eine Fan-Fiction-Story aus der Welt der Harry-Potter-Serie
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Was bisher geschah | Vorige Story
Julius Andrews' Vater, ein Chemiker in Führungsposition, hält nichts von der Zaubererwelt und von Hogwarts. Um Julius aus dieser "Unsinnsschule" herauszuhalten, schickt er seinen Sohn zu Bekannten seiner Frau nach Paris. Außerdem schreibt er an diese, daß sein Sohn Gefahr läuft, in eine gefährliche Sekte hineingezogen zu werden, die es auf Kinder reicher Eltern abgesehen haben soll und daß Julius deshalb länger als bis zum ersten September in Frankreich bleiben solle. Was Mr. Andrews nicht weiß: Die Frau von Joe Brickston, Catherine Brickston geb. Faucon, ist eine reinrassige Hexe, deren Mutter in der französischen Zaubererschule Beauxbatons unterrichtet. Als der Brief von Julius' Vater eintrifft, informiert Catherine ihre Mutter und das französische Zaubereiministerium, daß "Muggeleltern" gegen bestehende Ausbildungsgesetze verstoßen. Madame Faucon holt Julius daraufhin zu sich nach Millemerveilles, einem Dorf nur für Hexen und Zauberer, in der Region von Marseille gelegen. Dort lernt Julius die Dusoleils kennen, Camille, die für alle magischen und nichtmagischen Pflanzungen des Dorfes zuständig ist, sowie ihre Töchter Jeanne, welche gut im Quidditch ist, Claire, die für Zaubermalerei, Musik und Verwandlung schwärmt und die kleine Denise.
Julius muß ein Verbindungsarmband tragen, das ihn über sieben Kilometern hinweg ortbar hält. Er trinkt den Wechselzungentrank, der ihm die französische Lautsprache verschafft, zunächst jedoch unter Verlust seiner eigenen Muttersprache. Er trifft Prudence Whitesand, seine ältere Hauskameradin und deren Feriengastgeber, Madame Delamontagne und ihre Tochter Virginie.
Weil er in einer Hausaufgabe zu Verwandlung nicht darauf eingehen wollte, ob lebende Wesen nach Verwandlung in leblose Objekte noch irgendwie fühlen oder ihre Umgebung wahrnehmen können, geht Julius auf ein angebotenes Experiment ein und läßt sich von Madame Faucon für zehn Minuten in einen Weidenkorb verwandeln.
Am nächsten Tag erkundet er die Zauberpflanzen von Millemerveilles und verbringt den Nachmittag bei den Dusoleils. Er übersteht eine Befragung Madame Delamontagnes, die als Dorfrätin für Gesellschaftsangelegenheiten weiß, wieso und für wielange Julius in Millemerveilles ist, musiziert mit Claire Dusoleil und entdeckt dabei die Freude am Spielen wieder, die er bei Schulbeginn verloren zu haben glaubte. Ein unerwarteter Umstand, nämlich Claire Dusoleils bezaubertes Sprachlernbuch Französisch / Englisch, bringt Julius seine Muttersprache zurück. So kann er nun zwei Sprachen fließend sprechen und verstehen.
Die nächsten Tage verbringt Julius mit Quidditchtraining und Schach bei Madame Delamontagne, die eine glühende Schachverehrerin ist und Julius für ein Turnier prüfen will, daß demnächst stattfinden soll. Madame Faucon findet heraus, daß Julius wieder Englisch sprechen kann und prüft nach, ob seine Zauberfähigkeiten durch die unerwartete Sprachrückgewinnung gelitten haben. Bei einem Quidditchspiel mit den älteren Jugendlichen des Dorfes rast ein Überschallflugzeug über Millemerveilles hinweg und erschreckt Spieler und Zuschauer. Julius beruhigt die Dorfbewohner und erklärt, was passiert ist.
Der Zauberschüler aus England hat jedoch ein Problem, das er nicht einfach erklären kann. Bald kommt sein zwölfter Geburtstag, und er weiß nicht, ob er seiner Gastgeberin davon erzählen soll. Er beschließt, darum kein Aufheben zu machen, ihn einfach als gewöhnlichen Tag verstreichen zu lassen. Claire Dusoleils Einladung zu ihrer Geburtstagsfeier drei Tage später trübt seine Stimmung wieder etwas ein.
Julius sah zum Mond hinauf. Er war fast voll zu sehen. Er dachte daran, daß nun 25 Jahre um waren, seitdem die Astronauten Armstrong und Aldrin als erste Menschen dort oben ewige Fußspuren in den Mondstaub gedrückt hatten. Sicher würde es in den vereinigten Staaten von Amerika eine Riesenparty geben und anderswo auf der Welt wieder und wieder Bilder von diesem geschichtlichen Ereignis im Fernsehen gezeigt werden. Mit der Vorstellung, selbst in einer Mondlandefähre zu sitzen und die letzten Meter bis zum Mond herunterzuzählen, legte sich Julius ins Bett und nahm diese Eindrücke in seinen Schlaf hinüber, wo er davon träumte, der erste Mensch zu sein, der nach einer langen Zeit wieder zum Mond flog. Dabei saß er in einem Raumschiff, wie es der Comic-Held Scorpio Taurus benutzte und kommandierte die Landung. Doch auf dem Mond warteten schon Leute:
Böse Zauberer und feuerspeiende Drachen bedrohten die Raumfahrer. Einer der bösen Magier war Brutus Pane, jener idiotische aber sehr brutale Slytherin-Schüler, der es im ersten Jahr gewagt hatte, Julius mit dem verbotenen Todesfluch anzugreifen. Julius wehrte sich mit dem Zauber, den Madame Faucon verwendet hatte, um seinen Entwaffnungszauber zu kontern und sah, wie Pane in einer Wolke aus grünen Funken explodierte. dann hatten ihn die bösen Zauberer eingekreist. Carol Ridges, das klapperdürre Slytherin-Mädchen mit den schwarzen Haaren, lachte gehässig, als alle ihn angreifen wollten. Er wäre bestimmt unter der Salve verschiedener Flüche niedergegangen, wenn da nicht von irgendwo her eine sanftklingende Frauenstimme gekommen wäre, die weithallend eine Melodie sang, die alle schläfrig machte. Julius dachte daran, daß dies Madame Faucon war, die das Zauberlied sang, bevor die Musik ihn selbst mit sich zog und seiner Sinne beraubte, ihn forttrug ...
Julius erwachte von einer leisen Melodie, die wie von weit her an seine Ohren drang. Er hörte genau hin und vergewisserte sich, daß er nicht mehr träumte. Seine Uhr zeigte sieben Uhr. Normalerweise weckte ihn die Hausherrin doch um diese Zeit. Doch er hörte nur die Musik, die von einem Cello, mehreren Flöten, einer Harfe und einem französischen Akordeon gespielt wurde. Dann vernahm er auch mehrere Stimmen, Frauen und halbwüchsige Mädchen, die laut und vernehmlich auf Französisch sangen:
Wache auf, du neuer Morgen!
Treibe fort die Alltagssorgen!
Jede Pein und jede Plage
soll an diesem Jubeltage
fortverfliegen, denn für wahr
neubeginnt ein Lebensjahr.
Julius stutzte, als der Gesang aufhörte und nur die Musik fröhlich aber nicht zu schnell weitergespielt wurde. Er wußte nicht, was los war. Sicher war nur, daß er zwei der erwachsenen Hexen herausgehört hatte: Seine derzeitige Gastgeberin und Madame Dusoleil.
"Hat die alte Hexenmeisterin es doch irgendwie ... Natürlich, Catherine!" dachte Julius und wußte nicht, ob er jetzt lachen oder verärgert mit den Zähnen knirschen sollte. Er wußte nur eines: Diese Stehgreifmusiker dort draußen würden sehr enttäuscht sein, wenn er nicht zu ihnen hinausgehen würde. Als er sich schnell aus dem Bett erhob und seinen Bademantel anzog, sangen die Leute draußen die nächste Strophe:
Ist erfüllt dein ganzes Leben
von Gehorsam, Fleiß und Streben.
Streiten sich um deine Zeit,
Ärger, Freud' und Traurigkeit,
wünschen wir zum Wiegenfeste
dir von Herzen all das Beste.
Julius eilte hinaus aus dem Zimmer, der Musik und dem Gesang nach, bis zur großen Gartentür des Hauses. Er strekcte die Hand nach dem Türgriff aus und zog daran. In diesem Moment flammten mehrere Kerzen im Garten auf, und die Musik wurde beschwingter und lauter. Irgendwie mußte jemand den Türgriff mit einem Zauber belegt haben, der eine ganze Batterie von großen Kerzen entzünden sollte, wenn jemand die Tür öffnete.
Julius trat hinaus in die laue Morgenluft und sog den Duft der Gartenpflanzen, der Bäume und Gräser, Kräuter und Blumen, tief in seine Nasenflügel ein, bevor er die Gruppe von Leuten sah, die auf der großen Wiese standen und ihre Musikinstrumente spielten. Er sah Madame Faucon, die ein großes Cello vor sich aufgestellt hatte, erkannte Madame Dusoleil, die in einem smaragdgrünen Umhang mit silbernen Verzierungen eine große Flöte blies. Er entdeckte die Schwestern Jeanne und Claire, die auf Panflöten die Melodie in mehreren Stimmen begleiteten, die ihr Vater auf dem Akordeon vorgab. Dann sah er noch Virginie Delamontagne, die eine große Harfe zupfte und der ganzen Musik eine erhabene Atmosphäre verlieh. Julius rieb sich die letzten Spuren von Schlafsand aus den Augen und starrte die kleine aber ausgezeichnet zusammenspielende Musikgruppe an. Dann trat er noch ein paar Schritte hervor, so daß er ganz im Licht der entzündeten Kerzen stand. Die Musik klang aus, um dann dem bekannten "Zum Geburtstag viel Glück" Raum zu geben, das alle Anwesenden sangen. Jetzt sah Julius auch Prudence Whitesand, die in der Gruppe der Sänger gestanden hatte, aber selbst kein Instrument spielte. Julius spürte, wie ihm auf Grund der sich streitenden Gefühle von grenzenloser Freude und Verlegenheit Tränen in die Augen stiegen. Dann hörte er Madame Faucon laut sagen:
"Ich beglückwünsche Monsieur Julius Andrews, unseren Gast aus England, zur Vollendung seines zwölften Lebensjahres und wünsche ihm im Namen aller ihm bekannten Hexen und Zauberer diesseits und jenseits des Ärmelkanals, die heute an ihn denken, alles gute für die nächsten Lebensjahre!"
Julius trat vor, Tränen in den Augen, vor Verlegenheit rot. Madame Faucon kam auf ihn zu, schloß ihn in ihre Arme und gab ihm einen sanften Kuß auf jede Wange. Dann folgten Madame Dusoleil, Prudence Whitesand, Virginie Delamontagne, Claire Dusoleil und Monsieur Dusoleil.
Julius errötete noch mehr, als er Claire sah und sagte:
"Ich dachte, das würde niemanden betreffen, daß ich heute .. ich meine, ich glaubte, ich würde niemanden hier damit interessieren. Deshalb habe ich dir nichts erzählt."
"Wieso? Ich habe doch gestern deine Einladungskarte bekommen, die mit den tanzenden Feen. Und gestern abend kam Professeur Faucon noch zu uns, um noch mal alles zu bereden, wie wir dich heute wecken sollten."
Julius mußte schnell schalten, um nicht verlegen zu sagen, daß er keine Einladungskarte verschickt hatte. Doch ihm fiel ein, daß Madame Faucon wohl von Catherine erfahren hatte, was heute für ein Tag war und schon die entsprechenden Schritte unternommen hatte, um diesen Tag nicht unbeachtet verstreichen zu lassen. Julius war sich jedoch darüber im Klaren, daß er sich beim Frühstück noch was würde anhören müssen. Einen gewissen Vorgeschmack davon erhielt er, als Madame Dusoleil ihn noch mal in die Arme schloß und flüsterte:
"Hast du dir eingebildet, in diesem Dorf, mit uns, die dich jetzt gut leiden mögen, derartig belanglos deinen Geburtstag zu erreichen, ohne daß wir das mitkriegen? Aber wir sind hier in einem Dorf von Hexen und Zauberern und nicht in einer Muggelstadt, wo jeder jedem egal ist. Claire hat sich sehr über die Einladung gefreut, auch wenn deine Gastmutter sie gestern morgen erst abgeschickt hat. Also mach dir um deinen heutigen Tagesablauf keine Gedanken!"
Zusammen mit den anwesenden Hexen und Zauberern sang er noch mal ein Begrüßungslied für den neuen Tag. Monsieur Dusoleil ließ aus seinem Zauberstab einen Regenbogen erscheinen, dessen anderes Ende im Zauberstab von Madame Faucon verschwand. Madame Dusoleil und Jeanne ließen aus ihren Zauberstäben den goldenen Schriftzug "ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG, JULIUS!" emporsteigen. Dann beendete Madame Faucon die Weck- und Glückwunschzusammenkunft mit den Worten:
"Heute Nachmittag um vier Uhr kommt ihr alle wieder und alle die, die noch eingeladen wurden!"
Julius fragte sich, wer da noch kommen sollte. Madame Faucon hatte doch wohl nicht das ganze Dorf eingeladen?
Wie befürchtet kam das kleine Donnerwetter über Julius, als Madame Faucon und er nach der Morgenwäsche am Frühstückstisch saßen.
"Junger Herr!" Begann die Hausherrin. "Was haben Sie sich dabei gedacht, mich und diejenigen, mit denen Sie in den letzten Tagen eine gewisse freundschaftliche Beziehung geknüpft haben, derartig außen vor zu lassen? Haben Sie im Ernst mit dem Gedanken gespielt, sich hier murrend und frustriert über Ihren Geburtstag zu quälen, weil Sie sich einbildeten, niemanden hier würde das interessieren oder gar betreffen?"
"Ja, so ungefähr stellte ich mir das vor, Madame", erwiderte Julius mit einer Mischung aus Trotz und Verlegenheit. "Seitdem meine eigenen Eltern der Meinung waren, ich dürfte offenbar nicht einmal mit ihnen meinen Geburtstag verbringen, habe ich mich damit begnügt, lediglich schriftliche Glückwünsche entgegenzunehmen, ohne jedem in meiner Umgebung zu verraten, wann ich Geburtstag feiern würde. Ich ging auch davon aus, daß gerade Sie sich bestimmt nicht damit behelligen lassen wollten, daß ..."
"Jaja, die Amtshilfeverfügung, nicht wahr. Ich habe dich nur wegen dieser Torheit deiner Eltern hierher geholt, nicht wahr?! Ich habe dich nicht in mein Haus aufgenommen, weil mir etwas an Catherine liegt oder daran, daß ihr etwas daran liegt, daß du nicht von irgendwelchen Zaubererbürokraten in irgendein Heim für elternlose Zaubererkinder gesteckt wirst, wie es die Alternative gewesen wäre. Sicher habe ich in meiner Eigenschaft als Beamtin der französischen Zaubererwelt die Verpflichtung, auf Amtshilfeersuchen englischer Kollegen einzugehen. Doch im wesentlichen ging es nicht darum, dich einfach nur irgendwo unterzubringen, bis du deine Schule wiedersehen solltest, sondern auch und vor allem darum, daß du dich nicht isoliert oder gar eingesperrt fühlen mußt, nur weil jemand aus einer Muggelfamilie der idiotischen Ansicht nachhängt, ein Zauberer würde schon ein Muggel, wenn man ihn zwingt, seine Ausbildung abzubrechen. Hältst du mich also für eine reine Funktionseinheit, ohne Empfindung für ihre Umgebung, die nur Befehle ausführt, wie diese menschenähnlichen Muggelautomaten, die Roboter heißen?!"
"Ich halte Sie, um Sie zu beruhigen, nicht für einen Roboter, sondern für eine hart arbeitende Frau, ähm, Hexe, die ihre Zeit nicht nach Belieben freihalten kann. Da ich selber einen Vater in einer Führungsposition habe weiß ich, mit welcher Verantwortung jemand, der eine hohe Stellung hat, seinen Beruf ausüben muß und habe es nicht nur einmal erleben müssen, daß dabei die Familie rücksichtslos zurückgestellt wird. Das wollte ich weder Ihnen noch mir antun, da wir uns ja nun wirklich nicht so gut kennen, daß ich Sie mit meinen Familiensachen behelligen konnte. Ich bin vielleicht geschädigt, weil ich eben Eltern habe, die ihre beruflichen Dinge mal soeben über die Familie stellen, gebe ich zu. Aber dann dürfen Sie mir nicht unterstellen, ich hätte Ihnen was wesentliches vorenthalten, nur weil ich Angst hatte, mich total zu verrennen."
"Angst? Du hattest Angst zu mir zu kommen und zu sagen:
"Verzeihen Sie, Madame Faucon! Aber ich habe in einigen Tagen Geburtstag und weiß nicht, ob und wie ich ihn feiern soll. Können Sie mir vielleicht einen Rat geben?"darum ging es mir doch nur."
"Eben. Und ich war darauf eingerichtet, daß Sie sagen würden, daß Sie mir nicht helfen könnten, weil das nun einmal nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt", versetzte Julius, fast so laut brüllend, daß die gläsernen Karaffen auf der Anrichte zitterten. Madame Faucon sah ihn mit einem sehr eindringlichen Blick an und sagte ganz leise, aber nichts desto trotz unüberhörbar:
"Du brauchst mich nicht anzuschreien. Erstens mag ich es nicht, daß mich jemand laut anfährt, der keinen Grund dazu hat. Zweitens bin ich diejenige in diesem Haus, die laut schreien darf. Drittens wollte ich dir nur vor Augen führen, wie sehr du dich geirrt hast, aber nicht, um dich zu demütigen, sondern um dich dazu anzuregen, mehr Vertrauen zu mir oder zu Camille zu fassen, solange du hier bist. Ich bin sicher, daß Catherine jetzt wahrscheinlich getadelt hätte, wenn sie hier wäre. Aber ich werde dich weder tadeln noch bestrafen. Ich hielt es nur für geboten, dich auf deinen Irrtum hinzuweisen. Du bist nicht in einem Gefängnis mit Freigehege, in dem es Wärter und Mithäftlinge gibt, sondern zu Gast bei mir. Gast heißt, daß du durchaus Anspruch auf Wohlbefinden erheben kannst, wenn du dich traust, deine Wünsche zu formulieren. Wenn es mir nur darum ginge, dich so zu füttern, daß du genug Nährstoffe in deinem Magen hättest, würde ich mir nicht die Mühe machen, dir unsere Esskultur vorzustellen oder gar viel Mühe auf liebevolle Zubereitungen verwenden. Ich hätte dich bestimmt nicht mit Jeanne, Claire und den anderen Schülern meiner Lehranstalt zusammenkommen lassen, wenn ich der Meinung anhinge, daß du hier nur unter meiner persönlichen Obhut stehen darfst. Ich hätte die Galleonen, die man dir zugeschickt hat, bestimmt entwendet, wenn ich der Meinung huldigte, daß du hier kein Geld besitzen dürftest. Es ist richtig, daß meine Stellung viel Respekt und Strenge beinhaltet, ebenso wie es richtig ist, daß ich sehr unerbittlich auftreten muß, wenn es um meine Schüler geht. Dennoch bin ich auch eine Mutter und Großmutter, die wohl weiß, wie wwichtig eine Familie als gesellschaftliche Basis ist und respektiere die Wünsche der Eltern und Anverwandten der in meiner Obhut befindlichen Kinder und Jugendlicher, solang deren Zukunft wirklich zu deren besten gestaltet werden soll und nicht wie bei dir in ein Chaos führen wird, falls wir, meine Kollegen von Hogwarts und ich, es zuließen, daß deine Eltern deine Selbstfindung und deinen Berufsweg derartig durcheinanderbringen, wie sie es offenbar beabsichtigen. Eleonore, Madame Delamontagne, hat sich gestern sehr ausführlich mit mir unterhalten. Du wirst wohl ergründet haben, daß sie dich auf deine Einstellung zu unserer Zivilisation geprüft hat. Und ich darf dir mitteilen, daß du bei ihr mit sehr Gut bestanden hast, wenngleich sie den Eindruck nicht loswerden konnte, daß man dich zeitweilig daran erinnern müsse, wohin du gehörst, weil anderswo versucht werden könnte, das Gegenteil zu bewirken. Die Dame kennt dich erst seit zwei Tagen und hat schon eine derartige Beurteilung über dich parat. Sie deckt sich mit meiner Einschätzung, die ich dort, wo du wohnst erstmalig gewinnen konnte und durch eine beiläufige Korrespondenz und dein Verhalten bei Joe und hier bestätigen konnte. In diesem einen Punkt haben deine Eltern, will sagen, dein Vater recht. Du mußt dich frei von jeder falschen Rücksichtnahme zu uns bekennen, zu jener Welt, in der du das sein kannst, was du von Natur aus bist.
Dies nur, um dich endlich davon zu überzeugen, daß du hier nicht gehalten wirst wie ein aufgezwungenes Kind, sondern leben darfst. Und jetzt frühstücke gut und reichlich, dein Tag ist noch lang!"
Nach dem Frühstück führte Madame Faucon ihren Gast und Schützling in ihr Arbeitszimmer, wo sich ein Berg aus großen und kleinen Paketen stapelte.
"Deine Schulfreunde aus Hogwarts haben dir diese Nacht die ganzen Pakete zugeschickt. Ich nahm mir die Freiheit, dich mit einem 5-Stunden-Schlafzauber zu belegen, um die ganzen Pakete hier aufzubauen. Briefe liegen auch bei."
"Ich dachte, Ihnen sei es peinlich, mich hier zu haben", erinnerte sich Julius daran, daß Madame Faucon ihm geraten hatte, sich nicht so sehr über seinen derzeitigen Verbleib auszulassen. Sie sagte nur:
"Mir ist peinlich, mit einem ignoranten Muggel verwandt zu sein und daraus resultierend mit der Ignoranz anderer Muggel zu tun zu haben. Sicher lege ich keinen Wert auf große Öffentlichkeit darüber, daß du hier bist. Aber die meisten Briefe und Pakete sind nur an Julius Andrews adressiert, ohne deine komplette Anschrift zu verwenden. Posteulen sind sehr verschwiegene und zuverlässige Verbindungsmöglichkeiten. Aber das weißt du bestimmt schon längst."
Julius nahm zunächst die Briefe und Glückwunschkarten vom Paketstapel. Er las, daß die Porters alleine, ihre Tochter Gloria alleine, sowie die Hollingsworth-Schwestern, Kevin Malone, Pina Watermelon und Gilda Fletcher ihre Glückwünsche übermittelten. Dann war da noch ein Glückwunschschreiben von Hogwarts, das als einziges Schreiben vollständig adressiert war. Julius nahm diesen Brief zuerst und las:
Sehr geehrter Mr. Andrews,
wir freuen uns, daß Sie derzeitig wohlbehalten untergekommen sind und durchaus zu schätzen wissen, welche Vorzüge eine elektroniklose Gesellschaft bereithält.
Wir wünschen Ihnen viel Glück und Freude zu Ihrem Geburtstag und hoffen, daß Sie diesen Ehrentag genießen werden. Wir gehen davon aus, daß Sie gut erholt und ausgeglichen das nächste Schuljahr bei uns in Hogwarts beginnen werden und Ihre weitere Ausbildung mit noch größerem Elan fortsetzen als Sie bis her ohnehin schon geäußert haben.
Mit hochachtungsvollen Grüßen an Ihre derzeitige Gastgeberin und freundlichen Grüßen für Sie
Prof. Flitwick
P.S.Da Sie sich für den Muggelsport Fußball interessieren, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten, daß laut Muggelsportkurier vom 19.07.1994 die Mannschaft aus Brasilien im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft gegen Italien den Gewinn der Weltmeisterschaft durch sogenanntes Elfmeterschießen für sich zu erringen vermochte.
Julius las und grinste. Dann sagte er:
"Quidditch ist doch eindeutiger als Fußball."
dann las er die übrigen Glückwunschkarten und Briefe seiner Freunde. dabei schluckte er verlegen, als er von Mrs. Porter las, daß sie und ihr Mann ein eigenes Geschenk für Julius erworben hatten, während Gloria ein eigenes Geschenk für ihn gekauft hatte. Julius war es mulmig, wenn er daran dachte, wieviel Geld die Porters für ihn ausgegeben haben mochten, wenn sie ihm schon sechs Galleonen Taschengeld zusteckten, ohne Garantie, es richtig angelegt zu haben.
Als er sämtliche Glückwünsche gelesen hatte, die alle den gemeinsamen Grundton rüberbrachten, daß seine Freunde es nicht verstehen konnten, daß Julius nicht mit ihnen feiern konnte, ging er daran, die Pakete und Päckchen zu öffnen. Dabei fiel ihm auf, daß ein Gratulant fehlte. Hatte Aurora Dawn nicht geschrieben, sie würde ihm etwas zum Geburtstag schenken? Womöglich hatte sie es von Australien aus losgeschickt, und es mußte noch ankommen.
Als erstes öffnete er das Paket der Hollingsworth-Zwillinge. Sofort filen zwei Bücher heraus. Auf dem einen lächelte ihm eine schwarzhaarige Hexe in grasgrünem Umhang entgegen, die zwischen bunten Blumen und merkwürdigen Kräutern stand und jetzt, wo sie ans Tageslicht gekommen war, anfing, mit einer wasserblauen Gießkanne einen feinen Strahl Wasser über die dargestellten Pflanzen zu sprühen. Julius stutzte, dann las er die zwischen den bunten Blumen versteckte Schrift: DER KLEINE HEXENGARTEN. Er drehte das Buch herum und las:
"Der kleine Hexengarten, von Aurora Dawn, gehört seit 1990 zu den Standardführern in häuslicher Gartenpflege magischer und nichtmagischer Pflanzen. Die erfolgreiche Kräuter- und Heilkundlerin, die 1984 mit einem sehr guten Abschlußzeugnis von Hogwarts abging, beschreibt kompetent und humorvoll die Aufzucht und Haltung der verschiedenen nichtmagischen Pflanzen und Zauberkräuter, die in den gemäßigten bis subtropischen Breiten bekannt sind. Dabei verzichtet sie bewußt auf übertriebene Fachausdrücke und eröffnet damit jeder Hexe und jedem Zauberer, der einen eigenen Garten betreuen möchte, die Gelegenheit, ohne nachträgliche Vertiefung ihrer oder seiner Kräuterkundefähigkeiten die Vielfalt der Pflanzenwelt zu begreifen und zu nutzen."
Julius wußte nicht, was er sagen oder tun sollte. Woher wußten die Hollingsworths, daß er Aurora Dawn kannte? Außer Gloria wußten das nur noch die Professoren in Hogwarts. Dann mußten wohl Gloria oder Prof. Sprout den beiden vorgeschlagen haben, ihm dieses Buch zu besorgen. Er sah noch einen Pergamentzettel auf dem zweiten Buch des Paketes und hob ihn auf. Er las in Jennas Handschrift:
Hallo, Julius!
Die beiden Bücher, die wir dir geschenkt haben, sind eine Empfehlung von Professor Sprout. Sie meinte, du würdest diese Werke sehr gerne haben wollen.
Julius nahm das zweite Buch auf und sah wieder das Bild von Aurora Dawn, diesmal unter einer strahlendhellen Sonne vor einem großen goldenen Kessel. Der Titel lautete: TINKTUREN ZUM SELBERMACHEN
Der Beschreibungstext verhieß, daß die erfahrene Heilkundlerin Aurora Dawn in diesem Buch eine Aufstellung der einfachsten aber nützlichen Zaubersalben für Jedermann zusammengefaßt habe, die durchaus wichtig für die Zusammenstellung von Haus- und Reiseapotheken sein konnten.
Madame Faucon sah das Bild der Hexe, die seit geraumer Zeit in Australien lebte und strahlte Julius an:
"Wer hat dir denn diese Bücher geschenkt?"
"Zwei Mädchen aus Hufflepuff. Ihre Hauslehrerin hat ihnen den Vorschlag gemacht, diese Bücher zu verschenken."
"Den "Hexengarten" habe ich auch. Jedoch lese ich die französische Version. Aber das andere Buch scheint auch nicht uninteressant zu sein. darf ich mal durchblättern?"
"Bitte", erwiderte Julius und reichte ihr das Buch über die Tinkturen zum selbermachen.
Als er das Paket von Gloria Porter öffnete, plumpste ihm ein mächtiger Wälzer entgegen. Von seinem dicken Umschlag grüßten ihn die Türme von Hogwarts. In einer verschnörkelten Goldschrift, die sich wie ein Torbogen über den Zinnen und Türmen erhob, stand der Titel: EINE GESCHICHTE VON Hogwarts.
"das sieht ihr ähnlich", grinste Julius, als er den umfangreichen Folianten anhob. "Wenn die alle wissen, daß ich den Schinken habe, werden sie mir die Bude einrennen, um ihn zu lesen", sagte Julius noch. Seine Gastmutter blickte über den Rand des Tinkturenbuches auf den breiten Buchrücken und nickte.
"Ist das die junge Dame, die dir zu Ostern von mir erzählt hat?"
"Ja, die ist das."
Als Julius Pinas Geburtstagspaket öffnete, kullerten ihm ein glänzendes Lunaskop und ein gelbweißes Buch mit abgerundeten goldenen Buchstaben um eine zwanzigstrahlige Sonnenscheibe entgegen: "DIE MAGIE DES SONNENFEUERS", sagte die Titelschrift. Julius hob das Buch auf und las den Klappentext:
"Die Magie des Sonnenfeuers, von Prof. Hyperion Dias und Prof. Corona Meridies, ist ein kompaktes Erläuterungswerk zur magischen Bedeutung von Sonnenstellungen, der Wirkung der Sonnenflecken auf bestimmte Zauber, sowie einer einfachen Tabelle zur eigenständigen Vorhersage von Sonnen- und Mondfinsternissen für die nächsten vierhundert Jahre. Es beschreibt die Wirkung von gebündelter Sonnenstrahlung bei der Herstellung permanenter Zauber, liefert eine Zusammenfassung verschiedener Methoden, Kristalle zur Dämpfung bestimmter Sonnenlichtanteile zu züchten und gibt auch eine Liste mit magischen Lebewesen an, die bei bestimmten Sonnenaktivitäten unterschiedliche Eigenschaften und Verhaltensweisen äußern. Das Buch schlägt eine Brücke von den altägyptischen Sonnenritualen zur Gallilei'schen Weltanschauung und verweist auch auf modernere Verfahren zur Messung und darstellung der Sonnenstrahlung. Die Autoren unterrichteten im Laufe der letzten 25 Jahre an den führenden Zaubererschulen der Welt Astronomie, Zauberkunst und Kräuterkunde und wurden 1986 mit dem Förderpreis der interdisziplinären Magieforschung ausgezeichnet."
"Du bist doch Klassenbester in Astronomie geworden. Brauchst du dann dieses Buch?" Fragte Madame Faucon.
"Oja! Ich habe bislang geglaubt, die Astronomie sei nur für Navigationszwecke und Jahreszeitenberechnungen gut, abgesehen davon, daß mich Weltraumforschung auch so schon interessiert hat. Aber ich dachte nicht, daß die Gestirne wirklich Zauber beeinflussen. Gut, daß der Vollmond einen Werwolf in seine wilde Tiergestalt verwandelt, weiß ich seit dem letzten Jahr. Aber welche magischen Eigenschaften die Sonne hat, habe ich nicht überdacht. Das war auf jeden Fall eine gute Idee von Pina. Sie war die drittbeste Ravenclaw unseres Jahrgangs im Fach Astronomie."
Kevins Paket enthielt ein Buch über "die Drachen der nördlichen Halbkugel". Von der feuerroten Buchklappe glotzte Julius ein schwarzgrüner Drache mit langer und spitzer Schnauze an, bleckte die gelben Fangzähne und rollte die hornige rötlichgraue Zunge aus, bevor er einen gelbroten Feuerstrahl über den gesamten Buchdeckel hinwegspie.
"Wer schenkt dir denn das?!" Erregte sich Madame Faucon, als der auf dem Buchdeckel abgebildete Drache noch mal einen Flammenstrahl spie.
"Mein Bettnachbar. Er mag magische Geschöpfe. Wahrscheinlich hat er sich das Ding hier selbst zugelegt und gedacht, mich würde das auch interessieren. Sieht auf jeden Fall nach Abenteuer aus", amüsierte sich Julius und schlug das Buch auf, um kurz das Inhaltsverzeichnis zu überfliegen.
"Steht da auch drin, welche Gesetze den Umgang mit Drachen regeln?" Wollte die Hausherrin wissen. Julius blätterte auf die nächste Seite und tippte mit dem rechten Zeigefinger auf ein Kapitel, daß sich mit gesetzlichen Bestimmungen zum Umgang mit Drachen befaßte.
"Immerhin. Dann wirst du nämlich nachlesen können, daß Drachen, egal wie groß sie werden, nicht gehalten werden dürfen, da im Zuge der Geheimhaltung vor Muggeln Drachen zu auffällig sind."
"Wass will ich mit einem Drachen? Der frißt zu viel, und das, was dann hinten rausfällt, muß man mit einem Bagger abfahren. Abgesehen davon, daß keine Feuerversicherung zahlt, wenn ein Drache ein Haus zerbrutzelt hat. Aber interessant ist es schon, welche Arten es gibt. Die Phantasie der Märchenerzähler reicht da überhaupt nicht heran."
"Diese Argumente nehme ich wohlwollend zur Kenntnis", erwiderte Madame Faucon.
Gilda Fletchers Geschenk bestand aus einem Buch mit mitternachtsblauem Rücken und silberner Schrift, die verhieß: "DIE ERBEN DER DRUIDEN". Als Verfasser wurden ein Professor Fingal Roots und eine Professorin Tara O'Toole angeführt. Julius las den Klappentext laut vor, als er den interessierten Blick seiner Gastgeberin bemerkte:
"Die beiden Professoren aus Dublin, die von 1967 bis 1981 Geschichte der Zauberei und Umgang mit dunklen Kräften am magischen Kolleg von Dublin unterrichteten, schlagen in diesem umfassenden Buch eine Brücke zwischen den ersten druidischen Lehren zur gegenwärtigen Magie, die insbesondere bei Zaubertränken und Zauberbannen vieles der alten Erkenntnisse beibehalten hat. Neben Beispielen für druidisches Wissen, welches sich auch gegenwärtig nutzen läßt, werden die Lebensgeschichten der führenden Druiden bis zum achten nachchristlichen Jahrhundert dargestellt und neben so prominenten Gestalten wie Cliodna auch unrühmliche Persönlichkeiten wie dairon vom Düsterwald erwähnt. Wer sich intensiv mit altgeschichtlicher Magie im Vergleich zu moderner Zauberei und Hexerei zu beschäftigen wünscht, findet in diesem Werk einen unverzichtbaren Wissensschatz, der sowohl als Begleitbuch zum Schulunterricht Geschichte der zauberei als auch zur Zaubertrank- und Kräuterkunde brauchbare Hilfestellungen liefert. Auch wird hier für die Abwehr von Flüchen und / oder die Vermeidung von Zauberfallen eine fundierte und hundertfach verifizierte Hilfestellung geboten, die im Umgang mit schwarzer Magie recht nützlich ist."
"da hat dir wohl jemand ein wichtiges Buch zur Zaubereigeschichte gegeben, um dich zu animieren, dieses Fach doch mit mehr Elan anzugehen", kommentierte Madame Faucon dieses Geschenk. Julius nickte nur und meinte:
"Was nützt das, wenn wir eine wandelnde Schlaftablette als Geschichtslehrer haben. Geschichte war und ist immer nur so interessant, wie die Leute, die sie einem beibringen sollen. Wir hatten in der Grundschule zwar noch keine richtige Geschichtsstunde, dafür aber einen sehr lustigen und kundigen Sachkundelehrer, der uns manche Begebenheit der londoner Stadtgeschichte hat nachspielen lassen. Dabei lernte ich mehr als bei unserem Gespensterlehrer."
das Paket der Eheleute Porter war das letzte, daß Julius öffnete. Er fürchtete sich davor, etwas übergroßes oder superteures zu bekommen, womit auch immer er das verdient hätte. Er hob das Paket an, merkte, daß es nicht allzu schwer war, wiegte es in den Händen, wobei er ein leises Klimpern und Klirren hörte und riß dann das Geschenkpapier auf. Zwei kleine Pakete kamen dabei zum Vorschein. Noch mal mußte Julius das Seidenpapier aufreißen, bis er eine flache Schachtel und eine würfelförmige Schachtel freigelegt hatte. Er öffnete die flache Schachtel und fand ein kleines Buch und ein Ledertäschchen mit Reißverschluß, das er öffnete und eine kleine Zange, ein Fläschchen mit Politur und diverse andere Utensilien, die eindeutig zur Pflege eines Flugbesens geeignet waren. Sogar ein kleiner Kompaß zur Befestigung auf dem Besenstiel war in diesem Sortiment enthalten. Er besah sich das beiliegende Buch und erkannte, daß es eine Anleitung zur vollendeten Besenpflege war. Julius fühlte, wie ihm vor Aufregung das Blut in die Wangen schoß. Er öffnete schnell die zweite Schachtel und fand eine Vorrichtung, die ihn an einen Globus mit zwei Uhren im Sockel erinnerte. Er besah sie sich genauer und stellte fest, daß es offenbar den aktuellen Standort anzeigte. Auf einem meerblauen Schild unter einer weißen Schaumkrone stand in himmelblauer Schrift:
"das Naviskop! Für alle die viel verreisen bietet dieses praktische Instrument die Orientierungshilfe, die ein Kompass alleine nicht leisten kann. Stellen Sie bei einem Zwischenstop, gleich ob Sie fliegen oder den Weg der Apparition gehen, dieses Instrument auf eine feste Unterlage und tippen Sie kurz mit dem Zauberstab an die rote Markierung. Keine zwei Sekunden später wird sich die Windrose auf die korrekte Nord-Süd-Achse einstellen. Auf der gerasterten Weltkugel werden Sie dann den exakten Längen- und Breitengrad erkennen können. Daneben besteht die Möglichkeit, die eingearbeitete Doppelzeigermeßuhr abzulesen. Der Rote Zeiger zeigt die Nord-Süd-Position, der grüne die Ost-West-Position an. Das Naviskop ist ein Produkt der Prazap Kompanie für praktische Zauberprodukte."
Nun konnte er noch einen Pergamentzettel unter den beiden Schachteln sehen, der gut zusammengefaltet solange verborgen geblieben war, bis eine der Schachteln fortgenommen worden war. Julius nahm den Zettel und entfaltete ihn. In königsblauer Tinte stand in Mrs. Porters klar lesbarer Handschrift:
Hallo, Julius!
Auch noch mal von uns unseren herzlichsten Glückwunsch zu deinem zwölften Geburtstag!
Plinius und ich haben uns sehr lange überlegt, was wir dir zum Geburtstag schenken sollen. Bücher, das wußten wir, würdest du von Gloria, den Hollingsworths und deinen übrigen Haus- und Klassenkameraden bekommen. Geld zu verschenken gilt in der Zaubererwelt als phantasielos, was blieb also noch?
Wir gedachten erst, dir eine Eule zu schenken, damit du endlich ungehinderten Anschluß an unsere Welt bekommen kannst. An und für sich eine gute Idee. Das Problem war nur, daß wir die nicht einpacken konnten, und überraschen wollten wir dich ja schon. Blieb also nur, was einem guten Zauberer und hoffnungsvollen Quidditchspieler fehlt, der nicht nur schnelle Spiele absolvieren, sondern auch weite Reisen unternehmen möchte. Daher liegen für dich das Naviskop zu Standortsbestimmung und das Pflegeset für deinen neuen Besen in unserem Geburtstagspaket.
Recht herzliche Grüße
Dione und Plinius Porter
"Die sind optimistisch", seufzte Julius Andrews.
"Warum? Sie haben dir doch praktische Hilfsmittel geschenkt, die in der Anschaffung bestimmt nicht überteuert für einen Geburtstag sind. Sie sind haltbar und warten darauf, benutzt zu werden. Das Naviskop kannst du auch ohne Besen einsetzen. Ich gehe davon aus, daß sich erwachsene Zauberer gut überlegen, wofür sie Geld ausgeben. Aber ich denke, du hast jetzt alle Geschenke zusammen, die deine Freunde und Bekannten aus Hogwarts geschickt haben?"
"Falls Sie nicht etwas wichtiges anderswo aufbewahrt haben, war es das", sagte Julius.
"dann bleiben ja nur noch die Überraschungen, die wir hier in Millemerveilles für dich vorbereitet haben. Eine davon hast du ja heute Morgen schon erlebt. Die weiteren folgen im Laufe des Tages. Dafür, daß du uns im Unklaren lassen wolltest, wirst du heute einiges erwarten dürfen. Aber die Bibliothek, die deine Freunde dir zusammengestellt haben, solltest du schon einmal ordnen und in ein Regal stellen, bevor vielleicht noch andere Bücher dazu kommen."
Julius verstand den Wink und klaubte alle Zauberbücher auf, die er geschenkt bekommen hatte. Madame Faucon reichte ihm auch das Buch über die einfachen Tinkturen zurück und fragte noch, ob sie es sich einmal ausleihen könne, solange Julius bei ihr wohnte. Der Hogwarts-Schüler erlaubte es.
Als er seine neuen Schätze in dem ihm zugewiesenen Zimmer ins Regal gestellt hatte, gab die Verwandlungslehrerin von Beauxbatons ihrem Schutzbefohlenen einen weiteren Brief aus England. Der sah jedoch behördlich aus, mit einem Wappen, daß Julius nur einmal gesehen hatte, als ihm mitgeteilt worden war, daß das Ministerium seine besonnene Haltung während der Osterferien lobend erwähnt hatte. Julius öffnete den beigen Umschlag und las:
Sehr geehrter Mr. Andrews,
es ist uns durch intensive Nachforschung gelungen, zu ermitteln, daß sich Ihre Eltern derzeitig im Raum New York City aufhalten. da wir gemäß Gesetzesabschnitt 70 Unterabschnitt b) gehalten sind, die zaubererweltliche Zugehörigkeit eines Informanten zu schützen, der Gesetzesverstöße im Rahmen der Gesetzesabschnitte 169 und 324 zur Anzeige brachte, wurde verfügt, daß Monsieur Joseph Brickston nachträglich auf folgende Erinnerung eingestellt wurde:
1. Sein Aufenthalt im St.-Marie-Krankenhaus in Marseille beruht auf einen Unfall, den er mit Ihnen zusammen erlitten hat, als er vom 15. Juli an auf dem Wege ans Mittelmeer war.
2. Bei ihm wurde ein Schreiben Ihrer Eltern gefunden, in dem Ihr Fernhalten von Hogwarts angeordnet wurde. Sie wurden daraufhin von einem Medimagier des französischen Ministeriums geheilt und nach Millemerveilles verbracht.
Diese kurze aber in sich glaubwürdig gehaltene Aussage möchten Sie bitte Ihren Eltern gegenüber vertreten, falls diese Sie danach fragen solten, wie Sie in die Obhut von Prof. Faucon gelangten.
Wir wünschen Ihnen noch weiterhin eine erquickliche Ferienzeit!
Percy Weasley Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit
Julius stutzte. Hatte der ehemalige Schulsprecher von Hogwarts tatsächlich bei der Abteilung für internationale Zusammenarbeit angefangen? Von der Handschrift her war dies durchaus möglich, daß dieser ehrgeizige und penible Hogwarts-Abgänger diesen Brief verfaßt hatte.
"Kennst du den Schreiber des Briefes, weil du so dreinschaust, als habe dir ein alter Bekannter nach langer Zeit etwas geschrieben?" Wandte sich Madame Faucon an ihren Schützling. Dieser nickte.
"Der Typ hat erst dieses Jahr den Abschluß in Hogwarts geschafft. Wußte gar nicht, daß man als Zauberer so schnell eine Arbeit findet."
"Wir haben eine wesentlich geringere Arbeitslosigkeit als die Muggel. Unser Sozial- und Steuersystem ist auch besser geregelt, ohne umständliche Ausnahmeregelungen. Aber die Finanzgesetze hast du dir wohl nicht angesehen", meinte die Mutter Catherine Brickstons.
"Neh, wäre mir zu viel gewesen", erwiderte Julius Andrews. Dann fragte er:
"Was passiert eigentlich, wenn meine Eltern versuchen, bei Joe anzurufen?"
"Nichts. Ihr seid eben nicht da", gab Madame Faucon kühl zurück. "Deine Eltern sind selber schuld, wenn sie meinen, sich absetzen zu müssen. Man wird sie nun, wo man weiß, wo sie sind, direkt anschreiben und davon in Kenntnis setzen, daß du bei uns bist. Darüber hinaus wird ihnen wohl eine gewisse Strafgebühr abverlangt werden, wegen versuchter Verschleppung deiner Ausbildung. Der Brief deines Vaters reicht als Beweisstück aus."
"Und wieviel ist das ungefähr?" Wollte Julius wissen, der sich schon ausmalte, daß sein Vater überhaupt nichts bezahlen würde.
"Nach Sachlage und Präzedenz können zwischen 30 und 150 Galleonen Strafe erhoben werden, bei Muggeln ersatzweise Entzug der Erziehungsberechtigung für drei Monate. Dies hieße, daß ein Zauberer oder eine Hexe des englischen Ministeriums für Zauberei deine Ausbildung überwacht. Ich denke zwar, daß dies deine Eltern nicht riskieren werden. An und für sich sollte ihnen spätestens jetzt klargeworden sein, daß wir nicht irgendeine kriminelle Organisation sind, gegen die man polizeilich oder durch taktische Manöver vorgehen kann. Ich kann aus meiner langjährigen Erfahrung als stellvertretende Schulleiterin versichern, daß die meisten Nichtmagier ihre Kinder oder Schutzbefohlenen nach der ersten Verwarnung ohne weiteren Widerstand ihre Ausbildung zu vollwertigen Hexen und Zauberern haben fortsetzen lassen. Sturheit rächt sich häufig."
"das werden wir wohl erleben", konnte Julius dazu nur sagen. Dann ging er mit seiner derzeitigen Gastgeberin daran, das Haus zu dekorieren.
Magische Luftschlangen, die frei im Raum schweben konnten, wurden ebenso unter der Decke des gemütlichen Besucheresszimmers ausgerollt, wie leuchtende Luftballons an Wänden und Decke befestigt. der sieben mal fünf meter große Eichenholztisch wurde mit einer weißen, mit bunten Blumenmustern verzierten Leinendecke bezogen. Julius holte aus dem Garten vier Sträuße verschiedener Blumen, die in kunstvoll verzierten Vasen aus Kristall, Porzellan, Bronze und Kupfer gesteckt wurden. Dann war Mittagessenszeit. Anschließend mußte Julius neunzehn Gedecke mit Suppentellern, Salattellern, Nnormalen Tellern, Desertschüsseln, Messern, Gabeln, Suppen- und Teelöffeln, Wein- und Wassergläser, Kaffeetassen und -untertassen, Warmhalteplatten und Untersetzer für Flaschen und Kannen auf den Tisch bringen, und dies alles ohne Zauberkraft. Dann holte er neunzehn Stühle aus dem dem Esszimmer angeschlossenen Abstellraum und baute sie um den Tisch herum auf. Schließlich galt es noch, schwere Kerzenleuchter so zu gruppieren, daß sie den Raum gleichmäßig ausleuchten konnten.
"das macht die extra mit mir, damit ich weiß, was ich getan habe", dachte Julius, als er einen schweren Silberleuchter so aufgebaut hatte, daß die acht in ihn passenden großen Kerzen nicht mit Vorhängen oder Wandtapeten in Berührung kommen konnten. Eine Ecke mußte er jedoch freihalten, da dort, so die Hausherrin, die noch eintreffenden Geschenke gestapelt würden. Julius fragte sich zum einen, wer außer seiner Gastgeberin und ihm und vielleicht den Dusoleils noch kommen mochte. Zählte er die Familie Dusoleil zusammen, kam er auf sechs Personen. Somit wären es acht Leute mit Madame Faucon und ihm zusammen. Aber er mußte neunzehn Gedecke aufstellen. Dann fragte er sich, ob die Gäste erst zum Abendessen erscheinen würden und das Kuchenessen ausfiel, bis die Hausherrin ihn beauftragte, einen Tisch auf der Gartenterrasse mit einer Tischdecke aus Seidenpapier zu beziehen und noch mal neunzehn Gedecke, allerdings nur für Kaffee und Kuchen, aufzutragen. Als es drei Uhr nachmittag war, wies Madame Faucon den Jungen an, sich noch mal richtig feinzumachen. Er fragte, ob er den Festumhang anziehen solle, den er mit Catherine gekauft hatte. Doch die Lehrerin von Beauxbatons sagte dazu:
"Der ist für größere Anlässe wie Bälle oder gesellschaftlich wichtige Zusammenkünfte. Lass den ruhig im Schrank! Ich habe für dich einen anderen Umhang herausgelegt. Du findest ihn im Badezimmer. Um vier Uhr treffen die ersten Gäste ein. Bis dahin solltest du fertig sein!"
Julius zog sich in das Gästebad zurück und besah sich den fast ins Schwarz übergehend grünen Umhang mit kurzen Ärmeln, unter dem er noch ein weißes Leinenhemd mit hohem Kragen tragen sollte. Das entsprach zwar nicht gerade seiner Vorstellung von tollen Klamotten für einen Zwölfjährigen. Aber hier hatte er nicht viel zu lamentieren. Immerhin würde es wohl noch ein interessanter Nachmittag werden, da er nicht wußte, wer die elf anderen Gäste sein sollten, die Madame Faucon so eben eingeladen hatte. Er hoffte nur, daß es tatsächlich um seinen Geburtstag ging und nicht ein willkommener Anlaß für Madame Faucon war, eine Gesellschaft von trockenen Schlaubergern zu versammeln. Sicher, die Dusoleils würden wohl kommen, eventuell Virginie und Prudence. Dann waren es schon zehn Leute. Aber neun fehlten dann noch. Er dachte nur, daß es vielleicht nicht so schlecht gewesen wäre, wenn er bestimmt hätte, wer zu seinem Geburtstag kam. Doch er hütete sich, darüber verärgert zu sein, denn im Grunde hatte er ja nichts dafür getan, um selbst mitreden zu können. Vielleicht gehörte das zu den kleinen Lektionen, die ihm seine derzeitige Gastmutter erteilte.
"Was man nicht mehr ändern kann, kann man auch nicht verfluchen", erinnerte sich Julius merkwürdigerweise an einen Satz seines Vaters. Ausgerechnet der mußte mal sowas gesagt haben!
Die Ausstattung des Festraumes war gerade beendet, als die Türglocke bimmelte. Madame Faucon steckte ihren Kopf durch die Besucherzimmertür und sagte:
"das sind deine Gäste, Julius. Gehst du bitte an die Tür!"
Julius ging wortlos zur Tür und bemühte sich um ein strahlendes Lächeln, bevor er die Tür öffnete.
Vor der Tür standen Prudence Whitesand, die einen knielangen blauen Rock und eine weiße Bluse trug, Virginie Delamontagne in einem silbergrauen Umhang mit eingewebten Goldfäden, sowie Madame Delamontagne in einem Umhang aus weißem Satin. Prudence trat vor und beglückwünschte Julius noch mal zu seinem Geburtstag. Dann folgten Virginie Delamontagne und ihre Mutter. Diese sagte nur:
"Du hast wohl nicht damit gerechnet, mich so schnell wiederzusehen, was? Madame Faucon hat mir mitgeteilt, daß sie deinetwegen heute eine Gesellschaft gibt."
Julius bat formvollendet die drei ersten Gäste ins Haus und wollte sie bereits zur Terrasse geleiten, als Madame Delamontagne lachte und fragte:
"Wir haben etwas mitgebracht für dich, daß wir gerne irgendwo unterstellen möchten, wenn es irgendwo einen Raum gibt, wo es bis zu seiner Enthüllung ruhen kann."
Aber sicher doch! Im Besucheresszimmer ist ein Platz", erwiderte Julius Andrews und zeigte Madame Delamontagne, wo sie die drei Pakete, ein würfelförmiges, ein flaches und ein quaderförmiges, unterstellen konnte. danach geleitete er sie auf die Terrasse hinaus, gerade, als die Türglocke wieder geläutet wurde. Madame Faucon trat in ihrem bonbonfarbenen Ausgehumhang auf die Terrasse, während Julius wieder zur Tür ging.
Fast hätte Julius laut aufgeschrien vor Überraschung und Freude, als sechs Leute vor der Haustür laut "Alles gute zum Geburtstag!" riefen, in englischer Sprache. Julius sah zuerst Gloria Porter und ihre Mutter, wegen der hellblonden Haare, zu denen sie sich dunkelrote Ausgehkleider angezogen hatten. Daneben stand Mr. Plinius Porter, gekleidet in einen schicken maßgeschneiderten Umhang aus marineblauem Samt, einen gleichgefärbten Zaubererhut auf dem Kopf. Doch die eigentliche Überraschung boten die zwei Mädchen in rosaroten Kurzkleidern und rotlackierten Schuhen, die ihre braunen Zöpfe mit silbernen Bändern durchflochten hatten und ihn aus strahlendblauen Augen schelmisch anlachten. Die Hexe hinter den beiden Mädchen besaß ebenfalls hellbraunes Haar, daß sie in leichten Wellen über die Schultern wehen ließ und strahlte Julius aus ebenso blauen Augen an wie die beiden Mädchen. Sie trug eine violette Roobe und schwarze Lackschuhe. Julius mußte sich beherrschen, nicht auf Englisch loszuplappern. Denn außer seiner Gastmutter und vielleicht Camille Dusoleil wußte hier ja keiner, daß er seine alte Muttersprache wiedergefunden hatte, nachdem er erst den Wechselzungentrank getrunken hatte, dessen Wirkung ihn um seine englische Sprech- und Hörfähigkeit brachte und dann mit Claires Sprachlernbuch Französisch-Englisch einen seltenen Effekt ausgelöst hatte, der ihm seine eigentliche Sprache wiedergeben konnte.
"Mädels, ich fürchte, unser Geburtstagskind wird euch nicht sofort verstehen", sagte Mr. Porter, als die beiden Hollingsworth-Schwestern, um die es sich unzweifelhaft handelte, Julius ansahen, weil er nicht sofort mit ihnen sprach. Dann sagte er zu seiner Frau:
"Dione, du kannst diese merkwürdige Sprache besser als ich. Übersetzt du bitte für uns?"
"Hallo, Julius! Plinius befürchtet, du hättest deine Sprachkenntnisse mit einem merkwürdigen Begrüßungstrunk hinuntergespült", begrüßte Mrs. Porter den Jungen auf Französisch. Julius erwiderte:
"Teilweise, Mrs. Porter. Aber mittlerweile habe ich sie zurückgewonnen. Aber bitte fragen Sie mich nicht, wieso. Hallo, Betty, Hallo Jenna! Ist das eure Mutter?" Wandte sich Julius auf Englisch an die Zwillinge.
"Ja, die ist das. Stell dir mal vor, Julius, die hat uns gestern morgen gesagt, daß wir heute bei dir feiern würden. Wir sind dann mit Flohpulver zur Grenze und dann in einen Laden, der "Chapeau Du Magicien" heißt, was auch immer das sein soll. Der Laden liegt an einem großen Teich mit Bronzefiguren, die nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind", trällerten Betty und Jenna fast gleichzeitig. Ihre Mutter sagte dann:
"Zaubererhut heißt dass wohl. Ich bin die Mutter dieser beiden Quasselstrippen und freue mich, den Helden von Hufflepuff endlich persönlich begrüßen zu können. Marita Hollingsworth, Auslandskorrespondentin des Tagespropheten."
"Entschuldigung, Mrs. Hollingsworth. Aber ich wohne nicht in Hufflepuff. das wäre schlicht falsch, mich als "Helden von Hufflepuff" zu bezeichnen", erwiderte Julius schüchtern. Dann begrüßte er Gloria und ihren Vater auf Englisch. Gloria flüsterte ihm zu:
"Mum hat behauptet, die hätten dir einen Sprachveränderungstrank gegeben, der dich nur noch ihre Sprache sprechen läßt. Aber ich werde meine Kenntnisse in diesem Haus anwenden können, allein schon, um mit der berühmten Professeur Faucon etwas Konversation machen zu können."
"Seid ihr alle auf einen Rutsch hier gelandet?"
"Ja, das sind wir", entgegnete Mr. Porter. "Diese Grenzbeamten halten die Hände weiter auf als sonst. Diese Quidditch-Weltmeisterschaft scheint für einige Leute eine Goldgrube zu sein. Aber mir war's das Wert, dein überraschtes Gesicht zu sehen. Unsere Geschenke sind ja hoffentlich angekommen."
"Ja, sind sie. Ich frage mich allerdings nur, ob ein Besenflegeset solange hält, bis ich mit Hogwarts fertig bin."
"Tja, erst das Zubehör. Der Rest folgt dann irgendwann", orakelte Mrs. Porter. Dann ließ sie sich mit ihrer Familie und den Hollingsworths zur Terrasse führen. Dort stellte Julius die Neuankömmlinge den bereits anwesenden Gästen und der Hausherrin vor. Gloria versank fast vor Ehrfurcht, als sie vor Professeur Faucon einen Knicks machte. Dafür grüßte sie die Dorfrätin Delamontagne wie jede andere erwachsene Hexe. Die Hausherrin übernahm es, die Gesellschaft am Gartentisch unterzubringen, während Julius schon wieder zur Haustür ging, um jemandem zu öffnen. Im Kopf überschlug er mal eben, wieviele Gäste nun angekommen waren und kam auf neun Gäste. Mit seiner Gastgeberin und ihm zusammen ergab das elf Leute. Fehlten offenbar noch acht.
Vor der Tür stand Seraphine, Jeanne Dusoleils Quidditchkameradin mit einem Blumenstrauß und einem kleinen Paket. Julius freute sich, die lebenslustige Junghexe wiederzusehen. Sie trug einen mintfarbenen Umhang und in jedem Ohr zwei silberne Ringe.
"Ist Jeanne schon eingetrudelt?" Fragte sie. Julius schüttelte den Kopf und sagte:
"Virginie und ihre Mutter waren eher da."
"Alles klar. Dann werden die Dusoleils wohl noch zu tun haben. Die wollten zusammen hier ankommen. Ich habe mich echt gefreut, als ich von Professeur Faucon deine Einladungskarte gekriegt habe. Jeanne hatte mir nämlich andauernd einzureden versucht, ich hätte dich irgendwie überfahren, an deinem Ersten Tag."
Julius lächelte. Sicher, er hatte die Einladungen nicht verschickt. Aber der Umstand, daß die Porters und die Hollingsworths hier waren, ließ darauf schließen, daß sich die Gastgeberin schon gut informiert hatte, mit wem Julius gerne die Zeit verbrachte. Er bedauerte nur, daß Kevin Malone nicht gekommen war. Aber der würde wohl gerade im Quidditchstadion sitzen, womöglich um seine Mannschaft anzufeuern.
Seraphine legte das Geschenkpaket für Julius im Esszimmer ab und trat mit Julius zusammen auf die Terrasse hinaus, wo sie der Hausherrin den Blumenstrauß überreichte.
"Ach, das ist ja nett, Seraphine, daß du mir den Strauß schenken möchtest. Dann hole ich noch eine Vase her", sagte Madame Faucon erfreut, zückte ihren Zauberstab und ließ auf dem Tisch eine Blumenvase erscheinen. Ein weiterer Zauber ließ einen Strahl klaren Wassers aus dem Zauberstab in die Blumenvase schießen. Dann stellte die Hausherrin den bunten Blumenstrauß in die Vase. Dann zeigte Madame Faucon Seraphine einen Platz. Sie saß nun Jenna Hollingsworth gegenüber.
Julius fragte sich, wo an dieser Kaffeetafel er sitzen sollte, als es wieder an der Tür klingelte. Sofort eilte das Geburtstagskind zur Haustür und öffnete sie.
Zuerst kam ihm Claire Dusoleil entgegen, die einen rubinroten Umhang trug. Sie schloß Julius in ihre Arme und hielt ihn mindestens zehn Sekunden lang fest. Dann erst sagte ihre Mutter, die einige Meter hinter ihr stand:
"Claire, der Junge läuft dir nicht weg!"
Nach Claire begrüßten Denise und Jeanne das Geburtstagskind. Danach rückte Mademoiselle Dusoleil, die Tante der drei Junghexen, vor. Ihr folgte Monsieur Dusoleil, der einen braunen Samtumhang trug. Madame Camille Dusoleil führte einen blattgrünen Umhang mit glitzernden Schmuckperlen aus und warf sich Julius so heftig an den Hals, daß der Junge schon befürchtete, erdrückt zu werden.
"das hast du nun davon. Wenn du heute Zeit gehabt hättest, hättest du zu uns kommen können. Jetzt hast du die ganze Bande hier."
"Nicht ich", erwiderte Julius, dessen Gesicht noch halb in Madame Dusoleils Umarmung vergrraben lag.
"Wer sonst?" Kam eine Frage von einer erwachsenen Hexe, die sich bis dahin außer Sicht gehalten hatte und nun mit einem Karren voller kleiner und großer Päckchen auf die Haustür zukam. Sie trug ein rotes Ausgehkleid und trug ihr langes schwarzes Haar mit einer silbernen Spange gebändigt. Sie strahlte ihn an wie eine langersehnte Anverwandte. Ihre graugrünen Augen fingen Julius' Blick ein und ließen den Jungen fast in Tränen ausbrechen.
"Ich fasse es nicht!" Rief er auf Französisch. Die Nachzüglerin lachte laut und eilte auf Julius zu. Keine Sekunde später umschlangen ihre Arme den nun Zwölfjährigen, der eigentlich dachte, diesen Sommer überhaupt keine Hexen und Zauberer zu sehen, und schon gar nicht sie, die ihn da umklammerte.
"Die Überraschung ist wohl voll gelungen", bemerkte Camille Dusoleil, als Julius vor Freude und Erstaunen nicht mehr wußte, ob er lachen oder weinen sollte. Julius sah sich um, wo Jeanne und ihre Schwestern abgeblieben waren. Sie standen vor der Tür und warteten darauf, hineingebeten zu werden. Gerade erschien Madame Faucon im Türrahmen und öffnete den Mund, um zu fragen, weshalb Julius sich so heftig gefreut hatte, als ihre saphirblauen Augen an Madame Dusoleil vorbeiblickten und die Hexe im roten Ausgehkleid wahrnahmen.
"Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim, Miss Dawn!" Begrüßte die Hausherrin die Überraschungsbesucherin. Denn wie Julius war Madame Faucon sehr erfreut, Aurora Dawn, die australische Pflanzenkundlerin zu sehen.
Aurora Dawn bedankte sich in fließendem Französisch und gab zu verstehen, daß sie sich sehr geehrt fühlte, eine weltberühmte Expertin für Verwandlung und die Abwehr dunkler Kräfte einmal von Angesicht zu Angesicht treffen zu können. Julius staunte, wie gut Aurora Dawn die französische Sprache beherrschte. Hätte sie ihn nicht gerade auf Englisch angesprochen, hätte er geglaubt, sie hätte den Wechselzungentrank getrunken, um fließend die Landessprache zu sprechen.
"Wie sind Sie denn hergekommen, und wann?" Wollte Julius schon jetzt wissen, als die Geburtstagsgäste bereits durch die große Haustür gegangen waren, um ihre Mitbringsel zu verstauen.
"daß ich in England war, um eigentlich zur Weltmeisterschaft zu gehen, habe ich dir ja geschrieben. Aber als ich deine Briefe bekam und erfuhr, daß du wohl nicht so schnell aus den Ferien zurückkommen würdest, habe ich die beiden Karten einem befreundeten Paar geschenkt. Die können sich die Australier ansehen und alle Spiele, die diese noch spielen würden. Keine Sorge, ich habe wie berichtet kein Geld dafür hinlegen müssen, um daran zu kommen. Dafür freuen sich jetzt drei Leute: Meine Bekannten und ein gewisser aufstrebender Hogwarts-Schüler, den ich an und für sich hätte mitnehmen wollen."
Julius fragte noch, wielange Aurora Dawn noch in Millemerveilles bleiben würde und erfuhr, daß sie bis zum 22. Juli bei Madame Dusoleil wohnen würde. Sie hatte schnell einen neuen Plan geschmiedet und sich für eine Vortragsreise in Europa entschieden, um interessierten Hexen und Zauberern die Pflege wertvoller Zauberpflanzen zu vermitteln.
Julius hätte noch soviele Fragen gehabt. Doch er unterließ es erst einmal. Madame Faucon führte die Gäste zum Tisch im Garten. Hier bat sie Julius, rechts neben ihr vor Kopf Platz zu nehmen. Rechts neben ihm durfte sich Aurora Dawn niederlassen. Neben dieser saßen rechts Betty und Jenna Hollingsworth, deren Mutter rechts von ihnen saß. Rechts von Mrs. Hollingsworth saß Virginie Delamontagne, die von ihrer Mutter flankiert wurde. Zur rechten der Dorfrätin von Millemerveilles saß Mademoiselle Dusoleil und unterhielt sich mit Prudence Whitesand, die zwischen ihr und Seraphine saß. Rechts von Seraphine hatten sich auf Anweisung der Gastgeberin die drei Porters von Dione bis Gloria hingesetzt. Mit Jeanne begann dann die Familie Dusoleil, über Monsieur Dusoleil, Claire, Denise und Madame Dusoleil, die links neben Madame Faucon saß.
Nun, nachdem sich alle so gesetzt hatten, wie Madame Faucon es sich überlegt hatte, erschienen vier bauchige Kannen, zwei Tortenböden, ein Zuckerstreuer und ein Milchkännchen auf dem Tisch, folgsam herbeibeschworen von Madame Faucon mit ihrem Zauberstab. Julius staunte immer wieder über diese Kunst, Dinge aus dem Nichts erstehen zu lassen. Doch er wußte ja, daß dies alles schon in der Küche gewartet hatte und nur versetzt werden mußte. Auf einer der großen Torten thronten zwölf weiße Kerzen wie Zacken einer Königskrone. Ein leichter, fast unauffälliger Wink ihres Zauberstabes genügte Madame Faucon, um alle Kerzen aufflammen zu lassen. Julius kam sich vor wie ein Kinobesucher, der einen merkwürdigen und doch sehr vertrauten Film sah. Er selbst schwieg, während alle anderen leise miteinander sprachen. Ihm fiel auf, daß Betty, Jenna und Prudence Englisch sprachen, während Gloria, ihre Mutter und Aurora Dawn die Landessprache benutzten, um sich mit ihren Sitznachbarn oder ihren Gegenübern zu unterhalten.
Zuerst wurde der große Geburtstagskcuchen vor Julius hingestellt. Alle Gäste standen auf und sangen ein Geburtstagsständchen. Danach wurde Julius aufgefordert, die zwölf Kerzen auszublasen und sich dabei etwas zu wünschen, ohne es laut auszusprechen. Julius holte tief Luft und schaffte es, alle zwölf Flammen innerhalb von nur zwei Sekunden zu löschen. Dabei dachte er:
"Ich wünsche mir, daß mein Vater mich endlich als Zauberer anerkennt, ohne mich zu verachten!"
Die Gäste klatschten Beifall, als alle Kerzen erloschen waren. Madame Faucon kam ihrer selbstauferlegten Pflicht als Hausdame nach und pflückte die ausgeblasenen Kerzen von der Torte. Dann zerlegte sie den großen runden Kuchen in neunzehn einigermaßen gleichgroße Stücke und teilte sie auf die Gäste auf, das Geburtstagskind zuerst und sich zuletzt. Julius wünschte, als alle Anwesenden das erste Stück Kuchen hatten, einen guten Appetit und nahm die Erste Gabel voll Kuchen hoch.
Denise, Claire und die beiden Hollingsworth-Schwestern ließen sich heiße Schokolade geben, während Julius, Prudence, die Porters und Mrs. Hollingsworth Tee wünschten. Die restliche Festversammlung trank Kaffee mit und ohne Milch.
Während des gemütlichen Kaffeetrinkens unterhielten sich die englischen und französischen Geburtstagsgäste miteinander. Jenna und Betty Hollingsworth mußten ihre Mutter bemühen, die als einzige der drei Französisch sprechen konnte. Die Porters sprachen zwar alle die hiesige Landessprache, wobei jedoch Gloria und ihre Mutter akzentfrei sprachen, und sich Plinius Porter manchmal mit Halbsätzen behelfen mußte, weil ihm die ordentliche Satzbildung noch nicht lag. Julius machte mit Aurora Dawn zusammen Konversation, in die Madame Faucon und Madame Dusoleil eingebunden wurden. Es ging um Fragen der modernen Kräuterkunde, welche Witterungsbedingungen die günstigsten waren und welche Tricks angewandt werden konnten, um Unkraut in Schach zu halten, ohne gleich auf Magie zurückzugreifen. Die in Australien lebende Hexe hatte sich sehr lobend über Madame Faucons Gartengestaltung geäußert, die das Kompliment an ihre Sitznachbarin zur linken weitergab. Gloria Porter schaffte es durch eine Ffrage von Julius, wo man die besten Ingredientien für Gegengifte finden konnte, auch sie problemlos in eine Diskussion mit Madame Faucon einzubinden, die sich bald um die geeigneten Maßnahmen zur Abwehr dunkler Kreaturen drehte, wobei Gloria ihr Geschichtswissen nutzte, um ihre Argumente zu formulieren. Aurora Dawn verriet Julius derweil, daß sie bereits seit mehreren Tagen den Plan gefaßt hatte, ihn zu besuchen und sich mit Madame Dusoleil abgestimmt hatte.
Die Hollingsworths und Prudence Whitesand diskutierten den bisherigen Verlauf der Quidditch-Weltmeisterschaft. Betty und Jenna erwähnten, daß sie von ihren Eltern zwei Rennbesen bekommen hatten. Aurora Dawn schnappte diese Unterhaltung auf und fragte Julius:
"Und, hast du hier schon Quidditch gespielt?"
"Ja, habe ich", antwortete Julius Andrews strahlend. "Wußte gar nicht, daß es so toll ist, in einem richtigen Team zu spielen. Das dumme ist nur, daß ich wohl keinen eigenen Besen kriegen werde, weil meine Eltern jetzt erst recht versuchen werden, mir alles zu verwehren, was mit der Zaubererwelt zu tun hat."
"Ich hoffe mal, daß sie beide dich nicht noch zusätzlich unter Druck setzen. Immerhin hast du gute Noten nach Hause gebracht. Das sollte jedes Elternpaar freuen. Was den eigenen Besen angeht, so wird Leistung irgendwann immer belohnt", orakelte die ehemalige Ravenclaw-Spielerin.
Madame Delamontagne schaffte es, die Konversation bei Tisch auf ihr Lieblingsthema zu bringen: das Schachspielen. Dabei erwies es sich, daß Mrs. Porter und Gloria sehr gute Gesprächspartner waren, Madame Faucon und Julius aufmerksam zuhörten, und der Rest der Tischgemeinschaft höflich schwieg, um die weit auseinandersitzenden Gesprächsteilnehmer nicht zu stören. Aurora Dawn flüsterte Julius nur zu:
"Wenn du Schach kannst, bist du hier verplant, ehe du Quidditch sagen kannst."
Gloria erkannte im Verlauf des Gespräches, wie wichtig Madame Delamontagne war, da diese erwähnte, wie schwer es sei, in einem Dorf wie Millemerveilles ein umfangreiches Schachturnier zu organisieren, ohne die eigenen Amtsgeschäfte zu vernachlässigen und daneben noch genug Erholungspausen einzuhalten vermochte. Julius erfuhr irgendwann von Jenna Hollingsworth, daß sie, ihre Schwester, ihre Mutter und die Porters, noch bis zum übernächsten Tag in Millemerveilles bleiben wollten, da sie von den Attraktionen dieses Dorfes gehört hatten. Sie interessierten sich besonders für den Zauberzoo und die grüne Gasse, wo alle Pflanzen der gemäßigten Breiten vertreten waren. Julius, der den magischen Garten schon kannte, bestätigte, daß sich ein Besuch auf jeden Fall lohne und erwähnte auch, daß es für Minderjährige noch billig sei, den Garten zu besichtigen. Madame Dusoleil, die sich angesprochen fühlte bot an:
"Wenn ihr und eure Mutter morgen die grüne Gasse besichtigen wollt, kann ich euch morgen früh vom Chapeau Du Magicien abholen und durch die Anlage führen. Da ihr eine Gruppe seid, kann ich euch den Familientarif bezahlen lassen, dann kommt eine von euch quasi umsonst rein."
"Kräuterkunde ist nicht so mein Ding", sagte Gloria. "Mich würden eher die magischen Tiere und das Geschichtsarchiv interessieren. Ich hörte, hier gäbe es druidische Artefakte zu besichtigen."
"das ist richtig", wandte Madame Faucon ein. "Dieses Museum ist weltberühmt für seine Bibliothek und die Sammlung alter Gebrauchsgegenstände. Allerdings mußten die wirklich mächtigen Artefakte unter Verschluß genommen werden, da sie in falschen oder unkundigen Händen großen Schaden anrichten könnten. Aber einen Besuch lohnt das Museum auf jeden Fall."
"Ich hatte eher vor, ein wenig einzukaufen", sagte Mrs. Porter. "Hier soll es Läden für Kosmetikartikel geben. Vielleicht kann ich das angenehme mit dem nützlichen verbinden und ein paar Kontakte knüpfen."
Madame Delamontagne bot an, Mrs. Porter einige wertvolle Adressen zu geben, allerdings unter der Bedingung, mit ihr eine Partie Schach zu spielen, worauf sich Mrs. Porter gerne einließ.
Plinius Porter konnte sich mehr oder weniger gewandt mit Monsieur Dusoleil über Komfortzauber unterhalten, mit dem man Häuser noch wohnlicher gestalten konnte. So kam man kurz vor fünf Uhr darüber ein, daß Gloria mit Prudence und Virginie am nächsten Tag zunächst in das Museum für Geschichte gehen würde. Julius, den Zaubereigeschichte trotz Pinas und Gildas Bücher noch nicht so recht ansprach, wollte noch mal in die grüne Gasse, wozu auch Aurora Dawn bereit war. Mrs. Porter wollte sich mit Madame Delamontagne zusammen die Läden für Hexenverschönerungsmittel ansehen und womöglich noch ein paar Festkleider erwerben, um anschließend Schach zu spielen. Plinius Porter wollte sich von Monsieur Dusoleil Möglichkeiten der Luxuszauberkunst vorführen lassen und ließ anklingen, eventuell für sein Haus gewisse Anschaffungen zu machen.
"Wir haben zwar einen Hauselfen, aber der kleine Kerl kann ruhig ein wenig erleichtert werden", saagte Plinius Porter und erzielte damit den gewünschten Erfolg, nämlich den, daß Monsieur Dusoleil und Madame Delamontagne ihn erstaunt ansahen. Julius erkannte, daß Geld allein nicht den Status einer Zaubererfamilie ausmachte, sondern auch das, was man sich dafür angeschafft hatte.
Claire und Jeanne boten Julius an, nach dem Mittagessen wieder zu ihnen zu kommen, falls ihre Mutter das erlaubte. Madame Dusoleil sah Julius und Ms. Dawn an und nickte.
"dabei wollte ich unseren jungen Gast fragen, ob er mit mir morgen einen Ausflug zu den Schattenhäusern macht, wo gefangene Wesen der Dunkelheit gehalten werden", wandte sich Madame Faucon an die Tischgesellschaft. Doch dann lächelte sie und sagte:
"Aber Julius Andrews bleibt ja noch einige Zeit hier, und es gibt noch soviel, was er sich ansehen kann."
Nach der Kaffeetafel bildeten sich kleine Gruppen von Leuten, die aufgeworfene Diskussionsthemen weiterbesprechen wollten, ohne durch einen langen Tisch voneinander getrennt zu sein. Julius unterhielt sich mit den Hollingsworths über Quidditch und welche Besen er hier schon in Aktion gesehen hatte. Jeanne, Claire und Denise leisteten ihnen dabei Gesellschaft. Die Porters und die Delamontagnes formierten sich zu einer Gruppe, die über das für und Wider von Hauselfen sprach, während Madame Faucon sich mit Aurora Dawn unterhielt, sich offenbar einen alten Wunschtraum erfüllend. Julius horchte die beiden Hollingsworth-Schwestern aus, wie sie auf seine Geburtstagsfeier gebracht worden seien.
"Wie gesagt, Julius: Gestern erfuhren wir von unserer Mum, daß sie von den Porters den Vorschlag bekommen hätte, mit uns hierher zu kommen. Das war sehr aufregend, da wir ja dachten, dich erst im Zug nach Hogwarts wiederzusehen. Woher die Porters das wußten, daß du hier bist und wohl feiern würdest, wissen wir nicht. Da mußt du Gloria fragen", sagte Betty Hollingsworth. Jenna fügte noch hinzu:
"Ja, und Mr. Porter hat alles bezahlt. Die Reise und die Unterbringung. Mum hat zwar gesagt, es ihm wieder zurückzugeben, aber er hat nur den Kopf geschüttelt. Dein überraschtes Gesicht war es ihm wohl wert."
"Kann ich mir vorstellen", wandte Julius ein.
Der restliche Nachmittag verlief mit singen und herumtollen der Kinder und einer langen Diskussion der Erwachsenen über die Zauberergesetze und ihre Auslegung. Dann kam die Abendessenszeit.
Madame Faucon hatte sich wohl die Aufgabe gestellt, die bekanntesten französischen Gerichte zu kochen und Julius fragte sich, wann sie die Köstlichkeiten zubereitet haben mochte, die vom leckeren Appetitanregergebäck über die Salate, die Bouillabaisse, eine Spezialität aus Meeresfrüchten und Fisch, Huhn in Weihnsoße mit Kroketten und Gemüsen bis zu den Käsespezialitäten und dem Früchtepudding zum Desert reichten. An diesen Speisen konnten sich die Geburtstagsgäste vollkommen satt essen. Vor allem faszinierte es Julius und Gloria Porter, die bei Tisch nebeneinandersaßen, wie raffiniert die Speisen gewürzt waren. Kerzen in den aufgestellten Leuchtern verbreiteten ein helles gelbes Licht, . Beim Essen herrschte überwiegend Schweigen, während alle zum Stapel der Geschenke hinübersahen, der noch unberührt auf Julius Andrews wartete. Madame Faucon lehnte höflich und ruhig die Angebote der am Tisch versammelten Familienmütter ab, ihr beim Abwasch zur Hand zu gehen und schaffte mit Zauberhand Geschirr und Essensreste, die niemand mehr schaffen konnte, in die Küche zurück. Danach fragte sie Julius, ob er nicht langsam wissen wolle, welche Geschenke seine Gäste ihm gemacht hatten. Julius unterdrückte den Drang, sofort aufzuspringen und zu dem Stapel der Geschenke hinüberzulaufen. Er sagte nur:
"Ich bin schon sehr gespannt darauf, was dort alles auf mich wartet."
dann sieh es dir an!" Schlug Madame Faucon vor. Julius stand auf und ging zu den Geschenken hinüber. Er hob ein Paket auf, das Würfelförmig war. Es stammte von Madame Delamontagne.
Julius wickelte das Paket vorsichtig aus und förderte einen Karton zu Tage. Er öffnete ihn und fand ein kunstvoll geschnitztes Holzhaus mit zwei Schornsteinen. Das Haus war in eine weiße und eine schwarze Hälfte unterteilt. Jede Hälfte hatte ihre große Eingangstür. Julius ahnte schon, was dieses Geschenk beinhaltete und setzte es auf den Tisch. Aus den beiden Eingängen traten in Zweierreihen schwarze und weiße Schachmenschen, ähnlich denen, die Gloria besaß. Sie verbeugten sich kurz und zogen sich wieder in ihre Haushälften zurück.
"das oder ähnliches habe ich mir doch glatt gedacht", flüsterte Julius seiner blondgelockten Klassenkameradin zu, die fasziniert auf die Schachmenschen geblickt hatte.
"Die Figuren können auf Französisch oder einer weiteren Sprache geführt werden, die ihnen innerhalb von zehn Zügen vermittelt wurde", erläuterte Madame Delamontagne lächelnd.
"Auf diese Weise erhältst du die wichtigste Grundvoraussetzung für das Turnier in einigen Tagen", fügte die Dorfrätin noch an.
Ein Karton von Virginie Delamontagne enthielt einen kleinen Mondglobus, der bei Berührung mit dem Zauberstab wie der echte Mond zu leuchten begann und tatsächlich so schien, wie es der Mond in der gegenwärtigen Phase tat, beinahe voll. Eine weitere Berührung mit dem Zauberstab ließ das Leuchten erlöschen.
"Dieser Mondglobus kann auch als Deckenbeleuchtung genutzt werden. Man hebt den Globus an, tippt ihn mit dem Zauberstab an und läßt ihn los. Er leuchtet, steigt zur Zimmerdecke auf und wirkt wie ein persönlicher Mond. Bei Tagesanbruch kehrt er dann federleicht auf den Boden zurück und hört auf, zu leuchten", erklärte Virginie.
"Und das tollste ist", wandte Prudence ein, "daß dieser kleine Mond auch bei völliger Bewölkung leuchtet."
Julius zog aus dem Karton noch ein kleines Buch, in dem die Handhabung des Mondglobus' erläutert wurde, sowie eine ausführliche Beschreibung der Krater, Berge und Meere des Mondes mit Bildern geliefert wurde. Julius fragte:
"Wie können Zauberer denn wissen, wie es auf der Rückseite aussieht? das haben Muggelraumfahrzeuge erst in den Sechzigern rauskriegen können."
"Wir brauchen keine Muggelmaschinen, um zu wissen, wie die Mondrückseite aussieht. Dafür gibt es entsprechende Zaubermittel, die die Mondrückseite schon seit 890 Jahren sichtbar machen können. Aber sowas kommt bei euch erst in den höheren Astronomieklassen dran. Auf jeden Fall ist das ein recht praktischer Raumschmuck", wandte Mademoiselle Dusoleil ein. Julius mußte ihr zustimmen.
Seraphine, Jeannes Quidditchkameradin, hatte in ihrem kleinen Paket einen Leuchtkristall verpackt, der, so ein kleines Begleitheft, Nebelwolken aller Art durchdringen konnte.
Prudence Whitesand hatte Julius das Buch "Magische Pflanzen in Extremgebieten" geschenkt. "damit du nicht immer in die Bibliothek rennen mußt, um es dir auszuleihen", sagte sie dazu. Julius überschlug mal eben, wie teuer es die beiden Mädchen gekommen sein mochte, ihm diese Geschenke zu machen und wollte es liber nicht wissen.
Als er die Pakete der Dusoleils auspackte, wunderte er sich nicht besonders, "Le petit Jardin des Sorcières" von Aurora Dawn zu bekommen. Nun hatte er das praktische Gartenpflegebuch auf Englisch und Französisch. Außerdem hatten ihm die drei Dusoleil-Töchter eine Panflöte besorgt, inklusive einem kleinen Liederbuch mit Melodien, die man gut auf diesem Instrument spielen konnte. Julius traute sich und spielte einige langsame Tonleitern auf dem Instrument, das Töne über drei Oktaven hervorbringen konnte.
"da habt ihr ihm zumindest ein gesellschaftsfähiges Instrument geschenkt", sagte Madame Faucon strahlend zu den Dusoleil-Töchtern, die daraufhin rot anliefen vor Verlegenheit. In einem länglichen Paket, das die Aufschrift Uranie und Florymont Dusoleil trug, befand sich jenes Nachtsichtfernglas, welches Julius fast selber gekauft hätte. Julius errötete, weil er sich dachte, daß drei Galleonen doch etwas viel für einen relativ unbekannten Jungen seien.
"Ich habe herausgefunden, daß es dich fasziniert hat", meinte Monsieur Dusoleil leise zu Julius. "Es reicht zwei Kilometer weit und hat einen Nachtsichtzauber eingearbeitet, der alles taghell erscheinen läßt, wenn nur ein Stern am Himmel zu sehen ist. Bei völliger Dunkelheit kannst du ein rötliches Bild ausgestrahlter Wärme bei Lebewesen oder warmen Gegenständen sehen. In der Muggelwissenschaft wird das glaube ich als Infrarot bezeichnet."
"Heftig", wußte Julius nur zu sagen.
"Unsere Geschenke hast du ja schon bekommen", sagte Betty Hollingsworth. Julius nickte und bedankte sich noch mal dafür.
Madame Faucon deutete auf drei kleine Pakete, die Julius noch nicht gesehen hatte. Er trat heran und hob das erste auf. Darauf stand in französischer Sprache:
"Für das Wissen". Er packte das Päckchen aus und befreite damit ein dunkelrotes Buch, auf dessen Rücken in silbernen kantigen Buchstaben in englischer Sprache geschrieben stand:
SCHUTZ UND TRUTZ! GEGENFLÜCHE, ENTHÜLLUNGSZAUBER UND MELDEZAUBER!
Julius las den Klappentext und erfuhr, daß die Professoren Blanche Faucon, Ariadne Clearview und Theresias Cognito in einer gemeinschaftlichen Anstrengung alle Zauber zur Abwehr von Flüchen, ob direkt gewirkt oder statisch, Erkennung bezauberter Objekte oder Räumlichkeiten, Einrichtung von Sperr- und Warnzaubern und Aufhebung von Bannkreisen zusammengetragen hatten, inklusive wichtiger Zaubertränke, wie den Enthüllungsblicktrank, der eine Stunde lang unsichtbare Wesen sehen lassen konnte, sowie den Entsteinerungstrank, der festgelegte Versteinerungszauber abwehrte und sogar gegen den gespiegelten Blick eines Basilisken oder versteinernde Bannkreise wwirkte.
"Dieses Buch ist eine gewisse Versuchung", bemerkte Madame Faucon dazu, als Madame Delamontagne, Mrs. Porter und Ms. Dawn Julius ansahen. "In Ddiesem Buch steht drin, wie bestimmte Sperrzauber aufgehoben werden können. Allerdings solltest du das nicht in Hogwarts ausprobieren, wenn du nicht von der Schule fliegen und mächtig viel Ärger mit mir kriegen willst. Ansonsten hilft es dir bei der Abwehr schwarzer Magier. Und nur dafür ist es da. Damit kann ich dir etwas von meinem umfassenden Wissen mitgeben, unerheblich davon, ob ihr einen Verteidigungslehrer gegen die dunklen Künste bekommt, der sein Fach versteht, ein Stümper ist oder gar ein Anhänger gewisser dunkler Zauberer und Hexen ist, die vor dreizehn Jahren die Zaubererwelt terrorisiert haben und immer noch lauern. Benutze es also klug und verberge es gut. Ich zeige dir noch, wie man es gegen Diebstahl sichern kann, obwohl auch das in dem Buch drinsteht."
Gloria und die Hollingsworths wollten gerade ihre Unterhaltung mit Jeanne, Claire und Virginie unterbrechen und sehen, was Julius da für ein Buch hatte, als er das zweite Paket aufhob und auf Französisch las:
"Für die Kunst"
In dem Paket lag ein Buch und eine Farbpalette mit verschiedengroßen Pinseln, sowie eine reichverzierte Blockflöte. Julius las den Titel des Buches. Er war ebenfalls in englischer Sprache gehalten und verkündete:
LEBENDE BILDER, LEITFADEN ZUR ZAUBERISCHEN MALEREI
"das habe ich auch", trällerte Claire Dusoleil fröhlich.
"Nichts für ungut, Professeur Faucon", wandte sich Gloria Porter vorsichtig an die Hausherrin und derzeitige Gastgeberin von Julius Andrews, die das blondgelockte Mädchen erwartungsvoll anblickte, "aber ich weiß nicht, ob Julius wirklich so ein künstlerisches Talent besitzt, wie Sie es ihm wohl zubilligen. Er ist doch eher der wissenschaftliche Typ."
"Eben gerade deswegen ist es für ihn wichtig, seine künstlerischen Talente zu entdecken und zu fördern, Gloria. Die Welt läßt sich nicht nur in Formeln und Konstruktionspläne fassen. Wer dies lernt, lebt im Einklang mit der Welt und ihrer Bewohner."
Betty Hollingsworth sah sich das Buch an und grinste. "damit können wir Filch ärgern, wenn wir irgendwelche Gnome oder sonst was malen, die dann durch die Schulbilder latschen."
Professeur Faucon hatte das wohl gehört und räusperte sich.
"Junge Dame", sprach sie in akzentfreiem Englisch, "das glaube ich nicht, daß dein Klassenkamerad es darauf anlegt, ein Chaos in euren Schulgemälden zu verursachen. Ein schüler von uns hat es mal gewagt, einen bretonischen Blauen zu malen, naturgetreu bis ins letzte Merkmal und ihn mit derselben Aggression zu versehen, die sein lebendes Vorbild besitzt. Das Tier wütete durch unsere Schulgemälde und terrorisierte die abgebildeten Personen und Lebewesen anderer Gemälde. Es war nicht einfach, es in sein Stammbild zurückzuzwingen. Der Reinitimaginus-Zauber erwies sich als nicht allzu wirksam. Das Tier mußte zwar in sein Bild zurück, raste aber sogleich wieder los. Letztendlich gelang es, dem Wüten Einhalt zu gebieten und den Verursacher zu finden. Er bekam ein halbes Jahr lang Putz- und Gartendienst als Strafe auf und für jede Stunde Sonderhausaufgaben. Der weiß heute, daß derartige Scherze nicht gerade förderlich sind. Ich denke auch, daß in Hogwarts niemand hinnehmen wird, wenn chaotische Abbilder die dortigen Gemälde heimsuchen, selbst wenn in diesem Buch erklärt wird, wie Bilder mit anderen verknüpft werden und lebende Wesen in Bildern Eigenleben und Charakter erhalten können."
"Entschuldigung, Professeur Faucon", stammelte Betty. "I-ich wußte nicht, d-daß Sie so gut Englisch können."
"Tja, das wissen nicht alle", erwiderte die Beauxbatons-Lehrerin.
das dritte Geschenk, daß mit der Widmung "Für Sport und Spiel" versehen war, enthielt eine Ledertasche mit merkwürdigen Verzierungen, die wie alte Schriftzeichen aussahen. Daneben lag noch eine Flasche mit Wundheilsalbe, ein Exemplar von "Quidditch im Wandel der Zeiten" und ein Liederbuch mit bekannten Liedern aus ganz Europa. Julius öffnete die leer aussehende Tasche und staunte, was er noch darin fand: Einen regenundurchlässigen Umhang und ein Ding, daß wie ein Taschenmesser ohne Klinge aussah. Julius wunderte sich, daß diese Dinge alle in die Tasche gepaßt hatten. Als er dann noch das Taschenmesser ohne Klinge betrachtete, bekam Mr. Porter große Augen.
"Hui, Julius! das ist ein Vielzeug, damit kannst du eine scharfe Klinge, einen Korkenzieher, einen selbstleuchtenden flammenlosen Docht, einen Schraubenzieher, einen Stabmagneten oder eine Pincette benutzen. Du mußt nur deinen Finger auf eines der Symbole legen und einen anderen Finger auf den roten Auslöser. Dieses Ding kann auf dich persönlich eingestellt werden, was du auch tun solltest", schwärmte er. Madame Faucon sagte nur:
"Es ist die Verbesserung. Da sind noch einige zusätzliche Werkzeuge drin verarbeitet, die erscheinen, wenn du bestimmte Handgriffe machst. Und die Lichtquelle ist ein freischwebendes Sonnenlichtfragment, das drei Stunden vorhält, bis es durch richtiges Sonnenlicht wieder aufgefrischt werden muß."
"Heftig", konnte Julius dazu nur sagen. Er bedankte sich bei der Professorin von Beauxbatons und sah dann in die Ecke, wo die Geschenke gelegen hatten. Das war wohl alles gewesen.
"Du denkst, daß wäre alles?" Fragte Aurora Dawn, als sie Julius ruhiges Gesicht betrachtete. Dann sah sie Camille Dusoleil, Madame Faucon, die Porters, Mrs. Hollingsworth und schließlich noch Madame Delamontagne an. "dann komm mal mit raus!" Sagte sie auf Englisch zu Julius. Er folgte ihr, sich fragend, was ihn noch erwarten würde.
Vor der Tür stand noch der Karren, auf dem die Geschenke der Dusoleils gelegen hatten. Julius konnte nichts weiteres auf dem Karren entdecken. Aurora Dawn machte sich an dem Karren zu Schaffen. Es hörte sich so an, als hebe sie eine leichte Decke oder einen Seidenumhang hoch, und so sah es für Julius auch aus. Sie hob mit den Händen etwas an, das er nicht sehen konnte. Dann wickelte sie an dem unsichtbaren Etwas herum. Unvermittelt blinkte es silbrig im Licht der Sommerabendssonne, die gerade als orangeroter Feuerball über dem Horizont schwebte. Etwas klapperte zu boden, lang, stabförmig.
"das kann doch nicht wahr sein!" Rief Julius laut aus, wobei er sich seiner Muttersprache bediente, ohne Rücksicht darauf, daß Madame Delamontagne und die Mädchen das noch nicht wußten, daß er wieder Englisch konnte. Vor ihm auf dem Boden lag ein neuer auf Hochglanz polierter Rennbesen mit geradlinigen Reisigbündeln. Julius sah, wie Aurora Dawn das silbrige Stück Stoff fein säuberlich zusammenfaltete und unter ihrem Kleid verbarg.
"Es wurde Zeit, dieses unsinnige Vorenthalten wichtiger Dinge zu beenden. Deine Gastmutter war nicht begeistert davon, daß du ihr überhaupt nichts von deinem Geburtstag erzählt hast. Ich verstehe sie. Ich hätte mich auch geärgert oder enttäuscht gefühlt. Aber nichts desto trotz hat sie sich sofort bereiterklärt, sich zu beteiligen, und die Dorfrätin von Millemerveilles ebenso. Du darfst dich bei ihr, den Porters, den Hollingsworths, Professeur Faucon, Camille und ihrer Familie und mir für dieses Prachtstück bedanken. Ich habe es gestern noch in der Winkelgasse abgeholt, bevor ich hierherkam. Professeur Faucon und Madame Delamontagne wollten dir zwar einen französischen Renner schenken, doch Mrs. Porter und ich konnten glaubhaft versichern, daß du auf einem Besen des ehemaligen britischen Weltreiches besser zu euren Quidditchspielen kannst. Na, was sagst du dazu?"
Julius bückte sich und hob den Besen vorsichtig hoch, so daß er den Schriftzug SAUBERWISCH 10 lesen konnte.
"Sag nichts zu Madame Delamontagne oder deiner Hausherrin, aber der brandneue Sauberwisch tanzt den Ganymed 9 komplett aus", flüsterte Aurora Dawn Julius zu, während sich die Geburtstagsgäste an der Haustür versammelten und Julius ansahen.
"Ich dachte, wir hätten dich vorgewarnt", sagte Mr. Porter scheinheilig grinsend. Seine Frau sah Julius wohlwollend lächelnd an und sagte:
"Es war nicht einzusehen, daß dich alle für fähig halten, ein guter Quidditchspieler zu sein, von Madame Hooch bis zu deiner australischen Bekannten, aber du keinen zu Hause hast, der das zu würdigen weiß. An und für sich wollten Plinius, Marita Hollingsworth und ich dir dieses Prachtstück alleine schenken. Aber als wir dann Post von Madame Dusoleil und Ms. Dawn erhielten, daß sie ebenfalls einen Flugbesen für dich aussuchen wollten, haben wir unsere Kräfte gebündelt, was dir einen sehr guten Besen vertretbarer Preisklasse und Qualität beschert und uns allen einzelnen nicht die Haare vom Kopf gefressen hat."
"dafür also das Pflegeset. Meine werte Gastgeberin hat das natürlich gewußt", erwiderte Julius und sah Professeur Faucon an.
"Natürlich", erwiderte sie. "Catherine hat mir geschrieben, daß du wohl keinen Besen kriegen wirst. Madame Delamontagne hat mir in den Ohren gelegen, welch ein Skandal es sei, daß du dir einen Besen ausleihen mußt, und schließlich kam Madame Dusoleil noch mit einer Liste von Leuten, die ebenfalls so dachten. Damit war es klar, was du auf jedenfall bekommst."
Betty und Jenna machten Augen groß wie Autoscheinwerfer, als sie den Besen begutachteten. "Wir haben den Vorläufer Sauberwisch 9 gekriegt, der letztes Jahr auf den Markt kam", sagte Jenna. Gloria trat vor und sah sich das Prunkstück an.
"Bring ihn rein, Julius!" Schlug sie vor. Julius nahm das Fluggerät hoch und drehte sich zur Haustür. Er wollte gerade eintreten, als eine Schleiereule von hinten anflog und sanft an seinem rechten Ohr vorbeistrich, sich drehte und auf seiner rechten Schulter landete. Sie hielt eine Schnur im Schnabel, die mit einem Paket verbunden war, Julius nahm dem Vogel das Paket aus dem Schnabel und trat mit der Eule auf der Schulter in das Haus zurück. Im Esszimmer, wo der große Tisch ohne Krümel oder Flecken dastand, legte Julius den Besen auf den Tisch und trat zurück, um den übrigen Gästen die Möglichkeit zu geben, ihn sich anzusehen. Er wich zur Wand zurück, wo Aurora Dawn gerade das zusammengefaltete Stück Silberstoff an Professeur Faucon zurückreichte. Offenbar gehörte es der Hausherrin und war wohl etwas wie eine Tarndecke, dachte Julius. Dann wickelte er das Paket aus, das ihm die beharrlich auf seiner Schulter sitzende Schleiereule gebracht hatte. In dem Paket befand sich eine kleine Ledertasche mit einer Schnur zum umhängen, ein Buch und ein Brief. Julius warf einen Blick hinüber zum Tisch und bekam mit, wie sich die Gäste über den neuen Flugbesen unterhielten. Nur Aurora Dawn stand etwas abseits und sah Julius zu, wie er das Buch auswickelte. Es handelte sich um "magische Wasserpflanzen des Mittelmeerraums". Dann untersuchte er die kleine Tasche und fühlte eine winzige Flasche darin. Die Tasche selbst besaß einen silbernen Reisverschluß. Julius öffnete die Umhängetasche und tastete vorsichtig hinein. Dabei fühlte er ein leichtes Kribbeln, als sei die Tasche elektrisch aufgeladen. Dann ertastete er die Flasche, die sich jetzt seltsam groß und geräumig anfühlte. Er wagte es nicht, sie jetzt herauszuziehen, sondern befingerte sie vorsichtig und fand eine Art Zapfhan dort, wo ein Korken hätte sein sollen. Aurora Dawn sah ihm zu und schlich zu ihm hin. Sie wisperte:
"Die ist im Normalzustand einen halben Liter groß. Die Tasche ist bezaubert, daß sie Dinge auf ein Hundertstel der Normalgröße einschrumpft, was durch ihre Öffnung paßt und auch auf ein Hundertstel des Normalgewichts erleichtert. Sie wurde aus Drachenhaut und Einhornschwanzhaar zusammengewoben. Sie ist feuerfest, wasserabweisend und damit auch säurebeständig, reißfest und unaufstechbar. Sie wurde gegen Aufrufezauber gesichert. Das einzige, was ihr noch fehlt, ist der Diebstahlschutz. Dann kannst du sie umhängen und unter dem Umhang verbergen."
Julius sah noch mal zum Tisch hinüber, wo immer noch über den Besen gesprochen wurde. Aurora Dawn schlug vor, daß mit dem Diebstahlschutz sofort zu erledigen. Julius sollte dafür einen kleinen aber wirksamen Zauber anwenden. Sie ging mit ihm kurz aus dem Esszimmer, als immer noch alle den Besen bewunderten. Nur Madame Faucon bemerkte, wie die beiden sich davonstahlen und kam aus dem geräumigen Zimmer.
"Ein Extrageschenk, Julius! Aha, eine kleine Practicus-Tasche für Zauberer und Hexen. Wahrscheinlich möchtest du sie gegen Diebstahl sichern. Ich hole dir nur deinen Zauberstab, damit du auch effektiv vorgehen kannst."
"Vor der kann man nichts geheimhalten", zischte Julius Aurora Dawn zu.
"das ist wohl ein Charakteristikum einer guten Lehrerin gegen die dunklen Künste", grinste Aurora Dawn zuckersüß.
Die Beauxbatons-Lehrerin kehrte mit Julius' Zauberstab und einer silbernen Nadel zurück.
"Gib mir deine linke Hand, Julius!" Forderte sie den Jungen auf. Dieser wußte nicht, was das sollte. Doch Aurora Dawns beruhigendes Nicken nahm ihm die Hemmungen. Er streckte die linke Hand aus, drehte sie mit der Handfläche nach oben und spürte keinen Moment später den Einstich der silbernen Nadel. Blut tröpfelte aus dem Einstich.
"Lege diese Hand auf das zu bezaubernde Objekt, tippe es mit deinem Zauberstab an und sage dreimal "Mihisolo!"!" Wies ihn Madame Faucon an. Julius, dem der Stich in die Hand und das heraussickernde Blut ein gewisses Unbehagen bereitete, nahm die kleine Umhängetasche, während Aurora Dawn das Buch und den Brief an sich nahm. Julius übernahm seinen Zauberstab, tippte die mit der blutenden Hand gehaltene Tasche an und sprach:
"Mihisolo! Mihisolo! Mihisolo!"
Er spürte etwas wie elektrischen Strom, der von seiner Zauberhand durch den Zauberstab in die Umhängetasche floß und von dort prickelnd durch die angestochene Hand des Jungen zurück in dessen Körper floß. Er dachte, daß dies so sein müsse und hielt Stab und Tasche gut fest, bis das Prickeln vorbei war. Dann nahm er die linke Hand von der Tasche fort und staunte, daß sie weder blutig noch verletzt war.
"Ab jetzt ist die Tasche nur für dich allein zu gebrauchen. Ich schätze mal, Mademoiselle Dawn hat dir etwas wertvolles in die Tasche gelegt. Also geh damit auch pfleglich um!" Sagte die Lehrerin und deutete auf die Eule.
"Die haben Sie ihm auch geschenkt, Mademoiselle?" Fragte Madame Faucon Aurora Dawn auf französisch. Diese nickte.
"Ich gehe davon aus, daß sie einen Käfig hat. Du kannst ihn dir morgen holen. Solange kann er oder sie bei mir im Eulenzimmer übernachten", bot die Lehrerin an. Julius fragte Aurora Dawn ebenfalls auf französisch:
"Ist es ein Männchen oder Weibchen?"
"Wenn ich es richtig gesehen habe, ist es ein halbjähriges Männchen. Wenn du ihm zehmal den Namen vorgesagt hast, auf den es hören soll, wird er diesen Namen als seinen eigenen anerkennen und auf nichts anderes mehr hören. Das nur, weil dir bestimmt keiner gesagt hat, wie man eine Eule zu seiner Eule macht", erwiderte Aurora Dawn, aus Höflichkeit der Hausherrin gegenüber ebenfalls französisch sprechend. Julius überlegte kurz, dann fiel ihm dieser altenglische Seefahrer wieder ein, der für seine Königin als Pirat gearbeitet hatte, und schnell sagte er zu dem Vogel:
"Du heißt ab heute Francis. Also, Francis, das bist du, Francis!"
Innerhalb von zwei Minuten sprach er den Namen der Eule bis zu zehnmal, dann schickte er sie fort zu Madame Faucons Eulenzimmer.
"Er hat genickt, als du ihn losgeschickt hast. Jetzt hat er den Namen raus", meinte Aurora Dawn und gab ihm das Wasserpflanzenbuch und den Brief zurück. Julius mußte seinen Zauberstab wieder an Madame Faucon abtreten, weswegen Aurora Dawn sie etwas fragend ansah. Madame Faucon sagte nichts, sondern sah sie nur kurz an und verschwand dann mit dem Zauberstab des Jungen in ihrem Arbeitszimmer.
"Meine Güte, die ist vielleicht drauf. Auf jeden Fall kannst du dann nicht gegen die Zaubereibeschränkung verstoßen", sagte Aurora Dawn.
Julius las noch vor der Tür den Brief, während Aurora Dawn in das Esszimmer zurückkehrte und sich lebhaft an der Diskussion um den Flugbesen beteiligte.
Hallo, Julius!
da du den längst überfälligen Rennbesen nicht nur von mir alleine bekommen wirst, was ich an und für sich vorhatte, bekommst du von mir noch eine Eule, damit die Ausreden aufhören, du könntest keinen Kontakt zur Zaubererwelt halten, wenn du zu Hause bist. Außerdem habe ich dir eine umhängbare Practicus-Tasche besorgt, wie ich sie in größerer Form als Instrumententasche und Aufbewahrungstasche für meine Heiltränke benutze. Sie ist aus Drachenhaut und Einhornschwanz zusammengewoben und magisch derartig vorbehandelt, daß sie nicht mit dem Accio-Zauber irgendwem zugezaubert werden kann und mit den Spielereien gegen Feuer und Wasserschaden versehen, die auch dieses vermaledeite Winnie-Buch besitzt, das dich bei deinem Besuch mal fast gefressen hätte. Die Tasche läßt alles, was durch ihre Öffnung paßt, auf ein Hundertstel der Normalgröße schrumpfen und auf ein Hundertstel des Normalgewichts erleichtern. Wenn du sie ausgepackt hast, machen wir sofort die Diebstahlsicherung scharf, wie es bei den Muggeln heißt. In der Tasche liegt schon ein zusätzliches, persönlich zusammengebrauttes Präsent für dich: das Antidot 999. Es handelt sich um ein Elixir, das gegen 999 von 1000 Giften jeglicher Art immun macht oder ihre einsetzende Wirkung aufhebt, wenn du es erst benutzt, nachdem du dich vergiftet hast. Es ist unbegrenzt haltbar und im normalgroßen Zustand der Flasche einen halben Liter voll. Einige Bestandteile sind Tollkirschengift, pulverisiertes Todestaublatt, ein Milligramm Arsen, ein halber Milliliter Blausäure, ein Stück von einem Basiliskenzahn, ein Tropfen Gift vom Pfeilgiftfrosch, ein Tropfen vom Gift der Königskobra und noch einige andere hochwirksame Gifte, die dadurch, daß sie in der vorgeschriebenen Kombination und Dosierung zusammen mit geriebenem Einhornhorn und vier Phönixtränen zusammengerührt wurden, die meisten Gifte unwirksam machen. Du brauchst nur den in die Flasche eingebauten Tropfendosierer zu drücken, um die Menge zu kriegen, die auf einen normalen Trinkkelch, eine Teetasse oder einen Teller mit Speise geträufelt dessen Inhalt ungiftig macht oder, falls du bereits einen Giftschaden zu erleiden drohst, in einem Trinkbecher mit klarem Wasser aufgelöst getrunken die Wirkung des Giftes in deinem Körper aufhebt und bereits entstandene Schäden umkehrt. Jede Dosis umfaßt einen Milliliter. Das heißt, daß du fünfhundert Dosen dieses Gebräus in der Flasche hast. Benutze sie nur, wenn es unbedingt sein muß und du nicht durch ein eigenes spezifisches Gegengift oder andere Heilkundler gerettet werden kannst. Snape ist zwar ein parteiischer unfairer Wicht, aber nicht dumm. Er würde es merken, wenn du dich oder andere damit vor seinem Schabernack schützen willst.
Wir sehen uns noch bei deiner Geburtstagsfeier und den Tag darauf.
Aurora
Julius kehrte in das Eszimmer zurück, die kleine Umhängetasche unter seinem Hemd verborgen haltend. Betty bestürmte ihn:
"Wann probierst du ihn aus, Julius? Jenna und ich haben unsere Besen auch mitgebracht. Wir könnten morgen Quidditch spielen."
"Betty, das ist nett von dir, das vorzuschlagen. Aber ich kann ja nicht mit euch beiden alleine trainieren. Sicher, ich probiere den Besen gleich morgen früh aus, wenn wir zur grünen Gasse fliegen. Ich weiß nur nicht, ob wir dann morgen Nachmittag trainieren können. Schade, daß Kevin nicht dabei sein kann."
"Der hat uns seine Boann geschickt. Er hatte die Wahl, Besen oder Weltmeisterschaft. Er hat sich für die Weltmeisterschaft entschieden und möchte den Besen durch eigene Arbeit verdienen, während die Ferien sind."
"Haha, Betty. Wie teuer ist so ein Sauberwisch 10? Dreißig Galleonen?" Wollte Julius wissen. Mrs. Hollingsworth wandte sich Julius zu und sagte:
"Geteilt durch zehn erwachsene Leute war er nicht zu teuer. Mehr mußt du nicht wissen."
Der Besen wurde in die Ecke zu den übrigen Geschenken gestellt, und Julius nahm zwischen Aurora Dawn und Madame Dusoleil platz, gegenüber von Madame Faucon, Mrs. Porter und Madame Delamontagne. Mr. Porter saß mit Monsieur Dusoleil und dessen Schwester am anderen Ende des Tisches und unterhielt sich über magische Verkehrsmittel. Die Mädchen saßen sich gegenüber und schwatzten über Hecate Leviata, die berühmte Musik-Hexe. Gloria fing Julius' Blick ein und sagte:
"Nach der Weltmeisterschaft wird Hecate Leviata in Millemerveilles auftreten. Mum und ich kommen dann wieder her, um unser Versprechen einzulösen."
"das wird sich zeigen, ob der mir derzeit anempfohlene junge Herr diese Art von lauter und überdrehter Musik dann noch zu schätzen weiß", dämpfte Madame Faucon die Fröhlichkeit von Gloria Porter. Diese sagte nur:
"Denke ich nicht" und schwieg.
Madame Faucon holte eine große Flasche Wein und eine Flasche Traubensaft aus einem geheimen Vorratskeller und beschwor Kristallkelche auf den Tisch. Dann schenkte sie den Erwachsenen die Gläser voll, den Kindern nur ein Achtel bis halbvoll, Denise bekam sogar nur einen winzigen Schluck des Weins eingeschenkt. Dann füllte sie den Kindern von dem frischen Traubensaft nach. Julius bekam auch ein halbvolles Glas, obwohl er noch weit unter vierzehn Jahren war. Madame Faucon sagte:
"Zum Anstoßen trinkst du den pur, Julius!"
"Auf das Geburtstagskind, Julius Andrews, einem hoffnungsvollen Zauberer!" Sprach Madame Faucon und stieß mit Julius an, dann mit Aurora Dawn, danach mit Madame Dusoleil, und reihum. Als Aurora Dawn mit Julius anstieß flüsterte sie auf englisch:
"Und ab heute nennst du mich bitte nur noch beim Vornamen. Du kannst mich zwar weiterhin siezen, aber die Miss und das Dawn brauchst du nicht mehr zu benutzen, Julius. In Ordnung?"
"Wie Sie wünschen, Aurora!" Bestätigte Julius und ließ sein Glas mit ihrem zusammenklingen. Dann stieß er zunächst mit Gloria, dann Claire, dann Jeanne, dann Prudence, dann Jenna, danach Betty an, um dann die Reihe bei den Erwachsenen mit Madame Delamontagne fortzusetzen, um schließlich bei Madame Dusoleil zu enden. Dann trank er den ersten Schluck des goldenen Weins und schluckte ihn andächtig hinunter. Er war nie ein Freund von Alkohol gewesen und würde es wohl auch nicht werden. Doch heute, so fand Julius, schmeckte ihm der Wein. Zumindest für heute verband er ihn mit den anderen Gästen am Tisch.
Julius ließ sich Traubensaft nachschenken und trank mit den übrigen Gästen weiter und unterhielt sich über den Besen, das Schachspiel und die Bücher, die er bekommen hatte.
"Gilda hat mir das Buch über die Druiden geschenkt. Offenbar will sie sicherstellen, daß ich im nächsten Schuljahr besser in diesem Gespensterfach dastehe", sagte er einmal zu Gloria. Diese erwiderte nur:
"Nur weil Professor Binns keinen Dunst davon hat, wie der Unterricht interessant gestaltet werden muß, ist es immer noch wichtig. Immerhin hat es meine Eltern etwas weniger Geld gekostet, deine Noten zu honorieren, hat mir Mum gesagt."
"Reden wir nicht von der Schule, Gloria. Wenn ich überlege, daß Snape sich im nächsten Jahr bestimmt was einfallen läßt, um uns alle zu demütigen ... Aber lassen wir das", sagte Betty, als Madame Faucon ein warnendes Räuspern von sich gab. Julius wußte, daß sie Betty im Grunde zustimmte, aber es nicht durchgehen ließ, wenn eine Schülerin respektlos von einem Lehrer sprach.
Der Abend klang aus mit ein wenig Hausmusik. Aurora Dawn erwies sich als virtuose Gitarrenspielerin, während Julius seine neue Blockflöte ausprobierte, die Hollingsworths auf Schellentrommeln und Klanghölzern spielten, Virginie eine Harfe zupfte, die Dusoleil-Töchter ihre eigenen Instrumente spielten, während Madame Faucon Cello, Madame Delamontagne Geige und Monsieur Dusoleil Akordeon spielte. Es war schon halb zwölf, als sich die Geburtstagsgesellschaft auflöste. Aurora Dawn und Madame Dusoleil sagten noch im Fortgehen zu Julius:
"Morgen früh um acht geht's los. Sieh zu, daß du bis dahin aus dem Bett und gesättigt bist!"
Julius durfte Madame Faucon nicht dabei helfen, Esszimmer und Küche in Ordnung zu bringen. Er sollte ins Bad und dann ins Bett, damit er sich von diesem langen Tag erholen konnte. Julius klaubte seine Geschenke auf und trug sie in sein Gästezimmer. Dann begab er sich ins Bad und wusch sich, zog seinen Schlafanzug und den Bademantel an und kehrte ins Gästezimmer zurück. Als er im Bett lag und noch das ein oder andere Klappern und Klirren aus Küche oder Essraum hörte, dachte er daran, daß er diesen Geburtstag nie vergessen würde. Sicher, er war dazu gedrängt worden, zu feiern, obwohl er nicht in der Stimmung war. Doch diese hatte sich schlagartig gebessert, als die Gäste kamen und er zwei Dinge bekommen hatte, die seine Eltern niemandem auf die Liste gesetzt hätten: Eine Eule und einen Rennbesen.
Seine Eltern! Was würden sie gerade tun? Hatten sie versucht, bei Joe anzurufen und ihm zu gratulieren? Oder hatten sie es für wichtiger gehalten, sich zu verstecken? Die Hogwarts- und Ministeriumseulen würden sie schon aufsuchen. Womöglich würde das für seinen Vater ein schwerer Schock werden, wenn sich herausstellte, daß es wieder einmal gründlich mißlungen war, Julius von der Zaubererwelt wegzubekommen. Mit dieser zufriedenen Gewißheit schlief er ein.
Im Traum flog er den neuen Besen. Er trug einen blauen Ravenclaw-Umhang und spielte als Jäger gegen die grüne Sieben von Millemerveilles. Dann erlebte er im Traum eine Langstreckenreise, bei der vor ihm die Kompaßnadel des kleinen Aufsteckrichtungsweisers tanzte, wenn eine leichte Windböe ihn vom Kurs abbrachte. Er hörte das Wummern die Luft zerteilender Hubschrauberrotoren und ging unvermittelt in einen Sturzflug über, um nicht gesehen zu werden. Dabei geriet er auf gleiche Höhe mit den Antennen einer Hochhausreihe und mußte mit dem Geschick eines Slalom-Skifahrers steuern, um nicht mit voller Wucht in eine solche Stahlkonstruktion hineinzukrachen. Er schaffte es, auf dem Flachdach eines Hochhauses zu landen und sich unauffällig zu verhalten, während der große Kampfhubschrauber über ihm hinwegbrummte und seinen Weg fortsetzte, ohne den Jungen mit dem Besen zu würdigen.
Aus dem Wummern der Hubschrauberflügel wurde ein lautes Klopfen, dreimal. Er erwachte, als die Stimme Madame Faucons laut durch die Hochhausreihe dröhnte und diese in schillernde Funken zerbröselte, so daß nur das abgedunkelte Zimmer übrigblieb.
"Es ist zeit! Wir haben wieder sieben!"
Julius räkelte sich, streckte alle Glieder bis zum Anschlag von sich und schnellte dann aus dem Bett.
"Ich bin wach und auf", sagte Julius und gähnte noch mal richtig herzhaft. Dann schlüpfte er in Bademantel und Pantoffeln und verließ das Zimmer.
Zum Frühstück trank er zwei Tassen fast schwarzen Kaffee, um seinen Kreislauf in Gang zu bringen. Er aß reichlich und sprach so gut wie kein Wort. Die Beauxbatons-Lehrerin las in der französischen Entsprechung des Tagespropheten, die hier Miroir Magique hieß. Dann schickte sie Julius zum Umkleiden. Er sollte seinen Gartenumhang anziehen.
Um zehn Minuten vor acht gebot ihm die Hausherrin, seinen neuen Besen einzufliegen, um ihn auf seine Reflexe abzustimmen, beziehungsweise, sich an seine Reaktionen anzupassen.
Julius war etwas überrumpelt, wie leicht der Besen auf seine Lageänderungen und Handstellungswechsel ansprach. Madame Faucon, die auf ihrem eigenen Besen nebenherflog, gemahnte ihn einige Male zur Vorsicht.
"Du bist auf alten trägen Schulbesen oder nicht ganz so schnellen Besen geflogen. Der Besen hier hat eine höhere Flexibilität. Da mußt du nicht so voll gegendrücken, um die gewünschte Flugbewegung zu machen. Leider kann mein Besen nicht die Geschwindigkeit mithalten, die ein neuerer Besen erreichen kann. Aber ich denke, du kannst mit einem Maximum von 260 Stundenkilometern rechnen. Der Ganymed 9 leistet im 1000-Meter-Sprint 280 Stundenkilometer und auf einer Langstrecke von 1500 Kilometern eine Reisegeschwindigkeit von 180 Stundenkilometern", ratterte die Hausherrin die Flugdaten des neuesten französischen Rennbesens herunter.
"Der Feuerblitz, das absolute Glanzstück schafft in 10 Sekunden die Beschleunigung von 0 auf 250 Stundenkilometer. Wie der sich im Reiseflug hält, weiß ich im Moment nicht, weil der nur unter Quidditch-Bedingungen beschrieben wurde. Aber ich kann ja mal sehen, ob ich Sie nicht locker abhängen kann", meinte Julius und warf sich nach vorne, was seinem Besen einen Drall versetzte, als hätte er eine Rakete im Schweif, die mit voller Kraft losgegangen sei. Madame Faucon ließ sich nicht auf eine Verfolgungsjagd ein. Sie flog gemütlich hinter Julius her und beobachtete, wie er seinen Besen immer besser und lockerer zu den Standard-Spielmanövern veranlaßte. Unvermittelt rief jemand von unten her:
"Monsieur, alleine zu manövrieren grenzt an Eitelkeit. Aber dieses Gerät ist schon eine Versuchung, für wahr. Auch wenn es ein insulanisches Produkt ist, dürften Sie hier sehr viel Spielwitz mit ihm vorstellen."
Julius bremste den Besen, mit dem er gerade eine Serie von Figuren geflogen hatte und glitt zu dem Rufer hinunter. Er erkannte Monsieur Castello, den Zauberer mit dem zum Zopf geflochtenen Bart, der bei den Spielen der Jugendlichen den Schiedsrichter machte.
"Ich wollte Sie nicht stören, Monsieur. Ich muß diesen Besen nur richtig einfliegen, um seine Reaktionsmöglichkeiten zu erfahren", sagte der Hogwarts-Schüler. In diesem Moment ertönte ein vielstimmiges "Juhuh!" vom Haus der Verwandlungslehrerin her. Julius warf sich herum, wünschte dem älteren Zauberer noch einen schönen Tag und schwirrte wie eine aufgescheuchte Hornisse zum Haus seiner Gastmutter zurück, die über dem dach kreiste und bei seiner Ankunft auf Aurora Dawn, Madame Dusoleil, ihre Töchter Jeanne und Claire und die Hollingsworths deutete, die Warteschleifen über der großen Wiese flogen.
"Wann hast du den denn zum erstenmal getestet?" Fragte Aurora Dawn auf Französisch. Julius sagte, daß er erst zehn Minuten damit geübt hatte.
"So gehört sich das. Ein Talent findet die Fähigkeiten eines Besens in nur zehn Minuten heraus. Und, gefällt er dir soweit?"
"Wenn ich jetzt nein sage, kriege ich ihn wohl unterm Allerwertesten weggezogen, wie? Neh, dieses Risiko gehe ich nicht ein. Der Besen geht auf jeden Fall besser ab als die Renner, die ich bis jetzt getestet habe, inklusive dem Komet von Cho Chang."
"Die Neuner sind auch besser als die Siebener, die unsere Hausmannschaft noch fliegt", rief Betty, nachdem ihre Mutter kurz übersetzt hatte, was Julius geantwortet hatte. Dann befahl Madame Dusoleil:
"Nun denn: Formation bilden und keine Überholmanöver oder Extratouren!" Madame Faucon sprach noch mal mit ihrer Mitbürgerin und nickte ihr dann zu. Julius reihte sich in die Linie ein, die von Aurora Dawn und Jeanne Dusoleil gebildet wurde. Claire, die ihren Superbo 5 flog, hatte sich zwischen die Hollingsworth-Schwestern eingeordnet. Mrs. Hollingsworth saß auf einem geliehenen Ganymed 6 und wußte nicht, was sie zwischen den modernen Besen zu suchen hatte. Madame Dusoleil übernahm die Führung. Julius fragte Jeanne, wo ihre jüngste Schwester abgeblieben sei. Jeanne lächelte und sagte:
"Denise schläft tief und fest. Unser Vater ist zu Hause und paßt auf sie auf."
"Aber ich denke, dein Vater möchte Mr. Porter seine ausrangierten Zauberspielzeuge andrehen."
"Wie war das? Wird der junge Herr übermütig, weil er einen eigenen Besen reitet?" Fragte Madame Dusoleil zurück. Julius antwortete:
"das habe ich doch gestern so verstanden, daß Mr. Porter bei Monsieur Dusoleil nach Zauberkunstprodukten sucht."
"So ist es. Aber der Vater deiner gebildeten Klassenkameradin hat sich erst für zehn Uhr angesagt. Offenbar will er noch etwas erledigen, bevor er mit Florymont zusammentrifft."
"Entschuldigung, daß wir uns als die einzigen Idioten hier offenbaren müssen, die Ihre Sprache nicht können, Madame Dusoleil. Aber wie haben Sie unseren Vormittag geplant?" Fragte Betty Hollingsworth. Ihre Mutter übersetzte kurz. Madame Dusoleil erwiderte:
"Wir machen eine Tour durch die Nutzpflanzenhäuser und danach eine Besichtigung der Fleischfresser. Julius war mit mir schon vor einigen Tagen dort. Er fand es sehr aufregend. Nicht wahr?"
"Jawohl, Madame", bestätigte Julius überzeugend. Aurora Dawn flog auf gleicher Höhe mit Julius und sprach mit ihm auf Englisch:
"Deine Sprachfähigkeiten sind exzellent geblieben. Ich habe fünf Jahre lernen müssen, um so gut sprechen zu können. Deine anderen Fähigkeiten funktionieren genausogut?"
"Meine Gastgeberin hat das schon getestet. Zaubern kann ich noch gut bis sehr gut, wenngleich ich den Eindruck hatte, daß sie nur wissen wollte, was ich kann."
"Sie hat mir erzählt, daß sie mit Professor McGonagall Kontakt hält. Sicher war sie neugierig, ob du wirklich so ein Wunderknabe bist. Auf jeden Fall hast du dich bis jetzt anständig betragen. Camille hat mir errzählt, daß du eine junge Alraune umgetopft hast?"
"Kann man so sagen", preßte Julius hervor. Aurora Dawn lächelte und sagte:
"Jeder Stellt sich dabei am Anfang dumm an. Ich habe vier Alraunen umtopfen müssen, bis ich raushatte, wo man sie anfassen muß. Aber das können wir heute noch mal ausprobieren, falls du Lust hast."
"Ja, warum nicht", stimmte Julius zu.
Im magischen Garten von Millemerveilles freute sich Julius, wie die Hollingsworth-Schwestern staunten. Madame Dusoleil erklärte die Eigenschaften der Pflanzen, Aurora Dawn übersetzte.
"Wenn unsere Lehrerin das so einfach rüberbrächte, wäre das richtig einfach", meinte Jenna Hollingsworth. Dabei sah sie Julius an. Er errötete leicht. Immerhin galt er bei den Hollingsworths als derjenige, der den beiden Schwestern die komplizierten Sachen einfach erklärt und ihnen damit gute Jahresendnoten ermöglicht hatte, nicht nur in Kräuterkunde.
Die Stunden verflogen mit vielen interessanten Vorführungen. Schließlich durften Jeanne, Claire und Julius den Hollingsworths zeigen, wie gut sie junge Alraunen umtopfen konnten. Der Rauschnebeltrank war zwar für alle eine unangenehme Sache, aber dafür konnten sie im Dunst der Rauschnebelhecke, die im Alraunenhaus wuchs, arbeiten. Auf Julius' Sprachkenntnisse hatte das keinen Einfluß. Denn als er die Aktion beendet hatte und alle die ausgeliehenen Ohrenschützer wieder abnehmen konnten, schaffte er es locker, zwischen Französisch und Englisch zu wechseln. Aurora Dawn sagte noch zu ihm, daß er wohl gut gelernt habe, weil die von ihm umgetopfte Jungalraune weniger gestrampelt hatte als zu vermuten stand. Um kurz vor zwölf erhielt Julius das Signal über das Verbindungsarmband, daß er zum Haus von Madame Faucon zurückkehren sollte. Aurora Dawn begleitete Julius. Er holte alles aus seinem Besen heraus, was er selbst noch kontrollieren konnte. Aurora Dawn hielt mit ihrem australischen Willy-Willy 5, den sie sich ausgeborgt hatte, locker mit. Julius vollführte ein gewagtes Bremsmanöver mit Schraubsalto und landete auf dem Punkt genau vor der Haustür. Aurora Dawn landete neben ihm und sagte:
"Wie gesagt, du mußtest einen eigenen Besen haben. Heute nachmittag wird gespielt. Jeanne hat ihre Kumpels dazu überredet, eine Mannschaft zu formieren. Bis um zwei Uhr!"
Julius aß zu Mittag und zog seinen waldmeistergrünen Spielerumhang an. Kurz vor zwei flog er los, gefolgt von Monsieur Castello.
"Nicht so schnell, junger Mann! Sie hauen mir ja ab", protestierte der zopfbärtige Zauberer. Julius lachte nur und ließ sich etwas zurückfallen.
Der Nachmittag verlief aufregend. Julius konnte endlich mit Aurora Dawn und Prudence Whitesand zusammen in einer Mannschaft spielen. Die Hollingsworths spielten Treiber und mußten dabei gegen Nadine Pommerouge und ihre Kollegin der Blumentöchter antreten, während Julius und Aurora Dawn Cesar, den Torhüter der grünen Sieben immer wieder ausspielten. Dann kam Madame Dusoleil noch in die gegnerische Mannschaft und zeigte, daß sie trotz langjähriger Gärtnerarbeit und dreifacher Mutterpflichten noch immer viele Tricks beherrschte. Da sie ohne Sucher spielten, brach Monsieur Castello das Spiel bei Erreichen von 200 Punkten für eine Mannschaft ab. So gewann Julius Andrews innerhalb von 20 Minuten mit Aurora Dawn zusammen das erste Spiel.
"Auf jeden Fall habe ich in der nächsten Saison bessere Reflexe", meinte Cesar, der Hüter.
"das ist zu vermuten", meinte Madame Dusoleil und lobte das Spiel der beiden Hollingsworths.
"Es hat schon was für sich, wenn Zwillinge in einer Mannschaft Treiber spielen", sagte sie. Dann erzählte sie wie sie selbst als junge Hexe in ihrer Schulmannschaft mit einem Treiber-Team aus zwei Brüdern gespielt hatte. Julius und Betty erzählten von den Weasleys, die für Gryffindor die Treiber machten und sehr gut aufeinander eingespielt waren.
Bei Madame Dusoleil trank Julius Andrews noch Kaffee und nahm den geräumigen Eulenkäfig für Francis entgegen. Dann sah er noch Monsieur Dusoleil zu, wie er Mr. Porter die interessanten Zauberkunstprodukte, wie selbstöffnende Türen, Annäherungsleuchtkörper und wechselfarbige Fackeln vorführte.
Noch bevor das erste Rückrufsignal an sein Verbindungsarmband gegeben wurde, landete der Hogwarts-Schüler auf der Landewiese vor dem Haus von Madame Faucon.
"Hat doch was für sich, wenn du deinen eigenen Besen hast", begrüßte ihn die Hausherrin und ließ Julius eintreten.
Beim Abendessen unterhielten sich die beiden über die grüne Gasse und das Quidditchspiel. Danach wollte Madame Faucon wissen, wann und wo er Aurora Dawn kennengelernt hatte, und Julius rückte mit der ganzen Geschichte heraus. Er berichtete auch von seinem Besuch in Hidden Groves, einem großen Park für Zauberpflanzen und magische Tiere in Australien und dem Quidditchmatch zwischen den Canberra Kangaroos und den Sydney Sparks, das er mit Aurora Dawn alles während der letzten Weihnachtsferien unternommen hatte. Madame Faucon fragte:
"Hast du dir häufig die Frage gestellt, weshalb sich Mademoiselle Dawn soviel Mühe gibt, um dir die Zaubererwelt näherzubringen?"
"Ja, schon oft", erwiderte Julius.
"Und, was ist bei dir als Antwort herumgekommen?"
"Erstmal daß sie wohl daran interessiert war und ist, wie ein Muggelkind so gut zaubern kann und dieses Talent weiter ausbaut. Dann dürfte die Ablehnung meines Vaters sie gereizt haben."
"das denke ich auch. Ich habe sie nämlich gefragt, was sie von dir als Mensch und als Zauberer hält, worauf ich die von dir überlegten Antworten bekommen habe.
Nun denn, auch wenn du mir diesen Umstand verschwiegen hast, was ich mal darauf zurückführe, daß du nicht jedem erzählst, mit wem du Umgang pflegen darfst, muß ich dich beglückwünschen. Ich gehe davon aus, daß du noch irgendwann eine Quidditch-Weltmeisterschaft zu sehen bekommst. Es spricht auf jeden Fall für dich, daß Mademoiselle Dawn deine Geburtstagsfeier gewählt hat, anstatt der Weltmeisterschaft. Hast du eigentlich das Anmeldeformular für das Turnier eingereicht?"
"o, das habe ich vergessen", fiel es Julius ein. "Wahrscheinlich wird Madame Delamontagne mich morgen sehr heftig anfahren."
"dann fliegen wir gleich zusammen zum Rathaus. Ich habe das Formular auch noch nicht eingereicht, und mich wird sie nicht zu maßregeln wagen", erwiderte Madame Faucon, und Julius vermeinte, den Anflug eines Lächelns auf ihrem sonst so ernsten Gesicht zu sehen.
Nach dem Abendessen zog Julius den mitternachtsblauen Umhang an, den er am ersten Tag getragen hatte und verließ mit Madame Faucon das Haus. Ihm juckte es in den Fingern, den eigenen Besen zu nehmen. Doch seine Gastmutter schüttelte ruhig den Kopf und meinte:
"Nein nein! Nachher fliegst du mir wieder davon. Daran habe ich kein Interesse. Also, du darfst wieder vor oder hinter mir mitfliegen."
Julius willigte mit leicht enttäuschter Miene ein und schwang sich hinter seiner Gastgeberin auf den Besen. Ohne Probleme flogen sie zum Rathaus und trafen dort noch einen Zauberer an, der eingehende Schachbewerbungen entgegennahm. Er musterte Julius durch ovale Brillengläser und fragte Madame Faucon:
"Haben Sie ihn dazu angehalten, Madame?"
"das hatte ich nicht nötig", erwiderte die Beauxbatons-Lehrerin entrüstet. Der Zauberer wich vor ihr zurück und sagte:
"Es hätte ja sein können. Nun, dann geben Sie mir bitte die Bewerbungsunterlagen!"
Julius reichte den Umschlag mit dem von ihm ausgefüllten Formular. Dann zog er sich ins Rathaus zurück.
Den restlichen Abend verbrachten Madame Faucon und ihr Schützling im Musikpark von Millemerveilles, wo sie dem Konzert vierer Hexen lauschten, die auf Streichinstrumenten und einer Harfe sphärische Musik machten. Um kurz vor zehn Uhr brachen die beiden wieder zum Haus von Madame Faucon auf. Julius sah in den klaren Sternenhimmel und sprach:
"Soviele Sterne habe ich im Sommer noch nie gesehen. Die Wega und der Sirius sind ja noch heller als sonst", wunderte sich der Hogwarts-Schüler.
"Du bist hier nicht in einer überbeleuchteten Muggelgroßstadt, wo das Licht sich so streut, daß es die Sterne verblassen läßt. Deshalb sind die Sterne so gut zu sehen. Aber das werde ich dir noch genauer vorführen, wenn das Schachturnier vorbei ist und die Abordnung von Beauxbatons zur Weltmeisterschaft gefahren sein wird", antwortete Madame Faucon und ließ den Besen sanft in den Sinkflug übergehen.
Als Julius am Abend ins Bett stieg, dachte er noch mal zurück an den Nachmittag. Er dachte an Aurora Dawn, die mit ihm zusammen Quidditch gespielt hatte. Er freute sich, daß sein neuer Besen so gut funktionierte.
In seinem großen Käfig plusterte sich Francis kurz auf und gab ein leises Schu-hu von sich. Julius öffnete das Fenster und ließ den großen Vogel in die Nacht hinaus. Daran mußte er sich wohl auch gewöhnen, daß er nun Verantwortung für ein Tier hatte. Seine Eltern wollten ihm nie ein Haustier schenken, weil sie zum einen fürchteten, daß sie sich darum zu kümmern hätten und zum anderen Julius' Schularbeiten darunter leiden würden. Jetzt hatte Aurora Dawn ihm diese Verantwortung übertragen, die seine Eltern ihm nicht geben wollten.
Julius schloß das Fenster und legte sich zum schlafen hin.
Francis kehrte am nächsten Morgen zurück, kurz bevor Madame Faucon an die Zimmertür klopfte. Julius ließ Francis in seinen Käfig zurück, wo er sich sofort auf die lange Schlafstange setzte und einschlummerte.
Beim Frühstück wurde der Hogwarts-Schüler gefragt, wie er den Tag verbringen wollte. Julius überlegte. Immerhin waren Aurora Dawn und seine Klassenkameraden noch in Millemerveilles, so bestand für ihn die Möglichkeit, sich mit Gloria, Jenna und Betty irgendwo zu treffen. Quidditch wollte er im Moment nicht spielen, da er am Vortag den Eindruck gewonnen hatte, daß er sich doch irgendwie aufgedrängt hatte. Dies sagte er seiner Gastgeberin jedoch nicht.
"Ich weiß nicht, ob Ms. Dawn irgendwas mit Madame Dusoleil ausgehandelt hat. Die beiden scheinen sich einen Wettstreit darum zu liefern, wer mir am meisten in Sachen Kräuterkunde weiterhelfen kann."
"das solltest du nutzen. Wenn zwei Experten sich zu übertrumpfen versuchen, profitiert immer der Laie, weil er mehr zum lernen angeboten bekommt und sich die ihm verständlichste Erklärung einer Sache aussuchen kann."
"dann sollten Sie am besten im nächsten Schuljahr nach Hogwarts kommen und eine Zeit lang Verwandlung unterrichten. Ein paar Klassenkameraden von mir schauen mich immer schäl an, wenn ich eine Aufgabe löse und nichts dagegen tun kann, daß sie gelingt."
"Gut ausgedrückt. Aber ich denke mal, daß deine Grundbegabung keine Bürde ist, sondern eine Erleichterung. Sicher haben die meisten Zauberer, selbst welche aus reinen Zaubererfamilien, Schwierigkeiten am Anfang. Aber am Ende haben die Meisten es raus, nicht nur in Verwandlung. Schlimmer sind die, die sagen, daß sie sowas nicht brauchen und meinen, andere Fächer seien wichtiger."
"Was ja auch zum Teil an den Lehrern hängt", traute sich Julius eine Frechheit.
"Inwiefern?" Fragte Madame Faucon und sah ihren Schützling lauernd an.
"Nun, es soll Lehrer geben, die sagen, daß ihr Fach das wichtigste, interessanteste, schwierigste oder nützlichste Fach sei. Der Zauberkundstlehrer sagt, daß man Zauberkunst überall im Alltag braucht. Der Zaubertranklehrer will wissen, daß sein Fach dazu beiträgt, daß Zauberer und Hexen heilen und bezaubern können. Der Verteidigungslehrer warnt vor bösen Kreaturen und Mitzauberern, während der Kräuterkundelehrer erklärt, daß die Kenntnis von Zauberpflanzen sehr nützlich ist. Was Professor McGonagall angeht, so hat sie immer betont, daß zu ihrem Fach viel Konzentration und Disziplin gehört, weil es sehr kompliziert sei. Und gerade da spielt mir meine Mutantengabe einen Streich, weil ich eben nicht mitkriege, wo etwas schwierig sein soll, zumindest im ersten Jahr nicht."
"Mutantengabe? Meinst du damit diese hohe Grundkraft, die nicht bei jedem Zauberer vorhanden ist? Falls ja, so erreicht jeder einmal seine Leistungsgrenzen. Ob du sie im zweiten oder erst im siebten Jahr erreichst, ist dabei unerheblich. wichtig ist, daß du sie erweitern lernen sollst. Deine Flugfähigkeiten zum Beispiel sind ja auch immer weiter entwickelt worden."
Julius nickte.
Um neun Uhr klingelten Gloria Porter und ihr Vater an der Tür. Sie luden Julius ein, mit ihnen den magischen Tierpark zu besuchen. Nach einer taktischen Denkpause von einer Minute willigte Professeur Faucon ein und ließ ihren Schützling ziehen.
"Wo ist denn deine Mutter abgeblieben?" Fragte Julius Gloria, als sie auf ihren Besen unterwegs waren. Julius flog seinen Rennbesen, wobei er aufpassen mußte, daß er den von den Porters gemieteten Cyrano 4 nicht ständig überholte.
"Dione und diese Dorfrätin Delamontagne haben sich gesucht und gefunden. Sie haben bis gestern in die Nacht Schach gespielt und die Partie unterbrechen müssen, weil sie zu müde waren, um noch konzentriert weiterzuspielen. Jetzt sitzen sie wieder in diesem großen Garten und spielen weiter", erklärte Mr. Porter, dessen Tochter hinter ihm saß und Julius bewunderte, wie spielerisch er seinen neuen Besen flog.
"Oha! Ich habe mich breitschlagen lassen, an einem Schachturnier teilzunehmen, daß übermorgen hier startet. Madame Delamontagne hat mir zu verstehen gegeben, daß sie mich ächten lassen wird, falls ich nicht mitmache", sagte Julius und zirkelte einmal um den Cyrano-Besen herum, wobei er einen perfekten Kreis beschrieb.
"Ich dachte, Angeberei sei nicht dein Ding", wunderte sich Gloria, als Julius hinter ihrem Rücken herumschwang und sie auf der linken Seite passierte.
"das ist es nicht. Ich muß nur aufpassen, euch nicht abzuhängen, deshalb diese Zirkusnummer", rechtfertigte Julius sein Manöver.
Der Aufenthalt im magischen Tierpark war für Julius faszinierend. Der Tierpark war nicht wie ein üblicher Zoo in Wege zwischen Käfigen oder Gehegen eingeteilt, sondern wie eine kleine Stadt für sich mit breiten Straßen und großen Anlagen für die magischen Geschöpfe. Eine Tierwärterin in einem Drachenhautkostüm begleitete die drei Besucher. Julius hatte seinen Besen in einem Verschlag abstellen müssen. Die Hexe befand, daß sie nicht hinter einem Rennbesen herfliegen wolle. Julius hatte sich dann vor Mr. Porter gesetzt, der seinen Cyrano-Besen mit etwas Mühe ausbalancierte, während die Tierwärterin ihnen die vielfältigen Tiere beschrieb. Greife, die mit goldbraunen Löwenkörpern und weißgefiederten Adlerköpfen über dem zugewiesenen Bereich herumflogen. Hippogreife, die wie Rappen, Schimmel oder Fuchspferde gefärbt waren, flogen oder gingen in einer großen Koppel herum. Julius wollte wissen, ob die Tiere nicht wegflogen. Die Hexe des Tierparks lachte darüber nur und deutete auf breite silberne Linien um die Gehege.
"Ein magischer Dom hält die Tiere davon ab, höher als 50 Meter zu fliegen und nicht über die Einzäunung hinauszukommen. Den Tieren passiert dabei nichts, wenn sie die Grenze erreichen. Sie denken nur, daß sie wieder umkehren und tun dies dann auch."
"dann könnte man doch auch Drachen halten", wandte Julius ein.
"das ist eine andere Geschichte. Drachen sind magisch so widerstandsfähig, daß solche Bannlinien sie nicht zurückhalten können. Wir hätten gerne einige Drachen, um den Kindern zu zeigen, wie groß die werden können. Aber das geht dann wohl nicht", erklärte die Hexe des Tierparks.
Einhörner, Riesenspinnen, Riesenskorpione, Mantikore und blaue Frösche, die so groß wie Schäferhunde waren, boten ein vielfältiges Bild von den schönen und gefährlichen Arten magischer Tiere. Julius war so fasziniert von den Geschöpfen, daß er das erste Heimrufsignal seiner Gastmutter nicht mitbekam. Erst Mr. Porter machte ihn darauf aufmerksam, daß das Findmich-Armband, wie er es auf Englisch nannte, gezittert hatte. Julius fuhr zusammen und rutschte fast vom Besen. Zum Glück konnte Plinius Porter ihn noch festhalten.
"Ui, die hat dich aber gut im Zug, mein Lieber", lachte Glorias Vater und drehte den Besen so, daß es zum Eingang des magischen Tierparks zurückging. Dort kam das zweite Signal, das Julius' Armband erzittern ließ. Er griff sich seinen Rennbesen und schwirrte ab wie eine aufgescheuchte Hornisse. Mr. Porter rief ihm noch nach:
"Nachmittags wollten wir zu Madame Dusoleil, Julius!"
"Ja, ist gut! Ich seh zu, ob ich auch dahin darf!" Rief Julius zurück, bevor er seinen Besen richtig antrieb und fast einen Überschlag machte, weil er ihn zu steil hochzog.
Als das dritte Signal an ihn gegeben wurde, war er noch fünfhundert Meter vom Haus entfernt, in dem er untergekommen war. Julius fragte sich, ob er seine Verspätung entschuldigen konnte, und ob die Hausherrin die Entschuldigung annehmen würde. Tatsächlich kam ihm Madame Faucon entgegen, als er seinen Besen abbremste und im Steilflug zur Landung ansetzte.
"Na, Junge! Nicht so halsbrecherisch!" Warnte ihn Madame Faucon und schwang sich auf ihrem Besen neben ihm zur Landung nieder.
"Sie sagten doch, ich dürfe es nicht darauf ankommen lassen, zu spät zu erscheinen", sagte Julius.
"das ist richtig. Aber das heißt nicht, daß du dich totfliegen darfst. So kommst du mir nämlich nicht davon."
"W-wie meinen S-sie d-das", stotterte Julius, außer Atem und verängstigt, als er mit einer schnellen Landung auf der Wiese aufsetzte.
"Ganz einfach. Du bleibst bis um fünf zu Hause und schreibst mir einen Aufsatz über deinen Besuch im Tierpark, in dem du alles erwähnst, was du an wichtigen Dingen erfahren hast. So einfach ist es, aber auch schwierig genug, um dein Zuspätkommen nicht zu einer Nebensächlichkeit werden zu lassen, die beliebig wiederholt werden kann. Aber erst einmal ißt du was", bestimmte Madame Faucon und brachte den Besen von Julius in einen Verschlag, wo sie auch ihren Besen unterstellte.
Julius atmete tief durch. Er hatte wunders gedacht, was ihm die Hexe von Beauxbatons antun würde. Nach der Festlegung ihrer Hausregeln hatte er befürchtet, von ihr verflucht oder verwandelt zu werden, wenn er zu spät kam.
Wie schwierig der Aufsatz sein würde, erkannte Julius, als ihm die Hausherrin einen Zettel zusammengeschrieben hatte, auf dem stand:
Julius Andrews!
Verfasse eine stilistisch und wissenschaftlich geordnete Abhandlung über die im magischen Tierpark von Millemerveilles ausgestellten Kreaturen! Gehe dabei auf die dir mitgeteilten Haltungs- und Zuchtbedingungen ein, erwähne die Ernährung und Unterbringung der Tiere! Erstelle anhand der dort gewonnenen und / oder aus deinem Buch über magische Geschöpfe ersichtlichen Informationen eine ausführliche Erläuterung über Nutzen oder Schädlichkeit jedes Geschöpfes.
Mindestens drei Pergamentrollen!
Julius dachte erst gar nicht daran, zu verhandeln. Er dachte nur daran, daß der Nachmittag für ihn gelaufen sein dürfte, denn er glaubte nicht, bis fünf Uhr damit fertig zu werden.
Zu seinem Erstaunen war bei seinem Besuch im magischen Tierpark doch viel mehr an Einzelheiten hängengeblieben als er anfangs gedacht hatte. So schaffte er die Beschreibung und Haltung der Tiere ohne das Buch von Lurch Skamander über magische Geschöpfe. Er erwähnte auch, daß Drachen nicht in Begrenzungsbannen gehalten werden könnten, da sie einen starken Magiewiderstand besäßen und zitierte dazu noch einen Absatz aus dem von Kevin geschenkten Drachenbuch, in dem über die Abwehr von Zauberkräften durch die dicke Drachenhaut geschrieben wurde.
Er war so tief in die Arbeit an dem Aufsatz versunken, daß er nicht mitbekam, daß Madame Faucon Besuch erhalten hatte. Als er mit schweißnassem Gesicht und brummendem Schädel die halbvolle vierte Rolle Pergament nach Trocknen der Tinte zusammenrollte, hörte er, daß eine Frau mit starker Stimme bei Madame Faucon sein mußte. Er kannte diese Besucherin nicht. Er überlegte sich, ob er die Strafarbeit nun abliefern sollte, oder ob er ruhig im Zimmer warten sollte, bis die Besucherin gegangen war. Er hörte unfreiwillig mit, wie sich die beiden unterhielten und die Besucherin sagte:
"... Sie denken also, Jeanne könnte daran teilnehmen, Professeur Faucon?"
"Sie, César, Marlene und natürlich Fleur. Nach der Änderung kommen die vier auf jeden Fall in Betracht, Madame Maxime. Aber bitte sprechen Sie nicht so laut. Sie wissen, daß ich einen Gast habe."
"Natürlich weiß ich das, Professeur. Dennoch sollten wir die Liste heute noch durchsprechen. Sie wissen, daß ich bei Beginn des neuen Schuljahres noch die anderen Kollegen unterrichten muß. Deshalb sollten wir das jetzt koordinieren, um eine einheitliche Linie zu haben. Immerhin ist das ganze zu wichtig, zumal es um unsere Schulehre geht", sagte die Fremde, die mit Madame Maxime angesprochen worden war. Julius schwankte zwischen der Neugier, mehr zu erfahren, auch wenn es eindeutig nicht für seine Ohren bestimmt zu sein schien und der guten Erziehung, sich den beiden zu zeigen und sie davon abzubringen, in seiner Hörweite über Dinge zu reden, die mit der Schule Beauxbatons zu tun haben mußten, so das Gespräch. Er nahm die Rollen Pergament und verließ mit normaler Lautstärke sein Zimmer.
Die beiden Frauen verstummten sofort, als er die Tür hinter sich schloß und auf das Arbeitszimmer zuging, aus dem die Stimmen gekommen waren.
"Ich habe hier die Pergament...", setzte Julius an, verschluckte den Rest des Satzes, weil er von der Erscheinung erschüttert wurde, die die Besucherin bot.
Auf zwei bequemen Stühlen, die Schultern mindestens einen Meter über den eigentlich hohen Rückenlehnen, thronte eine riesenhafte Frau, die in rubinroten Stoff gekleidet war und mit unzähligen Opalen und Silberketten geschmückt war. Ihre schwarzen Augen fixierten Julius aufmerksam, ja förmlich lauernd. Juliusdachte, daß diese Frau im Stand bestimmt mit dem Kopf an die Decke schlagen mußte, aber trotz ihrer Riesenhaftigkeit eine schöne Erscheinung bot. Er verbeugte sich unaufgefordert vor der Fremden und wünschte ihr einen guten Tag.
"Guten Tag, junger Herr! Ich hörte, Sie sind zur Zeit Hausgast von Professeur Faucon?" Erwiderte die Besucherin mit kraftvoller Stimme. Julius nickte bestätigend.
"Madame Maxime, dies ist der junge Monsieur Julius Andrews, ein Zweitklässler von Hogwarts. Julius, dies ist Directrice Madame Maxime, die Leiterin der Akademie von Beauxbatons."
"Sehr erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen, Frau Direktor", erwiderte Julius unterwürfig. Die Fremde nickte ihm wohlwollend zu.
"Ich wollte nicht, daß ich aus Versehen irgendwelche Geheimsachen mithöre, Mad.., Professeur Faucon", wandte sich Julius an seine Gastmutter und zeigte schüchtern die beschriebenen Pergamentrollen vor.
"Sehr umsichtig, Julius. Es wäre auch nicht statthaft gewesen, zu lauschen. Bitte lege die Rollen auf den Tisch. Du darfst dann nach draußen und meinetwegen zu Madame Dusoleil, die mich vor zwei Stunden per Fernsprechfeuer gefragt hat, ob du nicht zu ihr kommen wolltest. Deinen Besen habe ich dir schon in den Hausflur gestellt. Ich gebe dir das übliche Signal, wenn ich dich zurückrufen möchte. Komm erst, wenn du das erste Signal erhalten hast oder warte auf ein anderes Zeichen von mir!"
"Sehr wohl, Professeur Faucon."
"Moment, junger Herr", hielt Madame Maxime Julius zurück, als dieser schon durch die Arbeitszimmertür geschlüpft war. Julius kehrte noch mal um.
"Ich möchte erst hören, wieviel du schon mitbekommen hast. Es könnte nötig sein, dich auf bestimmte Verhaltensregeln hinzuweisen."
Julius erbleichte, gab aber dann wahrheitsgemäß Auskunft, was er gehört hatte. Madame Maxime lief leicht rosa an, was bei ihrer olivfarbenen Gesichtshaut interessant wirkte. Dann sagte sie:
"Du wirst wohl einsehen, daß du keinem ein Wort darüber sagen darfst, was du gehört hast. Es betrifft eine Angelegenheit, über die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Stillschweigen bewahrt zu werden hat. Nur soviel: Es betrifft auch Hogwarts und somit auch Sie, Monsieur Andrews. Ich hoffe, Sie verstehen mich richtig?"
"Selbstverständlich. Ich kann Geheimnisse bewahren. Mein Vater ist ja selber Geheimnisträger seiner Firma. Da darf ich ja auch nichts ausplaudern, was er mir erzählt oder ich von ihm zu hören kriege", sagte Julius. Madame Maxime schien diese Erklärung nicht zu interessieren. Sie sagte nur:
"Wie gesagt: Diese Dinge unterliegen einer Geheimhaltung, die erst aufgehoben wird, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Mein hochgeschätzter Kollege Professor Dumblydor wird Sie und Ihre Mitschüler im einzelnen unterrichten."
"Wie Sie wünschen, Madame Maxime. Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen und ruhigen Tag!"
Julius hastete schnell zum Flur, schnappte sich seinen Besen und verließ schnell das Haus. Vor der Eichentür schwang er sich auf seinen Sauberwisch 10 und jagte damit in die Höhe, Kurs auf das Anwesen Dusoleil nehmend.
In schnellem Flug erreichte er das stattliche Anwesen und wurde bereits von Aurora Dawn und Gloria Porter gerufen, als er über der großen Wiese hinwegflog. In einer halbkreisförmigen Bremskurve umrundete er fast das Haus der Dusoleils und setzte dann punktgenau auf der Terrasse auf, ohne restlichen Schwung. Gloria unterhielt sich mit Aurora Dawn über einfache Tricks, widerspenstige Kringelsprossen zu beschneiden, etwas, daß sie, Julius und Leah Drake in einer der letzten Stunden bei Prof. Sprout zu tun hatten und immer wieder an den schnell zusammenrollenden Zweigen scheiterten, die dieses Gebüsch besaß.
"Du hast dir aber viel Zeit gelassen, wo du weißt, daß wir heute abend wieder abreisen müssen", tadelte Gloria den Klassenkamerad, lächelte dabei jedoch beschwichtigend.
"Wann genau geht euer Flug?" Fragte Julius.
"Wenn daddy Mum von dieser dicken Hexe loseisen kann, gehen wir von neun Uhr aus. Wir wollten im Chapeau Du Magicien noch was essen, bevor wir uns zurückflohpulvern."
"Meine werte Gastmutter wollte einen ausführlichen schriftlichen Bericht über meinen Besuch im Zoo von Millemerveilles haben, weil ich fünf Minuten zu spät ankam. Ich hatte keine Lust, mich mit ihr herumzuzanken."
"Du meinst, du hast dich nicht getraut", wandte Aurora Dawn ein.
"das auch, Miss Dawn", erwiderte Julius und erhielt einen tadelnden Blick von der in Australien lebenden Kräuterhexe.
"Ich habe dir doch gesagt, daß du mich nur noch beim Vornamen anreden möchtest, Julius. Ich bin doch nur sechzehn Jahre älter. Ich könnte noch eine große Schwester von dir sein."
"Oder meine junge Mutter", erwiderte Julius schlagfertig. "Bei den Muggeln haben manche Mädchen mit fünfzehn schon ein Kind."
"Soso. Soviel Zeit haben die also, sich in so jungen Jahren um Neugeborene kümmern zu können", versetzte Aurora Dawn und winkte Julius zu sich heran. Er ließ sich neben ihr auf einen Stuhl nieder und wunderte sich, wo die anderen blieben.
"Wo ist denn Madame Dusoleil?"
"Sie mußte noch etwas formales erledigen. Hat wohl was mit dem Garten hier in Millemerveilles zu tun. Sie wollte gleich wiederkommen. Jeanne und die anderen Mädchen sind mit Schulfreundinnen beim Musizieren, und der Herr des Hauses schraubt in seiner Werkstatt", berichtete Aurora Dawn lässig.
Madame Dusoleil trat aus dem Haus und freute sich, Julius zu sehen.
"Ich wollte schon eine Wette mit Aurora abschließen, daß Blanche dich nicht mehr rausläßt, bis sie wieder fortgeflogen ist. Was war denn los?"
"Nennen wir es mal einen Hinweis auf mögliche Probleme, die ein Junge kriegt, der bei einer angesehenen Oberschullehrerin essen und schlafen darf aber sich nicht an vorgegebene Zeiten hält."
"Ach, hat sie dich das Haus schrubben oder irgendeinen belanglosen Aufsatz schreiben lassen? Sieht ihr ähnlich", bemerkte Madame Dusoleil.
"Ich denke, der Aufsatz über die magischen Geschöpfe hier war nicht belanglos. Ich habe auf jeden Fall gemerkt, daß mich das interessiert, mit solchen Wesen zu arbeiten. Aber lassen wir das! Madame Faucon hat mir gesagt, ich möchte solange hierbleiben, bis sie mir das erste Rückrufsignal gibt. Die übliche Zeit soll ich erst einmal nicht einhalten, da sie mit Madame Maxime was über Beauxbatons zu bekakeln hat. Ich hätte fast die wichtigsten Betriebsgeheimnisse mitgehört, wenn ich nicht so gut erzogen wäre und den Damen rechtzeitig gesagt hätte, daß ich noch da bin."
"Huch, Madame Maxime ist schon hier? Die wollte doch erst kommen, wenn sie ihre Schäfchen einsammelt, um mit ihnen zur Weltmeisterschaft zu reisen."
"Ist das eine hübsch aussehende Frau, die so groß wie Hagrid ist, Julius?" Fragte Gloria Porter.
"Woher weißt du ...? Ja, die ist so groß. Ich habe schon gedacht, Madame Faucon hätte mich zur Strafe um einen halben Meter einschrumpfen lassen. Aber dann hätten mir ja die Möbel größer vorkommen müssen."
"Eine respekterheischende Erscheinung", bemerkte Mr. Porter, der gerade aus dem Werkstatthaus von Monsieur Dusoleil kam.
"Offenbar hat in Frankreich Größe doch was mit Zentimetern zu tun und nicht mit Ansehen", erlaubte sich Julius eine Frechheit. Madame Dusoleil sah ihn an und sagte dann:
"Sagen wir's mal so: Madame Maxime hat den besten Überblick in Beauxbatons. Selbst wenn sie sitzt, kriegt sie alles mit. Deshalb ist ihre Schule auch so gut geführt. - Hast du eigentlich schon Tee oder Schokolade getrunken?"
"Nein, noch nicht", sagte Julius. Dann fügte er hinzu, daß er schon gerne eine Tasse Tee trinken würde. Madame Dusoleil verschwand kurz durch die Gartentür und kam eine halbe Minute später mit einer zusätzlichen Tasse und einer großen Kanne Tee wieder.
Der Nachmittag verlief mit interessanten Gesprächen über Quidditch, Zauberpflanzen und das Konzert von Hecate Leviata, daß erst bei der Weltmeisterschaft und dann in Millemerveilles stattfinden sollte.
dabei überboten sich Aurora Dawn und Madame Dusoleil in Beschreibungen und Pflegevorschlägen für die Pflanzen, die im nächsten Jahr wohl für Gloria und Julius in Frage kamen. Julius genoß es, und auch Gloria, die eher Zauberkunst und Zaubereigeschichte als Lieblingsfächer hatte, hörte aufmerksam hin und stellte Fragen zu einzelnen Sachen. Dann fragte sie noch:
"Wieviele Stunden haben Sie Julius eigentlich das Besenfliegen beigebracht, Miss Dawn? Er hat sich bei der ersten Schulstunde ja schon gut auf dem alten Schulbesen halten können."
"Ach, ein paar Stunden waren das schon. Ich mußte ja aufpassen, daß seine Eltern nicht sofort mitbekamen, daß ich Julius schonmal auf Hogwarts einstimmen wollte. Immerhin hat es sich gelohnt, wie wir ja gestern alle gesehen haben."
"Technik und Können führen zum Erfolg", sprach Julius mit einer Betonung, wie sie für einen Werbesprecher üblich war.
"das ist richtig. Wo das Können fehlt, kann selbst die beste Technik nichts ausrichten. Und wo die technischen Voraussetzungen fehlen, können keine besonderen Leistungen erbracht werden", wußte Aurora Dawn zu ergänzen.
Es wurde sieben Uhr, ohne daß Julius' Findmich, wie Aurora Dawn und Gloria das Verbindungsarmband nannten, zitterte. Madame Dusoleil machte Anstalten, den Terrassentisch für das Abendessen zu decken. Die Porters und Aurora Dawn waren ohnehin schon eingeladen.
"Deine Gastmutter darf es sich gerne überlegen, ob du bei mir oder bei ihr essen sollst. Ich lasse dich auf jeden Fall nicht an einem Tisch sitzen, wenn du immer auf dein rechtes Handgelenk horchst. In einer halben Stunde gibt es Abendessen. Bis dahin sollte sie wissen, was sie will, die gute Blanche", flüsterte Madame Dusoleil Julius ins Ohr, während die Porters und Aurora Dawn mit Monsieur Dusoleil über Geisterabwehrzauber sprachen. Gloria hatte erwähnt, daß in Hogwarts ein gemeiner Poltergeist herumspuke. Monsieur Dusoleil hatte darauf geantwortet, daß Poltergeister nur durch bestimmte Bannzauber aufgehalten werden könnten, die in Hogwarts bestimmt nicht zugelassen waren.
"das würde die anderen Geister auch beeinträchtigen, Gloria", wandte Aurora Dawn ein. "Außer dem blutigen Baron gönne ich es keinem Geist von Hogwarts, wegen Peeves in seiner oder ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu werden. Ich hörte mal was von einer Peeves-Patrouille, die kurz vor meiner Schulzeit dort erfolgreich gearbeitet hat. Vielleicht solltet ihr die wieder aufleben lassen, wenn euch der alte Quälgeist zu lästig wird."
"Wäre eine Überlegung wert", sagte Julius. "Immerhin habe ich ja einen wirksamen Zauber gegen ihn getestet."
"Welchen?" Fragte Aurora Dawn interessiert.
"Ach, ich habe ihn mal mit dem Feuerlöschzauber tiefgekühlt. Das hat ihm erst einmal gereicht", sagte Julius.
"Interessant. Ich habe damals den Krauthaarfluch auf ihn losgelassen. Schade, daß Poltergeister nicht wie normale Menschen reagieren. Er schüttelte sich nur und verlor alle gewachsenen Grasbüschel von seinem Kopf. Ich mußte machen, daß ich wegkam, damit Filch mich nicht erwischte", errzählte Aurora Dawn.
"Peeves hätte Sie doch anschwärzen können", sagte Julius.
"Ja, aber einem chaotischen Poltergeist glaubt man eben weniger als einer Vertrauensschülerin. Ich habe es so gedreht, daß Peeves wohl Laub und Gras von draußen ins Schloß gebracht hat, um Filch zu ärgern. Das wurde geglaubt", grinste die ehemalige Ravenclaw-Vertrauensschülerin.
Madame Dusoleil werkelte in der Küche, bis kkurz vor halb acht. Dann kam sie heraus und sagte:
"Julius, setz dich ruhig hin! Du ißt mit uns zu Abend. Deine Gastmutter hat mich eben kurz per Fernsprechfeuer informiert, daß sie doch etwas mehr Zeit mit beruflichen Gesprächen zubringen wird. Wenn sie möchte, daß du zu ihr zurückkommst, wird sie dich über deine lange Leine anzittern."
"Wie lustig, Madame", knurrte Julius, dem nicht nach dieser Art von Humor war. Aurora Dawn legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und sagte:
"Tröste dich. Bei mir hättest du auch ein Findmich verpaßt bekommen, wenn deine Eltern dich mir überlassen hätten. Ist schon ganz nützlich, wenn man in Verbindung mit jemandem steht. Das müßtest du doch eigentlich kennen. Muggel haben doch diese Mobiltelefone. Die sind doch nichts anderes als Findmichs."
"Womit Sie natürlich recht haben, Aurora", gestand Julius ein und lächelte. Natürlich waren Handies nichts anderes, als Fernsteuerungs- und Kontrollgeräte. Nur die Leute, die sowas bei sich hatten, meinten, dies seien die Zeichen dafür, daß sie eben wichtig seien und daher überall erreicht werden können müßten oder von einem X-beliebigen Ort aus in alle Welt telefonieren müßten.
Zusammen mit den drei Töchtern von Madame Dusoleil, ihrer Schwägerin, Mr. und Gloria Porter und Aurora Dawn aß Julius auf der terrasse. Julius saß zwischen Aurora Dawn und Claire Dusoleil. Mr. Porter saß rechts von Madame Dusoleil, während Aurora Dawn rechts von Monsieur Dusoleil saß, der vor Kopf der Tafel saß. Gloria unterhielt sich mit Jeanne über die Druidensammlung, während Julius sich mit Aurora und Claire über den magischen Garten unterhielt, den sie gestern besucht hatten. Julius mußte feststellen, daß Madame Dusoleil genauso gut kochen konnte wie Madame Faucon. Gemüse und Gartenfrüchte stammten wie bei Madame Faucon aus eigener Haltung, ebenso die Gewürzkräuter.
Um neun Uhr verabschiedeten sich die Porters und Aurora Dawn. Glorias Vater sagte:
"Ich bin um halb zehn mit den Hollingsworths im Chapeau Du Magicien verabredet. Vorher muß ich meine Frau von dieser Schach-Hexe wegkriegen. Die beiden haben sich echt gesucht und gefunden. Also, Julius. Wenn du noch hier sein solltest, wenn Hecate Leviata hier auftritt, schreibe uns das! Gloria und Dione wollten dann herkommen", sagte Mr. Porter. Julius nickte. Aurora Dawn nahm Julius in die Arme und hauchte ihm zu:
"Camille wird darauf achten, daß du hier nicht zu sehr eingesperrt wirst. Ich gehe davon aus, daß du nach deinen Ferien mehr über Kräuterkunde weißt als jeder andere Zweitklässler in Hogwarts. Bleibe schön im Training, aber lass dich nicht von deinem neuen Besen zu Himmelfahrtsmanövern hinreißen, die du nicht kontrollieren kannst! Verstanden?"
"Ja, habe ich", bestätigte Julius ruhig. Dann verschwanden die Gäste aus England und Australien. Julius hatte Gloria noch nachrufen können, den Hollingsworths schöne Grüße auszurichten. Dann war er mit den Dusoleils allein.
"Ich glaube, ich sollte mir einen Schlafsack herzaubern lassen. Morgen komme ich doch schon wieder her", sagte Julius zu Madame Dusoleil.
"Ich gehe stark davon aus. Immerhin hat meine Tochter dich extra eingeladen."
"dann muß ich doch noch mal zu Madame Faucon", flüsterte Julius.
"Wie du meinst, Julius", erwiderte Madame Dusoleil.
Um kurz vor Zehn zitterte das Verbindungsarmband an Julius' rechtem Handgelenk einmal. Madame Dusoleil bestand darauf, Julius zum Haus von Madame Faucon zu begleiten.
"Ich habe gesehen, wie du andauernd in den Himmel gestarrt hast. Astronomische Interessen sollten nicht beim Fliegen berücksichtigt werden", sagte Madame Dusoleil mit einem lehrerhaften Unterton.
Jeanne lieh ihrer Mutter ihren Rennbesen, damit sie mit Julius mithalten konnte. Claire wünschte Julius eine gute Nacht und wies ihn darauf hin, daß er am nächsten Nachmittag um drei Uhr wiederkommen solle.
Mit hohem Tempo flogen Madame Dusoleil und Julius durch die laue südfranzösische Sommernacht. Das Armband zitterte zweimal, als sie bereits über dem Grundstück von Madame Faucon zur Landung ansetzten. Julius zog am Türglockenstrang und wartete, bis die Hausherrin öffnete.
"Hallo, Blanche. Ich habe deinen Gast gut gefüttert und unversehrt nach Hause begleitet. Ich hoffe mal, daß du ihn morgen wieder zu uns kommen läßt, vorausgesetzt, er stellt nicht schon wieder was an, wofür er unbedeutende Tiergeschichten schreiben muß."
"Camille, meine Maßnahmen darfst du belächeln, aber nicht kritisieren. Immerhin hat Julius mehr Vernunft besessen als eine gewisse Junghexe, die vor zweiundzwanzig Jahren meinte, das es verschwendete Zeit sei, Teetassen in Ratten zu verwandeln und dafür eine gewisse Nachtragsaufgabe zu leisten hatte."
"Ich habe auch nicht behauptet, daß deine Maßnahmen verkehrt sind, sondern nur, daß ich hoffe, daß du morgen nicht von ihnen Gebrauch machen mußt", erwiderte Madame Dusoleil ruhig, als hätte sie der versteckte Tadel nicht beeindruckt. Dann verabschiedete sie sich von Julius und überließ ihn seiner Gastmutter.
"das war natürlich ein gefundenes Fressen für diese lebenslustige Kräuterhexe", knurrte Madame Faucon. Dann sagte sie ruhig zu Julius:
"Morgen früh gehen wir zwei ins Geschichtsmuseum. Du kannst ja nicht immer nur Quidditch spielen oder über unserem Dorf herumfliegen. Den Tieraufsatz habe ich mir noch nicht angesehen. Das werde ich erst tun, wenn Claires Geburtstagsfeier vorbei ist. Jetzt geh erst einmal schlafen!"
Julius befolgte die Anweisung und zog sich zurück. Francis, die Schleiereule, saß hellwach in seinem Käfig. Julius öffnete das Fenster und ließ seinen neuen Postvogel ausfliegen, um die Nacht über zu jagen. dann legte er sich hin und schlief sofort ein.
Der Morgen des 23. Juli war für Julius nicht so öde und langweilig, wie er befürchtet hatte. Madame Faucon zeigte ihm im Zaubereigeschichtsmuseum alte Bücher, Schriftrollen, in denen wichtige Ereignisse der letzten neunhundert Jahre beschrieben wurden und magische Gegenstände, wie Zaubergemälde, die wie Fenster in eine längst vergangene Zeit wirkten und Ereignisse zeigten, die sich vor geraumer Zeit zugetragen hatten. Er erfuhr einiges nützliche über die europäischen Zauberer der vorchristlichen Zeit und den Einfluß nordafrikanischer Naturmagier. Er fühlte, wie die magiebündelnden Kristalle eines alten Schamanen noch heute ihre Wirkung auf Hexen und Zauberer hatten und bewunderte die Orakelkugeln, mit denen ein Schamane aus dem Sudan wichtige Vorhersagen treffen konnte.
"Ich dachte immer, die Zukunft sei unbestimmt und daher nicht vorhersagbar", sagte Julius.
"Zum größten Teil stimmt dies auch. Du kannst deine Zukunft jede Sekunde neu gestalten, wodurch sich Millionen von Möglichkeiten ergeben, wie du die nächsten Tage erlebst. Je weiter ein Zeitpunkt in der Zukunft liegt, desto unwahrscheinlicher wird ein dann stattfindendes Ereignis vorherzusagen sein. Ich weiß, es gibt bei euch und auch bei uns Zauberkundige, die sich der Wahrsagerei, insbesondere der Symbolik, verschrieben haben. Doch ich halte das Zeug für eine sehr ungenaue und unverbindliche Gattung der Zauberei. Was jedoch vorhergesagt werden kann, sind Naturereignisse, die einem bestimmten Gesetz unterworfen sind, wie Wettererscheinungen, Dürren und Überschwemmungen, Waldbrandwahrscheinlichkeiten oder Ernten. Auch der Charakter eines Menschen ist ein brauchbarer Richtwert für eine Prognose. Diese Faktoren berücksichtigt die Orakelkugeltechnik, sowie die Arithmantik. Kommen mehrere dauerhafte Strömungen zusammen, können zukünftige Ereignisse mit einer wesentlich höheren Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden als durch Deutungen und Visionen", erläuterte Professeur Faucon leise. Es befanden sich noch weitere Besucher im Museum. Julius überlegte kurz, was er auf diese kurze aber umfangreiche Erläuterung antworten sollte. dann fragte er:
"Wie steht es dann mit den Vorhersagen von Nostradamus?"
"Ach, den kennen die Muggel wohl auch. Bei ihm ist eben das Problem, daß er durch Visionen und Deutungen eine schwer überprüfbare Ansammlung von Vorhersagen gemacht hat. Hinzu kommt, daß er nur ein sensorischer Zauberer war. Das heißt, er konnte nur magisch wahrnehmen, aber nicht selber zaubern. Nichts desto trotz sind einige Vorhersagen wohl nicht so drastisch eingetreten, wie befürchtet wurde."
Nach dem Mittagessen zog sich Julius den dunkelgrünen Festumhang wieder an, den er zu seinem eigenen Geburtstag getragen hatte. Madame Faucon brachte ihn mit dem eingepackten Geschenk für Claire zum Anwesen der Dusoleils.
das erste, was Julius auffiel, waren die Lampions und Laternen in den gepflegten Büschen und Baumwipfeln des Dusoleil-Anwesens. Er hätte zunächst an eine Muggel-Weihnachtsdekoration gedacht, wenn die Lichter nicht alle frei in der Luft geschwebt hätten. Noch waren sie nicht entzündet, doch war Julius klar, daß Monsieur Dusoleil die Leuchtkörper der unterschiedlichen Farben und Größen nicht für nichts und wieder nichts angebracht hatte.
"So, ich lasse dich jetzt allein. Schließlich wurdest nur du eingeladen. Wenn Camille dich nach Hause schicken oder selbst heimbringen will, möchte sie mir bitte eine kurze Mitteilung zukommen lassen. Allerdings sollte sie schon darauf achten, dich bis zehn Uhr bei mir abzuliefern. Sage ihr das bitte!"
"Wie Sie wünschen, Madame Faucon", willigte Julius ein und sah, wie seine Gastmutter auf ihrem Besen davonflog. Er trat mit seinem Geschenk an die Tür des Wohnhauses heran und suchte nach einem Klingelzug wie am Haus von Madame Faucon. Er fand jedoch keinen Strang und auch keinen Knopf. So klopfte er an die Tür. Diese tat sich unvermittelt auf und ließ magisch eine kurze Botschaft ertönen:
"Tritt ein, o Gast, genieß die Rast!"
"da muß ich mich wohl dran gewöhnen", grummelte Julius, als er über die Türschwelle in das Haupthaus trat und in die große Eingangshalle gelangte, wo Claire Dusoleil wie eine Königin in purpurnem Seidenkleid auf einem hohen Holzstuhl thronte. Julius schrak einen Moment davon zurück, auf sie zuzugehen, doch dann lachte er laut und sagte: "Tolle Idee, Claire! Herzlichen Glückwunsch zum Zwölften!"
Claire Dusoleil freute sich und schloß Julius in die Arme. Dann sagte sie:
"Maman hat gemeint, ich sollte die Gäste hier empfangen, so wie du das vor drei Tagen gemacht hast. Papa hat die Tür auf jeden geladenen Gast eingestimmt. Hast du draußen die Dekoration gesehen, die Tante Uranie aufgehangen hat?"
"Die war das? Ich glaubte, dein Vater hätte die ganzen Lichter hingehangen", erwiderte Julius, nachdem er das Geburtstagskind begrüßt hatte. Dann fragte er:
"Ich habe da noch was für dich. Soll ich dir das gleich geben oder wohinlegen?"
Die Geschenketruhe steht im Wohnzimmer. Ich zeige sie dir."
Julius staunte über die große silberbeschlagene Eichenholztruhe, die im Wohnzimmer aufgebaut worden war. Auf ihrem Deckel prangte die goldene Inschrift: Claire DUSOLEIL, 07. 23. 1982.
Als sich Julius mit seinem Geschenkpaket näherte, klappte der Deckel hoch, und unvermittelt rutschte ihm das kleine Geschenkpaket aus den Händen und wurde in die Truhe gezogen wie von einem Magneten oder Staubsauger. Julius konnte in der Truhe nichts liegen sehen. Ein nachtschwarzer viereckiger Schlund gähnte ihm entgegen, der das Geschenkpaket verschluckte. Dann klappte der Deckel ohne Knarren und Klappern zu.
"Hallo! darf man seine Geschenke nicht eigenhändig einwerfen?" Wunderte sich Julius und grinste Claire Dusoleil an.
"dann würde ja jeder in die Truhe sehen können. Das hat Papa so eingerichtet, für jeden Geburtstag in der Familie. Die Truhe ist durch einen Wandelraum-Zauber so ausgestattet, daß niemand hineingreifen oder hineinsehen kann, für den sie im Moment keine Geschenke aufnimmt. Wer drankommt, sagt die Schrift im Deckel."
"Und wie kriegst du deine Geschenke aus diesem verhexten Ding wieder zurück?" Wollte Julius wissen.
"Wenn man mir sagt, daß ich sie rausholen soll. Dann darf ich ein Geschenk pro Minute herausziehen. Denise findet das immer sehr spannend. Jeanne hat damals diese Truhe zum erstenmal ausprobiert, als sie fünf Jahre alt wurde. Seitdem ist sie für alle aus unserer Familie da, die Geburtstag haben."
"Was ist mit Weihnachten?"
"da liegen die Geschenke unterm Baum wie in anderen Ländern auch", erklärte Claire Dusoleil und ging in die Eingangshalle zurück.
"Komm zu uns heraus, Julius! Claire muß die anderen Gäste empfangen", flötete Madame Dusoleil aus dem Garten. Julius hatte nicht bemerkt, daß die Hausherrin schon im Garten wartete. Er ging durch die Terrassentür und setzte sich an den großen ovalen Tisch, wo bereits Madame und Mademoiselle Dusoleil saßen.
"Wo sind denn Jeanne, Denise und Monsieur Dusoleil?" Fragte Julius.
"Die drei prüfen, ob die Musik in Ordnung ist", sagte Claires Tante Uranie. Julius betrachtete die beiden erwachsenen Hexen, die in ihren hellen Seidenumhängen richtig festlich wirkten.
"Claire sitzt heute vor Kopf. Du wirst rechts von ihr sitzen, neben Jeanne. Wielange darfst du bleiben, hat Blanche gesagt?"
"Madame Faucon hat mir bis zehn Uhr frei gegeben. Sollte ich vorher nach Hause geschickt oder gebracht werden, möchten Sie dies ihr bitte irgendwie mitteilen", gab Julius weiter, was seine Gastmutter ihm aufgetragen hatte. Madame Dusoleil nickte bestätigend.
"Und was passiert, wenn wir beschließen sollten, daß die Feier länger als zehn gehen könne?" Fragte Mademoiselle Dusoleil.
"Ja, dann bekäme ich wohl heftigen Ärger, weil Madame Faucon glauben könnte, ich hätte Ihnen nicht gesagt, daß ich nur bis zehn wegdarf", erwiderte Julius sofort.
"dazu werden wir es natürlich nicht kommen lassen", sagte Madame Dusoleil beruhigend.
Als alle Gäste, hauptsächlich Jungen und Mädchen aus Claires Schulklasse, eingetroffen waren, durfte Claire die zwölf Kerzen auf ihrem Geburtstagskuchen ausblasen, während alle Gäste ein Ständchen sangen. Danach wurde zunächst Kaffee getrunken, wobei Julius sich gerne im Hintergrund hielt, während die anderen Kinder schwatzten. Lediglich Jeanne erkundigte sich bei ihm danach, ob der neue Besen wirklich so gut flog, auch außerhalb eines Quidditchfeldes. Julius nickte und antwortete:
"Ich habe ihn noch nicht für längere Ausflüge ausprobiert. Aber ich denke mal, daß ich mit dem gut von hier nach London fliegen könnte."
"Bruno hat blöd geschaut, als du mit dem neuen Sauberwisch gegen seinen Ganymed 8 so gut ausgesehen hast. Jetzt kriegt er einen Ganymed 9 und verkauft den Ganymed 8. Auf diese Weise wird er in unserer nächsten Schulsaison besser aussehen als seine Kameraden", lächelte Jeanne.
"Ich denke schon daran, wie ich in der nächsten Schulsaison dastehen werde. Mein Schulfreund und Zimmergenosse wird wohl nächstes Jahr keinen eigenen Besen haben, weil er zur Weltmeisterschaft wollte. Alle werden mich fragen, wie ich an den guten Sauberwisch gekommen bin", legte Julius seine Gedanken dar.
"Ach, du meinst, deine Eltern könnten ihn dir nicht geschenkt haben?" Fragte Jeanne Dusoleil.
"Öhm, nicht nach dem Auftritt meines Herrn Vaters an einem von Hogwarts angebotenen Elterntag."
"Hat der was gegen Sport?"
"Neh, gegen Hexen und Besen und alles, was Zauberei beinhaltet", flüsterte Julius und errötete leicht.
"Ja, das sagte deine blonde Schulfreundin Gloria. Prudence muß Virginie etwas ähnliches gesagt haben, weil Virginie dich so bedauernd angeglotzt hat. Aber da sind wir mittlerweile drüber hinweg", entgegnete Jeanne.
Wie auf ein Stichwort hörte die Geburtstagsgesellschaft, wie Virginie Delamontagne durch das Wohnhaus kam, im Wohnzimmer die verhexte Truhe mit einem Geschenk für Claire fütterte und dann heraustrat. Julius starrte auf das rosa Glitzerkleid, daß Virginie trug. Sie hatte ihr blondes Haar derartig stramm gezogen, daß sie einen etwa faustgroßen Knoten im Nacken binden konnte.
"Heh, Ginie! Hat deine Herrin und Lebensspenderin dich doch noch entsand, uns zu beehren?" Begrüßte Jeanne die etwas jüngere Hexe.
"Maman entbietet den weiblichen Mitgliedern der Familie Dusoleil ihren Respekt und Monsieur Dusoleil ihren dank für seine schnelle Arbeit von heute morgen", erwiderte Virginie und schritt zielstrebig auf einen freien Stuhl zwischen Madame Dusoleil und einem hageren Mädchen mit schwarzen Locken zu, daß mit Claire die Schule begonnen hatte.
"Heh, Monsieur Andrews ist auch zugegen", trällerte Virginie und zwinkerte Julius zu, der unmittelbar rot anlief. Das amüsierte die beiden älteren Mädchen derartig, daß sie ungebändigt losgiggelten. Madame Dusoleil sagte nur:
"Man könnte meinen, Virginie, du wolltest ausprobieren, ob dein Schulmädchen-Charme schon auf Zwölfjährige wirkt. Dabei hast du dich doch mehr auf Bernard eingestimmt."
Jetzt errötete Virginie, und Julius wußte nicht, wieviele Anteile davon Verlegenheit und wieviele ohnmächtige Wut waren. Es dauerte eine Minute, bis die Tochter von Madame Delamontagne sich einen Satz abringen konnte. Er lautete:
"das muß nicht jeder wissen, Madame Dusoleil."
Vor dem Abendessen war das große Geschenkeauspacken angesetzt. Claire griff unbefangen in die schwarze Leere der verzauberten Truhe hinein und zog unter einem leisen Plopp das erste Geschenk heraus. Sie las nicht vor, von wem es war, sondern packte es gleich aus, wobei sie in schneller Abfolge von Handgriffen das Einwickelpapier um die Schachtel löste, ohne es zu zerreißen. In der Schachtel befand sich ein Stimmungsfarbring, wie Julius ihn von Gloria zu Weihnachten bekommen hatte. Blau leuchtete der große Stein am Ring, bevor Claire ihn an ihren rechten Ringfinger steckte. Sofort strahlte der Leuchtstein weißgolden auf. Claire wunderte sich, was dieser Farbumschlag zu bedeuten hatte. Doch ein Mädchen aus ihrer Klasse sah sie beruhigend an und erklärte ungefragt:
"das ist ein Stimmungsfarbring, Claire. Er reagiert auf die Gefühle und Konzentration seines Trägers. Ganz weiß mit ein wenig Gold bedeutet, daß du im Moment guter Stimmung bist."
Julius nickte Claire zu, daß er diese Aussage bestätigen konnte. Claire bedankte sich bei dem Mädchen, daß ihr den Ring geschenkt hatte und griff wieder in die Truhe.
Sie zog Bücher, Kleider und Schuhe aus der magischen Truhe, bis sie auch Julius' Schachtel aus dem undurchdringlichen schwarzen Nichts gefischt hatte. Sie wickelte das Geschenkpapier ohne große Anstrengung ab und bekam große Augen. Sie sagte:
"Ui! Ein Melodigraph. Mit dem kann ich meine Musikstücke so aufzeichnen, daß ich sie bei Bedarf wieder spielen kann. Ich wußte, daß es diesen Apparat im Laden für magische Instrumente gibt. Aber selbst kaufen wollte ich doch keinen."
Sie sah Julius kurz an und schenkte ihm ein äußerst dankbares Lächeln, daß Julius heiß und kalt werden ließ.
Neben dem Melodigraphen bekam Claire noch eine weitere Palette mit Zauberfarben, sowie eine modische Practicustasche, ähnlich der, die Julius von Madame Faucon und Aurora Dawn bekommen hatte, einen rotgoldenen Wecker in der Form eines Hahns, der per Stimme auf die Uhr- und Weckzeit eingestellt werden konnte und ein Buch über Zauberpflanzen des europäischen Festlandes, wenn Julius den lindgrünen Schriftzug auf dem sonnenblumengelben buchumschlag richtig entziffern konnte. Von ihren Eltern bekam sie zu alledem noch eine rotgoldene Ballrobe, ähnlich dem Festumhang, den Julius von Catherine Brickston geschenkt bekommen hatte. Nur saßen an dieser Robe noch kleine blutrote Schmuckperlen an Ärmelsäumen, Taille und Kragen, und Julius konnte das Licht sich darin brechen und widerspiegeln sehen. Zu der Robe bekam Claire noch rotlackierte Tanzschuhe und ein weizengelbes Haarband.
"Ui!" Staunte Julius. Madame Dusoleil sah den Hogwarts-Schüler an und lächelte.
"Claire hat sich die Sachen gewünscht, wo sie doch am 28. Juli am Sommerball teilnehmen darf, wie alle, die das zwölfte Lebensjahr vollendet haben", flüsterte sie Julius zu. Der Hogwarts-Schüler schluckte. Er hatte davon gehört, daß in Millemerveilles Ende Juli ein Tanzabend stattfinden würde, doch ging er davon aus, daß nur Kinder über fünfzehn Jahren mit den Erwachsenen daran teilnehmen würden. Claire sah, wie Julius ein verlegenes Gesicht zur Schau trug und kam zu ihm herüber, nachdem sie auch die letzten Geschenke ausgepackt und sich dafür bedankt hatte. Sie bedankte sich noch mal bei Julius direkt für den Melodigraphen und fragte:
"Wieso hast du denn so merkwürdig dreingeschaut, als Maman mit dir gesprochen hat? Man könnte ja meinen, sie hätte dir etwas unanständiges zugeflüstert."
"das bestimmt nicht, Claire. Sie hat mir nur erzählt, daß du dich auf einen Tanzabend freust, der hier stattfinden soll. Ich dachte, daß nur ältere Kinder daran teilnehmen dürften und staunte über meine eigene Dummheit."
"Ach, daß hat dir keiner Erzählt, daß hier demnächst der Sommerball stattfinden wird? Na ja, vielleicht wollte Professeur Faucon dich nicht daran teilnehmen lassen. Dabei ist sie selbst dabei. Aber ich freue mich schon richtig drauf", sagte Claire im Flüsterton.
"Wahrscheinlich ging sie davon aus, daß ich zu eurer Musik sowieso nicht tanzen kann. Könnte sein, daß sie damit recht hat", erwiderte Julius leise, während Virginie und Jeanne sich über die Quidditch-Weltmeisterschaft unterhielten. So nebenbei erfuhr Julius, daß Jeanne mit der Abordnung von Beauxbatons zu den letzten zwei Spielen der Weltmeisterschaft reisen würde, während Virginie in Millemerveilles blieb.
"das wird sich heute noch zeigen, ob du mit unserer Musik klarkommst. Ich gehe mal davon aus, daß ihr in Hogwarts auch Tanzunterricht habt", entgegnete Claire auf Julius' letzten Satz. Julius überlegte kurz und sagte:
"Nö! In Hogwarts haben wir keinen regulären Tanzunterricht. Aber einige Tänze kann ich so gerade eben, ohne wem auf die Füße zu treten."
"Gut für dich", sagte Claire mit strahlendem Lächeln und wandte sich ihren Klassenkameradinnen zu, die gerade den Hahnenwecker ausprobierten. Laut krähte der rotgoldene Hahn los, als Julius' Uhr sechs Uhr Abends zeigte. Ein Mädchen, Jasmine, lachte laut und rief:
"damit wecken wir alle in Beauxbatons auf!"
"Den kann man auch leiser stellen", sagte Monsieur Dusoleil und deutete auf eine der Schwanzfedern. "Wenn ihr diese Feder einmal mit dem Zauberstab anstubst, kräht der Hahn nur noch halb so laut. Tippt ihr sie zweimal an, kräht er wieder mit voller Stärke."
Um sieben gab es Abendessen. Julius staunte nicht schlecht, was Madame Dusoleil aufgeboten hatte, um ihrer mittleren Tochter ein schönes Geburtstagsmenü zu bieten. Eine und eine halbe Stunde lang langten die Gäste zu und genossen die reichhaltigen Speisen, die von kleinen Zuckerkringeln zu Beginn bis zu einer gigantischen Fruchteisbombe reichten. Danach ging Monsieur Dusoleil in seine Werkstatt und schleppte eine große Kiste heraus in den Garten, die er unter einen weitausladenden Apfelbaum stellte. Er klappte den Deckel zurück und brachte etwas zum Vorschein, das wie ein eingeschrumpftes Tanzorchester aussah. Schwarz-weiß gekleidete Puppen, alle 20 Zentimeter groß, saßen hinter Notenpulten und hielten verschiedene Saiten-, Blas-, und Schlaginstrumente bereit. Monsieur Dusoleil plazierte die Musikerpuppen in einem Halbkreis vor dem Apfelbaum. Dann tippte er kurz mit seinem Zauberstab gegen den Deckel der Kiste, aus der er die kleinen Musiker geholt hatte. Doch klein blieben die Musiker nicht. Kaum hatte Monsieur Dusoleil den deckel angetippt, klappte dieser geräuschlos zu, und die kleinen Puppen wuchsen mit ihren Instrumenten und Notenpulten zur Größe lebender Menschen an. Sofort begannen sie, die Abstimmung ihrer Instrumente zu prüfen. Der Kammerton A, von allen Instrumenten gespielt, klang laut und rein durch den Garten. Mit einem Wink des Zauberstabes entzündete Monsieur Dusoleil sämtliche Gartenlichter und tauchte den großen Garten in ein buntes Lichtermeer. Julius staunte nur noch. Er sah auf die Gäste und das Geburtstagskind, daß mit seiner älteren Schwester zur Mitte der großen Wiese trat. Madame Dusoleil dirigierte alle Jungen auf eine Seite der Wiese, während die Mädchen und Frauen sich auf der gegenüberliegenden Seite aufstellen mußten. Dann sagte die Hausherrin laut und vernehmlich:
"Liebe Festgemeinde, meine Tochter Claire, deretwegen wir heute so zahlreich erschinen sind, wünschte sich zur Vollendung ihres Geburtstages einen kurzen Tanzabend unter freiem Himmel. Mein Mann, meine Schwägerin und ich, haben keine Kosten gescheut, das Magicomechanik-Tanzorchester von Millemerveilles zu engagieren. Zu Klängen der Klassik und der volkstümlichen Tanzmusik darf nun jedes Paar das sich findet, seine Tanzkünste vorführen. Partnerwechsel sind durchaus erlaubt. Claire wird nach dem Tusch des Orchesters einen jungen Mann aus unseren Reihen auffordern, der mit ihr den Tanzabend eröffnet, falls er nicht zu unhöflich ist, ihre Einladung zurückzuweisen. Wenn Claire einen Partner erwählt hat und mit ihm auf die Mitte dieser Wiese getreten ist, dürfen alle weiblichen Gäste Partner für den ersten Tanz auswählen. Wir haben nun anderthalb Stunden, in denen wir uns zu wohlklingender Musik bewegen dürfen. Machen wir das beste daraus!"
Monsieur Dusoleil trat an die zugeklappte Kiste der nun entschrumpften Musikerpuppen heran, berührte mit seinem Zauberstab eine Seitenwand, dann die Oberfläche des Deckels und trat zu den männlichen Geburtstagsgästen. Er stellte sich neben einen semmelblonden Jungen aus Claires Klasse, der leicht verschüchtert zum Geburtstagskind hinüberblickte. Julius wußte nicht, ob er mehr Angst davor hatte, von Claire aufgefordert zu werden oder davor, nicht aufgefordert zu werden. Immerhin sah der junge Zauberer mit seinem mitternachtsblauen Umhang genauso würdig aus, wie Julius Andrews. Die Musiker ließen einen schmetternden Tusch durch den Garten tönen. Alle Augen richteten sich auf Claire Dusoleil, die sich von ihrer älteren Schwester entfernte und schnurstracks auf die aufgereihten Jungen und ihren Vater zuschritt.
Julius wußte nicht, ob er es wollte oder sich davor fürchtete, von Claire aufgefordert zu werden, als sie ihn unvermittelt mit ihrem Blick einfing. Er dachte daran, wie heftig sich seine Mutter und sein Vater vor drei Jahren gestritten hatten, weil Mrs. Andrews die Idee hatte, Julius für 200 Pfund zu einem exklusiven Kindertanzkurs zu schicken, der zwei Stunden wöchentlich über zwei Jahre abgehalten werden sollte. Mr. Andrews hatte dagegen protestiert, Geld für etwas auszugeben, was Julius später entweder sowieso lernen oder nie brauchen würde. Julius' Mutter hatte sich durchgesetzt, zumal Moiras Vater einen Tanzpartner für seine Tochter gesucht hatte. So kam es, daß Julius mit seiner früheren Schulkameradin Moira den teuren Tanzkurs besuchte und alle Standard- und die meisten lateinamerikanischen Tänze erlernt hatte. Jetzt, wo Claire ihn mit zielsicherem Schritt ansteuerte und ihre rechte Hand ausstreckte, sah er noch mal die Bilder vor sich, wie er mit Moira die ganzen anstrengenden Stunden durchtanzt hatte, als wenn er in einem Rundumkino säße, in dem ein farbiger Stummfilm viel zu schnell abgespielt wurde.
"darf ich bitten?" Drang Claires Stimme wie durch dichten Nebel an Julius' Ohren. Sofort war er wieder in der Jetztzeit. Er wußte, daß er sich schnell entscheiden mußte. Die Aufforderung zurückzuweisen wäre nicht nur unhöflich, sondern auch feige, fand er. Sie anzunehmen barg gewisse unüberschaubare Folgen in sich. Würde Claire ihn nur deshalb auffordern, weil er nicht aus diesem Dorf kam? Wollte sie eine schwere Entscheidung umgehen, wenn sie nicht einen ihrer Schulfreunde aufforderte? Wie dem auch war, dachte Julius, er mußte sich entscheiden. Ohne weitere Diskussion sagte er:
"Mit Vergnügen, Mademoiselle."
Er warf kurz einen Blick zu dem semmelblonden Jungen im blauen Umhang hinüber, der Claire genauso mit seinen Blicken verfolgt hatte, wie jeder und jede andere der Gästeschar. Der Junge sah erleichtert aus. Vielleicht bildete es sich Julius auch nur ein, weil er auserwählt worden war und den Gedanken an eine enttäuschte Konkurrenz nicht in sein Bewußtsein lassen wollte. Doch der Junge im blauen Umhang wirkte um Zentnerlasten erleichtert. Doch Julius hielt sich nicht damit auf, den anderen Zauberschüler zu beobachten. Er sah Claire fest in die Augen und brachte ein zufriedenes Lächeln zustande. Er ging mit Claire, die sich an seinem rechten Arm untergehakt hatte, zur Mitte der großen Wiese. Das war das Zeichen für die anderen Frauen und Mädchen, sich Partner zu suchen. Julius funktionierte beinahe wie ein Automat. Er nahm ohne weitere Anweisung eine Grundstellung ein, aus der heraus er lostanzen konnte, was auch immer für ein Rhythmus gespielt würde. Den linken Arm hatte er locker um Claires Hüfte gelegt, während er mit seiner rechten Hand Claires linke Hand ergriff, die sie ihm ohne ein einziges Wort hingehalten hatte.
"Aha, da kommt auch dieses ans Licht", flüsterte Claire und setzte eine siegessichere Miene auf. Julius hielt es nicht für angebracht, auf die Bemerkung seiner Tanzpartnerin zu antworten.
Die magischen Musikerpuppen spielten einen flotten Musette-Walzer auf. Zwei Akordeonspieler ließen ihre künstlichen Finger mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit über die Tasten ihrer Instrumente fliegen, während die Geigen und das Schlagzeug die Akzente des Tanzrhythmusses setzten. Julius fing sofort an, einen schnellen Wiener Walzer auf die Tanzwiese zu legen, den Claire spielerisch mittanzen konnte, wenngleich sie wohl andere Tanzschritte vorgezogen hätte. Julius gönnte sich einen kurzen Rundblick und sah, wie Madame Dusoleil mit einem schwarzhaarigen Jungen aus Claires Klasse tanzte, während der semmelblonde Junge von Jasmine, dem schwarzgelockten Mädchen, unbarmherzig auf den Tanzrasen geholt worden war. Virginie hatte sich Monsieur Dusoleil auserwählt, während dessen Schwester mit einem pummeligen Rotschopf tanzte, der ebenfalls in Claires Klasse war.
"Nichts für ungut, Julius! Aber Wiener Walzer ist das nicht. Ich zeige dir kurz, wie auf diese Musik getanzt wird", flüsterte Claire Dusoleil und deutete auf ihre Füße. Sie machte zum Rhythmus der Musik die korrekten Schritte und sah befriedigt, wie Julius sich sehr schnell darauf einstellte, so daß die zweite Hälfte des Liedes eine perfekte Harmonie der beiden jungen Tänzer vorherrschte.
Die folgenden fünf Tänze waren kein Problem für Julius. Er empfand es als Genugtuung, daß seine Mutter ihm etwas hatte beibringen lassen, was er erstens wirklich gut gelernt hatte und zweitens tatsächlich gebrauchen konnte. Ob schnelle oder langsame Stücke, ob Tango oder Rumba, Julius Andrews hielt locker die Schritte und den Takt ein. So nebenbei sah er, wie sich Paare voneinander trennten und neue Paare bildeten. Er grinste, als Madame Dusoleil leise aber unmißverständlich zwei Jungen davon abbrachte, ein reines Jungenpaar zu bilden. Erst da fiel Julius auf, daß bewußt soviele Jungen wie Mädchen an der Geburtstagsfeier teilnahmen. Er sah, wie Monsieur Dusoleil mit seiner Frau tanzte, als wären die beiden ihr Leben lang aufeinander eingestimmt worden. Erst nach dem sechsten Stück, einer Samba, verspürte Julius eine leichte Erschöpfung, die ihn aber nicht daran hinderte, noch zwei weitere Tänze durchzuhalten. Claire schien nicht genug von ihm bekommen zu können. Immer wieder scheuchte sie Mädchen, die auch mal mit Julius tanzen wollten, durch einen energischen Blick davon, bis schließlich ihre eigene Mutter anschwebte und Claire fragte, ob sie einmal mit Julius Andrews tanzen könne. Claire nickte bedröppelt und suchte sich einen Jungen aus ihrer Klasse aus, mit dem sie weitertanzen konnte, während Julius mit Madame Dusoleil zuerst einen Foxtrott und dann einen langsamen Walzer auf das Wiesenparkett legte.
"Wer in deiner Familie hatte die geniale Eingebung, dich so früh so gut in den gängigen Tänzen ausbilden zu lassen?" Fragte Madame Dusoleil, als sie von Julius zum Wiener Walzer links herum geführt wurde. Julius, der sich wegen der Größe und Körperfülle seiner neuen Tanzpartnerin etwas unbehaglich fühlte, sah zu Madame Dusoleil hinauf und antwortete:
"Wer ist in einer Familie für derartige Belanglosigkeiten zuständig? - Meine Mutter hat das vor drei Jahren durchgedrückt, daß ich zumindest soviel Grundkenntnisse kriege, um nicht der ersten Tanzpartnerin auf die Füße zu trampeln."
"Belanglosigkeiten? Du hast Jeanne, Virginie und mich richtig neugierig gemacht und die meisten Jungen hier, die alle in Beauxbatons ordentlichen Unterricht haben, in den Schatten gestellt. Jetzt verstehe ich auch, warum du so unangenehm berührt wirktest, als ich dir sagte, daß wir hier einen Ball abhalten werden. Du hast Angst davor, dich zu gut darzustellen, wie? Vielleicht kommst du ja um einen Auftritt vor großem Publikum herum", grinste Madame Dusoleil.
Nach dem zwölften Stück wurde eine kleine Pause eingelegt, in der sich die Gäste an einer Fruchtsaftbar neben dem großen Esstisch erfrischen konnten. Monsieur Dusoleil spielte den Barkellner und schenkte jedem Gast ein Glas mit der Mischung verschiedener Fruchtsäfte voll, die er oder sie haben wollte. Julius gönnte sich eine Mischung aus Zitronen-, Erdbeer- und Kürbissaft, nur so zum Probieren. Er trank und meinte dann:
"Hui, eine interessante Mischung."
Virginie Delamontagne, die den letzten Tanz vor der Pause mit Monsieur Dusoleil getanzt hatte, fragte Julius, ob er nicht den nächsten Tanz mit ihr zusammen auf die Tanzfläche legen wolle. Julius überlegte kurz, weil Claire Dusoleil gerade wieder zu ihm kam. Doch als er den Blick ihres Vaters sah, der beruhigend den Blick seiner Tochter einfing, sagte Julius zu.
Nach der Pause tanzten Virginie und Julius drei Stücke hintereinander durch, dann löste Jeanne die Tochter der Dorfrätin Eleonore Delamontagne ab. Wie sich zeigte konnte sich Julius auch mit der ältesten der drei Dusoleil-Schwestern wunderbar bewegen, wenngleich Julius etwas durch die Körpergröße Jeannes gehemmt wurde.
"Schade, daß ich nicht da bin, wenn hier der Sommerball stattfindet. Ich würde das zu gerne erleben, wie du dich unter allen Teilnehmern zurechtfindest. Aber immerhin braucht sich kein anständig ausgebildetes Mädchen zu schämen, dich aufzufordern. Du konntest sogar mit Maman tanzen, ohne sie allzu überlegen aussehen zu lassen. Lernt ihr das etwa auch in Hogwarts?"
"Nicht das ich wüßte. Zumindest wird es uns in den ersten Klassen nicht angeboten. Ich frage mich auch, wozu?"
"Jaja, ihr Engländer habt keinen ausgeprägten Sinn für Kunstfertigkeiten", kommentierte Jeanne Julius' Bemerkung mit einem ironischen Unterton, der Julius erröten machte.
"Hallo, Julius! Ich wollte dich nicht beschämen. Nachher kriege ich noch Krach mit Claire, weil sie denken könnte, ich hätte dir was unanständiges abverlangt", lachte Jeanne. Dann war das Tanzstück vorbei. Julius Andrews bedankte sich bei Jeanne für den Tanz und zog sich von der Wiese zurück. Er gesellte sich zu den Jungen und Mädchen, die entweder keine Lust mehr hatten, zu tanzen oder nicht die richtigen Partner abbekommen hatten. Doch ihm blieb gerade ein Lied zum ausruhen. dann kam Claire zu ihm herüber und flüsterte:
"da du jetzt bis auf Tante Uranie jede Interessentin von deinen Künsten überzeugt hast, kannst du ja wieder mit mir auf die Tanzfläche gehen, oder?"
"Hast du keinen mehr abgekriegt, Claire?" Meinte Jasmine, die auch zu den Nichttänzern gehörte, sich einmischen zu können.
"Ich habe keine Probleme, Partner zu suchen, Jasmine. Allerdings solltest du sie doch alle kennen. Immerhin hast du ja jedesmal gewechselt, wenn ein neues Stück gespielt wurde. Also, Julius, gibst du mir noch mal die Ehre?"
Julius verschluckte ein "Muß das wirklich sein?" und begab sich mit Claire zurück auf die Tanzfläche, wo gerade ein weiterer Tango aufgespielt wurde. Der Hogwarts-Schüler ließ alle selbsterzeugten Hemmungen fahren und legte sich ins Zeug, um möglichst kraftvoll und beweglich auszusehen. Claire gefiel das, und sie warf sich ebenfalls mit voller Kraft in diesen Tanz hinein, was dazu führte, daß Julius sich fast mit dem rechten Fuß unter dem Umhangsaum seiner Tanzpartnerin verhedderte. Doch irgendwie gelang es den beiden, sich ohne Aufsehen aus dieser fast peinlichen Lage zu befreien und den Tanz vorbildlich zu beenden, als die Musik ausklang.
"Du mußt Professeur Faucon unbedingt erzählen, daß du durchaus dazu geeignet bist, zu unserem Sommerball zu kommen. Ich hoffe, du kannst dir einen Festumhang und passende Schuhe besorgen?"
"das muß ich noch abwarten. Wenn Professeur Faucon nicht will, daß ich euch auf den Füßen herumtrample, brauche ich keinen Festumhang", sagte Julius kühl. Claire sah ihn an, als wüßte sie nicht, ob sie sich nun über seine Bemerkung ärgern oder entäuscht sein sollte, weil er vielleicht recht hatte.
Um kurz vor zehn Uhr beendete das magicomechanische Tanzorchester von Millemerveilles seine Vorstellung. Claire tanzte den Schlußwalzer mit Julius, Madame und Monsieur Dusoleil tanzten zusammen, während Jeanne und Virginie mit zwei Jungen aus Claires Klasse tanzten. Nach dem letzten Ton verbeugten sich die Musikerpuppen. Die Kiste klappte sich von allein auf, und die lebensgroßen Puppen schrumpften wieder zusammen, um von Monsieur Dusoleil in die Kiste zurückgelegt zu werden.
Virginie kam noch mal zu Julius und flüsterte ihm zu:
"Ich freue mich schon, wenn du zum Sommerball kommst. Maman verschickt morgen die Einladungen. Sieh zu, daß du einen Festumhang auftreiben kannst!"
"Falls eure werte Verwandlungslehrerin befindet, daß ich hindarf", flüsterte Julius zurück.
"das wird schwierig sein, einen Grund dagegen zu finden", grinste Virginie. Claire, die schmollend danebengestanden hatte, weil Julius sich mit der älteren Beauxbatons-Schülerin unterhielt und sie nicht beachtete, grinste auch, als sie Virginies letzte Worte aufschnappte.
Alle Gäste verabschiedeten sich von Claire und bedankten sich bei Madame und Mademoiselle Dusoleil für das gelungene Geburtstagsessen. Julius verabschiedete sich als einer der letzten von Claire Dusoleil. Diese drückte ihn unvermittelt an sich und schnurrte ihm ins Ohr:
"Wir sehen uns beim Sommernachtsball wieder. Schlaf gut!"
Julius ließ sich von Madame Dusoleil per Flohpulver in das Haus von Madame Faucon zurückbringen. Die Lehrerin für Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste saß ruhig in einem Sessel vor dem Kamin und las in Julius' Buch über Zaubertinkturen für Jedermann, daß er von den Hollingsworths bekommen hatte.
"Wir sind doch noch in der Zeit, Blanche?" Erkundigte sich Madame Dusoleil mit unschuldiger Miene.
"Eine Minute fehlte noch. Ich hoffe, er hat gut gegessen, sich anständig benommen und nichts angestellt, über das ich nicht begeistert sein darf", sprach die Professorin von Beauxbatons. Madame Dusoleil sagte nur:
"Nein, nichts, worüber du dich ärgern mußt. Es sei denn, du hast mit dem Gedanken gespielt, Julius nicht zu unserem Sommerball mitzubringen. Wenn dem so gewesen sein sollte, müßtest du dich wirklich ärgern. Virginie wird ihrer Mutter zureden, daß ihr Julius immer versucht hat, auf die Füße zu treten, es aber merkwürdigerweise nicht geschafft hat."
"Soso. Das klären wir später. Erst einmal wird geschlafen. Dann kommt ein hochinteressantes Schachturnier, und was dann kommt, entscheide ich später. Danke, daß du ihn abgeliefert hast, Camille. Bestell deinem Mann einen schönen Gruß von mir!"
Madame Dusoleil nickte zustimmend und rauschte mit der Hilfe von Flohpulver durch den Kamin davon zurück zu ihrem Haus.
"In fünf Minuten bist du bettfertig und in deinem Zimmer! Morgen wird es anstrengend für dich und mich", sprach Madame Faucon und löschte das Kaminfeuer, daß Madame Dusoleil für ihre Rückreise gebraucht hatte. Julius nickte nur und wünschte seiner Gastmutter eine gute Nacht.
Schnell entledigte er sich seiner Festbekleidung und wusch sich noch mal kurz, bevor er in seinen Pyjama schlüpfte, sich in sein Gästezimmer zurückzog und die Eule Francis zum Fenster hinausließ, bevor er sich zum schlafen niederlegte.
"Verflixter Tanzkurs. Als wenn ich hier nicht schon genug auffalle", dachte Julius noch, bevor er sich in seinem Bett umdrehte und einschlief.
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