Julius von ihr zurückgehalten wurde, nachdem Francine Delourdes zum gelben Saal abgereist war. Sie gebot dem Pflegehelfer wortlos per Handbewegung, sich auf den freien Besucherstuhl am Schreibtisch zu setzen. Sie selbst tippte mit ihrem Zauberstab ein Paar Stricknadeln an, die klappernd ganz von selbst an einem Pullover weiterstrickten. Dann setzte sich die schuleigene Heilerin auf ihren Stuhl und sah Julius genau an. Der Zauberschüler fragte sich, ob Schwester Florence auch die Legilimentie beherrschte und versuchte, ihrem Blick auszuweichen.

"Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir reden will!" Herrschte Madame Rossignol den Schüler an. Dieser zwang sich, nicht daran zu denken, mentalmagisch ausgehorcht zu werden und sah die Heilhexe an.

"Also, ich habe mit Professeur Faucon gesprochen. Sie hat mir in groben Zügen erklärt, was du angestellt hast und daß es eindeutig nicht von dir ausgegangen sei, sofern es um das Vorhaben als solches ging. Sie sagte mir jedoch, wenn sie dich nicht gezielt und mit wertvollen Grundlagen ausgestattet auf diese Reise geschickt hätte, wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis du von dir aus einen Weg gesucht hättest, in die gemalte Welt vorzustoßen. Stimmt das?"

"Öhm, ich denke ich hätte mich nur dafür interessiert, ob sowas überhaupt ging, Madame Rossignol. Ich wußte ja überhaupt nicht, daß man als lebender Mensch in die gemalte Welt der Zauberbilder hinüberwechseln kann, quasi in eine andere Dimension springt. Ich weiß es nicht, ob ich das wirklich ausprobiert hätte."

"Du schließt aber die Möglichkeit ein, daß du es ausprobiert hättest", bohrte Madame Rossignol mit Blick und Worten nach.

"Öhm, irgendwie schon. Aber ich hätte bestimmt nichts ausprobiert, was mich umgebracht hätte", sagte Julius entschlossen.

"Wie dem auch sei, ich erfuhr, daß du das, was du machen mußtest, erfolgreich absolviert hast. Ich möchte dich jedoch in meiner Eigenschaft als Schulheilerin und dir im Moment nach Madame Maxime und Professeur Faucon ranghöchste Aufsichtsperson daran erinnern, daß du hier Verpflichtungen hast, die dich an diesen Ort binden. Wieso hast du nicht darauf hingewiesen, daß ich dich nach wie vor benötigen könnte?"

"Weil der Minister, Madame Maxime und Professeur Faucon mir gesagt haben, daß die Gefahr zu groß ist, wenn das, was da in der gemalten Welt los war, zu lange gedauert hätte. Ich dachte nicht an das silberne Armband."

"Dein Glück, daß diese Nacht nichts in eurem Saal vorgefallen ist, Bursche. Doch du wirst wohl meinen, das wären dann ja Kinkerlitzchen gewesen im Vergleich zu dieser Versklavungsbrut in Hogwarts. Ich kann dich nicht bestrafen, weil du einen strickten Befehl befolgt hast. Jedoch erlege ich dir zehn Strafpunkte auf, weil du es versäumt hast, mich frühzeitig zu informieren, daß du wohl auf diese Reise geschickt würdest, damit du dich erinnerst, was dieses silberne Armband an deinem rechten Handgelenk bedeutet. mehr steht mir leider nicht zu", grummelte die Schulheilerin. Dann sagte sie:

"Für heute nimmst du dir nichts heftiges vor! Die Jahresabschlußprüfungen sind erst Anfang Juni. Du hast also noch eine volle Woche Zeit, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Jetzt zurück in deinen Saal!"

Julius verabschiedete sich von der Schulheilerin und kehrte in den grünen Saal zurück, wo Barbara und Jeanne ihn erwarteten. Claire saß leicht mißgestimmt mit Céline und Bébé zusammen in einer Ecke, während Robert, Hercules und Gaston Armdrücken spielten.

"Und, hat Schwester Florence dich zur Strafarbeit eingeteilt?" Fragte Jeanne merkwürdig dreinschauend. Julius schüttelte den Kopf. Barbara sah ihn durchdringend an und meinte:

"Professeur Faucon wollte nicht rauslassen, was du angestellt hast. Sie sagte mir nur, daß du heute morgen nicht zum Frühsport kommen durftest, weil sie dich für was eingeteilt hatte, was die halbe Nacht gedauert hat. Hatte das was mit der Sache zu tun, wegen der wir beide vor einigen Tagen bei Madame Maxime waren?"

"Ja, hatte es, Barbara. Aber das ist jetzt auch vorbei", sagte Julius nur. Barbara nickte und sagte:

"Morgen ist ein weiteres Treffen. Ich hoffe mal, wir kriegen dann mit, was passiert ist."

Julius nickte und zog sich zu Claire und Céline zurück.

"Barbara hat erzählt, du dürftest dich im Moment nicht anstrengen und müßtest dich ausruhen. Ich wollte doch heute mit dir im Meer baden. Konnte das nicht warten, was du machen mußtest?"

"Nein, leider nicht, Claire", erwiderte Julius. Claire Dusoleil sah ihren Freund leicht ungehalten an. Er überlegte schnell was er tun konnte, um sie zu besänftigen. Dann bot er ihr an, einen langen Spaziergang über das Beauxbatons-Gelände zu machen. Claire nickte schwerfällig und stand dann auf.

Der Spaziergang war für Julius zwar eine gewisse Erholung. Doch Claire fragte ihn zwischendurch, was er denn gemacht habe. Er antwortete darauf nur, daß das gelaufen sei und sie sich da keine Gedanken mehr drum machen sollte. Aber gerade das schien Claire besonders neugierig zu machen, zumal Julius sich nur schwer beherrschen konnte, die Last, die auf seiner Seele lag, locker und leicht zu tragen. Er durfte "keinem Außenstehenden" erzählen, was er in dieser höllischen Nacht getan hatte und warum er allein das hatte tun müssen. Er durfte ihr ja auch nicht erzählen, was er mit Professeur Faucon danach noch besprochen hatte, wo diese den Abstand zwischen Lehrerin und Schüler bei Seite geräumt hatte und ihm erklärt hatte, was seine Reise zur Galerie des Grauens für Folgen haben konnte. Er, Julius Andrews, hatte einen schlafenden Drachen gekitzelt. Würde das reichen, den Drachen zu wecken? Oder würde der Drache sich nur auf die andere Seite wälzen und weiterschlafen?

"Du möchtest mir also nicht erzählen, was genau du angestellt hast, was dich gerade so tief runterzieht, Juju? Meinst du, daß ich das nicht wissen darf, weil ich das nicht verstehen oder vertragen könnte? Wieso meint Professeur Faucon, dir Sondersachen anzuhängen, die noch in die Nacht reinlaufen? Wenn's was mit der Schule ist, warum darfst du es dann keinem sagen?" Hakte Claire immer noch neugierig, ja jetzt auch sehr ungehalten dreinschauend nach.

"Claire, ich weiß, das kommt jetzt bescheuert bei dir an. Aber ich habe den eindeutigen Befehl, nichts rauszulassen, was ich gemacht habe. Allein die Tatsache, daß ich überhaupt was gemacht habe, ist schon zuviel."

"Du hast nicht mit Barbara trainiert. Du warst aber mit ihr oder Jeanne häufig unterwegs im Palast, seitdem du mit Mademoiselle Kronprinzessin Grandchapeau zusammengekoppelt warst. Hat das vielleicht was mit ihr zu tun?"

"Claire, verdammt, ich kann dir echt nichts dazu sagen", entfuhr es Julius unvermittelt laut. Seine Freundin zuckte zusammen und sah ihn entgeistert an. Dann sagte sie mürrisch:

"Oh, Verzeihung, daß es mich überhaupt interessiert, was du so anstellst, Julius Andrews. Ich habe zumindest gedacht, wir könnten uns alles erzählen."

Das hatte ihm noch gefehlt, eine eingeschnappte Freundin, die meinte, er wollte sie einfach zurückstoßen. Dennoch wußte Julius, daß er ihr nicht erzählen würde, was er in den Bildern von Hogwarts erlebt hatte. Er versuchte, so ruhig wie möglich zu antworten:

"Claire, dein Vater hat wie mein Vater gelernt, daß längst nicht alles, was er macht, allen erzählt werden darf. Als Goldschweif in den Osterferien in Millemerveilles ankam, hat er erst rausgelassen, daß er sie schon einmal hat einfangen müssen. Deine Mutter hat davon ja auch nichts mitbekommen. Ich weiß, daß es blöd ist, Geheimnisse vor jemandem zu haben, mit dem man befreundet oder verwandt ist. Aber leider gibt's Leute und Sachen, die nicht für alle anderen bekannt sein sollen, weil sonst alles mögliche passieren kann, was keiner will."

"Du möchtest mir damit jetzt aber nicht sagen, daß sie dich wegen dieser überhohen Zaubergaben zum Kämpfer gegen Du-weißt-schon-Wen ausbilden wollen, oder?" Erwiderte Claire.

"Nein, Claire, das läuft nicht ab", sagte Julius schnell. "Es ging halt nur darum, daß sie wissen wollten, was ich so alles machen kann. Von Voldemort war keine Rede", sagte er dann noch. Sogesehen hatte er nur halb gelogen. Denn er hatte nicht gegen Voldemort persönlich kämpfen müssen, sondern nur darum, daß dieser nicht gefährliche Dinge erfahren konnte.

"Ich hoffe, diese Geheimniskrämerei wird kein Dauerzustand, Julius. Ich weiß nicht, ob ich so'n Freund haben will", sagte Claire. Julius zwang sich, "Dann such dir doch 'nen Anderen!" nicht zu sagen. Er atmete dreimal ein und aus und antwortete dann:

"ich hoffe das auch, Claire."

Arm in Arm schlenderten sie durch die Parks, sogar durch die Menagerie. Cleopatra, die Abraxarietenstute, die von Pyrois ein Fohlen trug, graste in ihrem Gehege, während ihre Schwester Calypso im Stehen schlief und ihre großen Ohren wachsam aufgestellt auf dem nördlichsten Punkt der koppel war.

Als Claire und Julius am Knieselgehege vorbeigingen, schoss Goldschweif aus ihrem Rundbau und sprang fast über den Metallzaun. Sie sah Claire und knurrte sie wütend an. Diese warf der Knieselin einen verächtlichen Blick zu und zog Julius weiter.

"Die kann mich immer noch nicht ab, Julius. Woran liegt das, daß die bei mir so komisch drauf ist?"

"Hmm, weiß ich nicht", erwiderte Julius, dem siedendheiß einfiel, daß er Goldschweif ja hätte fragen können, wo sie noch in menschlicher Sprache mit ihm reden konnte. So wußte er nicht, weshalb die Knieselin was gegen Claire hatte.

Nach dem Mittagessen, wo Julius streng von Madame Rossignol beobachtet mehr als die anderen zu sich nahm, spielte er Schach gegen Jeanne und gewann zwei Partien in Folge, während Claire sich mit Jasmine und Céline über Kräuterkunde unterhielt. Zwar hatte Claire vorgeschlagen, daß Julius ihr dabei half, den beiden Klassenkameradinnen noch mal die artgerechte Düngung von Ätzstauden zu erklären, Jeanne hatte ihn jedoch daran erinnert, daß er ihr noch zwei Partien Schach versprochen hatte.

"Barbara sagte sowas, daß du im Moment besser nicht zu viel über dich selbst nachdenken solltest", meinte Jeanne, während einer ihrer Läufer gerade von Julius' zweitem Turm vom Feld gejagt wurde.

"Ich mußte was machen, was die halbe Nacht gedauert hat, Jeanne. Im Moment bin ich froh, nicht mehr als nötig machen zu müssen."

"Claire ist nicht gut drauf, oder? Irgendwie paßt ihr was nicht."

"Weil Professeur Faucon mir eingebläut hat, nichts zu erzählen", erwiderte Julius.

"Ja, das kann Maman auch nicht haben, wenn Papa ihr was nicht gleich auftischen will. Irgendwie scheint das bei uns in der Familie zu liegen, daß die Hexen keine Geheimniskrämerei wollen."

"Ich kenne das von meinen Eltern nicht anders. Paps hat selten was über das rausgelassen, was in seiner Firma lief", er verzog das Gesicht zu einer trübseligen Grimasse, weil er mal wieder von seinem Vater redete, von dem er seit einem Telefongespräch im Sommer letzten Jahres nichts gehört hatte. "Mum und ich haben nur gehört, daß er weg muß, um was laufendes zu überwachen. Ich kenne das also, wenn jemand Geheimnisse hat."

"Ja, wenn sie nur da gebraucht werden, wo sie wichtig sind", meinte Jeanne. "Aber irgendwie mußt du doch auch lernen, wem du wann was erzählen kannst, um dich mit Leuten, die's gut mit dir meinen, nicht total zu verkrachen, weil die denken, du würdest ihnen nicht mehr vertrauen oder sie nicht mehr richtig lieben", sagte Jeanne ruhig und ohne jeden Vorwurf. Julius nickte. Er wußte, daß er vieles mit sich rumschleppte, was er erst einmal keinem erzählen durfte. Wenn er bei seiner Mutter war, durften seine Verwandten nichts wissen, was mit seiner Schule zu tun hatte, und hier hatte er so viele Sachen gelernt und bekommen, von denen nicht jeder was wissen sollte. Er unterhielt sich mit Jeanne über das Quidditchspiel von gestern und die Pokalübergabe. Sie sagte:

"Im Sommer klären wir ab, wer im nächsten Jahr Hüter wird, Julius. Sollten deine Gönner dir erlauben, daß du den Besen als das fliegen darfst, was er ist, wäre es nicht unpraktisch, wenn du auch Hütertraining machst."

Julius wußte, daß Jeanne genau wußte, was für einen Besen er hatte. Er sagte deshalb nur: "Wird sich finden, Jeanne. Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich diesen Sommer mit euch trainieren kann. Barbara sagte ja sowas, daß sie mit Gustav wohl nach Belgien ziehen würde. Ich denke mal, die heiraten sofort nach Schuljahresende."

"Ich hätte nie gedacht, daß Barbara eine einfache Haushexe sein möchte, Julius. Ich ging davon aus, daß sie entweder in eine Profi-Quidditchmannschaft reingeht oder im Zaubereiministerium anfängt, weil sie ja die besten Beurteilungen haben will."

"Dazu kann und darf ich nichts sagen, Jeanne", bemerkte Julius. Von Jeanne wußte er ja schon längst, daß sie wirklich in Millemerveilles bleiben würde und mit ihrem Auserwählten Bruno ein freies Stück Land bebauen würde. Sie hatte sich bereits bei der Apotheke als Arzneikundeauszubildende ins Gespräch gebracht, falls ihre Zaubertrank- und Kräuterkundenoten den erforderlichen UTZ-Grad erreichen sollten.

"Aber sicher kommst du zu uns, wenn die Sommerferien sind, Julius. Immerhin will Madame Delamontagne gegen dich Schach spielen und meine Schwester mit dir die goldenen Tanzschuhe wieder gewinnen, jetzt, wo's außer Millie Latierre alle begriffen haben, daß ihr zusammen seid."

"Ich weiß nicht, ob meine Mutter nicht die Ferien gerne mit mir wohin fahren möchte, weit weg von der Zaubererwelt. Da will ich mich nicht drauf festlegen, ob ich zum Schachturnier komme."

"Deine Mutter weiß was Heuler sind?" Fragte Jeanne mit bösartigem Lächeln. Julius nickte. "Dann sage es ihr bitte so schonend wie möglich, daß es auf der Erde keinen Ort gibt, wo die drei Heuler nicht hinfinden, die du dann sicher kriegst."

"Drei?" Fragte Julius irritiert und sah Jeanne an. Er überlegte, daß Madame Delamontagne sicher einen schicken würde, wenn er das Schachturnier sausen ließ. Barbaras und Jacques' Mutter würde vielleicht auch einen loslassen. Aber Claire konnte unmöglich einen Heuler abschicken.

"Meine Mutter würde dir das sehr übelnehmen, wenn du Claire versetzt, Julius. Außerdem werden Bruno und ich wohl vor dem Sommerball heiraten. Paps kratzt schon die Galleonen zusammen, um alle zu bezahlen, die Gästezimmer vermieten. Wenn Barbaras Mutter, Madame Delamontagne und die Renards von der Abteilung für magisches Familienleben erfahren, daß alles anlaufen soll, könnten wir kurz vor dem Sommerball die Ringe tauschen", schwelgte Jeanne in Vorausplanungen. Julius stellte es sich vor, wie Jeanne und Bruno den Sommerball eröffneten und Madame Lumière verkündete, daß Jeanne und Bruno Chevallier den Ball gewonnen hätten.

Céline stand auf und verließ den grünen Saal. Claire winkte Julius als sie sah, daß Jeanne mit der Schachspielerei fertig war. Er verabschiedete sich von der ältesten Dusoleil-Schwester und ging zu seiner Freundin hinüber, die gerade ihr Kräuterkundebuch zuklappte.

"Gilt dieses Anstrengungsverbot wirklich den ganzen Tag,oder hast du Lust, doch ein wenig an den Strand zu gehen. Die große Latierre hält Aufsicht."

"Richtig schwimmen ist wohl nicht drin, Claire. Aber die Füße ins Wasser stellen ist mir nicht verboten worden", sagte Julius.

Er ging in den Schlafsaal der Drittklässlerjungen und zog seine Badehose unter den blaßblauen Umhang. er nahm den zweiten Hut, den er sich für Beauxbatons besorgt hatte. Ohne Kopfbedeckung durfte ein Junge nicht an den Strand, sagte eine alte Schulregel. Julius fragte sich zwar, warum das so sein mußte, dachte jedoch daran, daß er ja auch für die Unterrichtsstunden einen Hut brauchte. Er nahm einfach seinen Zauberstab, richtete ihn auf den Hut, murmelte leise "Multiplico", wobei er den Hut einmal anstubste und sah aus dem Zauberstab eine blaßblaue Rauchwolke herausschießen, die sich zu einem haargenauen Abbild des Hutes verfestigte. Er setzte den Hut auf und verließ den Schlafsaal.

Lautes Babygeschrei klang ihm schon auf halber Treppe entgegen. Das konnte nur Cythera sein, Constances Töchterchen. Hatte sie es geschafft, daß Céline das Kind mit in den grünen Saal nehmen mußte?

Im Gemeinschaftsraum stand Céline mit ihrer kleinen Nichte im Arm da, umringt von fünft- und Siebtklässlern. Auch standen mehrere Mädchen aus der zweiten und vierten Klasse um sie herum.

"Céline hat sich breitschlagen lassen, die Kleine für'n paar Minuten zu halten", meinte Claire. Julius nickte.

"Heh, Céline, muß das wirklich sein, das Blag hier reinzuholen?" Rief Jeannes Klassenkameradin Eloise mit Cytheras Geschrei um die Wette.

"Mann, die hat noch geschlafen, als ich sie von Connie genommen habe. Ich wollte die ja nur für zehn Minuten haben", sagte Céline ungehalten und versuchte dann, das erst eine knappe Woche alte Hexenmädchen zu beruhigen.

"Dieses Luder hat dir dieses Blag wohl angehängt, weil sie im eigenen Saal nicht mehr rumsitzen darf, nachdem es aus ihr rausgefallen ist", knurrte Yves.

"Eh, Yves, so sagt man das nicht", fuhr Barbara den Klassenkameraden an. Edmond griff den Faden jedoch auf und meinte:

"Nur, weil deine Schwester jetzt nicht mehr mit dem Kind schwanger herumlaufen muß, kannst du doch nicht einfach damit herkommen und uns hier bei den Prüfungsvorbereitungen stören. Bring sie wieder zurück! Zwanzig Strafpunkte wegen wissentlicher Störung der Mitschüler."

"Ach, du kannst mich mal, Edmond", blaffte Céline den Saalsprecher an.

"Silencio!" Rief ein Fünftklässler mit auf Cythera vorstoßenden Zauberstab. Schlagartig hörte das Geschrei auf.

"Heh, du kannst doch einem Baby nicht den Schweigezauber aufladen", protestierte Céline und funkelte den Fünftklässler böse an.

"Doch, geht ganz gut", gab dieser zurück. "Ich muß diesen Krempel für Königin Blanche noch lernen. Da kann ich dieses Hosenscheißergeschrei nicht brauchen. Klar?"

"Das sind zehn Strafpunkte wegen nicht genehmigter und unnötiger Zauberei an fühlenden Lebewesen", sagte Barbara ganz ruhig und sah den Schweigezauberer entschlossen an. Dann nahm sie Céline das nun stumm den kleinen Mund aufreißende Baby aus den Armen, wobei sie behutsam den großen runden Kopf in ihrer linken Hand barg und wandte sich an Jeanne.

"Bring das Kind zu Schwester Florence, damit die es Constance wiedergibt, Jeanne", sagte sie und überließ Jeanne die Kleine. Diese nickte und ging zum Wandstück, durch das sie in den Krankenflügel schlüpfen konnte. Julius eilte zu ihr und fragte sie, ob sie nicht vorher den körperlichen Schweigezauber wegnehmen sollte. Jeanne nickte ihm zwar zu, sagte jedoch:

"Das machen wir, wenn ich die Kleine auf Schwester Florences Tisch gelegt habe. Oder kannst du den aufheben, ohne daß Cythera was dabei abkriegt?"

"Habe ich noch nicht ausprobiert, Jeanne. Möchte ich besser erst an nichtmenschlichen Wesen testen", sagte Julius schnell. Jeanne nickte ihm zu und schlüpfte durch die Wand aus dem Saal.

Martine Latierre hatte von Schwester Florence gehört, daß Julius sich an diesem Tag nicht übermäßig anstrengen durfte. So wunderte es ihn nicht, als sie ihn und Claire gleich hinter dem magischen Tor abfing, daß das eigentliche Schulgelände mit dem versteckten Mittelmeerstrand verband.

"Wenn ihr mehr als bis zur Brusthöhe ins Wasser geht, Julius, dann hole ich dich eigenhändig da raus und bring dich zu Schwester Florence", drohte sie, wobei sie Claire auch anblickte. Diese sah Martine böse an und fauchte:

"Was soll denn das, Martine? Julius kann doch immer noch schwimmen oder?"

"Können heißt nicht immer dürfen, Mademoiselle Dusoleil. Ich habe eindeutige Anweisung von Schwester Florence, daß Julius heute keinen Sport treiben darf. Schwimmen gehört ja auch dazu. Ich wollte nur, daß er sich auch dran hält, wenn er mit dir oder Millie im Wasser ist."

"Ach, deine Luderschwester ist auch hier?" Geiferte Claire und warf einen prüfenden Blick aufs Meer. Tatsächlich schwammen dort mehrere Mädchen und Jungen herum, von denen eines dieselben rotblonden Haare wie Martine hatte.

"Heh, pass auf, was du sagst", fauchte Martine Claire an. "Niemand beleidigt meine Schwester. Klar?"

"Steck's dir", zischte Claire und lief einfach zu einem der Umkleidehäuschen, wo sie ihre Überkleidung ablegen konnte.

"Sag mal, was ist mit deiner Freundin los?" Fragte Martine Julius.

"Die ist heute nicht gut drauf, Martine. Könnte der übliche Rhythmus sein oder weil Madame Rossignol mir heftige Anstrengungen verboten hat."

"Na trotzdem hat sie meine Schwester nicht zu beleidigen, selbst wenn Millie manches anstellt, daß in ihrem feinen Elternhaus verboten ist. Wie gesagt: Schwimmst du einen Meter raus ins Meer, kriege ich dich ein und werf dich Madame Rossignol aufs Bett. Also halt dich an die Anweisungen!"

Julius war etwas mißmutig, als er seine Überkleidung ablegte und mit Claire barfuß durch den von der Frühlingssonne erwärmten Sand ging. Sie traten bis zu den Hüften in die anbrandenden Wellen hinaus und wanderten ein wenig im auf- und ablaufenden Wasser. Der Geruch von Salzwasser und feinste Tröpfchen umwehten sie.

Millie Latierre schwamm mit eleganten und kräftigen Stößen heran und fragte Julius, warum er sich nicht weiter ins wasser traute. Julius antwortete frech grinsend:

"Wenn ich das mache kriegt mich deine Schwester und wirft mich ins Bett."

"Ach neh, so nötig hat die es jetzt schon?" Fragte Millie gehässig grinsend. Claire fauchte Julius an, ob er der Roten das nicht anders hätte sagen können. Dieser lachte jedoch nur und meinte, daß Millie das so oder so mißverstanden hätte.

"Warum bist du dann überhaupt hier?" Fragte Millie.

"Weil wir uns dazu verabredet haben, Latierre", knurrte Claire.

"Bis zum Bauch im Wasser rumzustehen?" Lachte Millie. Julius nickte. Im Moment fand er es irgendwie schön, sich mit den beiden Mädchen so locker und harmlos zu unterhalten, wo er vor nicht einmal einem Tag noch nicht wußte, ob er nicht bald sterben oder als versklavte Marionette Slytherins herumlaufen mußte.

"Wie ihr meint", erwiderte Millie auf Julius letztes nicken und stürzte sich wieder ins tiefere Wasser davon.

"Blöde Schnäpfe", fauchte Claire und zog Julius mit sich weiter, während sie sich die Sonne auf den Körper brennen ließen.

Kurz vor dem Saalschluß holte sich Julius im Krankenflügel eine Tasse Träum-gut-Tee ab, die er langsam und bedächtig austrank. Dann zog er sich zu seinen Klassenkameraden in den Schlafsaal zurück, zog sich bettfertig um und legte sich in das große Himmelbett unter Aurora Dawns Gemälde. Es war im Moment nicht besetzt.

Wie ein schwerer Bleivorhang fiel aller Schlaf, den Julius in den letzten anderthalb Tagen nicht bekommen hatte über ihn her und trug ihn fort in eine tiefe ruhige Besinnungslosigkeit.

__________

Draco Malfoy hatte den ganzen Tag darüber gebrütet, was in der Nacht passiert war. Er kam nicht darauf, was schiefgelaufen war. Er empfand es nur als Schmach und heftige Niederlage, daß sein Auftrag, den er von seinem Vater bekommen hatte, mißlungen war. In dieser Stimmung war er noch ungenießbarer als sonst. Als er jedoch meinte, seine Stellung als Vertrauensschüler und Mitglied der inquisitorialen Hilfsgruppe benutzen zu können, um Gryffindor-Erstklässlern das Spielen im Freien mit je zwanzig Punkten Abzug vergellen zu können, rief ihn die kleine krötengesichtige Schulleiterin Dolores Umbridge streng zur Ordnung.

"Wenn Sie weiterhin Wert darauf legen, zu meinen Helfern zu gehören, Mr. Malfoy, sollten Sie ihre Vorrangstellung nicht wegen irgendwelcher Launen verplempern. Es gibt wichtigeres als kleinen Kindern das Spielen zu verbieten", sagte sie mit ihrer Kleinmädchenstimme. Draco wollte schon den Mund aufmachen und sagen, daß er machen konnte, was er wollte, trollte sich jedoch. Es war bestimmt nicht gut, jetzt schon gegen Beamte des Ministers zu rebellieren. Dumbledore, diesen Schlammblutfreund, den sein Vater auch leidenschaftlich hasste, konnte er ja auch nicht einfach so anreden, wie er es gerne getan hätte. So zwang er sich dazu, niemanden anmerken zu lassen, wie heftig er sich in die Enge gedrängt fühlte.

Er versuchte, ihm mißliebige Schüler dranzukriegen. Er hatte schon häufig den Eindruck bekommen, daß nicht nur Harry Potter und seine Bande hinter Umbridges Rücken was anstellten. Er dachte daran, daß auch die Drittklässler aus Ravenclaw und Hufflepuff bestimmt nicht hinnahmen, was hier los war. Doch er schaffte es nicht, ihnen was anzuhängen. Dieses kleine Mädchen Olivia Watermelon, mit deren Schwester dieses Schlammblut Julius Andrews oft zusammen gewesen war, hatte trotz Drohungen keine Mittel gefunden, ihrer Schwester und deren Klassenkameradin, dieser schnöseligen Gloria, was anzuhängen.

Abends saß Draco Malfoy mit Crabbe und Goyle zusammen am Slytherin-Tisch und prahlte mit seinen guten Verbindungen. Da stand die Drittklässlerin Lea Drake auf, sah ihn an und meinte:

"Draco, wann fängst du mal damit an, dir eigene Beziehungen aufzubauen? Dein Vater ist weit weg von hier, und ich denke nicht, daß er besser im Bilde ist, was im Zaubereiministerium abgeht als du."

Malfoy sprang auf. Diese Schlammblüterin, die ungerechtfertigt in Slytherin war, hatte ihn nicht zu beleidigen. Er wollte seinen Zauberstab ziehen, als Snape herankam und meinte:

"Mr. Malfoy, Sie wirken heute ernstlich gereizt. Haben Sie etwas? Fühlen Sie sich nicht wohl?"

"Öhm, ich fühle mich wohl, Professor Snape. Ich mag's nur nicht, wie diese Schl... Göre da über meine Eltern herzieht", sagte Malfoy kleinlaut.

"Niemand mag das, Malfoy. Aber das ist noch lange kein Grund, Mitschüler aus demselben Saal zu bedrohen. Was soll denn Ihr Vater sagen, wenn Sie sich so leicht provozieren lassen und den Rauswurf riskieren?"

"Schon gut, Professor Snape", sagte Draco Malfoy unterwürfig und setzte sich wieder hin, während Lea ein bösartiges Grinsen hinter beiden Händen verbergen mußte. Sie wußte ihre Stellung genauso auszunutzen wie Malfoy. Anders als er hatte sie es jedoch nicht nötig, immer auf der hohen Stellung ihres Vaters herumzureiten. Ihre Mutter war in der Zaubererwelt bekannt und auch gefürchtet. Aber sie selbst hatte bereits vor Hogwarts eine Menge Flüche und Gegenzauber gelernt und tat dies auch in den Ferien an Orten, wo das Zaubereiministerium nichts zu sagen hatte, die nur Bekannte ihrer Mutter aufsuchen konnten. Zu gerne hätte sie's mal wieder erlebt, wie Malfoy sich von seiner dummen großen Klappe und seiner absolut gedankenlosen Überheblichkeit zu einer Dummheit hätte hinreißen lassen, um ihn entweder bestraft zu sehen oder ihm zu zeigen, daß sie ihm in den dunklen Künsten trotz zwei Jahre Altersunterschied schon überlegen war. Immerhin sagte niemand mehr laut Schlammblut zu ihr, nachdem sie vier, die das ausprobiert hatten, zu schleimigen wimmernden Gestalten verflucht hatte. Außerdem hatte sie auch in Hogwarts sehr gute Kontakte nach draußen. Umbridge, diese Marionette, hatte daran nichts ändern können. Im Gegenteil: Sie war die einzige, die nun frei mit der Außenwelt Verbindung hielt, ohne Briefe, ohne Kontaktfeuer. Das verschaffte ihr einen unglaublichen Vorteil, über den sie jedoch kein Wort verlor. Also konnte sie sich in Ruhe wieder hinsetzen und sich darüber amüsieren, welche Pleite Malfoy sich geleistet hatte.

__________

Am Montag traf sich in Madame Maximes Sprechzimmer die Sub-Rosa-Gruppe. Zwar wurde nicht über Julius' Ausflug nach Hogwarts gesprochen, weil dies eben zur zaubereiministeriellen Geheimsache erklärt worden war. Allerdings konnten die, die Briefe aus Hogwarts bekommen hatten darüber berichten, wie die allgemeine Lage war.

"Valery schrieb mir, daß nach der Flucht der beiden Weasley-Zwillinge immer heftigeres Chaos in Hogwarts herrscht", sagte César Rocher. Barbara, die mit einer Ravenclaw der siebten Klasse Briefkontakt hatte, erzählte auch, daß die neue Schuldirektorin verfügt habe, alte Strafmaßnahmen wieder einzuführen, wie körperliche Züchtigung oder Einsperren. Julius wußte, daß Karzerhaft in Beauxbatons noch gebräuchlich war, während Schläge oder Folterungen nicht erlaubt waren.

Belle zeigte einen Brief von Professor Umbridge persönlich vor und las laut:

"Sehr geehrte Mademoiselle Grandchapeau,

da ich zurzeit davon ausgehen muß, daß Sie auf Grund ihrer familiären Herkunft Verständnis für unsere derzeitige Lage hier in Hogwarts haben müssen, wende ich mich an Sie, um über Sie oder Ihnen wichtige Personen erwirken zu lassen, daß die eindeutig aus Ihrem Land stammenden Terrormittel wie dieser Nebelzauber, oder die ständigen Sandstürme in meinem Unterrichtsraum oder der Einsatz merkwürdiger Trugbildvorrichtungen zu unterbleiben hat. Ich weiß, daß Sie sehr viel Wert auf Ihre Stellung als Saalsprecherin Ihres Hauses legen und sicherlich auch bei Ihren Lehrern Gehör finden. Es ist unmöglich, einen Schulbetrieb wie Hogwarts mit all seinen hohen Ansprüchen aufrecht zu erhalten, wenn derartige Störmanöver weiterhin den Unterrichtsablauf behindern. Ihre stellvertretende Schulleiterin habe ich einmal angeschrieben, um sie doch in gegenseitigem Respekt zu ersuchen, alle von Ihnen ausgehenden Aktionen zu unterbinden. Falls Sie es nicht schaffen, die Urheber dieser unentschuldbaren Vorgänge zur Ordnung zu rufen, erhoffe ich mir von Ihnen ein Einschreiten bei Ihrem Herrn Vater zur Unterbindung solcher Aktionen. Ich befürchte nämlich, daß ich auf die Unterstützung Ihrer Lehrer nicht werde zählen können.

Mit freundlichen Grüßen

              Professor Dolores Jane Umbridge, Großinquisitorin von Hogwarts"

Alle lachten für fünf Sekunden, ohne daß Professeur Faucon oder gar Madame Maxime einschritt. Dann sah Professeur Faucon Julius an und fragte:

"Haben Sie womöglich Ihrem Schulfreund Kevin Malone geraten, sich mit Forcas' fatalen Verrücktheiten einzudecken?"

"Nein, habe ich nicht, Professeur. Ich denke aber, daß auf den Sachen wie der Federleichtzuckerwatte die Postversandadresse steht", sagte der englische Beauxbatons-Schüler. "Außerdem muß Kevin nicht der einzige Junge da sein, der sich für Forcas' Sachen interessiert hat. Ich kenne außer den Zwillingen, um die es ja schon ging, noch einige Kandidaten aus Gryffindor, Hufflepuff und Ravenclaw. Die werden sich in den Osterferien wohl mit den Mimetomorphen Kisten eingedeckt haben, die bei einer gezielten Suche als harmlose Bücher oder Schachteln erscheinen, bis jemand sie zu ihrem wahren Zweck öffnen will. Forcas ist wohl ziemlich gut ausgebildet."

"Das ist leider nur zu wahr", stellte Madame Maxime fest. "Die von Ihnen erwähnten Wandelbehälter können sich stofflich und optisch als harmlose Gegenstände tarnen, wenn sie argwöhnische Stimmungen wittern. Forcas hat irgendwie das Gespür von Irrwichten und Knieseln magietechnisch übertragen können. Dann weisen Sie also alle Schuld an diesen Effekten in Hogwarts zurück, Monsieur Andrews?"

Julius sah die halbriesische Lehrerin an und nickte. Laut sagte er: "Ja, ich habe niemandem gesagt, Scherzartikel bei Forcas zu bestellen. Ich will doch nicht, daß meine Freunde erwischt und von der Schule geworfen werden, Madame."

"Loyalität ist eine Ihrer Wesenszüge, Monsieur Andrews. Ich glaube es Ihnen", sagte Madame Maxime. Dann fragte sie Belle: "Nun, und was gedenken Sie in dieser Angelegenheit Ihrem Vater mitzuteilen?"

"Nichts, Madame. Was interessiert ihn, ob der Schulbetrieb in Hogwarts durch groben Unfug gestört wird? Ich werde doch nicht das Hilfegeschrei dieser inkompetenten Schulleiterin meinem Vater vorlegen", erwiderte Belle sehr kühl und sah in die Runde der Sub-Rosa-Mitglieder.

"Maman, ich will in deinen Schoß!" Plärrte César mit kleinkindhafter Stimme auf Englisch.

"Auf, César. Auf den Schoß", grinste Julius auf französisch zurück. Madame Maxime schüttelte mißbilligend den Kopf, beließ es aber nur bei einem strengen Blick. César errötete, weil ihm jetzt auffiel, welchen Sprechfehler er begangen hatte.

"Jedenfalls, wenn wir diese Aktionen nicht ausgelöst haben, können wir sie auch nicht beenden", erkannte Professeur Faucon. Julius nickte und grinste. Nur weil er Kevin Forcas' formidable Verrücktheiten geschenkt hatte und der dadurch die Versandadresse bekommen hatte, war er doch nicht verantwortlich, wenn's im nebulösen Unterricht von Umbridge echten Nebel gab oder Saharasandstürme aus kleinen Säcken in die Klassenzimmer geblasen wurden. Andererseits hatte er ja auch von diesem Superfeuerwerk gehört, das die Weasley-Zwillinge erfunden hatten, und der Sumpf, der seit der Flucht der Chaotenbrüder auf dem fünften Stockwerk existierte, war ja auch nicht von Pappe, wenngleich er sich fragte, wieso McGonagall oder Flitwick den nicht wegmachen konnten. Als einzig logische Antwort auf diese Frage fiel ihm nur ein, daß die beiden Lehrer das nicht wollten, ja sich sogar amüsierten, diesen künstlichen Sumpf in Hogwarts zu haben. Gloria hatte ihm ja sogar erzählt, daß man den bei den Weasleys kaufen könnte.

"Eine Frage habe ich noch", wandte sich Jeanne an Madame Maxime. Diese nickte ihr zu. "Wie kommt es, daß ausschließlich Bewohner des Hauses Slytherin zu diesem Inquisitionstrupp gehören? Hat jemand von Ihnen und euch was drüber gehört?"

"Vitamin B würde ich sagen", wandte Julius ein, nachdem die Frage zehn Sekunden im Raum gestanden hatte. "Einer von denen, ein gewisser Draco Malfoy, hat immer mit den tollen Beziehungen seines Vaters zum Zaubereiministerium angegeben. Ich denke mir, da ist doch was dran, zumal der ja bei der Quidditch-Weltmeisterschaft bei Noch-Minister Fudge in der Ehrenloge gesessen hat."

"Malfoy?" Fragte Belle Grandchapeau. "Dieses Subjekt ist wahrhaftig mit Minister Fudge bekannt? Das legt gewisse Vermutungen nahe."

"Die nnoch nicht bewiesen werden können", würgte Professeur Faucon eine Spekulation über Fudges Vorgehen ab. "Natürlich ist mir die Identität und Vergangenheit dieses besagten Herren und sein Umfeld ebenso vertraut, Mademoiselle Grandchapeau. Wir können und dürfen jedoch nicht unbegründbar eingreifen, so ungern ich Ihnen da widerspreche."

"Sehr wohl, Professeur", sagte Belle kleinlaut. Die Frage nach dem Sinn von Slytherins im Inquisitionstrupp war aber doch irgendwie beantwortet.

Nach dem Sub-Rosa-Treffen ging es zum Abendessen. Claire fing Julius am grünen Tisch ab, bevor der zu Hercules hinüberging und fragte ihn, welche Sondersachen er zu machen hätte, daß er wieder nicht zum Zaubermalkurs gekommen sei. Julius sah sich um und sah Jeanne und Barbara herankommen. Er sagte:

"Es ging darum, welche Prüfungsaufgaben ich machen soll. Professeur Faucon hat mich vorgetestet." Das war zwar gelogen, aber weil er sich diese Ausrede schon vor Wochen zurechtgelegt hatte und bisher nie benutzen mußte, wurde er weder rot, noch zuckte eine Wimper in seinem Gesicht.

Das seine Lüge der Wahrheit auf einen Millimeter nahekam, stellte Julius am nächsten Tag bereits im Zaubertrankunterricht fest. Professeur Fixus sah ihm lange zu, wie sorgfältig er Zutaten und Zubereitung beachtete, ohne von der Tafel ablesen zu müssen. Nach der Doppelstunde sagte sie ihm:

"Ich gehe davon aus, daß ich sie dieses Jahr schon auf ZAG-Niveau prüfen könnte, Monsieur Andrews. Ihr Fachwissen ist umfangreicher als das manchen Fünftklässlers. Allerdings werde ich nicht diejenige sein, die Ihnen höherstufige Prüfungen abverlangen wird."

"Huch, wie verstehe ich das?" Fragte Julius, dem bereits eine Antwort darauf schwante.

"Dies obliegt Ihrer Saalvorsteherin. Nun denn, Fünfzehn Notenpunkte und zwanzig Bonuspunkte für Ihr Konto. Die Antiverbrennungsmixtur ist nicht so einfach zuzubereiten. Eine Sekunde bei den Einfüllzeiten oder ein Gramm zu viel oder zu wenig einer essentiellen Substanz kann den Trank gefährlich fehlschlagen lassen", legte Professeur Fixus dar und ging weiter, um die übrigen Stundenergebnisse zu begutachten.

"Wie meint die das, sie würde dich gern auf höherem Standard prüfen, daß sei aber nicht ihr Ding?" Fragte Claire beim Gang zum Mittagessen.

"Das ich mich wohl tatsächlich darauf einrichten muß, daß Professeur Faucon mich mit heftigen Verwandlungssachen heimsucht", sagte Julius leicht betrübt. Er wußte, wie heftig es war, sich auf die Jahresendprüfungen vorzubereiten. Die Fünft- und Siebtklässler stöhnten zeitweilig über heftige Wiederholungen schwieriger Zaubereien. Jeanne hatte Eloise häufig zu Schwester Florence bringen müssen, weil diese sich bis zur Erschöpfung in die Vorbereitungen gestürzt hatte. Connie Dornier hatte seitdem sie Cythera hatte keinen ihrer früheren Klassenkameraden mehr sprechen können, weil die alle kein Babygeschrei um die Ohren haben wollten und hing öfter im kleinen Leseraum der Bibliothek herum, wo sie jedoch auch nicht dauerhaft bleiben konnte, weil Übungsgruppen diesen Raum brauchten, um sich gegenseitig abzufragen.

Am Nachmittag führte Professeur Armadillus die Feuersalamander vor. Diese lurchartigen Wesen, die mit den auch Muggeln bekannten Salamandern nur die Körperform gemeinsam hatten, benötigten immer eine brennende Umgebung und erstarrten wie Stein, wenn sie mehr als eine halbe Stunde kein offenes Feuer mehr um sich hatten.

"Diese Wesen sind, wie auch die Alraunen, in der Muggelwelt durch andere Tiere beziehungsweise Pflanzen ersetzt worden, die den magischen Geschöpfen und Gewächsen angeblich entsprechen sollten. Tatsächlich finden Muggel echte Feuersalamander Salamandra pyrophila nur dann, wenn sie längere Zeit in ein loderndes Feuer blicken", erklärte der Lehrer für magische Geschöpfe. Julius fing die Blicke der anderen auf, insbesondere von Claire, Mildrid und Belisama. "Und seitdem die Muggel ihre Lichter durch elektrischen Strom erzeugen lassen und selten richtige große Feuer unterhalten haben die überhaupt keinen echten Feuersalamander mehr zu sehen bekommen. Die Tiere, die sie dafür halten, sind gewöhnliche Lurche, wie Frösche oder Molche eben auch und scheuen, ja fliehen das Feuer. Damit sind wir auch schon beim Hauptmerkmal, woran echte von unechten Feuersalamandern unterschieden werden können. Entfachen Sie in freier Natur ein Feuer und warten sie, welche Amphibien darauf zulaufen oder davon wegstreben! Bis zum nächsten Mal lesen Sie bitte die Abhandlung über den Nutzen des Feuersalamanders in der magischen Alchemie und entwerfen Sie schriftlich einen Plan, wie Sie eine Population Feuersalamander anzüchten würden! Soviel heute, Mesdemoiselles et Messieurs. Auf Wiedersehen!""

"Vielen Dank, Professeur Armadillus und gleichfalls auf Wiedersehen", grüßte die gesamte Klasse im Chor zurück, wie sie es hier gelernt hatte. Dann zerstreute sich die Menge der interessierten Schüler.

"Weißt du was von Muggelalraunen?" Fragte Belisama Julius, während er und Claire zum Palast zurückliefen.

"Da soll's 'ne Knollenpflanze geben, die die Muggel Mandragora vernalis nennen. Die tut aber nichts. Allerdings sollen heutige Naturmediziner mit diesem Zeug wirklich rummachen."

"Soso", lachte Claire. "Und was ist mit den falschen Feuersalamandern, Julius?"

"Davon habe ich mit meinen früheren Freunden mal welche gefangen. Die findet man selten, besonders wenn man in einer Großstadt wohnt. Aber gegen die, die uns Professeur Armadillus heute gezeigt hat, sehen die eher mickrig aus."

"Wieso meinen die Muggel, sie könnten die magischen Tiere und Pflanzen finden und benennen dann irgendwelche Knollen und Lurche so?" Fragte Mildrid.

"Weil die ja glauben, daß alles was früher mit Zauberei erklärt wurde, irgendwo herkommen muß. So knackten Chemiker, also Leute, die die Natur der Substanzen ohne Zauberei erforschen, das Rätsel, wie angebliche Alchemisten oder solche, die meinten, mal welche werden zu können, Eisen in Kupfer verwandelt haben. Die haben Eisenlöffel in eine mit Kupferschwefelteilchen angereicherte Lösung gestellt, und das Kupfer hat sich auf dem Löffel niedergeschlagen, ihn ganz umgeben. Dann zogen sie ihn wieder raus, und Boing! Der Löffel war nun aus Kupfer. Das ging aber nicht auf Zauberei sondern auf die Natur von Säure und Metall zurück", erklärte Julius. Professeur Fixus ging gerade an der Gruppe aus den drei Mädchen und ihm vorbei, hörte genau zu und nickte dann. Ohne was zu sagen ging sie dann weiter.

"Kannst du mal sehen, Claire, was der alles drauf hat", bemerkte Mildrid. Claire schnaubte nur verächtlich.

"Sein Vater ist Chemiker, Millie. Der macht das, was Julius gerade erzählt hat. Nur das er keine falschen Kupferlöffel macht, sondern aus Petroleum und giftigem Zeug Stühle und Tische baut", sagte Julius' Freundin schnippisch. Julius nickte. Millie sah ihn zwar erst mitleidig an, fragte dann aber:

"Ist diese Arbeit in der Muggelwelt wichtig?"

"Na klar", sagte Julius. "Nachdem ich ja mitgekriegt habe, wie bei den Zauberern Plastiktüten gemacht werden, denke ich mal, daß die langsam auch auf den Trichter kommen, was Kunststoffe alles können."

"Aus pflanzlichen Sachen wasserdichten Kunststoff zu brauen ist doch schon jahrhunderte alt", meinte Mildrid Latierre. Julius konnte dazu nichts entgegnen.

Im Palast ging es in die Bibliothek. Wo die Gruppe gerade zusammen war, konnten sie gut die Zaubertrankaufgaben machen. Belisama, die ebenfalls noch Zaubertrankhausaufgaben erledigen mußte, wurde eingeladen, Claire, Millie und Julius zu begleiten. Da nach dem letzten Spiel der Quidditchsaison das Training beendet war und das Stadion für die Flugschüler freigehalten wurde, konnte Julius mehr Zeit für die Hausaufgaben aufwenden. Bis zum Abendessen halfen Millie und Julius den beiden Klassenkameradinnen bei wichtigen Fragen. Bernadette saß derweil mit Hercules, Céline und Robert an den Zaubertrankhausaufgaben und tat sich mit ihrem großen Fachwissen hervor.

Am Abend konnten alle Maya Unittamo am Lehrertisch sitzen sehen, wie sie sich mit Professeur Faucon und Professeur Bellart unterhielt. Hercules Moulin fragte Julius:

"Wieso kommt die eigentlich nur zu den älteren hin? Die sind doch heftiger im Prüfungsstress als wir."

"Die wollte ursprünglich nach Hogwarts und dort auf Einladung von Professor McGonagall die höheren Klassen besuchen. Ich denke, die hat in ihrem Alter keine Lust mehr auf stressige Eingangsklassen."

"Meinst du, Julius?" Fragte Hercules leicht ungehalten. "Aber bei euch im Freizeitkurs hing die doch auch rum, und da laufen ja nun nicht mehr nur Fünftklässler und höheres Volk rum."

"Hercules, ich habe den Besuchsplan von Madame Unittamo nicht gemacht", schnaubte Julius. "Und in diesem Verwandlungskurs für Fortgeschrittene bin ich auch nur, weil die McGonagall letztes Schuljahr meinte, mir mehr aufladen zu müssen als normal war. Ich hätte mir den Kurs nicht ausgesucht, wenn ich frei hätte wählen können."

"Klar, Julius. Wir haben es ja alle gesehen, daß du diesen Kram schon machen kannst. Wäre ja blöd von der Faucon gewesen, dich dann nicht an der Kandarre zu halten. Ich hätte nur gerne mal persönlich mit Madame Unittamo gesprochen und sie nach Tipps gefragt, wie ich meine Verwandlungstechniken verbessern kann. Vorher gehe ich bestimmt in keinen Freizeitkurs, auch nicht den Einsteigerkurs. Du warst ja nicht bei der allgemeinen Diskussion dabei. Sie hat zwar viel erzählt und vorgeführt, aber ich hätte sie auch gerne zu ganz persönlichen Problemen bei meinen Verwandlungsübungen befragt."

"Ja, das ist ja das blöde", wandte Robert ein. "Entweder gibt es hier nur Einsteigerkurse oder für Fortgeschrittene. Aber Julius, ich kann mich irgendwie erinnern, daß ich dir am Schuljahresanfang gesagt habe, daß du hier eh machen mußt, was Professeur Faucon von dir will, wenn die weiß, was du kannst. Ich denke sogar, die setzt dich nächste Woche in die Prüfungen der Viertklässler oder höher. Ach neh, die ZAG-ler werden ja gesondert geprüft. Da kommen ja diese Woche noch die Leute von der Ausbildungsabteilung an."

"Ach, und die wohnen dann hier?" Fragte Julius interessiert, weil er das von Prudence und Cho her kannte, daß sie zu ZAG-Prüfungen zusammen mit den anderen Häusern von mehreren auswärtigen Professoren geprüft wurden.

"Die wohnen dann im Gästetrakt hier, auch Sonnenkönigsloge genannt, weil da angeblich Möbel aus dem Louvre drinstehen, die vor der sogenannten Revolution bei Seite geschafft wurden", antwortete Hercules Moulin. "Bernie kennt einen der Prüfer für ZAG und UTZ, Professeur Richard Moureau, der Prüft in Magizoologie und Verteidigung gegen die dunklen Künste."

"Richard?" Fragte Julius. Natürlich erkannte er selbst in der französischen Aussprache den Vornamen seines Vaters wieder.

"Was ist an dem Namen so abgedreht?" Fragte Hercules, bevor ihm einfiel, daß Julius seine Eltern ja mal mit Namen erwähnt hatte. Er grinste kurz, fing sich dann jedoch und sagte:

"Der ist mit deinem Vater bestimmt nicht verwandt. Der ist nämlich schon einhundertsechzig Jahre alt."

"Bitte was?" Fragte Julius. Doch dann fiel ihm ein, daß Maya Unittamo ja auch schon sechsundneunzig Jahre alt war und Dumbledore bereits die einhundertfünfzig Jahre vollgemacht haben sollte.

"Ja, stimmt, ist schon heftig alt, aber für 'n Zauberer gerade noch jung genug, um was berufliches zu machen. Aber du kennst doch auch eine der Prüferinnen, Julius. Oder stimmt das nicht, daß du Virginies Oma im letzten Sommer getroffen hast?" Wandte sich Gérard an seinen neuen Klassenkameraden.

"Ach, Madame Champverd ist eine Professorin?"

"Den Titel will sie nicht haben, obwohl sie technisch genauso auftritt", sagte Gérard. "Sie war ja mal Lehrerin hier, heißt es. Seitdem sie nur noch die Prüfungen macht, will sie so nicht mehr angesprochen werden."

"Klar, die war ja mal Kräuterkundelehrerin hier", sagte Julius Andrews und erinnerte sich an das kurze Gespräch, daß er mit Virginies Großmutter mütterlicherseits geführt hatte. Sie hatte was gegen Muggel und hatte so ihre Bedenken gegen Muggelstämmige. Allerdings mußte er auf sie einen guten Eindruck gemacht haben.

"Na ja, wenn du nicht zu denen in die ZAG-Gruppe mußt, soll's egal sein, wer zu den Prüfern gehört, oder wer wen kennt", beschloss Robert dieses Thema. Julius hatte nichts dagegen, über was anderes zu reden, zum Beispiel Forcas' Scherzartikel. Er erwähnte, weil es fast jeder aus dem grünen Saal wußte, daß Aurora Dawn ihm aus Hogwarts erzählt hatte, daß dort Forcas' Zauberscherze verwendet wurden.

"Klar, die Brodembombe. Genial eigentlich, wenn dieser blöde Nebel nicht so nass wäre", sagte Robert leise.

"Ich las vor kurzem, daß die bald einen Dreh raushaben, antarktischen Schneesturm flaschentauglich zu konzentrieren. Dann gibt das aber was, wenn den jemand hier anbringt."

"Joh, oder einen tragbaren Sumpf", grinste Julius.

"Hmm, wüßte ich nicht, daß die sowas auch schon machen", sagte Robert. "Aber wäre 'ne interessante Idee. Stell dir mal vor, sowas hier genau auf einem ganzen Stockwerk. Da würde Bertillon aber voll am Rad drehen." Alle lachten.

Nach dem Abendessen gingen die Prüfungsvorbereitungen weiter.

Am Mittwoch verkündete Professeur Faucon im Verwandlungsunterricht das, was Julius befürchtet hatte:

"Monsieur Andrews, nachdem Sie nun ein volles Schuljahr in unserer Akademie gelernt haben und bereits in Hogwarts eine höherstufige Jahresendprüfung ablegten, habe ich in Übereinstimmung mit der Schulleitung verfügt, daß Sie nächste Woche in einer gesonderten theoretischen und praktischen Prüfung mit Aufgaben der höheren Klassenstufen konfrontiert werden, die, da bin ich mir sicher, von Ihnen gelöst werden, sofern sie sich alles, was Sie in diesem Jahr erlernt haben, gut verinnerlicht haben. Sie müssen verstehen, daß ich Sie nicht auf dem Niveau der dritten Klasse allein prüfen kann, wenngleich Sie auch Aufgaben erfüllen werden, die für diese Klassenstufe ausschlaggebend sind."

Julius nickte. Er hatte sich das schon in Gedanken zurechtgelegt, was er da so alles machen müßte. Claire zeigte auf:

"Ja, bitte, Mademoiselle Dusoleil?"

"Das Julius im letzten Schuljahr eine höhere Prüfung hingelegt hat, haben wir ja irgendwie mitbekommen. Aber wieso kann oder muß er jetzt mehr machen als wir, obwohl er ja erst in der dritten Klasse ist?"

"Das ist die Ausbildungsrichtlinie 4 b. Ausbildungsrichtlinie 4 verlangt ja, wie einige von Ihnen wissen könnten, daß Besucherinnen und Besucher einer magischen Studieneinrichtung gemäß den Grundfähigkeiten und Ausbildungsstand entsprechend einmal jährlich Abschlußprüfungen ablegen müssen, um über ihre weitere Ausbildung befinden zu lassen. Der Zusatz zu dieser Richtlinie lautet: "Sollte durch Angehörige des Lehrkörpers der betreffenden magischen Oberschule eine Schülerin oder ein Schüler derartig auffallen, daß er oder sie über ein mehr als überdurchschnittliches Leistungspotential sowohl in der magischen Begabung als auch im vorhandenen Grundwissen verfügt, ist diese Schülerin oder der Schüler in einer nach Absprache zwischen den Fachlehrern und der Schulleitung zu beschließenden sonderprüfung zu unterziehen, die das mehr als überdurchschnittliche Potential in magischer Begabung und / oder Grundwissen anspruchsvoll würdigt, um einen objektiven Leistungsnachweis solch überragender Talente und / oder Kenntnisse zu erhalten, sofern als gesichert gilt, daß der Prüfling mindestens zwei Drittel der aufgetragenen Prüfungsarbeiten erfolgreich ausführen kann." Ich habe also nicht nur das Recht, von Monsieur Andrews eine gesonderte Prüfung ablegen zu lassen, sondern auch die Pflicht, ihn dazu aufzufordern, sich dieser Prüfung zu unterziehen und sie zu bestehen. Allerdings setze ich voraus, daß er nicht nur die erforderlichen zwei Drittel schafft, sondern mehr. Soviel zu dieser Sonderbehandlung, die sogesehen keine ist, da es, wie Sie alle in den Bulletins de Beauxbatons nachlesen können, seit Schulgründung bereits zu zwanzig Prüfungen nach Ausbildungsrichtlinie 4 b von 1429 kam."

Robert zeigte auf und grinste. Professeur Faucon erteilte ihm das Wort, sah ihn jedoch lauernd an.

"War nicht eine dieser Sonderprüflinge Anthelia, die Nichte von Sardonia?"

"Ich muß die Frage wohl bejahen, obwohl mir überhaupt nicht einfällt, was es da zu grinsen gibt, Monsieur Deloire. Es ist korrekt, daß Sardonias einzige Nichte Anthelia zu den ersten Prüflingen gehörte, die bereits im dritten Schuljahr Prüfungen auf ZAG-Höhe ablegen mußten. Damals war dieser Abschnitt der Ausbildungsverordnung noch im Experimentierstadium, hat sich aber trotz oder gerade wegen Leuten wie Anthelia bewährt. Und von den zwanzig waren neunzehn nachher hochanständige und verantwortungsbewußte Hexen und Zauberer, nur für den Fall, daß Sie, Monsieur Andrews, sich berufen fühlen könnten, der dunklen Seite zuzuneigen, nur weil Sie von ihren Blutlinien her ein überstarkes Zauberpotential vererbt bekamen."

"Ich habe mein Interesse an der dunklen Seite der Macht verloren, nachdem ich in Filmen und Büchern mitbekommen habe, wie elend es Leuten ergeht, die sich darauf einlassen, Professeur Faucon", sagte Julius. Die Lehrerin wandte zwar ein, daß sich erfundene Geschichten nur selten an der Wirklichkeit ausrichteten, stimmte ihm jedoch im wesentlichen zu. Dann fuhr sie mit dem regulären Verwandlungsunterricht fort.

"Maman hat das schon vermutet, daß du von Professeur Faucon besonders heftig geprüft wirst", sagte Claire auf dem Weg zum Essen. "Jeanne hat das ja mitgekriegt, wie du in Hogwarts geprüft wurdest. Dann haben wir ja mitbekommen, wie du dich bei Madame Unittamo angestellt hast. Ich wollte nur wissen, mit welchem Recht die sowas von dir verlangen kann, falls du durchrasselst."

"Ach, damit ich sie verklagen könnte, weil Sie mir mehr aufgehalst hat als bei mir drin war?" Fragte Julius. Claire nickte entschieden.

"Das ist der Punkt. Ich kenne Professeur Faucon ja schon seit ich laufen kann. Wenn die wen findet, der alles macht, was die sagt, ist sie glücklich. Ich will bestimmt nicht sagen, daß du ein unterwürfiger dummer Esel bist, Juju, aber mit dir hat sie wen gefunden, den sie richtig heftig rannehmen kann."

"Öhm, Claire, unter "rannehmen" können Muggel auch was anderes verstehen", antwortete Julius mit einer versteckten Gehässigkeit, um zu überspielen, daß seine Freundin die Sache völlig richtig erkannt hatte.

"Ist mir bekannt", fauchte Claire wie eine gereizte Katze zurück. "Bébé hat mir das schon erklärt. Aber was ich gesagt habe siehst du ja ein. Aber damit meine ich nicht, daß du jetzt die volle Wende machen sollst, nur damit du nicht so heftig geprüft wirst. Das würde sie dir sehr übelnehmen. Ich wollte lediglich wissen, mit welchem Recht sie das macht, und das weiß ich ja jetzt."

"Das werde ich beim Fortgeschrittenenkurs ja mitkriegen, wie weit die meint, mir was auflegen zu können", meinte Julius sichtlich eingeschüchtert, weil Claire ihn mit einer sehr ernsten Miene ansah, als wolle sie ihm gleich eine runterhauen.

"Da kommst du gut durch, Juju", sagte Claire nun wieder sehr sanft und ruhig dreinschauend. "Die wird dich nicht verheizen, nur um sich später sagen lassen zu müssen, sich vertan zu haben. Sei froh, daß Bellart und Fixus dich nicht noch extra ..."

"Das ist noch nicht raus, Claire", erwiderte Julius schnell und mit Unbehagen. "Flitwick hat mich auch schon Sonderaufgaben machen lassen, nachdem ich die Prüfungen abgelegt habe, die für meine Klassenstufe vorgesehen waren. Bring die Frau nachher nicht auf Ideen!"

"Das kriegst du dann ja am Dienstag nächste Woche raus, wenn die Zauberkunstprüfungen laufen. Da mache ich mich auch nicht bange vor. Immerhin haben wir ja das meiste aus dem Freizeitkurs drauf."

"Ja, wie man übergroße Wassertropfen macht und tragbare Feuer macht, wie der Ratzeputz-Zauber und der Staubsammelzauber gehen. Gut, daß Schwester Florence uns keine Sonderprüfungen machen lässt."

"So ist es", sagte Claire entschlossen und zog Julius an den grünen Tisch, wo sie zu den Mädchen und er zu den Jungen hinüberging.

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Ich liege bei Julius auf den Hinterbeinen und freue mich, daß er mich mal wieder in seine Schlafhöhle reingelassen hat. Seine Mitbewohner halten sich schön zurück. Aber ich rieche immer den Geruch von Claire an seinem Körper, wo ihre Vorderbeine ihn umfassen oder sie ihre Zitzen bei der Werbung an ihn drückt. Das mag ich nicht, daß er immer noch seiner wurfungleichen Schwester hinterherläuft. Warum nimmt er nicht das Weibchen mit dem leicht roten Haar oder eines der beiden Weibchen mit den ganzroten Haaren? Die passen besser zu ihm.

Ich will nicht mehr, daß er sich mit Claire zusammentut. Sie kommt wieder in Stimmung, und er würde sich verschwenden, wie die Schwarzbauch-Brüder mich verschwendet haben. Ich muß bei der nächsten Sonne draußen sein und nachsehen, was er so tut.

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Am Donnerstag mußte sich Laurentine Hellersdorf sehr viele Zauberflüche gefallen lassen. Professeur Faucon bestand darauf, daß Bébé die anstehende Prüfung diesmal über einer Vier abschloss.

"Sie können und Sie werden diesmal mindestens eine befriedigende Note erreichen, Mademoiselle Hellersdorf. Was Ihre Eltern sagen und meinen, interessiert mich im Moment überhaupt nicht. Oder wollen Sie noch ein Jahr länger hierbleiben?"

"Natürlich nicht", fauchte Laurentine, der über den ganzen Körper weiches blondes Fell gewachsen war. Céline durfte den Capillicorpus-Fluch, mit dem sie zum Schluß nicht fertig wurde, von ihr fortnehmen. Julius lieferte sich zum Schluß der Doppelstunde noch eine Paradevorstellung eines schnellen Zaubererduells. Dabei baute er sogar eine Lichtwand vor sich auf, die ihn auf doppelter Breite vor den meisten auf Lichtstrahlen fliegenden Flüchen schützte. Zwei Flüche krachten wirkungslos in die Mauer. Der dritte Fluch, der Mondlichthammer, der bei mächtigen Zauberern bis zu zehn normalgroße Personen in seiner Flugbahn umwerfen konnte, krachte voll durch die Mauer. Doch Julius hatte den Novalunux-Fluch gerade noch zu Ende sprechen können, einen Fluch, der die beschworenen Kräfte des Mondes aufhob, sodaß er selbst nicht weggefegt werden konnte.

"Eh, der Fluch ist ja schon ZAG plus", sagte Céline Dornier. "Meine Schwester hat den nur einmal in Aktion erlebt."

"Daran können Sie sehen, wie wichtig es Ihrem neuen Klassenkameraden ist, nicht von den Beinen geholt zu werden. Die fokussierten Mondkräfte sind eine nicht zu unterschätzende Gewalt, die viel gutes aber auch böses bewirkt. Wer sie bändigen kann, ist in der Tat mächtig."

"Was war denn das für'n schwarzes Loch, das genau dann auftauchte, als Sie diesen silbernen Rammbock losgeschickt haben?" Fragte Laurentine.

"Novalunux, der Glanz des Neumonds, der alle mondlichtartigen Flüche pariert, sofern er überhaupt aufgerufen werden kann", sagte Professeur Faucon.

"Dann prüfen Sie Julius sicher auch in Defensiver Magie anders als uns", erkundigte sich Robert Deloire.

"In der Tat, weil ich weiß, was er kann", erwiderte Professeur Faucon. Julius dachte:

"Kunststück, wo die mir im Schnellkurs zwanzig Hammerflüche und Umkehrungen auf einen Schlag ins Hirn gepflanzt hat. Quod erat expectandum."

"Wo Sie uns diesen Zauber jetzt gezeigt haben, Professeur Faucon, könnten wir den doch auch", meinte Claire eifrig. Die Lehrerin schüttelte bedächtig den Kopf.

"Es reicht nicht, nur die Wörter zu kennen und zu sprechen. Man muß ihn in drei Komponenten bringen, zu denen eine schwierige mentale Komponente gehört, die den Fluch überhaupt vorantreiben kann. Gelingt die Konzentration nicht, verschießen Sie nur flirrendes Silberlicht ohne jede körperliche Einwirkung. Aber wenn sie meinen, ihn verwenden lernen zu können, sollten Sie im nächsten Jahr vielleicht am schulweiten Duellkurs teilnehmen. Mehr möchte und werde ich zu diesem Thema nicht sagen, außer daß es für jeden Planeten, eingeschlossen Sonne und Mond, Anrufungszauber gibt, die sowohl dunkle Effekte als auch beschirmende Wirkungen erzielen können. Viele davon sind aber UTZ-Standard und würden Sie alle, ja auch Monsieur Andrews, zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverantwortbar überfordern. Soviel zu unserer kurzen Vorführung. Monsieur Andrews, da sie die meisten Flüche gekontert haben, bekommen Sie zwanzig Bonuspunkte. Mademoiselle Hellersdorf erhält dieselbe Punktzahl. Ich warne Sie jedoch davor, daß ich pro jetzt vergebenem Bonuspunkt fünf Strafpunkte an sie weitergebe, wenn Sie in der anstehenden Prüfung nicht auf mindestens 50 Prozent Erfolg kommen, Mademoiselle Hellersdorf."

"War ja wohl überflüssig", nuschelte Bébé grimmig. Professeur Faucon fragte:

"Wie bitte?!" Doch Laurentine gab keine Antwort.

"Gut, ich werte Ihr Schweigen als Zustimmung zu meiner Entscheidung. Also, Mesdemoiselles et Messieurs, üben Sie ihre Zaubersprüche und magischen Theorien in meinen Fächern, aber auch denen meiner Kollegen! Die Durchschnittsleistungen jeder Klasse des grünen Saales liegen bei zehn von fünfzehn Punkten. Höher ist hier immer besser als niedriger. Bedenken Sie dies! So, und nun hinaus. Die Pause findet im Freien statt!"

Nach der üblichen Abschiedszeremonie eilten die Drittklässler hinaus auf den Pausenhof. Julius wartete, bis die heutige Pausenhofaufsicht, Professeur Pallas, einige Schritte weg war, dann ging er zu Claire hinüber, die ihn in eine innige Umarmung schloss.

Uuuuuwäauuuu! Kam eine Mischung aus Knurren und Miauen von hinten. Julius wandte den Kopf und sah Goldschweif anstürmen, die mit einem geschmeidigen Satz auf seiner Schulter landete und Claire übergangslos die rechten Vorderkrallen vor das linke Auge hielt. Claire ließ von Julius ab und schnellte zurück. Der Vertraute der Knieselin hing augenblicklich zwischen zwei starken Gefühlen wie über einem gähnenden Fahrstuhlschacht. Einerseits konnte er es nicht leiden, wie Goldschweif Claire einfach so zurücktrieb wie eine Revierkonkurrentin. Andererseits hatte dieses magische Geschöpf da auf seiner Schulter ihm das Leben gerettet, ihn vor Gefahren beschützt und sogar für ihn gekämpft. Ja, dieses Raubtier, das nun kuschelig seinen Kopf an Julius Nacken schmiegte und schnurrte, hatte einem Zauberer auf Slytherins Seite so schrecklich das Gesicht zerfetzt, daß Julius meinte, der würde nie wieder gesund aussehen.

"Heh, Goldi, was sollte das wieder, Hmm?!" Zischte Julius, während Claire schreckensbleich und mit böse funkelnden Augen immer weiter von ihm fortging. Sie sah sich um und suchte die Pausenhofaufsicht.

"Eh, der mag keine Dusoleils", lachte Epune, ein Mädchen aus dem blauen Saal, das sich, so hatte es Julius von Barbara, an Jacques Lumière heranzumachen versuchte.

Professeur Pallas kam angelaufen und sah sich Julius' Kniesel an. Sie sagte noch ehe Julius was sagen konnte:

"Du brauchst mir nicht zu erzählen, daß du dieses Tier nicht hergerufen hast und mußt auch nicht beteuern, daß du Mademoiselle Dusoleil nicht verjagen willst, Julius. Aber ich fürchte, ich muß Goldschweif zu Professeur Armadillus zurückbringen."

"Versuchen Sie bloß keinen Zauberstab, Professeur Pallas! Kniesel nehmen einem das übel", erwiderte Julius. Professeur Pallas grinste nur. Sie griff in ihre Tasche, zog ein Riechsalzfläschchen heraus und feuerte eine Prise davon auf Goldschweif ab, die protestierend miaute und von Julius' Schulter heruntersprang. In dieser Sekunde hatte die Geschichtslehrerin ihren Zauberstab hervorgeholt und Goldschweif den Lähmzauber Impedimenta aufgehalst. Dann schnappte sie sich das Tierwesen und eilte damit fort.

Millie Latierre kam angeschlendert, sah Julius an und grinste.

"Die ist eifersüchtig auf Claire. Da muß sich deine Walpurgisnachtherrin aber auch so schöne lange Krallen wachsen lassen, um da mitzuhalten", stichelte sie und zwinkerte Julius frech zu, bevor sie sich mit einer fließenden Bewegung durch das lange rotblonde Haar fuhr und Julius noch einen angenehmen Tag wünschte.

Als hätte Mildrid ihm damit einen Fluch aufgehalst, war an diesem restlichen Tag nichts mehr für Julius zu lachen. Claire fauchte ihn einmal an, er solle sich entweder von dieser Knieselin trennen oder sich 'ne neue Freundin zulegen. Auswahl habe er ja genug. Das hatte sie ihm an den Kopf geworfen und sich dann schmollend zurückgezogen.

Im Freizeitkurs Verwandlung versuchte Julius, Jeanne als Vermittlerin zwischen Claire und sich zu gewinnen. Jeanne meinte nur:

"Was immer mit Goldschweif nicht richtig läuft, ich kann es Claire nicht verdenken, wenn sie dich nicht mehr in ihre Nähe lassen will. Das ist jetzt schon das wievielte Mal, daß Goldschweif ungehindert auf dem Schulhof aufgekreuzt ist? - Auch egal. Ich kann dir nicht groß helfen, das mit diesem Tier einzuränken, wenn du wirklich was für Claire empfindest."

Auch Barbara wußte nichts dazu zu bemerken. Martine, die in einer Pause zwischen zwei Übungszetteln Zeit für Julius hatte, flüsterte ihm zu:

"Das mit Goldschweif liegt bestimmt daran, daß sie meint, dir die Partnerin auszusuchen. Ich weiß nicht, was sie gegen Claire hat, aber gegen meine Schwester hat die offenbar überhaupt nichts. Millie konnte Goldschweif doch einmal sogar hochnehmen und streicheln, hat sie mir gesagt."

"Ja, das ist richtig. Ich weiß nicht, was sie gegen Claire hat. Was böses kann sie nicht bei ihr spüren, weil sie sonst sofort zum Angriff übergegangen wäre. Sie will nur nicht haben, daß Claire mich umarmt", flüsterte Julius, bevor Madame Unittamo heranschlenderte, die heute ihren letzten Besuchstag in Beauxbatons verlebte.

"Professeur Faucon hat mir das für dich mitgegeben, Julius. Ich möchte fragen, ob ich mir das ansehen darf, was du machen mußt?"

"Kommt drauf an, was es ist", sagte Julius barsch, bevor ihm klar wurde, mit wem er da sprach und sich aufrichtig entschuldigte. Maya Unittamo lächelte ihn großmütterlich an.

"Prüfungsvorbereitungen waren schon zu meiner Schulmädchenzeit nervenaufreibend. Nachdem, was ich mitbekommen habe, wollen Sie dich ja härter als die anderen prüfen. Da kann man mal ausfällig werden. Also, darf ich dir zusehen?"

Julius sagte ja. Die Maus-Verschwindezauber hatte er nun soweit raus, daß es keine Vorführpanne geben würde. In schneller Abfolge schickte er die Mäuse fort. Er wußte, daß nicht alle wirklich verloren gingen, sondern die meisten irgendwo wieder ins Raum-Zeit-Gefüge zurückfielen. Die, die wirklich verschwanden, gaben die eigene Körperenergie an die Umwelt ab.

"An und für sich Tierquälerei", befand Julius, als er die zwanzigste Maus in Folge hatte verschwinden lassen.

"Es hängt davon ab, wie gut es jemand beherrscht. Mäuse sind vergleichsweise ungefährdet. Die vermehren sich ja wirklich noch schneller als Kaninchen", lachte Maya Unittamo, bevor sie sich ansah, wie Barbara Lumière ihre Haare hellblond einfärbte, dabei aber irgendwie ihren Körperumfang vergrößerte.

"Oh, verflixt. Jetzt sehe ich ja fast aus wie Madame Delamontagne", sagte sie mit einer veränderten Stimme, die Julius wirklich an die von Eleonore Delamontagne erinnerte. Barbara löste sich in den weißen Nebel auf, den Julius schon häufiger hatte sehen können und kehrte in ihrer Ursprungsgestalt zurück.

"Hau, das kann ja ganz schön wehtun, diese partielle Transformation", gestand sie ein.

"Wenn du auf dem Gebiet weitere Erfahrungen sammelst, Barbara, bist du in spätestens sieben Jahren so weit, dich locker in verschiedene Menschen verwandeln zu können", munterte Madame Unittamo Barbara auf und zerfloss für eine Sekunde zu einem farbigen Nebelwirbel, ohne ihren Zauberstab benutzt zu haben. Dann stand sie als kleines Mädchen mit blonden Zöpfen vor Julius, in der rechten Hand einen Schnuller.

"Na Kleines, was machst du denn hier?" Fragte Julius nun ohne jede Ehrfurcht.

"Hexen und Zauberern zugucken", sagte das kleine Mädchen, daß nicht älter als fünf oder sechs Jahre aussah. Julius fragte sie jedoch, was sie mit dem Schnuller wollte, wo den doch nur Babys bräuchten. Zur Antwort warf Maya Unittamo den rosa Schnuller hoch in die Luft, zerfloss wieder zu Nebel, in den das Babyspielzeug hineinfiel, sich mit auflöste, um der erwachsenen Maya Unittamo Platz zu machen.

"Sie müssen das nicht so perfekt können, die Damen und der Herr. Niemand verlangt das wirklich von Ihnen. Ich wollte nur demonstrieren, daß Verwandlungszauber nach langer Erfahrung diese Möglichkeiten bieten", sagte die frühere Lehrerin von Thorntails. Julius grinste nur.

"Stimmt, Sie müssen diesen Unsinn nicht in derartiger Perfektion erlernen, Mesdemoiselles und Monsieur", sagte Professeur Faucon. "Bei allem was Sie der Verwandlungskunst an nützlichem Wissen und praktischem Nutzen erschlossen haben, Maya, muß ich jedoch als Fachlehrerin an dieser Schule anmerken, daß Ihre Umgangsweise mit dieser Magie sehr verantwortungslos anmutet. Ich ziele in meinem Unterricht darauf ab, meinen Schülerinnen und Schülern den vernunftgemäßen Umgang mit Verwandlungszaubern beizubringen. Ihr merkwürdiger Sinn für Humor könnte ein falsches Bild liefern, wozu wir dieses Fach hier lehren und lernen."

"Blanche, ich gestehe Ihnen zu, daß Sie um Verantwortungsbewußtsein bei Ihren Schülern bemüht sind und daher natürlich mit sehr gutem Beispiel vorangehen müssen. Andererseits hörte ich nicht selten in meinen Tagen als Lehrerin, daß Verwandlung an sich unsinnig und bedeutungslos sei. Diesen Eindruck kann man durch harte Maßregeln unterdrücken, aber nicht aus den Köpfen treiben. Manchmal empfiehlt sich ein Ansporn und warnende Beispiele, daß man dieses Fach weder unterschätzen noch ignorieren sollte. Ihnen mißfällt meine Herangehensweise? Dann möchte ich mich dafür entschuldigen, Ihren Schülern ein unerwünschtes Vorbild gewesen zu sein. Ich betrachte jedoch meine Darbietung nicht als Schabernack. Ich habe lange dafür üben müssen, um dieses Kunststück ansatzlos und erfolgreich zu vollbringen. Vielleicht, nein ganz sicher, wird sich der eine oder die andere dadurch angespornt fühlen, bei Ihnen alles zu lernen, was wichtig ist. Nochmals meine Entschuldigung dafür, daß ich Ihnen in den üblichen Lehrplan hineingefuhrwerkt habe", sagte Maya Unittamo ganz ruhig und freundlich. Professeur Faucon nahm mit einem Nicken die Entschuldigung an und zog sich mit ihrer Besucherin an den nächsten Tisch zurück.

"Oh, ein Kompetenzenstreit", flötete Jeanne ganz leise. "Madame Unittamo hat sich zu weit aus dem Fenster gelehnt."

"Denke ich nicht, Jeanne. Dann hätte Professeur Faucon sie sofort aus dem Saal geschmissen", sagte Julius. "Es ging den beiden nur darum, uns ihre Vormachtstellung zu zeigen. Madame Unittamo hat es durch praktische Vorführung gemacht, Professeur Faucon durch Beharren auf ihre Vorrechte."

"Aja, das kann man so sehen", erwiderte Barbara belustigt.

"Ich hätte es mal zu gerne gewußt, wie Professor McGonagall das hingenommen hätte, wenn Madame Unittamo sich vor ihren Schülern andauernd in irgendwas verwandelt", überlegte Julius. Dann bekam er schon den nächsten Übungszettel mit der Bemerkung, daß dies die letzte praktische Vorbereitung auf die Prüfungen sei. So hielt er sich ran und schaffte in der vorgegebenen Zeit alle Verschwinde- und Verwandelzauber getreu der Liste.

Erschöpft von der anstrengenden Arbeit kehrte Julius nach dem Kurs in den grünen Saal zurück. Claire blieb von ihm weg, obwohl Goldschweif hier gewiss nicht hereingekommen war. Doch irgendwie, so fühlte er, wollte sie ihn zwingen, eine Entscheidung zu treffen, was er mit Goldschweif machen solle. Doch dazu mußte er ja erst einmal wissen, was Goldschweif Claire gegenüber so abweisend machte. Doch wie sollte er gerade jetzt, wo die Vorbereitungen liefen, eine Antwort darauf finden?

Was es heißen mochte, wenn er Claire verachten und verstoßen würde, konnte er sich in den nächsten zwei Tagen gut vorstellen. Die Jungen seiner Klasse fragten ihn dauernd, was er getan hatte, weil Claire sich für alle sichtbar von ihm fernhielt. Céline und Bébé sahen ihn immer an, als habe er was gemeines angestellt. Jasmine und Irene fragten ihn nach der letzten Vormittagsdoppelstunde, wielange er das so weiterlaufen lassen wolle. Er hätte früher nie gedacht, daß es ihm mal so wichtig sein könnte, einen bestimmten Menschen um sich zu haben. Doch wenn er in den Pausen oder nach dem Mittagessen alleine über das Gelände von Beauxbatons schlenderte, fühlte er sich irgendwie wie bestellt und nicht abgeholt. Zwar lief ihm Goldschweif nun häufiger hinterher, was Claires Haltung nicht besserte, aber Julius fragte sich, wielange es dauern mochte, bis er seine innere Ruhe verlor und frustriert und wütend irgendwen ohne Grund anschrie.

"Wir können die nicht mehr im Gehege halten, Julius", sagte ihm Professeur Armadillus am Freitag nachmittag, als er sich bei ihm erkundigen wollte, wieso Goldschweif schon wieder hinter ihm hergelaufen war. "Nachts kann sie raus und geht morgens nicht mehr in das Gehege zurück. - Ich weiß nicht, was sie gegen Mademoiselle Dusoleil hat. Mag sein, daß sie irgendwie eifersüchtig ist."

Goldschweif war bestimmt nicht Eifersüchtig, erkannte Julius, als er am Samstag morgen alleine zum Kräuterkundefreizeitkurs ging, obwohl Claire keine zehn Schritte von ihm entfernt war. Die Montferres, die im zweiten Halbjahr auch im Freizeitkurs bei Professeur Trifolio waren, kamen zu ihm hin und grüßten ihn. Sabine fragte vorsichtig, ob es ihm gut ginge. Er deutete in die Runde der Kursteilnehmer und sagte:

"Ich habe nur ein Problem mit Goldschweif. Irgendwie muß sie nun meinen, ich gehöre nur ihr allein und ..."

Maunzend tapste Goldschweif auf Samtpfoten heran, schlängelte sich anmutig zwischen Sabines Beinen hindurch, umstrich Julius' linkes Bein und hüpfte dann ansatzlos auf seine rechte Schulter. Sabine sah das schöne Katzenwesen an, das wohlig maunzte und schnurrte. Julius wollte schon warnen, daß die Knieselin jemandem ins Gesicht springen konnte, als Sabine vorsichtig ihre Hand ausstreckte. Die Mademoiselle mit dem goldenen Schweif schmiegte ihr Gesicht an ihre Hand und schnurrte weiter. Sie ließ es zu, daß Sabine ihr sacht den Rücken streichelte.

"Mich mag sie komischerweise. Also will sie dich nicht nur für sich haben", meinte die Sechstklässlerin aus dem roten Saal. Sandra, die laut Mildrid und Caro eine eigene Hauskatze hatte, kam vorsichtig heran und streichelte auch Goldschweif. Diese schien sie zu beschnüffeln und dann noch wohliger zu schnurren. Sabines Ohren erröteten merkwürdig, als habe sie gerade an was unanständiges gedacht und müsse sich anstrengen, das keinen mitkriegen zu lassen.

"Höchst interessant", bemerkte Sandra Montferre. Dann schloss sie Julius ansatzlos in eine leichte Umarmung. Goldschweif stand langsam auf, hüpfte zur Seite weg nach unten und strich schnurrend um Julius und das rothaarige Mädchen herum.

Claire sah mit immer größeren Augen zu, was passierte. Sandra Montferre konnte sehen, wie ihr naturbraunes Gesicht immer röter wurde, allerdings nicht vor Scham sondern vor hochkochender Wut.

"Das ist ein Kuppelkniesel, Julius", grinste Sandra ihn amüsiert an, als sie den perplexen Jungen aus der Umarmung freigab. "Was immer die gegen Claire hat, mich macht sie förmlich an, bei dir zu sein."

"Ach du großer Mist!" Sagte Julius. Sandra sah ihn irritiert an. "Nein, Sandra, nicht daß ich dich nicht leiden mag. So meinte ich das bestimmt nicht. Ich meine nur, daß das ja fies von Goldschweif ist, wenn die meint, mir wen aussuchen zu wollen."

"Achso, und ich dachte schon, du wolltest sagen, daß du das nicht gern hast, wenn dich ein Mädchen in die Arme nimmt", sagte Sandra. Sabine sah Julius ernst an und meinte:

"Was immer Claire hat, was die Mademoiselle da unten nicht mag, es ist nichts charakterliches, weil sie wohl sonst schon rabiat zu Mademoiselle Dusoleil geworden wäre."

"Wunderbar", knurrte Julius und lief schnell weiter, weil die Schar der Kursteilnehmer schon fast am Gewächshaus mit den magischen Pflanzen der nördlichen Breiten angekommen war, die sie heute besprechen wollten. Claire stand immer noch weit von Julius weg und sah mit funkelnden Augen zu, wie Goldschweif immer um die Montferres und Julius herumstrich und sie immer wieder zusammenzutreiben schien, wie ein Schäferhund eine Schafherde.

"Oh, Monsieur Andrews, ich weiß, Sie haben dieses Tier nicht abgerichtet. Aber ich kann es nicht dulden, daß es in meinem Gewächshaus herumläuft. Außerdem glaube ich nicht, daß mein Kollege Armadillus sonderlich begeistert wäre, wenn es sich mit den norwegischen Nadelspeerflechten anlegt", sagte der bohnenstangengleiche Professeur Trifolio. "Ich räume Ihnen fünf Minuten ein, das Tier in sein angestammtes Gehege zu verbringen und zurückzukehren. Jede Minute Verspätung muß ich dann jedoch mit fünf Strafpunkten ahnden."

"Verstanden, Professeur Trifolio", grummelte Julius, dem nun langsam die Wutröte ins Gesicht stieg. Die Jungen aus dem Kurs alberten herum, daß Julius wohl eine treuere Freundin gefunden habe als Claire es sein könnte. Die Mädchen, die die Mehrheit stellten, ließen sich von den Montferres erzählen, was diese rausgefunden hatten. Ein teils amüsiertes, teils albernes Kichern war die Antwort.

Julius bückte sich nach Goldschweif, hob sie vorsichtig auf und lief dann schnell los, richtung Gehege. Doch Goldschweif wußte, wo die Reise hingehen sollte, knurrte gefährlich und entwand sich seinem Griff. Federnd landete sie auf dem Boden und jagte im Hui zurück zum Gewächshaus.

"Verdammte ... Das wird ja immer schlimmer", fauchte Julius und stampfte mit dem rechten Fuß auf. Die Knieselin saß derweil schon wieder vor der Gewächshaustür. Julius rannte zu ihr und wollte sie wieder aufnehmen, doch sie fauchte ihn sehr unmißverständlich an und fuhr ihre rechten Vorderkrallen halb aus.

"Ich will nicht eingesperrt werden willst du wohl sagen, wie? Aber ich kann dich nicht da mit reinnehmen, Goldi. Professeur Trifolio will das nicht."

Die Knieselin sah ihn mit ihren smaragdgrünen Augen sehr lauernd an. Dann zog sie die ausgefahrenen Krallen wieder ein und lief vor Julius her mit senkrecht aufgestelltem Schweif.

"Heh, wo willst du denn jetzt hin?" Fragte Julius irritiert. Doch die Knieselin wurde immer schneller, sodaß er bald im leichten Dauerlauftrab hinter ihr herhasten mußte. Sie schien wohl genau zu wissen, wie schnell Julius laufen konnte, denn sie hielt eine Geschwindigkeit durch, die er gerade so mithalten konnte. Er fragte sich, wieviel Ausdauer dieses Tier wohl hatte. An und für sich waren Katzen gute Sprinter und Springer, aber keine Dauerläufer wie Hunde, wußte er. Doch als sie bei einer Gruppe von jungen Mädchen ankamen, die gerade vor dem Teleportal zum Strand standen, mußte er feststellen, daß sie doch mal eben vierhundert Meter in neunzig Sekunden zurückgelegt hatten.

Julius sah das rotblonde Haar Millie Latierres schon von weitem und ahnte zähneknirschend, was dieses goldschweifige Monstertier da mit ihm angestellt hatte oder noch anstellen wollte.

"Sandra hat recht", erkannte er nun überdeutlich, als Goldschweif miauend auf Mildrid Latierre zuging, die gerade durch das magische Tor treten wollte. Sie wand sich um. Doch Julius hatte keine Lust, sich auch von ihr anzuhören, daß Knieseldame Goldschweif für ihn irgendwelche Mädchen aussuchen würde und rannte einfach los, etwas schneller als vorher.

Laut krakehlend setzte Goldschweif ihm nach, holte ihn ein und landete aus dem Lauf heraus auf seiner linken Schulter. Der Beauxbatons-Schüler bremste ab und hielt an. Was sollte er jetzt machen? Dieses Tier, das er vor nicht einmal einer Woche gegen keinen Berg aus Gold hätte eintauschen wollen, wollte ihn mit seinen einfachen aber wirkungsvollen Mitteln dazu bringen, sich mit jemandem zu treffen, die keine schwarzen Haare und dunkelbraunen Augen hatte.

Keuchend kam Millie angehetzt, während Julius unschlüssig dastand.

"Ich dachte, du hättest Kräuterkunde, Julius. Aber offenbar hat deine neue Freundin was dagegen."

"Ich weiß nicht, was mit der los ist, Millie. Ich wollte sie nur zum Gehege zurückbringen. Ich habe nicht viel Zeit. Trifolio hat mir nur fünf Minuten gegeben, um sie sicher nach Hause zu bringen."

"Na klar, und sie will nicht nach Hause", lachte Mildrid Latierre und sah, wie sich Goldschweif an Julius Gesicht anschmiegte, bevor sie Millie ansah und wohlig maunzte.

"Achso", brachte Millie mit unheimlich gesenkter Stimme heraus. "Ich verstehe. Offenbar hat Goldschweif die Fachsen dicke, die Mademoiselle Dusoleil mit dir veranstaltet und sucht dir was neues aus. Finde ich aber nett, daß sie sich an mich erinnert."

"Ich denke nicht, daß das witzig ist", raunzte Julius die Klassenkameradin aus dem roten Saal an. Diese deutete das jedoch als Bestätigung und lächelte erfreut.

"Aber stimmen tut's, Julius. Denkst du, ich hätte das nicht gepeilt, daß sie Claire zurückgescheucht hat? Jetzt hängt sie auf deiner Schulter und schnurrt mich an wie eine besonders liebe Freundin. Steht in diesem Knieselbuch nicht drin, daß Kniesel ihren auserwählten Vertrauten nicht selten die richtigen Partner aussuchen?"

"Ich habe das Buch gelesen, Millie. Da steht nicht eindeutig drin, daß sie sowas machen. Da steht nur drin, daß Leute, die einen Kniesel haben, mit dessen Unterstützung gute Freunde und auch einen gut zu ihnen passenden Partner gefunden haben wollen, weil Kniesel auf mißliebige Leute abweisend reagieren."

"Dann müßtest du ja davon ausgehen, daß Claire dich irgendwie verschaukeln will oder grundsätzlich böse ist. Das tust du aber nicht, oder?"

"Nein, tue ich nicht, verdammt! Ich weiß nicht, was die hier hat. Aber ich habe im Moment keine Zeit und Lust, das mit dir zu besprechen. Ich bringe sie jetzt zu Armadillus. Soll der sie doch zurückbringen. Ich muß in knapp drei Minuten wieder beim Gewächshaus sein."

"Sonst gibt's Strafpunkte, oder?"

"Mademoiselle Latierre, auch wenn Sie recht haben hat Sie das nicht zu kümmern", sagte Julius sehr sachlich klingend. Doch sein Gesicht zeigte seinen Zorn. Millie schenkte ihm einen sehr hingebungsvollen Blick, nickte nur und sagte:

"Wenn Goldschweif dich zu Armadillus läßt, Julius. Falls nicht, wir sind am Strand, Leonnie, Caro und ich." Sie formte kurz einen Kussmund, zwinkerte Julius aufreizend zu, daß er unvermittelt meinte, in heißes und kaltes Wasser geworfen zu werden und schlenderte dann gemächlich zum Teleportal zurück.

Julius lief los. Goldschweif sprang ihm von der Schulter und lief um ihn herum, immer wieder in die Richtung blickend, in der Mildrid verschwunden war. Dem Jungen kam eine Idee. Wenn er Goldschweif nicht zu Professeur Armadillus bringen konnte, mußte er sie lediglich abschütteln. Er lief zum Palast zurück, betrat die große Eingangshalle, suchte sich ein zum Wandschlüpfsystem gehörendes Mauerstück und wechselte schnell, bevor Goldschweif mitbekam, was er da machte, zum Gewächshaus zurück. Leise öffnete er die Tür, trat ein und schloss die Tür sorgfältig wieder. Goldschweif würde mindestens dreißig Sekunden brauchen, um ihn mit ihrem Spürsinn zu orten und hier anzukommen.

Im Gewächshaus war es kalt. Hier herrschte eine Dauerkälte von minus zehn Grad. Er kannte das schon, daß am Eingang Gläser mit dem Warmhaltetrank standen, die so gefüllt waren, daß der Trank die benötigte Zeit vorhielt. Julius trank soviel, daß er nach den Kursstunden nicht wie in einem Backofen schwitzen mußte, wenn er das Arktikgewächshaus wieder verließ.

Er lauschte Professeur Trifolio, der ihn nur kurz angesehen und genickt hatte und arbeitete mit den anderen Kursteilnehmern an norwegischen Nadelspeerpflanzen, Feuerflechten und Eiswurzstauden. Er wagte es nicht, zur Tür hinzusehen. Er hörte jedoch am verhaltenen Kichern der Mädchen und sah an den verstohlenen Gesten der Jungen, daß Goldschweif vor der Gewächshaustür hocken mußte.

Da Claire ihn mit einer abweisenden Geste und Kopfschütteln von ihrer Gruppe fernhielt, arbeitete Julius mit den Montferres zusammen. Diese sagten keinen Ton mehr als erlaubt war. Nur als Trifolio die vorgeschriebene Pause verkündete, wandte sich Sabine an Julius.

"Die wollte nicht ins Gehege zurück, oder? Die ist jetzt wohl voll auf dich eingepeilt, wie?"

"Wenn es das nur wäre, wäre es kein Problem, Bine. Die meint, mich wirklich verkuppeln zu müssen. Bevor du's von ihr hörst, Goldschweif hat mich schnurstracks zu Millie Latierre geführt, die gerade zum Strand wollte. Millie amüsiert das irgendwie."

"Na klar, weil Goldschweif das tut, was sie sich nicht mehr traut", erwiderte Sandra Montferre. "Steht das nicht im Buch über Kniesel, daß die Paare zusammenbringen können? Du und Claire passt genial zusammen. Aber offenbar ist das für Goldschweif kein Thema."

"Sag das bitte Claire!" Grummelte Julius. "Du siehst ja, daß sie nicht einmal mehr mit mir reden will."

"Weil sie vielleicht Angst hat, Julius. Ich hörte das von Belisama, daß Goldschweif ihr beinahe ein Auge ausgekratzt hat. Die weiß jetzt nicht mehr, was sie machen soll."

"Ja, gut, sehe ich ein, daß sie Angst hat. Aber hier kam Goldschweif nicht rein. Sie könnte doch dann ..." Als hätte Julius Claires Gedanken beeinflußt schlenderte sie mit Belisama zusammen herüber.

"Na, Julius Andrews, hat dieses Untier befunden, daß du besser mit Sandra Montferre zusammengehen sollst. Immerhin kann sie dir ja viel mehr beibringen als ich. Sie ist ja nur drei Jahre älter als ich", schnaubte Claire, während Belisama verstohlen zu Julius blickte.

"Claire, ich weiß nicht, was die miauende Mademoiselle hat und konnte das auch bisher nicht klären. Es tut mir leid, daß sie dir Angst eingejagt hat. Ich hab' die nicht dazu abgerichtet, meine Anstandsdame zu sein."

"Das wäre ja dann wohl auch voll danebengegangen. Ich hab's gesehen, wie Sandra dich in die Arme genommen hat und ..."

"Dann hättest du auch sehen müssen, daß meine Schwester nur ausprobieren wollte, wie weit sie gehen durfte, ohne Goldschweif zu reizen. Die will dir Julius bestimmt nicht wegnehmen", mischte sich Sabine ein. Claire funkelte die wenige Minuten eltere Montferre-Schwester an und fauchte:

"Ach ja, wie weit sie gehen darf? Julius hat sie aber schön gelassen oder?"

"Heh, Claire, jetzt wirst du aber unverschämt", entrüstete sich Julius. "Ich hatte nichts mit Sabine oder Sandra oder Millie oder sonst wem außer dir und möchte auch gerne weiter mit dir zusammen sein. Denkst du, mir gefällt das, wie Goldschweif dich anfaucht und bedroht?"

"Die Auswahl ist doch groß genug. Wenn die mich nicht will, du die aber auch nicht energisch zurückweist, wird sie dir schon jemand neues aussuchen, die bestimmt das mit dir anstellt, was Goldschweif für richtig hält. Wenn es mir egal wäre, was mit dir und dieser Katze", sie spuckte das Wort förmlich aus, "los ist, hätte ich keine Probleme damit, dich einfach weiterziehen zu lassen. Aber du bist mir nicht egal. Also sage ich dir jetzt was, und du kannst zeigen, wie wichtig dir das ist, hier vor den Montferres und Belisama. Bis zum Ende der Prüfungen hast du dich entweder für Goldschweif entschieden oder für mich. Das bedeutet, werde dieses Tier los oder such dir wirklich 'ne andere! Angeblich haben Kniesel ja gute Heiratsvermittlungstalente."

"Verdammt noch mal, wie soll ich denn Goldschweif dazu kriegen, mich zu vergessen?!" Raunzte Julius, den die ungewohnten Gefühle von Frust und Zorn annervten.

"Ich dachte, du hättest dieses Buch gekriegt und mit Belisamas Tante über Kniesel geplaudert. Kriege raus, was du tun mußt und sieh zu, daß sie dir nicht mehr hinterherläuft! Ich habe keine Lust, mit zerkratztem Gesicht nach Hause zu fahren. Eine angenehme Zeit noch!"

Der letzte Gruß schlug wie ein Dampfhammer in Julius' Magengegend ein. Das bedeutete, daß Claire von jetzt an bis zum Ablauf der von ihr gesetzten Frist nicht mehr mit ihm reden würde, auch im Tanzkurs wohl nicht. Sie zog sich mit entschlossener Miene zurück. Belisama sagte zu Julius:

"Du kannst nichts dafür, daß Goldschweif dich ausgesucht hat. Du bist doch auch in dem Tanzkurs. Wäre besser, wenn du heute Nachmittag mit mir oder Estelle tanzen würdest. Dann kommt Claire vielleicht wieder runter von ihrem Vulkan."

"Sie ist der Vulkan, Belisama", erwiderte Julius verächtlich grinsend. "Wenn ich jetzt mit dir oder Estelle tanzen würde, müßte sie doch erst recht meinen, daß sie bei mir abgemeldet ist." In Gedanken fügte er noch hinzu: "Langsam frage ich mich auch, ob ich das nicht auch besser so rüberbringen soll. Goldschweif meint, mich beschützen zu müssen. Die hat mir in der Galerie von Slytherin das Leben gerettet, und ihre Instinkte sind wohl sehr gut. Wenn Claire meint, mich ablegen zu müssen, Goldschweif meint das nicht."

Die restliche Zeit half Julius den Montferres beim Eingraben eines isländischen Schwefelschlürfers, eines an und für sich mickrigen braunblätterigen Gebüschs, das jedoch auf seinen sechs Wurzeln wie auf kurzen Beinen durch die Gegend wandern konnte, um sich in von heißen Quellen getränkte Böden zu bohren. Weil sie aber sehen wollten, wie diese Pflanze wanderte, mußten sie sie in einen von kaltem Süßwasser getränkten Boden einbuddeln, was ihnen das Gebüsch mit austretenden Wurzeln und gelben übelriechenden Schwefelgasattacken übelnahm. Nur mit dem Kopfblasenzauber, den Julius wie die Montferres beherrschte, widerstanden sie den Angriffen des Schwefelschlürfers und konnten ihn nach zehn Minuten in die vorgesehene Erdkrume einpflanzen. Doch es dauerte keine zwei Minuten, da hatte die Zauberpflanze ihre Wurzeln wieder freibekommen und stackste wie ein großes Insekt mit Blättern oben drauf zu seinem ursprünglichen Platz zurück, um die Wurzeln dort wieder einzubohren.

"Halten wir fest für's Laborbuch, daß die Sulfuribibenda borealis nach nur einhundertzwanzig Sekunden den für sie ungeeigneten Boden wieder verlassen hat und mit durchschnittlich vier Stundenkilometern zu einem für sie angenehmeren Platz hinübergegangen ist", stellte Julius sachlich fest, als die Montferres und er die Kopfblasen wieder aufgelöst hatten. Durch das Gewächshaus wehte derweil ein scharfer kalter Wind, der die Schwefelgaswolken vertrieb.

Sie schrieben die notwendigen Angaben über diesen Versuch in ein großes Notizbuch ein, daß Trifolio jeder Arbeitsgruppe zu Stundenbeginn ausgehändigt hatte. Dann notierten sie sich die wichtigsten Dinge für ihre eigenen Aufzeichnungen, denn es konnte ja sein, daß sie das später für wichtige Prüfungen noch mal gebrauchen konnten.

"Ich habe es zugelassen, daß Sie mit den Demoisellen Montferre eine Arbeitsgruppe bildeten, weil ich wußte, daß Sie über das nötige Fachwissen verfügen und die Eigensicherungszauber beherrschen, die gerade im Umgang mit dem Schwefelschlürfer geboten sind", sagte Professeur Trifolio nach den Kursstunden, als er den einzelnen Gruppen Bonus- und Strafpunkte zuerkannte. "Mich geht es zwar nichts an, weil ich nicht Ihr Saalvorsteher bin, Monsieur Andrews, aber ich möchte Ihnen doch empfehlen, die bislang so harmonische Zusammenarbeit mit Mademoiselle Dusoleil nicht durch abschweifende Forschungen an magischen Tierwesen zu gefährden. Wir sehen uns dann am Mittwoch in der Jahresendprüfung."

Dieser Wissenschaftler hatte keinen Dunst, so fand es Julius, was da zwischen ihm, Claire und Goldschweif ablief. Der dachte nur an die "harmonische Zusammenarbeit". Mußte ihm das jetzt Angst machen, daß er vielleicht irgendwann selbst ein fachbezogener aber einsamer Forscher werden könnte? Er wollte, ja mußte klären, was mit Goldschweif los war.

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Warum will Julius das nicht annehmen, daß die größeren Weibchen zu ihm passen. Die beiden Schwestern sind gerade richtig in Stimmung. Ja, ich merke, wie die jüngere, Sandra, Julius gut umwirbt, wenn sie auch noch nicht ganz entschlossen ist, ihn zu sich zu nehmen. Das andere Weibchen, Mildrid, will ihn auch haben. Aber er stellt sich abweisend, obwohl ich spüre, daß er sie auch nehmen würde, wenn sie ihn richtig umwirbt. Heh, wo rennt er denn jetzt hin? Autsch! Die Kraft hat ihn weggezogen, laut singend. Ich weiß jetzt nicht ... Ah, irgendwie ist er wieder bei diesem Pflanzenhaus. Er will wohl doch zu den Schwestern. Ich laufe los, um bei ihm zu sein.

nein, die große durchsichtige Fläche, durch die sie alle hindurchgehen, ist fest und läßt mich nicht zu ihm. Ich setze mich hier hin. Der wird schon wieder rauskommen. Ich kann sehen, daß er mit den beiden gleichgeborenen Weibchen zusammen ist. Ja, er soll bei ihnen bleiben. Claire ist mit einer anderen Artgenossin zusammen da drin, aber weit genug weg.

Höi, die geht ja doch zu ihm. Aber sie ist böse auf ihn. Sie sagt was zu ihm, was böse klingt. Hat sie es jetzt endlich raus, daß ihr Bruder für sie kein Partner für die Aufzucht ist? Sie ist ja seine Schwester, also wohl auch so klug wie Julius. Ah, sie zieht sich wieder zurück und läßt ihn bei den älteren Weibchen.

Uä, die machen was mit einem unheimlichen Pflanzending, das alleine rumlaufen kann und sie mit stinkendem Zeug benebelt. Das kriege ich hier ja auch mit. Heh, lasst die Pflanze in Ruhe! Die stinkt euch ja alle weg.

Aha, jetzt kommen sie raus. Julius geht zusammen mit den beiden Gleichgeborenen. Ich freue mich und laufe zu ihm. Ich setze mich wieder auf seine Schulter und sage ihm, daß er bei diesen Weibchen gut aufgehoben ist. Aber er hört mich offenbar nicht mehr, seitdem wir das letzte Mal in diesem Lichtstrudel gewesen sind. Wie soll ich ihm denn sagen können, daß ich weiß, wer für ihn die richtige Partnerin ist?

Wo will er denn jetzt hin? Anstatt ordentlich um eines der beiden Weibchen zu werben geht er einfach in den Steinbau zurück. "Julius, die sind in Stimmung für dich!" Rufe ich ihm zu, schaffe es aber nicht, ihn zu ihnen zurückzubringen. Ich will runterspringen, um ihn zu den beiden zurückzuführen. Ich laufe den beiden Weibchen nach, die Klettersteine hochsteigen, weil sie ja keine Krallen haben, um sich an den Wänden hochzuziehen und wohl auch nicht so gut springen können. Ich höre wieder die Kraft, die Julius wegzieht. Auua! Kann er das nicht lassen? Wo ist er denn überhaupt? Aha, er läuft wohl im Steinbau herum, wo nicht so viele Artgenossen sind. Ich warte ein wenig, dann laufe ich ihm nach. Diese Klettersteine sind wirklich einfach zu nehmen. Ich kann leicht darüber hochspringen und komme schnell in eine große Höhle weiter oben.

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Julius hatte es geschafft, Goldschweif abzuhängen. Nach der Stunde bei Trifolio war er mit den Montferre-Mädchen zusammen hinausgegangen, wo Goldschweif sich sofort auf seine Schulter gesetzt hatte und ihm was wohliges vorschnurrte. Sabine meinte, sie würde ihm wohl sagen, daß er bei ihr und Sandra richtig sei, was Julius ungewollt grinsen ließ. Er überlegte sich, ob er noch mal zu Armadillus gehen und ihm das Tier zurückgeben solte. Vielleicht war er ja in seinem Büro. Er ging in den Palast zurück und wollte schon den Weg zu Armadillus' Büro einschlagen, als Goldschweif ihm laut was vormiaute, was irgendwie enttäuscht oder verärgert klang und von seiner Schulter sprang und hinter Sabine und Sandra herlief.

"Hat die das mitgekriegt, daß die Rossignols sie bei der Hexenwerbung versetzt haben?" Fragte sich Julius, als ihm die Idee kam, zuerst zu Professeur Faucon zu gehen und sie zu fragen, was er nun tun sollte. Immerhin hatte sie ja mitbekommen, wie wichtig Goldschweif für ihn gewesen war und wußte auch, wie es bis vor einigen Tagen noch zwischen ihm und Claire gelaufen war. Vielleicht konnte sie ihm ja einen Rat geben, wie er beide Damen, die schwarzhaarige Zweibeinerin und die goldschweifige Vierbeinerin unter einen Hut kriegen konnte.

Er schlüpfte einfach durch die Wand zu Faucons Büro. Auf dem Flur davor war im Moment niemand. Er ging näher und lauschte. Er hörte nichts. Er sah das Türschild "Bitte nur bei wichtigen Angelegenheiten anklopfen!" aufleuchten. Er überlegte sich, ob das was er auf dem Herzen hatte wichtig genug war, um zu stören. Aber es war ja wichtig. Immerhin hatte Professeur Faucon ja sowohl die Beziehung zu Claire als auch das Verhältnis zu Goldschweif für ihn als förderlich bezeichnet. Es würde sie bestimmt interessieren, was in letzter Zeit passiert war. So hob er schwerfällig die Hand und klopfte erst sachte, dann zweimal entschlossen an.

Das Türschild leuchtete ihm nun die Aufforderung "Herein!" entgegen. Er öffnete die Tür und sah für eine Hundertstelsekunde noch einen ockergelben Schimmer hinter der Tür, bevor sie sich weit genug öffnete und er in den ihm vertrauten Büroraum hineinsah.

"Kommen Sie rein, Monsieur Andrews, ich habe schon damit gerechnet, daß sie mich aufsuchen", sagte Professeur Faucon mit einladender Geste. Julius trat schüchtern ein und schloss die Tür wieder.

"Sie haben auf mich gewartet?" Fragte er.

"Sagen wir es so: Ich ging fest davon aus, daß Sie mich bald aufsuchen würden, nachdem ich von Professeur Armadillus hörte, daß Goldschweif seiner Kontrolle entglitten sei und sich nun sehr häufig in Ihrer Nähe aufhalte. Aber setzen Sie sich doch bitte!"

Julius nahm auf dem bequemen Besucherstuhl Platz und sah sich um. Von hier aus war er vor einer Woche zu seiner gefährlichen Reise in die Bilderwelt aufgebrochen. Da war das Weizenfeldgemälde, über dessen detailgenauem goldenen Ährenmeer die Mittagssonne strahlte. Aber was machte Viviane Eauvive auf diesem Feld? Die Gründungsmutter von Beauxbatons trug ihre grasgrüne Gartenschürze und einen kleinen weißen Hexenhut, ähnlich einem, den Julius bei Mrs. Priestley gesehen hatte, als sie mit seiner Mutter in Hogwarts zu Besuch war.

"Guten Tag, Julius!" Grüßte die gemalte Mitgründerin der Beauxbatons-Akademie mit strahlendem Lächeln. Julius grüßte zurück. Dann wandte er sich Professeur Faucon zu.

"Nun, meine Freundin hat mir ein Ultimatum gestellt. Wenn ich bis Ende der Prüfungen Goldschweif nicht von mir wegbekomme, dürfte ich mir eine neue Freundin suchen. Sie hat wohl Angst, von der Knieselin verletzt zu werden. Ich muß sagen, ich kann es ihr nicht verdenken, nachdem ich gesehen habe, wie sie den einen Zauberer in diesem Bild bei den Slytherins zugerichtet hat. Ja, ich habe mir Goldschweif nicht ausgesucht. Aber ich möchte sie nicht so derb loswerden, nach dem, was sie für mich getan hat. Aber Claire und ich kamen bisher auch sehr gut miteinander aus. Ich möchte ihr nicht wehtun und möchte auch mit ihr zusammensein."

"So, da kommen Sie zu mir, um mich zu fragen, was ich von der Angelegenheit halte, weil ich ja alles relevante weiß? Sollte es mich interessieren?"

Julius wußte nicht, wie er diese Frage verstehen sollte. Hieß das, daß es ihr nicht passte, sich damit zu befassen und er besser wieder gehen sollte? Doch die Lehrerin antwortete auf ihre Frage selbst, bevor er wieder aufstehen und davongehen konnte. "Sicher ist es mir wichtig, Wie Sie hier zurechtkommen. Sicher geht es mich etwas an, wie an und für sich sehr gute partnerschaftliche Beziehungen sich weiterentwickeln. Auch liegt mir ein Antrag von Professeur Armadillus vor, der ähnlich ultimativ formuliert ist, wie die Aufforderung Ihrer Freundin", sagte sie leicht ungehalten klingend. Dann zog sie ein Pergamentstück aus einer Schreibtischschublade und breitete es vor sich aus. Julius konnte locker über Kopf mitlesen, was da stand. Doch weil Professeur Faucon es laut vorlas, wirkte es für ihn offizieller. In bernsteinfarbener Tinte stand da:

"Sehr geehrte Kollegin, Professeur Faucon,

ich möchte Sie hiermit darüber in Kenntnis setzen, daß ich in den letzten Tagen zu meinem steigenden Mißfallen beobachten mußte, daß das meiner Obhut anvertraute Weibchen der Species Mysteriofelis rictavia Knieseli, namentlich Queue Dorée, meiner Hege und Bewachung entflieht und sich ständig in unmittelbarer Nähe des Schülers Julius Andrews aufhält. Mir ist das von diesem Weibchen aufgebaute Verhältnis zu besagtem Schüler bekannt und wird auch großenteils akzeptiert, verstößt jedoch mittlerweile gegen die getroffenen Vereinbarungen, daß das oben genannte Tierwesen tagsüber in dem dafür eingerichteten Gehege zu verbleiben hat.

Ich unterstelle dem Ihrem Saal zugeteilten Schüler keineswegs Absichten, besagtes Tierwesen dauerhaft meiner Obhut zu entfremden, möchte jedoch entschieden darauf hinweisen, daß das Tierwesen bis zum endgültigen Verlassen des Schülers Julius Andrews Eigentum der Beauxbatons-Akademie ist, sofern Besitzrechtliche Begriffe bei Individuen von Mysteriofelis rictavia Knieseli anwendbar sind. Dies zwingt mich als offiziell berufenen Hüter der magischen Tierwesen auf dem Grund der Beauxbatons-Akademie, einen berechtigten Protest einzureichen und Sie darum zu ersuchen, dahingehend auf den Ihrer Verantwortung untergeordneten Schüler einzuwirken, daß er sich bis zum ende des Schuljahres gemäß der ihm mitgegebenen Wissensgrundlagen eine Methode ersinnt, sich das besagte Tierwesen abspenstig zu machen, wozu es diverse Methoden gibt, sofern er es nicht schafft dieses Tierwesen gemäß den Vereinbarungen wieder in seinem Gehege zu belassen oder mit massiven Strafpunkten und einem Antrag auf vorzeitigem Verweis von der Beauxbatons-Akademie gemäß der Schulordnung für umfeldgefährdende Schüler zu rechnen hat.

Sie dürfen versichert sein, daß ich dieses Ultimatum keineswegs freiwillig und mit Ergötzen an Sie stelle, auf daß Sie es an den besagten Schüler weiterleiten. Mir lag und liegt viel daran, Monsieur Andrews in unserer altehrwürdigen Akademie zu belassen und ihn auch weiterhin in allen relevanten Zaubereifächern zu unterweisen. Jedoch liegt mir eine ähnlich geartete Aufforderung der Tierwesenbehörde vor, die mich zu diesem drastischen Schritt zwingt. Bitte teilen Sie mir mit, wenn Sie den Inhalt dieses Antrags an Monsieur Andrews weitergeleitet haben, da ich zurzeit durch andere Angelegenheiten zeitlich eingeschränkt bin, um im persönlichen Gespräch mit Monsieur Andrews die Sachlage zu klären.

Hochachtungsvoll

                    Professeur Aries Armadillus"

"Und von Ihrer Zeit spricht er gar nicht", meinte Julius nach einer halben Minute, in der sich das vorgelesene von seinem Kopf bis hinunter in seine Eingeweide gesenkt hatte. Armadillus wollte ihn wirklich rauswerfen lassen, wenn er Goldschweif nicht in ihrem Gehege halten konnte. Er konnte es sogar verstehen. Er war Muggelstämmiger. Seine Mutter lebte in einer reinen Muggelsiedlung. Er konnte schlecht diese Knieselin mitnehmen, wenn er nach Hause fuhr. Andererseits wollte er jetzt nicht mehr von Beauxbatons weg, obwohl es zwischen ihm und Claire - auch wegen Goldschweif - zurzeit frostig war. Er sah auf das eingetragene Datum und erkannte, daß er wohl nur zwei Stunden nach Abfassung dieses Ultimatums bei Professeur Faucon vorgesprochen hatte.

"Sie haben natürlich recht, daß meine Zeit auch nicht gerade im Überfluß vorhanden ist. Allerdings setzt mein Kollege eher auf meine Autorität als auf meine Verfügbarkeit und appelliert, wie Sie wohl zwischen den Zeilen lesen können, an mein Interesse Ihnen gegenüber, da er ja wie alle anderen Kollegen weiß, daß Sie im wesentlichen auf mein Betreiben unsere Akademie besuchen. Natürlich will ich mit allen Mitteln vermeiden, daß Sie uns wieder verlassen müssen. Warten Sie bitte und schweigen Sie solange, bis ich den zeitweiligen Klangkerker errichtet habe!" Sagte sie leise und zog den Zauberstab aus ihrem bonbonfarbenen Umhang.

"Sonorincarcero", murmelte sie nach zehn Sekunden, in denen sie wohl ihren Geist von allen mit Worten oder Klängen verbundenen Gedanken freigeräumt hatte, wie es zur fehlerfreien Durchführung des Zaubers nötig war. Ein ockergelbes Licht ergoss sich aus dem Zauberstab und fiel sacht auf die Wände, die Decke und den Boden. Kaum war auch die Tür von diesem Licht berührt worden, schimmerte von Wänden, Boden und Decke ein durchsichtiges ockergelbes Licht in den Raum. Der Klangkerker war nun komplett. Professeur Faucon winkte der Tür mit dem Zauberstab zu. Wahrscheinlich ließ sie das Türschild "Bitte nur bei wichtigen Angelegenheiten anklopfen" wieder aufleuchten. Dann sagte sie in ihrer persönlichen, wie eine gutmütige aber strenge Großmutter klingenden Betonung:

"Ich werde nicht zulassen, daß Sie dich nur wegen dieses Kniesels von Beauxbatons verweisen, Julius. Ich habe mir mit dir zuviel Mühe gegeben, um dich deshalb einfach so zu verlieren, und du hast es mir durch deine Einsatzbereitschaft und den Willen, dich hier friedlich einzufügen gedankt. Warum will Claire haben, daß du dich von Goldschweif trennst?"

"Weil ihr die Knieselin fast ein Auge ausgekratzt hätte, vorgestern war das, als Professeur Pallas Pausenaufsicht hatte", erwiderte Julius flüsternd, obwohl er genausogut aus leibeskräften hätte brüllen können.

"Du kennst den Klangkerker doch. Du brauchst nicht zu flüstern", sagte die Lehrerin wohlwollend lächelnd. "Ich erhielt natürlich den Bericht von Professeur Pallas. Da sie sich nicht mit Knieseln auskennt, konnte sie nicht verstehen, was da vorging. Natürlich weiß sie, daß Goldschweif dich als Vertrauten auserwählt hat und kennt natürlich auch dein Verhältnis mit Claire. Ist das die erste Abweisende Reaktion gewesen, die Goldschweif gezeigt hat?"

"Hmm, nein, Professeur. Die Knieselin hat sich schon häufiger über Claire geärgert. Ich dachte nur, daß es Eifersucht oder sowas ist, bis ich von ihr, also Goldschweif, zu anderen Mädchen hingeführt wurde, um die sie dann rumgestrichen ist und geschnurrt hat."

"Oh, interessant", sagten sowohl Professeur Faucon als auch Viviane Eauvive, die hinter dem ockergelben Schimmer in dem Weizenfeldbild auf einem bequemen Stuhl saß und die Beine locker übereinandergeschlagen hatte.

"So, gegenüber anderen jungen Damen zeigt sie also kein aggressives Verhalten?" Wollte Professeur Faucon wissen.

"Nein, überhaupt nicht, Professeur. Heute sogar sah es so aus, als wollte mich Goldschweif mit den Montferres zusammenbringen. Als ich sie auf Professeur Trifolios Anweisung hin zu ihrem Gehege zurückbringen wollte, lief sie los, aber nicht fort, sondern nur so schnell, daß ich hinter ihr herlaufen konnte. Dabei hat sie mich dann zu Mildrid Latierre geführt, die gerade zum Strand wollte. Auch um die ist sie rumgeschlichen und hat sie angeschnurrt und sich von ihr streicheln lassen."

"Ah, und du denkst jetzt, daß sie dich gezielt mit anderen jungen Damen zusammenbringen will. Denkst du nicht, sie empfindet Claires Gegenwart als Bedrohung oder Claire an sich als Bedrohung für dich?"

"Nein, nach dem, was ich letzte Woche gesehen habe nicht, Professeur. In diesem Bild mit den Zechbrüdern, die für Slytherin arbeiten wollten ist die einfach auf einen von denen losgestürzt und hat den heftig zerfleischt. Ich hätte fast gerei..., öhm, mich übergeben müssen, meinte ich natürlich."

"Achso, und du meinst, weil sie Claire nicht so entschlossen brutal angegriffen hat, hätte das nichts damit zu tun, daß sie vertrauenswürdige und feindlich gesinnte Menschen erkennen und auf sie reagieren kann?" Fragte die Lehrerin.

"Wenn ich Magistra Eauvives Buch richtig gelesen habe, so unterscheidet sie da schon, wann Kniesel jemanden wegen schlechter Wesenszüge ablehnen oder einfach nur nichts mit jemandem zu tun haben wollen", sagte Julius und erhielt ein Kopfnicken von Viviane Eauvive und ein wohlwollendes Lächeln zur Antwort.

"So, und was vermutest du, warum Goldschweif Claire ablehnt, ja förmlich verbeißt, aber junge Damen wie die Montferre-Geschwister und Mademoiselle Mildrid Latierre förmlich anhimmelt?"

"Hmm, das sie vielleicht irgendwas spürt, daß Claire und ich nicht zusammenpassen könnten, wohl eher biologisch als gesellschaftlich, weil ein Tier sich ja nichts um Freundschaften und Liebe schert."

"Oh, da unterschätzt du aber die Empfindungswelt eines Kniesels", schritt Viviane Eauvive ein und sah Professeur Faucon mit einem Blick an, daß diese erst einmal nichts sagen sollte. "Gerade das, was du letzte Woche von dieser Dame und den beiden älteren Herrschaften in Amt und Würden aufgehalst bekamst sollte dir mehr Einblick in die Empfindungswelt eines Kniesels geben als es mir oder dem Schöpfer dieser Tierart selbst möglich war. Die haben zwar wechselnde Geschlechtspartner, kennen aber Mutterliebe und Geschwisterliebe. Außerdem können sie trotz üblicher Einzelgängereigenschaften ein sehr tiefgehendes Verhältnis zu menschlichen Vertrauten knüpfen, das vorhält, bis Mensch oder Kniesel stirbt."

"Das hat Professeur Armadillus auch schon ...", wandte Julius ein, wurde jedoch von Professeur Faucons Räuspern abgewürgt.

"Nach diesem Höllenritt, den du dir in deinem jugendlichen Leichtsinn angetan hast, Julius, wird die Bindung zwischen Goldschweif der sechsundzwanzigsten und dir noch intensiver sein. Ja, ich wage sogar die behauptung, sie fühlt sich jetzt für dein Leben verantwortlich, wie eine Mutter für ihr Kind. Ihre Intelligenz gleicht zwar der eines dreijährigen Kindes, aber unter den Dreijährigen ist so mancher schon sehr aufgeweckt und erkennt, mit wem man es sich gut halten oder verscherzen kann. Ich habe als kleines Mädchen schon gemerkt, wenn jemand traurig war oder Angst vor etwas hatte oder wenn jemand was machen wollte, das er oder sie nicht mochte. Kniesel können das noch stärker empfinden und haben die Intelligenz, darauf zu reagieren. Der restliche Anteil ihrer Persönlichkeit wird von den Instinkten und den Sinnen geformt. Interessant, daß Goldschweif Claire Dusoleil als deine Freundin ablehnt. Sie ist ein nettes und kluges Mädchen und sieht auch jetzt schon hübsch aus. Viele andere Jungen würden dich beneiden."

"Ja, und das ist schon der Punkt. wenn ich das nicht aus Goldschweif rauskriege, daß sie Claire andauernd anfaucht und ihr die Krallen zeigt bin ich nächste Woche abgemeldet, Magistra Eauvive", knurrte Julius und straffte sich zur vollen Größe auf dem Besucherstuhl.

"Weil sie Angst hat, daß Goldschweif sie verletzt, wenn sie sich weiter in deiner Nähe aufhält. Ich gehe davon aus, daß sie nun sehr angespannt ist", meinte Professeur Faucon.

"Gereizt ist da wohl das bessere Wort. Als ich heute morgen vor dem Gewächshaus stand, hat Sandra Montferre ausprobiert, wie weit sie sich an mich herantrauen kann. Goldschweif war dabei jedoch ganz friedlich."

"Und was hat Mademoiselle Sabine Montferre dazu gesagt?" Fragte Professeur Faucon.

"Sie meinte, daß Goldschweif ein Kuppelkniesel sei", erwiderte Julius errötend. Viviane Eauvive grinste, Professeur Faucon sah ihn gebieterisch an, sprach dann aber sanftmütig:

"Die Wortwahl klingt zwar derb, trifft jedoch irgendwie den Kern der Sache. Ich erfuhr von Professeur Fixus, daß die Sprecherin ihres Saales anmerkte, der Kniesel könnte sich auch zu ihrer jüngeren Schwester hingezogen fühlen. Immerhin hat Mademoiselle Mildrid Latierre Goldschweif schon ein paarmal berührt. Höchst interessant."

"Ja, aber lästig", schoss Julius einen bissigen Kommentar ab.

"Nur, wenn man es nicht versteht", sagte Viviane Eauvive amüsiert. Dann sah sie Professeur Faucon an und meinte locker wie unter guten Bekannten: "Blanche, ich denke, das Thema, über das wir beide vorhin noch sprachen, ist nun aus einer anderen Perspektive zu betrachten, nicht wahr. Ich gehe mal davon aus, daß Sie mein Anliegen nun größer wichten und entsprechend weitervermitteln können."

"Sie wissen, daß dies bislang noch nie erwogen wurde, Viviane. Ich möchte nicht garantieren, daß der Zaubereiminister ..."

"dem nicht zustimmt, Blanche. Ich gehe davon aus, daß Sie und ich ihn davon überzeugen können, das es wichtig ist."

"Sie erwarten da was von mir, Viviane, wovon ich nicht weiß, ob es richtig oder falsch ist."

"Tja, das ist das Problem des ersten Mals, Blanche. man weiß es vorher nie, wie es verlaufen wird und ob es richtig oder falsch ist. Dennoch haben Sie wie ich im Leben viele erste Male erlebt und dabei viel wichtiges und schönes erfahren, oder?"

Professeur Faucon errötete. Diese Reaktion hatte Julius bei ihr bisher noch nie gesehen. Er wandte sich diskret ab und blickte die anderen Bilder an, die im Moment nicht bewohnt waren.

"Nun", hörte Julius seine Lehrerin sagen, "ich erörtere das sofort mit Monsieur Grandchapeau, falls er Zeit hat. Mehr möchte ich dazu im Moment nicht sagen."

"Nicht mehr und nicht weniger erwarte ich von Ihnen, Blanche", sagte Viviane Eauvive sanft klingend. Julius wandte sich nun wieder seiner Lehrerin zu, die die Verlegenheit überwunden hatte.

"Also, was das Problem mit der Knieselin angeht, so betrachte erst einmal dieses Ultimatum als gegenstandslos, das Professeur Armadillus uns gesetzt hat. Ich bin davon überzeugt, daß wir die Angelegenheit klären können, ohne deinen Schulverweis wegen massiver Störung des hiesigen Umfeldes zu beschließen. Du hast heute nachmittag noch Tanzkurs, nicht wahr?"

"Ja, das stimmt", sagte Julius verbittert.

"Ich werde dich davon freistellen und begründen, daß du wegen deiner Sonderprüfung noch kurze Übungseinheiten bei mir erhalten sollst", entschied Professeur Faucon. Dann öffnete sie kurz ein Fenster, worauf der zeitweilige Klangkerker verschwand.

"Ich wünsche, daß Sie sich heute nachmittag um 15.00 Uhr wieder in diesem Raum einstellen. Sollte vorher noch was wesentliches anfallen, erhalten Sie eine schriftliche Mitteilung von mir", sagte Professeur Faucon nun wieder in ihrem gestrengen Lehrerinnenton. Julius nickte und verabschiedete sich brav von ihr und der im Bild wartenden Gründungsmutter.

Er verließ den Raum, um fast über Goldschweif zu stolpern, die die ganze Zeit davor gelauert hatte, wie vor einem Mauseloch. Sie sprang ihm auf die Schulter und schnurrte vernehmlich.

Von hinten hörte Julius ein leises Zauberlied, das ihn Ton für Ton schläfrig machte. Goldschweif maunzte verdrossen, verlor langsam den Halt und rutschte seinen Rücken hinunter. Professeur Faucon, die leise aber wirksam sang, trat hinter Julius und fing den Kniesel auf, der immer schlaffer wurde. Sie hörte jedoch nicht zu singen auf. Julius, vom Zauber dieses Liedes stark umnebelt, obwohl es nicht mit voller Stärke an seine Ohren drang, wankte. Als die sieben Kilo Kniesel von seinem Rücken fort waren, stolperte er fast nach hinten. Professeur Faucon hielt ihm ihren Zauberstab an den Kopf und murmelte etwas, dessen Wirkung Julius schlagartig wieder munter machte.

"Ich weiß, daß man Kniesel nicht mit direkten Zaubern kommen sollte. Aber das Zauberschlaflied wirkt tatsächlich schneller auf diese Tiere ein, wohl wegen ihres Gehörs."

"Sie hat mir mal gesagt, sie könne Magie singen hören", sagte Julius leise.

"Hmm, kann ich jetzt nicht beurteilen", sagte die Lehrerin. "Ich behalte Goldschweif hier, bevor sie sich noch angewöhnt, Sie in den Speisesaal zu begleiten. Dort sind nur Eulen und dann nur, wenn sie Post zustellen zu einer bestimmten Tageszeit geduldet. Lassen Sie's sich schmecken, Monsieur Andrews!"

Julius wusch sich die Hände und ging zum Mittagessen. Weil er ständig an das denken mußte, was Professeur Faucon und Viviane Auvive mit ihm besprochen hatten, saß er irgendwie abwesend dreinschauend am Tisch. Als Robert ihn fragte, was los sei, meinte er nur:

"Ich soll heute nachmittag zu Sonderübungen bei Faucon antreten, damit ich diese 4-b-Vorschrift mit den zwei Dritteln aller Aufgaben bloß nicht versiebe", sagte er schnell. Und das war ja auch keine Ausrede.

"Achso, und jetzt wälzt du alle Zauberformeln im Kopf, die Königin Blanche von dir abfragen könnte?" Fragte Hercules Moulin mit einem Gesichtsausdruck zwischen Anerkennen und Bedauern.

"Genau", sagte Julius und zitierte einen Verwandlungszauber, der aus einem Waschbären eine Palme machte.

"o Julius, hör auf! Will ich jetzt nicht wissen", quängelte Robert. Damit hatte Julius sein Ziel erreicht, ungestört beim Essen weitergrübeln zu können.

Im Grünen Saal hielt er sich in der Nähe von Robert und Hercules auf und besprach mit ihnen die Sache mit Goldschweif. Er ließ jedoch aus, was er mit Professeur Faucon darüber besprochen hatte.

"Hmm, wenn die mich ausgesucht hätte würde ich die doch irgendwie loswerden, Julius. Die sind zwar nützlich, aber wenn die meinen, dir 'n Mädchen aussuchen zu müssen, das du nicht haben willst, such dir besser was neues als Haustier", sagte Robert Deloire. Hercules Moulin, dessen Vater in der Tierwesenbehörde arbeitete, schüttelte den Kopf und lachte Robert aus. "Mensch, du Trantüte, das haben wir doch schon X-mal bequatscht, daß Goldi sich Julius ausgesucht hat und den nicht mehr auslässt. Da müßte Julius glatt auswandern, damit die nicht mehr hinter dem herläuft. Aber ich kapiere nicht, wieso die was gegen Claire hat. Könnte es vielleicht doch sein, daß die mit diesem Lestrange-Clan und damit ..."

"Eh, pass auf, was du sagst", entfuhr es Julius unvermittelt heftig, und er hob drohend die rechte Faust. "Claires Familie hat mit dieser Lestrange-Clique nichts zu tun, klar. Ihre Tante Cassiopeia hat Madame Dusoleils Bruder geheiratet, ist also nicht in direkter Linie Blutsverwandt mit Claire. Außerdem haben die Odins wohl auch nichts mit Voldemort zu schaffen, klar."

Ein Schlag von Julius hätte Hercules nicht so heftig erschüttern können wie der Name Voldemort. Er starrte Julius schreckensbleich an und wimmerte:

"Mann, irgendwo muß Goldschweif doch herhaben, daß Claire nicht die Richtige für dich ist."

"O Culie, du möchtest doch nicht etwa sagen, daß du gerne Julius' Platz einnehmen würdest, oder", feixte Robert Deloire. Die Folge war, daß Hercules Moulin aufsprang und auf den Freund Célines zustürzte. Doch Edmond Danton ging sogleich dazwischen, trennte die beiden, bevor es zu einer offenen Keilerei kommen konnte und sagte schroff:

"Zwanzig Strafpunkte für Monsieur Moulin wegen versuchter Tätlichkeiten. Was sollte das?"

"Der meinte, ich würde meine Freundin betrügen", sagte Hercules und deutete auf Robert.

"Ja, weil dieser Typ gemeint hat, Claire sei irgendwie böse und müsse daher von Julius weggehalten werden."

"Ach neh, und warum prügelt dann Monsieur Andrews nicht auf Sie ein, Monsieur Moulin?" Fragte Edmond Danton. Er hatte nun sein übliches Dienstgesicht und die dazu gehörende Sprache in Betrieb.

"Weil ich weiß, daß die Dusoleils nichts mit Voldemort zu tun haben", sagte Julius und genoss es schadenfroh, wie Edmond zusammenschrak und ihn entsetzt ansah.

"Legen Sie es auf fünfzig Strafpunkte an, weil Sie den Saalsprecher in den Krankenflügel getrieben haben, dann nur weiter so, Monsieur Andrews."

"Mann, das ist ja schlimmer als bei "Kerker und Drachen" mit dem heiligen oder unheiligen Wort, dachte Julius amüsiert. Dann sagte er ruhig:

"Also, da Claire bis zu ihrem unangenehmen Zusammenstoß mit Mademoiselle Goldschweif mit mir mehr als harmonisch auskam, was Sie, werter Saalsprecher, strafpunktemäßig dokumentieren durften, besteht für mich kein Anlass zu glauben, ihre Familie sei in irgendwelche Machenschaften des bösen Zauberers verwickelt, dessen Namen Sie nicht hören möchten."

Die anderen Jungen um Julius grinsten amüsiert, weil Julius die geschraubte Ausdrucksweise Dantons so perfekt benutzen konnte. Der Saalsprecher sah ihn verbittert an, knurrte "Zehn Strafpunkte wegen Mißachtung der Saalsprecherautorität" und zog sich zurück.

"Ihnen auch einen schönen Tag", flüsterte Julius, sodaß nur Robert und Hercules es hören konnten. Sie grinsten und blickten dem Saalsprecher nach, der zu seinen Klassenkameraden zurückging.

"Also, Monsieur Deloire, ich habe mit Bernie keinen Stress und es nicht nötig, mir anderer Leute Mädchen zu krallen. Wenn du sowas noch mal ablässt, liegst du heute Nacht bei Schwester Florence im Bett! Klar?!"

"Nur wenn Céline mich begleitet", sagte Robert verschmitzt grinsend. Julius hielt es für Zeitverschwendung, den Jungen bei ihren Rangeleien zuzusehen. Er ging zu Jasmine und Irene hinüber, die sich erst einmal umsahen, ob Goldschweif in der Nähe war. Dann fragte Jasmine:

"Claire hat uns gesagt, daß dieses Tier meint, sie wegzufauchen oder sogar mit den Krallen droht. Weißt du, wieso die das macht?"

"Keinen Schimmer, Jasmine. Ich weiß nur, daß ich das in einer Woche rausfinden soll, natürlich neben den hammerharten Prüfungen für Faucon und Bellart und vielleicht, wenn sie mir einen aufregenden Tag gönnen will auch Fixus. Ich kann's ihr noch nicht mal verübeln, daß sie von Goldschweif nicht angegriffen werden will. Ich weiß echt nicht, wie Goldschweif tickt, daß die meint, Claire wegzuscheuchen, aber ... Aber lassen wir das!"

"Aber dafür die Montferres förmlich zu dir hinzieht. Tja, wahrscheinlich hat die das auch mitgekriegt, daß die Rossignols Umhangflattern gekriegt haben und denen nun schön aus dem Weg bleiben, um nicht doch noch auf ihren Besen zu landen", spottete Irene Pontier. "Da könnte es einer von denen doch gut bekommen, wenn sie dich abkriegt."

"Mädels haben merkwürdige Phantasien", grummelte Julius gerade laut genug, daß die beiden es hören mußten. Dann sagte er schnell: "Erstens glaube ich nicht, daß die Rossignols schon abgemeldet sind und die Montferres sich neu orientieren. Zweitens sind die beiden wesentlich älter als ich. Drittens will ich nicht jetzt schon auf irgendeiner Hexe Besen gezogen werden, was viertens auch nicht erlaubt ist, solange ich keine siebzehn Jahre alt bin. Fünftens werde ich mir bestimmt keine Zwillingsschwester aussuchen, während die andere dann allein in einer Ecke herumhängt."

"Ach, ich dachte, manche Männer träumen von der Liebe zu dritt", feixte Jasmine. Julius mußte sich zwingen, nicht zu erröten. Dann lachte er jedoch über diesen Unsinn. Er meinte:

"Eben nur träumen, Jasmine. Aber wenn sie aufwachen sind sie froh, wenn sie alleine sind oder mit der einen Frau oder Freundin keinen großen Stress kriegen."

Claire ließ sich herab, sich von Laurentine und Céline zu lösen und zu Julius herüberzukommen. Sie sah ihre Schlafsaalmitbewohnerinnen an und sagte:

"Wenn ihr schon über mich redet, ihr beiden Gackerhühner, dann bitte etwas leiser, damit nicht die Roten meinen, Julius könne nun von jeder von denen einfach übernommen werden. Ich habe ihm gesagt - und schreibt euch das gefälligst hinter beide Ohren! - daß er in dieser Woche klären soll, wieso dieses Tier meint, mich angreifen zu wollen. Ich gehe davon aus, der kriegt es raus und hat dann keinen Stress mehr mit ihr. Der Platz beim Abschlußball ist immer noch reserviert. Ist das klar?"

"Oh, und wenn er das nicht rauskriegt, liebreizende Claire, dann kann die Latierre ihn haben oder die Lagrange?" Fragte Irene Pontier gehässig grinsend.

"Solange du's nicht bist, soll's mir dann egal sein", fauchte Claire und sah aus, als müsse sie mit großer Anstrengung Wut und Trauer unterdrücken. Julius sah sie ganz verdutzt an und wartete, ob sie noch was zu ihm sagen würde. Tatsächlich legte sie ihm sacht die Hand auf die Schulter und flüsterte:

"Schaff dieses Vieh von dir weg oder mach, daß es mich wieder zu dir lässt! Ich denke, du schaffst das, Juju." Laut fragte sie noch: "Kommst du heute zum tanzen?"

"Professeur Faucon hat mir gesagt, ich soll heute nachmittag in ihr Sprechzimmer kommen und Sonderübungen für die Prüfung machen." Sagte Julius. Jasmine und Irene machten ein albernes "Uiuiui!" Irene setzte dem dann noch drauf:

"Die Konkurrenz schläft nicht, Claire. Wer weiß, vielleicht hat sich professeur Faucon unsterblich in Julius verliebt, und sie will sich mit einem Verjüngungstrank und ihn mit einemLiebeszauber zusammenbringen."

"Soll ich das jetzt Virginie oder Barbara sagen, welchen Kehricht du da gerade verzapft hast, Irene? Vielleicht kannst du als Maus besser denken als als Mädchen", drohte Claire mit sehr ernstem Gesicht, wie Julius es einmal bei ihrer Mutter gesehen hatte, als Claires Tante Cassiopeia über Julius und die Dusoleils hergezogen hatte.

"Mädels, ist gut jetzt", versuchte Julius sich als Friedensstifter. "Wegen dieser Sache mit Goldschweif müßt ihr euch jetzt bestimmt nicht noch rumzanken, kurz vor den Prüfungen."

"Ruhe, Julius", raunzte Claire ihren Freund an und sah wieder Irene an. Diese steckte irgendwo zwischen albernem Kichern und Betretenheit fest. Jasmine meinte:

"Mann, Claire, eben die Prüfungen. Die machen uns doch alle rammdösig. Du wirst doch wohl nicht glauben, was Irene da rausgelassen hat?"

"Muß ich ja auch nicht, Jasmine. Aber vielleicht sieht Barbara das anders."

"Eh, Claire, du weißt doch, daß ich das nur ..."

"Weiß ich das, Irene?" Schnarrte Claire zurück. Julius sah sich um. Er wollte was finden, um die angeheizte Stimmung wieder auf verträgliche Temperaturen runterzukühlen. Er sah Barbara Lumière alleine in einer Ecke sitzen und gerade ein Buch weglegen. Sie sah ihn und nickte ihm zu. Sie sah Claire an, die ihren Blick jedoch nicht auffing. Sie winkte Julius zu, zu ihr zu kommen und hob einen kleinen Zettel hoch.

"Ich glaube, ich muß mal rüber zu Barbara. Die hat wohl den Übungsplan für heute Nachmittag. Keine Sorge, Irene, ich hab's nicht nötig, anderer Leute Unsinn weiterzuerzählen. Ich kann, wenn ich will, selbst genug Blödsinn reden. Kriegt euch wieder ein, Mädels. Weder ich noch Goldschweif sind das wert, daß ihr euch für alle Zeit verkracht. Schönen Tag noch, die Damen!" Sagte er und ging ohne auf Antwort zu warten davon.

"Na, was knistert da drüben bei euch denn so stark?" Fragte die Saalsprecherin der Grünen. Julius sagte nur was von "Mädchengezänk" und deutete auf den Zettel in Barbaras linker Hand.

"Hast du den von Professeur Faucon?" Fragte er.

"Du nimmst nicht heimliche Legilimentie-Stunden, Julius? Ach neh, dann würde ich das ja mitkriegen, wo Professeur Faucon und Madame Fixus gerade vor drei Tagen versucht haben, meinen occlumentischen Schild zu durchbrechen. Aber du kannst ja auch alleine denken. Es stimmt schon, daß mir Professeur Faucon diesen Zettel mitgegeben hat. Offenbar hat sie dich für drei Uhr einbestellt. Ist sie sich jetzt nicht mehr so sicher, das die ZAV-4-B-Bedingungen auf dich zutreffen? Bestimmt nicht. Sie schreibt hier, daß ich sicherstellen soll, daß du bis zum angegebenen Zeitpunkt nichts tust, was dich verspätet eintreffen lässt. Dann bleibst du am besten gleich bei mir. Ich hatte sowieso gerade vor, noch in "Zaubereilose Zivilisation" zu lesen, um zu sehen, was ich davon alles richtig verstanden habe. Vielleicht kannst du mir ja nochwas erklären, nachdem Jeanne durch dich ja die zwei Höchstnoten in der Unterrichtseinheit zu den Muggelmedien bekommen hat."

"Ja, die sie durch einen Wissensvorsprung vor mir gekriegt hat", grummelte Julius, mußte dann aber lächeln. Immerhin hatte er eine Dusoleil-Schwester zufriedengestellt. So unterhielt er sich mit barbara erst über Goldschweif, wieso Claire so verbiestert war, dann las Barbara in dem Buch über Muggelkunde. Julius erklärte kurz einige Begriffe, zu denen Barbara sich notizen machte. Das wiederum führte dazu, daß auch Jeanne und Yves herüberkamen, die Julius in Belles Muggelkundeklasse gesehen hatte. Julius sagte schnell, daß er nur bis drei Uhr Zeit hätte. Dann unterhielten sie sich über Kraftwerke und den Einfluß des Telefons im Vergleich zum Computer. Kurz vor drei sagte Barbara:

"Auf jeden Fall haben wir drei uns nicht gezankt, wie die Mädchen und Jungen aus deiner Klasse, Julius. Ich kläre das gleich, was mit Irene und Jasmine los war. Ich habe da nämlich doch irgendwann meinen Namen rausgehört. Du hast jetzt die Verabredung mit Professeur Faucon. Viel Erfolg dabei!" Julius stand auf, nickte den beiden anderen Siebtklässlern zu, die sich noch mal bei ihm bedankten und schlüpfte durch die Wand zum Korridor, wo Professeur Faucons Sprechzimmer lag. Diesmal hing kein leuchtendes Türschild außen an der Bürotür. Er klopfte an. Professeur Faucon sagte "Herein!" Er trat ein und schloss die Tür.

Goldschweif lag schlafend auf einem großen Kissen links neben dem Schreibtisch. Im Weizenfeldbild stand Viviane Eauvive, diesmal wieder ihr wasserblaues Seidenkleid und die gelbe Melone tragend.

"Ich habe Mademoiselle Lumière, die in einer Stunde zur Saalsprecherkonferenz antreten wird, mit den Tagesordnungspunkten den Zettel mitgegeben, daß Sie hier zu einer Vorabbegutachtung antreten möchten, um die Bedingungen für eine höherstufige Jahresendprüfung zu prüfen. Ich weiß jedoch, daß Sie diese Bedingungen erfüllen", sagte die Lehrerin ruhig. Dann gebot sie Julius und Magistra Eauvive, für einige Sekunden still zu sein. Sie schuf den zeitweiligen Klangkerker und sagte dann: "Ich habe vor dem Mittagessen noch mit Minister Grandchapeau konferiert, was im Bezug auf deine Beziehung zu dieser Knieselin hier", wobei sie auf Goldschweif deutete, "und deinem Verbleib an dieser Akademie zu klären ist. Außerdem hatte ich eine Bitte von Magistra Eauvive vorzubringen. Über den Inhalt dieser Bitte und die Reaktion darauf gleich. Nur erst eine Frage: Kannst du dir vorstellen, warum Goldschweif derartig abweisend zu Claire Dusoleil ist?"

"Ich hatte keine Zeit, das alles zu durchdenken, Professeur. Ich vermute immer noch, daß irgendwas körperliches an Claire ist, daß Goldschweif so gegen sie anheizt. Was anderes kriege ich nicht mit."

"In Ordnung. Das wird sich bald klären", sagte die Lehrerin und nickte der Gründungsmutter von Beauxbatons zu. Diese trat so weit in den Vordergrund, daß Julius schon meinte, sie könnte auch aus der gemalten Welt aussteigen. Sie sah Julius ruhig aus ihren runden Augen an, die unter dem Schimmer des Klangkerkers einen leichten Grünstich hatten. Sie sagte laut und deutlich:

"Julius, ich habe natürlich verfolgt, wie es sich zwischen dir und Goldschweif XXVI. entwickelt hat. Ich bedauere, daß deine sehr vorbildliche Freundschaft zu Claire Dusoleil, die ich wie ihre Eltern und ihre Schwester sehr gerne in diesen Mauern beobachtet habe, durch indirekt meine Schuld zu zerschlagen droht. Professeur Faucon hat auf meinen Vorschlag hin mit Minister Grandchapeau kontaktgefeuert und ihn nach einer gewissen Zeit davon überzeugt, daß es sicherer für die Geheimhaltung dieses wahnsinnigen Abenteuers sei, wenn diese Sache mit Goldschweif geklärt würde. Denn, das hast du ja heute schon gehört, Kniesel können auch für Zauberer und Hexen mächtige Gefühle empfinden, vor allem dann, wenn ein Weibchen einem Menschenmännchen das Leben gerettet hat, das selbst noch nicht voll ausgewachsen ist. Da ich ähnliche Gefühle für Schüler in und aus meinem Saal empfinde, drängt es mich, dir dabei zu helfen, dieses Rätsel zu lösen. Deshalb frage ich dich: Hättest du Interesse, Goldschweif persönlich zu fragen, was sie umtreibt?"

"Liebendgern, Magistra Eauvive. Aber ich kann ja keine Legilimentie und ... Moment!" Julius erstarrte, weil ihm siedendheiß und sonnenhell klar wurde, was diese einfache Frage bedeutete. Natürlich war er kein Legilimentor, und Professeur Faucon würde es ihm wohl auch nicht beibringen. Aber es war doch erst eine Woche her, daß er oft und ausführlich mit Goldschweif gesprochen hatte. Ja, er hatte sich sogar geärgert, daß er ihr die entscheidende Frage nicht gestellt hatte, als er mit ihr aus der gemalten Welt zurückgekehrt war. Sollte er etwa noch mal -?

"Der Minister hat per Sonderanweisung erlassen, daß dir das auf dich geprägte Intrakulum noch mal zur Verfügung gestellt wird, um dieses wichtige Gespräch zu führen, das du an und für sich letzte Woche schon hättest führen müssen", sagte Viviane Eauvive, die wohl erraten hatte, was Julius durch den Kopf ging. professeur Faucon ging wie auf Befehl an den Wandelraumschrank, in dem die Bewertungsbücher der Schüler des grünen Saales aufbewahrt wurden und fischte in der gähnenden Schwärze nach etwas. Als sie die Hand zurückzog, hielt sie die glitzernde runde Scheibe des Intrakulums in der Hand, drehte sie nach vorne und zeigte Julius sein eigenes eingearbeitetes Bild.

"Hmm, wenn der Minister das erlaubt hat, werde ich diese Gelegenheit natürlich nicht ungenutzt vorbeirauschen lassen", sagte Julius fasziniert auf das Intrakulum blickend. Professeur Faucon zog einen Zettel aus ihrem Umhang und las ihm vor, daß per Ministerieller Sonderanweisung dem in der Beauxbatons-Akademie lernenden Zauberer Julius Andrews gestattet wurde, durch Nutzung eines auf ihn geprägten Intrakulums innerhalb der nicht für alle Schüler einsehbaren Bereiche der Gemälde von Beauxbatons umherzuwandeln, solange er sich zum Stillschweigen über diese Ausflüge verpflichtete und dieses Sonderprivileg, das als Ersatz für eine offizielle Ehrung zu werten war, niemals zum Nachteil seiner Mitschüler oder des Lehrkörpers ausnutzte. Das Intrakulum sollte in Professeur Faucons Obhut verbleiben, und er sollte sich nie innerhalb der Unterrichtszeiten oder nach dem Saalschluß in die gemalte Welt begeben, sofern es nicht ein drastisches Problem verlange. Sie faltete den Zettel wieder zusammen und gab Julius das Intrakulum. Er strahlte mit der Sonne um die Wette.

"In drei Stunden von nun an möchtest du wieder hier heraustreten, egal, was ansteht, das länger dauern könnte! Viel Vergnügen und Erfolg, Julius!" Sie umarmte Julius wieder großmütterlich und sah ihm zu, wie er zu dem Bild hinüberging. Er fragte, ob der Klangkerker das Intrakulum beeinflussen würde. Professeur Faucon schüttelte den Kopf.

"Der Klangkerker hält nur den Schall zurück, nicht aber andere Zauber. Auf dann!"

Sie hob Goldschweif auf Julius Schulter und nickte Viviane zu. Diese nickte zurück. Julius rief:

"Per Intraculum transcedo!" Die mit seinem Bild bearbeitete Vorderseite fest gegen die Leinwand gedrückt, sah Julius aus der Rückseite die magische Lichtspirale austreten, die ihn und die über seiner Schulter hängende Knieselin einfing und wie in einen Strudel einsog, hinüberzog in die gemalte Welt. Als er leicht schwindelig fast gegen Magistra Eauvive prallte, die ihn mit ausgebreiteten Armen empfing, stolperte er fast rückwärts gegen die nun stahlharte aber unsichtbare Abgrenzung zwischen Bild und natürlicher Welt.

"Huch, nicht hinfallen", sagte Magistra Eauvive und hielt Julius beim Umhangkragen. Doch er fiel nicht hin. Er hatte gute Reflexe, um sich schnell zu fangen. Goldschweif zuckte auf seiner Schulter zusammen und erwachte. Sie räkelte sich und fiel dabei fast von Julius' Rücken herunter. Ihre eigenen, noch besseren Reflexe, ließen sie jedoch schnell alle Krallen ausfahren und in Julius Umhang graben.

"Heh, Julius, was soll das?" Fragte die mittelhohe Frauenstimme, die Julius vor einer Woche zum ersten Mal gehört hatte, als Goldschweif direkt mit ihm sprechen konnte.

"Wir sind noch mal zu Viviane Eauvive gesprungen, Goldi", sagte Julius leicht verhalten, weil ihm die Kratzwunden am Rücken wie Feuer brannten. Goldschweif stieg von der Schulter herunter und lief zu Viviane Eauvive, die ihren eigenen Kniesel im Moment nicht dabei hatte.

"Nun, die Anreise ist immer etwas holperig, oder?" Fragte die Gründungsmutter von Beauxbatons. Julius nickte.

"Ich mach das ja auch nicht jeden Tag, Magistra", erwiderte er schüchtern. Dann sah er sich um. Das Weizenfeld lag unter einem Himmel, der genauso bewölkt war, wie der natürliche Himmel über Beauxbatons. Es war warm und roch nach Stroh und frischer Erde. Er konnte in der Ferne Vögel zwitschern hören und fühlte den warmen Frühlingswind auf der Haut. Dagegen war der Cyberspace der Muggel wie ein Grammofon im Vergleich mit einer Rundumstereoanlage.

"In Ordnung, klären wir erst, was am wichtigsten ist", sagte Viviane Eauvive und winkte mit ihrem zerbrechlich wirkenden Zauberstab. Aus in der Luft flimmernden Wirbeln fielen zwei bequeme Lehnstühle mit geblümten weichen Sitzkissen heraus und landeten sacht auf dem Weg durch das wogende Weizenfeld. Julius bewunderte diese Zauberei, obwohl er im Verwandlungskurs für Fortgeschrittene die Inanimatus-Beschwörung schon kennengelernt hatte, sie aber noch nicht ausprobieren konnte. Er setzte sich auf den linken der herbeigezauberten Stühle, während sich Viviane rechts von ihm niederließ. Sie saßen so, daß sie keine vier Meter von der unsichtbaren Abgrenzung zur wirklichen Welt, dem Weltenfenster, entfernt waren. Sie konnten Professeur Faucon sehen, die wie vor einer Schaufensterscheibe stand und übermenschlich groß wirkte. Offenbar sah sie ihnen direkt vor dem Bild zu. Magistra Eauvive nickte Julius zu, er solle Goldschweif auf den Schoß nehmen. Die Knieselin kam freiwillig zu ihm und rollte sich halb ein.

"So, stell am besten gleich die entscheidende Frage!" Spornte die Gründungsmutter des grünen Saales den Besucher aus der natürlichen Welt an. Dieser räusperte sich und sah Goldschweif an.

"Goldi, die haben mir und dir erlaubt, hier noch mal herzukommen, weil du hier mit mir richtig reden kannst. Sag mir bitte: Was hast du gegen Claire?"

Goldschweif blinzelte ihn smaragdgrün an, ließ ihre beiden großen Ohren einmal vor und zurückwippen und sagte dann:

"Ich mag Claire, Julius. Ich will ihr nichts tun."

"Falsche Eingabe", dachte Julius, der sich daran erinnerte, was seine Mutter ihm in den ersten Computerübungsstunden beigebracht hatte. Wenn man was bekam, was man nicht haben wollte oder nicht erwartet hatte, lag es nicht selten an der Eingabe der zu berechnenden Daten. Viviane Eauvive grinste, von Julius unbeobachtet, weil er Professeur Faucon zusah, die mit einer goldgefärbten Adlerfeder auf ein Pergament schrieb. Er sah wieder zu Goldschweif und fragte dann: "Warum magst du es nicht, daß Claire und ich zusammen sind? Wieso wirst du dann immer böse, wenn sie mich umarmen will?"

"Weil sie dich als Liebesgefährten haben will, Julius. Doch das geht doch nicht. Claire ist doch deine Schwester", antwortete die Knieselin mit der Stimme einer erwachsenen Frau aber der Betonung eines Kindes, das einfach etwas nicht haben will und das auch sagt. Bei Julius kamen diese Worte wie ein kalter Wasserstrahl voll ins Gesicht an. Er zuckte zusammen und starrte mit versteinerter Miene auf die Knieselin. Viviane Eauvive sah ihn erst verdutzt dann merkwürdig warm lächelnd an. Er fragte sich, ob dieses Tier da auf seinem Schoß das wirklich so meinte oder ihn nur ärgern wollte. Die konnte unmöglich davon überzeugt sein, daß Claire seine Schwester war. Das war biologisch unmöglich, zudem Claire nur drei Tage jünger als er war und er sich sicher war, daß seine Mutter blond und Engländerin war und bei seiner Geburt weit weg von Frankreich war.

"Öhm, Goldi, Claire ist nicht meine Schwester", brachte er nach einer Minute betretenen Schweigens und herumwühlens von Gedanken heraus. "Claires Mutter sieht anders aus als meine. Ich sehe aus wie meine Mutter. Claire ist drei Tage jünger als ich und ist weit weg von mir aus ihrer Mutter herausgekommen. Claire ist nicht meine Schwester."

"Ist sie doch", gab Goldschweif wie ein trotziges Kind zur Antwort. "Ihr habt beide dasselbe an euch, was ich fühlen kann. Sie ist deine Schwester. Sie muß aus einem späteren Wurf gekommen sein. Aber sie ist deine Schwester."

"Habe ich dir schon erzählt, daß Kniesel stur sind?" Fragte Magistra Eauvive. Julius grunzte, daß er das von wem anderem gehört hatte. Dann fragte er:

"Was soll denn das sein, was wir beide an uns haben? Claire sieht ganz anders aus als ich, und ihre Eltern kenne ich, und sie hat meine Mutter auch schon gesehen. Wir sind nicht miteinander verwandt, nicht mal Cousins dritten oder vierten Grades. Aber ich fürchte, das geht bei dir nicht rein."

"Ihr habt beide dasselbe anregende an euch, was ich sehr mag, was ich liebe, Julius. Ihr seid Bruder und Schwester. Nur du hast es stärker an dir. Deshalb bin ich jetzt bei dir und bleibe bei dir."

"Eine Frage beantwortet, sechs neue gestellt", zog Julius in seinem Verstand eine unangenehme Bilanz. Was war das, was Claire und er an sich hatten? Wie bekam Goldschweif das mit? Wann hatte diese gemeinsame Ausstrahlung angefangen? Wo kam sie her? Von wem hatten Claire und Julius diese gemeinsame Ausstrahlung? Warum war das so?

"Noch mal, Goldschweif: Claire ist nicht meine Schwester", sagte Julius im Tonfall eines Erwachsenen, der etwas in den Dickschädel eines quängeligen Kindes reinpröffen will. "Ihre Eltern sind nicht verwandt mit meinen Eltern. Ich komme von ganz anderen Leuten als Claire. Was immer du mitkriegst, es ist nichts, was wir beide von gemeinsamen Eltern haben."

"Sie ist doch deine Schwester und will dich trotzdem lieben. Das ist Verschwendung!" Fauchte Goldschweif, die jetzt, wo Julius sie verstand, nicht gerade freundlich zu ihm war. Vielleicht, vermutete Julius, hatte sie ihm das die ganze Zeit schon auftischen wollen. Ihm fielen die ganzen Treffen ein, die er mit Claire hatte und wo Goldschweif schon wild protestiert hatte. Aber das war doch blühender Blödsinn! Selbst Halbgeschwister konnten sie nicht sein, weil dann ja die Frage zu stellen war, wer von seinen Eltern mit wem von Claires Eltern wann und wo ihn und sie auf den Weg gebracht hatte. Er konnte sich seinen Vater schlecht mit Madame Dusoleil beim Liebesspiel vorstellen oder seine Mutter mit Monsieur Dusoleil. Oder sollte sein Vater mit Claires Tante Uranie was angefangen haben? Auch das war schlichter Unsinn. Oder hatte man dem betreffenden Elternteil das Gedächtnis verändert, damit nicht rauskam, daß das Kind eines Zauberers -? Das war doch alles Unfug, erkannte Julius. Seine Eltern hatten ihm mal die Papiere gezeigt, die eindeutig belegten, daß seine Eltern ihre Erbanteile in ihm hatten nachweisen lassen. Er war der Sohn von Richard und Martha Andrews, geborene Holder. Er sah Viviane Eauvive hilfesuchend an. Diese schien mit diesen Antworten mehr anfangen zu können als er. Er sah Professeur Faucon an, die wie er leicht irritiert wirkte. Doch dann schien in ihrem Kopf ein Schalter umgesprungen zu sein wie bei einer Zeitschaltuhr. Sie sah ihn sehr aufmerksam an und wirkte wissend, ja verstehend.

"Entschuldigung, die Damen. Aber ich kriege das jetzt nicht in die Reihe, was Goldschweif meint. Ich kann unmöglich Claires Bruder sein. Abgesehen davon will ich im Moment keine Liebe machen, Goldschweif. Ich bin hier, um zu lernen, meine Kraft, die du singen hören kannst, richtig zu lernen, damit ich damit nicht irgendwann mich oder andere tot mache."

"Das tut die andere auch, die jetzt das Junge gekriegt hat", widersprach Goldschweif mit einer unumstößlichen Logik. "Du bist Claires Bruder. Sie darf keine Junge von dir kriegen, weil das keine guten Jungen werden. Ich konnte ja auch keine guten Jungen kriegen, wo mein Bruder mir welche in den Bauch gelegt hat."

"Achso, und du meinst, weil du das mal ausprobiert hast und Claire und ich irgendwas an uns haben, was wir nicht mitkriegen, soll uns das nicht passieren?" Fragte Julius leicht gereizt. Viviane Eauvive machte "Schschsch", sah ihn beruhigend an und sagte mit einer sanften, warmen Stimme:

"Nicht ärgern. Das kriegen wir gleich alles geregelt. Dafür bist du jetzt hier."

"Claire ist deine Schwester. Ich spüre es bei euch, daß sie deine Schwester ist, Julius."

"Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie scheint die was verkehrt mitzukriegen", wandte sich Julius an die Gründungsmutter. Diese schüttelte sacht den Kopf. Dann sagte sie:

"Ich denke, sie hat da schon was mitbekommen, was hinhauen könnte. Das müssen wir aber anderswo nachprüfen. Keine Bange, Heute Abend kannst du dich von deiner Freundin wieder nett und innig verabschieden, ohne daß Goldschweif was dagegen hat." Sie lächelte ihn an wie jemand, die etwas unvermutetes aber schönes erfahren hat und sich freut, es richtig auszukosten.

"Blanche, ich denke, diese Wendung haben Sie nicht erwartet, oder?"

"Nein, Viviane. Ich kann mir nicht vorstellen, was die Knieselin zu dieser Erkenntnis treibt. Sie sehen jedoch nicht irritiert aus. Können Sie mit dieser Einschätzung was anfangen?"

"Selbstverständlich, Blanche", wandte sich Viviane Eauvive wieder an die Lehrerin, die gespannt vor dem Weltenfenster stand und jedes Wort und jede Regung aufsog wie ein großer Schwamm.

"Ich muß den Jungen mit zu mir nehmen, Blanche. Ich bringe ihn und die Knieselin vor Ablauf der drei Stunden wieder zurück. Komm, Julius!"

Julius stand auf, als die Gründungsmutter aufstand und ihren Stuhl mit einer spielerischen Zauberstabbewegung im Nichts verschwinden ließ. Kaum stand er, verschwand auch sein Stuhl im Nichts. Goldschweif quängelte etwas, weil sie nicht weiter auf seinem Schoß liegen durfte, doch folgte den beiden sofort, als Viviane Julius zu einem der beiden Bildausgänge bugsierte. Für Außenstehende mußte es nun so aussehen, als würde er durch den echten Rahmen treten, wußte er von seiner Bilderreise vor einer Woche. Er folgte Viviane durch die farbigen Verbindungsgänge. Die Bilder durch die sie wanderten kannte er nicht. Offenbar hingen sie in abgelegenen und für Schüler meistens unwichtigen Korridoren des Palastes. Viviane führte ihn mal nach oben, dann nach links, dann nach rechts. Goldschweif sprang behände hinter ihnen durch die Verbindungsgänge, bis sie in einem urgemütlichen Kaminzimmer ankamen, daß aus einem Landsitz eines Barons oder Bürgermeisters stammen mochte. Im Marmorkamin, auf dessen Sims kleine Statuetten von Zauberwesen standen, prasselte ein munteres Feuer. Knackend und knisternd zerfielen die Holzscheite in den hellen Flammen. Julius roch frischen Tee und Frühlingsblumen, die überall in dem Zimmer verteilt standen, auf den geräumigen Kommoden, dem breiten Wandschrank aus Eichenholz, dem rechteckigen Tisch mit einer blütenweißen Leinentischdecke mit Brüsseler Spitze, den Marmorfensterbänken, die drei Flügelfenster schmückten, durch die die helle Nachmittagssonne ihr warmes Licht hereinwarf. Geblümte schwere Samtvorhänge hingen links und rechts der Fenster herab. Unter der Decke hing ein achtarmiger Leuchter aus goldenem Metall. Leicht federndes Parkett bedeckte den Boden. An manchen Stellen des bestimmt zehn mal acht Meter großen und vier Meter hohen Zimmers lagen dicke flauschige Teppiche aus.

"Das ist ja heftig. Wußte gar nicht, daß dieses Zimmer in Beauxbatons aushängt", staunte Julius, während sich Goldschweif schnüffelnd umsah. Dann fiel ihm der geräumige Schlafkorb auf, der neben einer reichlich verzierten schweren weißen Tür stand. Darin lag Goldschweifs allererste Namensgeberin, zumindest, wie Viviane Eauvive und das ganze Zimmer hier, ein detailgetreues und zum Leben erwecktes Abbild.

"Durch die Tür geht es in meinen kleinen Zaubergarten, Julius. Aber sieh dir bitte den Wandteppich an der fensterlosen Wand an!"

Julius staunte. Er sah einen mindestens drei Meter hohen und acht Meter breiten Brokatteppich, auf dem er sich verzweigende farbige Linien erkennen konnte. Er trat näher und konnte winzige kreisrunde Tupfer an den Gabelungen der Zweige sehen. Dann erkannte er, daß es wohl ein gewebter Familienstammbaum war.

"Wofür hältst du das?" Fragte die Gründungsmutter.

"Ein uralter Familienstammbaum. Ich hörte mal davon, daß in uralten Zaubererfamilien solche Teppiche gerne als Stammbaumträger verwendet werden. Mal sehen, wieviele Generationen ... Ui!" Julius streckte seinen Körper bis zum Zerreißen hoch, hatte seinen Kopf so weit ins Genick geworfen, das die Haut an seinem Hals schmerzhaft spannte. Viviane Eauvive winkte mit dem Zauberstab und brachte damit einen breiten runden Hocker mit kurzen Beinen herbei. Noch ein Wink, und noch ein Hocker tauchte auf. Sie setzte sich auf einen davon und murmelte "Fahre aufwärts!" Langsam stieg der Hocker mit ihr nach oben wie ein Ballon. Julius traute sich und setzte sich auf den zweiten Hocker.

"Fahre aufwärts!" Wiederholte er den Befehl und fühlte, wie auch er sanft nach oben getragen wurde. Auf der Höhe der Deckenlampen hielt der Hocker und stand ruhig und ohne Zittern oder schwanken still.

"Meine Familie reicht bis zwei Jahrhunderte vor die Gründung von Beauxbatons zurück. Meine Ahnen waren noch Druiden in der Bretagne. Die echte Ausgabe davon hängt in zweifacher Fertigung in unserem Stammsitz, einem verborgenen Schloss an der Loire, das von Nichtmagiern für eine kuriose Felsformation gehalten wird. Du hast meine drittjüngste Nachfahrin in direkter Linie kennengelernt, weiß ich. Sie wohnt ja zurzeit in der Nähe von Paris."

"Öhm, Sie meinen Antoinette Eauvive, die Leiterin des Delourdes-Krankenhauses?"

"Eben diese", sagte Viviane Eauvive. Hier oben fängt unser Stammbaum an." Sie deutete auf einen Eintrag in einer für Julius unlesbaren Schrift. Langsam hinabfahrend erklärte sie ihm, wie ihre Familie begonnen hatte. Dann kam ihre Generation. Sie selbst war das dritte von sechs Kindern. Zwei Schwestern hatten sich zusammengetan, um wie Viviane eine Zaubereischule zu gründen, allerdings nur für Hexen. Die drei Brüder von ihr hatten sich über das gesamte Frankenland verteilt, daß dereinst über Deutschland bis hinunter nach Italiens Grenzen reichte. Sie erzählte ihm etwas von Karl dem Großen, dem ersten weströmischen Kaiser, der 800 seinen Aufstieg feierte.

"In dieser Zeit kam ich zur Welt, Julius. Damals waren Hexen und Zauberer noch mit nichtmagischen Menschen zusammen, wirkten einzeln und unterwiesen nur wenige Schüler. Es gab da so manchen, der sich seine Lehrlinge wie Sklaven hielt oder Hexen, die ihre Künste nur an direkte Nachfahrinnen weitergaben. Ähnlich wie es bei euch drüben in Hogwarts der Fall war, schlossen sich sechs magische Gelehrte zusammen, um diesen Mißstand zu ändern, daß viele talentierte Zaubererkinder nur deshalb nicht ihre magischen Begabungen ausbilden konnten, weil ihre Eltern selbst zu ungenau oder gar nicht unterrichtet worden sind. Ich weiß, daß du die Chronik unserer Schule hast, wo drinsteht, was wir uns dabei gedacht haben, als wir eine gemeinsame Zauberakademie gründeten. Wir wollten sicherstellen, daß die Magie nicht als wild wucherndes Talent herumspross und durch Glück auf fruchtbaren oder unfruchtbaren Boden fiel, sondern unsere besondere Begabung zielgenau und systematisch weiterfördern, alles, was wir wußten, anderen Hexen und Zauberern weitergeben. Da Hexen und Zauberer damals jedoch argwöhnisch einander gegenüberstanden, haben Serena Delourdes und ich alle begabten Hexenmädchen betreut, während Orion der Wilde, der die Familie Lesauvage begründet hat, sowie Petronellus der Scherzbold, Donatus und Logophil die Zaubererjungen betreuten. Ich habe hier meine eigenen Söhne und Töchter mit den Kindern anderer Zauberer und Hexen ausgebildet, wie die anderen Gründer auch. Unsere Ehepartner haben an unserer Seite gelehrt. Irgendwann kam es zwar zu einem großen Krach, weil die Familien der Gründer von denen der anderen Zaubererschaft für bevorzugt gehalten wurden, das war, wie du nachlesen kannst, im Jahre 919, aber es hat sich wieder eingeränkt. Seitdem steht ja in den Schulregeln, daß Akademie-Besucher ohne Ansehen von Familie, Vermögen oder Bekanntschaften unabhängig zu unterrichten seien. Immerhin wollten wir ja haben, daß hier in Beauxbatons, dem Hort der trefflichen Zauberkünste, auch Kinder von Lehrern lernen konnten, ohne von den Eltern bevorzugt zu werden. Fahre Abwärts!"

Julius folgte der Gründungsmutter und sah, wie sich ihre Linie immer mehr verzweigte. Er erfuhr, daß die Farben für die Saalfarben von Beauxbatons standen, das die silbernen Zweige für Zaubererkinder ohne Zauberfertigkeiten standen und die orangen Zweige für Nichtmagierkinder mit Zauberfertigkeiten standen.

"Den Unsinn mit der Reinblütigkeit der Zauberersippen haben wir relativ schnell aufgegeben, als wir erkannten, daß es auch von den heute als Muggeln bezeichneten Menschen Kinder mit unserem Talent geben kann", sagte die Mitgründerin von Beauxbatons. Julius fragte sich langsam, was dieser Stammbaum mit dem Problem zu tun hatte, das Goldschweif mit ihm und Claire hatte. Doch er erkannte, daß diese Hexe da neben ihm ihn nicht zum puren Vergnügen an ihrer Wand herumfahren ließ. Seine Knieselin saß inzwischen weit weg von der im Korb schlafenden ersten Goldschweif.

Weiter abwärts erkannte er, wie sich die sechs Gründungsfamilien miteinander verzweigten und zwischendurch mit Muggelstämmigen verbanden. Sie hielt sich nicht mit einzelnen Namen auf, wenn es nicht gerade mal wieder ein Schulleiter oder eine Schulleiterin war. Aus den Bulletins de Beauxbatons wußte er auch, wann bestimmte geschichtliche Ereignisse in der Schule passiert waren. Er erfuhr, daß der Teppich der Farben, der jedes neue Schuljahr die Neuzugänge in die sechs Säle einteilte, erst nach dem 12. Jahrhundert geknüpft worden war. Damals hatten sie die eingeschlechtlichen Saalzuteilungen aufgekündigt und die Söhne und Töchter aus den Gründerfamilien zur Arbeit an dem Teppich aufgefordert, sodaß alle sechs Zuordnungsgruppen hineingewebt wurden. Interessant fand Julius, daß es einige längere Stränge von nichtmagischen Nachfahren gab. Er erkannte auch, daß sich Familien, die sich Jahrhunderte vorher verzweigt und dann voneinander getrennt hatten, später erneut miteinander vereinten und weitere Linien begründeten, die dann später noch mit anderen früheren Verbindungen zusammenfielen. So erkannte er, daß in direkter Linie von Viviane Eauvive vier Familien, die des grünen, des weißen, des roten und des blauen Saales einflossen. Julius bekam sehr große Augen. Das waren doch genau die Farben, die nach dem er auf den Teppich der Farben getreten hatte auf diesem übriggeblieben waren!

"Das wird langsam interessant", sagte er halblaut. Viviane Eauvive lächelte ihn an.

"Was meinst du, warum ich deine und meine Zeit damit zubringe, dir einen alten Stammbaum zu zeigen, den ich selbst seit fünfzig Jahren nicht mehr angesehen habe?"

"Seit fünfzig Jahren?" Wiederholte Julius den letzten Teilsatz als eigene Frage.

"Ja, ich habe hier viel Zeit, und könnte mich jedes Jahr vor diese Wand setzen und mir ansehen, ob von meiner Linie wer neues geboren wurde. Achso, das habe ich nicht erwähnt. Wie Bilder an Tages- und Jahreszeitenverlauf angepasst werden können, können gemalte Gegenstände, von denen es Originale gibt, durch den Origipersecus-Zauber an diese Gegenstände gekoppelt werden, mit einer Ausnahme, daß sie in dem Zustand erhalten bleiben, in dem sie waren, bevor die Originalgegenstände zerstört wurden. So kann der magische Stammbaum sich hier genauso weiterentwickeln wie in unserem Stammsitz. Während du beim Mittagessen warst, habe ich meinen Nachfahren dort einen kurzen Besuch abgestattet, wie auch Madame Eauvive, die Direktrice der Delourdes-Klinik, der du den Pflegehelferschlüssel zu verdanken hast. Aber weiter. Ich denke, wir werden gleich was sehr aufschlußreiches zu sehen bekommen."

Julius überlegte fieberhaft, was das sein mochte. Wahrscheinlich würde Claire von einem dieser bunten Zweige da abstammen. Er wußte ja, daß er selbst englische und einen spanischen Vorfahren in der Zaubererwelt hatte. Um so heftiger traf es ihn, als er seinen namentlich bekannten Vorfahren Leon Ponteclara Desfuegos Misterios in einer aus rot und Grün zusammengefallenen Fortführung entdeckte. Dieser Zauberer war im 15. Jahrhundert ein Quidditch-Profi und Verwandlungskünstler. Viviane Eauvive merkte, daß Julius diesen Namen erkannte.

"Ja, wir haben mehrere Zweige in Spanien unterhalten. Auch arabische Zaubererlinien sind hier eingeflossen, wie du an den goldenen Linien erkennen kannst. Woher kennst du diesen Herren, weil du seinen Namen so aufgeregt ansiehst?"

"Der ist ja in meiner Ahnenlinie drin", sprudelte es aus Julius heraus, dem langsam ein wagenradgroßer Knopf aufging. Konnte es sein -?

"Der ist einer meiner Nachkommen im zehnten Glied, also mein Urururururururenkel. Hmm, dann müßtest du zeitlich ähnlich weit entfernt sein wie er von mir selbst. Aber er war in direkter Nachfolge eines meiner Kindeskinder. Höchst aufschlußreich, nicht wahr?"

In der Tat war dies für Julius aufschlußreich. Wenn dieser Stammbaum stimmte, dann war Viviane Eauvive ja eine astreine Urahnin von ihm selbst! Nun sah er doch etwas genauer hin, wie sich die Ahnenreihen verzweigten und stellte fest, daß diese direkte Linie sich noch häufiger mit der Original-Eauvive-Linie verzweigte, aber immer in hübschen Abständen von vier oder fünf Generationen. Letztendlich kamen sie auf zwei Einflechtungen der Eauvive-Ausgangslinie. Sie fuhren weiter nach unten und stellten fest, daß irgendwann nach dem 17. Jahrhundert, als Sardonia vom Bitterwald entmachtet war, Zaubererfamilien nach England einwanderten, wo bereits Zaubererfamilien aus der Zeit Wilhelms des Eroberers in die dortigen Familien eingeheiratet hatten. Ein Strang der Eauvive-Linie färbte sich dort silbern, was hieß, daß dort keine zauberischen Nachkommen entstanden. Julius sah noch mal hoch und erkannte, daß es nun drei Einkreuzungen der direkten Blutlinie Viviane Eauvives gab. Die Fahrt entlang der Jahrhunderte und Orte ging weiter bis nach unten, wo Julius fand, womit er gerechnet hatte, seitdem er den Namen seines zauberischen Vorfahrens gelesen hatte. Trotz dreifacher Einkreuzung der Eauvive-Linie nichtmagisch geblieben, traf sich der zweitjüngste Ast, der mit "Martha Holder" beschrieben war, mit einem Ast, der silbrig glänzte und mit "Richard Andrews" beschrieben war, von denen dann ein oranger Zweig ausging, der das unterste Ende des Stammbaumes markierte, zumindest entlang dieser langen verästelten Linie: "Julius Andrews"

"Also doch", meinte Julius nickend. Seine ganze Ahnenlinie reichte über mehrere Generationen reiner Muggel weit zurück zu echten Hexen und Zauberern, die dreifach mit Viviane Eauvives Grundlinie verbunden waren. Er folgte nun langsam aufwärts fahrend der Ahnenlinie seines Vaters, bis er entdeckte, das sie wohl nur einmal mit der ursprünglichen Linie verbunden war. Somit hatte er das alte Erbe von vier Kindern aus dem Stamme Eauvive in sich vereinigt. Nun konnte er sich ausmalen, was ihm diese Hexe in ihrer langen aber alles andere als uninteressanten Vorführung beweisen wollte. Er fuhr nach unten und suchte in der ganzen Breite der nun über dreißig Endverzweigungen gehenden Ahnenlinie nach drei Namen, die er gut kannte und als Gabelung unter zwei sich treffenden Ästen fand, die mit "Camille Odin" und "Florymont Dusoleil" gekennzeichnet waren. Er fuhr nach oben, zurück durch die Jahrhunderte, erkannte, wo die orientalische Einkreuzung in die Linie der Odins passiert war, nämlich 1728 durch eine mesopotamische Hexe, die mit dem dritten Sohn der zweiten Frau des damaligen Kalifen von Bagdad verheiratet war, wie Viviane Eauvive erzählte, die dann über ebenfalls vier zusammenführungen in der Ausgangslinie der Gründungsmutter von Beauxbatons begann.

"Quod erat expectandum", sagte Viviane Eauvive. Julius hatte das aber nicht so heftig erwartet. Er fiel fast vom Hocker. Genau die vier Kinder der Gründerin des grünen Saales hatten ihre Blutlinien in ihm vereinigt, wie sie es in den Schwestern Jeanne, Claire und Denise Dusoleil taten. Biologisch nahezu unbedeutend, wegen der vielen anderen Einkreuzungen, hatte sich irgendwas aus diesen vier Linien über alle Verzweigungen und Verteilungen in ihm und Claire wiedergefunden, das von Goldschweif irgendwie erkannt wurde, eine Aura, wenn er so wollte, die dieselben Schwingungen oder Kraftlinien oder was immer zeigte, in derselben Tonart klang oder die selbe Farbe ausstrahlte, um es mit für ihn sinnlich verständlichen Begriffen zu benennen.

"Caudaurea veritatem dixit. Tu Claraque Filii mei estis", sagte Viviane Eauvive mit überaus stolzem Gesicht und legte Julius einen Arm um die Schultern. Julius überlegte, was dieser Satz bedeutete. Er erkannte, daß es lateinisch sein mußte. Doch seine Kenntnis dieser alten, für die Muggel toten Sprache reichten nur dazu, daß er die Wörter "Filii" und "Estis" mit "Söhne" oder "Kinder" und "ihr seid" übersetzen konnte. Dann fragte er doch, was dieser Satz bedeutete:

"Das bedeutet im klartext, daß Claire und du in direkter Blutlinie, ja sogar mehrfach aufgebessert, aus ein und demselben Mutterschoß kommt", sagte die Gründungsmutter und zeigte auf ihren Unterleib. "Caudaurea ist die lateinische Abwandlung von Queue Dorée, also Goldschweif. Clara ist die lateinische Urform für Claire. Ich sagte in einem Anflug meiner altehrwürdigen Hochsprache, daß Goldschweif die Wahrheit gesprochen hat. Du und Claire seid meine Kinder."

"Öhm, aber nur im übertragenen Sinne, weil Ihr natürliches Ich natürlich schon längst ... Öhm, ich möchte Sie nicht beleidigen."

"Natürlich ist mein originäres Ich, mein natürliches Selbst schon lange dahingegangen. Aber vom Blut her stammt ihr beide in direkter Linie von ihm also mir ab, ja seid sogar durch insgesamt vier Verzweigungen meiner leiblichen Nachkommen - und zwar haargenau derselben - meine leiblichen Nachkommen. Sicher bist du nicht Claires leiblicher Bruder, sondern wohl eher ein Cousin zwanzigsten Grades. Aber die direkte Abstammung verdankt ihr beide mir persönlich. Faszinierend ist bei deiner Ahnenlinie auch, daß wirklich viele Bewohner des grünen Saales dabei waren und wenige weiße, Rote und Blaue. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?"

"Absolut, Magistra Eauvive. Das waren die einzigen vier Farben, die auf dem Teppich waren, als ich mich draufgestellt habe. Keine Violetten und keine Gelben. Wie sah denn das bei Claire aus?" Erwiderte Julius und fuhr die Abstammung Claires noch mal ab und erkannte alle sechs Farben von Beauxbatons sowie die Arabische einkreuzung und eine Linie Muggelstämmiger in ihrem jüngeren Stammbaum. Bei ihr hätte es eigentlich nicht so schnell gehen können. Tatsächlich hatte ihm Mildrid Latierre und später auch sie selbst erzählt, daß sie nach vier Schritten auf dem Teppich zu den Grünen geschickt wurde. Da machte sich also schon die vierfache Einkreuzung der Eauvive-Linie bemerkbar, erkannte er.

"Du erkennst, daß der Teppich taugt, was er taugen soll. Damit wäre auch geklärt, was Goldschweif an dir und Claire erkannt hat, wenn ich auch nicht sagen kann, was es genau ist. Aber es ist dann eindeutig auf diese Blutsbande zurückzuführen, die euch über eine sehr breite Verzweigungsbasis mit mir verbinden. Jetzt bleibt nur, es der jüngsten Tochter der Queue-Dorée-Linie zu erklären, was es mit euch auf sich hat. Ich schlage vor, du überlässt mir das. Ich kann ihr das bestimmt einfach genug erklären, daß sie es versteht, ohne Gewalt anwenden zu müssen. Auf jeden Fall kannst du weiterhin Claires Freund sein, ja mit ihr sogar gesunde Kinder haben, falls eure Freundschaft sich zu mehr entwickelt, wogegen ich auf jeden Fall nichts einzuwenden habe. Die Muggelgenerationen in deinen Elternlinien beruhen nicht darauf, daß hier Inzucht passiert ist, falls du das denkst. Das kommt eher daher, daß manche Erbanlagen, so alt sie auch sein mögen, von stärkeren Blutsbanden überlagert werden können. Die Gefahr besteht immer, wenn ein magischer und ein nichtmagischer Mensch sich zusammentun. Das Risiko lohnt sich jedoch, um gerade Inzucht zu vermeiden, weil es auch andersherum geht, das reine Muggelkinder verborgene Zaubereranlagen haben, die bis dahin nie aufblühen konnten und in Verbindung mit ähnlichen Menschen erst auftreten können. Dein Fall, den ich auch schon ohne Blick auf diesen Stammbaum sehr interessant fand, ist eben eine Wiedervereinigung schlummernder Potentiale aus lange zurückreichenden Linien. Dann kann es sowas geben, daß jemand das drei- oder sogar fünffache des durchschnittlichen Zauberertalentes hat. Insofern bist du durchaus kein Mutant oder Irrläufer oder was immer Laurentine Hellersdorf über sich selbst sagt. Sie ist natürlich auch keine Mißgeburt. Ich hasse das inbrünstig, wenn ein erwiesener Zauberer oder eine verifizierte Hexe in meinen Saal kommt und als erstes sagt, daß sie da nicht hingehört und bitte sehr schnellstmöglich wieder nach Hause und zu "normalen Leuten" geschickt werden soll. Ich weiß nicht, wie Blanche Faucon mit unserem Treffen verfährt. Ob es genauso geheim ist wie deine verwegene Reise nach Hogwarts, oder ob wir uns anderweitig aussprechen konnten. Schön wäre es, wenn du Claire erzählen könntest, woher Goldschweifs Drang rührt, euch auseinanderhalten zu wollen."

"Daran könnte man wohl drehen, daß wir uns ausgesprochen haben. In Beauxbatons ist es ja bald rum, daß ich ein Portrait von Aurora Dawn habe, das ihr natürliches Ich in Australien besuchen kann. Warum sollte ich Sie nicht dabei kennengelernt haben, Magistra Eauvive?"

"Viviane, Julius. Ich kann zwar nicht von dir verlangen, mich "Mutter" zu nennen, obwohl ich jetzt, wo ich es weiß, nicht verhehlen möchte, wie schön es ist, deine Urmutter zu sein, aber hier in der gemalten Welt redet sich jeder beim Vornamen an. Das ist schon seit Jahrhunderten so. Auch deine Bekannte, Aurora Dawn, kam damit sehr rasch sehr gut zurecht", sagte Viviane Eauvive.

"Das kann ich doch nicht machen, Sie einfach beim Vornamen nennen", widersprach Julius.

"Soll ich dir das Intrakulum wieder wegnehmen, bis du es gelernt hast?" Fragte die Gründungsmutter von Beauxbatons ihren Besucher sehr ernst anblickend. Julius vermeinte - vielleicht nur aus Einbildung - Madame Dusoleils entschlossenes Gesicht zu sehen, als sie ihm an seinem dreizehnten Geburtstag ganz streng mitgeteilt hatte, solange auf dem Empfangsstuhl in der Eingangsdiele sitzen zu bleiben, bis alle seine Geburtstagsgäste eingetroffen waren.

"Um Himmels Willen, ich muß um sechs hier raus sein, sonst kriegt Professeur Faucon tierischen Ärger", sagte Julius. Er überlegte, ob er das Intrakulum, das er lässig in den Umhang gesteckt hatte, nicht schnell in seinen Practicus-Brustbeutel stecken sollte, um diese Drohung wirkungslos zu machen.

"Das ist mir im Moment sehr egal. Wenngleich ich sagen muß, daß Professeur Faucon eine sehr fähige und verlässliche Lehrerin ist und ich gerade für meinen Saal solche Hexen hoch einschätze. Aber ich bleibe dabei, daß du dich hier bei mir an bestimmte Regeln halten solltest, um weiterhin gut mit mir und den anderen auszukommen. Eine Regel ist, daß es hier keine Mesdames, Mesdemoiselles oder Messieurs, Magistri oder Magistrae, Proffessoren und Doktoren gibt. Titel, die sich die lebenden Vorbilder erworben haben, sind in Büchern wichtig. Aber im Leben, wenn es in der natürlichen Welt schon längst vergangen ist, zählen sie nichts mehr."

"Ach, und ich dachte, Namen sind Schall und Rauch", erwiderte Julius.

"Schreibt William Shakespeare", bemerkte Viviane Eauvive. "Aber nicht bei uns. Du kriegst es jedesmal mit, wenn jemand diesen dunklen Lord Voldemort bei diesem Kampfnamen nennt. Jeder sollte es wissen, daß Voldemort nicht sein wahrer Name sein kann. Trotzdem zittern sie davor, ihn laut ausgesprochen zu hören. Also?"

"Also gut, Viviane", gab Julius leicht verlegen nach. Was sollte es? Außerhalb der Bilderwelt konnte er sie ja wieder Magistra Eauvive nennen. Wollte sie das nicht sogar, weil sie sich geräuspert hatte, als er ihren Namen ohne den Titel benutzt hatte? Klar, weil Titel in Büchern ja wichtig waren, hatte sie gerade gesagt.

"Die anderen drei Regeln kennst du ja. Ich denke nicht, daß du so schnell noch mal jemanden dazu bringen willst, sich zu töten." Sie grinste feist. Julius fragte sich, ob in dieser Hexe nicht doch mehr eine kleine Scherzboldin steckte als eine altehrwürdige Lehrerin. Doch auch dazu fiel ihm was ein. Hieß es nicht, daß Spieltrieb und schöpferischer Geist genauso zu den Wesenszügen der Schüler im grünen Saal zählten wie Logik und Beharrlichkeit?

"Ich rufe deine Bekannte Aurora Dawn. Sie ist um vier Uhr, was es gleich ist, bei Serena Delourdes zum Nachmittagskaffee verabredet. Ich bleibe mit Goldschweif hier und erkläre ihr, wieso sie dich und Claire in Ruhe lassen darf, nicht muß. Gewalt gegen Kniesel führt nur zu einer gesteigerten Abneigung gegen den, der Gewalt benutzt. Ich habe da schon was raus. Immerhin kenne ich sämtliche Ahnenlinien der in Beauxbatons herumlaufenden Kniesel. Es dauert nur länger als bei dir, um ihr das zu erklären. Ich lasse mich bei Serena entschuldigen."

"Moment, wissen die denn alle, daß ich hier einfach reinkommen kann?" Wollte Julius wissen.

"Aurora und ich haben es den Gründern erzählt. Außer denen weiß es keiner und muß es auch nicht jeder wissen. Wir können, wenn wir wollen, wie die früheren Schulleiter auf einer Insel leben, zu der wir alle Verbindungen unterbrechen können, solange wir unter uns sein wollen. Wenn ich mich recht entsinne hat Slytherin ja genau das versucht, die Barriere zum Büro des Schulleiters zu sprengen, um diese mit seinen widerlichen Würmern zu verseuchen und damit auf viele altehrwürdige Zentren der Zauberei zugreifen zu können. Zumindest hast du das so widergegeben und Aurora konnte sich auch daran erinnern, daß sie unter dem Einfluß des Willenswicklers sowas machen sollte."

"Hmm, aber sie selbst konnte sich dagegen wehren, weil ja nicht nur ihr Hogwarts-Bild-Ich dort war und der Wurm so primitiv war, daß er nur einen Geist zurzeit beherrschen konnte. War ja auch klar, wenn diese Biester sich bei ihrer Königin die Befehle abholen mußten", erwiderte Julius.

"Ja, aber lassen wir das Thema. Jemand hat uns ja vor diesem Wahnsinn bewahrt, obwohl ich immer noch der Meinung bin, daß man jemanden mit UTZ-Abschluß dorthin hätte schicken sollen. Doch zu dir. Aurora wird dich gleich hier abholen. Ich ging davon aus, daß meine Kontakte und Blanches Argumente doch etwas gewichtiger sind als seine Einwände. Sie bringt dich also zu Serena. Du hast sie ja am Elternsprechtag gesehen, wie wir bei Schwester Florence gewesen sind. Sie weiß, daß du kommen wirst. Keine Sorge, sie ist nicht so böse, wie manche Nachfahren von ihr es behauptet haben."

"Ich habe sie nur einmal als Bild gesehen", erwiderte Julius nur. Immerhin wußte er von ihr, daß sie das Wandschlüpfsystem miterfunden hatte und die harte Bestrafung ungehorsamer Pflegehelfer durchgesetzt hatte. Dabei kam ihm siedendheiß ins Bewußtsein, daß Schwester Florence ihn wieder vermissen könnte, weil er mit seinem Pflegehelferschlüssel den normalen Bereich von Beauxbatons verlassen hatte. Das sagte er sofort der Gründungsmutter. Sie lächelte.

"Serena hat es ihr schon verraten, als du hier abgereist bist, und sie hat es ihr wohl schon längst gesagt, als du noch nicht bei mir warst", sagte sie gelangweilt, als sei Julius' Schreck völlig albern. Sie stieg von ihrem Hocker herunter. Julius tat es ihr gleich. Dann ließ sie die beiden Sitzmöbel verschwinden und bat ihn an den langen Tisch. Sie nahm ihre Goldschweif auf den Schoß und kraulte sie. Julius tat es mit seinem Knieselweibchen auch und versuchte bereits, ihr zu erklären, woher das kam, daß Claire und er wie Geschwister erschienen, obwohl sie keine leiblichen Geschwister waren. Doch Goldschweif sagte immer:

"Claire ist deine Schwester. Wenn sie von dir Junge kriegt, werden die nichts."

"Als wenn ich mein ganzes Leben nur auf Sex auslegen wollte", knurrte Julius frustriert.

"Sie tut es, Julius. Sie achtet darauf, wer mit wem zusammen gute Nachkommen hat. Das ist eben der Punkt, wo ich besser einhaken kann als du. Außerdem kenne ich meine Goldschweif. Deine ist bestimmt nicht anders, auch stur, beharrlich und anhänglich, aber auch sehr Wachsam und geduldig. Wenn du wieder in deine angestammte Welt zurückkehrst wirst du dich mit Claire wieder treffen können, ohne daß sie es nicht mag."

"Das stimmt nicht. Ich mag Claire. Aber sie soll mit Julius nicht so rumspielen, als wolle sie von ihm Junge haben. Das geht nicht", grummelte Goldschweif XXVI. Julius hörte etwas an der Tür aus dem Kaminzimmer. Viviane öffnete sie und ließ Aurora Dawn ein. Diese sah Julius an und winkte ihm zu.

"Hat's also tatsächlich geklappt. Also auf dann. Die anderen warten schon auf uns. Viviane, ich habe dich bei Serena entschuldigt. Sie war etwas aufgebracht, weil Schwester Florence sich empört hat, daß sie den Jungen wieder zu uns gelassen haben, hat sich aber schnell wieder abgeregt, als Serena ihr erklärt hat, daß es eine gute Therapie sei, ihm auch die schönen Seiten unserer Welt zu zeigen. Also los, Julius! Ich denke, die Gründer möchten dich gerne kennenlernen", sagte Aurora Dawn und wartete, bis Julius aufgestanden war. Goldschweif wollte schon hinter ihm her, doch Viviane legte ihr einfach die Hand in den Nacken und hielt sie locker fest. Irgendwie wirkte das wie ein Lähmzauber. Aber Julius hatte gelesen, daß junge Kniesel immer so von ihrer Mutter herumgetragen wurden und einen Stillhalteinstinkt hätten, der darüber ausgelöst würde, wenn man sie fest aber schmerzlos im Nacken zu fassen bekam. So folgte er Aurora Dawn und ging mit ihr durch mehrere Dutzend Bilder zu einem gemütlichen Wohnzimmer, in dem bereits eine Hexe und vier Zauberer saßen.

Julius kannte Serena Delourdes, deren dunkelbraunes Haar wie das von Professeur Faucon hinter dem Nacken geknotet war. Sie trug eine rosa Schwesterntracht, die er auch von Madame Matine kannte. Ein Bär von Zauberer mit struweligem schwarzem Haar und Vollbart bis zur Brust, mindestens zwei Meter hoch, saß auf einem wuchtigen Holzstuhl und schenkte sich gerade eine feurige Flüssigkeit in die halbvolle Teetasse ein. neben ihm saß ein drahtiger Zauberer, der verschmitzt umherblickte und dann, als der groß und breit gebaute Zauberer mit dem Vollbart nicht hinsah, ein Zuckerstück in die Teetasse fallen ließ. Ein erhaben wirkender Zauberer, gekleidet in einem roten Umhang, saß der Herrin dieses Bildes gegenüber und unterhielt sich mit dem kleinwüchsigen Zauberer mit schmutzigblondem Struwelhaar, dessen blasses, bartloses Gesicht mißbilligend zu den beiden anderen Zauberern hinüberblickte. Julius erkannte sie alle. Der muskulöse Hüne war Orion, der Wilde, begründer des roten Saales. Der drahtige Zauberer war Petronellus, welcher den blauen Saal gegründet hatte. Der würdevolle Zauberer hieß Donatus vom weißen Turm und hatte seinerzeit den violetten Saal begründet. Blieb noch Logophil vom hohen Tal, der Forscher, der menschenscheue Eigenbrödler und vergeistigte Gründer des weißen Saales, der von den übrigen Gründern förmlich in die Mitbegründung dieser Zaubererakademie getrieben wurde.

"Prosit, ihr alle! Auf das dieser Tag mal wieder trefflich enden möge", sprach Orion der Wilde mit einer bauchkitzelnden Bassstimme. Er hob seine Teetasse, in die er wohl eher heimlich als offiziell was reingeschüttet hatte, setzte an und trank. Doch sofort danach spie er die Flüssigkeit ungeniert auf den Tisch zurück.

"Potztausend, hat dieser magere Wicht mir wieder seinen vermaledeiten Verhunzungszucker in den Tee geworfen", polterte er und sah den schadenfroh grinsenden Zauberer an.

"Au ja, hau mich doch, Orion! Das wird bestimmt wieder lustig", lachte er mit einer eigentlich netten mittelhohen Stimme, die einem Operntenor gut gestanden hätte.

"Junger Mann, bei mir setzt du dich hin", sagte Serena Delourdes zu Julius und winkte ihm zu. Er gehorchte. Sie sah ihn freundlich an. Aber er wußte, daß gerade freundlich dreinschauende Hexen sehr schnell wütend werden mochten, wenn man sie mißachtete. Er nahm also rechts von ihr platz, während Aurora sich zu Logophil setzte, der nur kurz zu ihr hinsah und dann wieder mißmutig einherstierte. Doch als er Julius ansah, fragte er sofort:

"Oh, bist du der Knabe, der letzte Woche schon durch unsere Gemälde gegeistert ist?"

"Öhm, jawohl, Magister Logophil", sagte Julius. Alle schwiegen. Dann meinte Serena Delourdes:

"Julius, da du zeitweilig in dieser Welt weilst, gilt für dich wie für uns andere hier, daß wir uns bei den Vornamen nennen. Aber ich denke, diese gesellschaftliche Feinheit hat dir Viviane gewiss mitgegeben."

Julius entschuldigte sich und korrigierte seine Antwort von eben, wobei er nur den Vornamen benutzte.

"Und du hast wirklich gegen diesen Sylthrin gekämpft, Bursche?" Fragte Orion, der Wilde. So wie er da saß, stellte sich Julius einen dieser Nordlandbarbaren aus seinen Kerker-undDrachen-Spielen vor. Doch das war ein echter Zauberer. Immerhin hatte er gegen französische Schwarzdruiden gekämpft, die das alte Gallien unter ihrer Herrschaft wieder auferstehen lassen wollten.

"Orion, lerne es doch, daß dieser Unmensch Slytherin heißt! Sly-the-rin", korrigierte ihn Logophil mißmutig.

"Ich wollte nicht gegen den kämpfen, Orion. Ich habe nur versucht, ihm auszuweichen. Außerdem habe ich den nicht besiegt, sondern mich nur gewehrt. Daß er sich dabei ein Eigentor geschossen hat, wußte ich nicht und hätte ich auch nicht gewollt, wenn mir dann alles um die Ohren geflogen ist."

"Ach, dann stimmt es nicht, daß du den mit einem Sprechbann aus dem Tritt gebracht hast?" Fragte Petronellus, während Orion den Inhalt seiner Tasse verschwinden lassen wollte, was jedoch nicht ging.

"Das stimmt schon, Petronellus", sagte Julius, der offenbar keine Probleme damit hatte, daß sie sich einander nicht vorstellen mußten. "Aber ich meinte, er würde dann nur den Fluch nicht ausrufen können. Ja gut, ging ja auch nicht. Aber daß der dann nach hinten losging hätte ich auch nicht gedacht."

"Ich gehe davon aus, daß unser heutiger Tischgast sehr an seinem Leben hängt und unsere Gesetze doch beherzigen wollte", sagte Serena Delourdes. "Er konnte ja nicht wissen, daß es 1332 bei einem Zaubererduell einen ähnlichen Ausgang gab und der Angreifer durch einen Oriclausus-Zauber am vollständigen Rufen gehindert wurde. Der aramäische Vernichtungsfluch brach dann auch aus dem Zauberstab und verzehrte den, der ihn aufrief. Allerdings war dies in der natürlichen Welt und führte nur zur restlosen Tilgung des betreffenden Zauberers, ohne andere Dinge oder Personen auch nur ansatzweise zu beschädigen."

"Oh, dann muß man nur schnell genug sein, um den Ausruf des Fluches zu blockieren?" Fragte Julius, der sich sicher war, es den anderen nicht erst erklären zu müssen, was ihm passiert war.

"Ja, aber nur dann, wenn dein Zauber schneller wirkt als jemand die verbotenen Worte sagen kann", erwiderte Serena Delourdes. Dann fragte sie Julius, ob sich das Verhältnis zu Goldschweif verändert hätte. Er erzählte kurz, was in der letzten Woche passiert war und auch, was er jetzt darüber wußte.

"Da kannst du mal sehen, daß deine gelbe Linie gar nicht mehr so wichtig ist, Serena", zog Petronellus die Gründungsmutter des gelben Saales auf. Diese sagte jedoch ruhig:

"Das legst du dem Jungen nicht in den Mund, Petronellus. Insbesondere dann nicht, weil er mit Schülern meines Saales sehr gut zusammenarbeitet. Außerdem hat er mehr gelbe als blaue Wesenszüge, auch wenn der Teppich meine Hausfarbe nicht gezeigt hat. Finde dich damit ab, daß dein chaotisches Treiben nicht so weltbewegend ist!"

"Oh doch, wenn einer meiner genialen Nachfolger endlich den archimedischen Hebel erfindet und diese Welt mal eben aus den Angeln hebt, Serena", widersprach Petronellus von den blauen Hügeln. Donatus fragte Julius zu seiner Zeit als Belles Zwillingsschwester aus, weil es ihn schon interessiert hatte, was da genau passiert war. Julius erzählte die ganze Geschichte und verschwieg auch nicht, das ihm ein Blauer dieses Abenteuer eingebrockt hatte. Er sah kurz durch das Weltenfenster des Bildes und stellte fest, daß er wohl in einem lange nicht mehr benutzten Teil des Palastes sein mußte.

"Ja komm, du hast das doch genossen, mal 'ne nackte Frau anfassen zu dürfen, oder?" Warf Petronellus gehässig ein. Orion lachte auch über diesen derben Scherz. Serena Delourdes räusperte sich zwar, kam aber nicht gegen das im Moment wieder friedlich zusammensitzende Duo an.

"Wenn du das vier volle Tage hintereinander siehst und machst wird's langweilig", konnte Julius entgegenhalten.

"Hmm, hat mein echtes Ich mal ausprobiert, durch einen Vielsaft-Trank. Nach zwei Wochen wurde es aber wirklich langweilig. Immerhin ist das mal interessant, wie es sich anfühlt, wenn man einen anderen Körper hat", sagte Orion der Wilde. Petronellus setzte drauf:

"Ach, Orion, wen hast du denn da nachgemacht?"

"Deine Tochter Maranella, du Hänfling. Die wollte mal wissen, wie so'n richtiger kerl sich anfühlt, und ich wollte es endlich wissen, um meine epochale Sammlung leidenschaftlicher Gedichte zu vervollkommnen. Wenn du die mal in die Finger kriegen solltest, Julius, dann weißt du alles über die Wonnen der Liebe. Dann kriegst du jedes Mädel rum und kannst dich so richtig toll ausleben", sagte Orion mit verrucht klingender Stimme und sah verzückt Aurora Dawn an, die jedoch diesem Blick standhielt.

"Ich habe mal ins Kama Sutra reingesehen. Da sollen ja alle sechsundsechzig wichtigen Sachen erklärt werden", warf Julius etwas gelangweilt ein.

"Ach nein, das liest doch nur jemand, der nicht einschlafen kann", quängelte Orion der Wilde empört. "Junge, wenn du bald in das Alter kommst, wo dir außer Büchern noch viel bessere Sachen wichtig sind, dann versuche, diese alte Gewitterhexe in eurer Bibliothek auszutricksen und dir das Buch "De Amore calidissimo" zu holen. Könnte zwar sein, daß einige verklemmten Leute dich dann rauswerfen wollen, aber zumindest bist du dann richtig unterrichtet."

"Das friwohle Ding liegt in der Bibliothek unter Verschluß, und Viviane würde es dir verbieten, diesen unterleibsfixierten Schund zu Rate zu ziehen", sagte Serena Delourdes zu Julius. "Orion, wenn ich nicht wüßte, daß dieser junge Herr schon jetzt weiß, was körperlich zwischen den Geschlechtern geschehen kann, würde ich dir den Sprechbann aufhalsen, damit du ihn nicht mit deinen vulgären Phantasien verdirbst." Sie sah den bärengleichen Zauberer an, der betreten dreinschaute. Petronellus meinte nur:

"Tja, deine Leutchen denken ja eben nur mit dem, was die Natur ihnen als kleinen Unterschied eingebaut hat, Orion. Meine Leute dagegen sind gescheit und raffiniert."

"Hat man ja gehört. Deine Mannschaft hat gegen die Trantüten von den Gelben verloren und gegen die Leute von diesem Jungen hier durch ihre eigene Krawallspielerei viele Punkte eingebüßt. Aber wenn du meinst, Serena, daß der Junge schon gut vorgebildet ist, dann sollte deine Nachfolgerin ihm vielleicht schon Sachen zum Verhüten mitgeben, damit er nicht so blöd reinfällt wie Donatus' Bursche." Auch Petronellus lachte. Logophil lief nun rot an.

"Wie kann man auch so blöd sein, 'ner Minderjährigen 'nen Quaffel unter'n Rock zu schießen. Sowas schreit doch nach Rauswurf."

"Wer im Glashaus sitzt", sagte Donatus vom weißen Turm entschlossen, "sollte nicht mit steinen werfen, Petronellus. Oder hat Julius diesen belgischen Unruhestifter darum gebeten, mit Mademoiselle Grandchapeau eine halbe Woche zusammenzuleben und ihre Kleidung und Kosmetikutensilien zu teilen, immer auf der Hut vor Sprüchen von Jungen, die das noch komisch fanden? Ich denke, daß solcherlei Unfug hier nicht hingehört und deshalb richtig bestraft werden muß. Das gilt leider auch für Malthus Lépin. Aber mir deucht, daß er sich genau an deinen Rat gehalten und sich dieses Sammelsurium erotischer Unflätigkeiten geholt hat, Orion."

"Da steht aber auch drin, daß man zu einer Gespielin immer freundlich und aufmerksam sein soll. Oder willst du wieder behaupten, daß dein Knilch dieses Mädchen vergewaltigt hätte?"

"Bestimmt nicht, weil sie dies mit Sicherheit ausgesagt hätte", sagte Donatus.

"Was ist denn mit diesem Braten eigentlich. Der müßte doch schon längst aus dem Ofen raus sein", meinte Petronellus. Serena Delourdes hielt Julius kurz den Mund zu und antwortete:

"Wenn du damit meinst, daß das unerwünscht gezeugte Kind glücklich geboren wurde, dann stimmt das. Das kleine Mädchen ist nun zwei Wochen alt. Mehr will ich hier nicht davon erzählen oder hören. Benehmt euch endlich mal wie Herren, besonders wenn Gäste dabei sind, von denen einer meines Dafürhaltens nach nicht in den fragwürdigen Genuß eurer vulgären Reden kommen sollte."

"Ach die große Mutter hat uns wieder ausgeschimpft", spottete Petronellus. Orion jedoch sah die Gründungsmutter nur an und versuchte erneut, mit "Evanesco" den verdorbenen Inhalt seiner Teetasse zu beseitigen.

"Oh, Orion, das geht doch nicht. Ich habe einen Antivanescus-Zauber in diese Zuckerwürfel eingebraut. Wenn sich die Würfel auflösen, wird die Flüssigkeit unverschwindbar. Genial, nicht wahr?"

"Ich schütte dir diesen Hühnermist gleich ins Portrait, du Banause. Echten Feuerwhiskey derartig zu verhunzen ist ein Verbrechen wider den guten Geschmack."

"Feuerwhiskey zu trinken ist ein Verbrechen wider den gesunden Körper", warf Serena eindrucksvoll gestikulierend ein. Dann nahm sie Orion die Tasse weg, kippte den Inhalt in ein Spülbecken, das wild rülpste und sich schüttelte, als das verdorbene Getränk in seinem Abfluß verschwand.

"Hast du da was erfunden, was den Alkohol in was übelschmeckendes verwandelt?" Fragte Julius den Gründervater des blauen Saales.

"Eine geniale Idee, die mein natürliches Ich mal auf den Markt bringen wollte. Leider hatten die Zwerge damals mit irgendwelchen Drachenhütern das Monopol für hochprozentige Zauberschnäpse und haben den Entweingeisterungstrank sehr übelgenommen. Na ja, mein echtes Selbst hat's überlebt und konnte dafür andere geniale Dinger bauen, wie den Entzeiter oder den Einschläferer."

"Komm nicht auf Ideen, Julius. Ich weiß, daß du diese Zwillinge in Hogwarts bewundert hast, weil die manchen gemeinen Scherzartikel gebaut haben. Ein Entzeiter ist eine fiese Sache, nachdem ich einen ausprobiert habe", sagte Aurora Dawn.

"Ach, Schätzchen, sowas kommt doch gut", warf Petronellus ein.

"Wie soll denn ein Entzeiter gehen? Ich meine, wie wirkt der?" Fragte Julius.

"Es hebt die Zeit für einen sehr engbegrenzten Bereich auf. Dir kann also passieren, daß du in die Vergangenheit zurückgeworfen wirst oder irgendwo in der Zukunft landest, dich selbst schlagartig immer älter oder jünger werden fühlst oder dich selbst zu verschiedenen Zeiten triffst. Die voreingestellte Zeit lang bleibst du in diesem Chaos der Zeit, bis du wieder in den normalen Zeitstrom zurückfällst. Nützt dir nur wenig, wenn du zum Ungeborenen zurückgeschrumpft oder schon zum Skelett zerfallen bist. Das ist das Risiko dabei, weil man nicht weiß, was genau der Entzeiter mit dir anstellt. Nur eins passiert nicht, du kannst nicht in die Vergangenheit eingreifen oder Sachen aus der Zukunft mitnehmen, weil du ja eben außerhalb der üblichen Zeit rumhängst."

"Dann ist das ja Teufelszeug", sagte Julius, der den Gedanken an eine Zeitmaschine schnell wieder verwarf, wenn dabei alles nur nichts gutes passierte.

Er erzählte noch von seiner Zeit in Hogwarts, wie er Beauxbatons fand und berichtete auch über die Sub-Rosa-Gruppe, weil hier am Tisch eh alle davon wußten.

So um fünf Uhr kam Viviane Eauvive mit Goldschweif zum Kaffee. Sie strahlte Julius an und sagte ihm:

"Sie hat eingesehen, daß sie als Tochter zweier Cousins ersten Grades und Enkelin zweier Onkel und Tanten keine Probleme damit haben sollte, daß du mit deiner eigenen Schwester zusammen bist, weil sie ja in Wirklichkeit deine Cousine zwanzigsten Grades ist. Genauso könntest du ja mit meiner in Granada lebenden Nachfahrin Almadora Fuentes Celestes eine glückliche Familie gründen, die auch aus deiner väterlichen Ahnenlinie stammt. Und, haben die Herren Orion und Petronellus sich mal wieder von der besten Seite gezeigt?"

"Aber nur, Viviane", warf Petronellus locker ein.

Die Stunde bis zur angesetzten Rückkehr plauderten die sechs Gründer, Aurora Dawn und Julius Andrews noch über dieses und jenes aus der englischen Zaubererwelt. Sie waren sich einig, daß durch die Rückkehr Voldemorts eine neue Terrorwelle erst über England und dann über die Welt hinwegrollen würde. Logophil sagte dazu:

"Warum kann es nicht angehen, daß Magier, die so viel Wissen und Kraft vereinen, ohne die Weltherrschaft auskommen können? Wie kann jemand so selbstverachtend mit der Zauberei umspringen?"

"Logophil, nicht alle sind so Kopfmenschen wie du. Es soll auch Leute geben, die sich nur auf das verlassen, was ihr Herz zu sagen hat. Aber davon hast du ja keine Ahnung. Dich kriegte Lana von den grünen Weiden doch nur ins Bett, weil sie dir einen Liebestrank unterjubelte", gab Orion gehässig zurück. Julius grinste nur, während Serena den hünenhaften Zauberer böse anfunkelte. Viviane sagte zum Schluß, bevor sie Julius aus der Tischrunde fortführte:

"Wie immer ihr diesen dunklen Lord einschätzt, Leute. Die Sache in Hogwarts zeigt, daß auch wir aufpassen müssen, nicht diesem Zerstörungswahn zum Opfer zu fallen. So, und nun komm, Julius!"

Julius verabschiedete sich von Serena Delourdes und den anderen. Dann ging er mit Viviane und Goldschweif zum Raum Professeur Faucons zurück. Unterwegs meinte Julius:

"Jetzt weiß ich zumindest, wo die Roten ihre lockeren Sprüche und die Blauen ihren Drang zum Unsinnmachen herhaben. Aber irgendwie fühle ich mich nach dem Kaffee und Kuchen pappsatt."

"Das verfliegt wieder, wenn du dich mit dem Intrakulum zurückversetzt hast. Alles, was du in einem Bild an dich oder zu dir genommen hast, bleibt in der gemalten Welt zurück. Da du den Kaffee und den Kuchen jedoch schon verdaut hast, verschwindet alles im Strom der Wiederkehr, wie alles gegessene oder getrunkene, während die Bild-Ichs schlafen. Aber das mußt du nicht so genau wissen."

Irgendwie erschien es Julius traurig, wie Viviane das gesagt hatte. Hatte es wirklich irgendwas schönes, ein gemaltes Wesen zu sein? Er dachte, daß man dadurch doch sehr eingeschränkt war. Den echten Leuten mußte man durch einen Zauber gehorchen, wenn man in deren Büro war. Man konnte ja nur in der eigenen Galerie herumlaufen, wenn es nirgendwo sonst ein Portrait gab. Man konnte nicht alt werden oder eine Familie gründen. Vielleicht war es deshalb dort so üblich, sich nur beim Vornamen zu nennen.

Vor der Rückkehr in die natürliche Welt bedankte sich Julius noch mal bei Viviane und sagte zu Goldschweif:

"Du hast es jetzt verstanden, daß Claire und ich keine Probleme zusammen haben werden?"

"Ich weiß jetzt, daß Claire deine Cousine ist. Mehr weiß ich nicht."

"Immerhin etwas", dachte Julius. Zwischen Cousinen und Tanten konnte ein Knieselmännchen eine gute Partnerin für gesunde Junge finden. Wenn sie das einsah, konnte er sich schon morgen mit Claire wieder vertragen.

__________

"Hallo, Brüderchen", sagte Jeanne Dusoleil, als Julius kurz vor dem Abendessen durch die Wand zum grünen Saal schlüpfte. Julius erstarrte. Wieso nannte sie ihn "Brüderchen"?

"Wie kommst du denn darauf?" Fragte er verdutzt.

"Glaubst du, mich hätte das in Ruhe gelassen, wie Goldschweif Claire fast verbissen hat? Ich habe mit Erlaubnis von Professeur Faucon mit Maman kontaktgefeuert und mich mit ihr darüber unterhalten. Sie hat dann gemeint, daß wir vielleicht irgendwie miteinander verwandt wären, weil Kniesel das wohl auch spüren könnten. Sie hat dann mit allen uns wohl gesinnten Verwandten kontaktgefeuert und rausbekommen, daß wir mit den Eauvives in direkter Linie verwandt sind. Dann hat die gute Madame Eauvive aus Paris sich ohne weiteres zu ihrem Familienstammschloss versetzt und dort auf dem selbstverlängernden Stammbaum nachgesehen, ob du vielleicht auch da drauf bist. Und, was soll ich dir sagen? Deine Eltern sind beide über mehrere Ecken mit unserer Saalgründerin verwandt. Vier Kinder von Viviane Eauvive bilden sowohl deinen als auch meinen Stammbaum. Das wird Goldschweif dazu bringen, dich und Claire für Geschwister zu halten. Und wenn Claire deine Schwester ist, dann bin ich das auch", erwiderte Jeanne stolz, weil sie was verdammt wichtiges rausbekommen hatte. Julius war verdutzt. Dann war die Bilderreise völlig unnötig gewesen? Aber nein, war sie nicht. Denn Jeannes Bericht ohne den alten Stammbaum in Vivianes Wohnzimmer war nur halb so überzeugend. Er nickte nur und meinte:

"Das ist es wohl. Professeur Faucon hat mir das auch so aufgedröselt, wo die gemalte Viviane Eauvive dabei war. Wir haben es hoffentlich hinbekommen, daß Goldschweif Claire demnächst in Ruhe lässt, wenn sie mit mir zusammen sein will."

"Ach, dann dürfen sich bei den Knieseln Geschwister lieben?" Fragte Jeanne gehässig.

"Nein, aber Cousin und Cousine", antwortete Julius schlagfertig, bevor ihm klar wurde, daß Jeanne ihn und Claire schon als Ehepaar ansah.

"Dann komm mal mit zum Abendessen, Cousin! Heute haben die Wildschweinbraten in Weinsoße."

"Oink! Ach ja, wir sind ja in Gallien", erwiderte Julius amüsiert grinsend. Dann gingen sie hinunter zum Speisesaal, wo Julius den Jungen seiner Klasse was von heftigen Vorprüfungen erzählte, aber auch rausließ, was mit der Knieselin los war.

"Och, daß ist in der Zaubererwelt nichts schädliches, die eigene Cousine zu begatten. Allerdings will nicht jeder zugeben, mit jemandem verwandt zu sein. Ich glaube nicht, daß die Latierres das gerne raushängen lassen, daß ein Cousin fünften Grades ihres Urahns die Lestrange-Linie gegründet hat, die ja nun wieder traurige Berühmtheit errungen hat", sagte Robert.

"O, dann sollte ich mich wohl doch besser nur an Claire halten", erwiderte Julius. "Die Ahnenlinie kenne ich zumindest jetzt weit genug, daß ich weiß, daß da keine bekannten Todesser bei sind."

"Das kann leider nicht jeder sagen", meinte Hercules. "Irgendwann im zehnten Jahrhundert hat sich wohl eine Sippe namens Malfois gegründet, die in direkter Linie mit meinen Urahnen verwandt ist. Die wanderten aber mit den Normannen nach Hastings und haben euch Engländern Manieren beigebracht, wobei sie die eigenen vergessen haben. Ich hörte, daß ich irgendwo in England einen Cousin zwanzigsten Grades haben soll, der den alten Familiennamen noch trägt. Aber nachdem, was ich über die Familie weiß, muß ich den nicht kennenlernen."

"Glaub mir, da hast du absolut nichts verpasst, Hercules", sagte Julius, dem klar war, daß aus "Malfois" "Malfoy" geworden war und sich doch so mancher Kreis schloss. Vor einer Woche hatte er gegen ein bösartiges Vermächtnis Slytherins gekämpft, das Draco Malfoy auf die Bilderwelt von Hogwarts losgelassen hatte. Hier saß er einträchtig mit einem sehr weit entfernten Vetter dieses reinblütigkeitsvernarrten, arroganten Drecksacks an einem Tisch und freute sich mit ihm, daß er den Quidditchpokal mit ihm zusammen geholt hatte.

Nach dem Abendessen führte Jeanne Claire und Julius wieder zusammen. Sie saßen zunächst zu dritt an einem Tisch und gingen noch mal Prüfungsaufgaben aus früheren dritten Klassen durch. Dann zog sich Jeanne zu Eloise und Yves zurück, und Julius konnte sich mit Claire aussprechen.

"Dann ist es also kein Zufall, daß du hier bei uns im grünen Saal bist?" fragte Claire, als Julius ihr das noch mal aus seiner Sicht erzählt hatte, was er von Viviane Eauvive erfahren hatte.

"Ich glaube nicht an Schicksal oder sowas, Claire. Aber irgendwie muß mein Erbgut mich wohl doch genau hierhergeführt haben. Dann war Hogwarts wohl nur sowas wie ein Ausgangspunkt."

"So kannst du das sehen. Aber wenn dein Vater dich nicht so heftig abgelehnt hätte, wärest du nicht zu uns gekommen."

"Tja, wenn der wüßte, wieviele Hexen und Zauberer ihr Blut in seine Adern gepumpt haben", sagte Julius verschmitzt grinsend. Dann umarmten sich Claire und er innig.

Als sie am nächsten Morgen, dem Sonntag vor den Prüfungen, spazieren gingen, kam ihnen Goldschweif freudig entgegen. Julius hob sie auf, und Claire durfte sie sogar streicheln. Ja, sie durfte Julius sogar in die Arme nehmen, und Goldschweif lief schnurrend um die beiden herum.

"Ich hoffe, ihr habt ihr nichts tun müssen, um sie so zu kriegen, Juju. Das täte mir leid."

"Wir mußten ihr nichts tun. Wir haben sie nur davon überzeugen müssen, daß sich weit entfernte Cousins und Cousinen gut miteinander verstehen dürfen, weil ihre Zuchtlinie ja auch mehrere Familieneinkreuzungen enthält", sagte Julius.

"Wie ging denn das?" Fragte Claire.

"Das Bild unserer gemeinsamen Urmutter hat in den Jahrhunderten Knieselisch gelernt und konnte so mit Goldschweif reden", log Julius. Obwohl, wußte er es mit Sicherheit, daß Viviane die Knieselsprache nicht konnte?

"Das muß die gute Madame Eauvive aber wohl gefreut haben, noch einen ihrer Nachfahren hier zu sehen, oder?"

"Oja, hat sie", sagte Julius. Claire zog ihn sanft mit sich zu einem hohen Busch, den nur übersehen konnte, wer von ihrer Seite her ankam. Dann nahm Sie Julius in die Arme. Er gab sich dem Bedürfnis nach Nähe hin und suchte vorsichtig Claires Mund. Diesmal wollte er nicht warten, bis sie den ersten Schritt tat.

ENDE

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