EIN GESPENST AUS FLEISCH UND BLUT

Eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie

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P R O L O G

Es geht weiterhin turbulent zu in der US-amerikanischen Politik. Erneut wurde ein Zaubereiminister ausgetauscht. Denn Milton Cartridge, der seit Ostern 1997 eingesetzte Amtsträger, legte es nicht sonderlich auf eine Wiederwahl an. Außerdem geschahen Dinge, die ihm nahelegten, ehrenvoll zurückzutreten, als sich schmachvoll abwählen zu lassen. Denn nicht nur, daß innerhalb weniger Wochen zwei namhafte Hexen aus derselben Familie aus der Weltöffentlichkeit verschwanden, nämlich Pandora und Patricia Straton. Von Cartridge und seinen Leuten unbemerkt und unaufhaltsam gewann die früher eher unauffällige Vampirin Nyx durch die Erbeutung des Mitternachtsdiamanten ein hundertfaches ihrer sonstigen Macht und erhebt sich zur Anführerin aller Vampire der Nordhalbkugel. Doch wo sie zunächst behutsam und wählerisch vorgehen will, wird sie vom Zaubereiministerium dazu getrieben, möglichst schnell neue Artgenossen zu erschaffen. Das führt zu einem kurzen aber blutigen Krieg zwischen Vampiren und Zaubererwelt, den die magischen Menschen scheinbar für sich entscheiden. Wesentlichen Beitrag zu Nyx vorübergehendem Rückzug nach verlustreichem Kampf tragen Anthelia und die doch nicht gestorbene Patricia Straton. Pandoras Tochter erinnerte sich an Hinterlassenschaften ihrer in Montenegro von Voldemort getöteten Mutter und will diese mit Anthelia bergen. Dabei kommen sich die Wiederkehrerin und Daianira, die Führerin der sogenannten entschlossenen Schwestern Nordamerikas, so stark in die Quere, daß Anthelia von Daianiras Talisman, dem Sonnenamulett der Inkas, aus dem Raum-Zeit-Gefüge geschleudert wird. Daianira triumphiert über die lästige Rivalin, verliert jedoch bei diesem Kampf das Bewußtsein, so daß Patricia Straton ihr das Amulett stehlen und die gesuchten Unterlagen an sich nehmen kann. Im Glauben, daß Anthelia wirklich verschwunden ist und bleiben wird, lernt sie mit Gedächtnistrankunterstützung alle geschriebenen Texte auswendig und nimmt ausgelagerte Erinnerungen ihrer Mutter in ihr eigenes Gedächtnis auf, bevor sie sämtliche geerbten Unterlagen vernichtet. Einen Tag später trifft sie die an ihren Wiederverkörperungsort zurückgeschleuderte Anthelia wieder, der sie durch die Aversion des Sonnenamuletts und des Seelenmedaillons nun ebenbürtig gegenübertritt. Zusammen schaffen sie es, Nyx zu vertreiben, bevor sie Cartridge zu einem Vampir machen kann. Doch Cartridge übergibt seinem Amtskonkurrenten Wishbone, einem ehemaligem Sicherheitsfachmann, das Ministeramt. Wishbone selbst hütet ein dunkles Geheimnis, daß ihm leicht das neue Amt und den Ruf kosten könnte: Er ist der Liebhaber seiner unverheirateten Tante. Diese zieht heimlich mit in das Ministerium ein. Dort erfahren sie, daß die düsteren Vorzeichen ihre furchtbare Bestätigung gefunden haben und der weithin gefürchtete Lord Voldemort das britische Zaubereiministerium in seine Gewalt gebracht haben muß.

Anfang August tauchen in Rom die ersten von Voldemort wiedererweckten Kreaturen auf, die wahlweise als gewöhnliche Menschen oder echsenartige Monster erscheinen können und gegen alle Magie und Gewalt immun sind, solange sie Körperkontakt mit dem Erdboden haben. Anthelia kann in den Abwasserkanälen eines dieser Unwesen nur dadurch töten, daß sie es mit Wasserzaubern in das Schmutzwasser wirft, wo der magische Schutz nicht mehr wirkt. Sie kann jedoch nicht verhindern, daß eine Mitschwester von einem Artgenossen dieser Wesen vergiftet wird. Das Gift bewirkt die Verwandlung eines Menschen in eine weitere Schlangenkreatur. Anthelia tötet ihre Mitschwester, bevor der Umwandlungsprozeß vollendet ist und experimentiert mit dem vergifteten Blut. In London wird derweil eine neue Abteilung gegründet, die Muggelstämmige registrieren und auf die Herkunft ihrer Zauberkräfte prüfen soll. Leiterin der Kommission ist die skrupellose Hexe Dolores Umbridge. Ihr erstes Ziel, der Offizierssohn Tim Abrahams, entkommt ihrem Zugriff nur durch die Mithilfe seiner heimlichen Jugendliebe Galatea Barley und ihrer Mutter Ceridwen. Patricia Straton findet heraus, daß der Junge Cecil Wellington nun dem von ihr erbeutetem Sonnenmedaillon verbunden ist, das sogar Anthelia auf Abstand hält.

Das neue Schuljahr in Hogwarts soll anfangen, und Severus Snape, der von den meisten anständigen Hexen und Zauberern als Dumbledores Mörder verdächtigte, soll die altehrwürdige Schule leiten. Dies verheißt nichts gutes.

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Es brodelte laut und unheilverheißend. Grünliche und blaue Dampfschwaden geisterten durch das steinerne Verlies und brachen den roten Feuerschein unter dem mehr als einen Meter hohen und ebensobreiten Kessel aus gediegenem Silber. Eingehüllt in die lautlos tanzenden Dunstschleier stand eine Gestalt in einem langen Kapuzenumhang, der wie aus gewebtem Gold wirkte und die rote Feuersglut spiegelte, als leuchte die Erscheinung aus sich selbst heraus. Laut Blubbernd zerplatzten Luftblasen an der Oberfläche des kochenden Gebräus. Es war nicht ganz ungefährlich, dieses Elixier in solcher Menge zu brauen. Daher waren die beiden Türen hermetisch verschlossen. Der Umhang war mit einem Giftgasabweisezauber belegt, der tödliche Schwaden vom Leib der Brauerin abhielt. Hier wurde Alchemie der höchsten Gefahrenstufe betrieben, die in keiner Zaubererschule Europas gelehrt wurde. Zwei Tage lang hatte sie sieben Tränke einzeln gebraut und nun in diesen großen Kessel gegeben, wobei sie zusätzliche Zutaten vermischt hatte, die jede für sich hochgiftig waren. Jetzt mußte das Gebräu noch einen vollen Tag am Stück durchziehen. Dann galt es, den Trank noch durch einen alchemistischen Filter zu gießen, um die Giftigkeit der entstandenen Verbindungen endgültig abzuschwächen. Dann hieß es nur noch, den Trank auf Zimmertemperatur abkühlen zu lassen, um ihm dann, zum guten Schluß, eine ausreichende Menge eines anderen, schwerer zu brauenden Zaubertrankes beizugeben. Sie hatte auch nur noch bis zum Vormittag des ersten September Zeit, also noch genau drei Tage. Mit lautem Ping verkündete eine säure- und Giftabweisende Küchenuhr, daß wieder eine Stunde verstrichen war. Die Brauerin im goldenen Schutzumhang ging an den silbernen Griff des Rührlöffels, der so groß wie ein Paddel war und lief um die leise prasselnde Feuerstelle herum. Leise schabend glitt der Löffelstiel auf dem Kesselrand entlang, während der überdimensionierte Löffel den Inhalt durchrührte. Das artete wirklich in körperlicher Arbeit aus, diese Menge Trank zu brauen. Aber sie hatte es zugesagt und wußte auch, was davon abhing. Sie hoffte nur, daß sie das Gebräu auch wirklich wirksam und trinkbar hinbekommen würde. Die Dosierung der Zutaten und die im Verhältnis zu bekannten Menge umzurechnende Braudauer für diese große Menge waren sehr knifflige Angelegenheiten gewesen. Sie fürchtete schon, ihre Gastgeberpflichten zu vernachlässigen. Doch ihr Mann war wohl froh, mal wieder jemanden zu haben, mit dem er über die magielose Welt sprechen konnte. Übermorgen würde sie von einer anderen Braumeisterin einen Kessel des Trankes erhalten, mit dem sie ihren gerade fertigkochenden Trank in die Endform bringen wollte.

Drei Etagen über dem Felsenkeller mit dem Braulabor erklärte Tim Abrahams gerade seinem Gastgeber Darrin Barley und dessen Kindern die Vorzüge des weltweiten Computernetzes und beschrieb die bereits möglichen und wohl in wenigen Jahren möglichen Anwendungsbereiche.

"Ja, als ich mit Computern zu tun hatte waren das noch schrankgroße Ungetüme mit laut brummenden Trafos und laut rasselnden Lochstreifenschreibern. Da hat sich doch vieles geändert", meinte Mr. Barley. "Aber wenn ich überlege, daß diese elektronischen Briefe heute handgeschriebene Nachrichten ersetzen ... da fehlt irgendwo die direkte Verbindung zwischen Absender und Empfänger."

"Das haben mir auch immer wieder Leute vorgebetet, Sir", meinte Tim. Brigid Barley, die nach der Tagesbereitschaft als niedergelassene Heilerin eine gewisse Entspannung empfand, diesem Vortrag zu lauschen, meinte dann noch:

"Es ist klar, daß diese Elektropost schneller ist und einer an hunderte zugleich schreiben kann. Vielleicht gibt's irgendwann auch die Möglichkeiten, Musik und Bilder mit diesen Nachrichten zu verschicken. Aber Dad hat schon recht. Wer einen Brief mit der Hand auf Pergament oder Papier schreibt fühlt sich erhabener, weil er weiß, daß der Empfänger den auch anfassen und ansehen muß. Diese Elektrobriefe können doch nicht angefaßt werden, oder?"

"Du kannst die ausdrucken, also von einem Gerät wie ein Zeitungsblatt aus Papier bringen lassen", sagte Tim. Galatea Barley schüttelte ihr rotes Haar aus und wandte vorsichtig ein:

"Ist das denn dann so ähnlich wie ein handgeschriebener Brief? Wenn der Schreiber einen bekommenen Brief erst aus dieser Druckmaschine rauskommen läßt, hat der Absender den doch nicht auf Papier oder Pergament geschrieben, sondern ein Apparat."

"Das ist wohl richtig", gestand Tim ein. "Außerdem braucht keiner den Brief ausdrucken zu lassen. Der speichert ihn auf der Festplatte, wie ich euch das erklärt habe."

"Und wenn die kaputt geht ist der Brief ganz weg", vermutete Darrin Barley. Tim nickte beschämt.

"Dann wäre die Geheimhaltung der Zaubererwelt wirklich in Gefahr, wenn jemand was davon mitbekommt und das in dieses Internet-Gefüge reinschreibt", vermutete Megan Barley, Galateas älteste Schwester. Ihr Vater nickte heftig. "Dann müßte es doch Leute aus der Zaubererwelt geben, die diese Maschinen und das Nachrichtenverbreitungsdings Internet bedienen können, um das zu verhindern, daß die Geheimhaltung auffliegt."

"Die gab es in England auch, Meg", sagte Galatea. "Du kennst doch noch June Priestley. Die hat sich doch ausführlichst mit Geräten der Muggel und Nachrichtenverbreitern der Muggel befaßt und im Ministerium auch an solchen Maschinen gearbeitet. Aber die ist wohl mit ihrer Familie als eine der ersten abgehauen, als Du-weißt-schon-Wer das Ministerium an sich reißen wollte." Tim nickte. Er hatte die besagte Hexe auch schon einmal getroffen, als es um muggeltaugliche Entschuldigungen ging. Doch nun war sie fort, womöglich weit weg in Übersee, wo er eigentlich auch schon seit einer Woche sein wollte, wenn nicht diese dumme Kröte Umbridge ihn fast erwischt hätte und er jetzt auf dem Hof Hühnergrund wohnte, bei Ceridwen und Darrin Barley und ihren vier Kindern Megan, Brigid, Galatea und Fergus. Aus ursprünglich drei Tagen waren bald schon drei Wochen geworden. Immer noch wollte er nicht fort von hier. Denn immer, wenn er dachte, "Jetzt mach ich mich doch auf und davon", waren ihm Zweifel gekommen, ob er damit nicht eine sich langsam anbahnende Chance vertat, endgültig mit Morpuora und ihrer widerlichen Annäherung abzuschließen. Die vier Jahre ältere Galatea merkte das wohl, zeigte aber nicht, ob sie das besonders freute oder nervte. Doch die leisen Signale waren da, in jedem gewechselten Wort, in jeder zugedachten Geste, jedem winzigen Blick, den sie ihm zuwarf. Sollte er jetzt weiter warten oder bald Fahrt aufnehmen, um zu ergründen, ob wirklich mehr möglich war als ein sicheres Versteck?

"Langsam könnte Mum aber mit diesem Geblubber da unten fertig werden", grummelte Fergus. "Ich wollte mir von ihr noch was wegen der Unittamo-Brücke erklären lassen, wenn ich mich echt in der Redaktion von Verwandlung Heute bewerben will.""

"Du meinst, ein O-UTZ in Verwandlung täte das noch nicht?" Feixte Galatea. Megan meinte dazu nur:

"Weil sie ihm immer damit kommen könnten, daß er bei der begabten Mutter doch auch überragend gut zaubern solle. Slughorn hofiert den doch auch schon, nicht wahr, Fergy?"

"Den lass ich doch voll abblitzen. Der sucht sich doch nur tolle Leute raus, um bei denen zu schnorren, wenn die was auf die Beine gestellt haben. Bei Mum hat er's doch auch versucht, damals."

"Und hat es wohl nicht aufgegeben", wandte Brigid ein. "Immerhin hat er ihr jeden Geburtstag Zitronenkuchen mit Pfefferminzstreuseln zugeschickt, nur weil dem irgendwer verraten hat, daß sie den gerne ißt."

"Tja, aber Mrs. Barley ist wohl sehr hartnäckig", wandte Tim ein.

"Sie mag halt keine fetten, verfressenen Slytherins", spie Galatea sehr verächtlich aus. "Nachher wird der noch Schulleiter, weil der diese Räuberhöhle leitet."

"hat Mum nicht erzählt, daß die den nicht zum Schulleiter gemacht haben und der schon sicher ist?" Fragte Megan. Fergus knurrte nur, daß das nicht viel besser klänge. "Nachher machen die noch Snape zum Schulleiter. Gut, daß ich aus dem Laden schon raus bin."

"Warum heizt du dich dann so auf?" Wollte Galatea wissen. Fergus grummelte nur, daß die Mädchen das eh wüßten. Tim befand, sich da besser nicht zu zu äußern.

"So, Leute, es ist elf durch. Nur weil eure Mutter immer noch mit irgendeinem Gebräu da unten rumpanscht heißt das nicht, daß wir keinen Schlaf kriegen sollen", meinte Mr. Barley. "Ich wünsche euch also eine gute Nacht! Tim, Sie können noch ein wenig lesen, wenn meine Frau ihre Bücher nicht mit einem Versteck-dich-Zauber behext hat."

"Ich dachte eher daran, meinen Eltern zu schreiben. Falls Ihre Frau mir zeigt, wo das nächste Postamt der Muggel ist, kann ich meinen Eltern noch mitteilen, daß es mir noch gut geht. Oder kennt wer von Ihnen und euch ein Internetcafé, wie ich das heute erwähnt habe?"

"Keine Ahnung", antwortete Darrin Barley. "Aber wenn Sie sowas finden führen Sie mir das bitte vor, was Sie uns heute erzählt haben, junger Mann!"

"Das soll mir eine Ehre sein", erwiderte Tim Abrahams. Danach zog er sich in das geräumige Gästezimmer zurück, das er eigentlich so schnell wie möglich gegen ein Hotelzimmer mit Radio, Telefon und Fernseher eingetauscht hätte. Doch mittlerweile fühlte er sich in diesen vier Wänden recht wohl. Er hatte sich auch gut daran gewöhnt, daß morgens immer dieser stimmgewaltige Hahn die Sonne begrüßte und sein Harem aus weißen, braunen und schwarzen Hennen wild durcheinandergackerte.

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Sie konzentrierte sich vollkommen. Sie stellte sich vor, wie ihr Körper immer heißer wurde, wie sie alles um sich herum in Brand setzen wollte und drehte sich schnell herum. Laut fauchend schossen blaue und rote Flammengarben aus ihrem Körper heraus und schlugen in einer Zehntelsekunde zehn Meter weit aus. Es wirkte so, als sei sie das Zentrum eines explodierenden Feuerballs, der mindestens zwanzig Meter weit ausgriff und dann nach drei Sekunden in sich zusammenbrach. Ihr war nichts passiert. Auch die Auszehrung war etwas weniger heftig als noch vor fünf Tagen. Zehnmal am Tag übte sich Anthelia in einem verlassenen Steinbruch in verschiedenen Zaubern ihrer Tante Sardonia. Die kreisförmige Flammenwelle war ein sehr machtvoller Elementar-Kampfzauber, der mehrere Angreifer auf einmal niederwerfen und vernichten konnte. Auch das Lied der Vergeltung, das sie bereits in ihrem ersten Leben erlernt hatte, wirkte nun noch stärker. Sie hatte es im Amazonas an einem Schwarm Piranhas ausprobiert, bevor die durch Blutgaben in Fressrausch versetzten Salmler auch nur einen Zahn in ihr Fleisch hatten schlagen können. Womöglich würde sie es bald auch gegen menschliche Bestien erfolgreich einsetzen.

"Umbra Horribilis!" Rief Anthelia, wobei sie auf ihren eigenen Schatten deutete, der für einen Moment in einen bläulich-violetten Strahlenkranz gehüllt wurde und dann vom Boden in die Senkrechte aufstieg, dabei doppelt so groß anwuchs wie Anthelia selbst war. Spur- und lautlos bewegte sich der behexte Schatten nun auf eine der Steinwände zu und langte mit der tiefschwarzen Rechten daran. Anthelia sah mit einer Mischung aus Anstrengung und Vergnügen, wie die Stelle an der Wand von Reif überzogen wurde und hörte das Knirschen, als die eigentlich völlig materielosen Fingernägel ihres Schattens in die Wand hineinglitten und den ergriffenen Steinbrocken mit Knirschen und Knacken herausbrachen, der dabei völlig von Eis überzogen wurde. Also ging das auch. Anthelia hatte sich schon immer gefragt, ob an der Behauptung etwas dran gewesen war, daß ihre Tante nicht nur Geister, sondern auch die Schatten lebender Wesen zu gefährlichen Streitern gerufen hatte. Jetzt wußte sie es. Doch sie wußte auch, daß der Zauber im Verhältnis zum Tageslicht Kraft entzog und bei völliger Dunkelheit oder im Mittagssonnenschein überhaupt nicht funktionierte. "Umbra Reposita!" Rief sie, als der von ihr belebte Schatten zwei weitere Stücke aus der harten Wand gebrochen und mit seinem bloßen Griff vereist hatte. Innerhalb eines Lidschlages verwandelte sich die gigantische schwarze Schreckensgestalt mit den vereisenden, steinbrechenden Händen in Anthelias harmlosen Schatten zurück. Auch dieser Zauber forderte Kraft und war zudem nicht ungefährlich, da ein Licht bringender Zauber gegen die Schattenkreatur diese und seine Beschwörerin erheblich schwächen konnte. Wurde die Schattenkreatur gar vom Licht völlig aufgelöst, kostete das seine Beschwörerin so viel Kraft, wie sie für eine Woche Leben brauchte. Ungeübte Zauberer oder Hexen mochten bei diesem Gegenschlag sogar sterben, was wohl der Hauptgrund war, warum die Schattenbeschwörung im Duell äußerst selten benutzt wurde. Sie wußte, daß es unter den modernen Hexen und Zauberern welche gab, die die Magie der Sonne in sich bündeln und aus ihren Zauberstäben auf ein Ziel ausrichten konnten. Ein derartiger Zauber konnte sie außer Gefecht setzen. Doch sie wollte wissen, welche der alten Zauber sie übernehmen konnte und übte weiter. Sie dachte sogar daran, die Geisterarmee ihrer Tante neu aufleben zu lassen. Geister waren im Kampf ebenso brauchbar wie Schatten, nur daß sie sich von Licht nicht beeindrucken ließen und auch außer Sichtweite der Befehlshaberin wüten konnten. Der Kontakt mit dem ektoplasmatischen Körper eines Geistes fühlte sich eiskalt an, als sauge die mysteriöse Substanz, aus der die Nachlebenformen ehemaliger Hexen und Zauberer bestanden, alle Wärme aus ihrer unmittelbaren Umgebung. Womöglich konnte sie Sardonias alte Getreuen zu ihrem Dienst zwingen, wenn sie in den Aufzeichnungen ihrer Tante weiterlas, wen sie alles wie unter ihren Willen gezwungen hatte. Geister erschinen ihr als Streitmacht gut geeignet, um gegen Griselda Hollingsworth zu kämpfen, wenn diese sich wieder hervorwagte, um die mit dem Mitternachtsdiamanten einverleibte Macht wieder auszubauen. Doch gegen die Schlangenkrieger, von denen sie in den Eingeweiden Roms einige getroffen hatte, würden Gespenster wohl wenig ausrichten, weil die telekinetischen Kräfte der Geister an den Schlangenkriegern abprallten oder zerflossen. Sie kannte sich gut aus in der Phantasmologie, der Gespensterkunde, um über die Stärken und Schwächen auf Erden wandelnder Seelen bescheid zu wissen. Die einzig wirksamen Mittel gegen die Schlangenkrieger waren ihre Entomanthropen. Doch von denen gab es zur zeit nur dreihundert, nach dem sie ihre einzige Brutkönigin nach der Schlacht mit Bokanowski in Ruhe hatte Eier legen lassen. Wollte sie eine offene Schlacht gegen die Schlangenwesen führen, mußte sie mindestens die doppelte Anzahl Insektenkrieger aufbieten. Da sie nicht wußte, wann eine solche Schlacht bevorstand, wollte sie die Vermehrungsrate beschleunigen. Dazu brauchte sie mindestens noch zwei Königinnen. Das hieß jedoch, daß sie von ihrem bisher sehr behutsamen Weg abrücken mußte. Andererseits war sie bereit, die verbliebenen Skrupel zu verscheuchen, wenn das Ziel sich lohnte, den Waisenknaben Riddle zu vernichten und die restliche Zaubererwelt davon zu überzeugen, nur noch mit ihr zusammen die Welt regulieren zu können. Also entschied sie sich, am ersten September drei neue Entomanthropenköniginnen zu erschaffen, die ihre geflügelte Streitmacht wesentlich schneller vergrößern sollten.

Bevor sie sich in ihr Hauptquartier zurückzog, versuchte sie, den Schlachtruf der Erde auszustoßen, einen von ihrer Tante erfundenen Zauber, um großflächige Erdbewegungen wie Steinschläge, Einstürze oder Erdbeben auszulösen. Dabei galt es, die eigene Stimme so tief und doch so laut ertönen zu lassen, daß ihr ganzer Körper nachhallte. Deshalb war der Zauber nicht nur geistig, sondern auch körperlich sehr anstrengend. Es dauerte eine halbe Minute, bis Anthelia eine deutliche Erderschütterung auslösen konnte. Lokal begrenzte Beben, die nur einen Bereich von bis zu zehn mal zehn Metern auslösten, kannte sie schon. Aber ein schweres Beben in zweihundert Metern Umkreis war nur mit Sardonias Schlachtruf möglich. Sie ärgerte sich mal wieder, daß sie den Stein der Madrash Ghedon nicht erobert hatte. Damit hätte sie sämtliche Zauber des Elementes Erde beherrscht und nicht nur totes Gestein, sondern auch der Erde verhaftete Wesen wie Pflanzen, Kobolde und womöglich auch die Schlangenkrieger unterwerfen können. Aber sie hatte diesen mächtigen Stein aus dem alten Reich nicht erobert. Die in ihrem Seelenmedaillon gefangene Sarah Redwood war mit der Seele des Steins in Verbindung getreten und mit ihr verschmolzen und hatte Anthelia verstoßen. Der einzige Trost war, daß diese neue Seele niemanden anderen an den Stein der großen Erdmutter kommen lassen würde.

Nach dem fünften Versuch, den Schlachtruf der Erde auszustoßen, erbebte der Grund um sie herum. Sie selbst blieb davon unberührt. In der Wand, aus der ihr belebter Schatten vorhin mehrere Brocken herausgebrochen hatte, klaffte ein schmaler, verästelter Riß. Das Beben dauerte nur fünfzehn Sekunden an. Dann befand Anthelia, es gut sein zu lassen. Sehr ermüdet kehrte sie per Apparition in die alte Daggers-Villa zurück. Kaum war sie fort, krachten zehn apparierende Zauberer aus dem Nichts heraus und suchten rasch die Umgebung ab.

"Ein Erdbeben vierter Ordnung ohne innerirdische Ursachen", knurrte Peter Grinder, der Leiter einer neuen Spezialeinheit der an sich schon elitären Inobskuratoren. Seine Leute trugen wolkengraue, wie aus dichtem Nebel gewoben wirkende Umhänge mit dem strahlendweißen griechischen Buchstaben My auf dem Brustteil. Als Anführer trug Grinder das My von einem gelben Sonnenkreis umfaßt. Seine vier Begleiter waren ausnahmslos Meister der höheren Elementarzauber und dunkler Wesen. Die von Anthelia bewirkten Erdbeben hatten die fernen Spürsteine zu Alarmmeldungen veranlaßt.

"Da in der Wand ist ein Riß", sagte Terry O'Sullivan. Grinder blickte auf die Beschädigung der Granitwand und nickte.

"Ist wohl etwas ähnliches wie damals, als diese Hallitti erledigt wurde. Da war's ein Beben der zweiten Größenordnung. Hätte schon gereicht, um eine mittlere Stadt zusammenstürzen zu lassen. Wir müssen unbedingt rauskriegen, wer das hier gemacht hat, bevor die Muggel ihre Erschütterungskundler herschicken und wieder an ihre Atomzertrümmerungsbomben denken.

"Oha, das war damals heftig", erwiderte Terry O'Sullivan beklommen. "Wußte bis dahin nicht, wie viele verrückte Muggel es gibt, die nur dafür da sind, Raketen mit diesen Superzerstörungsdingern drauf loszuschießen. Pole hätte das echt schon früher mal erwähnen können."

"Wir haben es überstanden, O'Sullivan. Aber jetzt gilt es erst einmal, rauszukriegen, wie das Beben hier gemacht wurde und wer zum großen Drachen das getan hat. Bisher können die Terremotus-Zauber nur eng begrenzte Beben bis zur dritten Größenordnung erzeugen. Das hier war ausgedehnter. Los, ich will heute abend noch vor Mitternacht im Bett sein."

"Zu Befehl, Boss", erwiderte O'Sullivan. Doch die danach aufgerufenen Zauber, um die magische Durchdringung der letzten Minuten zu erkunden verrieten nur, daß etwas fluchähnliches in die Erde eingedrungen sei. Doch wer diesen Fluch gewirkt hatte kam dabei nicht heraus. Grinder dachte jedoch daran, daß Wishbone sich sicher für diese urgewaltige Erdmagie interessierte. Allerdings würde er ihm erst am nächsten Morgen Meldung machen. Sein Schlaf war ihm heilig. Und wenn sie hier und jetzt nicht rausbekamen, wer das angerichtet hatte, konnte das auch bis zum Morgen warten oder bis die My-Truppe den Erderschütterer auf frischer Tat ertappen konnte.

"Noch was Leute", knurrte Grinder, als seine Truppe die Umgebung magisch sondiert hatte. "Wir waren beim Apparieren bestimmt wieder lauter als ein Pferdefurz. Kriegt das endlich mal rein, leiser zu apparieren. Wir müssen einem möglichen Gegner ja nicht gleich verraten, daß wir schon da sind. Also jetzt, gut konzentrieren und so leise es geht weg von hier!"

Murrend stellten sich seine Kameraden so auf, daß sie sicher disapparieren konnten. Grinder rief seine Leute nach und nach zum Abspringen auf, O'Sullivan, Moreno, Wisperingwillow und Kessler. Jeder disapparierte so behutsam es ging. Doch alle verschwanden mit einem vernehmlichen Knall im Nichts. Grummelnd disapparierte Grinder als letzter. Er war nicht wesentlich leiser als seine Leute.

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"Ich frage mich allen Ernstes, wozu ich mit dir noch zusammenleben soll, wenn du und Lea mich einfach außen vor laßt, wenn es sie betreffende Sachen zu regeln gibt, die ziemlich gefährlich werden können", polterte Thomas Drake, als seine Frau Proserpina und seine einzige Tochter Lea ihm erzählten, daß Lea demnächst wieder nach Hogwarts fahren würde, obwohl klar sei, daß sie in ihrem Schulhaus Slytherin ganz bestimmt sehr arg drangsaliert würde, weil die was gegen Halbblüter und Muggelstämmige hätten und sie wohl zu gerne erzählt hatte, daß sie einen nichtmagischen Vater habe.

"Wenn ihr wirklich recht habt und dieser dunkle Lord Dingenskirchen, den man nicht beim Namen nennen darf, in Wirklichkeit euer ganz geheimes Zaubereiministerium unter Kontrolle gebracht hat, jagd der doch jetzt alles, was keinen mit Zauberkraft aufgeladenen Verwandten hat. Dann wäre Lea in diesem Haus Slither-in wohl die Prügelmaid vom Dienst. Nachher wird die dann auch so wie diese Irren."

"Ähm, 'tschuldigung, Dad. Bevor du uns weiter mit Sachen zutextest, die wir drei längst wissen, nur so viel, daß die zum einen alle bereits angemeldeten Schüler wieder da haben wollen und ich zweitens nicht ganz so wie sonst da hinfahren werde. Das hat Mum dir doch gerade zu erklären versucht, als du meintest, den übergangenen Daddy geben zu müssen", schaltete sich Lea ein und strich sich einen ihrer schmalen, kastanienbraunen Zöpfe aus dem Gesicht. Ihre dunkelbraunen Augen blickten ihren Vater sehr entschlossen an. Ihre Mundwinkel umspielte ein sehr zuversichtliches Lächeln. Thomas Drake ruckte kurz hoch, als wolle er gleich von seinem Stuhl aufspringen und seiner Tochter über den kleinen Esstisch hinweg eine runterhauen. Doch irgendwas im Blick seiner Frau zwang ihn, auf dem Platz zu bleiben, während Lea ihre Mutter abbittend ansah, weil sie sich einfach so eingeklinkt hatte. Diese straffte sich und sah Lea wieder an.

"Lea, du hörst, daß dein Vater sich auch große Sorgen macht. Hier können die dich nicht wegholen, sollten die von der Ausbildungsabteilung Schulschwänzer-Einsammeltruppen losschicken. Rainbowlawn ist für keinen, der nicht ausdrücklich eingeladen wurde auffindbar. Aber wenn du so aussiehst und redest wie gerade eben, mein Kind, dann kannst du deinem Vater gerne auseinandersetzen, was wir beide mit Tante Ursina besprochen haben und warum du meinst, unbedingt nach Hogwarts zurückzukehren. Das auch, damit du dich nicht dauernd beschwerst, dir würde keiner was sagen, Tommy."

"Wie überaus großzügig, Proserpina", schnaubte Thomas Drake verächtlich. "Ich bekomme nur vollendete Tatsachen und undiskutierbare Entscheidungen vorgeknallt. Die Kumpels, die bis zu eurer genialen Idee, mich auf dieses Landgut zu verfrachten unter mir gearbeitet haben, hätten mich nicht mal mehr mit dem gelederten Arsch angesehen ..."

"Tommy, red nicht wie ein Gossenkobold!" Tadelte ihn seine Frau ungehalten. Er wetterte diese Maßregelung mit einem verächtlichen Grinsen ab und fuhr fort: "Die hätten mich nicht mit dem gelederten Arsch angesehen, wenn ich mal eben ohne Rücksicht auf Verluste irgendwelche Sachen entschieden hätte. Sicher, die mußten meine Anweisungen ausführen, hatten aber vorher zumindest Gelegenheit, sich dazu zu äußern, weil die schließlich da runtergehen und die neuen Vortriebe hauen und graben mußten, die ich mit der Firmenleitung ausgearbeitet habe. Und in manchen Familien gilt die Entscheidungsbefugnis des Vaters mehr als die Ideen einer Mutter."

"Zumindest bei den Familien, deren Ahnen auf Königin Viktoria zurückgeführt werden können", wandte Proserpina Drake ein. Dann sah sie wieder Lea an. "Erzähl deinem Vater also bitte, was du vorhast."

"Also, Dad, ich gehe nach Hogwarts zurück. Aber ich fahr da nicht ganz offen hin, damit die alle mich sehen und auf mir rumtrampeln können. Ich will da hin, weil jemand da sein muß, der oder die mitkriegt, was die Kinder ihrer eigenen Cousinen so anstellen. Als klar erkennbare und auffindbare Schülerin geht das natürlich nicht. Deshalb habe ich Mum gefragt, ob ich von der den Trank der Verborgenheit kriege. Ihr Nichtmagier würdet das als Unsichtbarkeitsserum bezeichnen, weil der Trank pro Dosis für sechzehn Stunden komplett unsichtbar macht, sogar die nicht bezauberte Kleidung. Das ist besser als ein Tarnumhang, weil Tarnumhänge einen nicht schnell genug laufen lassen können, wenn's drauf ankommt. Und ich will mich bei den Beutelratten da so schnell es geht bewegen können. Außerdem können Tarnumhänge mit dem Aufrufezauber weggeholt werden. Und ich geh mal davon aus, daß zumindest Snape dran denkt, am Bahnhof oder am Schloß alle vielleicht mitgebrachten Tarnumhänge einzusammeln, wo der weiß, daß Harry Potter so'n Ding hat und vermutet, daß der nicht der einzige ist, wo Moodys Erbe im Phönixorden verteilt wurde. Also mache ich mich ganz unsichtbar, ohne ganz nackig rumlaufen zu müssen. ich nehme genug Sättigungskekse und Kürbissaftpulver mit, damit ich nicht andauernd zu den unterwürfigen Elfen in die Küche runterrennen muß. Mit Mum rede ich per Melo. Telepathisch, wie du das nennst. Haben wir jetzt ganz gut raus. Gegen das Gedankenwühlen habe ich hoffentlich auch genug trainiert. Tante Ursina möchte mir außer dieser Technik noch ein paar nützliche Zauber beibringen, um da unauffällig rumlaufen und meine Augen, Nase und Ohren reinhängen zu können."

"Nichts für ungut, Lea, aber deine Tante meint wohl, dich verheizen zu können wie einen einfachen Soldaten. Ich wollte ein ganz normales Mädchen großziehen und keine Mata Hari. Das du eine Hexe geworden bist mußte ich wohl schlucken. Aber als Agenten-Teenie will ich dich dann doch nicht haben."

"Hups, wer war denn diese Mata Hari?" Wollte Lea wissen. Ihre Mutter grinste nur und erklärte, daß das eine Tänzerin aus Holland gewesen sei, die angeblich oder tatsächlich im ersten Weltkrieg der Muggel für beide Seiten spioniert haben soll und 1917 von den französischen Soldaten dafür hingerichtet wurde. "Die hat dabei auch ihren Körper als Lockmittel eingesetzt, heißt es. Und da hört der Vergleich zwischen der und dir bereits auf, Lea. Immerhin sollst du ja nur beobachten und weitermelden und keine ranghohen Todesser verführen", schloß sie die Erläuterung ab.

"Fehlte mir auch noch, Snape an mich ranlassen oder den durch irgendwas in einen menschlichen Körper verwandelten Troll Carrow", murrte Lea. Ihr Vater sah sie sehr verdrossen an. Doch der dickste Hammer sollte noch kommen. "Lea, du solltest deinem Vater dann auch erklären, daß der Trank eine nennenswerte Nebenwirkung hat, die zwar nicht lebensbedrohlich oder krankheitsfördernd ist, aber doch eine bleibende Veränderung bewirkt."

"Aha, jetzt kommt wohl die Stelle, wo ich als besorgter Vater euch beide übers Knie legen und danach mit dicken Ketten an die Wand schmieden müßte, um euch davon abzuhalten, wie?!" Blaffte Thomas Drake. Da ging die Tür auf, und Ursina Underwood trat ein. Mr. Drake funkelte sie wütend an und machte sehr eindeutig abwehrende Gesten. "Das ist ein Familiengespräch zwischen meiner Frau, meiner Tochter und mir. Großtanten nicht erwünscht. Raus!"

"Na, Jungchen, leg dich nicht mit mir an, sonst findest du dich noch als was für dich ganz unangenehmes wieder!" Schnarrte Ursina Underwood und deutete auf ihren graublauen Umhang, aus dem der Griff ihres Zauberstabs ragte. Thomas Drake setzte schon an, der älteren Hexe was zu entgegnen, schluckte es aber hinunter, weil Lea Anstalten machte, aufzustehen und hinauszugehen. Das machte sie immer dann, wenn ihr Vater mit ihrer Großtante Streit suchte. Ursina sah Lea an und gebot ihr mit einer Handbewegung, sich wieder hinzusetzen. "Du wolltest deinem Vater gerade erläutern, welchen Preis du für deine Hartnäckigkeit, die Bande in Hogwarts auszukundschaften, bezahlen möchtest, Lea", sagte Ursina Underwood. Lea atmete tief durch und sagte dann so gefühlfrei wie möglich:

"Dad, der Trank zieht ziemlich viel Kraft aus dem Körper des Magiers, der ihn trinkt. Deshalb wird sein Körper jede Stunde die er wirkt vier Stunden älter." Thomas Drake erbleichte in einem Augenblick, als hätten ihn zehn Vampire auf einmal sämtliches Blut ausgesogen. Dann rückten seine Augen eng zusammen und fixierten Ursina Underwood, die den zornigen Blick jedoch sehr gelassen entgegennahm. Mr. Drake hielt es nur drei Sekunden durch und blickte dann seine Frau an, die ihm zunickte, dann aber sehr entschlossen Lea und ihn ansah. "Was heißt, daß Lea an einem Tag, wenn sie den Trank dauerhaft wirken läßt, vier Tage älter wird. Sie wird aber dadurch nicht viermal so schnell wie sonst. Der Körper wird halt für die vollständige Unsichtbarkeit ausgelaugt."

"Ach, und das ist nichts besonderes, mal eben vier Tage näher zum Tod hinzulaufen, wie?" Fragte Thomas Drake. Ursina sah ihn verächtlich an und sagte:

"Bei dem winzigen Funken Respekt, den ich für dich als Vater Leas noch habe, Thomas: Ist es nicht so, daß die Muggel, die mit dir zusammengearbeitet haben, in gefährlichen Umgebungen arbeiten mußten, von denen es heißt, daß jeder dort verbrachte Tag zwei Tage näher hin zum Tod bedeutet?"

"Erstens gilt das für Atomkraftwerker und Chemiearbeiter und nicht für Kohleförderer", knurrte Thomas. "Zweitens sollte dieser angebliche Rest von Respekt dir dann auch klarmachen, daß meine Tochter dann schneller altert als ein Mädchen sonst altert. Falls die da echt bis zum Ende des nächsten Schuljahres durchhält, ist sie vier Jahre älter. Die läuft dann als Fünfzehnjährige im Körper einer fast zwanzig Jahre alten Frau rum, obwohl der Geist die Entwicklung nicht mitgemacht hat. Dann soll sie vielleicht mehr als ein Jahr da rumlaufen. Lass sie noch vier Jahre dranhängen, dann ist sie mit neunzehn im Körper einer Zweiunddreißigjährigen. Für euch Frauen ist das schon das Alter, wo ihr die Krise kriegt, weil ihr nicht mehr so knackig jung ausseht."

"Viel Ahnung von Frauen im allgemeinen und Hexen im Besonderen hast du offenbar nicht, Thomas", knurrte Ursina Underwood. "Ich habe genug Fünfzigjährige Freundinnen und Anverwandte, die sich mit ihrem Aussehen sehr wohlfühlen, weil das sie als gereifte Persönlichkeiten ausweist und für ihre Erfahrungen steht. Und mein Aussehen plagt mich auch nicht, obwohl ich noch ein paar Jährchen älter als fünfzig bin. Ob Lea mehr als ein Schuljahr in Hogwarts bleibt ist längst noch nicht klar. Uns geht es jetzt und vor allem darum, was dort gerade nach dem Umsturz vor sich geht."

"Schön, daß du es erwähnst, daß diese windige Kiste auf deinem Mist gewachsen ist, Schwiegertante Ursina. Dann frage ich doch mal ganz vermessen, warum du, die sich mit einem bereits angestaubten Körper so überaus wohlfühlt und darüber hinaus dreimal oder viermal besser zaubern können will als Lea, nicht diesen Unsichtbarkeitsmix schluckst und nach Hogwarts gehst, wenn du so neugierig bist, wer da was mit wem und warum anstellt. Warum soll Lea dahin?"

"Das mit dem angestaubten Körper nehme ich mal als Kompliment, da die besten Weinflaschen in meinem Keller eine dicke Staubschicht angesetzt haben", erwiderte Ursina. "Und was das andere angeht, lieber Schwiegerneffe, so würde ich sofort nach Hogwarts gehen, um mich dort umzusehen. Drei Sachen hindern mich daran: Erstens habe ich eine verantwortungsvolle Tätigkeit, die ich von Hogwarts aus nicht fortführen kann, wo zu erwarten steht, daß dort alle Postsendungen überwacht werden. Zweitens kenne ich Leas Klassenkameraden nicht und weiß daher nicht, an wen ich mich halten soll, um Rückmeldungen der Schüler selbst zu bekommen. Drittens habe nicht ich diesen Plan angestoßen, sondern deine Frau und deine Tochter, vor allem Lea, weil sie nicht untätig hier herumsitzen möchte, wo in Hogwarts wohl gerade ein drastischer Wandel vollzogen wird. Hinzu kommt, daß sie, wie du auch angemerkt hast, mit ihrer Zaubereiausbildung noch nicht fertig ist. Sicher könnten Proserpina, Megara und ich ihr Unterricht geben. Aber wenn sie den üblichen Lehrplan in Hogwarts absolviert, besteht die Chance, daß sie in den nächsten Sommerferien die ZAG-Prüfungen nachholen kann, die sie im regulären Schuljahr nicht machen könnte. Das ist wohl auch ein Grund, warum Lea da hinfahren will."

"Na klar, nicht wegen dir", feixte Thomas Drake. "Lea will sich gerne als eure unsichtbare Spionin anbieten, damit sie hier nicht vor Langeweile tot umfällt. Das kann sie ja ruhig mir alleine zumuten. Oder denkt ihr, ich hätte keine Bedürfnisse mehr als nur zu essen, zu atmen und neben meiner Frau im Bett zu liegen? Ich hatte bis zu meiner ach so gut gemeinten Entführung hier her einen anspruchs- und verantwortungsvollen Posten, der meinem Leben einen Sinn gegeben hat. Im Moment habe ich nichts dergleichen. Abgesehen davon könnte Lea, auch wenn sie unsichtbar ist, von diesen Gangstern erwischt werden. Die haben doch bestimmt Aufspürzauber, um unsichtbare Lauscher und Spione zu entdecken. Wenn sie Lea dann mal eben mit diesem grünen Mörderblitz tothexen ist das einzige, was ich hier als Sinn meines Lebens sehe, auch ausradiert. Deshalb verbiete ich diesen Humbug. Lea ist noch minderjährig, und auch wenn du damals nicht mit dabei warst, Schwiegertante Ursina, meine Frau und ich haben abgeklärt, daß wir in allen Fragen, wie wir unsere Kinder behandeln, Einstimmigkeit herstellen. Hat einer oder eine was gegen einen bestimmten Vorschlag, ist er vom Tisch. Basta!"

"So, und natürlich hast du was dagegen", hakte Ursina noch einmal nach. Thomas Drake nickte. Seine Frau verzog das Gesicht. Sie hatte auch auf Einstimmigkeit bestanden, gerade weil sie die Überzeugung als besseres Mittel als die einseitige Festlegung ansah. Auch gefiel es ihr ja selbst nicht, Lea dem Risiko auszusetzen und gleichzeitig mit dem Trank eine überschnelle Alterung aufzuhalsen. Hinzu kam noch diese Bedingung, die ihr die übergescheite Sophia Whitesand aufgedrückt hatte. Dann sagte sie ruhig:

"Thomas, erstens weißt du gar nicht, ob Lea unser einziges Kind bleiben wird. Ich meine, du empfindest doch noch was für mich, oder? Zweitens muß jemand nach Hogwarts, um sicherzustellen, daß wir rechtzeitig genug auf mögliche Planungen von da reagieren. Da werden demnächst hunderte von Jungen und Mädchen von Leuten unterrichtet, die keine Probleme damit haben, allen den Haß auf andere Menschen einzubläuen. Wie die das machen und wie das wirkt müssen wir wissen. Lea hat das selbst so gesagt, daß sie glaubt, daß wenn da Leute von ihm reingesetzt werden, Hogwarts eine Fabrik für willfährige Nachläufer wird, oder eine Kaderschmiede, wie du das mal genannt hast, als wir es davon hatten, welche moralischen und politischen Werte in Hogwarts vermittelt werden. Deine Bedenken von damals sind jetzt mehr als gerechtfertigt. Aber gerade deshalb müssen wir wissen, was dort vor sich geht. Und was den Sinn deines Lebens angeht, Thomas, so haben wir, die wir hier wohnen, dir alle immer wieder angeboten, von dir mehr über die nichtmagische Welt zu lernen, weil wir alle wissen, daß wir ohne Wissen darüber Probleme kriegen werden. Das ist, finde ich, ein sehr großer Sinn eines Lebens, Wissen weiterzugeben oder neues Leben zu zeugen."

"Klar, daß die Nummer jetzt kommen mußte, Proserpina. Als wenn ich das nicht schon längst geahnt hätte, daß du mit mir nur frische DNS in deine Blutlinie einkreuzen wolltest", grummelte Thomas Drake. Ursina fragte ihn, was er meine und er übersetzte es mit "frisches Erbgut, um Inzucht zu vermeiden". Lea sah ihren Vater sehr entschlossen an und sagte mit kräftiger Stimme:

"In drei Tagen fährt der Hogwarts-Exppress los. Ich werde dann drinsitzen, Dad. Die Sache ist längst geklärt. Ob du mir das verbietest spielt hier in Rainbowlawn keine Rolle mehr, so bescheuert das für dich klingt. Dieser Schweinepriester, der seinen Namen verflucht hat, will alle wie mich und deren Eltern, also auch Leute wie dich auslöschen. Das dürfen wir dem nicht durchgehen lassen, wenn wir alle noch Lust am Leben haben wollen. Und was die Kiste mit dem Älterwerden angeht, laufe ich lieber als fertige Frau rum als als junges Gemüse hier im Garten rumzustehen, bis alle Leute von diesem Verbrecher umgebracht wurden oder aus lauter Angst vor dem selbst irgendwelche Schweinereien machen. Wie gesagt: In drei Tagen bin ich unterwegs nach Hogwarts."

"Wenn ich dich nicht vorher im Keller einschließe", knurrte ihr Vater. Ursina sah ihn drohend an und sagte:

"Pass besser auf, daß ich dich nicht in meinen Keller einsperre oder deinem Dasein einen anderen Sinn gebe, Tommy. In drei Tagen fährt Lea von hier weg. Wagst du es bis dahin, irgendwas dagegen zu machen, hol ich dich zu mir und gebe dir was neues zu tun, daß du dir wünschen würdest, bei deiner Frau geblieben zu sein. Auch wenn ich den Plan nicht erdacht habe, werde ich alles meinige dazu beitragen, ihn so reibungslos wie möglich zu verwirklichen. Nur damit du es endlich begreifst, daß dein Lamentieren und Protestieren sinnlos ist."

"Dann bin ich hier also echt nicht mehr gefragt?" Schnarrte Mr. Drake.

"Doch, als Ehemann meiner Nichte Proserpina", erwiderte Ursina.

"Tante Ursina, ich fürchte, das muß ich dann doch mit Thomas alleine klären", erwiderte Proserpina Drake. Ursina nickte und deutete auf Lea.

"Trifft sich sehr gut. Ich wollte Lea gerne weiter mit dem Durchdringungszauber vertraut machen und wie sie außer Sättigungskeksen bereits vorhandene Lebensmittel zu sich hinzaubern kann. Also, Lea, komm bitte, damit deine Eltern die bestehenden Differenzen weiter ausdiskutieren können!" Lea erhob sich ruhig, während ihr Vater sie abfällig ansah. Er wagte jedoch keinen Widerspruch. Die Drohung mit Ursinas Keller wirkte bei ihm. Auch die Erwähnung, daß die Flaschen ihres besten Weines gut angestaubt waren hatte unliebsame Erinnerungen heraufbeschworen. Einmal hatte er seine Schwiegertante derartig heftig wütend gemacht, daß er sich einen Tag lang wie ein orintalischer Flaschengeist in einer leeren Weinflasche wiedergefunden hatte. Auch wenn ihm seine eigene Hilflosigkeit immer wieder in Wut der Verzweiflung umschlug hatte er es bis jetzt nicht über's Herz gebracht, seine Frau, die gemeinsame Tochter Lea und alles was ihn mit ihnen im Leben passiert war, einfach hinter sich zu lassen. Er hatte häufig mit der Idee gespielt, eine Selbsthilfegruppe für nichtmagische Ehepartner von Hexen und Zauberern zu gründen. Aber was würde das bringen, außer mit ihm mitjammernde Leute, die sich gegenseitig das Herz ausschütteten, Dampf abließen und in Abwesenheit des Partners auf den Tisch schlugen, aber genau wußten, daß außer Wegzulaufen nichts möglich war, um daran was zu ändern, wie sie lebten. So sah er also zu, wie seine Schwiegertante mit Lea hinausging. Lea erhaschte noch einen frustrierten Blick von ihrem Vater, bevor sie durch die Tür war.

"So, du hast dich mit dem Erddurchdringungszauber befaßt?" fragte Ursina Underwood. Lea nickte und erläuterte den nützlichen Zauber, um feste Wände aus Stein oder Lehm durchschreiten zu können wie ein Gespenst. Als sie den zauber dann in nur vier Ansetzen sicher genug hinbekam, um die Backsteinwände im Anwesen von Rainbowlawn durchdringen zu können, ließ es Ursina für diesen Tag genug sein. Am Abend erfuhr Lea, daß ihr Vater sich mit seiner Mutter darauf verständigt hatte, sie erst einmal bis zu den Weihnachtsferien nach Hogwarts zu lassen. Sollte sie bis dahin genug Informationen zusammengetragen haben, solte noch einmal darüber verhandelt werden, ob es wirklich nötig war, daß sie, Lea, noch weiter dort hinging. Mit diesem Kompromiß konnte Lea gut leben. Denn wenn sie daran dachte, welche Schwierigkeiten sie in Hogwarts haben würde, war ihr auch nicht immer wohl zu Mute.

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"Das geht doch schon schneller", lobte Ceridwen Barley Tim Abrahams, als sie sich mit ihm einen Wettbewerb in multipler Objektverwandlung geliefert hatte. "Sie sehen, junger Mann, daß die Unittamo-Techniken denen Wendels doch einiges voraushaben, wenn die eigene Zauberkraft weit genug trainiert ist." Tim Abrahams war sichtlich erschöpft vor Staunen und eigener Anstrengung. Ungesagt hatte seine Gastgeberin aus einer simplen Streichholzschachtel zwanzig verschiedene Sachen gemacht, bevor eine Minute verstrichen war. Er dagegen brauchte zwei Minuten, um die zwanzig Verwandlungsakte hintereinander zu schaffen. Dabei ging es nur um tote Dinge. Was immer seine Gastgeberin damit bezweckte, seine magischen Fähigkeiten auszureizen ahnte er nur. Denn als er am Abend mit Galatea abseits vom Hauptgebäude den von hohen Hecken umstellten Garten durchwanderte, schenkte sie ihm ein anerkennendes Lächeln. Galatea hatte ihren Job im Ministerium noch behalten. Denn keiner kam darauf, sie mit Tims gewollter und ungewollter Absetzbewegung in Verbindung zu bringen. Umbridge und ihre Todesser hatten ja nur vermummte Leute auf Besen gesehen. Vielleicht stand irgendwo was über die Patroni verschiedener Leute. Falls dabei herauskam, das Mrs. Barleys Patronus eine Henne war, könnte es Ärger geben. Spätestens dann war die endgültige Flucht geboten. Doch im Moment gefiel es ihm hier noch. Die Aussicht, die Vergangenheit wirklich überwinden zu können und einen Traum von damals sinnvoll zu verwirklichen, die Gewißheit, dem Unnennbaren und seinen Handlangern einen einprägsamen Streich gespielt zu haben und sich nicht von ihnen ins Ausland vertreiben zu lassen, all das hielt ihn hier auf dem Hof Hühnergrund.

"Suchen die noch nach mir?" Fragte Tim Galatea, als sie den Abend wieder ausklingen ließen.

"Offenbar hat Umbridge befunden, daß es dich nie gegeben hat, Tim. Zumindest gibt es über dich keine Akten mehr, wann du in Hogwarts warst und was du danach gemacht hast. Brigid hat ja bestätigt, daß die jetzt auch Heiler im st. Mungo am Führstrick haben. Offenbar haben die alle über dich angelegten Akten zu der Sache von damals entweder ins Ministerium rübergeschickt oder gleich vernichtet. Dich hat es nie gegeben."

"Soll ich jetzt darüber froh sein?" Fragte Tim. "Wenn es mich in der Zauberwelt nicht mehr gibt, kann ich ja gleich in die Muggelwelt rein. Da liegen zumindest noch Geburtsurkunden und ein Reisepass von mir rum", seufzte Tim. Da zog Galatea ihn an sich und schmiegte ihre Wange an seine.

"Dafür, daß es dich nicht gibt, fühlst du dich aber sehr gut an", säuselte sie, bevor sie den Kopf zurückbog, die Augen schloß und ihren Mund einladend öffnete. Tim zögerte nur eine halbe Sekunde. Dann nahm er die stumme Einladung an und küßte Galatea. Es wurde ihm heiß und kalt. Und ein Gefühl, mehrere Gläser Wein auf einmal getrunken zu haben, ließ ihn leicht schwindelig werden. Doch er empfand weder Abscheu noch Bedenken, Galatea so nahe zu sein, daß es von da an nur noch einen Schritt näher gehen konnte. Zehn Sekunden ewigen Friedens vergingen, bis sich Tim wieder von Galatea löste. Er wollte nicht zu schnell vorpreschen, auch wenn er in diesem Moment wußte, daß die rothaarige Familienmutter ihren Willen wohl doch noch kriegen und ihn mit Galatea zusammen sehen würde. Doch da war noch was:

"Ich weiß nicht, ob ich dir keine falschen Hoffnungen gemacht habe, Galatea. Aber wenn das gerade eben was war, was irgendwann mal mehr werden soll, könnten wir Probleme haben, weil wir dann in wilder Ehe leben müßten. Denn ein Mann, den es nicht gibt, kann nicht heiraten."

"Interessant, daß du das denkst", grinste Galatea. "Dann könnte der wohl auch nicht küssen oder sich von mir drücken lassen", hauchte sie und verstärkte die Umarmung so sehr, daß er ihren Herzschlag durch seinen Brustkorb fühlen konnte. Er fühlte eines ihrer feuerroten Haare an seiner Nase kitzeln und blies es sacht weg. Doch für Galatea schien das eher eine Aufforderung zu sein, ihn nicht loszulassen. Er gab sich dieser einfachen Nähe hin, die nicht verbindlich aber doch schon mehr als freundschaftlich war. Warum hatte er so viele Jahre darauf verzichtet, das zu erleben?

"Nodberry oder ein anderer Zeremonienmagier wird ohne meine Akten nicht das Jawort haben wollen", sagte Tim.

"Du machst dir echt Sorgen um ein paar Seiten Pergament, Tim?" Fragte Galatea. Dann mentiloquierte sie ihm: "Du hast doch Freunde aus Hogwarts-Zeiten. Außerdem gibt's da einen verborgenen Raum, wo alle Zeugnisse der Schüler in Conservatempus-Schränken aufbewahrt werden und wo nur der amtierende Schulleiter drankommen kann. Außerdem hat der alte Nodberry schon hunderte von Hexen und Zauberer zusammengesprochen, die nicht mit einem Stapel Dokumente herumgewedelt haben. Das läuft nicht so bürokratisch ab wie bei den Muggeln. Es reicht schon, wenn es mindestens drei magische Personen gibt, die bezeugen können, daß es dich gibt. Aber bevor wir vom Heiraten reden, Tim, wollen wir doch besser erst sehen, wie wir so zusammenleben können, ohne gleich alles verbindlich zu regeln." Tim war einverstanden. Du hast viele Jahre gewartet, dann können wir das jetzt auch noch einige Wochen und Monate in Ruhe wachsen lassen. Immerhin kennst du von mir noch nicht alles und ich von dir auch noch nicht. Außerdem möchte ich nicht, daß du nachher noch Angst kriegst, weil wir zu schnell waren, Tim. Reden wir lieber noch über das Treffen mit meinem Urgroßvater Angus auf diesem Flugmaschinenschiff, falls das nicht zu geheim ist."

"Das ging ja durch's Ministerium rum", erwiderte Tim, froh, erst einmal ein weniger intimes Thema anschneiden zu können, obwohl Galatea ihn immer noch in den Armen hielt und er die Umarmung erwiderte. Daß sie beide von einer schwarzen Henne aus dem Haufen wild gackernder Hühner beobachtet wurden, bekam er nicht mit.

"Der erste Schritt ist immer der schwierigste", ging ein wohlwollender, zufriedener Gedanke durch den Kopf der Henne, als sie von hinten das getrippel von Krallenfüßen hörte. "Das könnte dir so passen, du alter Schreihals", dachte sie, warf sich herum und hackte nach dem linken Auge des stolzen Hahnes, der wohl ein gewisses Interesse an dieser großen Henne gefunden hatte. Der Gockel schrak laut Gackernd zurück und rannte davon. Offenbar hatte er diese Art von Abwehr nicht erwartet oder kannte sie zu gut. "Ich habe vier nette Kinder mit aller dazugehörigen Anstrengung in die Welt geboren. Da werde ich mich nicht von dir auf popelige Eier setzen lassen, Freddy!" Gackerte die Henne in der Art der sonstigen gefiderten Bewohnerinnen hier. Dann fiel "der Henne" ein, daß sie besser jetzt den Zaubertrank vom Feuer nehmen und abkühlen lassen solle. Morgen würde sie von Proserpina den damit anzureichernden Wirkungstrank erhalten, ohne den ihr Gebräu völlig wertlos war.

So trippelte die schwarze Henne erst einige dutzend Meter auf das Haupthaus zu, blickte sich noch einmal um, ob die beiden endlich zueinander hinfindenden sie vielleicht doch bemerkt hatten, lief um die nächste Ecke und straffte sich. Da blähte sie sich auf. Die Vogelbeine wurden länger und bekamen schmale Füße. Die Flügel wurden zu Armen, und der Hühnerschnabel schrumpfte und teilte sich in einen Mund und eine Nase auf. Nach nur zwei Sekunden stand Ceridwen in einem türkisfarbenen Umhang zwischen den Hühnern, die hier einfach so frei herumlaufen konnten. Freddy, der Hahn des Hofes, suchte endgültig das Weite. Eine schnelle Drehung, ein dezentes Plopp, und Ceridwen stand in einer Umkleidekammer, in der ein Reinigungsschrank mit bezauberten Laborumhängen dazu einlud, sich für den Besuch des Kellergelasses umzuziehen, wo der angesetzte Zaubertrank immer noch auf kleinem Feuer blubberte. Als sie einen der vom Wasch- und Aufbewahrungsschrank giftfrei gespülten Goldschichtumhänge angezogen und das dazu gehörige Parr Handschuhe angezogen hatte, tippte sie mit ihrem Zauberstab eine gewöhnlich wirkende Wand viermal an einer bestimmten Stelle an. Leise knirschend verschoben sich die Steine und wölbten sich nach innen. Ceridwen trat in die entstandene Nische. Dann knirschte es vernehmlich. eine halbrunde Steinmauer schloß sich hinter ihr. Dann löste sich die Einbuchtung, in die sie eingetreten war auf. Mit leisem Knarzen bog sich die Mauer hinter ihr gerade und schob sie in das Zaubertranklabor hinein. Seitdem ihr Mann ihr was von Luftschleusen erzählt hatte, die normale Räume von gefährlichen Umgebungen abschotteten, hatte sie sich diese magische Entsprechung eingebaut. Sicher, sie hätte Luftreinigungszauber und Anti-Giftbarrieren anlegen können. Doch sie hatte herausgefunden, daß manche Tränke empfindlich auf sie umgebende Magie reagierten und sich daher diese Proteus-Tür als Luftschleuse eingerichtet, die die nötige Magie in sich konzentrierte und keine Streuung abgab. Die Aura des Umhangs hielt die immer noch herumwabernden Dunstschwaden von ihr fern. Sie stellte sich auf eine kleine Steinbank und blickte in den Kessel hinein. Das Gebräu darin blubberte zwar noch, schäumte jedoch nicht mehr. Außerdem war das Elixier nicht mehr sirupartig verdickt und grün, sondern bläulich und flüssig wie pures Wasser, durch das sie den bauchigen Kesselboden leicht violett glühen sehen konnte. Der Trank war also fertig. Sie mußte ihn nur noch abkühlen lassen. "Extingeo!" Zischte sie mit auf das unter dem Kessel gehaltene Feuer, das in einem kurzen, eisblauen Blitz erlosch. Ab jetzt konnte sie das Ergebnis ihrer tagelangen Braukunst unbeaufsichtigt lassen. Die letzten Giftdunstspuren würden jetzt noch austreten. Die festeren Stoffe würden sich am Kesselboden sammeln, so daß sie die auf diese Weise entstandene Flüssigkeit in ein Fass umfüllen konnte, in das sie schließlich den Wirkungstrank einfüllen konnte.

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"Ah, du hast das Faß, Schwester", zischte Proserpina Drake, als sie am nächsten Tag auf Ceridwens magischen Ruf hin im Hinterhof appariert war, während Ceridwens Kinder und der Hausgast Quidditch über der zweihundert meter entfernten Wiese spielten. Die Hausherrin deutete auf das große Fass voll mit klarer Flüssigkeit.

"Na, schon im Vorlauf für das große Ereignis, Schwester Proserpina?" Fragte Ceridwen leicht verächtlich. Proserpina grummelte nur, daß sie wohl einen ganzen Monat bräuchte, um ihren Mann überhaupt in das Ehebett zurückzulocken, seitdem er verschnupft ein Einzelzimmer gefordert hatte. "... weil er denkt, ich würde eh über seinen Kopf hinweg entscheiden, was mit Lea ist. Da werde ich ihn wohl nicht damit kommen können, daß ich wegen Lady Sophia noch eine Tochter von ihm kriegen soll."

"Du hast es geschworen, damit wir dir helfen, Schwester", erinnerte Ceridwen Proserpina an den unbrechbaren Eid.

"Kannst du auf Kommando?" Knurrte Proserpina. "Ich meine, ohne einen Liebestrank auf dich und deinen Mann anzuwenden?"

"Wenn zu dem Akt ein gemütliches Abendessen mit einer interessanten Konversation gehört, die schön sachte in ganz intime Plaudereien übergeht, denke ich, daß ich jederzeit noch einmal was niedliches kleines zu Stande bringe. Unser Hahn wollte mich ja gestern schon besteigen, weil ich in meiner Animagus-Form den Hof beaufsichtigt habe. Aber wie du weißt gibt es für eine Hexenmutter nichts erhabeneres, als die Küken im körpereigenen Nest heranwachsen zu fühlen."

"Man könnte meinen, du wärest wie diese dicke Trulla aus Frankreich, die zwölf Bälger auf die Welt geworfen hat. Wie hieß die noch mal?"

"Latierre, Schwester Proserpina. Ursuline Latierre meinst du. Zum Teil kann ich es ihr nachempfinden, daß sie gerne neues Leben um sich hat. Andererseits habe ich mit meinen beruflichen Sachen zu viel zu tun, um andauernd kleine Schreihälse sauber und satt zu halten. Aber wenn ich das betrachte, daß sie mit fünfundsechzig noch Zwillinge geboren hat, und das angeblich ohne Fortuna-Matris-Trank, bin ich sehr zuversichtlich, irgendwann noch einmal sowas hinzukriegen. Und das solltest du auch sein, Schwester Proserpina! So, und jetzt gib mir bitte den Wirkungstrank!" proserpina verzog das Gesicht. Diese lockere und doch so bestimmende Art Ceridwens konnte sie nicht recht leiden. Sie fragte sich, ob diese vielseitige Hexe mit McFustyblut in den Adern nicht eines Tages Sophias Nachfolgerin werden mochte, auch wenn es aus den Reihen der entschlossenen Schwestern genug Interessentinnen gab. Doch Sophia ging es körperlich und geistig noch zu gut, um diese Frage jetzt weiter zu durchdenken, erkannte Proserpina Drake und holte eine große Glasflasche hervor, in der ein silbrig prickelndes Gebräu schimmerte.

"Ich kann dir auch genug Sachen für den Blutsegen mitgeben, den deine Tochter dann wohl häufiger über sich ergehen lassen muß."

"An diese notwendigen Dinge haben Lea und ich schon längst gedacht, Schwester Ceridwen. Danke für das Angebot! Hier ist der Trank, zwei Gallonen, wie du mir geraten hast."

"Bei anderen Tränken gingen im Verhältnis zur Menge wohl auch anderthalb Gallonen. Aber ich halte mich da besser dran, daß ein Zehntel des zu verstärkenden Tranks verfügbar sein soll. Danke dir!" Ceridwen tippte die Flasche an, worauf der mit Wachs versiegelte Korken ruckte und quietschte, um dann mit einem lauten Plopp heraussprang. Ein silbriger Dunst entwich dem Gefäß. Er bildete eine kleine Wolke, die lautlos zur Decke emporglitt, wo sie sich als winzige Tropfen an der Granitdecke festsetzte. Vorsichtig füllte Ceridwen den Inhalt der Flasche in das Faß mit der nun glasklaren Flüssigkeit um, die bereits bei den ersten zugegebenen Tropfen in einen leichten Aufruhr geriet, als wolle sie dem eindringenden Gebräu ausweichen. Als der Inhalt der Flasche restlos in den vorbereiteten Trank übergegangen war, beobachteten die beiden Zaubertrankexpertinnen, wie sich die silberne Flüssigkeit zunächst restlos im völlig durchsichtigen Gebräu löste, das leichte Wellen schlug, als würde eine unsichtbare Kraft darin ein- und wieder austreten. Es dauerte zehn Sekunden, da zitterte das Gemisch mit einem vernehmlichen Plätschern. Eine winzige Fontäne sprühte heraus und tropfte zurück in das Faß. Im selben Moment verlor die Substanz ihre Klarheit. Nun füllte eine silbrige, leicht perlende Essenz das ganze Faß aus. Die alchemistische Transformation war erfolgreich verlaufen. Die von Ceridwen in großer Menge gebraute Expansionslösung hatte sich in den Trank der Verborgenheit verwandelt, mit dem sie in Berührung gebracht worden war.

"Wenn ich mir das ansehe könnte ich glatt eifersüchtig werden, Schwester Ceridwen", knurrte Proserpina.

"Ich habe es euch allen angeboten, euch die Herstellung dieser Lösung beizubringen, Schwester Proserpina. Aber außer Lady Sophia wollte es bisher keine lernen, was mich wundert, weil wir damit wirklich etwas haben, was größere Mengen des eigentlichen Trankes überflüssig macht."

"Und du bist dir sicher, daß diese Mischung die eigentliche Wirkung tut?" Fragte Proserpina.

"Das ist jetzt keine Mischung aus zwei Tränken mehr, Schwester Proserpina. Der Expansionstrank hat sich mit allen Eigenschaften in den Trank der Verborgenheit verwandelt. Allein schon diese Wirkung zu erzielen hat mich zwanzig Jahre Forschungsarbeit gekostet. Ich kann mir vorstellen, daß Semiramis Bitterling, Nirvana Purplecloud und dieser Lump Snape vor Wut an die Decke gehen würden, wenn sie wüßten, daß es einen solchen Trank gibt."

"Ja, aber der gehört nun einmal uns", knurrte Proserpina und dachte heimlich daran, daß der Trank dann besser von den Entschlossenen alleine erfunden und verwendet worden wäre. Was wollten die Zögerlichen mit diesem mächtigen Gebräu?

"Das Faß darfst du deiner Tochter mitgeben. Du hast ja darauf bestanden, sie mir nicht vorzustellen."

"Weil ich mich genau wie du an unsere Regeln halte, keinem, der nicht Mitglied der erhabenen Sororität ist, ein anderes Mitglied vorzustellen. Dann füllte sie mit Ceridwen den Inhalt des Fasses in mehrere dutzend Flaschen um. Jetzt, wo der Trank fertig war, konnte er auch in magischen Behältern wie rauminhaltsvergrößerten und mit Gewichtserleichterungszaubern versehenen Tragetaschen oder Rucksäcken mitgeführt werden. Ceridwen garantierte, daß der Trank ein volles Jahr seine Wirkung behalten würde, wie der Ausgangstrank selbst. Proserpina bedankte sich. Sie ließ sich von Ceridwen aus dem Kellerlabor hinausführen. Dort gab sie ihr noch eine Dose mit einer von ihr angerührten Salbe und eine runde Bürste. "Damit du es hinkriegst, Lady Sophias Bedingung zu erfüllen", grinste Ceridwen. Proserpina Drake blickte die Dose skeptisch an. Sie war rosa und trug auf dem Deckel eine eingravierte Figur, die in groben Zügen einen weiblichen Körper nachzeichnete. "FILIA SOLA"zog sich ein runder Schriftzug um die Wand der flachen, runden Dose. "Wie du Salbe und Bürste benutzen mußt hast du wohl schon erkannt", sagte Ceridwen. "Wie gesagt, es wirkt so wie es heißt. Richtig angewandt kannst du dann nur noch gesunden Töchtern das Leben schenken, sofern du die Salbe nicht mehr als einen Tag ausläßt und trotzdem in wonnevoller Tätigkeit weitermachen möchtest." Proserpina grummelte nur. Dann erreichten sie das Erdgeschoß des Hauses.

Von draußen erscholl das fröhliche Zurufen der vier jungen Leute, die sich auf Nimbus 2001 einen Quaffel zuspielten.

"Gehst du davon aus, daß dieser Matrosensohn der Vater deiner Enkel wird?" Fragte Proserpina ziemlich indiskret. Doch Ceridwen empfand das als gerechtfertigte Frage und antwortete:

"Wenn er weiß, wen von meinen drei Prinzessinnen er dafür erwählt, warum nicht?" Proserpina ahnte zwar, daß Ceridwen bereits auf eine bestimmte Verbindung hinarbeitete, ging aber nicht weiter darauf ein. Sonst hätte sie Ceridwen wohl noch gefragt, wie sie das anstellen wollte, wo Tim Abrahams von einer Sabberhexe verdorben worden war. Doch ihr war wichtig, den erbetenen Zaubertrank erhalten zu haben. Sie verabschiedete sich von ihrer Mitschwester und disapparierte so leise es ging vom Hinterhof.

Lea beroch und betrachtete die silberne Substanz in einer der Flaschen. "Sieht aus wie ein silberner Abkömmling von Felix Felicis, Mum."

"Den würde ich dir am liebsten auch mitgeben, Kind. Aber der verträgt sich nicht mit dem Verborgenheitstrank. Einer hat das mal ausprobiert und ist dabei zu einem Zwischending zwischen Mensch und Gespenst geworden und hatte vor allem einen Hang zur Hypereuphorie. Das darfst du dir dann so vorstellen, als wenn ein fleischfarbener Nebel lustige Lieder singt, in einer Tour lacht und dabei fast zerfließt. Das lassen wir dann besser weg."

"Tja, dann hoffe ich mal, daß ich bis Weihnachten damit auskomme, Mum."

"Ich habe den Weltenbummler-Rucksack mit dem Stoff des Tarnumhangs zusammengenäht. Der wird jetzt unsichtbar, sobald du ihn aufsetzt. Da der Trank einen anderen Unsichtbarkeitszauber bewirkt als mit Zauberstäben gewirkte, heben die sich nicht gegenseitig auf. Ich habe es mit einer kleinen Dosis des Tranks probiert. Da ist jetzt alles drin, was du unbedingt brauchst, meine Tochter. Bedenke, daß du unter der Wirkung des Trankes jede Woche körperlich um einen Monat älter wirst. Ich beneide dich nicht darum."

"Das ist im Moment das einzige, was mir echt unangenehm an der ganzen Sache erscheint, Mum", erwiderte Lea Drake. "Aber ich werde das schon hinkriegen. Wenn ich bedenke, was du dir von der Besserwisserin Whitesand hast aufladen lassen."

"Darf dein Vater nichts von wissen, Lea. Dir habe ich es auch nur erzählt, weil ich dir mitteilen wollte, welchen Preis die Schwesternschaft von mir gefordert hat. Ich hoffe jedoch, daß du deine neue Schwester mit aufwachsen sehen wirst."

"Wenn es nach mir ginge brauche ich keine neue Schwester, Mum. Und wenn's nach Dad geht auch nicht."

"Wir haben uns immer zusammengerauft, Lea. Das wird auch dieses Mal klappen."

"Und wie kriegst du das hin, nur ein Mädchen durchzubacken, Mum?" Wollte Lea wissen.

"Das erzähle ich dir besser erst, wenn du dran denkst, mich zur Großmutter machen zu wollen, falls du meine ganzen Hinweise und Ratschläge ignorierst und dich auf ein gewagtes Spiel einläßt und es ohne wirkliche Absicht soweit kommt, wirst du dann halt damit zu leben lernen, wie wir alle."

"Im Moment wüßte ich keinen, der das wert wäre, mir wen kleines in den Leib zu treiben", knurrte Lea. "Die einzigen, die ich für zumindest vorstellbar hielt, sind entweder tot oder weit ab und unter überfürsorglichen Fuchteln gehalten."

"Soso", lachte Proserpina Drake. Dann sagte sie noch was ernsteres: "Lea, du wirst in Hogwarts das Dasein eines Gespenstes führen. Niemand kann dich sehen. Du darfst mit niemandem dort reden, oder dich gar berühren lassen. Das wird dich auf Dauer kirre machen, wie Luft zu sein. Wenn du einmal in Hogwarts bist, kommst du da so schnell nicht mehr raus. Ich traue diesem Rattensohn Snape zu, daß er ein paar Dementoren um Hogwarts postiert, so bald alle Schüler auf dem Gelände sind. Könnte ja immer hin sein, daß Harry Potter doch noch versucht, dort einzudringen, um seine Freunde zu retten."

"Falls der morgen nicht im Zug sitzt, Mum", erwiderte Lea.

"Du glaubst doch nicht, daß Dumbledores Schützling freiwillig nach Hogwarts kommt, wenn in der Zeitung steht, daß sie ihn nun wegen des Mordes an dem alten Albus verdächtigen, Lea. Ich habe eher den Eindruck, der Alte hat dem eine Aufgabe übertragen, um den Emporkömmling zu erledigen, wenn ich auch nicht weiß, wie das gehen soll."

"Dazu müßten wir erst mal wissen, wie der sich überhaupt am Leben gehalten hat, Mum", knurrte Lea. Ihre Mutter nickte. Dann ließ sie sich von ihrer Tochter noch einmal die Zauber vorführen, die sie zum völlig unabhängigen Dasein in Hogwarts brauchte. Am Abend waren alle Drakes sichtlich müde aber auch angespannt. Was würde ab morgen passieren? Würde Lea ihren freiwillig angenommenen Sonderauftrag überleben? Es stand so vieles auf dem Spiel. War das das Risiko wert?

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"Ceridwen, du hättest mir die Zeitung ruhig schon eher holen können", knurrte Darrin Barley beim Abendessen. "Wenn ich überlege, daß meine Mum mal mit ihrer Mutter zusammen einkaufen gegangen ist", seufzte er. "Warum müssen die guten Menschen alle so jung sterben?" Tim Abrahams erschauderte. Darrin Barley hatte eine der Muggelzeitungen aufgeschlagen. Auf der Titelseite prangte das Foto der Prinzessin von Wales in einem schwarzen Rahmen. Sofort beugte er sich über den Tisch, ignorierte das ungehaltene Räuspern der Gastgeberin, die links von ihm am Fuß des Tisches saß und las über Kopf, daß Lady Diana Spencer, die trotz der Scheidung von Prinz Charles immer noch als Prinzessin von Wales bezeichnet wurde, bei einem Autounfall in Paris ums Leben gekommen war. Ceridwen Barley bat ihren Mann darum, ihr die Zeitung kurz auszuleihen, zog Tim in die anständige Sitzhaltung zurück und verdoppelte die Zeitung einfach, so daß er auch ein Exemplar davon lesen konnte. Tim hatte im Juli seines Abschlußjahres in Hogwarts die sogenannte Märchenhochzeit im Fernsehen gesehen. Sein Vater hatte zu den geehrten Marineoffizieren gehört, die ihrem Kameraden Charles Windsor die militärischen Ehren erwiesen hatten. Das war schon eine tolle Frau gewesen, diese junge Kindergärtnerin. Zwischendurch hatte er die Schlagzeilen über sie nachlesen oder bei seinen Eltern aus Funk und Fernsehen mitbekommen können. Nicht alles, was sie erlebt hatte war rühmlich oder gar einer Prinzessin angemessen. Aber im wesentlichen hatte sie das ganze Land für sich gewonnen, sich an Hilfsprojekten beteiligt oder selber welche angeschoben, wie das gegen Tretminen. Und jetzt war sie einfach bei einem Unfall umgekommen, verfolgt von geldgierigen Spannern, die nur tolle Bilder haben wollten, weil die achso interessierte Öffentlichkeit ja ein Anrecht darauf haben sollte. Sicher, der neue Liebhaber oder Freund von ihr war nicht so ganz unumstritten. Aber wenn sie mit ihm glücklich werden sollte. Wie gerne würde er jetzt mit seinem Vater telefonieren und ihn fragen, wie der das damals erlebt hatte, dem glücklichen Kronprinzenpaar alles Gute und Erfolg wünschen zu dürfen. Doch sein Mobiltelefon lag in seinem Gästezimmer und konnte hier nicht nachgeladen werden. Abgesehen davon, daß er nicht wußte, ob er aus diesem mit Magie umkleideten Haus heraus überhaupt telefonieren oder eine Relaisstation in der Nähe erreichen konnte. Zumindest wollte er seinem Vater einen Brief schreiben, um ihm mitzuteilen, daß er doch ziemlich erschüttert war. Einen winzigen Moment lang dachte er daran, Voldemort könnte seine bleichen Krallen im Spiel haben. Doch die Frage, was der davon haben sollte, verdrängte diese Vermutung. Sicher war es schwer, an einen gewöhnlichen Autounfall zu glauben. Aber sich gleich in irgendwelche Verschwörungsideen zu verrennen holte die Tote auch nicht wieder ins Leben zurück.

"Die war wohl sehr wichtig für die Muggelwelt, wie?" Fragte Ceridwen ihren Gast behutsam. "Immerhin hat sie diese alte Dynastie um zwei Erben bereichert."

"Die war keine Zuchtstute, Ceridwen", knurrte Darrin. "Zumindest hatte die mit ihrem Leben mehr vor, als nur königliche Babys zu kriegen, auch wenn die Königin selbst sie nie so recht gemocht hat. Aber mit Charles' neuer Flamme wird die wohl noch mehr Spaß haben als mit Di."

"Mein Vater hat denen bei der Hochzeit als Ehrenkompanieführer der Navy zusehen und Charles persönlich gratulieren dürfen, weil Dad eine Zeit lang in derselben Flotteneinheit gedient hat wie der Kronprinz", erläuterte Tim. Alle sahen ihn mitfühlend an.

"Hoffentlich stellt sich nicht raus, daß euer unnennbarer Irrer die beiden umgebracht hat", sprach Darrin etwas aus, was bis dahin nur Tim gedacht hatte.

"Dann müßte erst einmal geklärt werden, was der davon hätte", erwiderte Tim ruhig. "Wenn der die Muggelwelt aufmischen will, dann wird der wohl wieder sowas machen wie mit der Brockdale-Brücke oder diesem Wirbelsturm an der Westküste."

"Vielleicht wollte er nur testen, ob er wichtige Leute umbringen kann, ohne daß wir Magielosen das mitkriegen", wandte Darrin ein.

"Er hat das Ministerium sicher, Darrin. Er hat es nicht nötig, groß angelegte Angriffe auf die Muggelwelt zu führen", brachte Ceridwen ein. Tim nickte beipflichtend.

"Jedenfalls sind die Muggel jetzt wohl ziemlich traurig", erkannte Brigid Barley. Tim bestätigte das.

"Ich sage es immer, wir brauchen einen Fernseher, Ceridwen. Ich möchte zu gerne hören, was Elizabeth dazu sagt", warf Darrin ein.

"Haben wir doch schon ausprobiert. Dieser Flimmerbildkasten bekommt hier keine eurer Fernbildsachen rein", knurrte Ceridwen. "Ich wüßte auch nicht, wie ich dieses Elektroding behandeln muß, damit es eure Fernbildübermittlungen einfangen kann. Elektrostromsachen reagieren etwas empfindlich auf Magie."

"Entschuldigung, Ceridwen. Das weiß ich doch schon lange. Aber das ist jetzt zwanzig Jahre her, wo wir das das letzte Mal versucht haben", blieb Darrin standhaft. Tim wandte ein, daß die modernen Fernseher noch mehr Elektronik enthielten und diese wohl noch empfindlicher auf Magie reagierte. Ceridwen nickte und versprach ihrem Mann, ihm von heute an mehrmals am Tag Zeitungen zu beschaffen, bereits zum Frühstück. Damit war Darrin einverstanden.

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Die Höhle in den Pyrenäen war kalt und tief. Keiner hätte geglaubt, daß hier Lebewesen wohnen konnten, die eigentlich eher an Sonnenlicht und Wärme gewöhnt waren. Doch als mit lautem Gebrumm vier geflügelte Ungeheuer durch den Eingang hereinschwirrten und eine vor kurzem getötete Kuh zu einer Nische in der Wand schafften, in der ein mindestens fünf Meter großes Ungetüm mit einem Frauenkopf mit schwarzen Haaren auf dicken Strohballen hockte, wußte wohl jeder ungebetene Besucher, daß hier eine Familie von Ungeheuern hauste. Sieben von ihnen waren wach geblieben, nachdem ihre Herrin sie in dieses Versteck gelotst hatte. mehr als sechzig von ihnen waren für die Herrin in den Kampf gezogen und gestorben. Doch in einer andren Nische, in er Nähe eines von den sieben Wachenden in Gang gehaltenen Feuers, stapelten sich bereits an die zweihundert Apfelgroße Gallertkugeln, in denen es bereits Pulsierte. Normalerweise würden sie hier metergroße Waben errichten, um die Brut zu schützen. Doch in der höhle war es zu eng und zu kalt. Bald jedoch würde die Königin der Herrin wohl sagen, daß sie in diesem Versteck nicht länger bleiben konnte, wollte sie fleißig neue Kämpfer für sie hervorbringen.

Anthelia tauchte am Höhleneingang auf und entzündete ihren Zauberstab. In der linken Hand hielt sie einen großen Bernstein, in dem die Überreste eines Urweltinsektes eingeschlossen waren. dieser Stein war der Schlüssel zur Macht über diese Monstren, die von Sardonia aus Menschen und Honigbienen zusammengekreuzt worden waren.

"Hört mich an", sprach sie in den Geist der sieben Wächter hinein. "Ich werde euch bald an einen größeren Ort bringen, wo ihr euch weiter vermehren könnt. In diesem Versteck wird es bald zu eng, und die Königin wird deshalb nicht so viele Eier legen, wie sie sonst legen kann. Denn es besteht uns allen ein großer Kampf bevor. Einer unserer schlimmsten Feinde hat Wesen aus der Erde geweckt, die nur mit reiner Körperkraft zu besiegen sind, wenn jemand sie in die Luft hinaufträgt. Es waren hundert. Doch ich fürchte, es werden mittlerweile einige Dutzend mehr sein. Denn sie übertragen ihr Sein wie eine Krankheit auf Menschen. Darum erwacht nun alle. Auf das ich euch in zwei Tagen an einen besseren Ort bringe."

"Erhabene, ich kann bald nirgendwo mehr meine Eier hinlegen. Es ist zu kalt für mich und die ungeschlüpften Kinder", dröhnte die Stimme der Königin in der Höhle. Dann ächzte sie, und aus ihrem dicken Hinterleib rutschten zwei weitere weiße Gallertkugeln heraus. Sofort nahmen zwei männliche Entomanthropen die frischen Eier auf und schafften sie zum Feuer hinüber, um ihre ungeborenen Geschwister mit der nötigen Wärme zu versehen.

"Du wirst bald an einem wärmeren Ort sein", versprach Anthelia. Ihr war es wichtig, daß diese Königin ihre Legeleistung auf dreißig Eier pro Tag steigerte, wo sie im Moment gerade fünf Eier am Tag hervorbrachte. Durch die Kälte hier wuchsen die neuen Entomanthropen mit einem Drittel der üblichen Rate. Doch selbst dann wenn sie die von ihrer Tante erwähnten Leistungen mit einer Königin erzielen konnte, mochte es gegen die Schlangenmenschen Voldemorts zu wenig Nachschub sein. Sie hatte es noch gut im Gedächtnis, wie Bokanowski ihre halbe Armee niedergekämpft hatte. Wenn Voldemort Dementoren und diese Schlangenwesen einsetzte mochten fünfhundert zu wenig sein, um ihm ernsthaft Sorgen zu machen. Also brauchte sie wohl doch mehr als diese eine Brutmutter. Sie sah zu, wie die Königin sich keuchend in eine bequemere Haltung brachte. Im Moment drängten also keine weiteren Eier aus ihrem Hinterleib hinaus. So zog sich Anthelia aus der Höhle zurück, in der es nun immer lauter brummte und summte. Ihr Befehl hatte alle im Halbschlaf liegenden Insektenmonster aufgeweckt. Sie warteten nun darauf, mit der Brut das Versteck zu verlassen, wenn Anthelia den Zeitpunkt für günstig hielt.

Zurück in ihrem Hauptquartier tauchte Anthelia in das von ihrer Tante geerbte Denkarium ein. Sofort befand sie sich mehr als dreihundertfünfzig Jahre in der Vergangenheit und folgte eine Hexe mit dunkelbraunen Haaren, die in einem fuchsroten Umhang durch die mit Kopfstein gepflasterten Straßen einer Stadt lief. Überall lagen Pferdeäpfel auf der Straße. Kutschen klapperten und ratterten vorbei, und einmal öffnete sich über der Stadtbesucherin ein Fenster, und ein junger Mann setzte an, einen großen Kübel mit Unrat auszuleeren.

"Wage er es, unfähiger!" Schnarrte die Frau im Umhang und streckte drohend einen schwarzen Zauberstab in die Höhe. Der Mann am Fenster erschrak und ließ den Schmutzkübel fallen. Mit einer raschen Bewegung ließ sie ihn verschwinden. Der verängstigte Mann sprang hinter das Fenster zurück. Die Hexe im roten Umhang ging weiter. Anthelia hatte diese Szene schon einmal nacherlebt. Als ihre Tante, die sie da gerade durch die Straßen von Marseille verfolgte, von dortigen Gendarmen gestellt und als eine der wenigen echten Hexen festgenommen werden sollte, hatte sie nicht nur die Büttel mit ihrem gefürchteten Gesang tot umfallen lassen, sondern danach zur Strafe das halbe Handwerkerviertel in Schutt und Asche gelegt. Danach hatte sie sich aus dem Bettlerviertel drei junge mädchen herausgefangen, sie mit Imperius unterworfen und unangefochten die Stadt verlassen. Vor der Stadt hatten fünf Mitschwestern auf Besen die höchste Schwester erwartet und die gefangenen Jungfrauen fortgebracht. Anthelia war in dieser Rückschau auf Sardonias Besen mitgeflogen, um ihr bei der Erschaffung der ersten drei Entomanthropenköniginnen zuzusehen. Denn als die fünf anderen Hexen ihre lebende Beute viele Tagesfußmärsche entfernt abgesetzt hatten, durften sie nicht bleiben. Sardonia hatte sie alle fortgeschickt. Jetzt beobachtete die gegenwärtige Anthelia, wie ihre Tante einen Lederbeutel aus ihrem Umhang zog, in dem es summte und surrte. Die unter dem Imperius stehenden Mädchen blickten teilnahmslos auf den Beutel. Anthelia sah nun noch genauer hin, wie Sardonia den Beutel öffnete und mit einem aus dem Nichts beschworenen Schmetterlingsnetz einen herausschwirrenden Bienenschwarm einfing. Die freigelassenen Bienen versuchten, Sardonia zu stechen, glitten jedoch von einer unsichtbaren Barriere ab, die die dunkle Matriarchin umhüllte. Dann zog Anthelias Tante eine wild mit allen vier Flügeln schlagende Königin aus dem Beutel. Gespannt beobachtete Anthelia, wie in der von ihr besuchten Erinnerung ihrer Tante eines der Mädchen auf magische Weise seine derbe Kleidung verlor, bevor Sardonia mit der gefangenen Königin und den im Netz zappelnden Bienen auf sie zuging. Immer noch bannte der Imperius-Fluch das Bettelmädchen, dem eine sehr fragwürdige Ehre zu Teil werden sollte. Sardonia betäubte die Bienenkönigin und setzte sie auf die rechte Schulter des armen Mädchens. Dann holte sie einen gelben Stein hervor und legte diesen in das mit einigen Bienen gefüllten netz. Danach begann sie, mit kreiselnden Bewegungen des Zauberstabes über dem Schmetterlingsnetz, eine unheimliche Litanei in der Sprache der Druiden zu singen. Dabei hörte das hektische Summen der gefangenen Bienen nicht auf. Es ging in einen immer höheren Ton über, während goldene und gelbe Lichtblitze aus dem Zauberstab in das netz einschlugen und es immer mehr in einen golden strahlenden Schemen verwandelten. Dann rief Sardonia "So webt den Weg!" in der Sprache der Druiden. Mit einem leisen Fauchen ballte sich eine goldene Kugel dort, wo das Netz gewesen war und flog genau auf Sardonias Zauberstab zu. Wie eine Laterne baumelte die Lichtkugel, in der es nun vielstimmig sirrte am Zauberstab. Sardonia trat auf das auserwählte Opfer zu und hob den Zauberstab über den Kopf des Mädchens. Dann lauschte sie wohl, ob ihre treuen Mitschwestern auch wirklich weit genug fort waren und sang dann:

"Ihre Kinder stark und klein,
sollen deine Kinder sein!
Seid vereint in Leib und Geist!
Kein Werk mehr nun entzwei euch reißt!
Ganz verschmolzen sollt ihr werden!
Mutter neuer Kinder werden."

Diese in druidischer Sprache formulierte Beschwörung wiederholte Sardonia. Die am Zauberstab hängende Kugel blähte sich auf, hüllte das Mädchen mit der auf ihrer Schulter hockenden Bienenkönigin immer mehr ein. Das Sirren wurde zu einem mittelhohen Ton. Als das goldene Licht das Kind und die Bienenkönigin vollends eingehüllt hatte, erwachte das Mädchen aus der Imperius-Apathie und begann zu schreien. Auch die Bienenkönigin erwachte und versuchte, der magischen Kugel zu entfliehen. Doch diese schloß sich nun immer enger um sie und das Mädchen, das laut und wie aus einem Faß um Gnade flehte. Dabei berührte sie mit den Händen die magische Lichtkugel und erstrahlte nun selbst im goldenen Licht. Auch die Bienenkönigin umfloß nun ein goldener Strahlenkranz. Der mittelhohe Ton wurde lauter. Das Geschrei des Mädchens klang immer Gedämpfter. Sardonia sang ihre magischen Formeln immer weiter. Vom Zauberstab aus verband sich ein goldener Lichtfaden mit der eingeschlossenen Bettelmaid. Diese wurde nun vom Boden gehoben und erstrahlte nun im Licht der Kugel, mit der sie von Sekunde zu Sekunde verschmolz. Dann blähte sich die Kugel wie ein leuchtender Ballon weiter auf, wirkte nun nicht mehr durchscheinend, sondern massiv. Der mittelhohe Ton fiel zu einem tiefen Brummton ab, der die Kugel zum Schwingen brachte. Dann passierte es. Der magische Lichtballon zerfloß und gab eine fünf Meter große Monstrosität frei, die den Kopf der Bezauberten und deren Arme besaß. Doch die Augen wurden zu unheimlichen Facettenaugen. Und aus den struppigen, nun von jeder Laus befreiten Haaren, sprossen zwei haarige Auswüchse wie die Fühler eines titanengroßen Insektes. Sardonia griff in ihre linke Umhangtasche und präsentierte jenen großen Bernstein, den die heutige Anthelia nun besaß. "Sei mir untertan und gehorsam!" Hörte Anthelia Sardonias Stimme wie aus allen Richtungen. Sie wußte jedoch, daß es eine Gedankenstimme war, die zum intensiven Teil dieser Erinnerung geworden war. Die unfreiwillig entstandene Neuschöpfung streckte einen degenlangen Stachel aus dem Hinterleib. Doch weil Sardonia immer wieder die Formel wiederholte, zog sie ihn wieder ein. Damit war die erste der insgesamt fünf Entomanthropenköniginnen geboren und gezähmt. Anthelia betrachtete das gelb-schwarze Ungetüm, während ihre Tante die beiden weiteren Mädchen mit Bienenköniginnen aus zwei weiteren Beuteln zu ihren willigen Kreaturen formte. So mußte sie, Anthelia, es also auch tun, wollte sie ihre Armee schnell genug vergrößern. Was hatte Sardonia in ihren Texten hinterlassen: Der Entomolith, jener Bernstein, mußte mit materialgleichen Steinen in Berührung gebracht werden, um die verbindende Magie zu übertragen. Die auserwählten mußten geschlechtsreife weibliche Menschen und bereits befruchtete Königinnen sein. Denn die Entomanthropen kannten keine Dronen. Anthelia zog sich aus der Erinnerung ihrer Tante zurück. Übermorgen würde sie wohl damit beginnen, die neuen Königinnen zu erschaffen. Drei weitere sollten es sein, wenn sie den Prozeß gut genug geübt hatte. Die wohl unvollkommenen Königinnen würde sie wohl mit dem Todesfluch erledigen müssen. Doch wenn sie vier zusammen hatte, würde sie diese über die westliche Halbkugel verteilen, um immer eine Brutmutter übrig zu haben, wenn anderswo eine Königin entdeckt werden mochte. Damals, so wußte Anthelia aus Sardonias Aufzeichnungen, hatte ihre Tante die erste Königin, jene welche sie selbst wiedererweckt hatte, als einzige dazu befohlen, mit ihrer Brut in den Überdauerungsschlaf hinter der Höhlenwand zu verfallen, während alle verbliebenen Entomanthropen von den Zauberern der damaligen Zeit gnadenlos gejagt worden waren. Dabei waren dann auch die übrigen vier Königinnen gestorben, weil sie keinen mehr hatten, der sie füttern und pflegen konnte.

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Laut zischend entwich weißer Dampf aus dem wuchtigen Schornstein der scharlachroten Lokomotive. Laut schwatzende Jungen und Mädchen standen im Dunst eingehüllt an den Wagen, aus denen ihnen bereits Kameraden zuwinkten. Yaxley, sowie der blonde Rowle und Runcorn trieben elfjährige Jungen und Mädchen in Jeans und T-Shirts zusammen wie wütende Schäferhunde eine verstörte Schafherde vor einem Gewitter. Die eindeutig zum ersten Mal in diesen Zug einsteigenden Jungen und Mädchen wurden nach hinten getrieben. Einmal steckte ein Junge den dunkelblonden Krauskopf aus einem Fenster und fragte mutig:

"Warum treiben Sie die denn alle nach hinten?"

"Hat dich nicht zu kümmern, Bursche", blaffte Yaxley, der gerade ein elfjähriges Mädchen am Arm packte, das in einen der vorderen Wagons hineinklettern wollte. "Die neuen ohne Zauberereltern ganz hinten rein", grummelte Yaxley. Rowle bellte wie ein scharfer Hund: "Habt ihr nicht gehört, hier hinten rein!"

"Mum, die treiben die Muggelstämmigen in einen Wagen zusammen", schickte sie ihrer Mutter zu, wobei sie höllisch aufpaßte, einem Viertklässler aus Hufflepuff nicht vor den Schrankkoffer zu geraten. Lea Drake hatte kurz vor der Apparition in der Nähe von Kings Cross die erste Dosis des Trankes eingenommen. Es hatte sie wie Eiswasser durchpulst. Dann war flirrend ihr Körper immer durchsichtiger geworden, bis sie ihn und die Kleidung nicht mehr sah. Jetzt stand sie auf dem Bahnsteig 9 3/4 und beobachtete das Einsteigen.

"Kannst du an dem Wagen was besonderes sehen?" Kam eine Gedankenfrage zu ihr zurück.

"Muß dahin. Muß aufpassen. Die Lok dampft ziemlich heftig. Weiß nicht, ob man mich dann nicht sieht."

"Oja, da mußt du aufpassen. Könnte Lücken im Dampf geben, die auffallen", erwiderte Proserpina Drakes Gedankenstimme. Lea bückte sich. Der noch gut erwärmte Dampf hielt sich in Kopfhöhe der Leute auf dem Bahnsteig. Sie lief zum hinteren Wagen und sah, daß die Fenster von einem blauen Licht überzogen waren. Ihre Mutter hatte ihr erklärt, daß sie unter Einfluß des Trankes auch von Magie herrührende, für normale Augen unsichtbare Sachen sehen konnte. So mentiloquierte sie: "Fenster mit Zaubern behandelt. Könnte Unzerbrechlichkeit oder Unöffnungszauber sein oder beide."

"Noch was?" erhielt sie eine weitere Frage.

"Die Wände flirren so grün", gedankenantwortete Lea. Dann sollte sie den Grünton beschreiben. Als sie dann erfuhr, daß das eine Signalfarbe für die sonst blinden Dementoren war, hatten Lea und ihre Mutter bereits vor der Anfahrt des Zuges begriffen, wie der Hase lief.

"Sieh zu, daß du weit genug von dem Wagon weg einsteigst!" Wurde ihr dringend angeraten. Lea erkannte das auch so. Der Zug würde wohl unterwegs halten, und eine Kompanie Dementoren würde den letzten Wagen stürmen, um die darin zusammengetriebenen Muggelstämmigen herauszuholen. Die Frage war, ob sie sie gleich an Ort und Stelle küssen würden oder sie nach Askaban verschleppten, wo bereits von der Umbridge-Bande abgefertigte Muggelstämmige eingesperrt waren. Lea überlegte. Eigentlich hätte sie in diesem Jahr gerne gewußt, ob sie Vertrauensschülerin geworden wäre. Doch sie hatte keinen entsprechenden Bescheid bekommen. Nur die Ausrüstungsliste. Sie fragte sich, ob jemand von den Slytherins der ZAG-Klasse Vertrauensschülerin wurde und grinste unsichtbar, wenn sie daran dachte, daß weder Carol Ridges noch Melissa Ashton dafür geeignet erschienen. Doch jetzt hatte sie daran zu denken, ohne jemanden zu berühren in den Zug zu hüpfen. Das war nicht so einfach. Wieder blies die Lok eine Dampfwolke aus, unter der Lea hindurchlaufen mußte und dabei fast mit Draco Malfoy zusammengestoßen wäre, dessen klobiger Doppelschatten Crabbe und Goyle wie üblich hinter ihm herstampfte.

"Seht euch an, wie diese Schlammblüter kuschen", prahlte Malfoy. "Wie die Lämmer beim Schlachter."

"Das ich dich nicht gleich hier und jetzt schlachte, Angebersau", dachte Lea und bildete mit den unübersehbaren Nachläufern Malfoys einen Trippelschatten, wobei sie den klobigen Tretern Crabbes einmal gerade so ausweichen konnte.

"So, ihr beiden, ihr geht zu Blaise ins Abteil! Ich muß die Vertrauensschüleranweisungen abholen, wie sich das gehört", tönte Malfoy und warf sich in die Brust, auf der das grün-silberne V-Abzeichen prangte.

"Glaubst du, die Drecksbrut fährt mit uns bis Hogwarts?" Schnarrte Crabbe.

"Du Erbsenhirn. Dann würden Yax und Rowle die nicht im hintersten Wagen stapeln", zischte Malfoy. Jeder andere - da war sich Lea absolut sicher - hätte für die Bezeichnung Erbsenhirn bestimmt schon einen Tritt oder Crabbes Faust abbekommen. Doch Malfoy war immer schon deren Chef gewesen, seitdem Lea in Hogwarts angefangen hatte. Da kam Gloria Porter, bereits im schönen neuen Hogwarts-Umhang um die Ecke. Unter ihrer Linken Brust war das blau-bronzene V-Abzeichen der Ravenclaws zu erkennen.

"Ach neh, hat die alte Quadratbrille dich von eurem Eierkopfverein zur neuen V-Trägerin gemacht, Porter?" Höhnte Malfoy, als wäre er hier völlig unangreifbar. Er ahnte wohl nicht, daß Lea keine zwei Meter hinter ihm ging und ihm allzu gerne mit dem Zauberstab den Tag verdorben hätte. Doch das tat Gloria schon.

"Nett, daß Sie mich begrüßen, Mr. Malfoy. Ich hatte schon befürchtet, in Hogwarts kenne mich keiner mehr."

"Ey, Lockenköpfchen, offenbar hast du was nich' mitgekriegt. Mein Dad ist jetzt Berater des Ministers und damit wichtig, klar?"

"Ja, aber dein Dad ist jetzt nicht auf dem Gleis", erwiderte Gloria schnippisch. "Offenbar hat er für den Minister wichtigere Sachen zu erledigen, und Sie sind bereits volljährig und finden daher allein in den Zug."

"Mädchen, langsam reicht mir diese Tour", knurrte Malfoy. "Dir ist wohl nicht klar, daß du und deine blöde Bande ab dieses Jahr nur ganz kleine Brötchen backen dürft, wenn überhaupt", schnarrte Malfoy, dem die nach außen gewandte Gelassenheit Glorias sichtlich an seinem Auftritt knabberte. "Wie geht's denn eigentlich deinem feigen Schlammblutfreund, diesem Andrews-Burschen? Hält die Halbriesin Maxime den immer noch unter ihrem Rock, weil Du-weißt-schon-wer ihm sonst das Lebenslicht auspustet?"

"Julius geht's gut. ER ist vor einigen Tagen wieder nach Beauxbatons zurückgekehrt und er freut sich, da ungestört seine ZAGs machen zu können", erwiderte Gloria. "Danke der Nachfrage!"

"Soll ich die mal eben zu den Stinkern hinten in den Wagen bringen, Draco?" Fragte Goyle.

"Ach, komm lass die! Wenn das Schuljahr anfängt, kriegt die schon raus, wie weit die ihr überpinseltes Maul noch aufreißen darf, ohne gleich das halbe Gebiß einzubüßen", knurrte Malfoy und machte eine wegscheuchende Handbewegung gegen Goyle, die fast Lea am Arm erwischt hätte. "Und ihr zwei stemmt euch jetzt hinten zu Blaise in den Wagen rein. Ich komm dann durch, wenn ich mir den Krempel für dieses Jahr angehört habe, solange die Porter nicht meint, klugscheißern zu müssen."

"Geht klar", brummte Goyle und trottete wie ein dressierter Gorilla zu einem der Wagen, während Malfoy in den Vertrauensschülerwagen stieg. Lea befand, nicht dort hineinzuklettern und schlüpfte hinter einer Drittklässlerin aus Gryffindor in den Wagen. Sie wand und schlängelte sich durch die Reihen der noch mit Verwandten schwatzenden. Dabei dachte sie, daß die kleinste Berührung ihr einen elektrischen Schlag versetzen mochte. Sie blieb in einem der vorderen Wagen und beobachtete, wie die Schüler in den Zug stiegen. Dabei hörte sie von der leicht verschnupft wirkenden Carol Ridges im Vorbeigehen mit, daß Melissa Ashton zur neuen Vertrauensschülerin ernannt worden war. Dann enterte ein Paar den Zug, das Lea schon einmal gesehen hatte. Das waren also die Carrow-Geschwister. Alecto hätte ruhig mehr für eine schlanke Linie tun sollen, befand Lea. Und Amycus sah so aus, als würde er bei der ersten dummen Frage den Todesfluch schleudern. Die beiden waren dumm, aber dafür um so gefährlicher, Mördergolems aus Fleisch und Blut, wie der neue Schulleiter. Nur war Snape doppelt so schlau wie die beiden klobigen Figuren da zusammen. Die steuerten ein Abteil mit verhalten schwatzenden Zweitklässlern an. "Ey, raus da. Ist für uns reserviert", bellte Amycus Carrow wie eine gereizte Dogge. Sofort verschwanden die Zweitklässler aus dem Abteil. Lea mußte sich in den offenen Toilettenraum flüchten, um von den ängstlich durch den Gang wetzenden Mitschülern nicht doch noch umrennen zu lassen. Dann endlich ertönte der Pfiff und das erste Stampfen der Lokomotive. Ein Ruck ging durch den Wagen, und der Hogwarts-Express fuhr los.

Lea blieb erst einmal in dem Toilettenraum, bis der Zug genug Fahrt gewonnen hatte. Dann patrouillierte sie so leise sie konnte durch die Gänge und warf in jedes Abteil einen Blick. Sie sah ihre Saalkameraden vergnügt grinsend zusammenhockend. Sie erkannte die Hollingsworths, die mit dem Ravenclaw Malone und dem Liebespärchen Fredo Gillers und Glenda Honeydrop zusammen in einem Abteil saßen, wo noch ein paar freie Plätze waren. Lea hatte gehört, daß Glorias Freundin Pina und ihre Schwester bei einer Party bei einem Muggel in eine Explosion reingeraten waren und nicht mehr nach Hogwarts kommen würden. Womöglich war Gloria deshalb so kalt geblieben, als Malfoy ihr ansagte, daß nur noch Slytherins das Maul weit aufreißen durften. Dabei hätte sich Malfoy besser mal zurückhalten sollen, dachte Lea. Denn die Malfoy-Familie stand in der Gunst des Emporkömmlings auch nicht gerade sicher da. Im Grunde verdankten sie es nur dieser Schlampe Lestrange, daß deren Verwandten nix wesentliches passierte, hatte Lea von ihrer Mutter, die es über zwanzig Ecken zugetragen bekommen hatte.

"Sind jetzt aus dem Bahnhof raus. Malfoy hat Porter angemacht, sie solle sich bloß ducken. Porter ist nicht drauf eingegangen. Porter ist neue V-Trägerin", setzte Lea eine erste Gedankenbotschaft nach dem Abfahren ab.

"War schon immer schwer zu beeindrucken dieses Mädchen", erhielt Lea zurück. Da kam die dicke Alecto aus dem freigeschaufelten Abteil heraus und steuerte das Klo an. Lea ergötzte sich einen winzigen Moment an dem Gedanken, die Schüssel mit einem zeitverzögerten Sprengzauber zu behandeln, der genau dann losgehen sollte, wenn die fette Furie sich zum Pieseln hingehockt hatte. Doch damit hätte sie wohl nichts gewonnen, erkannte Lea. So verzichtete sie auf diesen groben Streich. Sie wollte unbedingt sehen, ob wirklich alle Muggelstämmigen im hinteren Wagen zusammengestapelt waren. Auf dem weiteren Weg durch den Zug erhielt sie die Bestätigung, daß kein ihr bekannter Muggelstämmiger mit anderen Schülern in den Abteilen war. Kurz vor dem Durchgang zum hintersten wagen sah sie Yaxley auf einem runden Hocker kleben und eine übelriechende Tabakmischung in einer Elfenbeinpfeife verqualmen, die glatt aus einem halben Elefantenstoßzahn geschnitzt worden sein mochte. Das wußte sie gar nicht, das Yaxley Pfeifenraucher war. Jednfalls kam der ihr gerade recht, um ein neues Spielzeug auszuprobieren, daß ihre Großtante Ursina extra für sie angefertigt hatte. Diese hatte drei Todesser einfangen lassen und die mit ihr bis dahin unbekannten Zaubern beharkt und dann gedächtnismodifiziert wieder auf die restliche Menschheit losgelassen. Das Endergebnis war ein kleiner Flauscheball aus zwölf einzelnen Teilen, der an einer Öse an einer Silberkette hing. Lea griff danach und fühlte, daß der Yaxley zugewandte Teil sehr stark vibrierte. Ihr Voldimeter funktionierte also wirklich. Mit diesem neuen Spielzeug konnte sie ausschließlich Träger des dunklen Mals oder dessen Urheber ausmachen und zumindest die Richtung bestimmen, in der sie einen solchen Kerl oder eine solche Hure finden würde. Also paßte Yaxley auf, daß die Muggelstämmigen nicht doch aus dem hintersten Wagen ausbüchsten und sich gleichmäßig über den Zug verteilten. Lea mußte ausweichen, als eine dicke Qualmwolke auf sie zutrudelte. Wenn Rauch und Dunstschwaden sie umflossen, könnte das unnatürliche Risse in der Wolke bilden. Hinter der Tür zum letzten Wagon hörte sie das Schwatzen von aufgeregten Jungen und Mädchen. Was hatten die Todesser denen bloß erzählt, warum ausgerechnet alle Muggelstämmigen im hintersten Wagen sitzen sollten? Lea verstand es nicht, warum die so fröhlich und gespannt waren. Hatten die Eltern der Schüler vielleicht Post bekommen, daß besonders gut auf die Muggelstämmigen aufgepaßt werden sollte? Yaxley blies einen Rauchring und knurrte:

"Quasselt euch schwindelig, Schlammblüter. Bald seid ihr alle fällig."

Lea hätte ihn zu gern gefragt, was genau denen passieren würde. Doch sie beherrschte sich gut. Was hätte ihr die Unsichtbarkeit dann noch genützt? Weil sie nun wußte, was sie wissen wollte, kehrte sie leise zurück und probierte ihr Voldimeter noch einmal aus. Drei Todesser vorne im Zug. Die Carrows und ... ähm, wer denn noch? Lea prüfte noch einmal, ob ihr kleiner Ortungstalisman wirklich drei Todesser anzeigte. Es blieben immer drei, egal wie sie den Flauscheball drehte. Dann kam ihr die Lösung so schmerzhaft wie ein Schlag auf den Kopf. Natürlich hatte sich Draco Malfoy auch von ihm als sein Eigentum abstempeln lassen. Daß er Crabbe und Goyle nicht markiert hatte war zwar dann merkwürdig. Aber die waren ja eh immer da, wo Malfoy sich rumtrieb. Einen Schatten brauchte man ja echt nicht zu kennzeichnen. Sie überlegte, wie sie der Hexe mit dem Imbißwagen ausweichen konnte. Würde die bis zu Pfeifen-Yaxley vordringen? Dann fiel ihr ein, daß sie sich hinter einem von den Vertrauensschülern ins Abteil schmuggeln könne und im Gepäcknetz mithören mochte, was die so erlebt hatten. Sie beschloß, auf Malfoy zu lauern. Der würde seine beurlaubten Schatten bestimmt bald wieder suchen, damit nicht zu viel Sonnenlicht auf seinen Rücken fiel. Vielleicht tönte dieser Angeber vor seinen Kameraden, was die Carrows so mit Hogwarts planten oder was genau er von der Aktion gegen die Muggelstämmigen wußte. Andererseits konnte sie die Carrows gleich selbst belauschen. Alecto hing ja immer noch auf dem Klo. Wollte sie da vielleicht die ganze Zeit hocken bleiben, um ihrem Bruder aus dem Weg zu sein? Sie hatte von manchen Geschwisterpaaren gehört, die sich nicht ausstehen konnten, solange niemand ihre Familie beleidigte. Doch Alecto wollte die Reise nicht in der Toilettenkabine absitzen. Lea folgte ihr. Sie wußte, daß das brandgefährlich war. Denn die beiden waren erprobte Magier, auch wenn sie ziemlich beschränkt wirkten. Andererseits konnte sie ihrer Mutter vielleicht schon vor Fahrtende die Mitteilung machen, was in Hogwarts demnächst anstand. Sie folgte Alecto Carrow, die ein widerlich süßes Parfüm aufgelegt hatte. Wen wollte die mit diesem Zeug denn einfangen? Lea war knapp einen Meter hinter ihr, als die gerade passierte Abteiltür aufglitt und Stuard Ackerly, einer der Slytherin-Viertklässler, herausschoß und die neue Lehrerin ansprach:

"Entschulgigen Sie, Professor Carrow. Ich hab's von meinen Eltern gehört, daß wir dieses Jahr alle Muggelkunde machen sollen. Ist das echt wahr?"

"Häh? Wer bis'n du?"

"Stuard Ackerly, Professor Carrow", stellte sich Ackerly brav vor. "Aso, der von Prunellus und Savanna", grummelte Alecto Carrow und trat vor, wobei sie Lea um Haaresbreite nicht auf den linken großen Zeh stapfte.

"Jungchen, die Muggel tanzen uns allen langsam auf der Nase rum. Da wurde es echt Zeit, daß der Unterricht für alle ab der ersten verbindlich ist. Minister Thicknesse hat das mit der Ausbildungsabteilung und dem neuen Schulleiter abgeklärt, daß alle, die in Hogwarts sind, zu mir in den Unterricht reinkommt, ob ihr dieses Fach vorher schon hattet oder nicht. Ich fang sowieso bei allen neu an, nachdem meine Vorgängerin manchen völlig überholten oder verdrehten Kram unterrichtet hat. Also erzähl das deinen Freunden, auch wenn die finden, daß Muggel es nicht wert sind, was über sie zu lernen. Wie weit das stimmt kriegt ihr dann ja bei mir."

"Wenn Sie meinen", grummelte Stuard Ackerly. Er tauchte zurück in sein Abteil, während Alecto Carrow noch davor stehenblieb und lauschte. Lea beschloß in diesem Moment, sich nicht noch mal hinter diese Gossenhexe zu klemmen. Womit begründeten die Reinblüter ihren Führungsanspruch? Ganz bestimmt nicht mit gutem Englisch oder intelligenter Ausdrucksweise, erkannte Lea verächtlich und zog sich zurück. Dann wurde sie Zeugin, wie Gloria Porter aus dem Vertrauensschülerwagen herauskam und mit versteinertem Gesicht auf die ihr den Hintern zuwendende Alecto Carrow zusteuerte. Als die neue Lehrerin die Schritte hinter sich hörte fuhr sie herum und blökte Gloria an, was ihr einfiel, sich von hinten anzuschleichen.

"Das war nicht meine Absicht, Professor Carrow. Ich möchte nur meinen Rundgang durch die Abteile machen, wie die Schulsprecherin, Ms. Pansy Parkinson, das angeordnet hat", erwiderte Gloria ganz gelassen.

"Achso, dieser Unsinn, als wenn die Leute aus 'nem fahrenden Zug rausspringen würden", giggelte Alecto Carrow und wich zur Seite. Lea drehte sich auch um und eilte einige Meter voraus, um Gloria zu überwachen. Was ging wohl gerade im Kopf dieses auf gepflegtes Äußeres und gute Noten achtenden Mädchens vor. Irgendwie wirkte sie kaltherzig, unnahbar. Kam das vielleicht von Beauxbatons her? Immerhin hatte Gloria da ja ein Austauschjahr gemacht und in Slytherin das Gerücht herumgescheucht, die wolle nur wegen Julius Andrews dahin und käme nach dem Jahr nicht mehr zurück, und daß das wohl auch gut so sei. Lea hatte nicht recht gewußt, ob sie dem zustimmen oder widersprechen sollte. Jetzt jedenfalls war Gloria wieder im Hogwarts-Express und trug das Vertrauensschüler-Abzeichen der Eierköpfe aus Ravenclaw. Wenn die wirklich so klug war, hätte die wohl die restlichen Schuljahre in der Froschfresser-Akademie bleiben sollen, dachte Lea. Sie konnte sich echt nicht vorstellen, daß es Gloria in Hogwarts wirklich besser ergehen würde, jetzt, wo der Emporkömmling seine Marionetten in die Schule reingeschickt hatte.

"Unter Patrouille versteht man doch, jedes Abteil zu untersuchen, ob da wer was anstellt", fauchte die Carrow. Oder hat euch Ms. Parkinson das nicht so gesagt?"

"Sie hat gesagt, daß wir nur aufpassen sollen, daß es nirgendwo Krach gibt, Professor Carrow", erwiderte Gloria ganz ruhig. Lea fragte sich wirklich, ob man dem Mädchen wirklich jeden Rest von Gefühl abgesaugt hatte. Die war ja früher schon sehr beherrscht geblieben. Aber jetzt reagierte sie so, als könne ihr nichts passieren, führe aber auch brav alle an sie ergangenen Anweisungen aus. Gloria wußte ganz sicher, woher der Wind jetzt wehte und daß der ihr eiskalt ins Gesicht blies. Also warum war die wieder in Hogwarts?

"Dann sieh zu, daß du uns schön in Ruhe läßt! Amycus und ich sind erst heute Morgen von 'ner langen Reise wiedergekommen und brauchen noch Ruhe, bevor wir mit euch zu tun kriegen."

"Natürlich, Professor Carrow", erwiderte Gloria ruhig. Dann fragte die Carrow:

"Ähm, Moment mal, du bist doch die Gloria Porter, die Tochter von Plinius und Dione Porter, geborene Craft. Wann hast du deine Berufung zur Vertrauensschülerin gekriegt?"

"Am einunddreißigsten Juli diesen Jahres, Professor Carrow", erwiderte Gloria bereitwillig. Das schien der neuen Lehrerin wohl zu genügen.

"Oh, dann hat McGonagall echt gemeint, die Ashton sei besser als ich", dachte Lea bei sich. Dann hörte sie von weiter hinten lautes Klopfen und wandte sich um. Das kam vom hinteren Wagon. Hatten die älteren Muggelstämmigen jetzt schon erkannt, daß sie wohl in ihrem Wägelchen eingesperrt waren? Wau, wie früh! Gloria hörte das Wummern an der fernen Wagontür wohl auch und legte einen Schritt zu. Die Carrow rief ihr nur nach, daß sie sich nicht abhetzen bräuchte. Wären wohl nur Leute aus dem hinteren Wagen, die Randale haben wollten.

lea lief schnell vor Gloria her, als sie quer über dem Gang eine wild flackernde, für sie rot-grün leuchtende Barriere erkannte, hinter der Yaxley breit grinsend saß. Auf der Tür zum hintersten Wagon lag ein bläuliches Zauberlicht, das Lea schon an den Fenstern gesehen hatte.

"Ich würde besser umdrehen, Lockenmädel. Hier hinten sitze ich. Und das soll dir reichen", bellte Yaxley wie ein alarmierter Kettenhund. Und das war er ja wohl auch. Er sollte aufpassen, daß die Muggelstämmigen ihm nicht auskamen. Gloria lief weiter. Lea fürchtete schon, daß sie mit der magischen Barriere zusammenstoßen und womöglich davon verletzt würde. Doch Gloria sah nur Yaxley an, während jemand laut gegen die Zugangstür zum hinteren Wagen hämmerte.

"Eh, was soll die Kacke, uns hier drin einzusperren?!" Schnaubte eine wütende Jungenstimme. Das war Erwin Martinson, ein Muggelstämmiger Gryffindor aus der dritten Klasse.

"An alle da hinten drin", blaffte Yaxley zurück, während Gloria kurz vor der Barriere anhielt und eine sachte Armbewegung darauf zu machte und dann mit resignierendem Gesichtsausdruck zurückwich. "Ihr habt alle die Anweisungen vom Minister gekriegt. Wir sollen klarstellen, daß euch im Zug und auf der Fahrt nix passiert. Deshalb haben wir die Türen und Fenster dichtgemacht. Also gebt das dumme Getrommel und blöde gemaule dran!"

"Pah, als wenn dem Minister neuerdings wichtig wäre, ob wir so genannten Muggelstämmigen sicher in Hogwarts ankämen, Mister! Ich habe den Propheten aboniert. Verarschen können Sie sich selbst. Hier läuft 'ne scheiß linke Tour ab. Was gibt das: Hat Voldemort 'ne Bombe unter den Wagen kleben lassen oder was?" Bei Nennung des Namens fühlte Lea, wie ein schneidendkalter Hauch ihren Körper überstrich. Für einen winzigen Moment meinte sie, ihre rechte Hand als silbern flimmerndes Etwas zu erkennen. Die vor ihr aufgebaute Barriere hingegen trübte sich tiefschwarz ein, bevor sie zu ihrem üblichen Flackern zurückkehrte. Yaxley lachte laut.

"Was bildest du dir ein, wem du damit imponieren kannst, daß du diesen Namen aussprichst, Bürschchen?! Und was den Grund angeht, warum ihr da hinten alle drinhängt: Der Minister will eben, daß euch während der Fahrt nix passiert. Und jetzt schluß, oder ich mach, daß ihr alle den Rest der Reise an eure Sitze gefesselt bleibt! Und du Lockenköpfchen gehst besser wieder zurück. Ich habe hier 'ne Sicherheitsbarriere hingemacht, um Leute abzuhalten, die Schl..., Ähm, Muggelgeborenen was tun könnten."

"Stimmt, Mr. Yaxley. Wenn Sie dort sitzen wird niemand darauf kommen, nach Hinten durchzugehen", erwiderte Gloria verdrossen und kehrte um. Lea mußte grinsen, als sie den Sarkasmus in Glorias Worten kapierte. Yaxley war wohl eher gebauchpinselt, weil er sehr stolz dastand und ihr nachlächelte. Lea befand, jetzt lange genug gestanden zu haben und folgte Gloria. Sie hoffte, daß diese keinen Frühwarner oder ein anderes Hilfsmittel hatte, um einen unsichtbaren Verfolger anzuzeigen. Denn daß gloria die Barriere geortet hatte war Lea sonnenklar. Sonst wäre die wohl voll hineingelaufen. Vielleicht erfuhr sie, wie sie das gemacht hatte. So schlich sie hinter ihr her, bis sie bei den Hollingsworths und Kevin ins Abteil schlüpfte. Lea tauchte unter ihrem Arm durch. Zumindest reagierte was immer ihr geholfen hatte nicht auf unsichtbare Wesen. Dann wartete sie, bis sich Gloria hingesetzt hatte und befand, im halbleeren Gepäcknetz besser lauschen und spähen zu können. Sie wartete, bis Kevin sie fragte, was sie als Vertrauensschülerin nun alles zu tun hatte und turnte in das Gepäcknetz hinauf. Einen winzigen Moment dachte sie daran, daß ihre Unsichtbarkeit vielleicht das Netz mit einhüllen mochte. Doch dann fiel ihr ein, was ihre Mutter über den Trank erzählt hatte. Der Trank der Verborgenheit hüllte nur ein, was unmittelbar an ihrem Körper war und nicht Teil eines festen Gefüges war wie eine Tür, der Fußboden oder ein Regal, an das sie sich lehnte. So blieb das Netz unter ihr sichtbar, weil es mit dem Abteil verbunden war, das wieder in den großen Wagon eingebaut war.

"Diese Mörderbande hat irgendeine Gemeinheit mit den Muggelstämmigen vor", sprach Gloria, nachdem sie sichergestellt hatte, daß die Tür fest verschlossen war. "Die hängen alle im hinteren Wagen. Ich habe in unseren Wagen keinen einzigen mehr gesehen. Außerdem haben die den Bluthund Yaxley davor hingeflanzt."

"War laut genug zu hören", knurrte Kevin. "Das ist der neue Oberjagdhund von Thicknesse. Wenn der bei uns mitfährt ist Ärger im Anflug."

"Nicht so laut. Nachher haben die Mithörmuscheln oder sowas", knurrte Betty Hollingsworth.

"Ich würde gerne einen Klangkerker hier drinnen bauen. Aber das würde Malfoy und den anderen Duckmäusern auffallen", sagte Gloria. "Ihr habt recht, wir sollten leiser reden. Die Carrow stand vorhin vor einem Abteil rum und hat lange Ohren gemacht", wisperte sie gerade noch laut genug, daß über das Räderrattern und Dampflokomotivgestampfe zu verstehen war, was sie sagte.

"Die wollen jetzt, daß wir alle Muggelkunde nehmen. Dabei war auf der Liste kein Buch dazu", wandte Jenna ein.

"Weil es zu dem, was die beleibte Dame uns unterrichten will wohl keine Bücher gibt. Zumindest nicht für dieses Schuljahr."

"Was ist mit der Kanalie Yaxley?" Fragte Kevin leise. "Soll der die Muggelstämmigen im Hinterwagen bewachen oder bei einer sich bietenden Gelegenheit den Wagen abhängen, damit die nicht mit bis Hogsmeade kommen?"

"Das können die auch anders lösen", stöhnte Gloria. Jetzt erlebte Lea sie zum ersten Mal mit Gefühlen. "Der hat einen dunklen Wall gezaubert. Den konnte ich nur mit meinem Curattentius-Armreif orten. Wer weiß, was gewesen wäre, wenn ich da reingelaufen wäre."

"So was ähnliches wie die bei Dumbledores Ermordung vor den Astroturm gemacht haben?" Wollte Kevin wissen.

"Ziemlich wahrscheinlich", erwiderte Gloria.

"Au Drachenmist!" Schnarrte Kevin. "Dann sind die da hinten schon jetzt geliefert. Können wir was dagegen machen? Ich meine, wir sind doch alle mehr als die, die Saubande von Slytherin eingeschlossen."

"Und wenn die echt nur abgesichert haben, daß keiner zu denen hinten reinläuft?" Fragte Jenna. Kevin sah sie verächtlich an und sagte:

"Wo die meisten Familien von den Slytherins genau wissen, was der Unnennbare so plant?" Fragte Kevin.

"Du möchtest also eine Zauberschlacht im Zug anfangen, Kevin", kam Gloria auf Kevins Frage zurück. "Wohl gemerkt, in einem fahrenden Zug."

"Wir können uns doch nicht alles bieten lassen, was die machen, Gloria. Oder haben die dir mit dem Abzeichen auch den Imperius aufgehalst?"

"Dann würdest du diese Frage keine Sekunde überleben, Kevin", knurrte Gloria. "Außerdem wäre die Parkinson zu schwach dafür, mir den aufzuhalsen. Aber wo du den erwähnst. Es bräuchte nur zwei oder drei, die den können, und schon würden wir uns gegenseitig massakrieren."

"Nicht wenn wir denen den zuerst aufbraten", hielt Kevin an seiner rebellischen Idee fest.

"Hast du den schon mal an einem Menschen ausprobiert?" Fragte Gloria.

"Blöde Frage, natürlich nicht. Der ist doch verboten", erwiderte Kevin und merkte da wohl endlich, welche Schnapsidee er gerade verzapft hatte. "Mist, und die Todesser können den wohl ziemlich gut. Außerdem würden die dann wohl mal eben alle Erstklässler im ersten Ansatz mit anderen Flüchen niedermachen."

"Und bei der Gelegenheit mit Confringo oder Reducto die Wagonwände zertrümmern und uns aus dem Zug hinausschmeißen. Denen ist doch egal, wie viele Leute in Hogwarts ankommen", zischte Gloria. "Und bevor du mich für eine feige Sau ansiehst, lieber Kevin, möchte ich zwei Sachen klarstellen: Erstens ist die Sache schon schlimm genug. Zweitens bin ich als Vertrauensschülerin für die Sicherheit aller Ravenclaws verantwortlich."

"Was wohl auch für die Muggelstämmigen im hinteren Wagen gilt, die bereits in Ravenclaw geschlafen haben", wußte Kevin den passenden Einwand. Betty und Jenna nickten, weil das natürlich auch für die Hufflepuffs galt, von denen Jenna nun eine Vertrauensschülerin war.

"Gut, du willst also zulassen, daß was auch immer mit den Muggelstämmigen abeht", erwiderte Kevin. "Dann hängst du voll mit in der Drachenscheiße, die die mit denen anstellen. Kriegst du das mit deinem Gewissen vereinbart?"

"Was immer die mit denen vorhaben ist schon gelaufen, Kevin. Die haben Yaxley wohl nur als sichtbare Warnung hingepflanzt, damit keiner meint, bis hinten durchwandern zu können und feststellt, daß der Wagon verriegelt ist."

"Was du nicht sagst", grummelte Kevin. Dann erwiderte Betty:

"Gloria hat recht, Kevin. Hier im Zug eine Zauberschlacht anzufangen wäre der pure Wahnsinn."

"Ja, aber irgendwas müssen wir gegen die machen, bevor was auch immer ..." In diesem Moment hielt der Zug an.

"Wie gesagt, die Sache ist bereits gelaufen", unkte Gloria. Lea sah, wie sie alle zu den Fenstern stürzten, während der Zug mit quietschenden Bremsen stoppte. Kevin stieß aus:

"Vor der Lok sind Dementoren!"

"Rat mal wo noch!" Schnaubte Gloria äußerst verbittert. Lea brauchte nicht zu raten. Die grüne Farbmarkierung hatte es ihr ja schon vor dem Einsteigen verraten, für wen sie angebracht worden war.

"Drachenmist und Sabberhexenschleim!" Fluchte Kevin mit geballten Fäusten, während ein Hauch von Kälte sie alle ergriff. "Die krallen sich echt alle Muggelstämmigen." Lea peilte über den Rand des Gepäcknetzes und klammerte sich mit einer Hand an die Deckenlampe, um einigermaßen sicher durch das Fenster blicken zu können. Doch sie sah keine Dementoren. Sie spürte nur ihre eiskalte Anwesenheit. Sie lauschte, ob die im hinteren Wagen gefangenen Schüler schrien oder sonst einen Laut von sich gaben. Tatsächlich konnte sie Schreckensschreie und Wimmern hören. Die Kreaturen aus Askaban hatten wohl ihre ganze Kraft auf den Wagen gelegt wie einen Panzer aus schwarzem Eis. Jetzt gingen sie wohl daran, alle dort eingesperrten herauszuholen.

"Mum, sie sind da und schlagen zu", mentiloquierte sie ihrer Mutter.

"Wo bist du?" durchströmte sie eine besorgte Frage.

"Zweiter Wagen hinter der Lok bei Gloria Porter und ihren Freunden im Wagen."

"Dann bleib bloß da!" Erhielt sie den unhörbaren Befehl aus weiter Ferne.

"Wir müssen diesen Patronum-Zauber bringen. Gloria, du kannst den bestimmt", drang Kevin auf Gloria ein.

"Gute Idee", knurrte Gloria und versuchte, das Fenster zu öffnen. Doch es regte sich nicht. Lea erkannte jetzt auch den bläulichen Schimmer auf den Rigeln und dem Rahmen. "Verdammt, die haben die Fenster verriegelt. Alohomora!" Doch es kam nur ein kurzes Brrz, als eine Funkenentladung vor dem Fenster aufleuchtete. Die Fenster blieben geschlossen.

"Kannst du den Patronum nicht durch geschlossene Fenster schicken?" Fragte Kevin aufgeregt.

"Der Patronus kann nur bei freier Bahn los, Kevin. Wenn eine Wand oder Tür zwischen ihm und den Dementoren ist kommt er nicht durch, genauso wie die nicht durch geschlossene Türen oder Wände gehen können", blaffte Gloria, der die Hilflosigkeit ins Gesicht geschrieben stand.

"Diese Arschlöcher, Sabberhexen und Drachenfurzfänger!" Polterte Kevin. Gloria hielt ihm den Mund zu. "Bist du denn noch ganz zu retten? Wenn du so weiter brüllst kassieren die dich auch noch."

Versuch's mal durch den Gang!" Schlug Betty vor. Gloria öffnete die Tür. Da stand Amycus Carrow breitbeinig und glotzte belustigt herein.

"Worüber haben wir uns hier?" Fragte er gefährlich klingend. "Sicherheitsmaßnahme vom Minister. Die Muggelstämmigen kommen alle in eine abgesicherte Einrichtung rein. Hogwarts kann die nicht richtig schützen. Also brüllt hier nicht rum wie die Gossenkobolde, klar!"

"Na klar, Askaban", begehrte Kevin auf. "Welche gesicherte Einrichtung außer Hogwarts und Gringotts gibt's denn sonst noch?"

"Geht dich nix an, irischer Streithammel. Pass mal besser auf, daß ich dich nicht gleich in der ersten Stunde im Unterricht habe. Du hast mich aufgeweckt, und das mag ich nicht. Kapiert?"

"Wer hat das schon gerne", grummelte Kevin. Carrow langte bedrohlich langsam in seinen blauen Reiseumhang. Lea hatte nicht übel Lust, diesem Gorilla da einen unhörbaren und unsichtbaren Zauber überzuziehen. Doch Gloria klärte die Situation, wobei sie sich wohl ein oder zweimal auf die Zunge beißen mußte.

"Es erscheint uns zumindest sehr merkwürdig, daß wir auf offener Strecke halten und Dementoren ausdrücklich alle muggelstämmigen Zauberer einsammeln, Sir. Daß mein Kamerad Sie geweckt hat bedauere ich. Das wird nicht wieder vorkommen."

"Was du nicht sagst, Lockenköpfchen. Hältst dich wohl für sehr gut im Reden, wie?"

"Ich übe mich noch darin, Sir. Ich bin eine Ravenclaw", erwiderte Gloria ruhig darauf.

"Als wenn das ein Freibrief für Klugscheißerei sei", schnarrte Amycus Carrow.

"Ihr seid doch alles Flaschen", triumphierte Yaxley über einen versetzten Chor, der "Expecto Patronum!" rief. "Mann, seid ihr Trolle", lachte Yaxley. Offenbar hatten es einige versucht, Patroni in den hinteren Wagon zu schicken. Doch entweder kamen die nicht durch die geschlossenen Fenster oder prallten an der magischen Barriere ab. Dann, nach nur einer Minute, verschwand die Eiseskälte wieder. Das Angstgeschrei der Muggelstämmigen wurde immer leiser. Sie hatten wohl für jeden Schüler mindestens einen Dementor aufgeboten, vermutete Lea. Eisiges Schweigen trat ein, daß eine Ewigkeit von zwei Minuten dauerte. Dann zischte es laut. Ein Rumpeln, ein Stampfen, und der Zug rollte wieder an. Der Spuk war vorbei. Sie hatten es nicht verhindern können, daß alle Muggelstämmigen aus dem Zug geholt worden waren. Diese frustrierende Erkenntnis lähmte alle, die bis dahin noch angeregt geplaudert hatten. Carrow kehrte in sein Abteil zurück. Die Tür zu Glorias und Kevins Abteil blieb offen. Gloria war genauso geschockt wie ihre Freunde. Lea hätte jetzt eigentlich aus dem Netz steigen und das Abteil verlassen können. Doch sie wagte es nicht, weil jedes kleinste Geräusch die gerade erschüttert dahockenden Mitschüler erschreckt hätte.

Um die Mittagszeit, wo sonst immer die kugelrunde Hexe mit dem Wagen vorbeiging, kam jedoch niemand. Hatten sie die Verkäuferin etwa in London gelassen? Oder war sie vielleicht auch in die Fänge der Umbridge-Kommission geraten? Lea wußte es nicht. Nur im Gepäcknetz zu liegen und den erschütterten Mitschülern beim Schweigen zuzuhören würde auf die Dauer langweilig. Doch sie hatte keine andere Wahl. Sie mußte bleiben, wo sie war, bis der Zug regulär in Hogsmeade anhielt. Yaxley, die Carrows und ihnen treu ergebene Vertrauensschüler trieben alle bis hier hin mitgenommenen Jugendlichen aus den Wagen. Lea schaffte es, hinter Gloria aus dem Zug zu klettern. Sie folgte ihr bis zu einer Kutsche, vor der sie sehr merkwürdige Gebilde sah, die wie die schwarzen, rauchartigen Abbildungen von Kutschpferden aussahen. Das waren wohl unsichtbare Wesen, erkannte sie jetzt. Aber warum sah sie sie nicht scharf umrissen? Egal. Sie kletterte auf das Trittbrett, als Gloria die Tür zugezogen hatte und hielt sich am fensterrahmen fest. Rumpelnd und ratternd rollte die Kutsche den Berg hinauf, hinaus aus Hogsmeade, durch das Tor mit den zwei geflügelten Ebern aus Stein hindurch. Sie waren jetzt in Hogwarts. Lea hatte noch nicht einmal mitgezählt, wie viele Muggelstämmige es dieses Jahr gewesen sein mochten. Sie verließ die Kutsche und ging ins Schloß. Sie betrat die große Halle und postierte sich an einer Wand. Dann kam die Auswahl, die eine Stunde dauerte. Professor McGonagall schien immer wieder Namen auf einer Liste zu überspringen. Doch Snape bedeutete ihr, fortzufahren. Offenbar hatte er die Liste schon angekreuzt, wer wirklich in diese heilige Halle vordringen und den sprechenden Hut aufsetzen durfte. Als dann alle an den Tischen saßen setzte sich Lea so, daß sie den Schulleitertisch im Auge behielt. Snape hielt eine kurze Ansprache, daß er nun Dumbledores offizieller Nachfolger sei und daß es was die Muggelstämmigen anging eine Sicherheitsübereinkunft im Ministerium gegeben habe. Er bedauere es zwar, nicht ausloten zu können, ob diese Jungen und Mädchen wirklich nicht nach Hogwarts gehörten. Aber er müsse die Entscheidung des Ministeriums respektieren. Keiner wagte, zu murren. Dann sagte Snape:

"Um auch hier die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten werden zwanzig Dementoren alle Zugänge bewachen, die nach Hogsmeade und von dort zu uns führen. In Hogwarts selbst wird kein Dementor hineinkommen. Hier seid ihr also gut aufgehoben."

Nach Snape sprachen die Carrows. Lea tat es in den Ohren weh, dieses Gossenkoboldenglisch auch nur fünf Minuten ertragen zu müssen. Doch was sie sagten wog schwerer. Es sollten neue Schulregeln gelten. Muggelkunde und Verteidigung gegen dunkle Künste seien nun Pflichtfächer von der ersten bis zur siebten Klasse, und Störung des Schulfriedens würden nun härter bestraft. Snape nickte. Die Schüler wußten alle, was das wohl heißen mußte. Wer jetzt gegen einen dieser drei Aufbegehrte, mußte mit schlimmerem rechnen als nur hundertmal was abschreiben zu müssen. Lea ärgerte sich. Sie hatte so gute Zauber gelernt, um sich zu wehren. Doch ihre Mutter hatte ihr eingeschärft, nicht aufzufallen, bis die Weihnachtsferien angebrochen waren und sie wohl mit dem Zug wieder zurückfahren konnte. Bis dahin würde sie nur eine Beobachterin sein, die wie ein Gespenst aus Fleisch und Blut hier herumstrolchen mußte, ohne mit einem zu sprechen oder sonst wie in Kontakt treten zu können. Der einzige Trost war wohl, daß sie zwischendurch mit Lady Medeas Bild sprechen konnte. Doch was war das schon für eine Möglichkeit. Hier und jetzt, wo sie die zum Teil besetzten Haustische ansah, wurde ihr richtig bewußt, daß sie sich von dem allem ausgesperrt hatte, vom guten wie vom bösen. Doch sie hatte sich vorgenommen, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Sie beschloß, in der großen Halle zu übernachten, weil hier die Wahrscheinlichkeit geringer war, patrouillierenden Lehrern über den Weg zu laufen. Zumindest wolte sie die erste Nacht als unsichtbare Schülerin ruhig schlafen. Anstrengend würde es noch früh genug werden.

_________

Sieben Versuche hatte es gebraucht, bis die erste wirkliche von ihr erzeugte Entomanthropenkönigin entstanden war. Das erste von ihr verschleppte Mädchen war unter dem Licht des mit Bernstein und Bienen materiell kombinierten Zaubers eingeschrumpft und gerade so groß geworden, wie die mit ihr zu fusionierende Bienenkönigin. Anthelia hatte sie mit Avada Kedavra getötet. Beim zweiten Versuch konnte die Bienenkönigin aus der goldenen Lichtkugel entwischen, was den Zauber abwürgte und das gefangene Mädchen mit der Kugel selbst zerplatzen ließ. Bei den Versuchen drei bis sechs hatte es zwar eine Teilfusion gegeben, die aber nach dem Erlöschen der Lichtkugel mit lautem Knallen und Knistern wieder endete. Dabei hatte die zu verschmelzende Bienenkönigin den auf ihre Größe eingeschrumpften Kopf des Mädchens erhalten und dieses den aufgeblasenen Kopf einer vollwertigen Bienenkönigin auf dem Menschenhals sitzen gehabt. Jetzt erst, nach dem siebten Versuch, hatte der Zauber die erhoffte Wirkung getan. Vor Anthelia hockte nun ein fünf Meter großes Ungetüm mit Bienenhinterleib und Menschenoberkörper. Schnell nahm sie den großen Bernstein und konzentrierte sich auf diesen. "Sei mir untertan und gehorsam!" Fünfmal erteilte sie diesen Befehl, während die erzwungene Verschmelzung bereits Anstalten machte, abzuheben und davonzufliegen. Dann blieb das Insektenwesen folgsam sitzen und erwiderte mit einer Stimme wie die eines Opernbasses: "Ich gehorche dir, Meisterin."

"Du und alle deine nachkommen, die deinem Leibe entstammen, seid mir alle Untertan und gehorcht!" Befahl Anthelia. "Ich und alle meine Kinder werden dir gehorchen, Meisterin!" Bestätigte die neue Entomanthropenkönigin, deren menschliche Hälfte eine fünfzehnjährige Autostopperin gewesen war, die Anthelia am Rande der Route 66 aufgelesen hatte. Einige hundert Meter weiter fort warteten noch zehn schlafende Mädchen zwischen dreizehn und neunzehn Jahren, die von Anthelia peinlich genau darauf geprüft worden waren, ob sie noch V.I. positiv waren. Hoffentlich wirkte der Verschmelzungsvorgang nun bei jeder so wie er sollte, sonst würde sie wie im Stil eines Dunkelmondvampirs oder eine Knaben jagende Sabberhexe weitere Opfer suchen müssen. Ihr war klar, daß das irgendwann irgendwem auffallen mußte, wenn auf einen Streich so viele junge Mädchen verschwanden. Sie erinnerte sich schließlich noch zu gut daran, welche Wogen Hallittis und Richard Andrews' Raubzüge geschlagen hatten. Während der ersten sechs kläglichen Versuche hatte sich auch der winzige Rest von Gewissen gemeldet, der sie dazu treiben wollte, nicht wie Voldemort, Hallitti oder Bokanowski dreinzuschlagen, wenn sie die eigene Macht mehren wollte. Doch ihr war klar, daß es nur so und nicht anders ging, der uralten Streitmacht des Waisenknaben eine ausreichende Gegenwehr bieten zu können. Vielleicht kam irgendwann der Tag, wo sie mit nur einer Königin und ihrer Brut auskommen mochte. Doch die jetzige Lage erforderte ein völlig skrupelloses Vorgehen. Wer zurückwich und aus irgendwelchen Bedenken zögerte verlor. Voldemorts Regime in England diktierte es nun einmal, völlige Brutalität mit einer ebenbürtigen Rücksichtslosigkeit zu trotzen. Das galt vor allem, wo der Waisenknabe wußte, daß sie, Anthelia, seine Hauptfeindin war. Nun galt es, das Erbe ihrer mächtigen Tante zu nutzen.

"Erhebe dich und lande hinter jenen Bäumen, die du in Sonnenaufgangsrichtung sehen kannst!" Befahl Anthelia. "Ich stoße zu dir, wenn ich fertig bin." Die Entomanthropenkönigin bestätigte den Befehl und versetzte ihre vier fast durchsichtigen Flügel in wilde Schwingungen. Sie waren an und für sich für ein völlig anderes Größenverhältnis zur umgebenden Luft gebaut. Dennoch verwirbelten sie die Luft so wild wie die senkrechten oder waagerechten Drehflügel einer Flugmaschine der Muggel. Laut Surrend und brummend hob die erschaffene Kreatur vom Boden ab, schwankte einige Momente in der Luft und gewann dann Höhe und Geschwindigkeit. Die Flügel waren jetzt nicht mehr als einzelne Glieder, sondern als flirrende Schemen über dem schwarz-gelben Rücken des Ungetüms zu erkennen, als es nach osten davonbrummte. Die Führerin der Spinnenschwestern überlegte schon, wo sie die entstandene Helferin verstecken würde. Klar war nur, daß keine von ihnen im Hauptquartier aufbewahrt würde. Denn die anderen Schwestern durften nicht mitbekommen, daß Anthelia Sardonias Züchtungen vermehren wollte. Dann dachte sie daran, daß sie eine der Königinnen wohl hier in Südtexas und die andere in Kalifornien stationieren würde, um genügend Wärme für die Brut zu garantieren. Die dritte würde sie dann wohl in Südspanien unterbringen, weit genug fort von den Städten und Touristensiedlungen. Sie wollte gerade zum Versteck zurückkehren, in dem weitere junge Mädchen im Zauberschlaf lagen, als sie in der Ferne lautes Knallen hörte, das zweifelsohne apparierende Hexen oder Zauberer verhieß. Offenbar hatte Wishbone in der irgendwo im Umkreis Spürsteine unterbringen lassen. Daß Anthelia sieben Zauber ungestört wirken konnte lag wohl daran, daß keiner mit den Alarmmeldungen des Steins oder der Steine was anfangen oder die Quelle orten konnte. Doch nun hatte wer auch immer den ungefähren Standort ermittelt. Das verdross sie sehr. Sie hatte nicht vor, sich mit einer Streitmacht der Zaubererwelt hier anzulegen, bevor sie ihre Schöpfungen in Sicherheit wußte. Da wehten ihr hektische Gedanken von oben entgegen. Jemand auf einem Harvey-Besen, der keine Okklumentik benutzte, sauste der gerade in der Ferne verschwindenden Königin nach. Anthelia hob den zauberstab und zielte auf die Gedankenquelle. Der Zauberer des Ministeriums durfte auf gar keinen Fall erkennen, was er da jagte. "Avada Kedavra!" Blaffte sie. Doch der grüne Blitz zischte wirkungslos an dem Besenreiter vorbei. Seine Gedanken waren doch nicht ausreichend, um ihn anzuzielen. Das erkannte die Führerin des Spinnenordens überdeutlich, als sie eine mentiloquierte Alarmbotschaft auffing, die wohl dem Truppführer galt. "Sir, wurde gerade mit Todesfluch angegriffen. Auslösendes Subjekt wohl auf Boden in nordnordwestlicher Richtung hinter mir!"

Anthelia schickte dem Besenflieger eine Feuerkugel auf den Hals. Doch diese zerplatzte zu weit unter dem Ziel. Wer immer jetzt flog, war ja schon gewarnt und hielt sich nun außerhalb der Reichweite. Blieben ihr wohl nur noch die Telekinese, um ihn vom Besen zu holen oder der Versuch, ihn mit Imperius zu bannen. Doch die plötzlich von nordwest bis nordost auf sie zufegenden Gedankenquellen verrieten ihr, daß sie schleunigst den Standort wechseln mußte. So disapparierte sie gerade im Moment, als ein Bündel Schock- und Lähmzauber auf ihren Standort zurasten. Nur weil sie fremde Gedanken aus sicherer Entfernung hören konnte entkam sie dieser ansonsten wohl tödlich überraschenden Attacke. Ihr Ziel, den Gegner von der Königin abzuhalten, hatte sie nicht aufgegeben. Sie apparierte dort, wo die Königin gleich entlangfliegen mußte und befahl ihr über den Entomolithen, sofort zu landen, als sie sie als winzigen Punkt über sich sah. Laut heulend wie ein im Sturzflug angreifendes Kampfflugzeug stieß die Entomanthropin nach unten. Anthelia erfaßte die von ihrem Befehl gebundenen Gedanken, aber auch den auf dem Harvey heranbrausenden Gegner, der gerade wohl erkannte, wem er da nachsetzte. Anthelia empfing die von immer größer werdendem Entsetzen getragenen Geistesausstrahlungen. Sie mußte verhindern, daß der Gegner seinem Führer zumentiloquierte, was er gerade sah. Doch für den Todesfluch war er zu weit und nicht genau anzuzielen. Die Entomanthropenkönigin kam laut brummend vor Anthelia auf dem Boden auf. Die vier Flügel knatterten noch einmal, bevor sie sich an den Körper legten. Die höchste Schwester des Spinnenordens verwünschte ihre Unbesonnenheit, keine fliegende Leibgarde für diese Königin herübergeholt zu haben. Doch nun konnte sie mit ihrer Telekinese den Anfliegenden besser ergreifen. Ein berührungsloser Stoß mochte reichen. Doch ihre Kraft fand keinen Angriffspunkt. Sie meinte, etwas wildes ruckele in ihrem Kopf, als sie den Fremden angriff. Offenbar trug er einen Schutz gegen Bewegungszauber. Sie hatte offenbar mehrere Fehler gemacht, die ihr jetzt zum Verhängnis werden konnten. Das ärgerte sie zwar, konnte aber noch korrigiert werden.

"Mr. Grinder, riesiges Insektenwesen! landete gerade, als ich es einholte!" Mentiloquierte der Gegner. Anthelia sah keine andere Möglichkeit mehr, den Feind zu hindern, mehr zu verraten, als den Imperius-Fluch auf ihn zu legen, der nicht so punktgenau platziert werden mußte. Tatsächlich fühlte sie, wie ihr Gegner unter dem Fluch erstarrte. Die Antwort auf seine Alarmbotschaft verging in der Woge grenzenloser Glückseligkeit, die der Fluch im ersten Moment erzeugte. "Steige mit deinem besen hundert Meter auf und spring davon herunter!" Befahl Anthelia zweimal. Der Fremde kämpfte gegen die Wirkung des Fluches an. Die Gewißheit, beim Absprung ohne Fallbremsezauber zu sterben drückte gegen den Zwang, dem Befehl zu gehorchen. "Steige hundert Meter auf und springe von deinem Besen!" Schickte Anthelia den Befehl noch einmal aus. Da fühlte sie, wie vom Osten her weitere Feinde anrückten. Einige apparierten. Andere flogen auf Besen heran. Endlich gehorchte ihr Gegner. Er stieß im Rosselini-Raketenaufstieg nach oben. Fünf Sekunden später stürzte er abwärts. Jetzt konnte Anthelia ihn sehen. Doch was war das? Ein silberner Blitz zuckte auf, und der Zauberer im wolkengrauen Umhang war fort wie disappariert. Doch sie hatte keinen entsprechenden Gedanken erfaßt.

"Verdammt will ich sein, wenn ich ergründe, was mir alles entgangen ist", knurrte Anthelia. Da fühlte sie, wie aus mehreren Richtungen Suchzauber auf sie einwirkten. Homenum revelio, sowie Vivideo wurden benutzt. Wenn sie die gerade erschaffene Königin nicht preisgeben wollte, mußte sie jetzt mit ihr zusammen flüchten. So sprang sie auf den Hinterleib der geflügelten Kreatur und befahl ihr, loszufliegen. Dann ließ sie aus dem Zauberstab ein festes Seil herausschießen, das sich um sie und den Körper ihrer Entomanthropin wand und sie an dieser festband. Sie fühlte den von den nun ohrenbetäubend lauten Flügeln verursachten Wirbel und den Flugwind. Die Gegner rückten vor. Doch Anthelia hatte nicht vor, sich kampflos von diesen umzingeln zu lassen.

"steige zwanzig deiner Länge auf! fliege dann enge Kreise!" Befahl sie über den Bernstein, bevor sie diesen sorgsam im Kapuzenumhang verstaute. Die Entomanthropenkönigin hatte mit ihr keine Last. Sie brauste nun mit mehr als fünfzig Stundenkilometern nach oben. Offenbar hatte sich das Flugwesen an sein neues Dasein und die Flugeigenschaften angepaßt, erkannte Anthelia zufrieden. Doch nun galt es, die lästigen Störenfriede loszuwerden. Sie schloß die Kapuze ihres rosaroten Umhangs und lauschte. "Und die Meute wird zur Beute", knurrte die Oberste des Spinnenordens, bevor sie mit "Creato Nebulam amplifico!" eine undurchsichtige Nebelwolke erschuf, die sie und die Entomanthropin einhüllte, die nun wie befohlen in engen Kreisen über dem Boden flog wie ein über einem Ziel lauernder Greifvogel. Noch einmal beschwor Anthelia Nebel herauf, um den sich weiter ausdehnenden Dunst zu verstärken. Gleich würden ihre Feinde unterliegen. Sie rechnete damit, daß diese auf Schockzauberabstand herankommen würden. Bei dem Dunst würden sie wohl entweder blind zielen oder den Fehler machen, erst den Nebel zu zerstreuen, weil sie davon ausgingen, der Gegner könne auch nicht eher zielen. Doch sie brauchte nicht zu zielen. Sie konzentrierte sich darauf, Sardonias Flammendom zu erzeugen, sobald die Gegner näher heran waren. Hier, in größerer Höhe, würde der Dom zu einer flammenden Sphäre werden. Diese würde jedoch reichen, sie alle am Vordringen zu hindern, ja sie sofort zu verbrennen, wenn sie nicht bis auf zehn Meter an Anthelia herankämen. Jetzt erkannte sie, wie die ersten in die Wirkungszone eindrangen und sang die auslösenden Worte in der Sprache der Druiden. Erst fauchte es um sie herum. Dann züngelten mit einem lauten Wuff wild lodernde Flammen auf. Sie hatte sich nicht geirrt. Das magische Feuer fand sofort Beute. Mindestens fünf Angreifer waren kalt, oder besser brandheiß erwischt worden und schrien einen Moment vor Schmerzen. Dann hatte das Feuer sie voll erfaßt. Die Besen brannten wohl wie Zunder. Zwei weitere Gegner versuchten wohl noch abzubremsen, gerieten jedoch in die Ausläufer der verheerenden Glut und erkannten, daß ihre Besen nun hoffnungslos abbrennen würden. Sie sprangen ab und disapparierten aus dem freien Fall heraus. "Ihr seid gut, aber nicht gut genug", knurrte Anthelia, als die ersten Gegenflüche auf sie loszischten. Einige waren Brandlöschzauber, die jedoch am Rand der Feuersphäre verpufften. Andere waren Angriffszauber wie Schocker, Lähmflüche und Fesselzauber. Doch die magischen Stricke verglühten sofort. Die Schocker verfehlten Anthelia, die mit der Entomanthropin auswich. Einer prallte zwar auf den Körper der geflügelten Kreatur, wurde jedoch laut fauchend davon zurückgeworfen. Das machte die Fusion aus Biene und Mensch jedoch wütend. Anthelia beschloß, dieser Wut ihren Lauf zu lassen. Die Königin brach aus ihrer Kreisbahn aus und stürzte sich, umtost von der errichteten Flammensphäre, auf die Angreifer. Diese konnten nicht schnell genug ausweichen oder disapparierten übereilt. Laut knisternd gingen die Besen in Flammen auf. Die Entomanthropin roch oder hörte, wo die unsichtbaren Gegner waren und setzte ihnen nach. Dabei geriet sie in eine Salve aus vier Schockzaubern. Doch diese prallten an ihrem Kopf und dem geharnischten Oberkörper ab wie Pfeile an einer Panzerplatte. Ein weiterer Gegner mußte mit lautem Knall disapparieren, weil er der Flammensphäre nicht mehr davonfliegen konnte. Die neue Königin surrte in rasender Wut weiter und griff an. Anthelia empfing eine Gedankenbotschaft an einen Mr. Grinder, der wohl der Truppführer war. Dieser benutzte wohl den Vocamicus-Zauber, um alle seine Getreuen zum sofortigen Rückzug aufzufordern. Für zwei kam dieser Befehl jedoch zu spät. die mindestens zwanzig Meter durchmessende Feuerkugel überrollte sie und gewährte ihnen die fragwürdige Ehre, in Erfüllung ihrer Pflicht ihr Leben gegeben zu haben. Die fliegenden Gegner setzten sich in alle Richtungen ab. Einem setzte die Königin nach. Doch sie war nicht schnell genug, ihn einzuholen. Anthelia erfaßte, daß sein Name Terry O'Sullivan lautete. Dann entschwand er aus ihrer Reichweite. Die Königin folgte seiner Duftspur wohl noch einige Kilometer, bevor sie endlich erkannte, daß sie die Beute nicht mehr einholen würde. Der rasende Flug verlangsamte sich.

"Meisterin, das Feuer macht sie tot, bevor ich sie erreichen kann und jagt die weg. Ich habe Hunger. Will einen von denen essen", übertönte die Bassstimme der Entomanthropin das wilde Gebrumm ihrer wild wirbelnden Flügel.

"Du willst den haben? Ich besorge ihn dir", knurrte Anthelia, ohne den Entomolithen zu benutzen. Diesen holte sie erst hervor, als der Flug der Königin unregelmäßiger wurde. Das neue Geschöpf hatte bei der Hetzjagd viel Kraft verbraucht. Wollte sie die Entomanthropin nicht verhungern lassen mußte sie ihr jetzt die Landung befehlen. Als sie dann wieder auf dem Boden war und das gezauberte Halteseil in Nichts aufgelöst hatte sprach sie mit dem großen Bernstein zu ihrer Neuschöpfung.

"Grabe dich im Boden ein und versinke in den Schlaf der Überdauerung, bis ich dich erneut rufe!" Die Entomanthropin gehorchte. Mit der übermenschlichen Kraft ihrer neuen Daseinsform schaufelte sie mit allen sechs Gliedern Steine und Erdreich beiseite und buddelte sich innerhalb von nur fünf Minuten komplett ein. Dann erstarrte sie wie tot. Ihre Gedanken wurden langsamer und leiser. Anthelia wartete, bis sie gerade einen Rest von Lebendigkeit in diesem Wesen erspüren konnte, daß sich auf ein Hundertstel oder weniger seiner Normalgeschwindigkeit verlangsamt und damit jeden Nahrungs- und Luftbedarf drastisch gesenkt hatte. Als sie sicher war, daß die Königin den Endpunkt der Erstarrung erreicht hatte, schloß sie das Loch, in das sie sich hineingewühlt hatte mit einem Erdaufwerfungszauber, notierte sich mit Hilfe eines Naviskops den genauen Standort und versiegelte die Erde gegen Lebensquellenfinder. Sie mußte nun rasch handeln, wollte sie noch zwei weitere Königinnen erschaffen. Doch sie merkte, daß die Flammensphäre ihr viel Ausdauer abgezogen hatte. Also galt es, die noch tief schlafenden Mädchen erst einmal dort zu lassen, wo sie waren und besser gleich in die Nähe der ausgewählten Brutorte zu bringen, bevor sie an ihnen das Umwandlungsritual vollzogen hatte. Sollte sie ihrer neuen Gehilfin wirklich diesen Terry O'sullivan zum Fraß vorwerfen? Oder sollte sie ihrer Königin zunächst befehlen, nur Tiere wie Rinder, Schafe, Wild und Fisch zu vertilgen. Sie wußte, daß Sardonia ihre Entomanthropen und vor allem die Königinnen mit ihren Feinden gefüttert hatte. Denn mit Menschenfleisch konnten die Insektenwesen ihre Kraft erheblich aufbessern. Jetzt, wo sie die Grenze zur hemmungslosen Ausübung ihrer Macht überschritten hatte, sollte sie wohl auch nicht mehr davor zurückschrecken, ihre Feinde an die neue Streitmacht zu verfüttern. Sie dachte daran, diverse Todesser in den Mägen der neuen Königinnen verschwinden zu lassen. Dann würden diese ihr zumindest noch helfen können.

Als sie nach dem Versiegeln des Versteckes disapparierte, entschloß sich Anthelia, bei den nächsten Verschmelzungen einen Zauber gegen Fremdortung einzurichten. Denn mit dieser viel zu plötzlich aufgetauchten Truppe wollte sie sich so schnell nicht mehr anlegen müssen, bevor sie nicht alle ihre Neuschöpfungen sicher untergebracht hatte. Dann jedoch würde sie diesen dreisten Burschen zeigen, mit wem die sich da angelegt hatten.

__________

Peter Grinder wollte seinen Ohren nicht trauen, als sein Spähleiter Südtexas ihn per Kontaktfeuer alarmierte, daß irgendwer einen schwer zu ortenden, nicht zu bestimmenden Zauber ausübte, der wohl irgendwas dunkles und verwandelndes an sich haben sollte. Der leiter der My-Truppe hatte harsch befohlen, daß sein Überwachungsspezialist den Kopf einziehen solle, damit er das Netz für die Reise in die Spähstation nutzen konnte. Als Grinder dann selbst in dem mit mehreren Instrumenten und Metallkörpern ausgestatteten Raum aus dem ziemlich schmalen Kamin kletterte, surrte gerade ein Pergamentstreifen aus dem Schlitz eines silbernen Gerätes, das die Form einer Birne auf drei Beinen besaß.

"Der Effektbestimmer spuckt schon die ganze Zeit diese komischen Meldungen aus, Sir", sagte Lindon Steele, der Überwachungszauberer.

"zeigen Sie mal her!" Knurrte Grinder und pflückte das Ende des ausgespuckten Streifens ab. "Schwarzmagisch transfigurativ 7 : 1", las er vor. "Übersetzen Sie mir das bitte mal!"

"Das heißt, daß der Zauber, der angewendet wird einen schwarzmagischen Verwandlungseffekt erzielt, bei dem die Tendenz zu einem Fluch siebenmal höher ist als die reine Verwandlung. Das Problem ist, daß unser Spürstein nicht genau erfassen kann, wo dieser Zauber gewirkt wird. Viel zu weit weg."

"Und daß es ein unbekannter Zauber ist, der noch nicht vom Ministerium katalogisiert und für die Überwachung erkennbar bestimmt wurde", knurrte Grinder. "Also murkst da jemand mit dunklen Zaubern herum, die Verwandlungskomponenten haben?"

"Öhm, ja, Sir. Und das merkwürdige ist, daß das Zuordnungsverhältnis schwankt. Erst war es bei drei zu acht, dann sechs zu fünf und dann bei fünf zu drei. Der Bestimmer kann deshalb auch nicht erkennen, ob es derselbe zauber in verschiedener Ausprägung sein soll oder jedesmal ein anderer."

"Wie oft wurde dieser unbekannte Zauber schon gewirkt?" Wollte Grinder wissen.

"Das ist jetzt das sechste Mal, Sir. Moment, wir kriegen wieder eine Meldung über einen unbestimmbaren Zauber", sagte Steele und hantierte an den Instrumenten, die wild surrten und klickten. Dann, nach etwa einer Minute, spulte sich ein weiteres Stück Pergamentstreifen ab. "Jetzt liegt das Verhältnis Fluch zu Verwandlung genau bei fünf zu fünf oder auch fünfzig zu fünfzig, wenn Sie so wollen. Entweder experimentiert da jemand mit neuen Zaubern herum und will eine ausgeglichene Ausrichtung herstellen oder hat jetzt erst erreicht, was er oder sie will."

"Unsere Freundinnen von der Nachtfraktion oder diese nette Dame, die letzten Sommer den Succubus erledigt hat?" Fragte Grinder. Steele nickte. "War also richtig von Minister Wishbone, die Spähstationen flächendeckender zu platzieren. Der Zauber muß ja derartig intensiv sein, daß er jedesmal eine so hohe Verhältnisberechnung ergibt. Wir müssen unbedingt wissen, was da zusammengehokuspokust wird. Wie sieht das mit dem Ort aus?"

"Mit einer Abweichung von wohl einem Kilometer haben wir es jetzt. Am Anfang war's noch schwerer, weil die aufgespürte Magie sich wohl sehr schnell zerstreut hat. Lokalbegrenzte Zauber lassen sich bei der Spürsteinverteilung nicht präziser orten."

"Minister Wishbone weiß das und hat das Budget für hundert weitere Spähstationen und zweihundert Spürsteine gerade bei Dime durchgesetzt."

"Wo unser neuer oberster Boss doch sonst jeden Posten neu besetzt hat", wunderte sich Steele.

"Dime kann zu gut mit den Kobolden und kennt sich auch im Bankwesen der Muggel aus. Der Minister wäre schlecht beraten gewesen, ihn in die freie Zaubererwelt abzuschieben oder zum Bürowühler zu degradieren."

"Verstehe, die Konkurrenz hat schon gelauert", warf Steele ein. Dann blieb der Blick seiner graublauen Augen an der Anzeige eines gerade zur Ruhe kommenden Gerätes hängen.

"Abweichung jetzt unter einhundert Metern, Sir. Hier ist der ungefähre Standort." Er deutete auf eine Wandkarte, auf der Texas im Bezug zu den restlichen Unionsstaaten rot umrandet dargestellt war und zeigte genau auf einen von zwei weißen Linien abgegrenzten Punkt. Grinder notierte sich die Längen- und Breitengradangabe.

"O'Sullivan ist gerade im Bereich unterwegs, um mit der vierten Einheit Besenmanöver zu fliegen, um das Zusammenspiel unsichtbarer Besenreiter zu verbessern", sagte Grinder und fragte, ob er von hier aus disapparieren könne. Steele tippte mit dem Zauberstab an zwei Stellen, worauf die Luft für einen Moment flimmerte. Dann nickte er. Grinder nickte zurück und disapparierte. In der Nähe von O'Sullivan tauchte er wieder auf und kommandierte ihn mit der vierten Einheit, die aus dreißig Zauberern bestand, zu den ungefähren Koordinaten.

"Bei Vorkommnissen Melo-Meldung direkt an mich!" Befahl er, bevor seine Leute laut knallend und ploppend disapparierten. "Bei dem Lärm weiß wer immer da hockt doch sofort, daß wer kommt", knurrte Grinder und zeichnete sich einen Sessel und einen Tisch, um die provisorische Kommandozentrale einigermaßen bequem auszustatten. Dann verfolgte er die Meldungen, daß etwas großes, fliegendes unterwegs war. Dann schrillte die alarmierte Gedankenbotschaft eines Zauberers in seinem Kopf, daß jemand ihm den Todesfluch aufzubraten versucht hatte. Miles, ein besonders guter Besenflieger, meldete dann die Entdeckung eines riesenhaften Insektenwesens. Grinder erschrak. Insektenwesen? Das konnte nur heißen, daß da jemand neue Monster züchtete ... oder lange für vergessen gehaltene Bestien wiedererschaffen hatte. Er befahl sofort den Angriff auf die Bestie. Doch seine Gedanken schlugen ihm wie plätschernde Wellen in seinen Geist zurück. Diesen Effekt kannte er auch zu gut. Sie hatten schon unter dem Siegel der absoluten Geheimhaltung ausprobiert, was passierte, wenn ein vom Imperius-Fluch betroffener anmentiloquiert wurde. Jede Phase des Fluches hatten sie dokumentiert. Offenbar war Miles gerade von dem Fluch getroffen worden. So befahl Grinder seinem Truppführer O'Sullivan, Miles mit dem Notfangzauber festzusetzen. Denn weil sie alle damit rechnen mußten, von Feinden unter den Imperius-Fluch genommen zu werden, trug jeder einen speziellen Gürtel unter dem Umhang, der nur vom oberen Truppführer gelöst werden konnte. Doch der ordentliche Untertruppenführer konnte den damit verknüpften Arretierzauber auslösen, der den Betroffenen unverzüglich wie mit einem Portschlüssel in einen gegen sonstige Transportzauber gesicherten Raum versetzte und dort mit Schlafgas betäubte, bevor der Kamerad unter dem Imperius-Fluch etwas gegen seine eigenen Leute tun konnte. Dieses Prinzip hatte Wishbone schon vor einem Monat eingeführt, als Donata Archstone noch die oberste Strafverfolgungsleiterin war. Doch wie viele andere im Ministerium traute Wishbone keiner Hexe über den Weg und hatte auch ohne Wissen von Ex-Minister Cartridge diese besondere Vorkehrung entwickelt, die im Moment nur die vier Einheiten der My-Truppe benutzten, also gerade einmal einhundertzwanzig ausgesuchte Zauberer.

Grinder erhielt weitere Meldungen, daß das Monstrum gelandet sei und dann mit einer Person im rosa Umhang wieder gestartet sei. Das hielt ihn nicht mehr an diesem Platz. Er apparierte in die Nähe des eigentlichen Schauplatzes und beobachtete mit einem magischen Fernrohr, daß kilometer weit entfernte Objekte bis auf erkennbare Ausmaße heranholen konnte, wie eine große Wolke weit über dem Boden dahintrieb, die sich schlagartig in eine lodernde Flammensphäre verwandelte. Er sah mit Verärgerung, wie mehrere längliche Objekte wie Fackeln brennend aus der Sphäre herausregneten. Wurden die Harveys beschädigt, verloren sie sofort ihre Unsichtbarkeit. mit gewissem Grimm konnte er sogar die verkohlten Überreste von Menschen ausmachen, die aus dem Glutglobus herausglitten.

"Ihr seid voll in eine Falle reingerasselt", mentiloquierte er O'Sullivan. "Rundruf an alle, die sollen Abstand nehmen und sich melden!"

"Verstanden, Sir!" Erwiderte O'Sullivan mentiloquistisch. Grinder fischte in seinen Umhang und zog eine Brille hervor, die mit nützlichen Enthüllungszaubern behandelt war, vor allem, um Harvey-Besen zu sehen. So konnte er seine Leute zwar anfliegen oder ausweichen sehen. Doch weil die versuchten, in die Flammensphäre hineinzufluchen, hatten sie was immer darin gesteckt hatte zum Gegenstoß animiert. Wie ein natürlicher Bollide fegte die Feuerkugel nun am Himmel entlang und erwischte weitere Kameraden. Grinder griff in eine andere Tasche seines Umhanges. Er holte ein schmales, goldenes Röhrchen mit eingravierten Runen darauf hervor, tippte es mit dem Zauberstab viermal an einer kreisförmigen Gravur an und sprach dann wie in ein Sprachrohr hinein: "Alle Mitglieder von Einheit vier sofort zum Hauptquartier zurückziehen! Ich wiederhole: Alle Mitglieder von Einheit vier unverzüglich zum Hauptquartier zurückziehen!"

O'Sullivan floh gerade vor der Flammensphäre, die weder von dem Fernrohr noch von der Enthüllerbrille durchdrungen wurde. Erst als Grinder sämtliche noch verbliebenen Mitglieder seiner Spezialtruppen hatte disapparieren sehen können atmete er auf. Bald würde er wissen, womit sie es zu tun gehabt hatten. Er verschwand ebenso unverzüglich, um im geheimen Hauptquartier zu erscheinen, daß außer Grinder und seinen Leuten nur noch Zaubereiminister Wishbone kannte.

""Was, ein Drittel der Einheit ausgelöscht?!" Stellte er fest, als er die Leute durchgezählt hatte. "Das passiert uns nicht noch einmal, verstanden!" Er klang so wie ein tadelnder Vater. Seine Leute sahen ihn bestürzt an. "Ihr seid da alle voll in eine Falle reingeflogen, weil eure laute Ballerei beim Apparieren wem auch immer früh genug gezeigt hat, daß wer ankommt. Ich fürchte, wir alle müssen in den nächsten Tagen das leise Apparieren üben, bis wir das selbst im Tiefschlaf draufhaben, verdammt noch mal! Wie sollen wir denn einen schwer zu ortenden Punkt einkreisen, wenn die Subjekte da schon früh genug wissen, daß sie umstellt werden sollen? Und dann diese Kreatur. Wer hat gemeldet, daß es ein riesiges Insektenwesen war?" Der betreffende Zauberer nickte Grinder zu. "Dann beschreiben Sie mal wie das ausgesehen hat!"

"Sah aus wie eine mindestens vier Meter große Biene, von der Gestalt her eine Königin, keine Arbeitsbiene. Der Kopf sah irgendwie so aus wie der einer goldblonden Frau. Anders kann ich das nicht sagen, weil ich nicht nah genug an das Biest herankam. Miles war näher dran, wurde aber wegen Ihres Befehls mit Notfangzauber aus dem Einsatzgebiet entfernt."

"Dann kläre ich das mit dem. Aber wenn das wirklich stimmt, daß dieses Monstrum den Kopf einer Blondine hatte, ist euch Lebensmüden wohl klar, was das heißt."

"Sir, wir haben offenbar diese in Frankreich wieder aufgetauchten Entomanthropen hier, die um Ostern herum erschienen sein sollen und im Zusammenhang mit Bokanowski in der Zeitung erwähnt wurden", warf O'Sullivan ein.

"Richtig, Terry. Nur daß wir es hier nicht mit einem üblichen Vollstrecker oder Sklavenwesen zu tun haben, sondern mit einer Brutmutter. Womöglich ist jemand darauf gekommen, eine neue Brutmutter zu erschaffen, um den Bestand dieser Biester aufzustocken. Das heißt für uns alle, daß wir uns ganz schnell ganz große Fliegenklatschen ausdenken müssen, wenn diese Hexe, von der in erwähntem Artikel geredet wurde, diese Bestien jetzt in den USA nachzüchten will, wo ihr bei der Sache mit Bokanowski wohl mehrere Dutzend davon krepiert sind. Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal daran, daß wir alle vereidigt sind, keinem außerhalb der Truppe irgendwas zu erzählen, was mit unseren Einsätzen zu tun hat. Ich selbst werde Minister Wishbone persönlich Bericht erstatten. Alle anderen halten gefälligst den Mund und sehen zu, sich auch gegen Legilimentik abzusichern! Trinken Sie nichts mehr, dessen Zusammensetzung und Herkunft Sie nicht mit absoluter Sicherheit kennen oder nachprüfen können! Das gleiche gilt natürlich für das Essen. Die Gefahr von Wahrheitselixieren oder Fügsamkeitstränken ist zu akut, als einfach darauf zu vertrauen, daß keiner weiß, daß Sie in der My-Truppe tätig sind. So, und jetzt schreibt jeder einen Bericht über seine persönlichen Eindrücke von diesem Einsatz. Diese Berichte will ich bis heute Abend auf meinem Schreibtisch haben. Ich werde die Zeit nutzen, glaubwürdige Verlustmeldungen für die Angehörigen zu verfassen. Wie erwähnt, wir sind eine Geheimabteilung der Stufe acht und daher nicht dazu befugt, über die Einsätze und wer dabei wie und warum stirbt zu berichten. Nur, damit jeder hier in diesem Raum das noch einmal klar im Kopf hat. So, und jetzt alle Mann wegtreten zum Berichtschreiben!" Die My-Truppler bestätigten die Befehle im Chor und verließen den Einsatzbesprechungsraum. Grinder kehrte in sein Büro zurück und fragte bei allen offiziellen und My-Trupp-eigenen Spähstationen an, ob irgendwas ungewöhnliches geortet wurde. Doch nach den sieben starken Zaubern war nichts mehr aufgetreten, was meldepflichtig gewesen wäre. Grinder schnaufte kurz durch. Das konnte noch was geben, wenn diese Entomanthropen jetzt in den Staaten ausgebrütet wurden. An und für sich hätten sie den Todesfluch in die Flammensphäre schicken müssen. Das sollte das erste sein, was er Wishbone empfehlen wollte. Die Inobskuratoren im allgemeinen und die My-Truppe im besonderen sollte die Freigabe zum Einsatz aller verfügbaren Zauber erhalten. Im Klartext also eine Lizenz zur freien Anwendung der drei unverzeihlichen Flüche. Womöglich wäre das Problem mit Avada Kedavra und Imperius dann erledigt worden, bevor es mehr als zehn tapfere Zauberer das Leben kostete.

"Was für ein Tag, dieser erste September", knurrte Grinder. "Neuer Monat, neuer Verdruß!"

__________

Lea erwachte, weil sie unvermittelt meinte, in heißes Wasser zu fallen. Sie erkannte, daß sie soeben sichtbar geworden war. Das durfte ihr bloß nicht passieren, während sie in der Nähe anderer war. Sie blickte zur verzauberten Decke, um ungefähr die Zeit abzulesen. Der östliche Rand der Bildverpflanzung, die den gerade sichtbaren Himmel zeigte, schimmerte in einem sehr trüben Grauton. Die Sterne im Osten hoben sich auch nicht mehr so klar vom Nachthimmel ab. Lea erkannte, daß ihr das mit der Sichtbarkeit wohl gerade so noch vor dem Morgentrubel passiert war. Schnell holte sie die angebrochene Flasche mit dem Verborgenheits-Trank hervor und trank eine Dosis, die sie nun mindestens einen vollen Tag unsichtbar halten sollte. Das Zeug schmeckte komisch wie Pfefferminzsprudel. Dann durchbrauste sie diese Kälte. Ihre Erscheinung flimmerte, wurde durchscheinend und dann völlig unsichtbar. Lea ließ den dunkelblauen Schlafsack in ihrem Rucksack verschwinden, setzte diesen auf und trat auf die Seite der Halle, wo sie dem See am nächsten war und tippte sich und die Wand mit dem Zauberstab an. "Terra Lapisque permeabilis pro vivo!" Wisperte sie. Sie wartete eine Sekunde und ging dann einfach weiter. Die Wand schien aus Luft oder Wasser zu bestehen. Denn sie fühlte fast keinen Widerstand, als sie durch das Mauerwerk glitt. Da stand sie nun außerhalb des Schlosses und blickte auf den schwarzen See, der im Dämmergrau glitzerte. Die ersten Vögel trillerten bereits ihre Morgenlieder. Lea lief auf den See zu und sah sich um. Hier wollte sie baden. Ein wenig graute ihr davor, jetzt jeden Tag in das bestimmt nicht immer warme Wasser zu steigen, um ihre Körperpflege einzuhalten. Aber was sollte es? Sie sah sich noch einmal um und zog dann mit einem schnellen Zauber ihre Sachen aus. Sie hatte im Rucksack drei Umhänge und zwölf Garnituren Unterwäsche zum wechseln. Da sie ihre Sachen nicht den Hauselfen hier überlassen konnte mußte sie die dann wohl auch im See oder während der Unterrichtsstunden waschen. Sie verbarg den gerade sichtbaren Rucksack so, daß er nicht von den ersten Sonnenstrahlen getroffen wurde und sprang in die dunklen Fluten. So mußten sich viele im Mittelalter gewaschen haben, die auf dem Land lebten und nur in Flüssen oder Seen genug Frischwasser hatten, daß längst nicht immer erhitzt wurde. Doch im Moment war das Wasser nicht zu kalt. So schwamm Lea erst einige Meter hinaus, wobei sie darauf achtete, nicht gleich von mehreren schleimigen Armen umschlungen zu werden. Der große Krake und die auf dem Seegrund lebenden Meerleute waren die einzige Schwierigkeit, die Lea sah. Mit einem Stück geruchloser Seife rubbelte sie sich den Dreck vom gestrigen Tag vom Körper, wusch ihre Haare ohne hinzusehen, wie sie gerade aussahen und schwamm noch eine Runde, bevor sie sich mit einem besonderen Handtuch, daß einen eingewirkten Trocknungszauber besaß, in wenigen Sekunden abtrocknete. Mit dem Schnellankleidezauber, den ihre Mutter ihr in den letzten Tagen in einem total verdunkelten Raum immer wieder abverlangt hatte, zog sie ihre Sachen an. Lea dachte daran, wie sich die Muggel, die wegen fehlender magischer Heilung nach Krankheiten oder Verletzungen völlig blind weiterleben mußten solche einfachen Sachen machen mußten. Ihre Mutter hatte sie bestimmte Handgriffe an sich in diesem abgedunkelten Raum ausführen lassen, um ihr ein Gefühl für den unsichtbaren Körper zu geben. So konnte sie sich unter Zuhilfenahme der freien Hand die Haare kämmen, die sie sonst in dünnen Zöpfen zu tragen gewohnt war. Jetzt hielt ein Haarknoten her, ähnlich dem von Professor McGonagall. Als sie so ungesehen ihre Morgentoilette ausgeführt hatte, kehrte sie durch die Wand in die große Halle zurück. Vielleicht konnte sie beim Frühstück was von Tellern stiebitzen. Die Mitgenommenen Sättigungskekse waren nichts für jeden Tag, fand sie. Einer davon hielt zwar den Hunger für einen Tag ab, war aber langweilig.

"Wie spät hast du es, Mum?" Mentiloquierte Lea ihrer Mutter. Diese erwiderte auf selbem Weg, daß es gerade erst sechs Uhr sei. Lea gab noch einmal einen Bericht, wie sie die Nacht verbracht hatte.

"Hmm, am besten kriegst du raus, wie man ins Vertrauensschülerbad reinkommt, Lea. Der See ist nichts für die Dauer", riet ihre Mutter ihr. Lea fragte zurück, warum sie ihr das mit dem Bad nicht schon gestern geraten habe. "Weil ich davon ausging, daß du nicht zum Riesenkraken ins Bett steigst", war die amüsierte Antwort. Lea grummelte für sich und schickte zurück, daß ihre Mutter ihr das ruhig schon früher hätte sagen können. Dann galt es wohl auch, in der Nähe der Vertrauensschüler zu bleiben, bis einer von denen mal dieses Badezimmer aufsuchte. Wenn sie einmal wußte, wo das war, konnte sie sich eben da waschen. Jetzt galt es erst eimal den Tag zu überstehen. Da heute Sonntag war würde der wohl nicht sonderlich interessant. Vielleicht würde ja einer der Vertrauensschüler das Bad aufsuchen.

Beim Frühstück schaffte sie es, hier mal ein Stück Wurst, da mal ein Stück Brot von den Tischen verschwinden zu lassen und immer schön in Bewegung zu bleiben. Dann folgte sie ihren Klassenkameradinnen unbemerkt und belauschte deren Gespräche, stand sogar einmal in Draco Malfoys Nähe, als der mit Crabbe und Goyle über die Registrierungskommission für Muggelstämmige lästerte.

"Indem die alle Schlammblüter nach Askaban schickt, ohne die gründlich auszuquetschen, wieso die zaubern können kriegt der dunkle Lord das auch nicht raus, woher die ihre Kräfte haben", grummelte Crabbe. Malfoy wandte ein:

"Die wollen erst einmal alle aus dem Verkehr ziehen, so schnell wie es geht. Dann sollen die warten und bei den Dementoren langsam sehr kleinlaut werden. Danach werden sie wohl alles verraten, nur um nicht mehr länger bei denen bleiben zu müssen. Mit Cruciatus kriegst du längst nicht alles raus."

"Wenn du mich fragst können die die Schlammblüter gleich beim Einsacken totfluchen und dann Drachen oder andere Biester damit füttern", grunzte Goyle. Crabbe lachte dümmlich. Draco Malfoy sah seine beiden Nachläufer kritisch an und schnarrte:

"Neh ist klar, Goyle, damit jeder Hirnie es merkt, wer wirklich im Ministerium das Sagen hat? Mann, wann lernst du eigentlich mal denken?"

"Ey, auch wenn er dir sein Zeichen gegeben hat muß ich mir von dir nich' alles bieten lassen, Draco", schnaubte Goyle und drohte mit der rechten Faust. Lea dachte schon, daß Dracos Kopf bestimmt von den Schultern brechen würde, wenn der klobige Goyle dem seine Pranke auf die Nase drosch.

"Goyle, du weißt genau, daß er will, daß ich hier mit Professor Snape und den Carrows aufpasse, daß alles in der Spur bleibt. Das mit der Porter gestern hat mir gezeigt, daß die mich hier brauchen", tönte Malfoy.

"Sagt wer?" Fragte Crabbe.

"Sagt er, sagt mein Vater und Tante Bellatrix sagt das Auch", fauchte Malfoy. "Pansy und ich sollen mit den anderen Vertrauensschülern aus Slytherin hier aufpassen. Vielleicht macht Professor Snape auch wieder die I-Truppe auf, die die Umbridge damals zusammengetrommelt hat. Dann könnt ihr mir ja wieder helfen."

"Stimmt, die kann Snape wieder aufmachen", pflichtete Crabbe seinem Vordenker bei. "Dann könnten wir der Porter und der Haffelschlaffen Hollingsworth wieder Punkte wegnehmen", erging sich Goyle in sadistischer Vorfreude. Lea mußte sich sehr beherrschen, nicht laut zu grummeln. Zwar war sie damals auch in diesem Verein dabei gewesen, aber eher, um zu sichern, daß die Umbridge keine wirklichen Gegner aus dem Verkehr ziehen konnte.

"Draco, Süßer, sollen wir zu Professor Snape und den fragen, ob der die V-Konferenz nicht schon heute macht?" Fragte die mopsgesichtige Pansy Parkinson ihren Klassenkameraden. Draco errötete leicht an den Ohren. Dann wandte er sich seiner Freundin zu und sagte:

"Hast recht, Pansy. Du bist ja Schulsprecherin."

"Und du nicht", dachte Lea gehässig. Wer immer die Schulsprecheraufgaben verteilt hatte wollte wohl doch mehr als einen Slytherin. So war es Michael Corner von den Ravenclaws geworden, was Draco sicher ziemlich zusetzte. Sollte es Lea interessieren, ob die Vertrauensschülerkonferenz heute schon stattfand? Sie wollte gerade weiterziehen, um an anderen Tischen im Gemeinschaftsraum zu lauschen, als Pansy noch sagte:

"Vor allem möchte ich Professor Snape fragen, wie das ging, daß die Drake nicht im Zug saß. Die war ja nicht im hinteren Wagen."

"Deren Mummy und Daddy sind mit der ganz bestimmt auch abgehauen, als der dunkle Lord an die Macht kam", lästerte Malfoy. "Aber nach Schwänzern wird ja schon wegen Potter, Weasley und der Granger gesucht. Wenn die noch in Großbritannien rumläuft, kriegen die die noch zu fassen. Wahrscheinlich kriegen die Dementoren die dann gleich."

"Wenn du wüßtest", dachte Lea schadenfroh. Dann befand sie, weiterzugehen und sich anzuhören, was die neuen Erstklässler so redeten. Die erzählten sich so, was sie hier zuerst wohl lernen würden. Einige konnten von ihren Eltern her schon einige Zauber und zeigten sie stolz. Dabei ließ der klapperdünne Charon Stabbins den Tisch durch die Gegend fliegen, an dem sie saßen. Das brachte die älteren gegen ihn auf. Draco kam herüber und schnauzte den Kleinen an, daß der nicht mit Sachen angeben sollte, die er noch nicht gescheit konnte und zog Slytherin wegen ihm zehn Punkte ab.

"Wenn's noch mal zehn oder mehr Punkte werden darfst du bei Professor Carrow nachsitzen, Kleiner. Also halt dich ja mit deinen halbausgegorenen Schwebezaubern zurück, bis Professor Flitwick euch den anständig erklärt hat!"

"Konnte ich wissen, daß die Tische hier so leicht durch die Gegend fliegen?" Begehrte Stabbins auf und straffte sich, was bei seiner kleinen und mickrigen Statur und den fast auf Schädeldeckenhöhe abgemähten schwarzen Haaren schon ziemlich komisch rüberkam.

"Das ist noch mal ein Punkt Abzug. Wenn du unserem Haus noch mehr Punkte verheizt gibt's richtigen Ärger. Also mach mich bloß nicht an! Ich bin Vertrauensschüler", erwiderte Malfoy. Stabbins nickte eingeschüchtert.

Lea verließ mit den Vertrauensschülern Slytherin und näherte sich Snapes neuem Reich. Als sie gerade hinter Parkinson und Malfoy durch die Tür wollte, fiel ihr dieses silberne Flackern auf, das gleich schnell umhersuchenden Armen zwischen den Wänden hin und herzuckte. Lea schaffte es gerade so, nicht in die Reichweite dieses Zaubers hineinzustolpern. Damit hätte sie doch rechnen müssen, daß Snape einen Meldezauber vor die Tür gesetzt hatte. Da nützte ihr also auch das Passwort für die Wasserspeier nichts. Snape hatte wohl aus purer Ironie den Namen Albus als Losungswort für die Tür genommen. Auch der Zauber, um durch feste Wände zu schlüpfen brachte ihr hier nichts, weil sie dafür trotzdem einen Moment lang dem Spürzauber ausgesetzt war, der für andere genauso unsichtbar war wie sie selbst gerade war. So blieb ihr nur, sich zurückzuzihen und ihrer Mutter zu mentiloquieren, daß sie wohl nicht in den Turm des Schulleiters eindringen konnte.

"Stimmt, Snape könnte es merkwürdig finden, wenn jemand seinen Türwächterzauber auslöst oder unterbricht", erwiderte Proserpina Drakes Gedankenstimme.

"Ich bleibe heute wohl in der Nähe meiner Klassenkameraden. Morgen früh gibt's die Stundenpläne. Dann sehe ich mal zu, was in der Woche läuft", schickte Lea zurück. Danach vertrieb sie sich den Tag mit herumstrolchen. Im Moment empfand sie die Heimlichkeit noch als sehr schön, weil sie in der Bibliothek oder unterwegs andere belauschen konnte. Einmal konnte sie die Carrows belauschen, die sich abfällig über die Hufflepuffs und Ravenclaws äußerten.

"Snape sollte die testen, ob die nicht zu blöd oder zu schlau für Hogwarts sind. Ich leg's nich' drauf an, mir von so'nem Eierkopf reinquatschen zu lassen, wie ich den Unterricht durchziehen soll", knurrte Amycus Carrow. Seine Schwester giggelte belustigt.

"Was machst du morgen denn in der ersten, Amycus?"

"Wenn Severus Snape mich richtig informiert hat sind da die Gryffindor-Zweitklässler fällig. Wird schon mal 'ne tolle Stunde, wenn diese Typen meinen, ihr Maul aufzureißen. Werde denen wohl den Strangelus-Fluch überziehen, um die mal richtig schlottern zu lassen. Dann kuschen die wohl sehr bald. Und wen hast du morgen zuerst?"

"Die ZAG-Klasse. Wird ein volles Haus, weil ich die aus allen Häusern im Raum hab. Danach werde ich wohl kübeln, vor lauter Schweißgestank", blaffte Alecto Carrow.

"Lass dich bloß nicht von diesen Besserwissern aus Burbages alter Klasse dummquatschen, Alecto! Krieg das in die rein, daß die alte Schachtel nur Drachenscheiße erzählt hat!"

"Denkst du, ich wäre ein Trollhirn?" Schnauzte Alecto Carrow. Ihr Bruder verneinte das natürlich. "Dann halt den Rand und lass mich mein Ding durchziehen. Die glauben bald nur noch, was stimmt und was der dunkle Lord für richtig hält, Amycus. Ich freue mich vor allem schon auf diese lockenköpfige Anziehpuppe Porter. Die war ja letztes Jahr bei den Froschfressern und Schneckenlutschern. Die soll mir da erst mal erzählen, was die bei denen in Muggelkunde gelernt hat."

"Wahrscheinlich den gleichen Rotz wie die Burbage ihn hier abgesondert hat", grollte Amycus Carrow.

"Na und wenn schon. Dann kann ich Ravenclaw gleich mehrere Dutzend Punkte abziehen, weil die meint, die hätte bei denen anständigen Unterricht gehabt", erwiderte Alecto vergnügt. "Vor allem kannst du der zeigen, daß diese alte Sabberhexe Faucon dir doch weit unterlegen ist, Amycus."

"Das eh", schnarrte ihr Bruder. Lea Drake mußte grinsen, was die Todesser-Geschwister nicht mitbekamen. "Spätestens wenn die Porter und die anderen mal richtig heftige Flüche abkriegen sollten die klarhaben, was nun hier abgeht. Bin mal gespannt, wie schnell die kuschen, wenn's darum geht, sich gegenseitig was aufzuhalsen.""

"Ich will noch in die Bibliothek, die Bücher über Muggelkunde durchsehen, ob ich da vielleicht doch was von empfehlen kann", knurrte Alecto.

"Gute Idee, sage der Pince, ich käme nachher auch noch, um der beizubringen, welche Bücher in der verbotenen Abteilung zu bleiben haben."

"Ihr seid so trolldoof", dachte Lea, als sie sich leise von den Carrows abgesetzt hatte. "Bringt den Leuten ruhig mal echt tolle Flüche bei, damit die sie mal gegen euch anbringen, wenn die merken, wo ihr zu packen seid!" Sie beschloß, sich morgen den ZAG-Unterricht Muggelkunde anzutun, um Alectos gesammelte Weisheiten zu genießen. Amycus Carrow würde sie sich dann wohl in der zweiten Stunde antun, egal, wen er dann hatte.

Den restlichen Sonntag brachte sie dann in der Bibliothek zu, wo sie es sehr begrüßte, daß Amycus zwanzig der sonst verbotenen Bücher in die allgemeine Abteilung rüberschaffen ließ. Allerdings durften diese Bücher nur in der Bibliothek gelesen werden, und Madam Pince sollte die Namen der Schüler und die Ausleihzeiten notieren. Lea schickte die Namen der freigegebenen Bände mentiloquistisch an ihre Mutter weiter, darunter auch das Buch "Schattenspiele der Elemente", in dem schwarzmagische Elementarzauber wie Witterwasser, der Nebel der Qualen und das Dämonsfeuer abgehandelt wurden. Wenn diese Bücher schon mal frei in der Bib lagen, würde sie sich auch mal damit befassen, beschloß Lea Drake.

Abends führte sie Pansy Parkinson ungewollt zum Vertrauensschülerbad. Dieses war nicht durch Meldezauber gesichert. "Süßwein!" Rief die Schulsprecherin und entschwand im Bad. Lea folgte ihr unsichtbar, bevor die Geheimtür wieder zuging. Sie sah Pansy jedoch nicht zu, wie sie sich entkleidete und in die schwimmbadgroße Marmorwanne kletterte. Sie studierte viel mehr die Einrichtungen, wie die bestimmt zwei Dutzend Wasserhähne, das große Bild mit der blonden Meerjungfrau an der Wand, die gelangweilt nach oben starrte, weil sie wohl keine Lust hatte, einem nackten Mädchen im Wasser zuzusehen. Lea fiel ein mintgrüner Wasserhahn auf. Irgendwie vermeinte sie, daß sich etwas kleines darin bewegte, das eine Mischung aus einer Hummel und einem Menschen sein mochte. Jetzt bekam das Etwas einen langen hals und lugte aus dem Wasserhahn, wobei der Kopf anwuchs und Lea den fast durchsichtigen Kopf der maulenden Myrte mit ihrer Brille auf der Nase erkannte. Der restliche Geisterkörper war wohl auf irgendeine Art verdichtet, um im engen Wasserhahn zu bleiben. Der Kopf schrumpfte wieder ein und zog sich in den Hahn zurück, worauf Myrtes verdichteter Geisterkörper ganz im Wasserhahn verschwand.

"Die spannt also, diese Jammergöre", dachte Lea. "Gut zu wissen, daß ich die aus dem Bad hier fernhalten muß, wenn ich drin bin." Sie mentiloquierte ihrer Mutter, daß sie das Bad gefunden hatte und wohl auf neugierige Geistermädchen aufpassen müsse.

"Okay, dann lies dir in der Bibliothek im Buch "Generelle Geisterkunde" durch, wie du dir namentlich bekannte Gespenster von einem Ort fernhalten kannst! Den haben wir ja nicht mehr einstudieren können."

"Geht klar, Mum", bestätigte Lea. Dann überließ sie Pansy Parkinson ihrer Privatsphäre, indem sie in dem Moment den Wanddurchdringungszauber wisperte, als Pansy den Kopf unter Wasser hatte. Die Meerjungfrau hob zwar für einen Moment den Kopf, konnte aber wohl nicht erkennen, ob da wer was gesagt hatte.

Wieder zurück im allgemeinen Teil des Schlosses suchte sie sich einen anderen Schlafplatz aus als die große Halle. Morgen würde sie den Unterricht der Neuen mitkriegen.

__________

Leas Mutter weckte sie am nächsten Morgen um sechs uhr. Noch hielt der Trank der Verborgenheit vor. Lea trank jedoch eine weitere große Dosis, um nicht irgendwann und irgendwo sichtbar zu werden. Dann suchte sie das Bad der Vertrauensschüler auf, wobei sie das Passwort nicht benutzte. Die Meerjungfrau schlief. Lea probierte diverse Wasserhähne aus und wählte einen, der ein relativ geruchloses Badeöl mit dem Wasser ins Becken ergoß. Dabei achtete sie darauf, nicht von der maulenden Myrte ausgespäht zu werden. Selbst wenn sie für Gespensteraugen vielleicht unsichtbar war würde dem frustrierten Geistermädchen sicher aufgehen, daß hier wer unsichtbar im Bad herumsaß. Entspannter und wesentlich besser gelaunt als gestern morgen entstieg Lea dem Bad und trocknete sich mit ihrem Spezialtuch ab.

Nach dem Frühstück, wo Lea es wieder einmal geschafft hatte, Brot, Wurst und andere Köstlichkeiten zu stiebitzen, folgte sie der kompletten ZAG-Klasse in den Raum für Muggelkunde. Sofort war zu sehen, daß hier nicht alle sitzen konnten. Als dann die neue Lehrerin aufkreuzte meinte sie sofort:

"So hocken nur Muggel zusammen in ihren lauten U-Bahnen oder den lärmigen Flugmaschinen, wie die Sardinen in der Dose. Wir machen sowas nicht. Ab heute findet der Unterricht im dritten Kerker statt. Da ist Platz für alle. Also los! Raus hier und mir nach!"

"Fängt schon mal gut an", dachte Lea, die sich tunlichst hinter den letzten Schülern hielt, um im Pulk nicht doch mit wem zusammenzustoßen. Sie hatte einmal mit ihren Eltern eine Flugzeugreise nach Tore Molinos in Spanien gemacht. Es stimmte schon, daß diese Düsenvögel wenig Platz hatten. Aber interessant war es doch, mal richtig weit hoch in der Luft zu fliegen, über den höchsten Wolken und bei klarer Sicht nach unten die Landschaft mal ganz anders zu sehen. Ihr war sogar aufgefallen, daß der Himmel über ihr etwas dunkler gefärbt war als der in Horizontnähe. Ihr Vater hatte es ihr so erklärt, daß sie ja zu einem drittel aus der Lufthülle um die Erde rausgestiegen seien, um beim schnellen Fliegen nicht zu viel von dem Treibzeug zu verheizen, mit dem die lauten Düsen liefen. Wenn sie noch weiter nach oben gestiegen wären, könnte der Himmel sogar so dunkel werden wie sonst bei der Abenddämmerung. Dann wäre es sehr imposant, den nach unten hin immer heller zu sehen, bevor er den Horizont erreichte. Der Muggelurlaub in Spanien war dagegen eher langweilig, weil ihre Mutter nicht zaubern durfte und außer Meer und alten arabischen Städten ringsum nichts wirklich interessantes geboten war.

Kerker drei war mal ein alter Zaubertrankklassenraum, wo in Hogwarts noch alle vier Gruppen aus derselben Jahrgangsstufe unterrichtet worden waren. Jetzt wurde der mit Spinnweben und zentimeterdickem Staub ausgeschmückte Raum ohne Fenster tatsächlich mal wieder gebraucht. an den Wänden waren verrußte Fackelhalter angebracht. Alecto beschwor ein Bündel frischer Fackeln herauf und ließ diese mit Zauberkraft in die Halter fliegen. eine wortlose Zauberei der neuen Lehrerin ließ alle Fackeln zeitgleich entflammen. Leise zischend unterlegten sie nun das Scharren und Tuscheln der vielen Schüler. Sie sollten sich auf lange, wurmstichige Bänke setzen. Die Mädchen protestierten, daß sie sich nicht in den alten Staub reinsetzen würden.

"Okay, dann macht die Bänke sauber, ihr verwöhnten Gören!" Schnarrte Professor Carrow. "Ä-äh, nicht mit Zauberkraft. Wir wollt ja wissen, wie die Muggel so klarkommen. Dann macht den Dreck auch so weg wie die!" Erwiderte Alecto Carrow und blickte die Mädchen sehr bedrohlich an, als diese ihre Zauberstäbe hervorholen wollten. Statt dessen ließ die Todesserin einen Stapel Putzlappen von der Decke regnen und kommandierte die Hollingsworths, in zwei Minuten Wasser zu holen. Ansonsten würde jede Minute Verzögerung Hufflepuff zehn Punkte kosten. Als die Zwillinge den Klassenraum verlassen hatten sagte Alecto Carrow sehr entschlossen:

"Ihr seht alle, wie das aussieht, wenn hier kein anständiger Sauberzauber durchgeht. Wunder mich zwar, daß die Hauselfen diesen Kerker nie putzen. Aber zumindest ist euch klar, wie dreckig es die Muggel haben, wenn die nicht jeden Tag mit ihren armseligen Haushaltsgerätschaften putzen. Und nun zur Gestaltung des Unterrichts ... Ja, bitte!" Einer von Bettys und Jennas Hauskameraden hatte sich gemeldet und fragte, ob sie mit dem Unterricht nicht warten möge, bis die beiden wieder da seien. "Papperlappapp! Dann wollen die Mädchen doch erst die Bänke und Tische putzen, damit sie nicht im Dreck hocken müssen. Außerdem heißt das doch, daß ihr in Hufflepuff so kameradschaftlich seid. Dann könnt ihr denen doch erzählen, was ich gesagt habe." Alle Hufflepuffs nickten resignierend. "Wer ist Gloria Porter?" Fragte Alecto dann überflüssigerweise. Gloria zeigte auf. "Gut, ich hörte sowas, daß du im letzten Schuljahr nicht in Hogwarts sondern Boxbattong gewesen bist. Daß du noch Englisch kannst habe ich ja im Zug hierher mitgekriegt. Aber was haben die dir bei den Franzen an Sachen zu den Muggeln beigebracht?" Gloria sah die Lehrerin sehr ruhig an und erklärte, was ein gewisser Professor Paximus ihr im letzten Jahr beigebracht hatte.

"Also nichts wirklich wichtiges", wischte Professor Carrow den kurzen Bericht fort. "Über die ganzen lächerlichen Versuche von denen, mehr zu können als mit Armen und Beinen drin ist hat dieser Typ es gehabt. Was git's da zu grinsen, Malone?"

"Nix wesentliches, professor Carrow", erwiderte Kevin belustigt. Offenbar amüsierte ihn wie Lea die Ausdrucksweise der neuen Lehrerin. Doch was sie dann tat war absolut nicht amüsant:

"Offenbar meinst du, daß ich hier nur was erzähle, damit halbe Hemden wie du ihren Spaß haben, wie. Dann fühl dich mal geehrt, deinen Mitschülern zu zeigen, was ich davon halte, wenn jemand meint, sich über mich lustig zu machen! Crucio!" Mit dem letzten Wort hatte sie den Zauberstab auf Kevin gerichtet, der noch versuchte, in Deckung zu springen. Da hatte ihn jedoch der Fluch schon erwischt und in die Luft geschleudert. Laut schreiend und um sich schlagend hing Kevin da und zuckte unter den wildesten Schmerzen. Eine halbe Minute lang hielt sie den Jungen in der Luft. Gloria und andere zückten bereits die Zauberstäbe, um die Todesserin zu stoppen. Auch Lea hielt ihren Stab in der Hand. Da sagte die fette Hexe am Lehrerpult:

"Versucht nur einer, mich dran zu hindern, diesem Rotzbengel oder sonst wem die verdiente Strafe zu verpassen ist für den oder die Hogwarts gelaufen. Draußen sind Dementoren. Die neuen Schulregeln sagen klar, daß jeder Angriff auf einen Lehrer den sofortigen Schulverweis und ein Jahr Askaban einbringt. Also kommt nicht auf komische Ideen! Klar? In jedem Klassenraum ist ein Meldezauber eingerichtet, der sofort Professor Snape alarmiert, wenn ein Lehrer angegriffen wurde. Also weg mit euren Zauberstäben!"

Das mit dem Meldezauber war glatt gelogen, erkannte Lea. Denn sie konnte keinen unsichtbaren Zauber welcher Art hier entdecken. Aber die Behauptung reichte wohl schon aus, mußte die unsichtbare Schülerin erkennen, als alle kampfbereiten Mitschüler ihre Zauberstäbe fortpackten. Kevin fiel auf den Boden, wimmernd und sich unter den Nachwirkungen des Folterfluches windend. "Grinst du mich noch mal so bescheuert an, Bürschchen, kriegst du zu dem Cruciatus noch einen besonderen Haarschnitt von mir ab", drohte Alecto und präsentierte ein silbernes Messer mit sehr dünner und wohl auch scharfer Klinge. Wer genau hinsah konnte die um die Klinge flirrende Luft und einen leichten Hauch Glutrot auf der Klinge wahrnehmen. Damit war jetzt auch dem dümmsten Schüler in der Klasse klar, daß Alecto Carrow äußerst brutal dreinschlagen würde, wenn ihr jemand dumm kam.

Die Hollingsworths kehrten mit heißem Wasser und Putzmittel zurück. Die Todesserin blickte auf ihre Uhr. "Eine Minute drüber. Zehn Punkte abzug für Hufflepuff. So, und in fünf Minuten habt ihr verwöhnten Gören die Bänke und Tische staubfrei. Sonst fliegen allen Häusern fünfzig Punkte in die obere Glashälfte zurück." Carol Ridges stellte sich vor Alecto und fragte, ob das auch für die Slytherins gelte. "Mädchen, bist du taub. Ich sagte alle Häuser. Dann heißt das auch alle Häuser."

"Da könnte Professor Snape was gegenhaben", wandte Calligula Scorpaenidus ein.

"Ich weiß, daß Slytherin ein ehrenwertes Haus ist. Ich war selber da. Aber von denen hat zu meiner Zeit keiner gewagt, einen Lehrer zu berichtigen. Crucio!" Zehn Sekunden lang schrie nun Calligula unter dem Folterfluch, bevor er wimmernd am Boden lag. Die Hollingsworths, die Kevins Folter ja nicht mitbekommen hatten, ließen fast den Eimer fallen. Professor Carrow wies die Zwillinge noch einmal darauf hin, daß sie keine Probleme hatte, ungezogene Schüler hart zu bestrafen. Dann sagte diese noch: "Ich hatte eure Auslandsjährige aus Ravenclaw gerade abgehört, was die in Frankreich so für wichtig im Fach Muggelkunde halten. Ihr habt nix verpaßt. Zumindest gilt das für diesen Bericht. Allerdings haben die, die in den letzten zwei Jahren dieses Fach besucht haben auch ihre ganze Zeit verplempert, weil die wohl ziemlich senile Ex-Professorin Burbage der fixen Idee anhing, die Muggelwelt als nette, zivilisierte und uns zumindest ebenbürtige Sache zu verkaufen. Das ist die absolut nicht. Allein schon der Umstand, daß wir alle mit einem stinkenden und rumpelnden Dampfzug nach Hogwarts gefahren werden, weil irgendwann mal wer gemeint hat, so'ne Errungenschaft der Muggel für die magische Welt einzukaufen, zeigt, daß wir im Bezug auf diese Geschöpfe neu lernen müssen. Früher war's üblich, daß die Schüler aus reinblütigen Familien per Flohpulver nach Hogwarts gebracht wurden. Die Schwachköpfe von damals, die meinten, auch Bälger von magielosen Leuten hier unterrichten zu müssen haben die mit Thestralen an langen Kutschen abgeholt. Hat ziemlich gedauert, bis die diese Schlammblüter alle hier reingekarrt haben. - Hast du was auszusetzen, Romilda?"

"Entschuldigung, Professor Carrow. Aber das Wort Schlammblut gilt als Beleidigung. Wenn Sie Muggelstämmige meinen, nennen Sie die auch bitte so!"

"In welchem Haus steht dein Bett, Mädchen?"

"Gryffindor", knurrte Romilda Vane. "Das sind mal eben fünfzig Punkte Abzug für Gryffindor. Außerdem hast du offenbar wasser in den Ohren vom Haarewaschen heute morgen. Was habe ich eben über Kritik am Lehrer gesagt? Crucio!" Romilda kämpfte sichtlich dagegen an, nicht wie Kevin oder Calligula zu schreien. Doch die unerträglichen Qualen des Cruciatus-Fluches waren stärker. Nach nur drei Sekunden schrie sie ihre Todesqualen in den steinernen Kerker hinaus. Zwanzig Sekunden lang unterlag sie dem Bann des Folterfluches. Doch damit war es noch nicht vorbei. Kaum hob die brutale Lehrerin den Fluch auf, ließ sie Romilda mit einem Bewegungszauber zu sich hinfliegen und zog das silberne Messer. "Maneto!" Knurrte sie. Dann griff sie der völlig bewegungslos gezauberten Schülerin entschlossen in das dunkle Haar und trennte es fast auf Höhe der Kopfhaut ab. Romilda verzog immer wieder das Gesicht vor Schmerz. Rote Stellen erschinen auf ihrer Kopfhaut. Dann hatte Alecto Romilda das seidenweiche Haar beinahe restlos abgesäbelt. Es stank nach verbranntem Horn.

"Wer noch mal meint, mir erzählen zu müssen, wie ich zu reden habe, kriegt auch so'ne Gratisfrisur von mir verpaßt. Nur damit das klar ist. Und diese Bälger sind und bleiben Schlammblüter. Die haben aus bisher nicht geklärten Gründen ein bißchen Zauberkraft von irgendwem anderem abbekommen und wollten damit unsere Welt verderben. Merkt euch das besser gleich, bevor ich hier noch mit härteren Strafen durchgreifen muß." Eisiges Schweigen erfüllte den Kerker. Romilda begann bitterlich zu weinen. "Heul nicht rum, du wehleidige Gans! Wer das Maul so weit aufreißt muß einstecken können."

"Daß ich dich fette Sabberhexe nicht gleich mal einstecken lasse", dachte Lea, die genauso entsetzt war wie die anderen auch. Sicher, sie hatte mit brutalen Aktionen der drei Todesser gerechnet. Aber daß Alecto Carrow ihre mangelnde Auffassungsgabe mit hemmungsloser Gewalt überspielte mußte auch Lea Drake erst einmal sortieren. Keiner wagte mehr was zu sagen oder einzuwenden. So ratterte Alecto Carrow ungehindert herunter, daß Muggel wegen der fehlenden Magie wie Tiere seien und es im Unterricht darum ging, ihre Eigenheiten zu erlernen, um sie sich möglichst weit vom Hals zu halten, wenn nicht geplant sei, sie wie Hauselfen abzurichten. Als sie merkte, daß sie wohl nur für sich sprach forderte sie verschiedene Leute auf, zu wiederholen, was sie gesagt hatte. Verängstigt bis gefühlskalt plapperten die aufgeforderten Schüler nach, was sie gesagt hatte. Somit verging die Stunde in einer total frostigen und bedrohlichen Atmosphäre. Und das war ja nur die erste Stunde in diesem Schuljahr. Lea war klar, daß jeder hier Muggelkunde hassen würde, sobald der Pausengong sie aus diesem Folterkerker erlöste. Dann war es endlich so weit. Die Schüler durften gehen. Lea überlegte, ob sie sich diese einfältige Foltermagd des Emporkömmlings noch eine Stunde länger antun sollte, um zu sehen, wie sie mit einer anderen Klasse umspringen würde. Doch sie befand, sich nach der Schwester nun den Bruder anzusehen. Wenn der mindestens so brutal vorging wie Alecto würde sie heute nicht das letzte Mal den Cruciatus-Fluch im Einsatz erleben, ahnte Lea.

Der Unterricht bei Amycus Carrow war erst einmal eine reine Wiederholungseinheit. Der neue Lehrer machte keinen Hehl daraus, daß er bedauerte, daß sein Vorgänger, Severus Snape, im letzten Jahr nicht alles rüberbringen durfte, was er konnte. Um zu zeigen, daß nur Erfolg hatte, wer auch bereit war, ohne Rücksicht vorzugehen halste er einem der Hufflepuff-Schüler aus der dritten Klasse den Furnunculus-Fluch ohne lautes Zauberwort auf. "Na, was hättest du dagegen zu bieten, Bürschchen?" Knurrte Carrow verächtlich, während im Gesicht des Betroffenen schmerzhaft große Geschwüre aufquollen. Sein Kamerad hob den Zauberstab und setzte schon mit einem Fluch an, als vor ihm bereits eine schwarze Wand aus dem Nichts entstand. "Densaugeo!" Rief der Schüler noch. Der Zahnlangziehfluch flog aus seinem Zauberstab, prallte metallisch klirrend von der magischen Trennwand vor ihm ab und schwirrte zu ihm zurück. keine Sekunde später schossen ihm immer länger werdende Schneidezähne aus dem Mund. Sie wuchsen mit einem unglaublichen Tempo und reichten ihm knapp zehn Sekunden später schon bis zum Bauchnabel. Erst auf Höhe der Oberschenkel kam der bösartige Wachstumsprozeß zum stillstand.

"Netter Versuch, würde ich mal sagen", lachte Amycus Carrow und winkte der schwarzen Wand zu, die laut pfeifend zusammenfiel und verschwand. "Der Schwarze Spiegel. Wer zu blöd oder zu übermütig ist, einen Fluch dagegen zu jagen, kriegt den fünfmal so stark wie er selbst ihn gebracht hat zurück. Kannst froh sein, daß du nicht den Eselsohrenfluch gegen mich loslassen wolltest. Dann mach dich ab zu eurer Heiltante, damit die dein Gebiß wieder repariert! Ich will hier keine Schüler haben, die mit Elefantenzähnen rumlaufen. Übrigens noch dreißig Punkte Abzug für Hufflepuff wegen grober Dummheit und Anmaßung dem Lehrer gegenüber. Und jetzt hau ab!"

"Sausack", dachte Lea, wobei sie tunlich darauf achtete, Carrow nicht in die Augen zu sehen. Vom schwarzen Spiegel hatte ihre Großtante Ursina auch was erzählt. Den konnten aber nur Leute, die keine Hemmungen hatten, andere leiden zu lassen. Daß Carrow den ungesagt und in einem Lidschlag aufbauen konnte war eindeutig bemerkenswert. Lea wußte aber, wie der Zauber zu brechen war. Da der Spiegel Flüche auf den Absender zurückwarf, brauchte man nur einen Heilzauber wie Episkye oder Injuriclausa dagegenzuschleudern, und schon zersprang dieser und zog seinem Errichtter eine Menge Kraft ab. Ob Carrow das seinen Schülern beibringen würde? Ob das in irgendwelchen Büchern stand? Bisher wußte Lea das nur von ihrer Großtante, die es wohl von einer anderen Schwester erfahren hatte. Angeblich habe die Französin Anthelia damals das probate Mittel gegen diesen sonst so trefflichen Rückprellfluch entwickelt, als sie gegen ihre Rivalin Sycorax Montague kämpfen mußte.

"So, bis euer langzähniger Held wiederkommt zeigt ihr mir mal, was ihr so noch könnt! Hähm, wo willst du denn hin, Friley?" Er deutete auf den vom Furnunculus-Fluch gezeichneten Schüler. "Willst wohl auch den Heile-heile-Segenzauber von Madam Pomfrey abholen, wie? Also kann den hier keiner? Schwach!" Er winkte mit dem Zauberstab und hob den Verunstaltungsfluch wieder auf. "Ich kann geben und nehmen. Das merkt ihr euch besser sofort. Und jetzt stellt euch zu Paaren auf, um ein paar Übungsduelle zu machen, damit ich rauskriege, wer wie gut und wie schnell ist."

"Wie geht dieser schwarze Spiegel?" Fragte Max Lamplighter, Frileys Kamerad.

"Der ist nur für die UTZ-Leute zu lernen, damit die draußen im Leben was damit anfangen können. Ihr würdet damit nur Unfug anstellen. Abgesehen davon kann man den nur ungesagt zaubern, und dazu seid ihr noch zu klein."

"So kann man das auch sagen", dachte Lea. Sicher würde er es keinem hier erlauben, diesen Zauber zu lernen, wer ihn nicht von woanders her schon konnte. Als seine Klasse anfing, sich gegenseitig mit niederen Flüchen zu beharken warf sich Lea in Deckung, um jedem Querschläger aus dem Weg zu bleiben. Dabei beobachtete sie, wie Carrow heimlich in die Duelle eingriff und dem einen oder anderen einen heftigeren Fluch überbriet, als sein Gegner wohl konnte, natürlich völlig ungesagt. Damit erreichte er, daß sich die Schüler gegenseitig vorwarfen, zu heftig gegeneinander vorzugehen und auch davor fürchteten, hinterrücks verflucht zu werden. Die sonst so weithin bekannte Kameradschaft der Hufflepuffs geriet ins wanken. Ärger kam in den Schülern auf, und das trieb sie dazu, noch wildere Attacken auszuführen, ließ sie aber auch leichter in Gegenschläge hineinstolpern. Am Ende vom Lied lagen alle Hufflepuffs der dritten Klasse mit Fluchmarken oder in unkontrollierten Bewegungen ruckend und zuckend auf dem Boden.

"Ihr müßt echt noch eine ganze Menge lernen", bemerkte Carrow triumphierend. "Wurde echt zeit, daß mal wer hier unterrichtet, der so einen Sauhaufen wie euch ordentlich rannimmt." Keiner konnte was dagegen sagen. Carrow verließ den Klassenraum. Lea stand eine Weile perplex da. Was sollte das jetzt? Fünf Minuten später tauchte Madam Pomfrey im Klassenzimmer auf und blickte besorgt auf die kampfunfähigen Schülerinnen und Schüler. Sie sagte jedoch kein Wort mehr als für die Heilzauber nötig war. Bei einigen stutzte sie, als sie mit ihren Diagnosezaubern die abbekommenen Flüche ermittelte.

"Bei allem Respekt vor jedem Lehrer, Professor Carrow, aber das sind Schüler der dritten Klasse. Die haben bestimmt noch nicht den Gegenzauber zum Permatremor-Fluch gelernt, geschweige den Fluch selbst."

"Ach, und wieso sollen welche sich den Ihrer Meinung nach eingehandelt haben?" Schnaubte Carrow.

"Weil jemand befand, ihn zur Demonstration anzuwenden wie den schwarzen Spiegel, den bis heute kein Lehrer im Unterricht benutzt hat, Sir", erwiderte die Heilerin sichtlich angespannt. Daß sie einen Professor Sir oder Madam nannte kam hier eigentlich gar nicht vor, wußte Lea. Also hatte Snape mit dem Folterduo bereits klargestellt, daß auch sie hier zu parieren hatte, mit welchem Mittel das auch immer möglich war. Lea erkannte, daß sie hier wohl nicht mehr mitkriegen würde und verließ den Klassenraum durch die offene Tür. Sie wollte zumindest noch die letzte Viertelstunde Verwandlung ihrer eigentlichen Klasse mitbekommen, allein um Professor McGonagall zu beobachten, wie sie mit der Umstellung hier zurechtkam.

Da sie mit ihrem Wanddurchdringungszauber nicht durch Türen aus Holz oder Metall gehen konnte, mußte sie nach dem leisen Sprechen der Zauberformel seitlich durch die schmale Wand rechts neben der Tür treten. Im Moment waren ihre Mitschüler dabei, Schnecken mit beschwörenden Worten und Zauberstabbewegungen zu irgendwas zu bringen. Melissa schaffte es gerade, eine Schnecke restlos aufzulösen. Also kam wirklich das Verschwindenlassen dran, wie ihre Mutter es für das ZAG-Jahr angekündigt hatte. Professor McGonagall beaufsichtigte die Slytherins und gab mal hier und mal da Ratschläge, wie der Verschwindezauber besser ausgeführt werden konnte. Lea fühlte jetzt erst, daß sie nur eine Zuschauerin war. War sie in Muggelkunde und bei Amycus' Carrows Stunde noch froh, nicht betroffen zu sein, merkte sie jetzt, daß sie sich nicht beteiligen konnte, was immer ihre Kameraden taten. Andererseits wußte sie aber auch, daß Mädchen wie Melissa und Carol sie nicht leiden konnten, weil sie als Halbblüterin nicht echt nach Slytherin gehörte, obwohl diese eingebildeten Hühner nicht wissen konnten, ob nicht schon Halbblüter in Slytherin waren, ja vielleicht nicht auch der eine oder andere Muggelstämmige vom alten Hut dort hingeschickt worden war. Hier in einer Verwandlungsstunde, wo sie gerne ihren Mitschülern vorgeführt hätte, daß sie trotz eines Muggel-Vaters mehr Zauberkräfte besaß als Dumpfbacken wie Calligula, stand sie nur da und sah zu. Professor McGonagall würde sie nicht fragen, ob sie den Verschwindenlasse-Zauber konnte oder nicht. Ebenso würde Flitwick sie nicht ermuntern, ihm was vorzuzaubern. Ja, ihre Mutter und ihre Großtante hatten sie gewarnt, daß ihr dieser betrübliche Gedanke kommen würde. Doch daß es schon in der zweiten Schulstunde war, hatte sie nicht erwartet.

"Gut, Ms. Ashton. Sie haben es nun wohl heraus", lobte Professor McGonagall die jüngste Vertrauensschülerin der Slytherins. Lea fühlte, wie dieses Kompliment der gewöhnlich sehr strengen Lehrerin ihr eine Last auf die Seele lud. Was hatte ihre Mutter noch vor einigen Tagen gesagt? Sie solle auch deshalb nach Hogwarts, um nicht im Lehrstoff zurückzufallen. Jetzt hockte sie unsichtbar in der Nähe der Klassenzimmertür und bekam mit, wie ihre Mitschüler von der stellvertretenden Schulleiterin angeleitet wurden, gute Verschwindezauber zu können. Wie sollte sie, Lea, den denn üben, wenn sie nicht gesehen werden durfte? Und was für Verwandlung galt traf auch auf Zauberkunst und Zaubertränke zu, neben Verteidigung gegen die dunklen Künste ihre besten Schulfächer, seitdem durch den Weggang von Julius Andrews ihre Möglichkeiten, in Kräuterkunde gut mitzuhalten nachgelassen hatten. Sie dachte daran, daß der jetzt schon wieder eine Woche in Beauxbatons umgebracht hatte, ohne von Umbridge oder den Marionetten des Emporkömmlings behelligt zu werden. Gloria hätte wohl auch die Chance gehabt, in Beauxbatons zu bleiben. Warum war die wieder in Hogwarts, wo Leute wie die Carrows und Snape sie wegen ihrer Freundschaft mit dem Muggelstämmigen schief ansahen? Sie hätte sie am liebsten gefragt. Aber eben das durfte sie nicht. Sie konnte eben nur zusehen, wie andere hier in Hogwarts klarkamen. Immerhin hatte sie die Carrows einmal belauschen können. Das würde sie wohl häufiger tun. Vielleicht bekam sie dabei mit, was der Emporkömmling vorhatte. Irgendwann wollte sie auch Lady Medeas Gemälde suchen, um die gemalte Hexe im roten Kleid als zusätzliche Verbindung zu nutzen. Doch dazu müßte sie vielleicht für einige Minuten sichtbar sein. Doch halt! Lady Medeas Bild in Rainbowlawn, ihrem Stammsitz, wußte doch von dem Plan. So brauchte sie nur vor das Bild zu treten und sie anzusprechen.

Während sie über ihre weiteren Schritte sinnierte, wäre sie fast von Professor McGonagall umgerannt worden. Denn Calligula Scorpaenidus hatte es geschafft, seine Versuchsschnecke nicht nur nicht verschwinden zu lassen, sondern wie einen Ballon aufzublasen, so daß das Weichtier mit dem Kalkhäuschen die Größe eines Schweines erreichte und auf einer silbrigen Schleimspur auf dem Boden dahinkroch, den Kopf zum Fenster gerichtet.

"Vanesco vivum, Mr. Scorpaenidus, nicht Engorgio oder augmento!" Schnarrte Professor McGonagall, während die aufgeblasene Schnecke unvermittelt zu einer pulsierenden Masse zerlief, die mit unappetitlichem Schmatzer in vier Klumpen zerfiel, die sich in vier kleinere Schnecken verwandelten.

"Jau, eine Schneckenvervielfältigung", kommentierte Carol Ridges. "Wie hast du die denn hingekriegt."

"Schnauze!" Blaffte Scorpaenidus. Professor McGonagall räusperte sich vernehmlich und fauchte:

"Wer hat Ihnen erlaubt, irgendwas zu äußern, Ms. Ridges? Und was fällt Ihnen ein, derartige Ausdrücke in meinem Unterricht zu gebrauchen, Scorpaenidus? Wegen Ihnen beiden muß ich Slytherin zwanzig Punkte abziehen. Seien Sie froh, daß ich noch keine Strafarbeiten verhänge. Den neuen Schulregeln nach würden Sie beide dann von Direktor Snape persönlich zu einer bestimmten Arbeit oder Zusatzleistung angehalten. Aber noch mal derartige Verbalentgleisungen, Mr. Scorpaenidus, und Sie werden Ihren Mitschülern erklären müssen, weshalb Slytherin Ihretwegen mehr als zwanzig Punkte einbüßt. Bewahren Sie bloß Ihre Selbstbeherrschung, sofern Sie weiterhin meinem Unterricht folgen wollen!"

"Professor Snape wird uns schon nicht zu heftigen Sachen verdonnern", tönte Calligula. Doch Carol war sich da nicht so sicher. Längst nicht alle Slytherins standen sich mit den neuen Machthabern supergut. Schweigen breitete sich aus, während Professor McGonagall die vier neuen Schnecken verschwinden ließ.

Als die Glocke zur Pause läutete mußte Lea sich fest an die Wand drücken, um von den hinauslaufenden Slytherins nicht angestoßen zu werden. Professor McGonagall begleitete die Schüler auf den Gang. Lea bekam mit, wie die Tür von außen geschlossen und versperrt wurde. Doch das war ihr egal. Sie konnte einfach durch die Wand in den Gang hinaus. Sie lauschte und wirkte noch einmal den Mauerndurchdringungszauber. Diesmal meinte sie jedoch, daß die Wand nicht wie Luft sondern wie Götterspeise war, durch die sie fast nicht mehr hindurchgelangte. Ihre Kräfte ließen nach. Sie mußte sich das mit dem Betreten von Räumen anders einteilen. Doch zunächst wollte sie sich ihren Klassenkameraden anschließen, um mit denen die nächste Stunde zu verbringen. Zumindest diese Schulwoche wollte sie erst bei ihren Hauskameraden bleiben, bevor sie sich in anderen Klassen umsehen würde.

Die Trübsal, sich an nichts beteiligen zu können, überfiel sie erneut, als sie nach dem Mittagessen Mitschüler belauschte, die sich über Sprouts Kräuterkundeunterricht unterhielten. Außerdem ging das Gerücht um, daß der Halbriese Hagrid von Snape einbestellt worden war, um was wichtiges mit dem zu klären. Mochte es sein, daß sie Dumbledores treuen Gefährten jetzt schon rauswarfen, wie die Umbridge es damals getan hatte? Immerhin stand Hagrid dem Phönixorden nahe, und würde wohl bald unliebsame Fragen auf sich ziehen.

Abends fand sie eine Hufflepuff-Erstklässlerin vor, die wie Romilda Vane keine Haare mehr auf dem Kopf und statt dessen blutrote Brandwunden trug. Sie wirkte total betrübt. Also hatte die Carrow ihre grausame Haarschnneidestrafe auch an anderen Leuten angewendet. Offenbar konnte die fette Todesserin es nicht ab, wenn ein Mädchen schöneres Haar als sie selbst hatte. Als sie um zehn Uhr einen letzten Rundgang außerhalb des Schlosses machte, um genug frische Luft für einen erholsamen Schlaf einzusaugen, ertappte sie Seamus Finnigan, wie er, gedeckt von Neville Longbottom und Ernie McMillan aus der UTZ-Klasse mit magischer Sprühfarbe eine leuchtende Botschaft an die Mauer schrieb. DUMBLEDORES ARMEE SUCHT MITGLIEDER! INTERESSENTEN SCHICKEN EULE AN LEITER DA!

"Soso, Dumbledores Armee soll wieder entstehen. Das wird bestimmt interessant", dachte Lea.

"Achtung!" Zischte Ernie. Sofort liefen die drei Jungen in unterschiedliche Richtungen fort. Da tauchte Mrs. Norris, Hausmeister Filches Katze auf und fauchte verhalten, als ihre gelben Augen die grünliche Leuchtschrift an der Wand sahen. Lea war sich sicher, daß Filch gleich wild keuchend wie die Hogwarts-Express-Lokomotive um die Ecke kommen und den Aufruf zur Kenntnis nehmen würde. Womöglich würde der Squib sofort versuchen, die Botschaft zu verwischen. Doch wenn das Weasleys widerstandsfähige Wandfarbe war, würde der Nullzauberer ziemlich blöd dabei aussehen. Lea hatte diese magische Sprühfarbe im Laden der auf Streiche abonierten Zwillingen gesehen. Die Farbe konnte nur mit einer von ihnen mitgelieferten Tinktur wieder gelöst werden, verhießen sie. Offenbar hatten sie sich die fragwürdigen Farbspuren von Muggeln angesehen, die diese Art von Darstellung Graphity nannten.

Filch schnaufte heran. Der Hausmeister mit der eingebauten schlechten Laune schimpfte, als er die angesprühte Botschaft sah und rückte ihr sofort mit Schrubbern und Reinigungsmitteln zu Leibe. Doch selbst Mrs. Scours magischer Allzweckreiniger versagte laut brodelnd und Funken sprühend an Seamus' Aufruf. "Wenn ich die Schmierfinken erwische, die das da hingeschrieben haben, ziehe ich denen die neunschwänzige Katze und den Knüppel über Rücken und Hintern", krakehlte Filch, als die angesprühte Botschaft sich fröhlich funkelnd kurz reckte wie ein erwachender Mensch und dann wieder richtig leuchtete. Lea mußte sich den Mund zu halten, um nicht laut loszulachen, als Filch weiter mit magischen und nichtmagischen Reinigungsmethoden gegen die Leuchtschrift kämpfte, die sich einmal wie vor Lachen schüttelte und dann wieder blaue und rote Funken versprühte, bevor sie wieder in voller Pracht erstrahlte. Lea fühlte, wie ihr Voldimeter anschlug. Von hinten kam ein Todesser. Sie wich von der Wand zurück und wandte sich um. Da tauchte Amycus Carrow auf. Er sah die Leuchtschrift und schnarrte: "Welche Schweine haben das gemacht, Filch?"

"Will ich auch wissen", schnarrte Filch sehr verärgert. "Dumbledores Armee? Wer soll das sein?" Blaffte Carrow.

"Soll vor zwei Jahren eine Bande um Harry Potter gewesen sein, die gegen Umbridges Unterricht gewesen ist", erwiderte Filch.

"Die Schmiererei muß da weg, Filch. Sonst gibt's Krach mit dem Direktor, klar?"

"Ich bin schon seit 'ner Zeit dran, diese Sauerei wegzuputzen", schnarrte Filch. "Geht aber nicht."

"Dann putzen wir eben die Wand weg, wo das draufsteht", blaffte Carrow und hielt seinen zauberstab auf die solide Wand des Schlosses gerichtet. Ein grünliches Flimmern ging von dem Stab aus und fraß sich behutsam in die Mauer, genau wo die Leuchtschrift stand. Diese ruckte, zuckte und blitzte grün, gelb und blau auf. Doch das Stück Wand, auf dem sie stand, zerfiel, ohne die Wand völlig zu durchstoßen. Als auch das letzte zeichen zerfallen war, klaffte eine rechteckige Nische in der Wand. Carrow grinste dümmlich. "Na, Filch, den können Sie wohl nicht, was? Ich mach die Wand wieder zu. Die Schmiererei ist jedenfalls komplett ausradiert, und das ganz wörtlich. Ätsch!" Mit einem Zauber, der Gestein verformen und zum Nachwachsen bringen konnte, stellte Carrow die Wand wieder so her, wie sie vor einigen Minuten noch gewesen war.

"Wenn Sie noch so'ne Sauerei finden, rufen Sie mich schnell, bevor wer den Kram liest!"

"Ich melde das an Professor Snape weiter", knurrte Filch.

"Mach ich schon. Wollte eh gerade zu dem hin", brummelte Carrow. Filch bestand darauf, ihn zu begleiten. Lea war sich sicher, in Carrows Gesicht einen kurzen Anflug von Verärgerung gesehen zu haben. Doch dann verließen er und der Hausmeister diesen Ort.

"Müßte ich den Zwillingen schreiben, daß der Aushöhlzauber ihre Farbe überwinden kann", dachte Lea. "Wäre bestimmt ein Heidenspaß, wenn die eine verbesserte Mischung rausbringen, die sich damit nicht mehr wegbröseln läßt."

Lea suchte gegen zehn noch einmal die Toilette auf und schlich durch die Korridore, immer auf der Hut vor Mrs. Norris, Filch, irgendwelchen Meldezaubern oder patrouillierenden Lehrern oder Todessern. Immerhin hatte Snape keinen Dementor in die Schule reingelassen, stellte Lea fest. An und für sich hätte sie dem zugetraut, die unheimlichen Kreaturen des Emporkömmlings einzuladen, nach zehn Uhr die Gänge zu besetzen, um keinen mehr aus den Häusern rauszulassen.

"Buuuuh!" heulte eine bedrohliche Stimme, als Lea um eine Ecke bog und die fette Furie Carrow sah, wie sie gerade zusammenschrak. Von innen her bläulich leuchtend sauste ein kleiner Mann mit Glockenhut und Fliege über Alecto Carrow hinweg, die sofort nach ihrem Schrecken "Discovobscuro!" Rief. Lea ließ sich fallen. Keine Sekunde zu früh. Denn schon schlug der Zauber der Enthüllung über sie weg. Sie wußte nicht, wie der ihr zusetzte. Peeves jedenfalls giggelte verächtlich von wo anders. Sie konnte den Poltergeist sehen, wie er einen halben Salto schlug und Alecto keck in die Nase kniff. Diese versuchte, ihn wieder mit dem Enthüllungszauber zu treffen. Doch Peeves schwirrte einmal laut lachend um sie herum, zog an ihren struweligen Haaren und disapparierte wie ein Hauself. Offenbar konnte sie auch unsichtbare Geisterwesen wie Peeves sehen. Das gab ihr die verwegene Idee ein, den irgendwann mal richtig zu erschrecken, wenn sie ungefähr wußte, ob ihr Kundschafterauftrag erfüllt war. Denn vorher durfte sie selbst Peeves nicht darauf stoßen, daß da noch wer war.

"Ich krieg dich, Peeves! Ich krieg dich und zerfluch dich zu stinkendem Nebel!" Kreischte die Carrow, bevor sie in die Richtung davonstürmte, in der sie den Poltergeist zuletzt gehört hatte.

"Wenn es nach mir geht kann dieser Chaosdämon der Carrow im Laufen die Klamotten vom Leib reißen und die raus in die Kälte jagen", dachte Lea und setzte ihren heimlichen Rundgang durch das Schloß fort, um die Lage von Spür- und Meldezaubern zu erkunden. Doch nur vor dem Schulleiterturm befand sich einer. Die Todesser fühlten sich wohl ziemlich sicher. Klar, niemand konnte hier hereinapparieren. Und um das Gelände herum hatten sich zwanzig Dementoren hingesetzt wie Katzen vor Mauselöchern oder schwebten auf Höhe der Astronomieturmspitze knapp außerhalb der Begrenzung. Snape hatte keinen von denen auf das Gelände selbst gelassen. Ob das dem Meister dieser Monster passen mochte, sie derartig einzuschränken? Diese Frage konnte Lea erst einmal nicht beantworten. Außerdem war sie müde. Sie beschloß, noch einen Rundgang durch das Schloß zu machen und sich dann in der Kammer neben der großen Halle hinzulegen. Diese Kammer konnte sie mit einem Verriegelungszauber versperren und da wohl die nächsten Nächte sicher schlafen. Zudem errichtete sie einige Warnzauber, die auf die große Halle gerichtet waren. Morgen nach dem Unterricht würde sie Lady Medeas Bild aufsuchen und sich mit ihm über das weitere Vorgehen beraten. Dieses Vorhaben verdrängte die Trübsal, in diesem Schloß nur hilflose Zuschauerin zu sein. Sie hoffte auch, daß dieser Anflug von Einsamkeit, den sie empfunden hatte, schnell vergehen würde. Denn sonst würde sie hier ziemlich viel Stress haben.

_________

Peter Grinder von der My-Truppe straffte sich, als ein hochgewachsener Mann mit mittelblondem Scheitel, stahlblauen Augen und einer schlanken Nase im Gesicht das geräumige Büro betrat. Es handelte sich um den amtierenden Zaubereiminister Lucas Wishbone. Dieser trug einen mitternachtsblauen Samtumhang. Auf seiner Schulter hockte eine schwarz-goldene Katze, die, so vermeinte Grinder zu erkennen, dieselben stahlblauen Augen besaß wie der Minister. Grinder tippte sich an den schwarzen Zaubererhut, den er zum dunkelgrünen Umhang gewählt hatte. Sein vorne kurz und hinten lang belassenes graublondes Haar war sorgfältig gestriegelt. Er blickte mit seinen grauen Augen skeptisch auf die Katze auf Wishbones rechter Schulter. Das war eine ganz ordinäre Hauskatze, kein Kniesel oder Halbkniesel. Doch er verabscheute Haustiere. Die machten Dreck, verlangten Aufmerksamkeit und sowas wie Zuneigung. Dafür war Grinder nicht gemacht.

"Mißfällt ihnen was an Reny?" Fragte Wishbone seinen Besucher, nachdem er diesen gebeten hatte, sich auf den Besucherstuhl zu setzen. Grinder blickte die Katze wieder an, die leicht angespannt zurückblickte.

"Ich bin es nicht gewöhnt, daß ein amtierender Zaubereiminister Haustiere hat, Sir. Meine Schuld."

"O natürlich", erwiderte der Minister. Er drehte sich vorsichtig, um die auf seinen Schultern hockende Katze zu animieren, herunterzuspringen. Doch diese blieb stur sitzen. "Sie ist ein sehr anhängliches Mädchen", lachte der Minister leicht verlegen und führte seine Hand vorsichtig zum Rücken der Katze. "Reny, braves Mädchen! Leg dich auf dein Kissen!" Befahl er mit sanfter Stimme und machte ein schmatzendes Geräusch, als küsse er die reine Luft. Die Katze gab ein leicht ungehaltenes Maunzen von sich und blieb sitzen. "Haben mir schon viele gesagt, daß sie auf mich fliege wie die Wespen auf die Marmelade", sagte der Minister scherzhaft. Er griff so behutsam wie er konnte nach seinem Haustier. Dieses gab ein ziemlich ungehaltenes Fauchen von sich, als er es von der Schulter pflückte und aus dem Büro hinaustrug.

"Deshalb schaff ich mir so'n Pelzball und Flohfänger gar nicht erst an", grummelte Grinder für sich. Als der Minister nach einer Viertelminute zurückkehrte und sich entschuldigte, daß er wegen Reny Grinders wertvolle Zeit vertan hatte forderte er ihn auf, zu berichten.

"Minister Wishbone, ich fürchte, wir haben ein größeres Problem als das mit der Vampirin Nyx und den Mördern der Stratons", sagte Grinder. "Ich wollte Ihnen nur nicht die Nacht verderben und deshalb erst zu Ihnen kommen, wenn meine Leute mehr wissen. Es steht zu befürchten, daß jemand in den Staaten Slytherins und Sardonias Insektenmonster nachzüchtet und bereits Erfolg hatte. Ich bin gestern mit der vierten Einheit in Texas hinter wem her gewesen, der oder die siebenmal einen uns unbekannten zauber gewirkt hat und dann auf einer gigantischen Kreuzung aus Biene und Mensch wegflog. Meine Einheit geriet in eine Falle. zehn Mann sind dabei gestorben. Ich befürchte nun, daß jemand diese Kreaturen erfolgreich nachzüchten konnte. Schließlich wurde um Ostern herum gemeldet, daß diese Biester in Frankreich wieder aufgetaucht und später in Rußland gegen Bokanowski eingesetzt worden sind."

"Peter, eine bescheidene Frage", setzte der Minister an, der erst geschockt und dann verärgert dreinschaute: "Wenn Sie derartige Schlüsse ziehen und belegen können, warum erhalte ich dann erst jetzt eine Meldung von Ihnen? Wenn hier Entomanthropen auftauchen, auf die die Beschreibung paßt, die aus den alten Aufzeichnungen stammt, gibt das eine Katastrophe. Allein die Sichtung dieser Biester würde eine Panik auslösen, ja das Vertrauen in die Sicherheit der Zaubererwelt erschüttern! Denken Sie, Sie und ich könnten uns dann noch länger halten, wo wir gerade die magische Gemeinschaft davon überzeugt haben, durch die Abschottung nach außen keine gefährlichen Kreaturen und Personen mehr ins Land reinzulassen?!"

"Sir, ich weiß genau, daß Sie mir und allen anderen Beamten aufgetragen haben, Sie nur dann zu alarmieren, wenn eine unmittelbare Gefahr eintritt. Ich bin fest davon überzeugt, den Urheber bei nächster Gelegenheit zu stellen."

"So, und dann können zehn der hundertzwanzig am besten ausgebildeten Inobskuratoren in eine Falle reinrennen und sterben? Was für eine tödliche Falle war das denn?" Entrüstete sich der Minister. Grinder erklärte es ihm. "Also eine Flammensphäre. Gekoppelt mit den Zeitungsmeldungen im Zusammenhang mit dem Succubus, den Entomanthropen und Bokanowski bedeutet das nichts anderes, als daß eine fanatische Hexe, die meint, das dunkle Erbe der Tyrannin Sardonia übernommen zu haben, jetzt denkt, hier in den Staaten, in unserem Hoheitsgebiet, ihr Unwesen treiben zu dürfen. Wozu, so frage ich Sie nun, habe ich Sie mit der Leitung der Sonderabteilung My beauftragt, um gerade derartige Gefahrenquellen zu eliminieren, wenn Sie erstens zulassen, daß zehn Ihrer Leute bei einer Aktion in eine erkennbare Falle reinrasseln und zweitens alle deutlichen Hinweise auf eine solche Fanatikerin übersehen werden? Ich habe mit der klaren Aussage dieses Amt angetreten, die Feinde innerhalb unserer Grenzen zu jagen und die äußeren Feinde wirkungsvoll an Infiltrationen und Angriffen zu hindern. Sie hätten Ihre Leute besser instruieren können, Peter. Sie hätten bei der Ihnen klar ersichtlichen Gefahrenlage den Einsatz des tödlichen Fluches befehlen sollen. Ich habe Ihnen doch bereits erlaubt, bei klaren Hinweisen auf eine Gefährdung der Zaubererwelt der Kategorie vier und fünf alle bekannten Mittel einzusetzen, um die Gefahr zu beseitigen. Oder brauchen Sie echt eine Generalvollmacht zur Benutzung aller bekannten Mittel?"

"Genau darum wolte ich Sie bitten, Sir. Die zwischen Ihnen und mir getroffene Absprache steht auf ziemlich wackligen Füßen, was das Gesetz angeht. Sollte ich nämlich darauf aufbauend die Tötung einer Person, Magier oder Muggel, veranlassen, könnte mir jedes Zauberergericht verbotene Eigenmacht in Tateinheit mit Verwendung der gesetzlich geächteten Flüche zur Last legen. Ich brauche eine schriftliche Bestätigung von Ihnen, daß meine Abteilung und ich autorisiert sind, alle bekannten Zauber einschließlich der drei geächteten Flüche anzuwenden, um eine von uns erkannte Gefahr der Kategorien über drei zu beseitigen und im Zweifel auch berechtigt sind, bei einem Kampf mit dunklen Magiern oder Hexen den Finalen Todesfluch anzuwenden, wenn die Subjekte zu entkommen drohen oder bei ihrem Überleben ein unverzeihliches Unheil über die magische Gemeinschaft bringen. Ich verstehe es auch nicht, daß Sie Cartridges Rücknahme der Vampirbekämpfungsrichtlinien nicht wieder aufgehoben haben. Denn diese Nyx ist immer noch frei, und mit dieser Fanatikerin, die nun auch Entomanthropen erzeugen kann, kommen wir ohne die drei mächtigsten Flüche der hwestlichen Zaubererwelt nicht klar. Außerdem, und da haben Sie mir und der offiziellen Inobskuratorenzentrale ja schon entsprechende Schritte signalisiert, brauchen wir die ministerielle Genehmigung, verdächtige Hexen und Zauberer ohne eindeutigen Hinweis auf Straftaten festzunehmen und ohne Limitierung in Haft zu halten. Ich darf Sie zitieren, daß es unsere patriotische Pflicht sei, unsere magischen und nichtmagischen Mitbürger vor böswilligen Subjekten zu schützen, die der Welt die Entscheidung aufnötigen wollen, sich zu unterwerfen oder ihre Zerstörung zu erwarten. Deshalb bin ich jetzt erst hier, Herr Minister, weil ich Ihnen diese Entscheidung erst dann abbitten wollte, nachdem Sie ausgeschlafen haben. Natürlich sind meine Leute bereits dabei, die Spur der Entomanthropenkönigin zu verfolgen, um sie gegebenenfalls zu terminieren. Was ihre Erzeugerin angeht, so brauche ich die endgültige Freigabe von Ihnen."

"Sie erwarten also von mir, daß ich die humanen Zaubereigesetze, deren Schutz und Sinn ignoriere und Ihnen schriftlich jene Lizenz zur Beseitigung gemeingefährlicher Subjekte ausstelle?" Wandte sich der Minister an Grinder. Dieser nickte entschlossen.

"Soweit ich weiß existieren in vielen Muggelstaaten geheime Anweisungen, die geheimen Diensten die Beseitigung potentieller oder offenbarter Gefahren erlauben, auch wenn dabei gegen die zivilen Gesetze verstoßen werden muß. Diese Gesetze dürfen nicht zur Fessel für effektive Sicherheitsmaßnahmen werden. Unsere Abteilung ist geheim. Ich bin nur Ihnen gegenüber Rechenschaft schuldig und nur an Ihre direkten Weisungen gebunden, ohne mich vor anderen verantworten zu müssen, Sir. Also stellen Sie mir bitte die nötigen Befehle aus, damit ich meine Leute freier handeln lassen kann."

"Ich wußte, daß dieser Tag kurz bevorsteht", grummelte der Minister. "Ich habe ja auch laut genug nach strengeren Sicherheitsvorkehrungen gerufen. Dann muß ich wohl auch dazu stehen." Er griff nach einem smaragdgrünen Tintenfass und einer weißen Adlerfeder. Dann beschrieb er ein blankes Stück Pergament und unterzeichnete es dann noch. Dann drückte er dem Pergament einen signalroten Stempel mit dem Kürzel G8 auf. "Zitieren Sie Ihre vier Unterführer zu mir, Peter." Peter Grinder nickte und holte jenes goldene Röhrchen heraus, mit dem er seine Einheit gestern zum Rückzug aufgefordert hatte. Er tippte es mit dem Zauberstab an einem Ende an und sprach hinein: "Alle Chefs der Einheiten eins bis vier zum Büro des Ministers!" Indes las Wishbone eine Mitgliederliste und rief in den Raum: "Nachricht an Vorzimmer: Die Herren Wilson Dodge, Raymond Mase, Terence O'Sullivan und Justin Spikes werden bei ihrer Ankunft sofort zu mir durchgelassen!"

Es vergingen keine zwei Minuten, da erschienen die vier einbestellten Zauberer in zivilen Umhängen. Der Minister schloß die Tür und vergewisserte sich, das der dauerhafte Klangkerker auch weiter vorhielt. Dann unterrichtete er persönlich die vier Unterführer und befahl ihnen, in der Spalte "Unterschrift des betrauten" zu unterschreiben, wo Grinder als erster seinen Namenszug auf dem Pergament hinterlassen hatte.

"Bekommen wir davon Kopien, um unsere Leute zu beruhigen, daß Sie uns diese Erlaubnis erteilt haben?" Wollte Terry O'Sullivan wissen. Der Minister verzog das Gesicht und deutete auf den Stempel auf dem Pergament.

"Da Sie die gemäß G8-Status vorgeschriebene Kenntnisnahme unterschrieben haben dürfen Sie für sich und ihre Stellvertreter je eine Kopie erhalten. Da Sie alle wissen, daß gemäß der Bestimmung der Geheimhaltungsstufe acht nur die von mir als unter dieser Stufe einggeordneten Personen informiert werden dürfen. Ich verfertige also jetzt zehn Kopien. Das Original verbleibt bei mir", erwähnte der Minister und führte den Multiplicus-Zauber durch. Danach entließ er die Führer der vier My-Einheiten und erwiderte noch einmal, daß er von nun an vordringlich diese Entomanthropen und ihre Schöpfer jagen sollte. "Sie erhalten demnächst noch eine Liste mit Namen, die im Zusammenhang mit obskuren Gruppierungen stehen. Es könnte sein, daß diese Hexe Helferinnen hat, die wissen, wo sie sich befindet. Womöglich werden wir bald eine gründliche Befragung aller Hexen durchführen müssen, ob sie Mitglieder einer Schwesternschaft sind, die in heimlicher oder offener Opposition zum Zaubereiministerium steht. Ich fürchte, meine Vorgänger haben diese sogenannten Verschwiegenen zu lange geduldet, weil sie dachten, von diesen auch Loyalität erwarten zu können. Allerdings müssen wir verdammt aufpassen, keinen schlafenden Drachen aufzuwecken. Deshalb können wir diese Befragung nicht offen und breitgefächert durchführen, wenn Sie verstehen."

"Ganz meine Meinung, Sir", stimmte Grinder zu. "Dann warte ich auf Ihre weiteren Anweisungen."

"Sie sollen nicht warten, sondern gegen dieses Subjekt vorgehen, daß diesen Entomanthropen erschaffen hat, bevor dieses Monstrum womöglich Nachkommen ausbrütet und wir dann tausende von diesen Biestern über uns herumsurren haben. Denn wenn das passiert, Mr. Grinder, und die magische Gemeinschaft meinen Rücktritt erzwingt, nehme ich jeden mit, der mir das eingebrockt hat. Ich denke, Sie haben mich verstanden", stellte der Minister sehr eindeutig fest. Grinder bestätigte es. Dann verließ er das Büro.

"Wenn ich eine Handhabe kriege, diese Bande auszuheben, kriege ich das auch hin, das Abkommen von 1945 zurückzunehmen", dachte der Minister. Dann fragte er in den Raum hinein: "Weitere Termine?"

"Um Zehn Uhr Treffen mit Finanzabteilungsleiter Dime zur Erörterung des Wechselkurses zwischen Muggelwährung und Zauberergold an Hand von Muggeln gehorteter Goldreserven", erwiderte eine weiblich modulierte Stimme aus dem Nichts heraus, die von allen Seiten zugleich zu kommen schien. "Danach Mittagessen. Vierzehn Uhr Besprechung mit Handelsabteilungsleiter Lemmonbroker, Thema: Veränderung der Handelsbeziehungen mit Europa. Anschließend Treffen mit den einzuschwörenden Mitarbeitern der Abteilung für magische Strafverfolgung. Keine weiteren festen Termine."

"Mehr als genug", grummelte der Minister. Dime und Lemmonbroker hatten ihn schon seit seinem Amtsantritt damit genervt, daß eine vollständige Abschottung gegenüber der übrigen Zaubererwelt mehr Ärger als Sicherheit einbringen würde. Womöglich würden die beiden ihm damit kommen, daß bereits die ersten Geschäftsleute um ihre Existenz bangten. Dime hatte Wishbone gewarnt, sich nicht in die Wertschöpfungsautonomie der Kobolde einzumischen, nur weil die zehn Verliese des Ministeriums langsam einen kritischen Leerstand erreichten. Wishbone wollte es hinbiegen, von den Muggeln Gold einzukaufen, um damit den Wert der Galleone zu senken und damit auch den Schuldenstand des Ministeriums zu verringern. Darum sollte es dann noch gehen. Womöglich würde er den Leiter des Koboldverbindungsbüros dazubitten, um auszuloten, ob man die spitzohrigen Goldwächter nicht irgendwie umgehen konnte. Denn wenn der internationale Handel wegen der Abschottungspolitik wirklich einbrach, mußte der Minister neue Zahlungsmöglichkeiten erschließen. Ihm schwebte da auch schon was vor, worüber er jedoch keinem was verraten wollte, weil das zu vermessen war, um zu früh erwähnt zu werden. Dann dachte er noch einmal daran, was er gerade getan hatte. Er hatte gerade drei der wichtigsten Zaubereigesetze übergangen. Zum einen galt in den Staaten das Recht auf Leben und geistige Freiheit. Das hatte er mit der Freigabe der Flüche ignoriert. Zum zweiten hatten magische Menschen das Recht auf einen ordentlichen Gerichtsprozeß, sobald ihnen strafbare Handlungen vorgeworfen wurden. Mit der Verfügung für die My-Truppe hatte er diesen Leuten die Befugnisse von Ermittlern, Richtern und Henkern in einem erteilt. Drittens und wichtigstens galt in der magischen Welt der vereinigten Staaten der absolute Gleichheitsgrundsatz. Sofern jemand magische Fähigkeiten besaß, galt nur die magische Befähigung und der Umgang damit als maßgeblich. Mit seiner Verfügung hatte er jedoch gerade sämtliche Hexen der Staaten unter Generalverdacht gestellt und damit eine Geschlechterdiskriminierung begangen. Sollte sein Vorgehen irgendwann mal öffentlich werden, ohne eine Notwendigkeit dafür anführen zu können, konnte sich der Minister in Doomcastle wiederfinden wie sein Vorvorvorgänger Pole, der über seine Geheimniskrämerei gestolpert war. Aber er hatte sich entschlossen, keine irgendwie ministeriumsfeindlichen Gruppen mehr im Land zu dulden. Erst wollte er die Strafverfolgung erweitern. Dann würde er die magischen Mitbürger zu mehr Wachsamkeit aufrufen. Die dritte Stufe würde dann die verdeckte Ermittlung gegen verdächtige Gruppen von Hexen und Zauberern sein. Denn immerhin mochte der Massenmörder aus England Handlanger in Kanada untergebracht haben. Da Thicknesse alle kanadischen Angelegenheiten zu seinen Obliegenheiten erklärt und den vor Ort tätigen Beamten abgezogen hatte, hieß das für Wishbone, daß das magisch immer noch zu Großbritannien zählende Nachbarland im Norden ein potentieller Gefahrenherd war. Falls von dort ministeriumsfeindliche Elemente in die Staaten einsickerten mußte er sich sogar die Möglichkeit einer Annektion offenhalten. Da konnte er dann keine inneren Feinde gebrauchen.

"Bist du mit diesem Katzenhasser da jetzt langsam fertig, Honey?" drang eine weibliche Stimme in seine Gedanken ein, die er besser kannte, als den meisten Leuten um ihn herum recht sein mochte.

"Och, gefällt dir das große Kissen nicht?" Schickte er zurück.

"Es ist langweilig hier, und dieser servile Hauself meint die ganze Zeit, mich füttern zu müssen."

"Ich bin mit ihm fertig", schickte der Minister zurück. "Bei den Terminen gleich kannst du dabei sein."

"Die mit Dime und Lemmonbroker? Da könntest du mich eher ganz rauslassen, Luke."

"Wie du meinst", gedankengrummelte Wishbone. Er war froh, daß das Mentiloquieren noch nicht aufgespürt werden konnte.

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"Was sagt dein Verbindungsmann im Ministerium, Donata? Seitdem dieser Kerl im Amt ist bekomme ich nichts mehr richtig mit, und das ist sehr ärgerlich", knurrte Daianira Hemlock, als Donata Archstone am dritten September bei ihr zum Nachmittagskaffee saß.

"Zwei Sachen. Wishbone hat eine Geheimtruppe aufgemacht, über deren Leute ich im Moment jedoch nichts herausbekommen kann. Zweitens hat sich Alex Pabblenut wieder im Westwind geäußert und die Wiedereröffnung von Broomswood gefordert. Wishbone hat jedoch klargestellt, daß der Beschluß seines Vorgängers bestehen bleibt und die Schülerinnen jetzt in Thorntails lernen. Die hat's noch nicht aufgegeben."

"In diesen kalten Mauern steckt ihr ganzes Leben drin, Schwester Donata", erwiderte Daianira verächtlich. "Sie war Broomswood. Ist Broomswood nicht mehr, ist sie auch nichts mehr wert. Der Westwind druckt doch nur noch was von ihr ab, weil es die sensationssüchtigen Leser gern haben, wenn der neue Minister Probleme hat, wo er erst mit einem riesigen Trara alle Landesgrenzen für magischen Personenverkehr verschlossen hat."

"So, und du meinst, das reicht mir aus", knurrte Daianira. "Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, daß ich vor einem Tag von unserer Mitschwester Shileen Greenbloom erfahren habe, daß ihr Onkel, der bei den Inobskuratoren arbeitete,auf unerklärte Weise verschwunden ist. Meine Nachforschungen ergaben, daß nicht nur er, sondern neun andere Inobskuratoren auf einmal verschwanden. Was hat dein Verbindungszauberer dir dazu gesagt?"

"Hmm, davon erfahre ich gerade jetzt erst", erwiderte Donata Archstone verlegen. "Könnte sein, daß die zu dieser neuen Sondertruppe gehört haben. Ich hake da mal vorsichtig nach."

"Nein, das lass mal besser, bevor Wishbone noch über deinen Kontakt darauf kommt, daß du dich immer noch für die Vorgänge im Ministerium interessierst. Lass den seine Informationen an dich herausgeben, wie er im Moment dazu in der Lage ist. Ich weiß ja auch nur davon, weil Shileen eben einen Onkel bei den Inobskuratoren hat oder hatte. Da diese jedoch ausschließlich auf dem Gebiet der vereinigten Staaten arbeiten dürfen, muß was sie erledigt hat hier vorgefallen sein. Das kann Wishbone ja nicht kalt gelassen haben. Möglich, daß er darauf reagieren wird. Wenn wir behutsam vorgehen, erreichen wir bestimmt mehr."

"Ich dachte, wer zu dieser Sondertruppe gehört sei vordringlich", wandte Donata Archstone ein.

"Sicher ist es wichtig, weil diese Leute ganz bestimmt nur dazu da sind, um ministeriumsfeindliche Hexen zu jagen. Das will ich schon wissen, wer mir da lästig fallen könnte. Aber im Moment interessiert mich eher, was genau passiert ist, ohne dem Minister auf die Nase zu binden, daß du noch mit einigen seiner Sicherheitsleute Kontakt hast."

"Wie Ihr wollt, Lady Daianira", sagte Donata Archstone.

"Wie steht die Lage in Kanada, Schwester Donata? Stimmt es, daß der Emporkömmling da einige Leute untergebracht hat?"

"Sagen wir es so. Es sind Statthalter von Zaubereiminister Thicknesse, die dort die Fäden in der Hand halten. Allerdings sind drei zauberer dort auf grausame Weise umgekommen, die versucht haben, einen von denen zu erledigen. Könnte sein, daß Wishbone irgendwann darauf kommt, daß die größere Gefahr von Kanada ausgeht und einen Einfall dort durchführt."

"Ja, damit rechne ich auch. Wenn er schon alle Grenzen zumauert muß er wohl irgendwann darauf reagieren, daß der Emporkömmling in Kanada treue Anhänger installiert hat. Anstatt er alle fragt, die gegen diese Kanallie sind, will er lieber mit allen Streit haben. Godiva Cartridge hat sich doch schon im Kristallherold dazu geäußert, daß ihr Mann sich besser doch der direkten Wahl gestellt hätte.""

"Er wäre ohnehin abgewählt worden, nachdem diese Nyx das halbe Land unsicher gemacht hat."

"Die ist immer noch gefährlich. Ich rechne jeden Tag damit, was von ihr zu hören", sagte Daianira beklommen. "Sie hat sich diesen Stein wohl ganz einverleibt. Anders kann ich es mir nicht erklären, daß sie so machtbewußt aufgetreten ist. Die Frage ist dann nur, wer da Macht über wen hat. Ich hätte ihr diesen Klunker damals abjagen müssen."

"Die Vampirjäger des Ministeriums suchen nach ihr, Lady Daianira. Wenn sie irgendwo wieder auftaucht wird sie wohl von mehreren Dutzend Zauberern gleichzeitig angegriffen."

"Vielleicht hat sie die zehn auf dem Gewissen, die verschwunden sind", vermutete Daianira.

"Das kann auch sein", erwiderte Donata. Sie fühlte sich nicht sonderlich gut dabei, keine ergiebige Quelle für wichtige Informationen mehr zu sein.

"Gut, dann behalte die Lage in Kanada weiter im Auge! Sollte sich dort etwas tun, was wir nicht ignorieren dürfen, will ich sofort darüber informiert werden", erwiderte Daianira.

"Natürlich, Lady Daianira", bestätigte Donata und verließ den offiziellen Wohnsitz Daianiras.

"Also arbeitest du doch für sie", grummelte Daianira, als sie von ihrem Überwachungszauber erfuhr, daß Donata außerhalb der Apparierbegrenzung im Nichts verschwunden war. Daianira fühlte die Verunsicherung, es nicht schon längst gemerkt zu haben, die Enttäuschung, daß Donata sie so dreist hintergangen hatte und die Wut, daß sie ihr nicht einmal auf den Kopf zusagen konnte, daß sie sie enttarnt hatte. Mit der Zurückhaltung des Vorfalls von vor zwei Tagen hatte sie sich verraten. Denn zum einen kannte Daianira einen Zauberer aus jenem Inobskuratorentrupp, die sich nun stolz als Sonderabteilung My bezeichneten. Denn es war der Patensohn ihrer Mitschwester Ananke Lightfire, der bei jenem Einsatz dabei gewesen war. Sie wußte auch, daß Donatas Kontaktperson, die sie ebenfalls kannte, im Auftrag des Ministers die Stichwörter Flammensphäre und Entomanthropen nachrecherchieren sollte. So hätte Donata es wissen müssen, was vorgefallen war. Daianira atmete mehrmals ein und aus. Die Erkenntnis, die sich aus dem Vorfall ergab, war ein Schlag für sich gewesen. Doch noch zu wissen, daß sie, Anthelia, ihr Donata Archstone abspenstig gemacht hatte, nachdem sie ihr schon Pandora und Patricia Straton entwunden hatte, machte sie wütend. Nur ihrer hervorragend geübten Fähigkeit, ihre Gefühle nicht nach außen dringen zu lassen, hatte sie verdankt, daß Donata nicht mitbekommen konnte, daß sie ertappt worden war. Anthelia lebte also noch und sie griff allen Ernstes die alten Sachen auf, mit denen Sardonia ein Jahrhundert lang ihr Heimatland beherrscht hatte. Offenbar empfand Anthelia es wohl als nötig, neben den Entomanthropen, die Sardonia in einen jahrhundertelangen Schlaf versenkt hatte, neue Exemplare dieser Biester zu züchten. Lag das an Nyx, auf deren Wiederauftauchen sie ebenso bange wartete? Oder lag das an dem Emporkömmling Tom Riddle, der sich seit etwas mehr als einem Monat als Drahtzieher im britischen zaubereiministerium ergötzte? Jedenfalls war eine veritable Entomanthropenkönigin auf dem Boden der vereinigten Staaten eine klare Kampfansage an ihre Feinde. Durch den Zusammenstoß im Haus der Stratons hatte sich Daianira klar zu diesen Feinden erklärt und wohl wie einige mehr gehofft, die Wiederkehrerin endgültig losgeworden zu sein. Was nun, wenn diese befand, es sei opportun, ihre dreisten Konkurrentinnen loszuwerden? Denn Daianira wußte zu gut, daß sie durch den Verlust des Amuletts des Inti keine wirklich wirksame Waffe gegen die offenbar durch Vampirkräfte besonders wiederstandsfähige Inhaberin von Barty Crouches Körper besaß, falls sie sie nicht mit dem Todesfluch angreifen wollte. Außerdem empfand sie die Entomanthropen als groben Verstoß gegen den Kodex der Sororität. Menschliches Leben durfte von keiner Schwester mit niederen Lebensformen verschmolzen werden. So hatten sich alle Nachfahrinnen des sardonianischen Imperiums geschworen, um die offene Auseinandersetzung zwischen den Zögerlichen und den Entschlossenen zu vermeiden. Menschen zu manipulieren und für die Sache der Schwesternschaft zu benutzen war für sie, die US-Amerikanische Sprecherin der Entschlossenen, kein Problem. Aber die Zeugung von neuen Entomanthropen, so wie der Naturschänder Bokanowski es auch betrieben hatte, das ging eindeutig zu weit. Diesem Treiben mußte sie Einhalt gebieten, solange Anthelia sich in ihrem Hoheitsgebiet austobte. Ja, sie wollte auch die anderen Sprecherinnen darauf hinweisen, was die Wiedergekehrte sich nun herausnahm. Das Zweckbündnis gegen Riddle war eine Farse, wenn Anthelia nur ihre eigenen Pläne vorantrieb und dabei immer mächtiger wurde. Dies mußte unweigerlich dazu führen, daß die entschlossenen Schwestern zwischen ihr und dem Emporkömmling zerrieben wurden wie Getreidekörner zwischen zwei Mühlsteinen. Sollte sie Anthelia zum Umdenken bewegen oder gleich angreifen? Und wenn sie einen Angriff als einzig richtige Lösung ansah, welche Art versprach mehr Erfolg? Das Offene Duell wie im Haus der Stratons oder eine Falle? Außerdem galt es dann wohl auch und vor allem, die Entomanthropen zu vernichten. Sicher, die konnten durch den Todesfluch erledigt werden. Doch wenn sie nicht wußte, wo die Königin versteckt war, brachte das nichts ein. Und wer sagte ihr eigentlich, daß das die einzige Königin dieser Kerbtierkreuzungen war? Daianira sah sich für einen Moment mitten in einem Schwarm aus von allen Seiten anfliegenden Riesenbienen mit Menschenköpfen, in den sie mit Feuerzaubern und Todesflüchen hineinhieb, bis sie von mehreren Dutzend Giftstacheln auf einmal durchbohrt wurde, und zwar so schnell, daß sie den Schmerz nicht mehr spürte, bevor das tödliche Gift ihr für immer die Sinne raubte. Diese schockartige Vision, dieser wenige Sekunden über sie hereinbrechende Tagalptraum, ließ ihr den kalten Angstschweiß aus den Poren schießen. Anthelia hatte den Keim einer Schreckenssaat gelegt, die sie alle überrollen würde wie eine kilometerhohe Flutwelle. Wie naiv war sie und auch Ursina Underwood gewesen, zu glauben, Anthelia sei nicht in der Lage, ihr Anrecht auf die Führung aller Hexen zu erzwingen? Sie hätten es damals schon wissen müssen, daß die Wiederkehrerin sich nur offenbart hatte, weil sie bereits einen sicheren Rückhalt besaß. Der bestand wohl damals schon in heimlich abgeworbenen Mitschwestern. Doch Anthelia hatte ihnen doch in der Höhle in Frankreich bewiesen, daß sie auch alte Geheimnisse kannte, deren Macht sie sich untertan gemacht hatte. Ob sie damals schon alles von ihrer Tante erlernt hatte oder sich erst als legitime Erbin ihrer Macht beweisen mußte war jetzt völlig unwichtig. Jetzt besaß sie dieses Wissen ihrer Tante. Jetzt nutzte sie es aus. Und jetzt galt es, sie an weiteren Aktionen zu hindern, auch wenn die Entschlossenen mit ihr zusammen sicherlich auch viel Erfolg gehabt hätten. Doch der Preis für diesen Erfolg war zu hoch. Mißachtung aller Gebote der Schwesternschaft und die unumkehrbare Unterwerfung unter Anthelias Willen, von dem nur sie allein wußte, wohin er sie und die Welt bringen würde.

"Donata gehört also auch zu ihr", dachte Daianira noch einmal. "Womöglich hat Anthelia sie mit diesem Fluch belegt, der Ursinas Keller verwüstet und Jane Porter und Ardentia Truelane vernichtet hat. Dann darf ich sie nicht dazu zwingen, sich zu offenbaren. Aber es hindert mich nichts daran, diese hinterhältige Doppelagentin wieder mehr für mich einzusetzen. Außerdem muß ich wissen, wer mein Amulett gestohlen hat. Nyx konnte nur damit so effektiv vertrieben werden. Aber ich kann es nicht orten. Intis Zauber verbirgt es und jenen, der es trägt. Doch Anthelia reagiert empfindlich auf dieses nette Kleinod. Wenn ich rauskriege, wer es hat und weiß, wie ich diese Verräterin für mich einspannen kann, werde ich Anthelias Macht brechen, bevor sie zu groß wird."

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Es war geschafft. Gerade eben entschlüpfte die dritte Entomanthropenkönigin dem goldenen Licht. Diesmal hatte Anthelia mehr Sorgfalt bei der Vorbereitung des Rituals walten lassen. Mit wohlplatzierten Unortbarkeitszaubern hatte sie den Standort bedeckt, bevor sie in der Nähe der Mexikanischen Grenze das dritte und letzte Exemplar ihrer Brutköniginnen erzeugte. Die zweite von ihr erfolgreich erschaffene Entomanthropin legte wohl schon die ersten Eier in der Nähe der spanischen Sonnenküste. Das einzige Problem, das sie hatte war die Fütterung der Königinnen und der von ihnen stammenden Brut. Sie hatte es probiert, sieben der bereits ausgewachsenen Entomanthropen zur Pflege der in Spanien angesiedelten Königin abzustellen. Doch die sieben waren von der Brutmutter zurückgetrieben worden. Anthelia hatte mehrmals versucht, sie mit dem magischen Bernstein zusammenzuhalten. Doch die neue Königin wies nicht von ihr stammende Abkömmlinge zurück. Zwei der einfacheren Entomanthropen hatte die Brutkönigin im Flug getötet und als Futtergabe beansprucht. Die anderen waren geflüchtet, um wohl zu ihrer eigenen Brutmutter zurückzukehren. So mußte Anthelia sich also etwas anderes einfallen lassen, um die Nachzucht schnell genug hinzubekommen, ohne die neuen Königinnen verhungern zu lassen. Ihr blieb also wohl nichts anderes übrig, als die von ihren bereits ausgewachsenen Entomanthropen erbeuteten Weidetiere einzuschrumpfen, zu den Königinnen zu bringen, dort wieder auf Normalmaß zu vergrößern und sie fressen zu lassen. Das würde sie wohl nun jeden Tag tun, bis die ersten fertigen Arbeitsentomanthropen ausgewachsen waren, um diese Aufgabe zu erledigen. Das ärgerte Anthelia auf der einen Seite, weil sie dafür viel Zeit aufbieten mußte. Auf der anderen Seite hatte ihre Tante Sardonia wohl nichts anderes tun können, als sie ihre fünf Königinnen erschaffen hatte. O nein, die hatte ja hörige Schwestern gehabt oder Menschen wie Schlachtvieh zu den Königinnen hingetrieben. Soweit wollte sie im Moment dann doch noch nicht gehen. So würde sie im Moment wohl die beiden neuen Königinnen und die wiedererweckte wach lassen, während die in Südtexas noch schlafen ließ.

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Zwei Schulwochen waren schon ins Land gegangen. Zwei Wochen des Terrors und der Angst. Lea Drake hatte mehrmals mit ansehen müssen, wie Schüler, die gegen die Gebote der Carrows oder Snapes gehandelt hatten von älteren Mitschülern dem Cruciatus-Fluch unterworfen worden waren. Sie hatte mitverfolgt, wie die Slytherins eine Überwachungstruppe bildeten, um ihre Mitschüler aus anderen Häusern zu drangsalieren. Sie bewunderte Gloria Porter, die oft das Ziel von verbalen Attacken und kleineren Handgreiflichkeiten wurde. Doch irgendwie hielt sie dem allem Stand. Kevin Malone indes wurde von Tag zu Tag verbitterter. Fünfmal, so erfuhr Lea bei ihren Spionagetouren durch das Schloß, hatte eines der Carrow-Geschwister ihn den Cruciatus übergebraten. Madam Pomfrey hatte einmal eine Beschwerde bei Snape vorgebracht, daß die Schüler nicht mehr zum Lernen kämen, wenn sie andauernd diesem Fluch unterworfen würden. Auch hatte sie es gewagt, Alecto Carrows Haarabschneidestrafen zu rügen. Dafür hätte die fette Furie der Schulkrankenschwester fast selbst mit diesem verhexten Rasiermesser einen mit Brandwunden verunzierten Kahlkopf geschnitten. Zumindest hatte Lea es von Melissa Ashton, die bei einer Vertrauensschülerkonferenz dabei gewesen war, und es ihrer Bande aus Slytherin-Viertklässlerinnen brühwarm erzählt hatte. "Professor Snape hat auf seinen Schreibtisch gehauen und Professor Alecto Carrow angeherrscht, daß die körperliche Verletzung von reinblütigen Schülern nicht im Sinne des Ministeriums sei, solange niemand mehr angestellt habe als zu langsam im Unterricht zu arbeiten. Körperliche Züchtigung sei nur noch dann erlaubt, wenn eindeutig feststehe, daß ein Schüler an einer Aktion gegen die Führung von Hogwarts oder das Zaubereiministerium beteiligt sei.

Lea sprach jeden zweiten Tag mit Lady Medea, die sich mal in ihrer erhabenen Hexengestalt im roten Kleid, mal in ihrer Animagus-Form als weißer Schwan in einem der Bilder zeigte, um Leas Beobachtungen entgegenzunehmen.

"Ursina will haben, daß du nach Gryffindor gehst und dort herumhörst, wer alles diesem Aufruf von Dumbledores Armee folgt", hatte die gemalte Hexenmeisterin am Sonntag vor der dritten Schulwoche geflüstert. Lea war daraufhin hinter der immer noch fast kahlköpfigen Romilda Vane hergelaufen. Alectos Messer war wohl nicht nur mit einem Flagrante-Zauber belegt, sondern wohl auch verflucht. Denn kein Haarwuchsmittel aus den Beständen Madam Pomfreys und nicht der Neubehaarungszauber hatten Romilda ihren alten Kopfschmuck zurückgeben können. wie mußte diese Furie langhaarige Mädchen hassen, denen sowas anzutun? Eigentlich fürchtete Lea, daß Gloria Porter irgendwann ihre seidenweichen blonden Locken unter Alectos Messer einbüßen würde. Doch nach den Übergriffen auf kevin und zwei Ravenclaws aus der siebten Klasse hatte Gloria die Parole ausgegeben, sich lieber nicht mehr gegen die Carrows oder Snape zu äußern, auch wenn allen klar sei, daß das wie Feigheit rüberkommen mochte. Aber sie sei nun einmal als Vertrauensschülerin für alle verantwortlich und daher lieber bereit, die eigene Meinung hinterm Berg zu halten als zuzusehen, wie Leute aus ihrem Haus unnötig gequält würden. Damit hatte sie sich zwar eine hitzige Diskussion mit Patma Patil eingehandelt, doch die anderen Vertrauensschüler hatten sie unterstützt. "Feigheit heißt, aus Angst das machbare nicht zu tun. Tollkühnheit heißt, aus purer Selbstüberschätzung was zu tun, was nur schadet", hatte Michael Corner dann gesagt. "Unsere Stunde kommt erst, wenn die aufhören, uns ständig zu belauern, Leute. Solange wir denen jeden Tag zeigen, daß wir uns nix gefallen lassen, bleiben die brutal und aufmerksam. Einschläferungstaktik ist hier das Zauberwort. Lass die Gryffindors doch meinen, lieber ihre Knochen hinzuhalten als ihr Gewissen zu überhören." An diese Diskussion von vor drei Tagen im Ravenclaw-Gemeinschaftsraum erinnerte sich Lea nun, während sie heimlich hinter Romilda herlief, die, nachdem Alecto Carrow sie beinahe skalpiert hatte, sehr in sich gekehrt auftrat.

"Mausespeck!" Wisperte Romilda, als sie vor dem Gemälde einer sehr dicken Frau im rosaroten Gewand anhielt. Die Dame auf dem Portrait nickte ihr schweigsam zu. Auch die gemalten Leute waren von dem Trio Brutale eingeschüchtert worden, abgesehen von diesem Blechanzugprahlhans Cadogan und einigen Ex-Gryffindors natürlich.

Lea konnte nicht durch Bilder dringen wie durch Wände. So mußte sie tollkühn hinter Romilda herspringen, als diese durch den Einstieg geklettert war. Irgendwie zu viel rot und gold, fand Lea. Außerdem stach die Sonne durch die Turmfenster. Die heimliche Besucherin mußte sich vorsehen, nicht von einem Gryffindor angerempelt zu werden. Doch um zu lauschen mußte sie nun einmal in der Nähe der gebildeten Gruppen bleiben. Allerdings kam dabei nicht mehr herum als das mittlerweile übliche Gezeter über die Carrows und den mittlerweile als Peitschenknaller Filch bezeichneten Hausmeister und seine klapperdürre Katze. Die hätte Lea einmal fast ausgeliefert. Auch wenn sie unsichtbar war verströmte sie immer noch einen für Katzennasen deutlichen Geruch. Außerdem mochten die empfindlichen Ohren ihren Atem und ihren Herzschlag auffangen. Jedenfalls hätte sie Filch einmal fast erwischt, nur weil Mrs. Norris Lea beschnuppert hatte und dann, schneller als die unsichtbare Schülerin einen Zauber ausrufen konnte davongerannt war, um ihren Herrn und Meister zu holen. Als dieser besenschwingend durch einen der nur ihm bekannten Geheimgänge herangeschnauft kam wie ein zum Angriff galoppierender Stier, hatte sich Lea nur noch mit dem Wanddurchdringungszauber in Sicherheit bringen können, bevor der Besenschweif sie am Arm erwischt und damit ganz bestimmt verraten hätte. Diese Taktik von Filch war nicht schlecht, um ohne Zauber einen Unsichtbaren aufzustöbern. Da er aber keinen gefunden hatte war er wohl davon überzeugt, sein Schätzchen habe ihn wegen Peeves oder einem falschen Luftzug geholt.

"Hier, die tust du dir gut weg und sagst keinem was", zischte Neville Longbottom gerade und öffnete die rechte Faust über der flachen Hand von Leo Ironside, einem schlachsigen Burschen mit pechschwarzer Mähne. Dieser schloß seine Hand sofort, als etwas glitzerndes hineingefallen war. Lea vermeinte, eine Galleone gesehen zu haben.

"Proteus-Zauber, Neville?" Fragte Leo, der sich im Moment um Fredo Gillers' Freundin Glenda bemühte.

"Yep, Leo. Wenn was ist, wird sie warm und zeigt dir 'ne kurze Mitteilung über Zeit oder Treffpunkt und so. Bis dahin bloß den Mund halten!"

"Geht klar, Neville", zischte Leo. Also war Neville einer von Dumbledores Armee, erkannte Lea und hielt sich nun an ihn. Dabei verfolgte sie mit, wie er den Creavy-Brüdern, halbblütigen Jungs aus der sechsten und vierten Klasse, ebensolche Glitzerdinger gab. Proteus-Zauber, damit konnte man mehrere gleichartige Gegenstände so behandeln, daß wenn der Ausgangsgegenstand verändert wurde, alle anderen auch verändert wurden. Praktisch. Darauf mußte man erst einmal kommen, erkannte Lea an. So konnte Neville, den sie nun ziemlich sicher als Anführer der Neuauflage von Dumbledores Armee ansah, mit einer Münze alle erreichen, denen er eine Nachricht schicken wollte. Das war dann so wie Sprechfunk oder eine elektronische Mitteilung an eine Nachrichtenliste, wie sie sie mal bei ihrem Vater mitbekommen hatte. Hatte Neville sich sowas ausgedacht? Bisher hatte sie den doch eher für tolpatschig und zurückhaltend angesehen. In Kräuterkunde sollte er ein As sein, hatte sie in den vier Jahren, die sie bereits hier verbracht hatte mitbekommen können. Womöglich steckte in diesem Burschen doch mehr drin als er nach außen zeigte. Das rauszukriegen erschien ihr jetzt eine geniale Anregung. Das würde ihr Gespensterdasein erträglicher machen. Nur wenn sie eine konkrete Aufgabe hatte, kam sie damit klar, nur Beobachterin zu sein. Ansonsten fühlte sie sich selbst wie die unsichtbare Luft um die anderen herum.

"Ist ziemlich riskant, wenn wer das verpetzt", zischte Boris Portland, ein Sechstklässler, der wohl auch dieser Armee beitreten wollte.

"Wir können uns nicht auf der Nase rumtanzen lassen, Boris. Die Ravenclaws sind bis auf ein paar auf der Walze, daß Ruhe zu bewahren das einzige ist, um die auszuhalten. Aber die müssen von hier weg. Hogwarts ist unsere Schule und die von Dumbledore und Harry Potter und nicht die von Ihr-wißt-schon-wem."

"Lass die Eierköpfe doch so tun, als wenn Ducken und in Deckung springen was gegen die Carrows bringt. Wenn die dann immer noch was von denen abkriegen, geht das vielleicht in ihre übergroßen Hirne rein, daß Stillhalten und alles schlucken nix bringt."

"Okay, ich hab's erklärt. Guck jeden Abend drauf, wenn du weißt, daß keiner zuguckt. Irgendwann treffen wir uns alle. Ich sag euch dann wo und wie, wo uns die Carrows und Snape nicht finden können. Bis dann halt."

"Yo, Neville, mach's bis dahin gut."

Lea blieb als unsichtbarer Schatten hinter Neville Longbottom, der noch zwei weitere Hauskameraden mit den bezauberten Münzen ausstattete, bevor er, nachdem Seamus Finnigan und Parvati Patil mit einer Gruppe von Leuten eine hitzige Debatte über Quidditch angefangen hatte durch das Portraitloch aus Gryffindor hinauskletterte. Lea mußte wieder einmal die nicht so gut entwickelten Künste einer Ballerina bemühen, um vor dem Zurückschwingen des großen Bildes hinauszukommen. Sie dachte daran, daß sie auf diese Weise wenigstens sehr gelenkig und ausdauernd bleiben würde. Wo wollte Neville jetzt eigentlich hin. Dieser Krempel über das anstehende Quidditchturnier und ob es überhaupt starten sollte war doch blanke Ablenkung gewesen.

Neville bewegte sich sehr langsam im Schloß. Offenbar fürchtete er Beobachter hinter jeder Ecke. Vielleicht ging er auch davon aus, daß die Bilder an der Wand Snapes Spione waren. Das war nicht so ganz von der Hand zu weisen, fand Lea. Einmal sah sie eine gemalte Hexe im Ravenclaw-Quidditch-Umhang durch ein Bild gleiten, Neville kurz anblicken und dann weiterfliegen. Doch Neville hatte nicht darauf geachtet. Seine Sorge galt dem Boden. Da schwante es Lea, daß er darauf gefaßt war, Mrs. Norris über den Weg zu laufen. Als sie um eine Ecke bogen hörte Lea die Schritte. Auch Neville hörte die leisen Schritte näherkommen. Dann pfiff auch noch jemand ein Lied von den Schicksalsschwestern, als wenn es in Hogwarts gerade so richtig fröhlich zuginge. Neville lauschte und pfiff dann ebenfalls, jedoch ein anderes Lied von den Schicksalsschwestern, wie Lea erkannte. Da hörte Pfeifer Nummer eins auf. Neville bog um die Ecke und lief etwas schneller. Da stand Fredo Gillers neben Glenda Honeydrop und winkte stumm.

"Hast du Malone nicht überreden können?" Zischte Neville ohne großes Grußwort.

"Der hängt Gloria am Rockzipfel wie ein Kleinkind bei der Mutter und glaubt den Quatsch, den sie und Corner bei uns rumerzählt haben. Aber wie kriegen wir das hin, was zu machen?" Fragte Fredo. Neville hielt ihm zur Antwort zwei glitzernde Scheiben aus purem Gold hin. Also waren es doch bezauberte Galleonen, erkannte Lea nun. Fredo blickte Neville fragend an. Dieser wisperte nur: "Proteus-Zauber. Damit kann ich was übermitteln, ohne daß wer anderes das mitkriegt. Guckt jeden Tag drauf. Tschüs!" Neville überließ Fredo und Glenda je eine Münze und eilte dann weiter durch den Gang, um möglichst nicht in der Nähe der beiden gesehen zu werden. Weil diese nun ausgerechnet auf Liebespärchen machen und Arm in Arm nebeneinander herschlendern mußten, konnte Lea Neville nicht mehr leise verfolgen, ohne in Fredo oder Glenda reinzurennen. So wich sie erst einmal zurück, bis die beiden an der Abzweigung in einen anderen Gang einbogen. sie sah Neville nicht mehr. Sie hörte zwar noch seine Schritte. Doch die vielen Gänge und die Treppenhäuser erzeugten ein Echo, daß jede genaue Ortung unmöglich machte. Eins war aber klar. Neville hatte irgendwie die Leute informiert, die zu Dumbledores Armee hinzustoßen wollten. Bei Fredo ging es über Glenda. Aber wie war das mit den anderen interessenten. Lea wußte, daß nicht jeder Zauberer und jede Hexe in Hogwarts mentiloquieren konnte. Außerdem galt da ja die Bekanntheitsschranke, wie ihre Großtante Ursina es genannt hatte. Mit wildfremden oder so gut wie unbekannten war das Mentiloquieren ohne direkten Blickkontakt komplett unmöglich und ansonsten sehr schwer. Direkte Verwandte und sehr gut eingespielte Gruppen konnten untereinander gut mentiloquieren.

Um in Bewegung zu bleiben schlenderte Lea auf ihren geräuschlosen Schusohlen weiter durchs Schloß, wich zwei Geistern aus, die vor ihr aus der Wand herausglitten und passierte zwei ihrer Hauskameraden aus Slytherin, die auf dem Weg zum See waren, um da ein wenig in der Sonne zu dösen.

"Mum, Neville Longbottom betreibt Neuauflage Dumbledores Armee. Hat Mehreren Hauskameraden und dem Ravenclaw Fredo Gillers bezauberte Galleonen in die Hand gelegt. Proteus-Bezauberung zur Nachrichtenweitergabe", mentiloquierte Lea ihrer Mutter.

"Soso", kam die prompte Antwort zurück. "Bleib an dem dran und berichte, wer noch von dem beschenkt wird!"

"Ging nicht. Gillers und seine Freundin haben den Gang blockiert. Hätte komischen Zusammenstoß gegeben", schickte Lea zurück.

"Kann man nichts machen", war die Antwort. "Bringt auch nur was, wenn wir mit denen Kontakt aufnehmen wollten."

"Habe Aurora Dawns Bild-Ich gerade hier durchfliegen gesehen", meldete Lea unhörbar weiter.

"Oder die Patrouilliert also. Wird wohl den Auftrag dazu haben", kehrte Proserpina Drakes amüsierte Gedankenstimme zurück. Lea grinste. Natürlich hatte Lady Medeas Bild ihr längst erzählt, daß Aurora Dawns gemaltes Ich mit ihren Gegenstücken in anderen Häusern in Kontakt stand, darunter auch einem in Beauxbatons. Von da aus, so die gemalte Medea, wäre damals auch der entscheidende Schlag gegen die von Draco Malfoy ausgehängten Bilder Slytherins geführt worden. Daß der Emporkömmling nicht längst eine Heerschar von grünen Würmern versklavter Bilderwesen zur Verfügung hatte, verdankte die magische Menschheit einzig dieser Verbindung zwischen Aurora Dawns Bild hier und dem in Beauxbatons. Also war es mehr als wahrscheinlich, daß die gemalte Quidditchspielerin hier die Lage überwachte, wenngleich Lea nicht wußte, was denen in Beauxbatons das bringen mochte, zu wissen, wie es hier in Hogwarts gerade zuging. Da sah sie den weißen Schwan in das nächste Bild hineinschweben, das Bild einer üppigen Waldwiese, auf der manchmal mehrere zauberer oder Hexen picnickten. lea blickte sich um, ob jemand ihr zuhören konnte und trat an das Bild heran, bevor der Schwan Anstalten machen mochte, weiterzufliegen. "Lady Medea?" Zischte sie mit den Lippen fast an der Leinwand. Der Schwan nickte und breitete die Flügel aus. Dann entstand in wenigen Sekunden jene erhabene Hexe im roten Kleid mit dem langen, schwarzen Haar.

"Jungfer Lea, was möchtet Ihr mir kundtun?" Wisperte Lady Medea zurück.

"Habe gerade Neville Longbottom verfolgt, der für eine geheime Schülergruppe arbeitet. Konnte den nicht weiterverfolgen, weil ein dummes Pärchen mir den Gang verlegt hat."

"Longbottom durchwanderte gerade den Eingang zum westlichen Treppenhaus, ist wohl unterwegs zu einer Kreuzung, die gen Hufflepuff weist. Möchtet Ihr von mir geführt werden?"

"Ja, bitte", erwiderte Lea. Die Hexe in Rot nickte und verwandelte sich in den weißen Schwan zurück. Diesem folgte Lea nun durch die Korridore bis zum Treppenhaus. Doch Neville war bereits weitergezogen. Die Lady war sich wohl sicher, daß er in die Nähe von Hufflepuff wollte. Sie wies Lea an, nach dem zweiten Absatz nach rechts abzubiegen. Lea befolgte diesen Rat. Tatsächlichh. Als sie nach dem zweiten Treppenabsatz nach rechts abbog konnte sie vier Gestalten erkennen, die so nahe beieinanderstanden, daß sie sich fast berührten. Lea schlich nun lautlos und mit sehr langsam gehendem Atem näher und horchte auf die kleinsten Wortfetzen. Doch verstehen konnte sie erst was, als sie weniger als zwei Schritte von Nevilles Rücken entfernt anhielt.

"Okay, ihr bleibt also auch dabei. Wieviele von euch noch?" Fragte Neville gerade. Ernie McMillan und zwei sechstklässler erwähnten, daß von den Hufflepuffs wohl noch zwanzig aus den Klassen vier bis sieben mitmachen würden. Neville nickte und holte einen mit Watte ausgeschlagenen Brustbeutel hervor, aus dem er zwanzig Galleonen herausfischte und sie an die Hufflepuffs weitergab. Lea nahm etwas Abstand und schickte ihrer Mutter zu, daß Neville zwanzig weitere Leute angeworben hatte.

"Und was ist, wenn uns die Carrows oder Snape draufkommen?" Unkte Ernies Hauskamerad.

"Die haben uns eh auf dem Kieker, Leute. Wir müssen jetzt was auf die Beine stellen, sonst machen die uns fertig."

"Ganz klar", erwiderte Ernie McMillan. "Dann bis dann, Neville. Kriegen wir den alten Treffpunkt?"

"Muß ich klären. Schön wäre es", erwiderte Neville. Dann zog er weiter. Lea folgte ihm. Doch er teilte keine weiteren Münzen aus, sondern ging in die Bibliothek. Tolles Alibi. Wenn ihn wer suchte, dann konnte man ihn hier locker finden. Jedenfalls schien sich Neville sehr sicher zu fühlen, daß die von ihm mit Münzen beschenkten Leute nicht petzen würden. Lea wäre da nicht so sicher gewesen. Oder hatte Neville was vorbereitet, um für diesen Fall gerüstet zu sein? Dem jetzt beim Lesen von "Dinodendren - Grausamer Tod mit Zweigen" zuzusehen brachte ihr auch nichts neues ein. Sie beging mal wieder das Schloß und versuchte, am Treiben der Lehrer und Schüler zu ergründen, welche Stimmung gerade vorherrschte. Doch wirklich wichtiges bekam sie dabei nicht mehr mit.

Abends fiel sie erschöpft vom langen herumlaufen in ihrem Geheimversteck in den Schlafsack. Sie fühlte das sanfte Ziepen in ihrem Unterleib. Vorsorglich präparierte sie sich für die damit angekündigte Blutung. Körperlich war sie schon wieder einen Monat älter geworden. Würde sie sich je daran gewöhnen?

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"Wußte gar nicht, daß drei Tage so lange sein können", scherzte Tim Abrahams, als er am fünfzehnten September mit seiner Gastfamilie zu Abend aß. Er hatte sich daran gewöhnt, überwiegend fleischlos zu essen, und wenn Fleisch, dann nur das von Kaninchen oder Fisch. Ceridwen Barley hatte Tim erzählt, daß sie zwar die Eier, aber nicht das Fleisch von Hühnern zu sich nahm, weil sie die zwanzig Hennen und Freddy den Hahn zu sehr liebte, um nicht an einen von ihnen zu denken, wenn sie Geflügel vorgesetzt bekam.

"Sie haben uns in den letzten vier Wochen auch viel zurückgegeben, Tim. Insofern können Sie ruhig noch ein paar von diesen drei Tagen dranhängen", erwiderte Ceridwen Barley. Ihr Mann nickte bestätigend. Vor allem aber lächelte Galatea Barley, die fast jeden Tag mit neuen Schreckensmeldungen aus dem Ministerium zurückkehrte.

"Heute haben sie Douglas Benson vor die Umbridge gezerrt. Runcorn hat angeblich rausgekriegt, daß sein Vater kein Squib sondern ein Muggel war. Damit wäre sein Halbblütigkeitsstatus hinfällig. Wenn ihr mich fragt wollen die nur interessante Posten im Ministerium an ihre Kumpels weitergeben."

"Und was haben die mit dem gemacht, Gally?" Fragte Darrin Barley.

"Was schon, daß was die mit den anderen fünfzig in den letzten Wochen auch gemacht haben, Dad", seufzte Galatea. "Hätte nicht übel Lust, diesen Schweinehunden und ihrem Meister ein paar Flüche um die Ohren zu hauen. In dem Verbrecherstall kann doch kein ehrlicher Mensch mehr weitermachen, als wenn nix wäre."

"Ja, und die machen auch vor den Heilern keinen Halt", sagte Brigid, die zweitjüngste Tochter Ceridwens. "Die haben jetzt wohl sechs Leute aus St. Mungo sicher, weil die deren Familien bedrohen. Ich habe ziemliche Angst, daß die auch hier aufkreuzen."

"Nicht nur du, Brigid", sagte ihre Mutter. "Deshalb habe ich genug vorkehrungen getroffen, um uns alle zu schützen. Außerdem liegt auf dem Haus der Segen der Familie McFusty."

"Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, wenn wir alle das Land verlassen", meinte Darrin Barley. "Das wäre kein Akt, mit einem Flugzeug von hier abzuhauen, Ceridwen."

"Das geht nicht mehr, Dad", wandte Galatea ein. "Die haben jetzt an den ganzen Flughäfen Leute mit besonderen Sesos hingesetzt, die auf die magische Ausstrahlung von Hexen und Zauberern ansprechen. Selbst wenn wir uns verwandeln oder verkleiden würden kämen wir da nicht weit."

"Hmm, dann von der Küste aus übers Wasser, weil die den Kanaltunnel bestimmt auch überwachen", meinte Tim Abrahams. "Wir müßten uns nur ein Fischerboot oder eine Motoryacht organisieren und mal eben rüber nach Belgien, Holland, Deutschland oder Frankreich."

"Klauen?" Warf Darrin ein. "Nur wenn's echt ums nackte Überleben geht, Leute."

"Im Moment halten die Schutzzauber. Und solange wir nicht diesen verwünschten Namen aussprechen bleiben die bestehen", sagte Ceridwen zuversichtlich. "Allerdings halte ich es auch langsam für bedenklich, daß du immer noch in diese Drachenhöhle gehst, Gally. Das Geld, was du dafür noch kriegst ist weniger wert als dein Leben."

"Ja, aber solange ich dahingehe kommen die nicht drauf, daß mit uns was nicht stimmen könnte", wandte Galatea ein.

"Du darfst nur nicht mit einem von denen alleine sein", wandte Tim Abrahams ein.

"Gegen Imperius kann ich mich wehren", sagte Galatea. "Das war nicht einfach, aber ich habe es gelernt."

"Das kann man doch nur lernen, wenn wer gegen das Gesetz verstößt und den dir aufhalst", erstaunte Tim.

"Was du nicht sagst", sagte Galatea verschmitzt grinsend. Ihre beiden Schwestern grinsten auch.

"Hätten Sie Interesse daran, diese Abwehr zu erlernen, Tim?" Fragte Ceridwen Barley sehr ernst.

"Das weiß ich nicht, ob ich das will, daß jemand gegen die Gesetze verstößt, Mrs. Barley."

"Sieh es mal so, daß nach Thicknesses Amtseinführung so locker mit den Unverzeihlichen herumgemacht wird, daß die sie ächtenden Gesetze nicht mehr gelten", stellte Galatea fest. Tim fragte sich, ob Ceridwen die Gelegenheit nutzen wollte, ihn doch noch auf Galatea festzulegen. Andererseits war da wohl nicht mehr viel für sie zu tun, gestand er sich ein. Außerdem konnte es nie schaden, diesen heimtückischen Fluch zu bekämpfen, dem wohl schon viele arglose Zauberer und Hexen zum Opfer gefallen waren. So sagte er zu.

"Gut, junger Mann, dann üben wir die Abwehr ab morgen. Sie brauchen keine Angst zu haben, daß Sie dadurch zu irgendwas getrieben werden, was nachhaltige Folgen hat. Außerdem werde nicht ich das Training durchführen, sondern eine gute Bekannte von mir, die keine Ambitionen hat, sie in meinem Sinne zu manipulieren, außer Sie abzuhärten."

"Ich gehe darauf ein", sagte Tim Abrahams.

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Lea lauerte vor dem Gryffindor-Zugang. Sie wartete darauf, daß Neville Longbottom sich wieder herauswagte. Sie hatte in den letzten Tagen nämlich mitbekommen, daß außer Seamus Finnigan und anderen Gryffindors immer mehr Hufflepuffs und Ravenclaws Dumbledores Armee beitreten wollten. Fast hätte die Carrow Neville einmal erwischt. Doch Lea hatte der fetten Furie einen Lähmzauber und einen Mikramnesia-Zauber verpaßt, so daß sie nicht hinter Neville herlaufen konnte. Denn Lea hatte in den nun zwanzig Tagen, die sie wieder in Hogwarts war befunden, daß sie heimlich in Dumbledores Armee mitkämpfen würde. Sie konnte sich zwar nicht offen mit Neville und anderen verabreden. Aber sie konnte auskundschaften, wer gerade im Schloß patrouillierte und den oder die dann davon abhalten, die Treffen der neuen Widerstandstruppe auffliegen zu lassen. Snape hatte wohl mitbekommen, daß was gegen ihn und seine Kameraden lief und Umbridges Erlasse umgesetzt, die Schülervereinigungen, Clubs oder Mannschaften untersagten. somit galten mehr als drei Schüler außerhalb ihres zugeteilten Hauses als Verdächtige. Das sprach sich spätestens herum, als die Carrow Hannah Abbot mit ihrer Glühmesserfrisurenstrafe drangsaliert hatte, weil sie mit den Patil-Zwillingen und Lavenda Brown in einem Korridor zusammengestanden hatte. In der Bibliothek saß außer Madam Pince nun auch immer ein Sechst- oder Siebtklässler der Slytherins und sonnte sich in der Macht, die Mitschüler verpfeifen oder auf Carrows Anweisung hin selbst quälen zu dürfen.

Die Eingangstür ging auf. Neville Longbottom kam heraus. Von jenseits der Tür hörte Lea irisches Liedgut aus mindestens zehn Kehlen. Sie fragte sich, wozu das noch gut sein sollte, wo wohl sämtliche Gryffindors Mitglieder der DA geworden waren. Sie wartete, bis Neville weit genug in den Gang hinausgeschlichen war und folgte ihm leise. Im achten Stock, in der Nähe von Trelawneys Turmkammer, begegneten sie beide Cuthbert Bullhorn, der aus Lea unerfindlichen Gründen ein Jahr vor ihrer Einschulung nach Hufflepuff gekommen war, vom Aussehen und Gehabe her aber doch eher ein Gryffindor hätte sein müssen. Der athletisch gebaute Sechstklässler mit der goldblonden Mähne sah Neville an und flüsterte mit ihm.

"Die Trelawney hat sich wieder vollaufen lassen, nachdem Snape der gesteckt hat, daß er sie wohl rauswirft, wenn die noch mal behaupten sollte, die Carrow hätte sich von ihrem Bruder schwängern lassen. Die schläft in ihrer Nebelgrotte da oben wohl die zwanzig Gläser Sherry aus. Also rück die Wundermünze rüber, von der Ernie mir erzählt hat!"

"Ich wollte erst sicher sein, daß du echt zu uns willst, Bert", zischte Neville zurück. "Snape und seine Todesserfreunde werden immer neugieriger. Und nachdem, was Hannah passiert ist ..."

"Eben genau deshalb will ich auch mitmachen, Neville, bevor es meine Freundin auch noch erwischt. Die darf das übrigens nicht wissen, weil die zuviel Schiß vor Snape & Co. hat."

"Du meinst Elly Tinspoon?"

"Eben die. Aber ich denke mal, du hast nicht alle Zeit der Welt." neville nickte und fischte aus seinem Brustbeutel eine Goldmünze heraus. "Da kommt dann drauf, wo und wann wir uns treffen. Da wird dann näheres beredet, Bert."

"Yo, geht klar, Neville. Dann mal bis dann denn!" Erwiderte Cuthbert und zog davon. Neville wollte ihm mindestens eine Minute Vorsprung lassen, nur für den Fall, daß wer ihn aus dem Korridor kommen sehen würde. Lea kannte das schon von Neville. Sie machte sich gerade bereit, vorauszugehen, um ihn bei der Abzweigung wieder überholen zu lassen, als ein dunkelblonder Junge um die Ecke huschte, den sie bei den Gryffindors nur aus mindestens vier Metern Entfernung gesehen hatte. Es war Adrian Moonriver aus der dritten Klasse, von dem das Gerücht ging, daß er ziemlich gut im Unterricht mithielt, womöglich schon einiges voraushatte, weil seine Ziehmutter eine vielseitige Heilerin war. "Hey, Neville, erwische ich dich endlich mal!" Rief der gerade dreizehn Jahre alte Bursche. Neville fuhr herum, den Zauberstab kampfbereit. "Ist nicht nötig, mir was überzubraten und so sinnvoll wie gegen 'ne Mauer zu blasen, Neville", tönte Adrian, der mit leeren Händen auf Neville zueilte. Dabei kam er auf weniger als zwei Meter an Lea heran.

Das was Lea jetzt fühlte, hatte sie unmöglich ahnen können. Es war erst ein Prickeln, daß über ihren Körper fuhr wie hunderte von über sie rennenden Ameisen. Dann war da was wie Ertapptheit, die sich im selben Moment in ihrem Kopf breitmachte, in dem etwas wie eine Explosion heißen Wassers von ihrem Bauch aus den ganzen Körper durchpulste. Dann war es ihr, als habe sie jemand in heißen Beton eingebacken, während es um sie herum flimmerte und sie sich mit Entsetzen selbst wieder sehen konnte. Dabei war ihr trotz der überwältigenden Woge dieser Wahrnehmungen nicht entgangen, wie etwas auf Adrians Brust kurz hell aufgeleuchtet hatte. Der Neuankömmling warf sich herum und starrte Lea an, die jetzt erst aus dieser betonartigen Fesselung freikam.

"Ach neh, Proserpinas liebreizendes Töchterchen Lea ist doch mit nach Hogwarts gekommen", schnaubte Adrian und hatte einen Zauberstab in der Hand, der nicht so neu aussah. Das war eigentlich nicht der, mit dem er sonst in der Schule herumlief. Neville kam herbeigerannt und sah Lea an, um die herum die Luft immer noch flimmerte.

"Ups, ich dachte, die wäre von dieser Bande kassiert worden", seufzte er. Da hielt Adrian seinen zauberstab auf Neville gerichtet, wobei er Lea jedoch nicht aus den Augen ließ. Ohne laut ausgerufen zu werden schlug ein Schockzauber auf Neville über und streckte ihn nieder. Dann hielt Adrian seinen zauberstab auf Lea, die nicht schnell genug den eigenen Zauberstab greifen konnte. Von einem Bewegungsbann getroffen stand sie nun da und konnte nur zusehen, wie Adrian auf den Gang zielte und ein paar ihr noch unbekannte Worte ausrief, worauf ein durchsichtiger Würfel erschien, der den Gang vollständig blockierte. Danach kehrte sich Adrian wieder lea zu, winkte lässig mit dem Zauberstab und nahm ohne hörbares Wort den Bewegungsbann von ihr.

"Haben dich deine Mum und deine liebe Großmutter und ihr nettes Schwesterchen zum Auskundschaften hergelassen, Lea. Versuch's erst gar nicht, mir was überzubrennen. Wie du merkst habe ich ein paar Sachen mehr drauf als du. Und mein schnuckliger Wachquader würde dich auch nicht in den Gang entwischen lassen, sollte es dir einfallen, abzuhauen, bevor ich nicht weiß, was ich wissen will."

"Wie machst du das", stammelte die sichtlich eingeschüchterte Lea.

"Erstmal stelle ich die Fragen, Mädchen", bellte Moonriver ungeachtet, daß Professor Trelawney es hören könnte. "Also seit wann bist du hier, wie hast du das mit deiner Unsichtbarkeit angestellt, und was genau sollst du hier tun, wenn du schon nicht offen im Zug mitfahren konntest?"

"Erstens geht dich das einen feuchten Dreck an, was ich hier mache und wie ich hergekommen bin. Zweitens spielst du dich für 'nen halbvollen Umhang von dreizehn Jahren auf wie einer vom Aurorenkorps. Dabei weiß ich, daß du zu denen in eurem Maulheldenhaus gehörst, die sich seit die Carrows hier ihre Nummer durchziehen schön ruhig und unterwürfig verhältst. Also mach hier jetzt nicht den starken Maxen!"

"Waren schon alle so großspurig und frech, die Mädels aus deiner Ahnenlinie. Hast echt Dulcinellas Blut in den Adern. Siehst auch fast so aus, jetzt, mit dem netten Haarknoten."

"Woher kennst du meine Urgroßmutter Dulcinella?" Fragte Lea doch jetzt etwas beunruhigt.

"Habe genug von ihr mitbekommen, um sie kennen zu können", grummelte Adrian Moonriver. "Ihre Mum Leda bildete sich ja was drauf ein, von den Rainbowlawns abzustammen. Aber das tut hier und jetzt nichts zur Sache. Du bist jetzt hier, und ich will wissen wieso."

"Bist du gut im duellieren?" Fragte Lea nun wieder trotzig und zog ihren Zauberstab. Doch Adrian lachte nur und steckte seinen eigenen Zauberstab fort. "Probier's aus, Kleine. Dann bist du jedenfalls schlauer." Lea argwöhnte, daß der Bursche da was in der Hinterhand hatte. Was hatte sie enttarnt? Da hatte der doch noch keinen Zauberstab in der Hand gehabt. Mochte es sein, daß ihm wer ein Schutzartefakt gegen hinterhältige Angriffe mitgegeben hatte? Sie zielte für einen Moment auf Adrian, machte eine schnelle Schwenkbewegung, wobei sie "Monstrato Incantatem" wisperte. Für genau eine zehntel Sekunde glomm ein rot-blauer Lichtkegel von ihrem Zauberstab auf, berührte Adrians Körper und verwandelte sich in goldenes Licht, bevor er mit lautem Knacken verging.

"Hätte ich wohl an deiner Stelle auch zuerst mal gemacht, Mädchen. Du siehst jetzt also, daß ich was an mir habe, daß einige Zauber fernhält. Bist übrigens hier nicht die erste. Die nette Alecto Carrow, deren Mum ich schon in ihrer Mum habe rumstrampeln sehen dürfen, hat auch gemerkt, daß man mir nicht dummkommen kann, als sie ihren linken Arm etwas zu nah vor mich hielt und da ein wohl ziemlich schmerzhaftes Zwicken verspürt haben muß. Du bist keine von denen, sonst täte dir der Todesserarm jetzt auch höllisch weh. Wie ich das hinkriege oder besser was ich habe, um das hinzukriegen ist meine Sache. Aber weil ich den Wächterquader gezaubert habe kann ich mir rausnehmen, dich zu fragen, was du hier zu suchen hast, wenn du schon unsichtbar rumläufst." Er starrte mit seinen grasgrünen Augen auf Leas Körper, um den es immer noch leicht flimmerte. "Ach, wie ich sehe wohl kein Tarnumhang. Auch kein Tarnzauber. Weil der wäre mit lautem Knack in viele bunte Blitze zerbröselt. Also kann's nur der Trank der Verborgenheit sein. Mutig, Ms. Drake, den einzunehmen, wo der so'ne heftige Nebenwirkung hat."

"Du tönst rum, als wenn du schon länger auf der Erde rumliefest als du aussiehst, Typ", knurrte Lea. "Um deine neugierige Frage zu beantworten, damit wir beide heute noch was zu essen kriegen: Ich soll aufpassen, daß die Carrows und der Mördergolem Snape hier in Hogwarts nicht alle auf du-weißt-schon-wens Seite rüberziehen oder umbringen, nachdem klar war, daß die ganzen Muggelstämmigen hier nicht mehr reingelassen werden. Da die in Slytherin gewisse Probleme mit mir haben und mir bestimmt nix erzählen würden ging's nur mit dem Trank. Mehr kriegst du von mir nicht."

"Echt?" Fragte Adrian und blickte Lea tief in die Augen. Diese reagierte sofort und verdrängte jeden ihrer Gedanken so gründlich, daß sie nichts von sich offenbarte. Adrian konzentrierte sich. Lea fühlte einen immer größeren Druck in ihrem Kopf. Sie warf sich herum, zückte den Zauberstab und rief: "Terra Lapisque permeabilis pro Vivo!" Dann warf sie sich gegen die Wand und verschwand darin wie ein Gespenst.

"Verdammt, auf den Trick war ich jetzt nicht gefaßt", knurrte Adrian Moonriver, als er Lea verschwinden sah. Sein Talisman ruckte noch einmal. Dann kam er zur Ruhe. Leas Unsichtbarkeit hatte sie wohl wieder eingehüllt. Mit einer bestimmten Geste gegen den Quader und dem Wort "Reverto" ließ er den durchsichtigen Würfel aus Zauberkraft übergangslos verschwinden. Dann wandte er sich an Neville, den er mit einem Kurzzeitgedächtniszauber bearbeitete, bevor er ihn aufweckte und ihm im Stil eines störrischen Dreizehnjährigen erzählte, daß er auch bei der DA mitmachen wolle. Neville stritt zwar ab, irgendwas mit den Leuten zu schaffen zu haben, die die schwer wegputzbaren Werbebotschaften an die Wände schmierten, meinte aber noch, daß dieser Club wohl nur was für Leute über der vierten Klasse sei.

Lea Drake indes war weit genug von Adrian fort im Parallelgang herausgekommen. Eiskalt durchpulste sie das Gefühl, das mit ihrem Unsichtbarwerden zusammenfiel. Sie fragte sich jedoch, wieviel Wirkungsdauer die eingenommene Dosis wegen der Enttarnung eingebüßt hatte. Außerdem war sie sich sicher, daß dieser Bursche, der für einen Drittklässler mehr als viel zu gut zaubern konnte, sie nun überall suchen würde. Ob der mit ihrer Antwort zufrieden war oder nicht, der Typ konnte ihr gefährlich werden. Sie überlegte, wieso der behauptete, ihre Urgroßmutter Dulcinella zu kennen, ja sogar ihre Ururgroßmutter schon zu kennen. Dann hatte er noch erwähnt, daß er Alecto Carrows Oma gekannt hatte, als die mit Alectos Mutter schwanger war? So würde wohl jemand reden, der mindestens so alt war wie ihre Uroma Dulcinella, aber kein Maulheld aus Gryffindor, nur um sie, Lea Drake, einzuschüchtern oder zu beeindrucken. Ja, beeindruckt fühlte sie sich. Aber nicht von diesem knurrigen Bürschchen mit den grasgrünen Glubschaugen, sondern von seinem mächtigen Hilfsmittel, daß den Zauberfinder ausknipsen konnte und bestimmt die einfacheren Flüche schlucken konnte. Sie hatte von ihrer Mutter und ihrer Großtante einiges gehört, daß es Artefakte gab, die gute Abwehrzauber speichern konnten. Dann war da noch Adrians Versuch, sie zu legilimentieren. Fast hätte er es geschafft, ihren Widerstand zu brechen. Nur die schnelle Flucht durch die Wand hatte sie gerettet. Doch nun galt es, sehr schnell weit genug fort von Trelawneys Turm zu kommen. Um Neville machte sie sich keine Sorgen. Wenn dieser Moonriver mehr drauf hatte als er sonst rauslassen wollte, würde er Neville wohl einen erzählen, ihm sei der Zauberstab ausgerutscht oder sowas. Der Zauberstab! Das war ein ziemlich altes Modell gewesen. Mochte das dann angehen, daß Adrian Moonriver wirklich nicht so jung war wie er aussah? Lea dachte an den Infanticorpore-Fluch. Hatte sich Moonriver damit beharken lassen oder sich den selbst aufgeladen? Oder war er von irgendwas so heftig verflucht worden, daß eine nette Hexe ihn als eigenes Kind neu ausgebrütet hatte? Dann hatte der guten Grund, andauernd herumzuknurren. Iterapartio sollte für die neu aufzulegenden nicht gerade amüsant sein. Eines wußte sie jetzt mit Sicherheit, daß in Hogwarts noch jemand rumlief, der den Carrows und Snape gut einheizen konnte. Ja, und sie mußte auch aufpassen, ihm nicht mehr zu nahe zu kommen. Einerseits hatte es sie gefreut, nach den bald vier Wochen hier mal wieder mit einem lebenden Menschen direkt gesprochen zu haben. Andererseits gefährdete es ihre Aufgabe hier, wenn auch nur einer außerhalb der Schwesternschaft davon was wußte, daß sie hier war. Sie mentiloquierte ihre Mutter an, als sie aus dem Schloß war und schilderte kurz die Situation.

"Oh, hat dich Patience Moonrivers kleiner Zögling enttarnt?" Fragte Proserpina Drake. "Für zwei Minuten? Dann waren das zwei Wirkungsstunden der Dosis, Lea. Aber vor dem mußt du keine Angst haben, wenn du dem nichts tun willst. Da kümmere ich mich drum."

"Wenn du meinst, Mum", gedankenantwortete Lea.

Eine Stunde später traf sie Lady Medeas Bild-Ich in der Nähe von Hufflepuff. "Ich habe diesem Burschen, der sich was auf sein Erbstück einbilden kann die Botschaft verkündet, dich deine Aufgabe erfüllen zu lassen und davon auszugehen, daß du in seinem wie in unserem Sinne handelst." Lea nickte, obwohl Medea es natürlich nicht sehen konnte und antwortete leise, daß sie beruhigt sei.

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Anthelia hatte es nun heraus, die neuen Brutmütter heimlich zu füttern. Hatte sie zunächst heimlich Rinder von Felder heruntergelockt oder aus ihren Ställen entführt, wobei sie vorher immer einen zeitweiligen Unortbarkeitszauber anbrachte, holte sie jetzt, wo die von ihr angesetzten Brutköniginnen das von ihr angebotene Nest mit ersten Eiern belegt hatten, bereits geschlachtete Rinder, Schweine, Wild und Pferde aus Kühlhäusern der Muggelwelt. Mochten die doch denken, weniger zu haben als sie eingelagert hatten. Sie achtete nämlich darauf, nie dasselbe Kühlhaus mehr als zweimal heimzusuchen, wo es in den vereinigten Staaten, Kanada, Mexikos und der europäischen Länder genug Fleischverarbeitung gab, wo sie die tiefgekühlten Tierhälften abzweigen und nach einem Auftauzauber an ihre neuen Helferinnen verfüttern konnte. Zwar beunruhigte sie es ein wenig, daß die mit amerikanischen Honigbienen erzeugten Königinnen schwerer zu leiten waren als die europäischen. Doch nach zweimaligem Anruf mit dem Entomolithen kehrte der Gehorsam zurück. So verging der September. Anthelia war mit ihrer Großimkerei voll auf beschäftigt. So konnte sie nicht mitverfolgen, was sich außer jener Sondertruppe des Ministeriums noch gegen sie zusammenbraute.

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"Soso, ihr hört nichts neues von diesen Entomanthropen oder der Wiederkehrerin", wunderte sich Daianira, als sie am dreiundzwanzigsten September einige getreue Mitschwestern in die Versammlungshöhle eingeladen hatte. Darunter war auch Donata Archstone.

"Offenbar legt sie jetzt alles darauf an, diese Wesen zu kultivieren", sagte die ehemalige Strafverfolgungsleiterin. Lady Daianira nickte.

"Und wenn wir nicht wissen, wo und wie, kommen wir ihr nicht auf die Schliche. Schwestern, sie greift massiv in die natürliche Ordnung zwischen Mensch und Tier ein. Tierwesen zu zzüchten, sofern ihre Ungefährlichkeit gegeben ist, durchaus akzeptabel. Aber, meine lieben, treuen Mitschwestern, die Kreuzung zwischen Mensch und niederem Tier ist ein unverzeihlicher Frevel, und das wißt ihr alle, daß wir derlei nicht tolerieren dürfen. Wie wollen wir dennn die Menschheit in eine bessere Zukunft führen, wenn wir das Menschsein als solches den niederen Tieren gleichsetzen? Nein! Nein! Und nochmals nein! Ich appelliere an euch und verlange, daß ihr das allen anderen treuen Mitschwestern weitergebt, daß wir herausbekommen müssen, wie viele Entomanthropen es gibt, wo sie sich befinden und wie wir die Wiederkehrerin daran hindern können, sie weiterhin zu züchten. Ich denke schon, daß keine von euch, die mal mit dem Gedanken gespielt hat, für sie zu arbeiten oder es auf meinen Vorschlag hin sogar tut, um mir mitteilen zu können, was sie umtreibt, zusehen möchte, wie arglose Menschen, egal ob Muggel oder Zauberer, von dieser auf ihre Vorfahrin pochenden Person geopfert werden, um eine den heiligen Zweck entweihende Vorgehensweise voranzutreiben. Natürlich wollen wir, die wir hier versammelt sind, daß unter der Führung der Hexen die Welt zur Vernunft kommt. Natürlich wissen wir, daß durch die Errungenschaften der Muggel, die sie als Ausprägung wissenschaftlicher und technischer Schöpfung bezeichnen, die Erde vergiftet und ausgelaugt wird. Und selbstverständlich erkennen wir, daß uns nicht mehr viel Zeit bleibt, diese Mißstände zu berichtigen. Doch bei aller Eile und aller Bedrängnis darf und wird es nicht zulässig sein, die große Macht der Magie, die uns zu sehr vielem befähigt, aber auch eine große Verantwortung auferlegt, dazu zu mißbrauchen, Menschen auf die Stufe von Tieren herabzusetzen. DA liegt die Grenze, werte Mitschwestern. bis hier hin und nicht weiter, auch wenn dieser Satz schon in vielen Zusammenhängen benutzt wurde. Wer will, daß die Menschheit eine gemeinsame Zukunft unter mütterlicher Anleitung der Hexen hat, muß hier die Linie ziehen und den Weg der Überzeugungeinschlagen. Bei allem, was Sardonia damals in Frankreich erreicht und erhalten hat, es dauerte nur solange, wie sie es mit Gewalt und Unterwerfung bewahren konnte. Wir wollen auch eine rasche Lösung, aber ohne ihre Monster. Wir müssen einen anderen Weg finden. Die Wiederkehrerin hat dies nicht bedacht. Sie hat aus den Fehlern ihrer Tante nichts gelernt, um es besser zu machen. Sie will dort anknüpfen, wo Sardonia gestoppt wurde. Und bevor ich hier noch eine ganze Stunde längst bekannte und von den meisten von euch für richtig erachtete Dinge darlege, schicke ich euch hinaus zu den anderen Mitschwestern. Und jenen, die bereits mit Anthelia Fühlung halten oder gar endgültig in ihren Dienst treten wollen, lege ich nahe, sie zur Umkehr zu bewegen. Die Entomanthropen sind der falsche Weg. Sie werden sich nicht dauerhaft beherrschen lassen. Je mehr es von ihnen gibt, desto größer wird die Gefahr, die sie bringen, und ihr Nutzen, falls es je einen gab, wird gänzlich verschwinden. So geht nun, meine treuen Schwestern. Semper Sorores!"

"Semper Sorores!" So antworteten die versammelten Hexen, bevor sie disapparierten. Lady Daianira verschwand auch, um in ihrem geheimen Versteck in einen abgedunkelten Raum zu gehen, die Türe zu verschließen und sich dann in jene asiatische Zauberei zu vertifen, die ihr ermöglichte, ihren Körper wie eine Bettdecke abzustreifen und ungehemmt von räumlichen Entfernungen und fester Materie dorthin zu springen, wo Donata gerade war. Denn Daianira war sich sicher, daß Donata Archstone Anthelia so bald wie möglich aufsuchen würde, um ihr diese Botschaft zu bringen. Doch Donata war zunächst in ihr privates Haus zurückgekehrt, wo sie diverse Schutzzauber unterhielt, die auf Daianiras Geistkörper jedoch nur eine sehr geringe Wirkung hatten. Natürlich mochte Donata mentiloquistisch mit Anthelia in Verbindung treten. Doch das war ja dann auch von der Entfernung abhängig. Dennoch beobachtete sie Donata eine Weile lang, bis diese disapparierte. Daianira versuchte, ihr zu folgen, landete jedoch nicht bei Donata Archstone, sondern bei einigen jungen Burschen im Zaubereiministerium, die sich gerade über Donata Archstone unterhielten. Da wußte sie, daß Donata ganz gewiß an einem durch mächtigen Zauber geheimgehaltenen Ort übergewechselt war, womit sie nur noch dort ankommen konnte, wo über sie geredet oder an sie gedacht wurde. Also war sie tatsächlich in das wohl fideliusgesicherte Hauptquartier Anthelias appariert.

"Der Wishbone hätte Ms. Archstone nicht feuern dürfen", sagte Rico Waldman, ein Außendienstmitarbeiter der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe. "Wenn die oder eine andere Hexe echt mit dieser dreckigen Nachtfraktion kungelt, fühlen die sich jetzt erst recht aufgefordert, das Ministerium abzusägen. Ich weiß nicht, was Wishbone da geritten hat."

"Rede nicht so daher, Rico. Weißt du, ob wir nicht alle belauscht werden?" Zischte Stanley Silverdrop, ein wohl gerade seit zwei Jahren aus Thorntails verabschiedeter Bursche mit rotem Haar. "Abgesehen davon brauchen wir ja echt keine Spione im Ministerium. Nachher klüngeln die noch mit Du-weißt-schon-wem. Dann hätten wir hier eine ähnliche kaputte Lage wie die drüben in Großbritannien."

"Ich höre wohl nicht recht", dachte Daianira. "mir und den anderen Kolaboration mit dem Emporkömmling unterstellen."

"Sagt Wishbone, Stan. Tatsache ist jedoch, daß wir mit Davenport und Cartridge und Archstone besser dran waren", erwiderte Rico. "Weißt du was die im Handel jetzt rumgereicht haben?"

"Du wirst es mir sagen, Rico."

"Daß wir in spätestens einem halben Jahr pleite sind, Stan. Ohne die Goldtransfers von und nach Europa, Afrika und Asien und ohne den Warenaustausch geht erst der Handel kaputt, mit dem die Abgaben und dann das Zaubereiministerium. Dabei ist es völlig egal, ob da draußen ein Lord Unnennbar sitzt oder eine friedliche Welt herrscht. Weißt du, wer mir gestern über den Weg gelaufen ist, Goddy Cartridge. Die wollte sich erkundigen, ob sie für sich und ihre Familie einen eurasischen Feuerraben importieren dürfe. Ich habe ihr zwar die Formulare gegeben, aber gleich gesagt, daß im Moment der internationale Handel umgestrickt wird. Ich habe ihr noch empfohlen, erst einmal einen von Madam Corax Edelraben in Cloudy Canyon zu kaufen, die wären auch sehr sprachbegabt und könnten mehr als zwanzig Jahre alt werden."

Daianira wollte sich schon zurückziehen, als Stanley Silverdrop sagte:

"Hast du auch schon gehört, daß der Minister in den nächsten Wochen eine Befragung aller Hexen und Zauberer vornehmen lassen möchte, wie sie zum Ministerium stehen. Die Pabblenut und die Hemlock sollen da auch bei sein. An die Lehrer in Thorny und Dragonbreath will er dann in den Ferien ran. Der wird wohl langsam paranoid."

"Öhm, selbst wenn das stimmen würde, was du da sagst, Stan, wäre das bestimmt nichts für die Kantine", wisperte Rico. Doch das Kind lag schon im Kessel.

"Rico, der zerlegt das Ministerium und baut da einen Sicherheitsbunker draus. Wenn du den Schlüssel auf der falschen Seite stecken läßt wird eine Festung sofort zum Gefängnis. Das kann dir doch nicht egal sein."

"Stan, besser ist es wohl, wenn wir uns nicht den Kopf des Zaubereiministers zerbrechen", zischte Rico. Stan grinste und meinte:

"Ey, du hast angefangen, weil du meinst, der hätte Donata Archstone und Nancy Gordon nicht feuern dürfen. Also sag jetzt nicht, ich hätte angefangen!"

"Vergiss es, Stan", brummte Rico nur, stand von seinem Stuhl auf und ging ohne weiteres Wort.

"Soweit hat er es in gerade einem Monat gebracht, daß Kollegen sich nicht mehr unterhalten möchten, weil sie Angst haben, jemand könnte sie belauschen", dachte Daianira und versuchte noch einmal, zu Donata Archstone zu gelangen. Doch sie glitt von einem unsichtbaren Widerstand ab. Auch der Versuch, Anthelia zu erreichen scheiterte. So wünschte sie sich zurück in ihren eigenen Körper.

"Dann kann ich mich wohl darauf einrichten, demnächst von einer freundlichen Fachkraft des Ministeriums für Zauberei eingeladen zu werden, um irgendwelche Fragen zu meiner Einstellung zu beantworten. Für wahr, er baut unser schönes Land zu einem Sicherheitsgebäude um. Dabei ist dieser Emporkömmling doch mehrere tausend Meilen von hier fort." Doch dann fiel Daianira auch ein, daß Wishbone immer schon ein Sicherheitsfanatiker gewesen war, auch als von Riddles Rückkehr noch keine Rede sein konnte, geschweige denn von Anthelia oder den Abgrundstöchtern. Es hatte schon was für sich, nicht dem Wachhund den Haustürschlüssel umzuhängen, erkannte die Sprecherin der entschlossenen Schwestern Nordamerikas. Andererseits konnte sie Wishbones Verfolgungswahn auch ausnutzen, um Anthelias Pläne zu stören, zumindest die in den Staaten. Andernorts hatte sie ja offenbar auch schon Bundesschwestern geworben. Sollte sie diesem Sicherheitsfanatiker einen Pakt anbieten? Nein, dann müßte sie sich ja offenbaren. Und das lag ihr fern. Nein, es gab nur den einen Weg, sie mußte Anthelia aus ihrem sicheren Versteck herauslocken. Aber dafür konnte sie das Ministerium gut einspannen, befand sie. Sie hatte es doch mitbekommen, wie diese damals den Tod Patricia Stratons zugegeben hatte. Genauso konnte sie jetzt ein Ultimatum an den Minister schicken, wobei sie natürlich die Entomanthropen als Waffe androhen würde. Noch besser: Sie setzte dieses Ultimatum in beide großen Zeitungen der Staaten. Dann hatte die Öffentlichkeit es, und der Minister mußte seine lautstarken Versprechungen einlösen und die Feindin jagen lassen. Dann konnte sich Daianira mehr oder weniger ruhig zurücklehnen und den Dingen ihren Lauf lassen. Besser, sie konnte mit ihrem körperlosen Selbst spazierengehen und zusehen, wo Anthelia sich zeigen würde. Da fiel ihr noch etwas ein: Sie konnte die magischen Händler gegen Anthelia aufbringen, daß nur ihretwegen die Verkehrswege blockiert waren. Einige von denen hatten viel Gold, das sie ganz bestimmt nicht verlieren wollten. Zu den bekanntesten magischen Händlern hatte sie Verbindungsleute, denen sie ohne aufzufallen zuspielen konnte, daß der Minister eine Sondersteuer wegen der Jagd auf die Mörderin der Stratons erheben wollte. Gleichzeitig würde sie herausgeben, daß Anthelia und der Emporkömmling einen Geheimplan ausarbeiteten, wie sie sich Europa und die ehemaligen Kolonien aufteilen wollten und Anthelia Südamerika kontrollieren wollte, wenn es ihr gelänge, das hiesige Zaubereiministerium in das totale Chaos zu stürzen. Der Emporkömmling, so würde sie das Gerücht streuen, könne dann mit Kanada auch die vereinigten Staaten übernehmen und dieses wieder an Großbritannien anschließen. Die Zeit des Burgfriedens war vorbei. Anthelia hatte mit ihren Experimenten eindeutig alle Grenzen einer verantwortungsvollen Hexenführerin gesprengt. Sie überlegte, wie viele Tage sie dafür veranschlagen mußte. Denn wenn sie es geschickt genug anstellen wollte, daß keiner auf sie deuten konnte, brauchte sie mindestens eine Woche. So ging sie daran, ihre Überlegungen umzusetzen.

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"Soso, Schwester Donata. Sie möchte mir also diktieren, was anständige Hexen zu tun und zu lassen haben?" Fragte Anthelia amüsiert, als Donata ihrer eigentlichen Anführerin Daianiras Rede übermittelt hatte.

"In gewisser Weise hat sie recht, höchste Schwester. Die Entomanthropen sind ein zweiendiger Zauberstab, bei dem man nicht sagen kann, in welche Richtung der nächste Zauber gehen wird", erwiderte Donata. "Oder möchtest du mir, auch wenn ich es eigentlich nicht wissen soll, verraten, wozu du diese Bestien nachzüchten willst, höchste Schwester."

"Um gegen jene Monstren zu kämpfen, die wir im August entdeckt haben, Schwester Donata. Wie du ja mitbekommen hast vermehren diese sich ähnlich wie Werwölfe durch einen Biß. Ich habe beschlossen, dem Waisenknaben eine gleichfalls schlagkräftige, ja auch gefürchtete Streitmacht entgegenzustellen, wenn er die offene Auseinandersetzung sucht. Da ich als Erbin Sardonias ihr Geheimnis der Entomanthropenzüchtung empfangen habe, kann nur ich diese Streitmacht aufbieten. Und zu eurer Beruhigung. Ich habe nun genug Brutköniginnen, um gegen die Schlangenbestien des Waisenknaben antreten zu können. Außerdem gehe ich sehr stark davon aus, daß Daianira bereits mutmaßt, daß du dich in meinen Dienst gestellt hast, jedoch durch das tragische Ende der Schwestern Sheila und Ardentia mehr als gewarnt ist, dich nicht darauf anzusprechen. Lass ihr irgendwie die Sache mit den Schlangenkriegern zukommen, ohne zu verraten, wer dir diese Information überlassen hat. Womöglich gibt es noch Aufzeichnungen über sie. Dann kannst du gerne mutmaßen, daß ich wohl deshalb Entomanthropen haben will, um gegen diese Monstren zu kämpfen und ob sie etwas vergleichbares hat, was nicht gegen den von ihr umrissenen Kodex geht. Falls nicht, trüge sie die Schuld, wenn diese Echsenwesen uns eines nicht so fernen Tages überfallen und nichts und niemand sie wirkungsvoll bekämpfen kann. Ich habe eigentlich immer gedacht, sie sei intelligent genug, mehr als nur eine Rangstellung zu sehen. Sie heuchelt, wenn sie meint, es müsse doch einen Weg der Überzeugung geben, um die Welt vernünftig zu führen. Sicher ist Überzeugung wichtig, und ja, meine Tante mag einiges übersehen haben, was sie hätte anders machen können, wozu vielleicht auch die Entomanthropen gehören. Aber was Daianira tut ist nur reden. Ihr sogenannten Entschlossenen habt in allen Jahrhunderten nach meiner Tante und mir nur geredet und halbherzige Versuche unternommen und regt euch jetzt auf, daß jemand wie ich nicht redet, sondern handelt und gleichzeitig eine Überzeugung verbreitet, die ohne Gewalt und Unterdrückung auskommt. Doch ich mußte auch lernen, daß eine Herrschaft, die Angst vor dem Einsatz notwendiger Gewalt hat, eine leichte Beute für barbarische Gruppen ist, wie wir jetzt ja in Großbritannien erleben. So geh und bring es Daianira bei, daß die Entomanthropen nicht gegen sie oder die geordnete Welt geschickt werden sollen!"

"Ich werde zusehen, wie ich das regeln kann, höchste Schwester", sagte Donata. "Allerdings könnte es passieren, daß die, die wie ich Lady Daianiras Rede gehört haben von dir abfallen werden."

"Nur wenn Daianira etwas sichereres zu bieten hat als ein paar kluge Reden, die jede Zögerliche hält, Schwester Donata."

"Wenn du das meinst", erwiderte Donata leicht verunsichert und verschwand aus der Daggers-Villa bei Dropout. Anthelia saß eine Weile da. Sicher wollte sie die drei neuen Königinnen auch nicht dauernd auf der Welt haben, geschweige denn ein paar tausend ständig hungrige Abkömmlinge davon. Doch Entomanthropen waren die einzigen Wesen, die sie wirksam gegen die Schlangenkrieger aus der Vorzeit einsetzen konnte. Vielleicht sollte sie Daianira persönlich aufsuchen, um sie zu überzeugen. Wenn sie sich ruhig verhielt, konnte sie diesen Eiferern von der My-Truppe schön aus dem Weg bleiben.

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Tim fühlte sich jeden Tag angestrengt. Diese Sophia Whitesand, Dumbledores Cousine, beharkte ihn immer wieder mit dem Imperius-Fluch und versuchte, ihm absolut ungewollte Sachen abzuverlangen. Einmal hatte er die französische Nationalhymne singen und den Schlachtruf der königlich britischen Armee intonieren sollen, wo er doch von Vaters Seite her der Kriegsmarine zugetan war. Dann sollte er ein rosa Ballettkleid anziehen und zu einem kitschigen Spieluhrentitel komische Verränkungen machen. Er haßte das Ballett. Seine Mutter war als Mädchen neun Jahre zum Unterricht gegangen und schwärmte für dieses organisierte herumhüpfen vor Publikum. Er hielt Tanzen nur für was echtes, wenn jeder mitmachen durfte und dabei nicht auf die Anweisungen anderswie veranlagter Ballettmeister oder überheblicher Meisterinnen hören mußte. Er mußte echt seine Okklumentik verbessern, wenn diese nette alte Dame Whitesand diese Gemeinheiten mit ihm anstellen konnte, weil sie wußte, daß er das ganz bestimmt nicht freiwillig tat. Doch er fühlte auch jeden Tag, daß er immer mehr Imperius-Angriffe zurückdrängen konnte. Und er konzentrierte sich immer besser auf das Verschließen seines Geistes. Dann, so Ende September, hatte ihm Sophia eröffnet, daß sie gerne mit ihm zusammen überlegen wollte, wie noch in England lebende Muggelstämmige vor dem Zugriff der Umbridge-Kommission geschützt oder besser in Sicherheit gebracht werden sollten. Er hatte sich bereiterklärt, ihr im Namen ihres seligen Cousins dabei zu helfen, noch mehr Muggelstämmige außer Landes zu bringen. Allerdings, so erfuhr er auch, hätten viele Betroffene Familienangehörige, die reinblütige Zauberer waren. Da habe es schon Fälle gegeben, wo Familienangehörige ihre muggelstämmigen Verwandten an die Kommission oder gleich an die Auroren ausgeliefert hätten. Tim hatte zugesagt, sich an der Rettung von Muggelstämmigen zu beteiligen, die noch gerettet werden konnten.

Wenn er dann abends mit den Barleys über die neueste Entwicklung in der Zaubererwelt diskutierte und auch die Muggelnachrichten aus der zeitung besprach, schwankte er zwischen tiefer Trübsal und stiller Hoffnung. Und immer wieder fanden sich er und Galatea, die er jetzt wie alle hier Gally nannte auf dem Hof und hielten sich schweigend an den Händen. Manchmal mentiloquierten sie sogar miteinander. Ab und an erzählten sie sich auch Sachen aus ihrer Kindheit. Tim war gefragt worden, ob er sich nicht doch mal einen kleinen Bruder oder eine Schwesster gewünscht habe. Er hatte dazu gesagt, daß er vor Hogwarts häufig mit seiner Mutter alleine gewesen sei, aber kein Geschwister vermissen würde, und nach Hogwarts war für seine Eltern das Thema eh gelaufen, zumal sein Vater als Flugzeugträgerkapitän häufig für ihre Majestät und Regierung auf den Weltmeeren unterwegs war. Er fragte, ob sie die Anziehsachen ihrer Schwestern hatte auftragen müssen. Sie hatte nur gelacht und gemeint, daß sie die Sachen ihrer Oma hätte anziehen müssen, um bei den älteren Mädchen nicht so klein zu wirken. Dabei hatte sie jedoch schelmisch gegrinst und ihr feuerrotes Haar ausgeschüttelt. Immer häufiger war ein langer Kuß zur guten Nacht der Abschluß eines nicht langweiligen Tages.

Dann, Anfang Oktober, war Galatea mit der Schreckensmeldung heimgekehrt, daß der amtierende Zaubereiminister eine Volkszählung veranstalten wolle, um die Anzahl von Hexen und zauberern festzuhalten. Natürlich war allen klar, was dies hieß. Denn damit konnten Ministeriumsbeamte nun ganz offiziell in Privathäuser eindringen. Während sie vorne herum fragten, konnten heimlich mitgebrachte Helfershelfer die Häuser durchsuchen, ob nicht doch irgendwo wer versteckt war, der sich vor der Untersuchungskommission gedrückt hatte. Da Tim von der Erfahrung mit Dolores Umbridge her wußte, daß dieses Weib sehr schnell handeln konnte, fragte er, ob es dann nicht besser sei, wenn er bis zum Ende der Befragung bei Sophia Whitesand bliebe. Denn diese, so hatte er erfahren, habe sich ja schon längst vor dem Ministerium versteckt. Ceridwen Barley stimmte dem schweren Herzens zu. Sie bestritt nicht, daß sie die Tischgespräche und die magischen Wettbewerbe mit Tim sehr interessant und motivierend empfand. Er konnte das Kompliment nur zurückgeben. So packte Tim seine spärlichen Sachen zusammen und wurde am Abend noch von Ceridwen Barley zu jenem Punkt gebracht, von dem aus Sophia Whitesand ihn immer abgeholt hatte. Als er sich von ihr verabschiedete sagte sie:

"Das ist kein Abschied für immer, Tim. Und wenn du wiederkommen möchtest, halte ich dir das Zimmer frei."

"Ich hoffe, daß ich bald wieder zu Ihnen kommen darf. Galatea wollte mit mir einmal in das Muggel-London ins Kino."

"Ein derartiges Vergnügen habe ich mir mit Darrin auch schon häufig gegönnt. Viel Vergnügen bei Madam Whitesand! Aber verguck dich nicht zu sehr in ihre schönen Enkeltöchter! Galatea könnte es dir übelnehmen." Er grinste nur und umarmte seine Gastgeberin der letzten Wochen. Danach wechselte er mit Sophia Whitesand per Seit-an-Seit-Apparition zu ihrem Wohnsitz in jenem geheimen Tal über, das unter Fidelius und Sanctuafugium-Zauber lag und somit von keinem unerwünschten Besucher gefunden oder betreten werden konnte.

In Whitesand Valley verbrachte er die ersten Oktoberwochen, wobei er es genoß sich mit den dort im Exil lebenden Muggeln Bill Huxley und seiner Verlobten Lynn Borrows, sowie den Leelands zu unterhalten. Er gab Pina und Olivia Muggelkundeunterricht, weil er die Beziehungen zwischen den Welten besser rüberbringen konnte als Pinas Cousins. Doch jeden Abend vermißte er Galatea. So gewöhnte er es sich an, sie vor dem Schlafengehen anzumentiloquieren. Morpuoras dunkler Schatten war von seiner Seele gewichen. Er fühlte sich nun freier als nach seiner zeit im St. Mungo. In seinen Träumen war er sogar schon so weit, mit Galatea mehr als einen Kuß zu teilen. Doch das behielt er besser für sich.

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Eigentlich, so dachte Lea Drake, als die erste Oktoberwoche um war, müßte sie sich doch richtig freuen. Im Oktober begann die Quidditch-Saison, da gab es Halloween, und die Bäume im verbotenen Wald trugen viele bunte Blätter. Letzteres kündigte sich auch schon an. Doch Quidditch würde in dieser Schule wohl erst dann wieder stattfinden, wenn ein neuer Schulleiter und mindestens zwei neue Lehrer neu anfingen. Nachdem Snape offiziell verkündet hatte, er könne die Mannschaft von Gryffindor unmöglich als reine Quidditchmannschaft ansehen, weil die Gefahr bestehe, daß während der Umkleidezeiten rebellische Aktionen geplant würden, hatten sich auch die Mannschaften von Hufflepuff und Ravenclaw geweigert, das Turnier zu spielen. Slytherins Mannschaftskapitän Malfoy hatte schon gefeixt, daß damit der Pokal automatisch zu ihnen käme. Doch Madam Hooch hatte klar erklärt, daß eine Mannschaft erst dann das Turnier gewonnen habe, wenn sie mindestens zwei Spiele gegen zwei unterschiedliche Mannschaften bestritten habe. Damit hing auch bei den Slytherins der Haussegen schief. Dies äußerte sich in noch gemeineren Aktionen der älteren Slytherins gegen ihre Mitschüler, was zu Gegenaktionen der Gryffindors führte. Dabei fiel Lea auf, daß Snape und die anderen Lehrer nie so viele Punte abzogen, daß ein Schüler deswegen von der Schule gejagt wurde. Als Amycus Carrow wegen eines Viertklässlers Hufflepuff glatte zweihundert Punkte wegen Unordnung in der Schultasche, sowie Respektlosigkeit dem Lehrer gegenüber und Versäumnis der korrekten Hausaufgaben abziehen wollte, hatte Snape das auf nur fünfzig Punkte zurückgenommen, weil der betroffene Schüler wegen Nachsitzens bei Professor McGonagall nicht mehr rechtzeitig mit den Hausaufgaben fertig geworden war. Allerdings hatten die Carrows in ihrer Eigenschaft als schuleigene Strafzuteiler diesen Jungen von mehreren älteren Slytherins mit dem Cruciatus foltern lassen, daß der das ganze Wochenende total geknickt in seinem Schulhaus herumhing. Lea verabscheute diese ungerechtfertigte Brutalität. Wollten diese Marionetten denn wirklich nur verängstigte Schüler haben, die dann, wenn sie merkten, daß sie nicht mehr so schwach waren, alle Welt zu hassen anfingen? Lea Drake konnte die Frage im Moment nur mit einem glatten Ja beantworten. Diese Aktion gegen den Hufflepuff hatte sie dazu bewogen, ihre Beobachterrolle ein kleinwenig aufzulockern und ihre Hauskameraden zu beschatten, die sich mittlerweile als die willigen Vollstrecker des Terrortrios herausgebildet hatten. Einmal wollte Crabbe ein Hufflepuff-Mädchen aus der dritten Klasse aus dem Hinterhalt mit dem Cruciatus überfallen. Da ließ Lea den einfach über seine klobigen Füße stolpern und hinschlagen. Das Mädchen nahm sofort Reißaus. Crabbe versuchte, ihr nachzusetzen, verlor dabei aber fast einen Schuh, weil Lea mit einem Hexen eher geläufigen Zauber seine Schnürsenkel hatte aufgehen lassen. Dann verfolgte sie Malfoy, der Romilda Vane was heimleuchten wollte, weil die sich etwas zu laut über Pansy Parkinson ausgelassen hatte. Offenbar wollte der sie an einer uneinsehbaren Stelle fertigmachen. Doch sie brauchte nicht einzugreifen, weil drei Fünftklässler der Gryffindors auftauchten und Romilda begleiteten, ohne sich mit Draco Malfoy anzulegen.

Nach einigen Tagen erkannte sie jedoch, daß sie nicht an so vielen Orten gleichzeitig sein konnte. So verlegte sie sich darauf, heimlich Warnungen vor geplanten Aktionen der Slytherins an Ravenclaw, Gryffindor und Hufflepuff weiterzuleiten, indem sie Lady Medeas Bild-Ich bat, die diesen Häusern genehmen Bilderwesen mit entsprechenden Mitteilungen loszuschicken. Die Carrows gerieten in Wut, weil alle Versuche, Dumbledores Armee zu erwischen ins Leere stießen.

Hagrid mußte sehr schnell das Weite suchen, als rauskam, daß er jede Woche Schüler zu einer Durchhalteparty für Harry Potter einlud. Wäre sein "kleiner Bruder" Grawp nicht gewesen, die Carrows hätten den Halbriesen glatt mit dem Todesfluch oder ähnlichem beharkt. Lea hatte es nachts durch eines der Fenster der großen Halle gesehen, als ihr Voldimeter sie geweckt hatte, weil vier Todesser an der großen Halle vorbeigeschlichen waren. Nach Hagrids Flucht hatten Alecto, Amycus und McNair Feuerkugeln in die Hütte reingeschossen, die darauf in weniger als einer Minute restlos zu Asche zerfiel. Andern Tags hatten diese Auswürfe einer Sabberhexe behauptet, Hagrid habe mit Aufrührern einen Plan zum Sturz des Ministers und der Schulleitung ausgedacht und sei beim Kampf mit den Auroren getötet worden. Das hatte die Schülerschaft sichtlich runtergezogen. Doch Lea ließ über Lady Medea verbreiten, daß Hagrid mit seinem starken Brüderchen das Weite gesucht hatte und ließ aus jedem Haus jemanden die riesigen Fußabdrücke neben dem langsam vom Wind verteilten Aschehaufen finden. Die Carrows versuchten, ihre Lüge durch die Androhung harter Strafen zur Wahrheit bestimmen zu lassen. Doch ihr Versäumnis, die Riesenspuren zu löschen, war ihnen bereits unangenehm aufgestoßen. Dann war da noch ein Interview im Klitterer, des an sich recht merkwürdigen Magazins von Xenophilius Lovegood, wo Hagrid über den nächtlichen Überfall und seine Flucht sprach. Natürlich galt der alte Erziehungserlaß aus der Ära Umbridge, demnach der Klitterer in Hogwarts verboten sei. Doch wie damals halfen die älteren Schüler ihren jüngeren Kameraden dabei, die neuesten Exemplare zu maskieren. Lea fragte sich, warum Snape nicht einfiel, daß die Schüler verbotene Zeitschriften lesen konnten, die bei Beschlagnahmungsaktionen nicht als solche auffielen. Mimicrius war ja kein wirklich geheimer Zauber. Nur das Schlüsselwort, um einen Gegenstand zu enttarnen, konnte geheim sein. Doch Snape war ein sehr guter Legilimentor. Und Amycus Carrow war in dieser Kunst auch ein wenig begabt, wenngleich der wohl nicht die geistige Ausdauer besaß, wirklich mächtig damit zu hantieren. Lea hatte es beim Belauschen einer Verteidigungsstunde der ZAG-Klasse der Ravenclaws mitbekommen, wie Amycus versuchte, Gloria Porter über ihre Eltern auszuhorchen und die ihn sehr konzentriert aber ruhig angesehen hatte, während dem Todesser die Stirnadern schwollen. Gloria sollte wohl deshalb als magischer Sandsack für zwei Sechstklässler herhalten, die auf Amycus' Anweisung hin koordinierte Angrifsfzauber ausführen sollten. Doch Gloria war besser als jeder gedacht hätte. Sie vollführte schnelle Zauberstabbewegungen, tanzte sie anfliegende Flüche aus und tauchte die Angreifer in ein merkwürdiges Licht, worauf die anfingen, sich gegenseitig zu beharken und Gloria Zeit zum verschwinden hatte. Daraufhin versuchte Crabbe, Gloria mit dem schwarzen Spiegel zu imponieren. Lea hielt ihren Zauberstab bereit, um den mit einem simplen Heilzauber zu zerschlagen, doch da zerbarst die schwarze Wand auch schon unter einem blauen Lichtblitz. Crabbe schrie auf und ging in die Knie.

"Mach das bloß nicht noch mal, Crabbe. Ich bin immer noch Vertrauensschülerin hier", zischte Gloria und hexte dem klobigen Nachläufer Malfoys noch etwas an, was diesen wimmern ließ. Lea vermeinte, das Auslösewort für den Depressissimus-Fluch gehört zu haben, der bei gekonnter Anwendung die gleiche Wirkung haben konnte wie die Anwesenheit eines Dementors. Daraufhin war Malfoy erschienen, der sich wohl Sorgen um seinen Nachläufer machte und drohte mit dem Zauberstab. Was er nicht wußte war, daß nicht nur Gloria ihren Zauberstab abwehrbereit hielt.

"Was fällt dir blöder Klugscheißerin ein, einen älteren Schüler umzufluchen? Ich glaube, du hast es nicht kapiert, wer jetzt hier den Ton angibt."

"Sie ganz sicher nicht, Mr. Malfoy, sonst würden Sie sich nicht widersprechen", hatte Gloria darauf geantwortet. "Blöd und Klugscheißer schließen sich gegenseitig aus. Und was ihn angeht, so meinte der, mir zeigen zu müssen, was Sie in den UTZ-Stunden so für feine Sachen lernen. Offenbar wollte er mir Imponieren. Ich mag aber keine schwarzen Spiegel, und habe ihm das deutlich genug gezeigt, daß er, der kein Klugscheißer ist, das sicher gelernt hat. Na, nicht gleich draufhauen, Draco." Draco versuchte, mit einer schnellen Zauberstabbewegung einen Fluch anzubringen. Doch Gloria blockte den ab. "Überlegen Sie sich, welche Zukunft Sie vor sich haben, Mr. Malfoy", schnarrte Gloria noch. "Wenn ich einen Fehler mache, kann ich sterben. Wenn Sie einen Fehler machen sterben erst Ihre Eltern, dann ihre Freunde und dann vielleicht erst Sie."

"Professor Carrow will wissen, wo sich deine kriminellen Eltern rumtreiben. Vor allem dein Vater wird gesucht. Der hat mit den Kobolden zusammen Ministeriumsgold unterschlagen, wußtest du das schon?"

"Ich habe es soeben von Ihnen gehört", erwiderte Gloria ruhig. Draco stieß den Zauberstab vor und versuchte wieder einen ungesagten Fluch anzubringen. Gloria hielt ihren eigenen Zauberstab sicher und beschwor ohne ein Wort einen großen Schild herauf. Krachend zerstob Dracos Fluch daran.

"Das sage ich Professor Snape, daß du unerlaubte Zauber kannst", knurrte Draco.

"Das weiß er bereits", erwiderte Gloria gelassen. "Sie würden ihn nur langweilen."

"Crucio!" Rief Draco. Gloria tauchte zur Seite. Lea drückte sich gegen die Wand. Der Fluch zischte durch den Gang und durchdrang den Körper des fetten Mönches, der gerade freundlich lächelnd heranschwebte.

"Oh, die Herrschaften balgen sich. Das ist doch nicht nötig. Ein älterer Junge zaubert doch nicht sowas böses gegen ein Mädchen", lachte das Hausgespenst der Hufflepuffs und blickte Draco leicht tadelnd an.

"Pass mal lieber auf, daß die Geisterbehörde dich nicht ins Klo eines Nonnenklosters einsperrt, Bruder Schmierbauch!" Knurrte der Vertrauensschüler der Slytherins.

"Na, du wirst doch nicht erwarten, daß die Geisterbehörde mich dazu verdammt, fromme Klosterfrauen bei ganz privaten Tätigkeiten zu erschrecken, Junge. Nein, so gemein ist die Geisterbehörde nicht", lachte der Mönch. Gloria nutzte das Geplenkel, um sich heimlich zu entfernen, weil Draco sich nun über den fetten Mönch ausließ, während Crabbe immer noch die Wirkung des Depressissimus-Fluches verspürte. Lea befand, sich diesen Kindergartenunfug nicht weiter anzuhören. Gloria hatte Draco wieder einmal gezeigt, daß sie wohl eine sehr gute Lehrerin in Verteidigung gegen dunkle Künste erhalten hatte. Oder waren es zwei Lehrerinnen? Immerhin hatte ihre selige Großmutter Jane sie wohl in den Ferien gut ausgebildet. Tja, und von Professeur Blanche Faucon hatte Lea Drake über mehrere Umwege auch nur ausgezeichnetes gehört, wenngleich die einen sie für eine überstrenge Perfektionistin hielten und die anderen sie für vom Leben abgehärtet ansahen. Doch die unsichtbare Schülerin war sich auch sicher, daß diese Konfrontation nur ein kleiner Nadelstich gegen Gloria war, einer von vielen. Ihr war nämlich nicht entgangen, daß sie und die Hollingsworths dauernd von den Carrows bedrängt wurden. Einmal hatte sie Alecto zu ihrem Bruder sagen hören: "Kapiere es nicht, daß Severus diese Schlammblut-Freundinnen und das Großmaul Malone noch hier rumlaufen läßt. Der dunkle Lord ist stinkig, weil dieser Ruster-simonowsky-Knilch mit seiner Ausbrüterin zu den Froschfressern gegangen ist. Die Porter war doch bei denen. Da haben die bestimmt was ausgeheckt, um uns in den Kessel zu rotzen."

"Severus sagt, wer reinblütig ist hat Anspruch auf eine gründliche Zaubereiausbildung. oder glaubst du, der dunkle Lord würde noch damit rechnen, daß du wen abkriegst, um mit dem kleine Reinblutracker auszubrüten?" Lea dachte nur, wie nett das von einem Bruder sein mußte, seiner Schwester unterzujubeln, daß sie keinen Mann mehr abbekommen würde. Alecto kannte diese Sticheleien offenbar und grunzte nur:

"Daß dich ein Mädel mal näher als bis Beinreichweite rangelassen hätte wäre mir auch neu, Amycus."

"Ich fang mir irgendwann eine ein. Laufen ja genug hier rum. Vielleicht stoße ich der Porter was kleines von mir untern Umhang. dann hätte die zumindest noch 'ne Lebensberechtigung."

"Die Schülerinnen sind unantastbar, hat der dunkle Lord uns erzählt. Der will die wohl mit genehmen Leuten verheiraten, die auch sowas wie Grips weitergeben können."

"Genau das ist der Grund, warum der dir noch keinen ins Bett gelegt hat, Schwesterchen, weil der keine Idioten auf der Welt haben will", schnarrte Amycus. Seine Schwester trat ihm dafür ans Schienbein, was dem jedoch nur ein müdes Lächeln abrang.

"Und in spätestens zwei Jahren soll ich auch so'n Geschwisterbalg um mich rumhaben", dachte Lea verächtlich. Als Alecto dann auf dem Absatz kehrt machte und davonmarschierte folgte Lea ihr im sicheren Abstand, bog jedoch in Richtung Slytherin ab.

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Whitesand Valley trug Herbstmode. Zumindest empfand es Tim Abrahams so, als er zwei Wochen vor Halloween mit den hier lebenden Jungen und Männern Fußball spielte. Die Barleys hatten noch immer keinen Besuch von den Leuten des Ministeriums bekommen, die genau dokumentieren wollten, wie viele Mitglieder es in einer Familie gab.

"Und da kommt die Flanke rein!" Rief Mike Leeland und hielt drauf. Doch Tim köpfte den Ball sicher aus dem durch alte Lappen abgegrenzten Strafraum, ohne das Bill Huxley aus dem nach Anleitungen zurechtgezauberten Fußballtor hechten mußte.

"Das war ein Satz mit x!" Rief Tim und sah, wie Chester Powder den Ball locker vor das von seinem Vater behütete Tor dribbelte, dabei Gilbert Hidewoods umkurvte und nach einem angetäuschten Linksschuß das Runde ins rechte obere Eck feuerte.

"Du mußt laufen, Gilbert. Beim Fußball muß die Verteidigung sich bewegen", knurrte Gerry Powder."

"Ist wie beim Quidditch, nur ohne Besen, Gilbert", mußte Tim dem noch beisteuern.

"Das ist doch langweilig das Spiel. Nur ein Ball auf dem Boden."

"Ja, und du darfst den nur mit den Füßen oder dem Kopf spielen", feixte Chester Powder.

"Muggelkram", knurrte Gilbert und verließ das Spielfeld. Da kam seine Großmutter Genevra, eine echte Lady, vom Herrenhaus her. "Chester, Gerry, bei Janine geht's los. Die Mädchen sind schon im Haus."

"Hups, die wollte doch erst am achtundzwanzigsten", staunte Gerry Powder. "Heute ist der siebzehnte."

"Das ist noch normal", erwiderte Genevra. "Alexa wollte auch zehn Tage vor dem errechneten Termin auf die Welt kommen", erwiderte Lady Hidewoods. "Das entscheidet eher das Kind, wann es Geburtstag haben will und nicht die Mutter."

"Sie sagen das So, als wenn der kleine Braten das weiß, welcher Tag ist", meinte Mike Leeland.

"Um deine etwas saloppe Bezeichnung für ein Baby zu gebrauchen, Mike, im Gegensatz zum Ofen weiß der Braten, wann er durch ist", erwiderte die rotblonde Hexe. Mike klappte auf diese völlig unerwartete Antwort hin der Mund auf. Tim mußte grinsen. Das hätte er von dieser Aristokratin auch nicht erwartet. Die gehörte doch ganz sicher auch dem Club an, in dem Ceridwen und ihre Töchter Mitglieder waren.

"Wir kommen rein, bevor das Kleine rauskommt", sagte Gerry Powder. Chester, wir sollten uns erst gründlich die Hände waschen, wo wir den Ball jetzt die ganze Zeit gespielt haben.

"Ich komm mit, bevor Mel mir die ganze Nummer in allen Details erzählen will", knurrte Mike und ging hinter den Powders her. Bill wandte sich an Tim.

"Janine hat den Kindern erlaubt, ihr bei der Geburt ihres Kindes zusehen zu dürfen. Ich warte lieber drauf, bis ich die von meinem eigenen Kind sehen kann. Wie steht's mit Ihnen, haben die Ihnen was in der Richtung gesagt, Tim?"

"Ich bin hier nur Gast, solange die im Zaubereiministerium ihre Familienzählung durchführen. Als geächtetes Schlammblut würde ich meiner eigentlichen Gastfamilie nur Ärger machen, wenn mich da wer aufstöbert", knurrte Tim Abrahams.

"Daß Sie und die anderen sich das gefallen lassen", schnaubte Bill.

"Ist wie bei den amerikanischen Sklavenhaltern oder den Nazis. Widerstand ist da, aber Gewalt bringt nur Gegenterror, Sir. Wir müssen das anders lösen, sonst landen wir nachher auf der selben Stufe wie die."

"Sagt wer?" Fragte Bill.

"Im Moment ich, Sir. Genau das wollen die doch, daß wir uns gegenseitig massakrieren. Ich könnte Sie, Sir, hier und jetzt mit zwei Zauberworten umbringen, zumindest theoretisch. Stellen Sie sich bitte mal vor, was los ist, wenn jeder auf jeden losgeht?"

"Ja, aber Sie haben einen Vater bei der Navy. Der wird doch nicht für's Stillhalten und Ducken bezahlt. Mein Opa war damals mit im ersten Weltkrieg und hat sich da die Hand wegschießen lassen. Der hat aber bis zu seinem Tod vor zehn Jahren gesagt, daß wir uns von Kriegstreibern nie gegen die Wand drücken lassen dürfen. Und ich denke, Ihr Vater würde Ihnen was erzählen, wenn Sie nur auf Weglaufen setzen."

"'tschuldigung, Sir, aber Ihnen ist womöglich noch nicht klar, daß die magische Welt mehr Unheil zwischen einzelnen Leuten anrichten kann als die nichtmagische Welt. Sicher gibt's Waffen, die auf große Entfernung töten können. Aber wer eine Familie, ein Haus oder ein Gelände verfluchen kann, wirkt genauso wie eine Atombombe oder eine Ladung Senfgas, und zwar jeder, der keine Skrupel hat. Widerstand also nur so, wie er nötig ist. Ansonsten gilt das Prinzip, die Gegner ins Leere laufen zu lassen. Das ärgert die mehr als eine offene Front."

"Es stimmt, daß ich von Magie nicht viel verstehe. Das was ich hier mitbekommen habe ist schon heftig, aber noch nicht alles", sagte Bill. Vom Haus her ertönte der Schmerzensschrei einer Frau.

"Das ist die bessere Taktik. Sich zurückziehen und neue Kinder zur Welt bringen anstatt die bereits geborenen Kinder ohne großes Nachdenken zu verheizen. Mein Vater würde auch erst wollen, daß ich in Sicherheit bin, bevor er gegen wen auch immer kämpft, der mir was will. Aber gegen Thicknesse und alle, die hinter ihm stehen kann er nicht kämpfen, ohne Unschuldige zu gefährden. Aber wir können das gerne bei der Obstwiese oder im Haus besprechen, Sir. Die da drinnen sind jetzt schwer beschäftigt."

"Sie haben recht, Tim, ich wollte Sie nicht gegen eine meterdicke Wand hetzen. Natürlich habe ich mitbekommen, wie gefährlich diese Bande ist, die diesem dunklen Lord nachläuft, dessen Namen mir keiner verraten will."

"Aus gutem Grund, Sir. Der hat seinen Namen mit einem Fluch oder Meldezauber belegt, der wohl das ganze Land überspannt. Wer den Namen ausspricht löst diesen Zauber aus. Meine Gastgeberin, Mrs. Barley, hat mir das erklärt."

"Dann nehme ich zurück, was ich gerade gesagt habe, Tim. Wer sowas machen kann sollte nicht offen angegriffen werden, wenn es sich vermeiden läßt. Da muß mit mehr Intelligenz vorgegangen werden."

Tim und Bill kehrten ins Haus zurück, mieden jedoch den Gästeschlafraum der Powders, wo Janine Powder wohl schon in heftigen Wehen lag. Bills Verlobte korrigierte gerade Hausaufgaben der hier inoffiziell unterrichteten Kinder. Sie unterhielten sich über Australien und Tims Ausflüge auf einen Flugzeugträger. Dann sprachen sie über Muggelfrauen und junge Hexen. Lynn grinste dabei und verließ das Zimmer, um die Männer nicht in Verlegenheit zu bringen, mit ihrer Meinung hinterm Berg zu halten. Bill erwähnte leise, daß er fast eine aus England nach Sydney übergewechselte Frau mit schwarzen Haaren um ihre Hand gebeten hätte. Die hatte so einen tollen Namen, Aurora Dawn. Tim schluckte. Dann fragte er, ob diese Aurora Dawn zufällig graugrüne Augen hatte. Bill bejahte es staunend. Dann klickte was bei ihm. "Moment, wollen Sie sagen, die ist ... auch ... eine Hexe?"

"Oh, hätte ich wohl besser nicht antippen sollen", grummelte Tim. "Die durfte es ihnen wohl nicht sagen. Das dürfen Hexen und Zauberer erst verraten, wenn sie klare Heiratspläne auf den Tisch legen. Manche machen es erst auch dann, wenn das erste Kind unterwegs ist. Insofern hätte Ms. Dawn Ihnen das wohl erst dann verraten, Sir."

"Vielleicht hat sie das sogar", grummelte Tim. "Unsere ehrenwerte Gastgeberin hat was von Erinnerungsveränderungszaubern erzählt, mit denen wir eigentlich behandelt werden sollten, wenn die in der magielosen Welt uns nicht wegen der Explosion für tot und verbrannt erklärt hätten. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich als Kind der naturwissenschaftlichen Welt keinen Draht zur Magie oder anderen übersinnlichen Sachen habe. Womöglich hätte ich da Krach mit ihr bekommen, wenn sie es mir erzählt hätte. Als Ingenieur bin ... war ich ja ganz auf Newton, Archimedes und Faraday eingepegelt. Womöglich hätte ich damit mein Ansehen versaut."

"Nicht unbedingt. Soweit ich weiß hat Ms. Dawn Muggelkunde gemacht. Die war zwei Klassen unter mir in Hogwarts ... und hat mir damals ... aus einer ziemlich üblen Sache rausgeholfen, in der ich wohl ... möchte ich nicht gerne drüber sprechen, Sir. Entschuldigung. Im Grunde bin ich froh, jetzt endlich wieder richtig frei atmen und fühlen zu können."

"Aber jetzt möchte ich doch wissen, was Aurora als Hexe macht, wenn sie nicht im Haus rumhockt", sagte Bill schnell, der merkte, daß Tim kurz davor war, in für ihn unangenehme Erinnerungen abzugleiten.

"Sie ist Heilerin geworden, also eine magische Ärztin und forscht viel auf dem Gebiet von Kräuterkunde und Zaubertränken. Sie hat wohl in ihrer Ausbildung auch mal mit einem undichten Uranbergwerk zu tun bekommen. Radioaktive Strahlung war für die damals noch was ziemlich unbekanntes und wurde als neue Art von Fluch angesehen. Ich weiß das von einem anderen Hogwartskameraden, der wie ich Muggelstämmig ist. Der ist deshalb wohl auch Heiler geworden. Hoffentlich konnte der sich mit seiner Frau rechtzeitig absetzen. Soweit ich weiß wohnten die in einer Siedlung, wo auch viele Normalleute wie Sie wohnen." Bill war beeindruckt. Dann fragte er, ob solche Heilhexen auch die sogenannten Muggel behandeln durften, wenn sie eingeheiratet waren. Tim nickte. "sofern die das auch wollen", sagte er dann noch. Bill nickte gleichfalls.

Sieben Stunden später stieß Janine Powder den letzten langen Schmerzensschrei aus, der keine halbe Minute später vom allerersten Schrei eines neuen Menschenkindes beantwortet wurde. Tim wartete, bis Mike Leeland hereinkam und "Jungs, es ist ein Junge", sagte.

"Ein kleiner Bruder hätte mir wohl auch noch gefehlt", lachte Bill und sprach Tim aus der Seele. Immerhin hatte er das Thema mit den Barleys ja schon erörtert. "Mein bester Freund Richard, mit dem ich Eton unsicher gemacht habe, hatte so'n älteren Bruder, ein Klugscheißer und Zurechtrücker vor dem Herrn. An dem wurde der auch häufig gemessen. Hat deshalb wohl auch Chemie studiert, um nicht wie sein Bruder die Juristerei zu machen. Nur Pech, daß ihn so'ne Gaunerbande ermordet hat, nachdem die alles getan hat, ihn wie einen Jack-The-Ripper-Irren darzustellen." Tim schluckte erneut. Sprach Bill Huxley da vielleicht von Richard Andrews? Doch das wollte er lieber nicht aufwühlen, weil er gerade vorhin selbst gemerkt hatte, wie fies dunkle Erinnerungen jemanden heimsuchen konnten. So schlug er nur vor, sich den neuen Erdenbürger anzusehen, wenn Mutter und Hebamme das zuließen.

Am Abend erfuhr er von Galatea, daß die Familienüberprüfer da gewesen waren. Ihre Gedankenstimme trug eine gewisse Trübsal in sich. "Sie haben gefragt, warum wir noch nicht verheiratet seien. Das würde sich für Reinblüter so gehören, gerade wo jetzt der ganze "Unrat" aus der zaubererwelt gekehrt würde. Mum und Brigid haben da ein mieses Gefühl, daß die mir und meinen Schwestern wen anbinden wollen, der im Tross der Todesser drinsteckt. In die McFusty-Blutlinie reinzuheiraten wäre bestimmt was für diese Bande."

"Verdammt!" Konnte Tim Abrahams dazu nur antworten. "Und was macht ihr jetzt?"

"Morgen soll Mrs. Whitesand dich wieder zu uns bringen. Mum will Brigid, Megan, Fergus und mich mit Zaubern belegen, mit denen sie uns schnell von wo immer zurückholen kann. Hoffen wir nur, daß wir die nicht brauchen."

"Wenn die jetzt auf Kuppeltour sind solltest du besser nicht mehr zur Arbeit gehen. Nachher binden die dich mit Yaxley oder Runcorn zusammen, wenn Thicknesse nicht selbst auf dich scharf ist."

"Wie das klingt, scharf auf mich", gedankenknurrte Galatea.

"Ein Muggelausdruck", erwiderte Tim unhörbar in das Raum-Zeit-Gefüge hinein.

"Git nettere Formen, sowas zu sagen", erwiderte Galatea darauf. "Aber darüber sprechen wir dann, wenn wir uns dabei wieder in die Augen schauen können." Tim erwiderte, daß er sich darauf freute.

Am nächsten Morgen brachte ihn Sophia Whitesand an den Treffpunkt mit Ceridwen Barley zurück und bedankte sich noch einmal für die angenehmen Wochen und den Nachhilfeunterricht für die Exil-Hogwartianer. Dann kehrte Tim zurück auf den Hof Hühnergrund.

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Anthelia blickte Donata Archstone sehr verärgert an, als sie den Westwind vom neunzehnten Oktober las. Der Aufmacher zeigte das Foto einer Gruppe von Hexen in weißen Kapuzenumhängen und war fett übertitelt

SARDONIAS ERBIN DROHT AMERIKA MIT MÖRDERISCHEN MONSTERINSEKTEN

"Was fällt denen ein?! Schimpfte Anthelia, als sie den unter der riesigen Überschrift stehenden Artikel gelesen hatte. "Ich habe niemals dieses Ultimatum an den Minister übermittelt. Ich habe keinesfalls vor, die von mir erschaffenen Entomanthropen gegen Städte der Unfähigen zu schicken, um deren Maschinen und Fahrzeuge zu zerstören. Das wäre töricht, weil die Zerstörung erst recht Gift in die Umwelt schleudert. Und ich gedenke auch nicht, jedes junge Mädchen in eine Entomanthropenkönigin zu verwandeln, daß mich nicht als Herrin und Meisterin anerkennt. Und dann noch hier, daß die Goldzähler von der internationalen Gemeinschaft magischer Händler fürchten, meinetwegen ihre Existenz zu verlieren, weil ich ja die Schließung der Grenzen heraufbeschworen hätte und Minister Wishbone zudem für die Abwehr meiner Angriffe eine Sondersteuer erheben würde. Das klingt mir doch ganz danach, als wolle da jemand mehrere Gruppen gegeneinander und dann gegen mich ausspielen. Sage Daianira, ich hätte ein anderes Vorgehen von ihr erwartet. Diesen Trick habe ich da selbst angewendet, um die dunklen Bruderschaften in diesem Land zu beseitigen. Davon steht in diesem Lügenblatt natürlich nichts drin, oder?"

"Weder da noch im Herold. Der schreibt aber auch nichts schönes", sagte Donata und deutete auf die tagesfrische Ausgabe des Kristallherolds, der eher an der Ostküste der Staaten gelesen wurde.

"Oh, ich bin es natürlich schuld, wenn die Händler ihre wie ehrlich auch immer erworbenen Gewinne einbüßen, daß wegen der angespannten Sicherheitslage die Quodpot-Saison gefährdet sei und nebenbei noch behauptet wird, ich hätte den Tod von Minister Davenport zu verantworten. Wie tief mußten die da graben?"

"Da ist noch was, höchste Schwester. Die werfen dir vor, Jane Porter umgebracht zu haben. Und am Tod von Beryl Corner seist du natürlich auch schuld."

"Das muß ich leider bejahen, weil ich diese junge Hexe sehr gerne in unsere Reihen geholt hätte. Sie gelangte an Wissen, daß ich nicht in fremden Händen sehen mag. Leider zog sie es vor, mit dem Zauberstab in der Hand zu sterben, als mich anzuhören und mir mein Eigentum zurückzugeben, das nach meinem ersten Leben in die Hände eines vernarrten Bücherwurms geraten ist. Und was Jane Porter angeht, so wollte ich weder ihren Tod noch den von Schwester Ardentia. Sie war zu neugierig und hat den Fluch herausgefordert, der dich und alle anderen Schwestern vor Verrat schützt."

"Du glaubst, daß Lady Daianira diese plötzlichen Angriffe in die Zeitungen gesetzt hat?" Fragte Donata.

"O Schwester Donata, beleidige tunlichst nicht meine Erfahrung und meine Intelligenz! Wie du selbst mitbekommen hast habe ich die Taktik des Aufeinanderhetzens da selbst verwendet, um besagte Kolaborateure des Waisenknabens auszuradieren, ohne dabei selbst in Erscheinung treten zu müssen. Was hier läuft ist nichts anderes. An und für sich müßte ich über diesen Versuch lachen und mich geehrt fühlen, daß Daianira meine Methoden benutzt, um mich aus der Reserve zu locken. Denn daß ich mir diese ungerechtfertigte Hetze nicht gefallen lasse ist leider zu erwarten. Ich kann und werde nicht untätig herumsitzen, bis jemand dich oder andere treue Mitschwestern dazu zwingt, Ardentias Ende nachzuerleben. Aber ich werde mir wohl was besonderes ausdenken müssen, um diese unzutreffenden Vorhaltungen auszuräumen. Ich gehe davon aus, Daianira weiß von den Schlangenkriegern?"

"Es gelang mir, einige Archivberichte zu finden. Daianira glaubt jedoch nicht, daß diese Wesen existieren. Sie müßten ja zehntausend Jahre überdauern können, sofern es das alte Reich denn wirklich gegeben habe", erwiderte Donata und machte eine abbittende Geste in Richtung Anthelia. Dabei fühlte die höchste Spinnenschwester, wie ihr Seelenmedaillon vibrierte. Das tat es doch nur, wenn es dunkle Kräfte oder Wesen erfaßte.

"Und diese Ignorantin habt ihr zu Eurer Sprecherin erwählt?" Schnaubte Anthelia verächtlich. "Ich könnte sie eines besseren belehren, indem ich ihr genug von dem Gift verabreiche, das die Wandlung bewirkt. Doch das würde sie direkt unter den Bann des Waisenknaben stellen, und mir damit selbst ein Bein stellen. Jetzt werden die Händler alle Hexen in ihrer Umgebung verdächtigen, für mich zu arbeiten. Na, ob das dem Familienfrieden gut tut?"

"Das Ministerium wird jetzt erst recht hinter dir herjagen, höchste Schwester. Immerhin haben sie dich als Mörderin der Stratons eingestuft."

"Zumindest war sie schlau genug, meinen Namen nicht herumgehen zu lassen. Denn außer euch treuen Mitschwestern kennt nur jede Sprecherin der sogenannten Entschlossenen ihn."

"Das ist so nicht richtig, höchste Schwester. Es kann durchaus sein, daß diese Sprecherinnen ihn an andere weitergegeben haben", wandte Donata ein, die sich in ihrer Haut nicht so recht sicher fühlte.

"Immerhin könnte der außergewöhnliche Knabe, der mir die Vernichtung Hallittis und Bokanowskis ermöglicht hat mittlerweile wissen, wer ihm das Leben gerettet hat."

"Er wird es so sehen, daß du ihn als Köder ausgeworfen hast, höchste Schwester", widersprach Donata.

"Was in der Konsequenz nicht einmal falsch ist. Andererseits wäre er auch ohne mein Interesse in Hallittis Hände geraten oder von diesem Naturschänder Bokanowski aller angeborenen Geheimnisse beraubt worden. Ich erfuhr, sein Denken huldige der Logik. Dann sollte ihm bewußt sein, daß er nicht meinetwegen in diese Bedrängnisse geriet und mir danken, ihm heil herausgeholfen zu haben", entgegnete Anthelia ganz ruhig. "Doch gilt es nun vordringlich, die Frechheit und Ignoranz Daianiras angemessen zu beantworten, ohne den von ihr erzeugten Ruf zu bedienen, ich sei eine mit Bestien um mich werfende Totschlägerin. Natürlich erklären diese Narren die Handlungsweise meiner Tante als unrühmlich und verwerflich und begründen darauf ihre Anklage wider mich und dich und alle anderen, die mit mir sind. Dann frage ich dich noch einmal, warum du dich mir damals anschließen wolltest, wo du doch alles wußtest, was meine großmächtige Tante Sardonia ins Werk gesetzt hat?"

"Der Umstand, daß die bisherigen Sprecherinnen der Entschlossenen nur die Zaubererwelt umstimmen wollen. Du wolltest und willst aber auch die Muggelwelt zur Vernunft bringen. Und ich halte es immer noch für vernünftig, ihnen eine giftlose Lebensweise ohne Angst vor Schreckenswaffen und Umweltzerstörung nahezubringen, sonst hätte ich mich nicht von dir willkommen heißen lassen, höchste Schwester", sagte Donata und hielt dabei ihren Geist gerade weit genug offen, daß Anthelia die Wahrheit ihrer Worte erkennen konnte. "Aber wenn Lady Daianira weiß, daß ich mit dir zusammenarbeite, wird sie versuchen, mich gegen dich auszuspielen."

"Davon muß ich ausgehen", sagte Anthelia. Das Vibrieren des Medaillons war nun deutlicher. Irgendwas dunkles baute sich in oder um Donata auf. "Aber der Treuefluch hindert dich daran, deine Hand gegen mich zu erheben, genauso wie der Eid der Entschlossenen dich dafür bestrafen würde, Daianira anzugreifen. - Womöglich hast du gerade etwas an oder bei dir, was dunkle Kräfte ausstrahlt?" Donata erschrak. Was sollte sie an sich haben? Sie überlegte nur einen Moment. Dann zog sie den Umhang aus und warf ihn auf den Steintisch. Anthelia näherte sich diesem mit dem Medaillon, das nun immer stärker zitterte und zu dem Kleidungsstück drängte, das sich sacht aber sichtbar zu bewegen begann und sich auf das Medaillon zubewegte. Anthelia lächelte kalt. Dann zog sie ihr magisches Schmuckstück zurück. Der Umhang auf dem Tisch raschelte ein letztes Mal. Anthelia wandte sich an ihre Mitschwester, die nun nur noch in Unterkleidung dastand. "Also sage mir noch einmal, wem du verbunden bist!"

"Ich bin einzig dir verbunden, höchste Schwester Anthelia!" Sagte Donata Archstone. Da passierte es. Der Umhang auf dem Tisch loderte einen winzigen Moment grellblau auf. Dann knallte es, und er war verschwunden.

""Verdammt!" Fluchte Donata. "Die hat meinen Umhang verhext. Ich erinnere mich, daß ich mir bei ihr aus Versehen Kaffee darüber geschüttet habe. Womöglich hat sie die Tasse mit einem verzögerten Schlüpfrigkeitszauber belegt. Dann hat sie meinen Umhang genommen und gereinigt und getrocknet."

"Und dabei den Schmelzfeuerfluch hineingewirkt, der bei einer bestimmten Situation oder bestimmten Worten einen lebenden Körper wie Wachs zerfließen und in blauen Flammen aufgehen läßt. Damit hast du es jetzt amtlich, daß sie dich bedenkenlos opfern wollte, um mich zu vernichten. Denn dein Leib hätte dem Schmelzfeuer genug Nahrung gegeben, um auch mich zu ergreifen. Wir wären dann wie hellblaue Riesenkerzenflammen verglüht", knurrte Anthelia. "Mein Medaillon hat einen Hang zu dunkler Magie. Und wie ich sehe, zieht es leblose Dinge, in die dunkle Zauber gewirkt wurden ebenso an. Ich hätte es vielleicht auf die direkte Berührung ankommen lassen sollen."

"Schmelzfeuer. Das gehört neben Dämonsfeuer zu den tückischsten Feuerzaubern", schnarrte Donata höchst verbittert.

"Und schädigt nur lebendes Gewebe. Der Fluch zerstört seinen Träger, wenn die Lage eintritt, in der er wirken soll. Diese Frau hat mich heute das letzte Mal unterschätzt", knurrte Anthelia. "Aber wenn ich das Medaillon nicht gehabt hätte, wären wir ihr beide zum Opfer gefallen und zu Geistern geworden. Denn dieses Haus zwingt die Seelen der in ihm verstorbenen zum ewigen Verweilen, egal ob sie Hexen, Zauberern oder Unfähigen einverleibt waren. Doch ich persönlich will noch etwas in dieser Welt bewegen und nicht als rastlose Gefangene in diesen Mauern spuken. Und ich gehe davon aus, du fühlst dich auch zu jung, um deinen Körper jetzt schon abzustreifen."

"Was hat sie davon, wenn sie erst diese Kampagne in die Zeitung setzt, um andre gegen dich aufzuhetzen?"

"Sie wollte dich zu mir schicken und mich dazu verleiten, dir noch einmal das Treuegelöbnis abzuverlangen. Hinzu komt, daß nun alle unsere treuen Mitschwestern dazu getrieben werden, entweder mich auszuliefern, um ihr eigenes Leben zu schützen oder das Ministerium von ihr und den sogenannten Entschlossenen abgelenkt wird, die dann irgendwie herausfinden wollen, wo meine Königinnen brüten. Vielleicht wollte sie aber auch nur, daß du allein verbrennst, damit ich erkenne, daß du für sie wertlos geworden bist."

"Mit anderen Worten, wenn ich zu ihr zurückkehre bin ich tot", sagte Donata.

"Für sie warst du es in dem Moment, wo sie unter deiner Nase ungesagt den Schmelzfeuerfluch in deinen Umhang gewirkt hat. Nun tun wir so, als wärest du wirklich gestorben, aber ich wäre durch einen glücklichen Zufall gerade noch außerhalb der Flammen geblieben."

"Und wo soll ich hin?" Fragte Donata.

"Hier bist du erst einmal sicher. Wenn sie nicht weiß, daß du noch lebst, kann ich ihrem Treiben ein Ende setzen. Vielleicht geht es ohne Gewalt, und falls nicht, so hat sie den ersten Stein nach mir geworfen und nicht ich. Ich war bereit, sie neben mir bestehen zu lassen. Wenn ihr das zu wenig ist, dann sei das Nichts ihr Lohn." Donata nickte schwerfällig. Anthelia oder Daianira. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Jetzt konnte sie nur noch zusehen, wie dieses Geplenkel ausging.

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"Soso, sie will den Jungen herlocken, damit sie ihn für ihren neuen Herrn und dessen Meister öffentlich für seine angeborene Begabung abstrafen kann", sagte die rotgekleidete Hexe mit dem schwarzen Haar. Proserpina Drake hörte zu, wie die gemalte Ausgabe Lady Medeas mit einem Kundschafter aus dem Ministerium sprach, der seinerzeit der lebende Urenkel Medeas gewesen war und deshalb ein Portrait von sich in Rainbowlawn besaß.

"Ich habe es von Wavecrest, daß die Umbridge mit dem Minister was ausgeheckt hat, um diesen Andrews-Jungen nach England zurückzuholen, wo es ihr ja nicht gelungen ist, seine Mutter und ihn zum Schuljahresanfang nach Hogwarts zu locken", sagte der gemalte Urenkel, der der Abbildung nach das gleiche Schwarze Haar wie seine Vorfahrin besessen hatte. "Wenn Ihr damals nicht so viel wert darauf gelegt hättet, meine Abstammung von euch zu verhüllen, geehrte Urgroßmutter, hätte ich wohl keinen Zugang zum Ministerium."

"Ja, das war bereits ein sehr weiser Entschluß", erwiderte die gemalte Medea. Proserpina wartete ab, bis der gemalte Zauberer, der auch ihr Urahn war, in sein eigenes Bild im Herrensaal von Rainbowlawn zurückkehrte. Dann sagte sie:

"Sie hat also doch noch einen Weg gefunden, ihren wahnsinnigen Plan durchzuführen. Natürlich ist das ein genialer Schachzug, die Freunde des Jungen als Druckmittel zu benutzen. Bis wann soll der Bursche nach England zurückkommen und sich dieser Kröte ausliefern?"

"Bis zum Tag nach Samhain, oder Halloween, wie ihr heutigen Leute es unter dem Druck dieser heuchlerischen Götzenanbeter nennt."

"Eine knappe woche wohl", stellte Proserpina Drake fest. "Und wenn der Junge seinen gesunden Verstand über seine Freundschaft stellt oder von Leuten wie Maxime und Faucon zurückgehalten wird, sollen diese Monster die vier verschleppen. Da kommt bestimmt was nach. Dieser Julius Andrews ist ein sehr loyaler zauberer, wie ich von Lea weiß. Der wird es nicht klag- und widerstandslos zulassen, daß seine Freunde seinetwegen leiden sollen."

"Womöglich wird er darauf drängen, daß die Kontakte in unserer Heimat eine Rettungsaktion einleiten", sagte Medea. Dabei umspielte ein überlegenes Lächeln ihren Mund. Proserpina überlegte, was das zu bedeuten hatte und lächelte dann auch.

"Sie werden wohl von der gemalten Aurora Dawn wissen, daß um Hogwarts herum Dementoren lauern. Auch wissen sie, daß dort niemand apparieren und disapparieren kann. Auch ist nicht daran zu denken, mit einer großen Zahl von Zauberern und Hexen auf Hogwarts vorzurücken, weil sofort weitere Dementoren und Todesser alarmiert werden. Diese würde unweigerlich in einer Schlacht ausarten, die das Leben aller Schüler gefährdet. bleibt also nur ein geheimer Weg direkt nach Hogwarts hinein, da dort mittlerweile auch eine Portschlüsselabwehr aufgespannt ist, damit sich dort niemand mit einem solchen Gegenstand absetzen kann. Dann bliebe für die vier nur eine Hoffnung, daß Snape nie von Dumbledore erfahren hat, wie Julius Andrews damals die Galerie Slytherins unschädlich gemacht hat."

"Dann hätte er das Bildnis der Jungfer Dawn sicherlich aus dem Verbund unserer Gemälde entfernt, um den Kontakt zu unterbrechen", bemerkte Lady Medea dazu. Proserpina nickte zustimmend. Dann bat sie Medea, Kontakt mit dem Bildnis Aurora Dawns zu halten und auf eine Reaktion zu warten. Denn dieses von Dolores Umbridge ausgesprochene Ultimatum brachte ja nur was, wenn der, den es betraf, schnellstmöglich davon erfuhr.

"Ich verharre in ihrer Nähe, Proserpina. Gebiete deiner Tochter derweil, in der Nähe der vier Bedrohten zu verweilen und gib ihr kunde, daß ich jeden abend um Mitternacht in dem letzten Bilde vor dem Unterrichtsraum für Zaubertränke mit ihr sprechen kann. Denn durch den Trank der Verborgenheit gewahre ich sie ja ebensowenig wie alle anderen in Hogwarts."

"Ich werde es ihr ausrichten", sagte Proserpina. Lady Medea nickte und verschwand aus ihrem goldgerahmten Bild im roten Salon, dem Versammlungsraum für Hexen. Proserpina lehnte sich in ihrem bequemen Sessel zurück und schloß die Augen. Sie konzentrierte sich. Innerhalb von zwei Sekunden sandte sie an ihre Tochter Lea folgende Gedankenbotschaft aus:

"Umbridge droht Julius Andrews mit Anklage und Inhaftierung seiner Freunde. Stellt Ultimatum bis zum ersten November. Wenn er bis dahin nicht vor sie hintritt, wird Drohung wahrgemacht. Halte dich an Julius' Freunde! Jede Mitternacht Gesprächsmöglichkeit mit Lady Medea in letztem Bild vor Zaubertrankkerker."

"Oha! Könnte Julius einfallen, die da irgendwie raushauen zu lassen. Bleibe an dessen Freunden dran. Sind wahrscheinlich Porter, Malone und die Hollingsworths", empfing sie knapp eine Viertelminute später Leas Antwort.

"Könnte sein, daß die nicht rausgeholt werden wollen, wenn deren Familien dann dran glauben müssen", schickte Proserpina nach einer kurzen Bedenkzeit zurück. Lea antwortete darauf:

"Werden die in Beaux dann auch wissen. Ich passe dann auf, was hier abgeht, Mum." Proserpina Drake bedankte sich bei ihrer Tochter und dachte dann für sich, daß es doch eine gute Idee gewesen war, Lea in Hogwarts unterzubringen.

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Die vergangenen Wochen waren für Lea die trübsinnigsten ihrer ganzen Zeit in Hogwarts gewesen. Nicht nur daß sie die ersten Zusammenkünfte der DA nicht mitbekommen konnte, weil die Interessierten nie miteinander über den Termin sprachen und die Goldmünzen eben leise und unauffällig waren. Nein, sie hatte auch die ständigen Übergriffe der Carrows langsam satt. Sie verabscheute es, nichts dagegen machen zu dürfen. Und da war sie offenbar nicht die einzige. Mitten im Oktober hörte sie einmal Adrian Moonriver mit seinem Klassenkameraden Linus Peacock darüber lamentieren, daß er am liebsten die beiden neuen Lehrer so richtig durch den Wolf drehen wollte. Doch seine Ziehmutter Patience habe ihm dringend davon abgeraten, weil das ja eben nur Marionetten seien, die beliebig oft ausgetauscht werden könnten. "Was ich dann noch hier soll weiß ich echt nicht", hatte Adrian dazu einmal gesagt. "hogwarts ist keine Schule mehr, sondern eine Zauberkinderfolterkammer. Und wenn keiner was dagegen macht bleibt das auch so."

"Bald sind Ferien", hatte Linus darauf gesagt. "Vielleicht können wir dann mit unseren Eltern abhauen."

"Hah, wie und wohin denn?" Hatte Adrian dazu gesagt. "Die überwachen jetzt alle Familien. Willst du deine Verwandten von diesen Kerlen umbringen lassen? Ich denke, daß ich meine Ziehmutter rumkriege, daß ich nach den Ferien hier mehr machen darf."

"'Tschuldigung, Addy. Aber du bist kein Jahr älter als ich", hatte Linus darauf geäußert. "Oder meinst du, die bringen uns hier die dunklen Künste selbst bei, damit wir die damit plattmachen können."

"Ich denk' nicht dran, denen mit ihren schmutzigen Tricks zu kommen, damit die am Ende noch denken, die hätten mich von der dunklen Seite überzeugt", hatte Adrian sehr verärgert geblafft. Lea grinste. Sie ahnte, daß dieser Junge da noch ärger dran war als sie. Sie wußte zwar nicht, wer Adrian Moonriver früher mal gewesen sein konnte. Aber daß der kein dreizehnjähriger Bengel war stand für sie so sicher fest wie ihr eigener Geburtstag.

Lea fragte sich an jenem Montagmorgen, ob sie eine weitere Schulwoche voller Einschüchterungen, Strafaktionen, Mißtrauen und Gehässigkeiten der eigenen Hauskameraden vor sich hatte. Sie würde wohl wie Adrian weiter mehr oder weniger untätig zusehen, wie die Carrows ihre Macht über die Schüler genossen. Wahrscheinlich würde sich die DA zu einer Aktion treffen. Und sie konnte nicht dabei sein, weil sie von ihrer Mutter verboten bekommen hatte, sich eine der Münzen zu holen. Denn an Nevilles kleinen Vorrat konnte sie nicht heran, weil der diebstahlsicher gezaubert war. Vielleicht sollte sie den Gryffindor mit dem Imperius-Fluch dazu zwingen, ihr eine Münze zu geben oder ihr den nächsten Termin und Treffpunkt verraten. Sie wußte nur, das Adrian Moonriver es geschafft hatte, in die DA aufgenommen zu werden. Offenbar hatte der Neville von seinen Fähigkeiten überzeugt. Sie hatte auch einmal mitbekommen, daß Betty und Jenna über die Peeves-Patrouille gesprochen hatten. Gloria hatte diese nette Schülergruppe wohl deshalb wiederbelebt, um für ihren ehemaligen Schulfreund Informationen zu sammeln und vielleicht einen Weg zu finden, Snape und die Carrows kleinzuhalten. Doch wenn die nie daran dachten, diese Terrorbande aus Hogwarts rauszuwerfen und einen wirksamen zauber gegen Todesser zu finden, war das genauso sinnvoll wie das heimliche Gemaule der drangsalierten Mitschüler.

Als sie am Abend dieses Montages erfuhr, daß die vier in Hogwarts lernenden Freunde von Julius Andrews als Druckmittel benutzt werden sollten, um ihn nach England zu locken, gewann sie ihrer Lage wieder einen Sinn ab. Diese Typen wollten den Ruster-Simonowsky kassieren, weil der als Paradebeispiel für einen besonders gut zaubernden Muggelstämmigen herhalten konnte. Deren abgedrehter Meinung nach mußte der dann ja verdammt viel Zauberkraft geklaut haben, falls seine Mutter nicht schon irgendwie eine ganze Ladung Zauberkraft von irgendwem abgezogen hatte, um ihren Sohn damit aufzufüllen. Solange er damit frei herumzaubern durfte, piekte er diese Bande um den Emporkömmling immer wieder an. Und die Umbridge wollte sich diesem Massenmörder gegenüber als supererfolgreiche Helferin unentbehrlich machen, auch wenn die wohl selbst keine Todesserin war. Lea fragte sich, wieso sie jetzt erst auf diesen fiesen Dreh kamen, um Julius Andrews einzukassieren. Lag's daran, daß ihre Kommission längst nicht alle Muggelstämmigen erwischte, die sie nach Askaban verfrachten wollte? Oder wollte jemand anderes nicht, daß reinblütige Schüler, wenn sie einmal in Hogwarts waren, nicht angerührt werden durften? Offenbar hatte die Umbridge Thicknesse und den Emporkömmling jetzt davon überzeugt, ein ganz großes Exempel statuieren zu müssen, um ein für allemal klarzumachen, daß die Muggelstämmigen nichts mehr in der magischen Welt verloren hatten. Da einen zu erwischen, der außerhalb des eigentlichen Machtbereichs saß und seelenruhig seine Ausbildung durchzog würde den Rest der Muggelstämmigen in England selbst wohl von den Beinen holen. Auf jeden Fall würde diese Kiste sehr spannend sein, dachte Lea. Denn entweder kam Julius Andrews vor die Umbridge gekrochen und bat um das Leben seiner Freunde, oder die wurden von den Dementoren abgeholt und wohl auf Nimmerwiedersehen in Askaban verbuddelt oder gleich seelenlos geküßt. Spätestens das würde Julius wohl ziemlich runterziehen, dachte Lea und ging davon aus, daß die Umbridge und ihre Befehlshaber das auch so dachten. Tja, oder Julius bekam es mit denen, die auf ihn jetzt aufpaßten hin, die vier noch vor dem Morgen nach Halloween aus Hogwarts rauszuzaubern, wie ein Muggeltrickser, der sich großspurig Magier oder Zauberkünstler nennen durfte, weil die Zaubereigesetze eben nur für echte Zauberer galten und den Muggeln nichts vorschreiben durften. Womöglich würde Julius Andrews schon diesen Abend erfahren, was seinen Freunden blühen sollte. Lea mußte also nur in deren Nähe bleiben, um mehr herauszufinden. Sicher würde Gloria Porter mit ihm in Kontakt treten, wenn er Aurora Dawns Bild benutzte. Die war von den vieren, die noch nach Hogwarts zurückgekommen waren, die vernünftigste und konnte besser planen. Wenn wirklich eine Aktion anstand, dann würde Gloria davon erfahren und ihre drei Kameraden darauf vorbereiten.

"Was kommt aus der tiefsten Erde heraus und fällt auch vom Himmel?" Flötete der Türklopfer in Form eines Adlers, als Lea Fredo Gillers bis vor die Tür von Ravenclaw verfolgt hatte.

"Ähm, häh?" Fragte Fredo. "Mist! Weiß ich nich'. Andere Frage!"

"Was kommt aus der tiefsten Erde und fällt auch vom Himmel?" Wiederholte der Türklopfer.

"Eh, du blödes Schrottding, lass mich da rein! Sonst brech' ich die Tür auf", knurrte Fredo und griff nach seinem Zauberstab.

"Was kommt aus der tiefen Erde und fällt auch vom Himmel?" Flötete der Adler. Fredo versuchte, Alohomora anzubringen. Doch mit einem leisen Plopp verpuffte der Zauber. Ebenso versagte der Reducto-Fluch mit einem scharfen Peng. Der Türklopfer flatterte mit den Flügeln und schwieg. Fredo trat gegen die Tür. Da ging diese von Innen auf, und Gloria Porter herrschte ihn an:

"Fredo, spinnst du echt? Die Tür ist unaufhexbar. Was wollte der Adler denn von dir wissen?"

"Irgendwas was aus der Erde raufkommen und auch vom Himmel runterfallen kann. Woher soll ich sowas wissen?" Schnaubte Fredo.

"Ist doch logisch, was von oben schon mal runtergefallen ist und dann nach einer Zeit wieder von unten raufkommt. Wasser, Fredo. Es fällt als Regen, Hagel oder Schnee vom Himmel. ..."

"Drachenfurz! Da soll einer mal drauf kommen", schnarrte Fredo und deutete auf den offenen Durchgang. Mach mal Platz, ich will da rein, bevor Sackgesicht Filch oder die Folterbraut mich hier erwischen."

"Dann komm rein und mach keinen Krach, dann kommen die erst gar nicht hier vorbei!" Fauchte Gloria.

"Mädel, hat dir schon mal wer gesagt, daß du seit diesem Beauxbatons-Jahr sehr überheblich drauf bist? Oder liegt's daran, daß du von McGonagall das V-Abzeichen gekriegt hast?"

"Was zweites angeht, so kapiere ich's nicht, daß du so blöd bist, mich dafür dumm anzumachen, Fredo. Was das mit der Überheblichkeit angeht solltest du dich mal fragen, ob du für dein Alter nicht etwas kindisch redest. Also komm rein!"

Fredo verzichtete darauf, Gloria noch was zu sagen und schlüpfte durch die Tür. Lea mußte wieder einen Drahtseilakt ausführen, gerade so noch hinter Fredo herzugehen, ohne ihn zu berühren und ohne daß die tür beim Zugehen gegen sie kam. Denn beides würde auffallen. Sie atmete auf, als sie im runden Gemeinschaftsraum der Ravenclaws stand und das Standbild Rowena Ravenclaws mit ihrem Kopfschmuck ansah. Sollte sie hinter Gloria her in den Mädchentrakt? Sicher, weil sie selbst ein Mädchen war würde der Abwehrzauber gegen Jungen sie nicht zurückhalten, auch wenn sie eigentlich dachte, daß der sie als Unsichtbare nicht wahrnahm. Doch dann müßte sie wohl Glorias unsichtbarer Schatten bleiben, um sie ständig unter Beobachtung zu halten. Das hieß aber für sie, daß sie höllisch aufpassen mußte, nicht unvermittelt sichtbar zu werden.

Gloria unterhielt sich mit Holly Lightfoot über die Stunden von morgen. Dann ging sie in Richtung Mädchenschlafsäle. Lea folgte ihr in zwei Schritt abstand. Doch kaum waren sie auf der ersten Treppe nach oben, blieb sie wie festgeklebt auf der Stufe stehen. Gloria lief etwas schneller. Lea kam nicht hinterher. Sie stand da wie mit den Füßen einbetoniert.

"Impersecutio", dachte Lea verdrossen. Gloria hatte offenbar sehr fleißig Abwehrzauber gelernt, die sie vor heimlichen Verfolgern schützten. Erst eine Minute, nachdem der Verfolger sie nicht mehr sehen konnte, ließ der Zauber ihn frei. Lea erkannte, daß sie in eine Falle getappt war. Denn wenn jetzt andere Ravenclaw-Mädchen diese Treppe raufliefen, konnte eins von denen locker in sie reinrennen. Und dann wäre die Drachenkacke himmelhoch am dampfen. Denn solange der Impersecutio-Zauber sie festhielt konnte sie weder ausweichen noch wegrennen. Würde der Enttarnungszauber gegen unsichtbare Wesen den Trank der Verborgenheit überwinden? Sie hatte es bisher nur einmal erlebt, daß ein Zauber sie sichtbar gemacht hatte, und das war der von Adrians nicht offen getragenem Talisman. Mit großer Anstrengung konnte sie ihren Atem beruhigen. Ihr Herz klopfte immer schneller. Was wenn Holly oder eine andere Ravenclaw gleich durch die Tür unten kam und locker die Treppe hochgehen wollte? Sie sah Gloria, wie sie in den Schlafsaal der ZAG-Mädchen ging und die Tür schloß. Lea blickte auf den Boden. Da, wo ihre unsichtbaren Füße waren, leuchtete ein silbernes Licht. Doch nur sie konnte das sehen. Sie zählte in Gedanken die Sekunden, die sie von diesem Zauber noch festgehalten wurde und sah dabei, wie das Licht immer schwächer wurde. Sie versuchte, ihre Füße freizubekommen. Doch der zauber hielt sie noch zu fest. Hinter sich hörte sie die Tür aufschwingen und zwei gedämpfte Mädchenstimmen. Das waren Patma Patil und ihre Klassenkameradin Mandy Brocklehurst. Lea machte sich schon darauf gefaßt, von einer der beiden angerempelt zu werden, da erlosch der silberne Schimmer am Boden ganz, und sie war frei. Schnell lief sie auf ihren geräuschschluckenden Sohlen die Treppe weiter hinauf. Im Grunde brauchte sie doch nur in den ZAG-Klässlerinnen-Schlafsaal. Doch sie erkannte, daß ihr das nichts bringen würde, wenn Gloria den zauber noch in Gang hielt. So drückte sie sich gegen eine Wand und wartete, bis die beiden Siebtklässlerinnen an ihr vorbeigelaufen waren. Schnell lief sie wieder hinunter und zur Tür. Sie lauschte. Im Gemeinschaftsraum saßen noch ein paar Jungen und Mädchen. Sie konnte also nicht einfach die Tür aufmachen und raus. Da sie selten in Ravenclaw war wußte sie auch nicht, ob sie nicht gleich vom Turm fallen würde, wenn sie durch eine der Wände trat. Dann blieb also nur der Weg durch den steinernen Boden und ein Fallbremsezauber, um nicht so unsanft unter dem Zugang aufzuschlagen. So rief sie erst den Erde- und Gesteindurchdringungszauber auf, warf sich auf den Boden, um dessen Wirkung auszulösen und fiel wie durch dichten Rauch durch die Decke hindurch hinunter in einen Raum unterhalb des Ravenclaw-Gemeinschaftsraums, wobei sie schnell noch "Cadelento!" Wisperte, um sich selbst abzufangen. Etwas unsanft landete sie auf dem staubigen Boden und blickte sich um. Jetzt erwies es sich als sehr vorausschauend, daß ihre Mutter ihr den Richtungsweisezauber bei völliger Dunkelheit abverlangt hatte. Denn so konnte sie mit dem durch ihre Berührung unsichtbar bleibenden Zauberstab auf der unsichtbaren Handfläche locker die Nord-Süd-Ausrichtung bestimmen, um den besten Weg zurück in den allgemeinen Trakt zu nehmen. Sie fragte sich dabei nur aus Neugier, ob dieser Raum unter dem Gemeinschaftsraum auch auf üblichem Wege erreicht werden konnte oder einfach nur ein Hohlraum im Bau darstellte.

Als sie wieder in ihr vertrauten Gängen unterwegs war entschied sie, sich an den Hollingsworth-Zwillingen zu halten. So suchte sie den mittlerweile von Dutzenden von Hufflepuffs abgeschauten Weg zu deren Hauseingang, wo sie wartete, bis niemand mehr hinein oder herauswollte. Dann schlug sie ihr Nachtlager auf und mentiloquierte ihrer Mutter, sie morgen um fünf zu wecken, um rechtzeitig aufzuwachen.

Am nächsten Morgen paßte sie die Hollingsworths ab, die mit ihren Klassenkameradinnen zur großen Halle gingen. Sie wirkten leicht verunsichert, taten aber so, als sei das ein Morgen wie jeder andere. Lea vermutete, daß die Zwillinge die schlechte Nachricht gestern erhalten hatten, daß sie wohl gerade noch bis Halloween hier in Hogwarts bleiben durften. Sie fragte sich, ob die beiden Hufflepuffs ihren Klassenkameraden was erzählten oder nicht. Eine halbe Stunde später erkannte sie wohl, daß Snape sie darauf festgenagelt haben mußte, bloß keinem was zu erzählen. Der wollte keinen schlafenden Drachen kitzeln, indem in der Schule rumging, daß die vier erwiesenen Freunde von Julius Andrews auf Umbridges Abschußliste standen. Die könnten ja zu unfreiwilligen Helden werden, eine schulweite Meuterei auslösen, der die Marionetten dann vielleicht hilflos gegenüberstanden oder gar zu Märtyrern werden, die den Widerstand in hogwarts unbrechbar machten. So blieb ihm wohl nur die Drohung, sie sofort von den Dementoren küssen zu lassen, wenn von einem der vier was rüberkam. Die und dieser Mördergolem des Emporkömmlings konnten ja nicht wissen, daß die entschlossenen Schwestern bereits wußten, was Thicknesse und Umbridge angeleiert hatten. Doch was würde das bringen, wenn Julius weder eine gute Rettungsmannschaft an der Hand hatte noch vor Umbridge hinfallen wollte? Das Problem war ja auch, daß nur auf den britischen Inseln geborene Hexen und Zauberer eingreifen könnten, wenn sie denn einen Weg fänden, nach Hogwarts reinzukommen.

Lea verbrachte einen ganzen Tag in der Nähe der Hollingsworths. Dabei bekam sie mit, das Jenna einmal mit Betty tuschelte, wobei sie sehr aufmerksam umherblickte. Lea hörte dabei nur das Wort "Julius" heraus. Also unterhielten sie sich über ihren Freund in Beauxbatons. Lea bedauerte, keinen Hörverstärkungszauber zu können. Sie wollte zwar ein Langziehohr mitgenommen haben. Doch ihre Mutter hatte eingewendet, daß dieses Hilfsmittel wohl zu lang sei, um unsichtbar zu bleiben. Außerdem hörten die beiden Mädchen schon nach fünf Sekunden mit dem leisen Flüstern auf und sprachen in gewöhnlicher Lautstärke weiter miteinander.

Lea verzichtete am Abend darauf, die beiden in den Schlafsaal zu verfolgen. Sie mußte mit Lady Medea reden, um zu klären, ob die Entschlossenen von sich aus was unternehmen würden und welche Rolle sie dabei spielen sollte.

Um Mitternacht stand sie am letzten Gemälde vor dem Zaubertrankkerker. Sie war Runcorn, Rowle und Sikes ausgewichen, drei Todessern, die hier wohl Nachtwache schoben, um jeden Anflug von Widerstand niederzufluchen. Diese Hohlköpfe benutzten dabei keinen Spürzauber, um mögliche Gegner zu finden. Hingegen warnte ihr Voldimeter sie immer rechtzeitig, wenn einer der drei ihr zu nahe kam.

"Lady Medeaa, ich bin da", wisperte sie dem Bild zu, in dem gerade ein schneeweißer Schwan hineingeflogen war. der Vogel nickte und verwandelte sich in Lady Medea.

"Habt Ihr näheres über die vier Bedrängten erfahren, Jungfer Lea?" Fragte die gemalte Hexenlady. Lea verneinte es leise.

"Ich holte Kunde bei der Jungfer Aurora ein, inwieweit der Junge Zauberer, mit dem ich einst Slytherins grünes Gewürm bekämpfte, auf die ihm gesetzte Frist zu antworten gedenke. Sie wollte mir natürlich nichts preisgeben. Da ich nur ihr hiesiges Ich mit dem Imperius-Fluch unterwerfen könnte, es jedoch sofort aus diesem Bann erwacht, wenn eines ihrer andernorts wachenden Ichs sie hier aufsucht, habe ich ihr verheißen, dem Jungen zu helfen, wie ich es ihm damals versprach, als die Galerie Slytherins aus dieser und eurer Welt getilgt war. Sie wußte jedoch nichts. Dennoch deucht mich, daß der Jüngling nicht hingehen lassen wird, was mit seinen Freunden geschehen soll. Sicherlich hat er bereits die, die ihn umsorgen angerufen, ihm einen Weg zu zeigen, die vier Freunde zu erretten. Mir kommt auch in den Sinn, daß er jenes Artefakt nutzen wird, daß ihm Zutritt zu meiner Daseinswelt und zurück gewährt. Denn nur so wird er selbst einschreiten können, um seine Gefährten vor der Vollstreckung jener Drohung zu bewahren."

"Schon eine komische Kiste, in ein Bild hineinklettern zu können", erwiderte Lea. "Und Ihr seid sicher, daß Snape nicht weiß, daß Julius mit Aurora Dawns Bild in Verbindung steht?"

"Nun, er hätte dieses Gemälde sicherlich jeder Fähigkeit beraubt, von hier aus oder anderswo wieder ihn zu wirken. Mein Bild hat er ja auch verschont, weil er weiß, daß mein natürliches Selbst zu ihrer Zeit verfügt hat, es dauerhaft in diesen Mauern zu belassen und nicht anzurühren, falls Slytherin und Gryffindor jemals danach weitere Bewohner begrüßen wollen. So kann er nicht an meine jetzige Erscheinung rühren." Lea nickte und wisperte, daß sie von ihrer Mutter die ganze Geschichte gehört hatte, daß die lebende Medea, deren Mutter eine Slytherin und deren Vater ein Gryffindor gewesen war, einen Blutzauber auf ihr Gemälde mit den Namenszügen ihrer Eltern und der von ihnen bewohnten Häuser gesprochen hatte. Damit wollte die damalige Führerin der Entschlossenen sicherstellen, daß ihr Bild niemals aus welchem Grund auch immer aus Hogwarts entfernt würde. So hatte sie die Verbindung ihrer Mitschwestern zu dieser Schule erhalten.

"Betty und Jenna Hollingsworth haben heute miteinander getuschelt. Es sah so aus, als habe Jenna sich an was ganz wichtiges erinnert oder eine Idee gehabt. Könnte auch sein, daß ihr jemand was mentiloquiert hat."

"Soweit mir erkenntlich ist unterwies jene auf dem Kontinent westlich des atlantischen Meeres wirkende Hexe Jane Porter ihre Enkeltochter in mannigfaltigen Zaubereien. Die Fertigkeit des Gedankensprechens könnte dazugehören."

"Natürlich", grummelte Lea. Gloria brauchte Jenna nur anzumentiloquieren. Selbst wenn die nicht antworten konnte reichte es, um unhörbare Nachrichten über große Entfernungen weiterzugeben, wie sie selbst es ja jeden Tag mehrmals tat.

"Dann wird's schwer, denen auf der Spur zu bleiben. Gloria beherrscht den Impersecutio-Zauber."

"Auch sehr nützlich", bemerkte Lady Medea amüsiert grinsend. "Gerade in diesen Zeiten, wo männlicher Zerstörungstrieb diese ehrwürdige Stätte der Gelehrsamkeit vergiftet hat. Nun, so werde ich wohl nicht umhinkommen, mich wie Ihr vor allen Augen verborgen in der Nähe Aurora Dawns zu bewegen, auf daß ich augenblicklich gewahre, wenn etwas wider diese einfältigen Toren und Totschläger anhebt."

"Ich bleibe in der Nähe der Hollingsworths", erwiderte Lea.

"Womöglich werde ich erfahren, ob die lebenden Schwestern darauf ausgehen, die geliebten Angehörigen der vier Bedrängten zu beschützen oder gar aus diesem Land zu schaffen. Denn es erscheint mir vorstellbar, daß die vier nicht von hier fliehen wollen, wenn dafür ihre Anverwandten leiden müssen."

"Hat Julius Kontakt zu den Schwestern?" Fragte Lea im Flüsterton, wobei sie fast Medeas gemaltes linkes Ohr küßte.

"Es wurde ihm angeboten, mit transatlantischen Schwestern in Kontakt zu bleiben. Doch er wies dieses Angebot aus Stolz und eingeredeter Verachtung wider die Entschlossenen von sich. Dennoch wähne ich die Bereitschaft der lebenden Entschlossenen hoch, wider den Emporkömmling und seine Mörderbande zu wirken, wenn sie die Gelegenheit erhalten. So bleibt also wachsam, ob in diesen Mauern etwas vorgeht, was den Plan der selbstsüchtigen Hexe Umbridge und der sie gewähren lassenden vergellen mag!"

"Ihr auch, Mylady! Gute Nacht!"

"Ruhet wohl und seid auf der Hut!" Lea nickte, was Medea nicht sehen konnte und kehrte in die kleine Kammer zurück, die ihr seit nun bald zwei Monaten als Schlafplatz diente. Sie zog sich bis auf die Unterkleidung aus, die nun etwas spannte. Ihr Körper war in den vergangenen Wochen mehr und mehr erblüht. Womöglich würde sie bald einen sachten Vergrößerungszauber bemühen, um ihre Kleidung ihrem Wachstum anzupassen. Sie war froh, auch einige Unterwäschestücke ihrer Mutter mitgenommen zu haben, wenn sie länger als bis zu den Weihnachtsferien hier bleiben und dadurch vollständig auswachsen würde.

__________

"Das war doch zu erwarten", knurrte Ceridwen Barley, als ihre Töchter ihr je einen Brief mit fast demselben Wortlaut vorlegten. Tim und Fergus saßen dabei und verfolgten mit, was passierte.

"Die wollen doch wirklich eine Heiratspflicht für alle über zwanzigjährigen einführen", sagte Ceridwen. "Offenbar will dieser Emporkömmling alle Reinblüter und Halbblüter wie Zuchtschweine zusammentreiben, um die Ausfälle an Muggelgeborenen in der Zaubererwelt auszugleichen. Brigid, Megan und Galatea sollen also am ersten November in das Büro des neuen Familienstandsbeamten kommen, wo sie sich einer Befragung stellen sollen, warum sie bisher nicht verheiratet sind und sich einer Prüfung unterziehen sollen, mit welchen ledigen Zauberern sie wohl guten Nachwuchs zeugen würden."

"Daß Lord Massenmord ein rassistischer Hundesohn ist wußten wir ja schon", sagte Tim. "Warum soll er da nicht auch die Verkupplungsmethoden rassistischer Diktatoren benutzen. Vielleicht will er ja auf diese Weise Halbblüter mit Reinblütern zusammenbringen, um die Muggelgene wieder aus der Zaubererwelt rauszukreuzen."

"Das denke ich auch", sagte Ceridwen. "Ich werde mir aber nicht ansehen, wie meine Töchter und in zwei Jahren Fergus dazu genötigt werden, Todesserabkömmlinge zu heiraten, beziehungsweise, sich mit denen in Zuchtkäfigen zusammenlegen zu lassen, um fleißig neue Kinder in die Welt zu setzen. Ich denke nicht, daß Nodberry da mitspielt. Der ist einer der vier Zeremonienmagier und wie wir wissen sehr guter Freund des gewaltsam abberufenen Albus Dumbledore."

"Mit den entsprechenden Tränken ginge sowas ganz gut", feixte Fergus.

"Klar, da könntest du glatt auf die Umbridge fliegen wie die Biene auf den Honig", knurrte Galatea. "Die müßte ja dieser Gesetzesänderung nach dann ja auch heiraten."

"Sofern, wie es hier steht, keine ministerielle oder lehramtliche Verbindlichkeit eine solche Familienstandsänderung zu diesem Zeitpunkt untersagt", zitierte Ceridwen aus einem der Briefe. "Eine Wichtigkeitsliste legt fest, wie ausschlaggebend die Tätigkeit für die Zusammenführung ist. Gally hätte danach einen zu geringen Stellenwert im Ministerium, um die Verbindung mit einem passenden Zauberer zu verweigern, während Dolores Umbridge wohl auf Grund ihrer Position davon unberührt bleiben kann."

"Da bin ich aber froh", meinte Fergus.

"Dann finden Sie 'ne andere Todesser-Schlampe", fauchte Megan Barley. "Ich will jedenfalls nicht mit einem von diesen inzestuösen Bengeln zusammengestellt werden wie eine stierige Kuh mit dem passenden Bullen."

"Ach, machen die netten Schwestern das nicht auch so, daß sie ihre Mädels mit den Söhnen ihrer ... Mpf!" Fergus hatte seinen leicht verächtlichen Kommentar nicht zu Ende sprechen können, weil seine Mutter ihm ohne Vorwarnung mit einer leichten Zauberstabgeste einen festen Knebel in den Mund zauberte.

"Du weißt, wer dich trug, gebar, nährte und lehrte, Fergus. Erweise also mir und meinen Mitschwestern den nötigen Respekt. Und zu diesen Mitschwestern gehören auch deine leiblichen Schwestern. Damit du es wieder lernst", sprach seine Mutter, bevor sie den Knebel wieder verschwinden ließ. Tim sah sie fragend an. Jetzt hatte sie es doch ausgesprochen, daß sie dieser ominösen Hexensororität angehörte, von der alle anderen doch nur wußten, daß es sie geben sollte. "Du denkst jetzt, daß ich dieses Wissen nicht vor dir enthüllen durfte, weil du keiner meiner Söhne bist, Timothy. Und in gewisser Weise trifft es ja auch zu. Doch der Umstand, das Fergus diese respektlose Bemerkung ausstoßen konnte beweist mir, daß du uns bereits nahe genug stehst, um wie ein Verwandter die Geheimnisse unserer Familie zu erfahren. Weitergeben kannst du sie nicht, weil der Zauber dieser Mauern dich zur Verschwiegenheit verurteilt." tim blickte sie und dann Galatea an, die jedoch nur sehr erfreut lächelte. Fergus, der jetzt kapierte, was er gerade aufgedeckt hatte, starrte seine jüngste Schwester und dann den Muggelstämmigen an, der an dieser Botschaft wohl noch zu knabbern hatte.

"Woher soll denn dieser Zauber wissen, daß ich ... Öhm, ich habe mit keiner Ihrer Töchter mehr als eine zärtliche umarmung und ... ein paar Küsse ausgetauscht", druckste Tim herum.

"Ja, aber ein paar Träume", erwiderte Ceridwen. "Wenn ihr beiden nicht bereits eure Seelen füreinander offenbart hättet, wäre dieser Zauber gegen das Schweigegebot in dem Moment in Kraft getreten, wo ein unbefugter in Hörweite sitzt. Zumindest gilt das für dieses Haus."

"Ähm, ich habe aber Galatea nicht meine Seele offenbart und wüßte nicht, daß sie das bei mir getan hätte", sagte Tim. Doch Galatea und ihre Mutter sahen ihn nur wohlwollend lächelnd an. Tim beschloß, dazu erst einmal nicht mehr zu sagen. Denn offenbar hatte dieser Zauber erfaßt, daß er Galatea an diesem Abend die entscheidende Frage stellen wollte, nachdem er mit ihr eine längere Unterhaltung über die Zukunft geführt hatte. Die Briefe aus dem Ministerium waren dazwischengekommen, und Ceridwen hatte den Familienrat einberufen, zu dem sie auch Tim gebeten hatte. Darrin Barley war jedoch im Moment bei seiner Mutter in York und konnte so nicht dabei sein.

"Ich denke, Brigid, Megan, Galatea und Fergus, daß es uns nicht einfallen wird, dieser Kuppelei des Emporkömmlings zuzustimmen. Und ja, mein lieber Sohn, wir sehen schon zu, daß wir unsere Kinder einander vorstellen und hoffen, daß sie ohne Bezauberung aufeinander zukommen und sich füreinander erwärmen. Aber wir halten auch sehr viel von ehrlicher Zuneigung und Liebe, Mitverantwortung und Loyalität. Was der Emporkömmling will ist schlichte Nachzucht ihm genehmer Zauberer. Das war, ist und bleibt der alles entscheidende Unterschied. Abgesehen davon gehört Adelaide nicht zu unserer Gemeinschaft, Fergus. Auf die bist du alleine gestoßen. Also handeln wir nicht in diesem Sinne, eine erzwungene Blutlinienveredelung zu betreiben, sofern jemand nicht freiwillig mit jemandem anderen freiwillig dafür eintreten möchte."

"Ich sage da besser nichts zu, Mum", grummelte Fergus. Seine Mutter nahm das zur Kenntnis.

"Und wie klären wir das, daß du keine Todesser als Schwiegersöhne kriegst, Mum?"

"Durch denselben Zauber, durch den meine Urururgroßtante die Werbung eines der dunklen Seite zugehörigen Zauberers abweisen konnte, ohne von diesem verflucht zu werden", erwiderte Ceridwen.

"Das ist genial", grinste Galatea. Da würdest du diesen Kerlen ja echt ein Ei legen, Mum."

"Das könnte denen so passen, mir wegen denen den Allerwertesten zu verränken, damit sie was zum essen haben", knurrte Ceridwen. Dann meinte sie zu Tim: "Ich werde dir diesen Trick dann verraten, wenn du offiziell ein Mitglied unserer Familie bist. Verrate ich ihn einem, der nicht durch Geburt oder Heirat mit mir verwandt ist, kann ihn erst eine meiner Töchter wieder anwenden, wenn ich tot bin."

"Dann möchte ich das nicht wissen", sagte Tim. Galatea sah ihn herausfordernd an. Das war für ihre Mutter offenbar ein stummes Signal. Sie wandte sich ihren drei anderen Kindern zu und sagte:

"Ich denke, Galatea und Tim möchten ein paar ruhige Minuten für sich haben, Giddy, Meg und Fergy. Lassen wir die beiden mal ein wenig alleine!"

"Na hoffentlich benehmen die sich auch anständig", knurrte Brigid. Und Fergus meinte: "Wir können ja ein Bett hier reinstellen, falls diese paar Minuten 'ne ganze Nacht dauern sollen. Immerhin hast du ja gesagt, Tim könne erst einmal drei Tage bei uns bleiben."

"Es gab Zeiten, wo diese Angelegenheiten auch auf die von dir jungenhaft vorstellbare Weise besiegelt wurden", erwiderte Ceridwen unbeeinddruckt. "Aber ich denke, was immer die beiden miteinander erläutern möchten wird noch weit vor Mitternacht klar sein." Dann winkte sie den beiden älteren Töchtern und dem Sohn, ihr zu folgen.

"Mum hat's gerochen, Tim. Ich auch. Warum halten wir uns also so lange auf?" Fragte Galatea unvermittelt kess, als ihre Mutter und die Geschwister durch die Tür waren. Tim fühlte seine Ohren heiß werden. Dann straffte er sich. Hier und Jetzt wurde ihm die Chance auf dem Goldtablett serviert, auf die er ein ganzes Leben hingelebt hatte. Er räusperte sich, stand auf, trat zu Galatea und kniete sich vor ihr nieder. "Ich weiß, ist 'ne antiquierte Muggeltradition, Gally. Aber wo du es ansprichst: Möchtest du meine Frau werden und mit mir zusammen so alt werden wie es geht?"

"Alt werden?" Fragte Gally, den jungen Zauberer zu ihren Füßen von oben her anlächelnd. "Ich möchte am liebsten jung bleiben und dann, so in etwas mehr als zweihundert Jahren, einfach mit dir zusammen umfallen und nicht mehr atmen. Ja, ich möchte mit dir zusammen leben, als deine Frau, wenn du es mit mir, einer nicht ganz üblichen Hexe, aushalten möchtest und du auch bereit bist, der Vater meiner Kinder zu sein."

"Möchtest du Kinder von mir?" Fragte Tim leicht verhalten grinsend.

"Mindestens von jeder Sorte eins", erwiderte Galatea. Tim ergriff ihre rechte Hand und küßte diese. Galatea streichlte ihm über den Kopf und sagte: "Dann stell dich jetzt wieder hin, damit du deiner Braut in die Augen sehen kannst, Tim!" Sie lachte dabei. Tim empfand es als komisch und erhaben zugleich, wie er da vor Galatea kniete. Einige Sekunden blieb er in dieser Haltung. Dann stand er langsam auf und umarmte die Hexe, die gerade verkündet hatte, seine Frau sein zu wollen. Sie standen einander gegenüber, den Augenblick festhaltend. Dann küßten sie sich, was eine von ihnen nicht gemessene Zeit dauerte. Erst als sie fanden, für's erste genug Verbundenheit bekundet zu haben, rief Galatea ihre Mutter zurück und verkündete ihr, daß Tim ihr soeben die wichtige Frage gestellt hatte. Ceridwen umarmte Tim. Dann meinte sie unvermittelt:

"Es ist schön, Tim, daß du meine Tochter zur Hexe deines Lebens nehmen möchtest. Doch ich erfuhr gerade, daß wir wohl bald jemandem helfen müssen, der in Bedrängnis ist. Kennst du einen Julius Andrews, Tim?"

"Öhm, ja, der ist ein Ruster-Simonowsky, heißt es, also ein Muggelstämmiger mit besonders starken Zauberkräften. Der hat im vergangenen Jahr seinen Vater verloren und ist wohl gerade in Beauxbatons, hat mir Pina Watermellon erzählt, als ich mich wegen der Familienzähler versteckt habe."

"Das trifft zu. Und die alles andere als ehrenwerte Dolores Jane Umbridge trachtet danach, ihn zur Rückkehr nach England zu zwingen, wenn er nicht will, daß seine früheren Schulfreunde wegen Mittäterschaft an seinen angeblichen Verbrechen abgeurteilt und lebendig in Askaban begraben werden. Ich wurde wie einige andere gute Mitschwestern gebeten, zu helfen, daß die Verwandten seiner Freunde mit diesen zusammen gerettet und außer Landes geschafft werden. Ich habe Brigid und Megan schon gefragt, Galatea. Sie möchten mitmachen. Wenn du mitmachen möchtest?" Galatea nickte. Tim fragte, ob das nur von Ceridwens Mitschwestern erledigt werden dürfe. Sie fragte ihn, ob er mithelfen wolle. So folgte dem erhabenen Moment der Verlobung ein Kriegsrat, wobei Tim auch Muggelhilfsmittel erwähnte, die zur Rettung der drei in Gefahr schwebenden Familien eingesetzt werden konnten. Doch Ceridwen befand, daß hier die reine Zauberkraft ausreiche. Es gehe nur darum, mögliche Wächter und Sicherheitsleute des Ministeriums abzulenken oder abzuwehren. Tim erklärte sich einverstanden.

"Spätestens zu Halloween soll die Rettungsaktion laufen. Es muß erst erläutert werden, wie die vier Schüler an allen Sicherheitsmaßnahmen vorbei aus Hogwarts geholt werden können. Die ganze Aktion soll möglichst simultan stattfinden, um keine Zeit für Vergeltungsmaßnahmen gegen die noch im Machtbereich des Ministeriums verbliebenen zu üben." Tim stimmte zu. Doch er wußte nicht, wie jemand eine Apparitionssperre überwinden, an Dementoren vorbeischlüpfen oder einen Portschlüssel nach Hogwarts schmuggeln konnte. Doch darum sollte sich andernorts gekümmert werden. Spätabends fielen die Barleys und Tim Abrahams müde in die Betten. Tim hatte es gewagt, die Frage zu stellen, die er für undenkbar gehalten hatte, seitdem er aus Morpuoras Abhängigkeit befreit worden war.

__________

Tage vergingen. Am siebenundzwanzigsten Oktober verkündete Ceridwen, daß sie morgen abend die Malones, Hollingsworths und Porters abholen und mit einem Portschlüssel außer Landes schaffen würden. Das ganze sollte um Mitternacht herum ablaufen. Marita Hollingsworth verbrachte das Wochenende bei ihrem Mann. Das Haus war von fünf getarnten Auroren umstellt. Also mußten sie fünf Mann zur selben Zeit niederfluchen. Tim schlug vor, anstelle eines Zauberangriffs ein betäubendes Gas zu benutzen und verriet seiner zukünftigen Verwandtschaft, wo es ein Depot für geruchlose Narkosemittel gab. Das hätte auch den Vorteil, daß die zu befreienden auch unter Imperius keine Gegenwehr leisteten, wenn sie selbst betäubt waren. Da Tim sich in dem geheimen Marinedepot wohl am besten Auskannte, flog er zusammen mit Ceridwen im Schutze von Tarnzaubern dorthin, wo die geheime Ausrüstung lagerte. Dann apparierten sie, nachdem Ceridwen einmal um das Lager herumgeflogen war und einen zeitweiligen Unaufspürbarkeitszauber gewirkt hatte, den Tim noch nicht kannte. Zwar mußten sie zehn Wachsoldaten mit Bewegungsbannen und Gedächtniszaubern außer gefecht setzen. Doch dann fand Tim das richtige Lager. Sein Vater hatte ihm mal dieses Depot von außen gezeigt und angedeutet, daß hier nichttödliche Waffen lagerten. Er räumte zwei Kanister aus dem Bestand. Ceridwen verdoppelte die Behälter, auch wenn deren Inhalt dadurch nicht vervielfältigt wurde. Dann disapparierten sie zu ihren Besen und verschwanden mit diesen geschultert vom Depot. Die überwältigten Soldaten konnten sich nicht an diesen Besuch erinnern.

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"Sie wird den Jüngling knapp eine Stunde vor Mitternacht herüberbringen", wisperte Medea Lea Drake zu, als diese um Mitternacht vom siebenundzwanzigsten auf den achtundzwanzigsten Oktober mit der gemalten Hexenlady sprach. "Soweit mir die Jungfer Dawn zu verraten gewillt war soll es so hingestellt werden, daß ein Trupp hier geborener Zauberer den Schlag führt, um dem Emporkömmling einen gehörigen Streich zu spielen. Seid also in der kommenden Nacht nicht beunruhigt."

"Wie soll denn einer so tun, als kämen mehrere?" Fragte Lea.

"Er wird wohl magische Spielereien inszenieren, die denen, die hier Wachen vorgaukeln, eine ganze Truppe sei angerückt. Auch ist wohl geplant, daß der Eindruck entsteht, die Angreifer seien direkt von oben her über den Astronomieturm eingefallen, schnell und außerhalb der Reichweite der Dementoren, die etliche hundert Schritt von eurer Schule lauern. Womöglich wird er dann die vier Gefährten einschrumpfen und so unter der Kleidung verbergen, daß sie den Zauber des Weltenwechsels nicht behindern und ihm unterworfen werden wie er selbst. Auf diese Weise kann er dann wohl unangefochten entweichen, wenn Snape und die anderen nicht wissen, wie er einzudringen und zu verschwinden vermag."

"Dann wird er wohl von ganz unten verschwinden, wenn er es so drehen will, daß die angebliche Angriffstruppe von oben ... Ups, da kommt wer", zischte Lea und wich sofort von dem Bild zurück. Ihr Voldimeter hatte vibriert. Ein Todesser näherte sich aus dem Korridor heraus. Medea verwandelte sich flink in einen Schwan und flog nach oben aus dem Bild.

"Hey, ist hier wer?" Blaffte Rowles Stimme. "Homenum reve... Arrrg!" Lea hatte den gar nicht erst zu Ende zaubern lassen. Leise zischte sie "Stupor!" Als der Todesser am Boden lag schaffte sie ihn mit "Mobillicorpus" weit genug zurück in den allgemeinen Trakt und verpaßte ihm mit "Mikramnesia" eine kaum spürbare Gedächtnislücke. Dann hob sie mit "Retardo Enervate" den Betäubungszauber so auf, daß der Todesser erst zehn Sekunden später aufwachen würde. Sie huschte davon. Was sie mit Medea klären wollte hatte sie geklärt. Mentiloquistisch informierte sie ihre Mutter, daß sie über das Unternehmen unterrichtet war und bereit sei, Julius bei den Ablenkungsmanövern zu helfen.

"Pass vor allem auf die Todesser auf! Halte sie dir und ihm vom Leib!"

"Geht Klar, Mum", erwiderte Lea Drake unhörbar. Dann schlief sie. Morgen abend würde sie endlich einen wichtigen Beitrag leisten, wo sie bisher nur ein unbeteiligtes Gespenst aus Fleisch und Blut gewesen war.

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Lea nutzte den Sonntag, um die Wege abzuschreiten, die sie am Abend sicher schnell zurücklegen würde. Sie wußte nicht, welche Ablenkungsmanöver Julius anbringen würde. Doch sie ging davon aus, daß er dafür besser freie Bahn haben sollte. Ihre bisherigen Erfahrungen mit dem neuen Schulsicherheitsdienst verrieten ihr, daß nachts meistens drei weitere Todesser durch das Schloß strolchten, sofern die Carrows nicht ebenfalls auf Streife gingen. Also mußte sie wohl fünf mögliche Angreifer abwehren, sollte Julius irgendwo hängenbleiben. Außerdem hatte sie das Sofortverdunkelungspulver aus Peru, daß die Weasleys in ihrem Laden verkauft hatten, bis rausgekommen war, daß Draco Malfoy es benutzt hatte, um die Todesser nach Hogwarts reinzulassen, die fast die Schule zerlegt hatten.

Abends hielt sie sich in der Nähe der Hollingsworths. Jenna bekam wohl von Gloria oder sonst wem wieder eine Gedankenbotschaft. Das hätte wer auch immer den Mädchen beibringen sollen, bei sowas nicht so angespannt auszusehen, dachte Lea. "Halb zwölf vor dem Zaubertrankkerker", zischte Jenna ihrer wenige Minuten älteren Zwillingsschwester zu. Diese nickte nur. Das reichte Lea aus. Also würde Julius Andrews tatsächlich so zulangen, daß die Wächter und Lehrer sich auf die mittleren Etagen konzentrieren mußten und später dachten, die Türme seien der Zugangsort gewesen, während die eigentliche Flucht vom untersten Kerker aus stattfand. Außerdem hatte sie auch die Uhrzeit, wann Julius sie dort abholen wollte. Wie lange mochte er brauchen, um seine Ablenkungsmanöver durchzuziehen? Sie ging von einer Viertelstunde aus. Also sollte sie um kurz nach elf auf dem Posten sein. Wo würde Julius denn ankommen? Wahrscheinlich im Zimmer von Madam Hooch, wo Aurora Dawns hiesiges Bild hing. Oder würde er anderswo aus der Bilderwelt herauskommen? Da sie ihn als Logiker in Erinnerung hatte versuchte sie sich auch in dieser Denkart. Er würde wohl dort in die natürliche Welt eintreten, wo die Mehrzahl seiner Gegner war, sofern diese schliefen und dort das erste Ablenkungsmanöver loslassen, Verdunkelungspulver oder einen tragbaren Sumpf, falls die Franzosen keine noch besseren Chaoszauber auf Lager hatten. Womöglich würde er dann das Lehrerzimmer, Filch oder Snapes Turm heimsuchen, um die Hauptgegner zu beschäftigen. Dann fiel ihr ein, daß er zur puren Ablenkung auch was in der großen Halle loslassen konnte. Die würde sich prächtig für einen tragbaren Sumpf anbieten, dachte sie grinsend. Sicher war auf jeden Fall, daß er die vier Freunde nicht auf ihrem Weg behindern durfte. Also würde er die Gänge nach Hufflepuff und Ravenclaw meiden, soweit er wußte, wo Hufflepuff war. Aber Aurora Dawns Bild-Ich wußte wohl, wo Hufflepuff war. So schritt sie noch einmal einige Wege ab und nahm einen Schluck von dem Wachhaltetrank, den ihre Mutter ihr mitgegeben hatte und der mit dem Trank der Verborgenheit gut zusammenwirkte.

"Mum, gib mir jede volle Stunde bis elf die Uhrzeit! Denke, der Angriff geht ab viertel nach elf los."

"Das deckt sich mit dem, was Lady Medea herausgefunden hat", erhielt sie die Gedankenantwort. Dann hielt sie sich auf dem zweiten Stock bereit und betrachtete dabei die Todesser, die ihren Wachdienst versahen. Wie von ihr erbeten bekam sie von ihrer Mutter um zehn und elf die Uhrzeit zumentiloquiert. Als in ihrem Kopf die Meldung "Es ist jetzt elf Uhr, Lea" ertönte, fühlte sie die Spannung steigen. Heute nacht würden die Marionetten des Emporkömmlings entweder sehr dumm dreinschauen oder lautstark triumphieren, wenn Julius ohne hinzusehen in einen Fluch reinrannte oder nicht aufpaßte, ob jemand hinter ihm war, wenn er aus dem Bild heraustrat. Sie hoffte, daß sie dann in seiner Nähe sein und Ausputzerin spielen konnte. Wie kam sie auf dieses Wort? Fußball war doch kein Sport für eine Hexe.

"Der wird erst bei Slytherin was machen, bevor er im restlichen Schloß irgendwelche Zauber losläßt", schickte Lea an ihre Mutter. Sie orientierte sich bereits in Richtung Slytherin. Einmal mußte sie durch die Wand gehen, um ein Stück Weg abzukürzen. "Uhrzeit bitte!" "Jetzt ist es fünfzehn Minuten nach Elf, Lea", bekam sie die gewünschte Auskunft.

Lea wollte gerade die Marmortreppe hinunter, als sie dumpfe Schritte hörte. Sie wandte sich um. Ach, der alte Crabbe, Halbdoppelschatten Crabbes alter Herr durfte heute nacht auf seinen Sohn und dessen Mitschüler aufpassen. Ihr Voldimeter schlug sehr gewissenhaft Alarm. "Stupor!" Zischte Lea, als der klobige Todesser nur noch zwanzig Schritte vom entscheidenden Abzweig zur Treppe entfernt war. Polternd kippte Crabbe aus den Quadratlatschen und lag wie ein Sack Getreide so prall auf dem Boden.

"Crabbes Daddy am Boden", mentiloquierte sie ihrer Mutter. Bin jetzt unterwegs nach Slytherin."

"Gib bloß auf dich acht, Mädchen!" Durchfuhr die Gedankenstimme ihrer Mutter ihren Kopf. Lea grummelte leise. Sie war unsichtbar und konnte sogar durch die Wände verschwinden, wenn es darauf ankam. Sie lief auf ihren geräuschlosen Schuhen in den Kerkertrakt hinüber und stolperte dabei fast über etwas großes, schweres im schwarzen Umhang. Sie mußte fast lachen, als sie die sehr beleibte wie unbeliebte Lehrerin Alecto Carrow erkannte. Ihr Voldimeter reagierte zwar auf das dunkle Mal, aber nicht so wild. Die war eindeutig betäubt, stellte Lea schadenfroh fest. Dann sah sie eine mächtige weiße Nebelwolke, die aus dem direkt nach Slytherin führenden Gang auf sie zuquoll. Das war aber ziemlich mutig, eine Nebelwolke zu beschwören, durch die man dann selbst ja nichts sehen konnte, dachte Lea. Dann erkannte sie, daß das ein konservierter Zauber sein mußte, der mit der passenden Zeitverzögerung losgegangen war. Also war der Nebel keine Tarnung, sondern eines der Ablenkungen. "Wenn der so wie Weasleys Feuerwerk gezaubert ist haben die viel Spaß damit", dachte Lea lächelnd, bevor sie dem lautlosen Dunst auswich und schnell zurück in die oberen Etagen hastete. Sicher würde Julius gleich vor Snapes Turm oder Filchs Büro was gleichwertiges wie den Nebel loslassen.

"Wo ist die Schlampe hin. Warum hat Snape der Hooch nicht gesagt, die Eierköpfe abzuhängen", hörte sie eine ungehalten klingende Stimme und sah einen Quidditchspieler im grünen Slytherinumhang, der von zwei gleichbekleideten Kameraden gefolgt wurde.

"Oha, die suchen die Dawn", dachte Lea. "Da kriegt Julius aber Krach, wenn der mit denen zusammenrasselt, während er durch die Bilder zieht." Da hörte sie in der Ferne ein lautes Heulen und Fauchen, ungefähr von da, wo Filchs Büro lag. Das klang wie ein Sturm, der an den Wänden rüttelte. Sie hörte Peeves, den Poltergeist lauthals lachen. Der freute sich also. "Was is'n das für Krach!" Rief einer der gemalten Quidditchspieler. "Ey, gucken wir uns mal an. Kann uns ja nix passieren." Lea dachte nur, daß sie schnell zu dem Ort hinlaufen mußte, wo was auch immer lärmte. Doch sie kam gerade einmal bis zur letzten Abzweigung. Filch jagte an ihr vorbei, gefolgt von einer dichten Nebelwolke. Dann blies Lea eiskalte Luft ins Gesicht, und sie konnte wild tanzende Schneeflocken sehen. Ein Schneesturm?! Wo bekam man denn so einen Zauber her? War jetzt eigentlich auch erst einmal unwichtig. Denn Lea mußte wie Filch das Weite suchen, weil das losgelassene Unwetter den ganzen Korridor ausfüllen wollte und das bestimmt ziemlich unangenehm war, mitten im weißen Wirbelwind herumzustehen. Schnell durchdrang Lea eine Wand und entging damit der Hauptwucht des Schneesturms. Damit war für die unsichtbare Schülerin klar, daß Julius einige höchst kräftige Wetterzauber mitgebracht hatte, die er jetzt gleichmäßig im Schloß verteilen wollte. Sie beschloß, erst einmal nach oben zu laufen und von da aus mit dem Voldimeter auf verteilte Todesser Jagd zu machen, um Julius möglichst viel Freiraum zu verschaffen. Allerdings brauchte sie ein wenig Zeit, weil die Tricktreppen gerade meinten, sich in eine Richtung zu drehen, wo sie nicht hin wollte. War ja bald schon mitternacht. Dann war sie oben im achten Stock. Von da aus peilte sie mit ihrem neuen Todesseranzeiger, wo außer Snape der nächste war. Als sie einen entdeckte, der gerade unterwegs nach unten war, weil das Sturmgeheul doch bis hier oben heraufdrang, lief sie ihm nach. Es war der alte Sikes, ein durchtriebener Kerl, der gerne mit dem Fluch Strangelus seine Gegner quälte, um sie wie mit einer unsichtbaren Garotte zu erdrosseln. "Na warte, dir werde ich das Würgen gleich abwürgen", dachte Lea, als sie Sikes fast eingeholt hatte. doch der lief immer noch zu schnell, als daß sie genau zielen konnte. Dann sahen beide in der ferne ein merkwürdiges Licht, das irgendwie rotierte. Sikes legte noch zwei schritte zu und spurtete los. Lea ahnte, daß er gleich den Punkt erreichen würde, wo das Licht erschienen war. Sie zielte auf ihn und rief aufs Geratewohl "Stupor!" Der Schocker erwischte Sikes im vollen Lauf und warf ihn nach vorne auf die Nase. Lea holte ihn ein und platzierte noch einen Mikramnesia-Zauber, damit der, wenn er von irgendwem geweckt würde, weder von dem Licht noch von dem Schocker was wußte.

"Sieben Todesser", grummelte sie, als sie ihr Voldimeter befragte, welche von denen noch munter herumliefen. Die meisten waren bereits unterwegs zu dem Schneesturm. Oder waren es von der Lautstärke her nicht sogar zwei? Da mußte Julius aber schnell vorangekommen sein und ... Wusch! Lea dachte, die Decke und er Boden explodierten, als in der Nähe eines Gemäldes an der Wand eine rotbraune Sandwolke auseinanderflog. Lea warf sich herum, als der Sand, der von einer sengenden Hitze begleitet wurde, um ihren Kopf herumflog. Jetzt erkannte sie die gemeinen Wetterzauber. Julius hatte wohl Forcas' sehr heftige Sandsturmsäcke organisiert. Dann waren die Schneestürme und der undurchdringliche Nebel wohl auch aus dieser Scherzfabrik. Lea beschloß, ihre Mutter zu bitten, ihr sowas auch zu besorgen, falls die Weasleys die nicht im Angebot hatten. Nachher ließ Julius noch Tornados oder Hagelstürme los oder vereiste einen ganzen Korridor. Sie war zumindest froh, das Verdunkelungspulver noch nicht benutzen zu müssen. Denn ohne eine gescheite Sehhilfe für totale Dunkelheit wäre sie wohl aufgeschmissen. "Wie spät ist es, Mum?"

"jetzt fünf Minuten vor halb zwölf, Lea. Was geht bei euch vor?"

"Habe gerade Calliban Sikes umfluchen müssen. Julius verteilt konservierte Unwetter im Schloß. Schneestürme. Ich bin rechtzeitig hingekommen, um Julius' Flucht in die Gemalte Welt abzusichern. Da ging ein Sandsturm los. Muß wohl zusehen, in die Nähe der Kerker zu kommen, weil noch fünf muntere Todesser unterwegs sind, inklusive Snape. Die haben sich wohl darauf eingeschossen, daß in dieser Nacht was abgeht."

"Womöglich hat ihr Herr und Meister ihnen vermeldet, daß vor Halloween etwas in Hogwarts geplant sei", erhielt sie die Antwort Ihrer Mutter.

"Halt!" Hallte Snapes gebieterische Stimme durch die Nacht. Lea fühlte in diesem Wort eine merkwürdige Kraft mitschwingen. "Bleib wo du bist, Bursche!" Das galt also nicht ihr. Doch wo kam das jetzt her? Sie durchdrang die Wände und schickte noch einen ihr unbekannten Todesser schlafen, der gerade unterwegs war, um seinen Kollegen zu helfen. Unten lauerten im Moment keine mehr. Die verteilten sich alle auf die Etagen, auf denen wohl gerade die Unwetterzauber tobten. Sie wollte versuchen, abseits der von den Stürmen umtosten Korridore zu bleiben. Durch eine nur von ihr und ordentlichen Gespenstern nutzbare Abkürzung gelangte sie vor die Große Halle, voll in einen dichten Nebel hinein. Ihr Voldimeter zeigte einen wohl betäubten Todesser hinter der Tür. Sie hörte eine Jungenstimme was in dieser näselnden Sprache Französisch sagen. Vielleicht sollte sie die besser auch lernen wie Gloria, dachte Lea, als die Tür aufging. Sie konnte durch den Nebel sehen, weil das ein Zauber war und somit etwas, was der Trank durchdringen ließ. Aus der großen Halle trat ein gut gewachsener junger Bursche im dunkelblauen Umhang, einen Zauberstab in der rechten Hand haltend. Auf der linken Schulter hockte ein katzenartiges Tier mit silbergrauem Fell, braunen Tupfern und einem golden schimmernden Schwanz. Das merkwürdige an dem Burschen war, daß sein Kopf von einem bläulichen Flimmern umgeben war, das sich wie ein Wasserfall von einem gefiderten Spitzhut über das mit einer runden Brille geschmückte Gesicht bis zum Hals ergoß. Sie erkannte den Jungen und grinste. Das war also Julius Andrews. Er hatte einen von Weasleys kopflosen Hüten auf. Auch eine gute Maske, wenn jemand ihm den nicht runterzauberte. Das Tier auf der Schulter war ganz ohne Zweifel jenes Knieselweibchen, das er laut Lady Medea damals auch gegen Slytherins Galerie mitgenommen hatte. Doch jetzt richtete Julius seinen Zauberstab genau auf sie, obwohl der Nebel und ihre Unsichtbarkeit das doch eigentlich unmöglich machten. Da klickte es bei ihr. "Tolle Tarnung", lachte sie schnell, um ihm zu zeigen, daß sie es war und kein unsichtbarer Todesser. Da hob er den Zauberstab zum Angriff an. "Neh, besser nicht. Ich darf hier genausowenig rumlaufen wie du", sagte sie entschlossen. "Eine Infrarotbrille? Gut ausgestattet", lobte sie noch die nützliche Sehhilfe, die ihn den Nebel durchblicken ließ.

"Lea Drake?" Fragte Julius verwundert. "Goldie, comment est elle?" Verstand sie dann noch. Die Knieselin maunzte vernehmlich. Offenbar sagte das Julius was. Konnte der die etwa auch außerhalb der Bilder verstehen?

"Ja, ich bin das, Julius. Aber wir sollten hier nicht rumstehen. Snape könnte dir draufkommen", sagte Lea rasch.

"Snape schläft in der Halle. Der achso große Meister im Duellieren hat verpeilt, mich im ersten Zug mit einem Lähm- oder Schockzauber zu erwischen oder mich Dumbledore hinterherzuschicken", erwiderte Julius leicht verächtlich.

"Ups, schon komisch", erwiderte Lea und näherte sich Julius. "Dann mach am besten Mikramnesia bei dem, wenn du den kannst." Julius zuckte zusammen. Ihm fiel wohl siedendheiß ein, daß er das besser noch machen sollte. Denn er eilte zurück in die Halle und holte das versäumte nach.

Die Knieselin auf Julius Schulter stieß eine Folge alarmierender Miaulaute aus. Gleichzeitig fühlte Lea, daß ihr Voldimeter die Annäherung der Todesser von weiter oben anzeigte. Also das regte die Knieselin auf.

"Dann haben die sich wohl Verstärkung geholt", knurrte Julius. Er rannte zurück auf den Gang und Lea fast über den Haufen. Diese ergriff ihn schnell beim Arm.

"Du bist wegen Gloria, Kevin und den Hollys hier, nicht war?" Zischte die unsichtbare Schülerin.

"Woher du das auch immer weißt, ja bin ich", grummelte Julius. "Wieso du hier bist weiß ich nicht. Gloria hat mir zukommen lassen, daß du nicht im Zug und am Slytherin-Tisch warst."

"Zwischendurch war ich da schon. Nur konnte mich keiner sehen, genau wie deine Brille wohl 'ne dunstige Aura von mir zeigt, nicht wahr?"

"Dann frage ich mal, wieso du meine Brille sehen kannst?"

"Weil das, was mich unsichtbar macht, alles unsichtbare von mir durchblicken läßt", entgegnete Lea. "Aber mehr erzähle ich besser nicht. Mein Voldimeter zeigt, daß seine Bluthunde von oben runterkommen."

"Dein ... Vergessen wir's! Ich hab' auch sowas mit", versetzte Julius und zielte mit dem Zauberstab in den Gang. Ja, da kamen drei klobige Figuren die Treppe heruntergepoltert. "Malleus Lunae!" Fauchte Julius, während Lea zeitgleich "Stupor!" rief. Die drei Todesser wurden von einem silbernen Lichtfächer zurückgeschmettert. Leas Schocker zischte über einen von denen hinweg in die Wand, wo er einen schwarzen Fleck hinterließ.

"Der Schulwechsel hat sich wohl doch gelohnt", lobte Lea ihn. Julius überhörte es und bezauberte die Todesser. Dann meinte er zu Lea:

"Okay, ich muß zum Treffpunkt. Was immer du mit dir angestellt hast, auch ohne Tarnumhang unsichtbar zu sein, bleib auch unauffindbar!"

"Ich komm noch mit zum Treffpunkt. Oder willst du dich mit mir duellieren, Julius Muggelkind?"

"Dafür habe ich keine Zeit, und meine Wächterin hier hat dich als unbedenklich eingestuft, obwohl der alte Hut dich zu den durchtriebenen Slytherins reingeschickt hat", grummelte Julius.

"Was mal wieder beweist, daß nicht jeder, der nach Slytherin geschickt wird diesem Emporkömmling und seinen Stiefelleckern nachrennt", schnaubte Lea Drake. Dann stupste sie Julius an, das er losgehen sollte. Der spurtete los. Offenbar hatte man ihm auch Schuhe mit geräuschlosen Sohlen verpaßt. Der dachte wohl, sie im Nebel abhängen zu können. Doch sie folgte ihm. Wie sie es erwartet hatte ging es zu den Kerkern. Als sie um die Letzte Abzweigung bogen konnte sie Gloria, Kevin, Betty und Jenna wie Figuren aus grünlichem Licht sehen. Die hatten sich also getarnt, wenn sie gescheid waren. Sowas konnte nur Gloria gelernt haben. Offenbar verkündete Julius' Kniesel gerade die Anwesenheit der vier, denn der rief im quäkigen Amerikanisch: "Ihr Taxi nach Übersee ist da!" Lea fragte sich einen Moment, ob das nicht riskant war. Zwar hatte sie nicht mitbekommen, daß einer der vier von den Carrows dem Imperius unterworfen worden wäre. Aber das hätte doch jetzt eine geniale Falle sein können ... die das Knieselweibchen wohl wittern würde, erkannte sie aufatmend. Die vier getarnten traten von der Wand weg. Lea konnte es sich nicht nehmen lassen, Gloria aufzuziehen, indem sie ihr vorhielt, daß diese von ihrer Oma doch einen besseren Tarnzauber hätte lernen können. Julius rief schnell: "Die darf hier genausowenig sein wie ich, Gloria, Betty, Jenna und Kevin!"

"Dann soll die unter dem Tarnumhang rauskommen, verdammt noch mal", schnarrte Gloria, während sich ihr grünliches Abbild von der Wand löste.

"Hab keinen Tarnumhang an, Gloria", flötete Lea.

"Dann hat dir irgendwer diesen verflixten Trank der Verborgenheit eingetrichtert?" Schnarrte Gloria. Da stürzte sich auch schon Kevin Malone auf sie. Doch sie hüpfte ganz lässig zur Seite und ließ Kevin ins Leere Stoßen. "Vergiss es, Kevin. Mich kriegst du nicht zu packen", lachte sie.

"Ich brat dir was über, daß du im Hui durch den Gang fliegst", schnaubte Kevin. Julius blickte hektisch auf seine Armbanduhr. "Kevin lass sie!" Schnaubte er. "Sie möchte uns helfen, hier wegzukommen, ohne daß die Todesser mitkriegen, wie." Dann lief er auf Lea zu, wobei er fast mit Kevin zusammenprallte. Er zog drei Zettel aus seinem Umhang und präsentierte zwei beige Säckchen."Lea, wenn du wirklich nicht für die Bande arbeitest, bring die beiden Dinger hier auf den Astro-Turm und lege den Zettel dazu, bitte!"

"Forcas' Sandsturmsäcke? Hat 'ne Großtante von mir ihren beiden Strolchen abgezogen, als die ihr damit das Haus versanden wollten. Okay, gib her!" Julius warf die beiden Säcke und den Zettel in Leas Richtung. Sie fing sie wohl auf. Denn die Säcke und der Zettel wurden übergangslos unsichtbar.

"Ich zieh der noch eins über", knurrte Kevin. "Die verpetzt uns doch bei den Carrows und Snape."

"Kevin, macht die nicht. Dann müßte die ja zugeben, daß sie schon länger hier ist", fauchte Gloria. "Komm jetzt her, damit Julius uns erklärt, warum er doch hergekommen ist und wie wir hier jetzt noch wegkommen sollen."

"Erst wenn die weg ist", knurrte Kevin und schlug nach Lea. sie war nicht darauf gefaßt, daß er sie treffen konnte. Doch als sie seine Faust an ihrer Schulter spürte, wurde sie wütend und verpaßte dem Getarnten einen Handkantenschlag, daß er nur noch "Autsch!" rufen konnte. Er fiel hin. Dabei löste sich der Tarnzauber auf. Mit einem energischen Judogriff beförderte Lea Kevins Körper in Julius Richtung.

"Bring den endlich raus hier, bevor da oben noch wer hört, daß er hier ist!" Schnarrte Lea. Dann meinte sie noch: "Wenn ihr abrückt, habt ihr in Beaux und anderswo keinen mehr, der euch erzählt, was hier abgeht. Also sage mir bitte wer, wie ihr Kontakt gehalten habt!"

"Das dürfen wir nicht verraten", sagte Gloria.

"Also doch die Aurora Dawn", grinste Lea triumphierend. "Hat damals geklappt und kann noch weiterklappen, sonst wär euer Süßer ja nicht wie der hilfreiche Geist aus der Flasche hier aufgetaucht. Dann empfehle ich mich mal." Kevin rappelte sich auf und wollte ihr nachspurten. Doch sie war schon in dem Korridor. Leise löste sie den Gesteinsdurchdringungszauber aus und sprang in die Wand wie durch Wasser, was wohl ein gewisses Rauschen vermittelte. Zwar würde sie gerne noch zusehen, wie Julius mit seinen Freunden in das nächste Bild einstieg. Doch sie ahnte, daß Kevin oder Gloria keine Ruhe geben würden. Sie lauschte durch die Wand. Doch so recht konnte sie nicht verstehen, was Julius mit seinen Freunden besprach. Nur was von Warpgeschwindigkeit und Alarmstufe Rot verstand sie. Sie grinste. Wann hatte sie diese komische Serie mit dem Raumschiff Enterprise zum letzten Mal gesehen?

"Ihr seid solche Idioten und Schlafwandler!" Schrillte eine überaus wütende Frauenstimme durch das Schloß. "Laßt euch von ein paar simplen Wetterzaubern auskontern." Lea erschauderte ob der Bosheit in dieser Stimme. Konnte das vielleicht Bellatrix Lestrange sein, Voldemorts fanatischste Anhängerin. Würde Lady Ursina gefallen, die hier und jetzt aufzumischen, diese Hure. Aber ihre Großtante Ursina war im Moment nicht hier.

"Vermaledeit und verdorben!" Schrillte Bellatrix Lestranges Stimme wütend. Ein höhnisches Gelächter antwortete ihr. "Wer den Wind der Wüste wieder einfangen will, darf kein Kamel sein!"Donnerte eine überaus erheiterte Männerstimme. Lea hörte Kevin wie aus weiter Ferne lachen. Sie waren immer noch da. Doch ihr Voldimeter zeigte jetzt immer noch drei Todesser an, die unterwegs waren. Sie lief schnell einige Schritte weiter und war bereit, durch die nächste Wand zu springen, um die drei abzufangen. Doch die hielten sich offenbar mit den Wetterzaubern weiter oben auf. Lea überlegte, ob sie wieder zurückgehen und die Abreise der fünf ehemaligen Schulkameraden beobachten sollte. Doch die mochten wohl erst verschwinden, wenn die Knieselin keine fremden Leute in der Nähe witterte. Denn ihr war klar, daß sie die magischen Sinne und auch die restlichen Körpersinne des Zaubertieres nicht unterschätzen durfte. So wartete sie einige Minuten, ob die Todesser sich durch den Sandsturm kämpfen und herunterkommen würden. Doch sie hielten sich mit dem Unwetter auf. Lea beschloß, die zwei anderen Sandsturmsäcke loszulassen, wenn sie sicher war, daß Julius weg war. Sie zählte noch drei Minuten ab, kehrte zurück und fand in dem Gang niemanden mehr vor. "Hat geklappt. Die sind weg, Mum. Lege jetzt noch zwei Sandsturmsäcke, die Julius nicht mehr verteilt hat und geh dann ganz in Deckung", mentiloquierte sie ihrer Mutter.

"Nimm dich vor den Todessern in Acht, Kind!" Schickte ihre Mutter zurück.

"Kannst du von ausgehen, wo selbst Tante Ursinas Freundin Bellatrix hier im Schloß rumkeift."

"Was? O, dann sieh zu, daß du dich schnell dünne machst, Lea. Die Lestrange könnte mit Enthüllungszaubern rumhantieren. Also verzieh dich in den Zaubertrankkerker. Da werden die nur suchen, wenn die glauben, daß unten jemand war!" Lea grummelte. Zu gerne hätte sie der Schlampe da oben noch einen Sandsturm hingezaubert. Andererseits war das mit den Enthüllungszaubern wohl möglich. So suchte sie Zuflucht im Zaubertrankkerker. Kein gemütlicher Ort, wo eingepökelte Molche, Krokodilherzen und Gläser voller eingelegter Blutegel herumstanden, fand Lea. Also hier wollte sie besser nicht schlafen. Sie wartete noch eine Viertelstunde. Sie verließ den Kerker, mogelte sich um die Todesser herum und erreichte den Astronomieturm, wo sie die beiden Sandsturmsäcke auslöste und hinlegte. Die Todesser hingen voll in den ausgelösten Wetterzaubern fest. Dann erst konnte wohl wer den Ausschalter finden und drücken. Mehrere Todesser verschwanden daraufhin aus dem Schloß. Hoffentlich auch die Lestrange. Obwohl Lea sich durchaus vorstellen konnte, dieser Irren ein paar nette Zauber aus dem Hinterhalt überbraten zu können. Bald legte sich der Tumult. Lea maß mit ihrem Voldimeter, daß die Todesser sich wieder auf die Korridore verteilten. Sie kehrte in die große Halle zurück. Snape war fort. Die hatten ihn also gefunden und wieder aufgeweckt. Sei es drum. Sie ging in die kleine Kammer und verbarrikadierte sich darin. Hoffentlich kam keiner auf die Idee, noch einmal alle Räume zu durchsuchen.

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"wir können", mentiloquierte Ceridwen Tim Abrahams, der mit einem Objektversetzungszauber die beiden Betäubungsgaskanister genau zwischen die Wächter versetzte. Diese stürzten darauf zu, als die Behälter bereits lautlos zerfielen und die fünf Auroren voll in die unsichtbaren Schwaden hineinstolperten. Tim grinste. Die hätten vielleicht beim Wachen auch eine Kopfblase zaubern sollen. Jetzt sanken sie alle zusammen. Das Narkosegas waberte als einschläfernde Wolke um das Haus herum, drang in die gekippten Fenster ein und fand dort weitere Opfer. Ceridwen wartete, bis Tim ihr das Zeichen zum Apparieren gab. Sie, Galatea und Tim wechselten im Schutz ihrer Kopfblase in das Haus der Hollingsworths, wo sie Marita und Keneth selig schlummernd vorfanden. Wie abgesprochen schrumpften sie sie ein. "Sofort zum Treffpunkt", mentiloquierte Ceridwen an ihre Tochter und den muggelstämmigen Gast, der bald mehr als ein solcher sein würde. Ceridwen hielt sie beide fest und disapparierte. Das löste zwar einen Meldezauber aus. Doch die knapp eine Minute später anrückenden Auroren liefen voll in die immer noch wirksame Gasfalle hinein.

Fast zeitgleich holte Sophia Whitesand die Eheleute Porter ab und brachte sie zum vereinbarten Sammelpunkt. Dort erschienen Brigid und Megan Barley mit der auf Transportgröße zusammengeschrumpften Familie Malone.

"Ceridwen und ich bringen die Leute bis zum Endpunkt", sagte Sophia Whitesand, als keine Minute später auch Ceridwen Barley mit Galatea und Tim auftauchte. "Tim, Sie rufen bitte Mrs. Andrews an, daß unser Teil geklappt hat und die Malones, Hollingsworths und Porters jetzt erst einmal überprüft werden und dann zum Endpunkt kommen", sagte Sophia, übernahm die eingeschrumpften Zielpersonen und verschwand mit Ceridwen an einer Hand.

"Okay, Mrs. Andrews, hier die freundliche Reiseauskunft. der von Ihnen gebuchte Flug ist eben gestartet", meldete Tim Abrahams.

"Das freut mich sehr", sagte eine Frauenstimme am anderen Ende der Mobilfunkleitung. "Ich hörte, daß der zweite Flug auch gerade unterwegs ist. Vielen Dank für Ihre Hilfe und Grüße an alle, die geholfen haben, Mr. Abrahams."

"Wir danken Ihnen, weil Sie uns helfen, unschuldige Leute zu retten", sagte Tim noch und trennte die Verbindung. Galatea blickte ihre Schwestern an und meinte: "Kuckt mal, den kriegen wir jetzt in unsere Familie." Dann disapparierten sie, um im Schutz der vielfachen Zauber auf dem Hof Hühnergrund anzukommen, wo sie nach mehr als drei Stunden von Ceridwen Barley erfuhren, daß alle da angekommen waren wo sie hinsollten.

"Jetzt werden sie einen Weg austüfteln, die Leute alle rüber in die Staaten zu bringen. Und soll ich euch was verraten, Julius ist wohl sehr gut mit der Familie Latierre bekannt."

"Oh, die Dame, die zwölf Kinder bekommen hat?" Fragte Galatea.

"Genau die", erwiderte Ceridwen. Dann befahl sie im Stil einer gestrengen Mutter: "Und ab in eure Betten, auch wenn ihr schon ausgewachsen seid!"

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Lea erwachte am nächsten Morgen von der Stimme ihrer Mutter. "Die Aktion ist erfolgreich abgeschlossen worden, Lea. Umbridge hat ihr einziges Druckmittel verloren. Könnte sein, daß sie das nicht überlebt. Aber wenn dieser Irre gehässig genug ist, läßt er die nun unter Beobachtung und gibt der zwischendurch zu spüren, daß sie versagt hat. Ist manchmal schlimmer als der Tod."

"Der soll die in das verwandeln, was sie ist, eine häßliche Kröte", grummelte Lea.

"Für dich gilt jetzt wieder der übliche Trott, Lea. Beobachte weiter, was in Hogwarts geschieht, bis die Ferien anbrechen. Es könnte sein, daß diese Aktion die Lage für die restlichen Schüler noch schwerer gemacht hat."

"Geht klar, Mum", gedankenantwortete Lea.

Doch wer von der Aktion nichts mitbekommen hatte bekam auch am Tag nichts mit. Alle Schnee und Sandspuren waren wohl noch beseitigt worden. Die Carrows tuschelten über die Ritter des Sonnenlichtes, von denen Lea vorher nie was gehört hatte. Erst als sie einen der von Julius hinterlassenen Zettel las verstand sie. Sie schickte die einzelnen Passagen des Textes an ihre Mutter weiter, die daraufhin vergnügt antwortete:

"Gute Idee, eine auf Dementorenannäherung abgestimmte Vernichtung anzudrohen. So wird sich Snape wohl hüten, diese Monster durch das Schloß patrouillieren zu lassen. Vernichte die Zettel! Sie haben ihren Sinn erfüllt." Lea bejahte die Anweisung und ließ die drei Zettel unter einem Feuerstrahl zu Asche zerfallen. Dann begab sie sich auf ihre nun zur Routine gewordenen Spähtour, wissend, daß sie nicht ganz sinnlos war.

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"Wann soll ich den Zeremonienmagier bestellen?" Fragte Ceridwen Barley Tim und Galatea. Tim sah Galatea fragend an. Die meinte dann:

"Wenn der an Halloween kann, dann wäre es doch schön. Immerhin ist das doch ein schöner Feiertag für Hexen und Zauberer."

"Stimmt, den tag darauf sollen diese Kuppelheinis vom Ministerium ja die Brautschau veranstalten", knurrte Tim. Galatea nickte.

"Gut, dann in zwei Tagen also", bestätigte Ceridwen Barley. "Ich hoffe mal, Logophil Nodberry sieht es ein, daß wir kein großes Aufgebot bestellen konnten. Ich hoffe, der wurde noch nicht von dem Imperius-Fluch oder sowas betroffen."

"Dann soll der uns bei Mrs. Whitesand zusammensprechen. Da ist der Sanctuafugium-Zauber. Fergus möchte mein Trauzeuge werden, Brigid und Megan Gallys Brautjungfern."

"Geht in Ordnung", sagte Ceridwen. "Ich hoffe, Mrs. Whitesand erlaubt das. Dann können wir gleich zur Halloweenfeier übergehen, bevor der düstere Ernst uns wieder einholt." Ihre Tochter Galatea und Tim nickten.

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"Bald ist Halloween, Daianira. Dann wirst du dein blaues Wunder erleben", knurrte Anthelia. Sie hatte sich in den letzten Wochen gut mit Donata Archstone beraten, wie Daianiras Aktionen gegen sie so gewaltlos wie möglich beantwortet werden konnten. Sollte es nicht klappen, was die Spinnenschwestern planten, blieb dann immer noch der Entscheidungskampf in der Höhle der Versamllungen. Denn Anthelia hatte beschlossen, Daianiras Vorrangstellung zu brechen, wenn diese nicht verstand, worum es eigentlich ging. So dachte Anthelia an Halloween und daran, daß an diesem Tag eine neue Weltordnung eingeläutet werden mochte.

ENDE

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